Eine Nacht mit “Princess Anastasia”

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Eine Nacht mit “Princess Anastasia”
1 / REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“
Eine Nacht mit “Princess Anastasia”
St. Peter Line setzt ehemalige OLYMPIA zwischen Stockholm, Tallinn und St. Petersburg ein
usgerechnet die erst 2010 gegründete russische St. Peter Line hat das
Cruise Ferry-Konzept in der Ostsee perfektioniert. Denn deren Schiffe verkehren zwar ganzjährig auf kreuzfahrtartigen Rundreisen zwischen St. Petersburg,
Helsinki, Stockholm und Tallinn, können
jedoch auf allen Teilstrecken auch als
Fähren gebucht und genutzt werden.
RoPax stach im März 2013 mit der
“Princess Anastasia” in See.
A
Die Haarsträhnen einer Prinzessin und die Krone
auf dem Haupt bilden das Reederei-Logo der
St. Peter Line.
renz von Tallink teilt. Sprachbarrieren
scheint es also schon mal keine zu geben bei
St. Peter Line, und auch als sich die
“Princess Anastasia” kurze Zeit später für
die 18 Uhr-Abfahrt nach Tallinn bereit
macht, beweist ihre Besatzung in einem
wichtigen Punkt Professionalität: In perfektem Englisch (und in russischer und
schwedischer Sprache sowieso) werden die
Kreuzfahrt-Passagiere zurück an Bord willkommen geheißen und jenen sowie den
regulären Fährpassagieren über die Bordlautsprecher die verschiedenen Optionen
in Sachen Abendessen und Unterhaltungsprogramm erläutert. Interessanterweise
arbeitet St. Peter Line im Hotelbereich zur
Hälfte mit russischen und zur Hälfte mit
estnischen Crew-Mitgliedern; letzteres
weil man im weltoffenen Estland traditionell über bessere Englisch-Kenntnisse verfügt als im eher verschlossenen Russland.
Dass die Kellnerinnen wie in der Rabbit Bar
der “Princess Anastasia” Hasenohren tragen, dürfte allerdings auf Schiffen west licher Fährreedereien mit betrieblicher
Mitbestimmung einigermaßen undenkbar
sein.
Ebenso ausführlich und makellos wie die
Durchsagen an Bord ist übrigens auch das
gedruckte Tagesprogramm, das in englischer wie in deutscher Sprache an der Rezeption des Schiffes ausliegt. Darüber
hinaus gibt es an Rezeption und „ShorEx
Desk“ Informationen über die verschiedenen Landausflüge, die für die angelaufenen
Häfen gebucht werden können sowie über
die Rund um Westeuropa-Kreuzfahrten,
welche die beiden Schiffe der St. Peter
Line Anfang 2014 unternehmen werden.
Dann nämlich werden sie während der
Olympischen Winterspiele vorübergehend
im russischen Schwarzmeerhafen Sotchi
festmachen. Und noch etwas erinnert
schon beim Betreten des Schiffes an das
Procedere auf den großen Kreuzfahrtschiffen: Alle Passagiere (also auch die Fähr -
Das warme Valletta als Heimathafen, das kalte
Tallinn als Zielort – Aussicht mit Rettungsboot
auf die estnische Küste.
reisenden) müssen am Eingang auf Deck 4
ihr Handgepäck (und ihre Einkäufe)
durchleuchten lassen, was allerdings genauso reibungslos abläuft wie es sinn- und
folgenlos ist.
Foto: Kai Ortel
Foto: Kai Ortel
Foto: Kai Ortel
„Have a nice trip!“ wünscht die freundliche
Dame im Terminal, das sich die St. Peter
Line, eine Tochter der russischen Hafenund Reedereiagentur Inflot World Wide,
im Stockholmer Freihafen mit der Konkur-
Innenkabine der „Princess Anastasia“ im
typischen 1980er Jahre-Look..
Ein Schiff mit Vergangenheit
Diese und andere Eigentümlichkeiten können aber natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die “Princess Anastasia” immer noch eine Fähre ist. Und was für eine.
1986 als “Olympia” für die Viking Line
gebaut, war sie bei ihrer Indienststellung
zusammen mit ihrem Schwesterschiff “
Mariella” das größte und vielleicht schönste ihrer Art weltweit. Im Gegensatz zu ihrer
älteren Schwester “Mariella”, die bis zum
heutigen Tag für die Viking Line zwischen
Stockholm und Helsinki verkehrt, verschlug es die “Olympia” aber schon nach
wenigen Jahren in den Ärmelkanal und in
die Biskaya. Von ihrem neuen Besitzer
P&O Ferries im Frühjahr 1993 in „Pride of
Bilbao“ umbenannt, wurde die ehemalige
“Olympia” nun überwiegend zwischen
Portsmouth und Bilbao bzw. zwischen
Portsmouth und Cherbourg eingesetzt und
war mit ihrer Betten-Kapazität für 2.450
Passagiere lange Zeit die größte Nachtfähre in britischen Gewässern. 2010 allerdings
stellte P&O Ferries den Spanien-Dienst ein,
RoPax 4 / 06.2013
REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 2
Foto: Kai Ortel
so dass die “Pride of Bilbao” zum Verkauf und Estland am wenigsten erwartet, sind
ohne Abendgarderobe und ohne Kellnestand. St. Peter Line suchte zu diesem deutsche Mitreisende, und doch bevölkern
rinnen, die unablässig Cocktails anbieten.
Zeitpunkt ein zweites Schiff neben der eben jene an diesem Abend in erstaunlicher
Unter „Wissenswertes“ fällt auch die Infor„Princess Maria“, um das eigene Angebot Anzahl die “Princess Anastasia”. Doch der
mation, dass man statt des normalen Frühan Minikreuzfahrten in der Ostsee zu er- Grund hierfür ist schnell gefunden: Die
stücks im Büffetrestaurant gegen Aufpreis
weitern. Die “Pride of Bilbao” kam da wie Frankfurter Firma Trendtours Touristik
auch das Luxus-Frühstück im A la Cartegerufen, denn sie war aufgrund ihrer Ver- hat die Rundreisen der “Princess AnastaRestaurant wählen kann, das für 10 € mehr
gangenheit nicht nur bestens bekannt beim sia” in Zusammenarbeit mit Ferry Knowauch Sekt und Kaviar beinhaltet. Analog
skandinavischen Publikum, sondern mit How, dem deutschen Generalagenten der
gilt auch für das Abendessen: Wer auf der
ihrer Eisklasse auch problemlos wieder in St. Peter Line, unter dem Namen „Glanz“Princess Anastasia” auf der Suche nach der
ihren alten Heimatgewässern einsetzbar. lichter der Ostsee“ 2013 neu ins Programm
russischen Seele ist, sollte die 33 € für das
Am 31. März 2011 unternahm sie als “SPL aufgenommen und bietet sie zusammen
Luxus-Büffet ausgeben. Darin sind dann
Princess Anastasia” (das Kürzel „SPL“ steht mit einer Busan- und abreise via
zusätzlich noch ein Glas Sekt, ein Glas Bier
dabei für „St. Peter Line“) ihre erste Mini- Rostock/Travemünde – Trelleborg ab 698 €
und ein Glas Wodka enthalten. Na dann:
Kreuzfahrt auf der Linie St. Petersburg – auf dem deutschen Markt an. Dabei sind
Na sdorowje!
Stockholm – Tallinn –
St. Petersburg, die im
Back to the Eighties
September 2011 um eiDen normalen Fährnen Zwischenstopp in
passagier interessiert
Helsinki und Marieall dies indes weniger.
hamn erweitert wurde.
Ihn wundert vielmehr,
Als wir an einem eisig
dass die “Princess Anakalten Märznachmitstasia” in Stockholm
tag 2013 an Bord der
anstatt um 18:00 Uhr
„Princess Anastasia“
erst um 18:30 Uhr abkommen, sind wir von
gelegt hat. Ticket und
dem Schiff positiv
Online-Fahrplan sagen
überrascht. Ihr Alter
18:00 Uhr, Bordprovon mittlerweile 27
gramm und „EnterJahren sieht man der
tainment Map“ hingeehemaligen “Olympia”
gen weisen 18:30 Uhr
fast nirgends an (höchals Abfahrtszeit aus.
stens unterhalb von
Doch immerhin ist es
Deck 4, wo die Tepkeine noch längere
pichböden bei weitem
Verzögerung, die soll
nicht mehr ganz so
das Schiff nämlich auch
schick und neu sind
regelmäßig an den Tag
wie auf den „besseren
legen. Russland liegt
Plätzen“ auf Deck 6
schließlich außerhalb
und 7), im Gegenteil: Eine Schautafel erinnert an Bord an das allzu kurze Leben der russischen Zarentochter
des Schengen-GebieDie Kreuzfahrtfähre Anastasia, der Namensgeberin des Schiffes.
tes, und da kann die
präsentiert sich fein
Zollabfertigung insbeherausgeputzt und sauber und wirkt um ei- die Landausflüge in den Häfen im Reisesondere in St. Petersburg schon mal länger
niges jünger als die “Mariella”, die aber auch preis inbegriffen, und St. Petersburg kann
dauern. Dafür registriert der Autor dieser
tagein, tagaus Hunderte partywütiger Fin- bei Buchung eines organisierten LandausZeilen mit Wohlwollen, dass Reisende, die
nen und Schweden beherbergen muss. Das fluges visumfrei besichtigt werden. (Autolediglich ein einzelnes Bett in einer MehrBranding in den öffentlichen Räumen wur- und Busfahrer hingegen sind von der Visabettkabine gebucht haben, letztere nicht
de seit dem Ankauf des Schiffes ebenfalls freiheit ausgenommen, doch ermöglicht
mit anderen Passagieren gleichen Gekonsequent auf „St. Peter Line“ umgestellt, die 2010 eingeführte Regelung seitdem
schlechts teilen müssen. So hat o. g. Redakso dass man Relikte aus P&O-Zeiten ver- auch Last-Minute-Buchungen auf den beiteur seine „4 bed cabin, inside, 9m2“ für die
geblich sucht an Bord. Sogar an die Na- den Linien der Reederei nach St. Peterskommenden 16 Stunden ganz für sich almensgeberin des Schiffes erinnert auf Deck burg.) Im Gegensatz zu einer „richtigen“
leine. Dies kann bei einer Reederei wie St.
6 eine große Schautafel. In rührenden Wor- Kreuzfahrt wird die Reise allerdings nur
Peter Line, die Fährpassagen genauso wie
ten wird die russische Zarentochter Ana- mit Halbpension in Form von FrühstücksKreuzfahrten anbietet, Zufall sein, muss es
stasia beschrieben, die sich als Jugendliche gutscheinen für das Büffetrestaurant an
aber nicht. Die Befürchtung, die Nacht in
durch Fröhlichkeit und eine schauspiele - Bord angeboten. Doch das Konzept scheint
der Kabine mit drei ukrainischen Lastwarische Begabung auszeichnete. Das trauri- aufzugehen. Gleich zwei Trendtours-Busse
genfahrern oder anderen dubiosen Gestalge Ende ihres allzu kurzen Lebens aller- fahren auf dem Autodeck der Fähre mit,
ten verbringen zu müssen, ist jedenfalls
dings verschweigt die Schautafel; Prinzes- entsprechend gut besucht ist also die
gänzlich unbegründet.
sin Anastasia wurde 1918 im Altern von 17 abendliche Informationsveranstaltung im
Was die Einrichtung von Kabine Nr. 4709
Jahren zusammen mit ihrem Vater Zar Ni- erstaunlich großen Kino der “Princess
betrifft, hat man jedoch schon Raffiniertekolaus II. und ihren Geschwistern von den Anastasia”. Hier erfahren die vielleicht 60 –
res gesehen. Die Schalttafel des Nachttisch70 deutschen Kreuzfahrtgäste (die im übBolschewisten in Jekaterinburg ermordet.
radios stammt definitiv noch aus der Zeit
rigen großteils der Generation 50+ angeder Indienststellung der “Olympia” (und ist
hören) alles Wichtige zu notwendigen ForDeutsche an Bord!
kaputt), und auch einen Fernseher oder
Was man im skandinavischen Winter auf malitäten und zum Alltag an Bord. Genau
Fön sucht man gleich ganz vergeblich. Back
einer russischen Fähre zwischen Schweden wie auf einem echten Kreuzfahrtschiff, nur
to the Eighties also? Handtücher, TeppichRoPax 4 / 06.2013
Foto: Kai Ortel
boden und Bad sind dagegen tadellos sauber, da will man am Ende mal nicht allzu
streng sein mit dem Stolz der Viking Line
von vor 25 Jahren. Schnell die Zeit um eine Stunde vor auf estnische Zeit umgestellt,
und schon kann die Nachtfahrt nach Tallinn beginnen. Vorzugsweise unter Deck
übrigens, denn draußen herrschen zu dieser Jahreszeit Dunkelheit, winterliche Kälte und ein eisiger Wind. Die Wettervorher-
Vitrinen und Schaufenster mit teuren Accessoires
bestimmten das Bild auf Deck 4 der „Princess
Anastasia“.
sage für Tallinn verspricht für morgen Mittag -10° C, für St. Petersburg übermorgen
sogar -20° C. Dann lieber runter nach Deck
2, wo den Passagieren noch unter dem
Autodeck das „Kivach Aqua Spa“ zur Verfügung steht – Sauna, Whirlpool, WellnessEinrichtungen und ein Innen-Swimmingpool weitab von Disco und Nachtclub.
Die Brothers Pizzeria auf Deck 7 ist in
ansprechenden Farben gehalten und mit
Sesseln mit Samtbezug möbliert.
Foto: Kai Ortel
Mini-Kreuzfahrt nach Tallinn
Die “Princess Anastasia” selber kommt an
diesem Abend ebenfalls nur langsam auf
Betriebstemperatur, denn statt der 2.500
Passagiere, die sie aufnehmen könnte, sind
heute nur ein paar Hundert davon zwischen Stockholm, Tallinn und St. Petersburg unterwegs. Und die lassen es ruhig angehen, immerhin befinden sich die meisten
von ihnen auf einer Kreuzfahrt. Ihnen steht jedoch neben vier Restaurants, Nachtclub und Kasino im Gegensatz zur “Mariella” auch
noch das komplette (ehemalige) Konferenzzentrum
im vorderen Bereich von
Deck 8 zur Verfügung.
Dort befindet sich ein großes Auditorium, das sowohl für Vorträge als auch
für Filmvorführungen genutzt wird, sowie eine
Champagner und Piano
Bar bzw. die „Kampai Sushi Bar“, wo man abseits
der großen Passagierströme Ruhe und einen
Drink genießen kann.
Doch auch in Sachen
Shopping hebt sich die
“Princess Anastasia” von
anderen Schiffen in ihrem Fahrtgebiet ab; auf
allen drei Passagierdecks findet man größere und kleinere Geschäfte, Vitrinen und
Auslagen, die von Textilien über Accessoires bis hin zu edlem
Schmuck alles bieten, was das vornehmlich
russische Herz begehrt. Dass man an Bord
nicht nur mit Kreditkarte und Rubel, sondern darüber hinaus auch noch mit Schwedischen Kronen und Euro bezahlen kann,
ist den skandinavischen Anlaufhäfen auf
der Route geschuldet und lässt die Kassen
der Reederei zusätzlich klingeln. In dieser
Hinsicht ist die “Princess Anastasia” wie-
RoPax 4 / 06.2013
Foto: Kai Ortel
REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 3
Das Kristall-Kunstwerk im Atrium der „Princess
Anastasia“ reicht von Deck 6 bis Deck 9.
der ganz Fähre, doch ansonsten gelingt es
dem Zwitter-Schiff zumindest in der Nebensaison außerordentlich gut, sein Kreuzfahrt-Image zu betonen und seinen Fährcharakter zu verheimlichen.
Im Kinder-Spielzimmer gibt es eine Betreuerin, die sich liebevoll um die kleinen
Gäste an Bord kümmert und im Restaurant
– wie auf den richtigen Kreuzfahrern – zwei
Sitzungen. Auch die Tatsache, dass die Bake & Coffee-Cafeteria auf Deck 6 rund um
die Uhr geöffnet hat, ist ein Zugeständnis
an die Nachtschwärmer an Bord, die sich
auf ihrer Kreuzfahrt mit der “Princess Anastasia” nicht an Öffnungszeiten wie auf einer der Nachtfähren nach Estland und
Finnland halten wollen. Im Gegenteil – von
so viel Service-Denken könnte sich sogar
noch die eine oder andere Kreuzfahrt-Reederei eine Scheibe abschneiden!
Der Nachteil an der ganzen Sache ist, dass
es auf dem ganzen Schiff selbst am späten
Abend noch unglaublich ruhig und gesittet zugeht. Zwar kann es die Abend-Show
in der Columbus Bar mit der Performance
von Künstlern der berühmten St. Petersburger Music Hall Ballettschule locker mit
jedem besseren Karibik-Kreuzfahrtschiff
aufnehmen. Doch wirkt das Großaufgebot
an professionellen Musikern, Tänzern und
Künstlern leider auch eine Nummer zu
REISEBERICHT „PRINCESS ANASTASIA“ / 4
Links: Die licht-durchflutete Arkade auf Deck 7
der „Princess Anastasia“.
Unten: Ein neugieriger Blick auf die Gäste: die
Hasenfigur der „Rabbit Bar“ auf Deck 7.
Fotos: Kai Ortel
groß und ambitioniert für die vielleicht
zwei Dutzend Passagiere, die sich im
Nachtclub eingefunden haben, um der
Show beizuwohnen. Das gleiche gilt auch
für die vielen Bars, Shops und das Kasino
an Bord, wo man den Eindruck hat, als
wäre die “Princess Anastasia” ein Schiff, das
in erster Linie reihenweise beschäftigungslose und entsprechend gelangweilt dreinblickende Kellner, Bartender, Croupiers
und Kassierer über die Ostsee fährt. Das
können dann auch ein paar zusätzliche
Fährpassagiere nicht kompensieren, jedenfalls nicht im Winter. Um 23 Uhr schließ-
Rund um die Uhr geöffnet: die Cafeteria
„Bake and Coffee“ auf Deck 6.
lich ist das Schiff so gut wie ausgestorben,
und der Kontrast zu ihrem Schwesterschiff
“Mariella”, das Abend für Abend von 2.000
jungen und trinkfreudigen Schweden und
Finnen in einen vor Lebensfreude pulsierenden Musikdampfer verwandelt wird,
könnte größer plötzlich nicht sein. Die
Night Rabbit Bar (vormals „The Torn Off
Balls Bar“), in welcher laut Bordprogramm
„Live-Musik und charmante Go Go-Tänzerinnen“ für Stimmung sorgen, ist genauso leer wie die Disco, in der ab 23:30 Uhr
„ein Mix verschiedener Musikrichtungen
für jeden Geschmack“ die Bοrdwände viRoPax 4 / 06.2013
Ein geräuschvoller Morgen
Im skandinavischen Winter kommt noch
erschwerend hinzu, dass alle Fähren und
so auch die “Princess Anastasia” bei der
nächtlichen Fahrt durchs Treibeis zwischen
Schweden und Estland ein Geräusch erzeugen, als müssten sie mit allerletzter Kraft
Minute für Minute Tausende von Βlechkanistern zur Seite schieben, um überhaupt
vorwärts zu kommen. Empfindliche Gemüter haben da schon mal kein Auge zugetan während der Nacht, doch nichtsdestotrotz ist der Andrang erstaunlich
groß, als das Seven Seas Restaurant um 8
Uhr am nächsten Morgen seine Türen
öffnet. Das Frühstücksbüffet an sich hat
man dabei schon mal opulenter gesehen,
doch es ist alles Notwendige vorhanden,
was der kontinentaleuropäische Geschmack für gewöhnlich auch zu Hause auf
dem Esstisch erwartet. Leider rattert und
zittert die “Princess Anastasia” vorne im
Schiff so stark, dass einem auch ganz ohne
Seegang schon schlecht werden kann.
Doch hat zumindest Neptun an diesem
Märzmontag ein Einsehen, und es bleibt
bei wackelnden Gläsern und Tassen. Dass
sich das Restaurant am Morgen schnell füllt
(wobei einige Bereiche wegen des geringen
Foto: Kai Ortel
Foto: Kai Ortel
brieren lassen sollen. Stattdessen geht es auf
der “Princess Anastasia” zu wie auf einer
Kreuzfahrt am Abend vor dem aufregendsten Hafen der ganzen Reise: Jeder zieht
sich möglichst früh in seine Kabine zurück,
um am nächsten Morgen in aller Früh
munter und ausgeschlafen zu sein für alles,
was der Tag dann zu bieten hat.
Die „Rabbit Bar“ auf Deck 7 ist ein klassisches
Pub mit gemütlicher dunkler Holztäfelung und
rustikaler Einrichtung.
/5
Fotos: Kai Ortel
Foto: Kai Ortel
Passagieraufkommens von vornherein abgesperrt worden sind), ist jedoch erstaunlich, da das Frühstück bis 11 Uhr möglich
ist. Ob es an den vielen Deutschen an Bord
liegt, die traditionell eher Frühaufsteher
sind? Oder daran, dass niemand von den
Kreuzfahrtgästen das Einlaufen in Tallinn
verpassen will? Oder daran, dass im Gegensatz zum Abend an Bord diverse öffentliche Räume des Schiffes (Night Rabbit Bar,
Champagner/Sushi Bar, Columbus Bar)
am Vormittag plötzlich geschlossen sind?
Den Eindruck eines sehr ruhigen Schiffes
macht die “Princess Anastasia” jedenfalls
auch in den Minuten, in denen sie sich am
Vormittag langsam der estnischen Hauptstadt nähert, wo nicht nur die Kreuzfahrtgäste in die Reisebusse für die Stadtrund-
Auch das Seven Seas Restaurant besticht durch
große Panoramafenster an den Seiten.
fahrt einsteigen, sondern wo mit ihnen
zusammen auch die normalen Fährpassagiere das Schiff verlassen. Was übrigens unter Aufsicht uniformierter russischer Offiziere geschieht und erst nachdem sich alle
Ausschiffungswilligen ordentlich hinter
einer Absperrung in einer Reihe aufgestellt
haben. Dies ist jedoch kein Ausdruck
purer russischer Ordnungsliebe, sondern
dient dazu, dass, wieder wie auf einer richtigen Kreuzfahrt, beim Ausstieg alle Passagiere ihre Bordgäste gescannt bekommen
können. Dann erst gelten sie für das System
als „ausgeschifft“ und können ihr Schiff am
Abend wieder betreten, wenn es dann
weitergeht nach St. Petersburg. Diese Prozedur muss jeder Passagier durchlaufen,
selbst wenn auf der Bordkarte statt „Stock-
Oben: Die „Princess Anastasia“ im winterlich vereisten Hafen von Tallinn, im Hintergrund der Turm der Olaikirche.
Mitte: Die „Princess Anastasia“ am
Anleger in Tallinn.
holm – Stockholm“ oder „St.
Petersburg – St. Petersburg“
nur „Stockholm – Tallinn“
stand und die Kreuzfahrt nur
eine Nacht mit “Princess Anastasia” war. Kai Ortel
TECHNISCHE DATEN MS PRINCESS ANASTASIA
Bauwerft
Im Dienst
Flagge
Heimathafen
Tonnage
Länge
Breite
Wärtsilä, Turku (Finnland), 1986
seit dem 29. April 1986
Malta
Valetta
37.583 BRZ
176,82 Meter
28,41 Meter
RoPax 4 / 06.2013
Tiefgang
Passagiere
Lademeter
Autos
Leistung
Höchstgeschwindigkeit:
6,71 Meter
2.447
1.115 Meter
580
23.000 kW
22 Knoten
Blick auf das Backbord-Bootsdeck der „Princess Anastasia“.