Pressemappe Zeit der Unruhe / A History of Limits, Detaillierte

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Pressemappe Zeit der Unruhe / A History of Limits, Detaillierte
Zeit der Unruhe. Über die Internationale
Kunstausstellung für Palästina 1978
A History of Limits. Zur Architektur von
Kanonerzählungen
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Ausstellung
19. März – 9. Mäi 2016
Eröffnung: 18. März, 19h
A History of Limits. Zur Architektur von Kanonerzählungen
Konferenz
18. und 19. März 2016
Pressekönferenz: 17.3.2016, 11h
Theätersääl
Häus der Kulturen der Welt
Ständ: 17.3.2016
Anderungen vörbehälten
Inhalt
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Pressemitteilung
o
Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978: Liste der Künstler_innen
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Begleitheft „Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978“
o
„A History of Limits”: Programm, Mitwirkende und Biographien
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Service-Info und Media Material
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Pressemitteilung
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
19. März – 9. Mai, 2016, Eröffnung 18. März, 19h
Führungen und Kulturelle Bildung: www.hkw.de
A History of Limits. Zur Architektur von Kanonerzählungen
Konferenz (in englischer Sprache)
18. + 19. März 2016
Vollständiges Programm: www.hkw.de, Anmeldung erbeten: anmeldung@hkw.de
Berlin, 17. März 2016
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978 ist eine
Dokumentations- und Archivausstellung, in deren Mittelpunkt die Geschichte und der geschichtliche
Kontext der Ausstellung fur Palastina aus dem Jahr 1978 steht.
Die Internationale Kunstausstellung für Palästina wurde im Fruhjahr1978 an der Beirut Arab
University im Libanon eroffnet. Veranstaltet von der Palastinensischen Befreiungsorganisation (PLO),
umfasste die Ausstellung etwa 200 von Kunstler_innen aus fast dreißig Landern gestiftete Werke und
verstand sich als Kern eines Museums im Exil. In Gestalt einer Wanderausstellung sollte dieses die
Welt bereisen, um schließlich nach Palastina heimgefuhrt zu werden. Wahrend der Belagerung
Beiruts im Jahr 1982 wurden das Depot der Sammlung ebenso wie samtliche archivarischen und
dokumentarischen Spuren der Ausstellung durch ein Bombardement der israelischen Armee
zerstort.
Große und Umfang der Internationalen Kunstausstellung für Palästina 1978 waren in der Region
beispiellos. Die Rekonstruktion der Hintergrunde dieser Ausstellung haben ein weitverzweigtes
Netzwerk und eine gemeinsame Geschichte politisch engagierter Kunstler_innen und Initiativen
zutage gefordert: die bisher kaum dokumentierte Geschichte von Kunstlerkollektiven in Stadten wie
Paris, Rom und Tokio; Kunstlerverbande in Damaskus, Bagdad, Casablanca und Warschau;
wegweisende Biennalen in Venedig, Bagdad und Rabat; Museen im Exil in Santiago de Chile, Managua
und Kapstadt.
Die Berliner Version von Zeit der Unruhe am HKW (19. Marz – bis 9. Mai, Eroffnung 18. Marz)
unternimmt eine kritische Analyse der Mechanismen der Kanon-Bildung im Kunstdiskurs und in der
Kunstgeschichte. Sie befasst sich einerseits mit der Problematik mundlicher Uberlieferung wahrend
sie andererseits Mechanismen der Kanon-Bildung kritisch untersucht. Sie fragt, welche Beziehungen
in Kunst und kunstlerischer Praxis vor dem Hintergrund der beiden deutschen Staaten, West- und
Ostberlins, des Kalten Krieges und den Motiven der antiimperialistischen Solidaritatsfront und
insbesondere des Kampfs fur Palastina bestanden. Erste Station der Ausstellung war das Museu d’Art
Contemporani de Barcelona (MACBA). Das dortige Engagement fur die Geschichte von Ausstellungen,
kunstlerischer Praxis und offentlicher Auseinandersetzung zielt auf ein breiteres und tieferes
Verstandnis der politischen, okonomischen, sozialen und kulturellen Kontexte, in denen Kunst
geschaffen, bewertet, offentlich gezeigt wird und schließlich Eingang ins kollektive Bildgedachtnis
findet.
Pressebüro: Anne Maier, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Telefon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Pressemitteilung
Zeit der Unruhe prasentiert, vermittelt und verkorpert Themen und Fragen, die fur einen solchen
Rechercheansatz maßgeblich sind, greift auf Videomontagen aus Archivmaterial und Filmen ebenso
zuruck wie auf aktuelle Interviews und Texte oder reproduzierte historische Dokumente. Die
Ausstellung zeichnet Netzwerke von Kunstler_innen und Gruppen nach, die sich durch eine
gemeinsame politische Haltung und Solidaritat verbunden fuhlten – angefangen mit Palastina und
ausgedehnt auf den Rest der Welt.
Die Suche nach anderen Wanderausstellungen, die sich ebenfalls als Museen im Exil verstanden und
zur selben Zeit wie die Internationale Kunstausstellung für Palästina entstanden – wie zum Beispiel
das Museo Internacional de la Resistencia Salvador Allende oder die Organisation Artists Against
Apartheid – hat eine Form der museologischen Praxis in Erinnerung gerufen, die noch nicht lange
zuruck liegt und doch schon weitestgehend vergessen ist. Gleichzeitig haben die Verbindungslinien
zur Ersten Arabischen Biennale in Bagdad (1974) und der 1976er Biennale in Venedig bisher
unbekannte Kartografien einer gemeinsamen Geschichte aufgedeckt.
A History of Limits. Zur Architektur von Kanonerzählungen
Konferenz
18. + 19. März 2016
Die Ausstellung Zeit der Unruhe ist Ausgangspunkt der Konferenz A History of Limits. Zur
Architektur von Kanonerzählungen (18. und 19. März 2016). Kritik und Dekonstruktion des
Kanons der Moderne prägen die künstlerische Praxis und Theorie der letzten Jahrzehnte. Doch der
Kanon ist nicht nur ein institutionelles Machtinstrument; mit ihm werden Wissensformen und ein
historisches Bewusstsein geschaffen. Wie muss das Fundament für einen neuen Kanon beschaffen
sein und wie ließe dieser sich erzählen? A History of Limits setzt beim Leitbild des Haus der
Kulturen der Welt zur Zeit seiner Gründung 1989 an, die Parameter des Eurozentrismus und des
westlichen Kanons zu überschreiten.
Die Eröffnungskonferenz des Langzeitprojektes Kanon-Fragen untersucht das Ursprungsnarrativ
des institutionellen Kanons der Moderne und hinterfragt dessen Architektur und die Quellen seiner
Autorität. Diese Ansätze spekulativ weiterdenkend widmet sich die Konferenz dem Unbewussten der
Moderne und der „halluzinatorischen“ Dimension von Kanonerzählungen auf dem instabilen Terrain
untoter Geschichte.
Zum Auftakt der Konferenz werden Kristine Khouri und Rasha Salti (Kuratorinnen Zeit der Unruhe,
Beirut) mit Claudia Zaldívar (Kunsthistorikerin und Leiterin des Museo de la Solidaridad Salvador
Allende, Santiago de Chile) erörtern, wie sich die Umstände des Exils auf die Idee eines Museum und
seines „Kanons“ auswirken können. Die Theoretiker_innen Kerstin Stakemeier (Professorin für
Kunsttheorie und -vermittlung, Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg), Mark Wigley (Professor
für Architektur, Columbia University, New York) und Erhard Schüttpelz (Professor für
Medientheorie, Universität Siegen) sowie die Künstlerin Lene Berg (Berlin/New York) untersuchen
die Rahmenbedingungen und narrativen Architekturen des Kanons. Wie werden Erzählungen zu
Institutionen? Kann man Kanonerzählungen gegen den Strich lesen? Das sind die Themen, denen
Lara Khaldi (Forscherin und Kuratorin, Jerusalem), Ticio Escobar (Kurator und Essayist, Direktor
des Centro de Artes Visuales/Musei del Barro, Asunción), David Teh (Forscher und Kurator,
Singapur) sowie der Kulturwissenschaftler und Publizist Diedrich Diederichsen (Akademie der
bildenden Künste, Wien/Berlin) auf den Grund gehen.
Pressebüro: Anne Maier, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Telefon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Pressemitteilung
Das Abschluss-Panel eröffnet eine spekulative und imaginative Diskussion über das anarchische
Außen von Kanon-Architektur. Nida Ghouse (Autorin und Kuratorin, Mumbai) und Malak Helmy
(Künstler und Schriftsteller, Kairo), Tom Holert (Kunsthistoriker, Kritiker, Kurator und Künstler,
Berlin), Ho Tzu Nyen (Künstler, Filmemacher, Singapur/Berlin) sowie Luis Jacob (Künstler und
Kurator, Toronto) fragen, inwieweit die heimgesuchten Ontologien der kolonialen Moderne es
notwendig machen, den Kanon „halluzinierend“ zu fassen.
A History of Limits wird moderiert von Anselm Franke (Kurator, Autor und Leiter des Bereichs
Bildende Kunst und Film am HKW) und Paz Guevara (Forscherin und Kuratorin, Berlin).
Mit dem mehrjährigen Projekt Kanon-Fragen widmet sich das HKW den Architekturen historischer
Narrative und den Fundamenten der institutionellen Kanon-Bildung. Von 2016 bis 2019 arbeitet der
Bereich Bildende Kunst unter Leitung von Anselm Franke mit einer Reihe von Partnern an
verschiedenen Ausstellungsprojekten. Dazu gehören kuratorische und künstlerische Kooperationen
mit Paz Guevara und Antonia Majaca, Nida Ghouse, Dierk Schmidt mit Sonja Lau und Su Wei,
Tom Holert sowie Diedrich Diederichsen.
Zeit der Unruhe wird kuratiert von Kristine Khouri und Rasha Salti und wurde 2015 vom Museu
d´Art Contemporani de Barcelona (MACBA) konzipiert und präsentiert. Die Berliner Ausstellung 2016 ist
eine Produktion des Hauses der Kulturen der Welt und des MACBA. Zeit der Unruhe findet im Rahmen
von Kanon-Fragen 2016—2019 statt.
Die Recherche für dieses Projekt wurde ermöglicht durch die großzügige Förderung von: Rana Sadik und
Samer Younis, Sharjah Art Foundation, Arab Fund for Arts and Culture (AFAC), ZedGrant, A.M. Qattan
Foundation und Tensta konsthall.
Das Haus der Kulturen der Welt wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur
und Medien sowie das Auswärtige Amt.
Pressebüro: Anne Maier, Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Telefon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Liste der Künstler_innen
Algerien / Algeria:
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Argentinien / Argentina:
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Australien / Australia:
Brasilien / Brazil:
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Chile:
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Kuba / Cuba:
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Dominican Republic:
Ägypten / Egypt:
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Frankreich / France:
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Frankreich / France:
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Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Baya
Abdul-Kader Houamel
Hugo Demarco
Julio Le Parc
Antonio Seguí
Luis Tomasello
Janet Vennbrown
Gontran Guanaes Netto
Arthur Luiz Piza
José Balmes
Gracia Barrios
Roberto Matta
Enrique Zañartu
Agustín Cárdenas
Victor Brockdorff
Jack Kampmann
Jorgen Rasmussen
Christine Scherfig
Iván Tovar
Hamed Abdalla
Georges Bahgoury
Adli Rizkallah
Hilmi al-Touni
Jean-Claude Arnaud
Jean Attali
Jacques Busse
Gérard Titus Carmel
René Collamarini
Henri Cueco
Jacqueline Dauriac
Jacques Doucet
James Durand
Julien Florence
Gérard Fromanger
François Garnier
Henri Goetz
Jean Robert Ipoustéguy
Jean-Claude Latil
Claude Lazar
Les Malassis (Tisserand-Latil-Cueco-Fleury-Parré)
André Marfaing
André Masson
Maurice Matieu
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Liste der Künstler_innen
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
Frankreich / France:
BRD / Germany (F.R.):
BRD / Germany (F.R.):
BRD / Germany (F.R.):
BRD / Germany (F.R.):
Ungarn / Hungary:
Indien / India:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Irak / Iraq:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Ivan Messac
Jacques Monory
Michel Parré
Édouard Pignon
Ernest Pignon-Ernest
Jacques Poli
Yvon Prevel
Bernard Rancillac
Paul Rebeyrolle
Victor Roman
Marc Weirich
Bartholl
Peter Klasen
Valentine Schmitt
Barbara Rieder
Gyula Hincz
Krishna Reddy
Abbas
Dia al-Azzawi
Azzam Bazzaz
Sabah Fakhri
Ismail Fattah
Leith Fattah
Ghali
Mohammad Ghani
Kathim Haidar
Saleh al-Jumaie
Khayat
Mohammed Muhreddin
Rafa‘ Nasiri
Obaidi
Hashim Samarchi
Sa‘ad Shaker
Walid Sheet
Shaker Hassan al-Said
Khadeir al-Shakarji
Yasin
Suha Yousef
Carla Accardi
Ugo Attardi
Guido Biasi
Alberto Bardi
Ennio Calabria
Bruno Caruso
Nino Cordio
Eustachio
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Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Liste der Künstler_innen
Italien / Italy:
Italien / Italy:
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Italien / Italy:
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Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
Italien / Italy:
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Italien / Italy:
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Italien / Italy:
Italien / Italy:
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Japan:
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Japan:
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Japan:
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Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
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Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
Japan:
Kuwait:
Libanon / Lebanon:
Libanon / Lebanon:
Libanon / Lebanon:
Libanon / Lebanon:
Renato Fascetti
Franco Ferrari
Paolo Ganna
Vincenzo Gaetaniello
Nino Giammarco
Alberto Gianquinto
Nicole Grassatelli
Renato Guttuso
Piero Guccione
Franco Libertucci
Francesco Pernice
Gio Pomodoro
Salvatore Provino
Mario Samona
Ruggero Savinio
Luisa Taravella
Ernesto Treccani
Sergio Vacchi
Paolo Vallors
Antonino Virduzzo
Roberto Zito
Eiko Enomoto
Toshio Goto
Hagiwara
Testsuo Iguchi
Vin Kitayama
Shigeta Makita
Matsukazi
Haruki Miwa
Kieko Monma
Nobou Morita
Yukari Nakabayashi
Otani
Hirioshi Senshio
Shu Takahashi
Taeko Tomiyama
Tetsushiko Washimi
Hamako Yakushiji
Yamada
Ryojiro Yamanaka
Ochaiai
Munira al-Kazi
Seta Manoukian
Jamil Molaeb
Aref el-Rayess
Mousa Tiba
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Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Liste der Künstler_innen
Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
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Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
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Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
Marokko / Morocco:
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Marokko / Morocco:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
Palästina / Palestine:
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Palästina / Palestine:
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Palästina / Palestine:
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Palästina / Palestine:
Peru:
Peru:
Polen / Poland:
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Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Polen / Poland:
Farid Belkahia
Fouad Bellamine
Baghdad Bena‘as
Mohammed Chebaa
Ahmed Cherkaoui
Chaïbia
Mohammed Hamidi
Abdullah Hariri
Mohammed Kacimi
Miloud Labied
Mohammed Melehi
Hocine Miloudi
Tijani
Toufic Abdul-‘Al
Tamam Alakhal
Samira Badran
Kamal Boullata
Mustafa al-Hallaj
Ibrahim Ghannam
Ibrahim Hazima
Suzan Hjab
Joumanna Husseini
Sliman Mansour
Samir Salameh
Ismail Shammout
Mona Saudi
Nasser Soumi
Vladimir Tamari
Alfredo Basurco
Gerardo Chávez
Stefan Damski
Stanislav Gal
R. Gieryszewski
Teresa Jakubowska
S. Mazuś
W. Mazuś
M. Milek
Modzelewski
K. Roblewska
M. Sapetto
Roman Skowron
Adam Souyek
Richard Stryets
S. Suberlak
A. Turek
M. Wotchok
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Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Liste der Künstler_innen
Romänien / Romania:
Romänien / Romania:
Spanien / Spain:
Spanien / Spain:
Spanien / Spain:
Spanien / Spain:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
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Syrien / Syria:
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Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
Syrien / Syria:
USA:
UdSSR / USSR:
UdSSR / USSR:
UdSSR / USSR:
UdSSR / USSR:
UdSSR / USSR:
UdSSR / USSR:
Uruguay:
Venezuela:
Yemen (Nord / North):
Nicolae Constantin
Eugen Palade
Eduardo Chillida
Joan Miró
Joan Rabascall
Antoni Tàpies
Khalil Akkari
Ghayas al-Akhras
Abdul-Kader Arnaout
Sami Burhan
Ziad Dalloul
Naim Ismail
Nazir Ismail
Burhan Karkoutly
Said Makhlouf
Nazeer Naba‘a
Ghouzaima Olwani
Ghassan Sba‘i
Elias Zayat
Randall Morgan
Dimitri Bisti
Alimar Paol
Anatoly Plakhof
Alexander Sitinikov
George Smelter
Vasily Vlasov
José Gamarra
Carlos Cruz-Diez
Fouad Al-Futaih
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ZEIT DER
UNRUHE
Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
„Zeit der Unruhe“ ist eine Ausstellung
von Geschichten, die in jahrelanger
Forschungsarbeit zusammengetragen
wurden. Obwohl die Vergangenheit,
die wir zutage fördern, noch nicht
so lange her ist, und obwohl etliche
ihrer Protagonist*innen noch leben,
handeln die Erzählungen von einem
größtenteils ungeschriebenen Kapitel
in der Geschichte der zeitgenössischen
Kunst: von deren Rolle für den
politischen Wandel und einer Zeit, in
der Künstler*innen die Kunst mitten
ins gesellschaftliche Leben trugen.
Unser Vorgehen glich detektivischer
Arbeit voller glücklicher Begegnungen,
günstiger Zufälle, überraschender
Fügungen und Offenbarungen.
Manchmal drehten wir uns im Kreis oder
gingen vor und zurück, ließen uns von
einer Geschichte und Persönlichkeit zur
nächsten leiten, anstatt einen strengen
methodischen Weg zu verfolgen. Als sich
unsere Recherchen in der Ausstellung
zu materialisieren begannen, vollzogen
wir die Bewegung dieses forensischen
Prozesses noch einmal so nach, wie
wir sie ursprünglich erlebt hatten. Eine
lineare Dramaturgie hätte nicht nur über
die Komplexität der uns offenbarten
Geschichten hinweggetäuscht, sie hätte
den Besucher*innen der Ausstellung auch
die Möglichkeit verwehrt, verschiedene
Erzählstränge zu ihrer jeweils eigenen
Geschichte zu verweben. Wir wollen die
Besucher*innen dazu einladen, in diese
Welt der Anekdoten, Erinnerungen,
Bilder und Dokumente einzutauchen,
eigene Spekulationen daran anzuknüpfen
und selbst zu entscheiden, was sie von
alledem im Gedächtnis behalten wollen,
das wir uns zu zeigen entschlossen
haben. Daher versteht sich dieses
Begleitheft auch nicht als Anleitung
oder Ausstellungsführer. Auch hier wird
keine lineare Dramaturgie entworfen,
der man zu folgen hat. Eher will es als
Gesprächspartner dienen.
Wenn Sie den Ausstellungsraum
betreten, ist es Ihnen freigestellt,
bei der Wand zu ihrer Linken oder
zu ihrer Rechten zu beginnen, oder
sich direkt in die Mitte des Raumes
zu begeben, da alle Erzählstränge
miteinander verbunden sind, ineinander
übergehen, sich überschneiden,
und ineinander widerhallen. Der
Schlüsselbegriff, der im Zentrum von
„Zeit der Unruhe“ (und der weltweiten
antiimperialistischen Bewegung der
1960er und 1970er Jahre) steht, lautet
Solidarität. Im weltpolitischen Kontext
des Kalten Krieges war der Begriff
Träger komplexer und vielschichtiger
Konnotationen. Auf einer bestimmten
Ebene war Solidarität ein offizielles,
staatlich begünstigtes Instrument im
Dienste der Kulturdiplomatie und rief
dementsprechend häufig zynische
Ablehnung hervor. Auf einer anderen
Ebene war Solidarität der Ausdruck
einer radikal basisdemokratischen
Politik und hatte als ernst gemeinte
Empathie einen hohen Stellenwert.
Zwischen diesen beiden Extremen
übersieht man allzu leicht die gelebte
Erfahrung vieler Künstler*innen, die
sich an Solidaritäts-Aktionen beteiligt
haben. Im Eingangsbereich zeigen
wir den Nachdruck einer Arbeit des
deutschen Künstlers Günther Rechn,
die er 1980 fertigstellte, ein Jahr nach
seinem Solidaritätsbesuch im Libanon
auf Einladung der Union of Palestinian
Artists. Diese Reise war einer von
mehreren Programmpunkten im
Rahmen einer offiziellen Kooperation
zwischen der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO)
und der Regierung der Deutschen
Demokratischen Republik (DDR).
Rechns Arbeit ist ein Selbstporträt des
Künstlers als fida‘i oder palästinensischer
Widerstandskämpfer. Sie verkörpert
einen subversiven und verstohlenen
Rollenwechsel in der Darstellung, einen
überraschenden Wechsel der Identitäten,
eine Überschreitung der Grenze
zwischen Selbst und Anderem, einen
Ausdruck der Empathie jenseits der
Machtpolitik. Uns erschien dieses Bild
als äußerst beredte Hommage, um das
wiederzugeben, was „Zeit der Unruhe“
noch einmal aufleben lassen möchte.
VIDEOS
& PROJEKTIONEN
LAGEPLAN
04
11
07
03
06
08
GESCHICHTE DER
AUSSTELLUNG VON 1978
09
NETZWERKE
UND MUSEEN
12
02
10
05
17
15
DER KANON
18
01
14
13
2
16
3
ZEIT DER UNRUHE
ÜBER DIE INTERNATIONALE
KUNSTAUSSTELLUNG FÜR PALÄSTINA 1978
Alles begann mit unseren Recherchen
zur „Internationalen Kunstausstellung für
Palästina“. In einer Beiruter Galerie stießen
wir auf den Katalog zur Ausstellung und waren
fasziniert von deren Größenordnung und
Bandbreite: sie umfasste etwa 200 Arbeiten,
die fast ebenso viele Künstler*innen aus 30
Ländern gespendet hatten. Dennoch taucht diese
Ausstellung in keiner der lokalen, regionalen
und internationalen kunsthistorischen
Darstellungen auf, nicht einmal in solchen zur
Ausstellungsgeschichte. Wir sprachen daraufhin
mit Intellektuellen und kulturellen Akteuren,
die in den 1970er Jahren aktiv waren und
Verbindungen zur PLO in Beirut, Amman oder
Damaskus unterhielten. Allmählich fügte sich
alles zu einem großen Puzzle zusammen.
Unser einziger Leitfaden war der
Katalog. Ihm entnahmen wir sämtliche
Anhaltspunkte, denen wir in unserer
Recherche nachgingen. Er ist nach
wie vor die zuverlässigste Quelle,
wenn es darum geht, sich ein Bild
von der Ausstellung zu machen. Als
Projektion haben wir ihm einen
prominenten Platz im Eingangsbereich
des Ausstellungsraums eingeräumt,
weil er das Prisma ist, in dem sich
die verschiedenen thematischen
Artikulationen an den Wänden und im
Raum brechen.
Ein wichtiger Teil der Recherche bestand darin,
die Netzwerke zu entdecken und aufzudecken,
welche die Namen der Künstler*innen,
Galerist*innen und Aktivist*innen, die in den
Danksagungen des Katalogs und in der Liste der
teilnehmenden Künstler*innen genannt werden,
miteinander verbinden.
4
Da die Namen nach Herkunftsländern
sortiert sind, verrät uns die Liste
nichts über die Verbindungen,
Gruppenzugehörigkeiten und
Kooperationen zwischen den
Künstler*innen und anderen
Mitwirkenden. Als wir zu verstehen
versuchten, warum die meisten
Beteiligten aus Frankreich kamen,
gefolgt von Italien, Polen und Japan,
zeichnete sich eine alternative Form
der geografischen und historischen
Kartierung ab. Wir fanden heraus, dass
auffällig viele Künstler*innen nicht
nur Kollektiven angehörten, sondern
auch häufig zusammenarbeiteten,
gemeinsam Interventionen im
öffentlichen Raum durchführten, oft in
engem Zusammenspiel mit politischen
Demonstrationen, um eine möglichst
große Öffentlichkeit für ein bestimmtes
Anliegen zu sensibilisieren. Einige
beteiligten sich an der Gründung
von Museen im Exil oder Museen
ohne Mauern, die der Unterstützung
eines politischen Kampfes mit
spektakulären, aus Schenkungen
von Künstler*innen bestehenden
Sammlungen überzeugend Ausdruck
verleihen sollten.
Unsere Recherche machte einen enormen
Fortschritt ab dem Moment, als wir Claude
Lazar begegneten, einem französischen
Künstler, der in Paris lebt und dort in den
1970er Jahren palästinensischen Aktivist*innen
nahestand. Er war entscheidend daran
beteiligt, dass sich die Vision der Ausstellung
als Gründungsakt eines „Museums im Exil“
durchsetzte. Lazar bewegte auch zahlreiche
Künstler*innen dazu, ihre Arbeiten für die
Ausstellung zu stiften. Als wir im Juni 2011 an
der Tür zu seinem Atelier klingelten, holte er
drei Kisten aus seinem persönlichen Archiv
hervor. Eine enthielt Fotografien, die andere
Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte und die
dritte Faksimiles und Schriftstücke. Er empfing
uns voller Begeisterung mit den Worten: „Ich
habe 30 Jahre lang auf euch gewartet.“
Die „Internationale Kunstausstellung für
Palästina“ eröffnete am 21. März 1978.
Am 14. März 1978, eine Woche vor
Eröffnung, marschierte die israelische
Armee im Libanon ein. Sie rückte mit
etwa 25.000 Soldaten bis zum Fluss
Litani und zum Stadtrand von Tyre
vor. Ziel der Militäroperation war es,
palästinensische und libanesische
Kommandooperationen entlang der
gemeinsamen Grenze und an der
Küste zu verhindern. Der Einsatz
dauerte eine Woche. Er endete auf
Vermittlung der Vereinten Nationen
mit einem Waffenstillstand und der
Stationierung einer Friedenstruppe, die
für die Umsetzung der Vereinbarungen
sorgen sollte. Die Kampfhandlungen
wurden dennoch fortgesetzt, und
mit dem Anhalten des libanesischen
Bürgerkriegs, spitzte sich auch der
Konflikt im Süden des Landes erneut zu.
1982 marschierte die israelische Armee
in den gesamten südlichen Libanon ein
und drang bis nach Beirut vor.
Trotz des gravierenden Sicherheitsrisikos
erschien Yassir Arafat in Begleitung der obersten
PLO-Kader zur Eröffnung der Ausstellung.
Neben der Beiruter Intellektuellenszene waren
auch viele einfache PLO-Kämpfer*innen,
Diplomat*innen, Journalist*innen und ein
Dutzend Künstler*innen aus aller Welt zugegen.
In einem Interview, das in Ramallah
aufgezeichnet wurde, betonte der
damalige Leiter des Office of Unified
Information der PLO, Ahmed
Abdul-Rahman, wie wichtig es
gewesen sei, Künstler*innen zur
Ausstellungseröffnung einzuladen,
damit sie sich aus nächster Nähe
ein Bild vom palästinensischen
Befreiungskampf machen konnten.
Neben Claude Lazar erschienen zur
Eröffnung in Beirut auch Gontran
Guananaes Netto (Brasilien), Bruno
Caruso (Italien), Paolo Ganna
(Italien) und Mohammed Melehi
(Marokko). Michel Troche, ein
einflussreicher französischer Kurator
und Kritiker, besuchte die Ausstellung
einige Zeit nach der Eröffnung. Die
palästinensische Schriftstellerin Liana
Badr, die damals in Beirut lebte, wurde
ebenfalls in Ramallah interviewt. Sie
erinnerte sich voller Emotion, welch
große Bedeutung diese Ausstellung
für die Palästinenser*innen hatte,
und welche Freude es ihr bereitete,
die Originale bekannter arabischer
und internationaler Künstler*innen
aus nächster Nähe zu betrachten. Der
Künstler Nasser Soumi (Palästina), der
bei der Organisation der Ausstellung
mitgeholfen hatte, führte in den
ersten Tagen nach der Eröffnung eine
Besucherbefragung durch.
1982 rückte die israelische Armee nach Beirut
vor und belagerte die Stadt mit dem Ziel die
PLO zum Verlassen der Stadt zu zwingen. Das
Gebäude, in dem die Sammlung untergebracht
war, wurde bombardiert, ebenso die Räume
des Office of Unified Information mitsamt den
Ausstellungsdokumenten. Alles, was von der
Geschichte der Ausstellung übrig blieb, waren die
Erzählungen und Erinnerungen derjenigen, die
sie verwirklicht oder besucht hatten.
Im selben Jahr fertigte der Künstler
(und ehemalige Freiheitskämpfer)
Abdul Hay Mossalem, der in der
Sektion Bildende Künste der PLO
arbeitete, eine Arbeit mit dem Titel
The Destruction of the Plastic Arts
Section (Die Zerstörung der Sektion
Bildende Künste) an, als Hommage
an die Kreativität und die Leistungen
aller Beteiligten. Im Zentrum des
5
Bildes arbeitete er den Schlüssel zum
zerstörten Lager der Sammlung ein.
Die „Internationale Kunstausstellung für
Palästina“ war zweifellos das ehrgeizigste
Kulturunternehmen der PLO, aber nicht deren
einziges Ausstellungsprojekt.
Sowohl die Sektion Bildende Künste, als
auch die (1965 gegründete) Abteilung
für Kunst und Nationale Kultur
hatten den Auftrag, die Produktion
von Plakaten, Kunstwerken, Filmen,
Theater- und Tanzaufführungen,
Musik und Publikationen zu
beauftragen, zu finanzieren und
zu fördern, das Brauchtum und die
kulturellen Traditionen zu wahren,
und in der Welt der Kunst und Kultur
Unterstützung für den Kampf der
Palästinenser*innen zu mobilisieren.
Wanderausstellungen volkstümlicher
Trachten und kunsthandwerklicher
Erzeugnisse tourten zwischen 1978
und 1980 in Europa, um das kulturelle
Erbe des Landes bekannt zu machen.
Plakate galten als eines der wichtigsten
Medien zur Verbreitung von Bildern
und Erzählungen. Sie waren leicht,
relativ billig und schnell herzustellen,
und ließen sich zudem über alle
gesellschaftliche Schichten, Städte und
Länder hinweg verbreiten. Die PLO
und insbesondere die Sektion Bildende
Künste reproduzierte Kunstwerke
auf Plakaten, Postkarten, Kalendern
und Grußkarten, die weitflächig in
Umlauf gebracht wurden. Darüber
hinaus richtete die 1973 gegründete
Union of Palestinian Artists (UPA)
einen Ausstellungsraum in Beirut
ein, der unter dem Namen Dar
al Karameh bekannt wurde und
Arbeiten palästinensischer und
internationaler Künstler*innen
präsentierte. Die UPA schloss
offizielle Kooperationsvereinbarungen
6
mit Künstler*innenverbänden in
der DDR und in Vietnam, sowie
mit der Japan Afro-Asian Latin
American Artists’ Association
(JAALA). Diese Kooperationen
beinhalteten Austauschprogramme,
die palästinensischen Künstler*innen
Reisen nach Japan und in die DDR
ermöglichten und umgekehrt
japanischen und deutschen
Künstler*innen die Gelegenheit
boten, die Lebensrealität der
Palästinenser*innen in Syrien,
Jordanien und im Libanon aus nächster
Nähe kennenzulernen.
Die erste Herausforderung der PLO
bestand bereits darin, mit der eigenen,
weithin in Flüchtlingslagern und Städten
unter israelischer Besatzung verstreuten
Bevölkerung in Kontakt zu treten. Die zweite
Herausforderung war es, die Legitimität
ihrer Anliegen glaubhaft der Welt zu
verkünden und Unterstützung für ihre Sache
zu mobilisieren. Das wirksamste Mittel,
das sie den traumatischen Vertreibungen
der Palästinenser*innen aus ihren
Heimatregionen entgegenzusetzen hatten,
war es, das Zusammengehörigkeitsgefühl als
Volk durch Kunst und Kultur am Leben zu
halten. Wenn das eigene Haus auch verloren
war, so blieb die dichterische Erinnerung
an das Zuhause, das man einmal hatte, doch
lebendig. Wenn das eigene Land auch in weiter
Ferne war, so blieben seine Abbildungen
dennoch sichtbar und in unzähligen Formen
erhalten. Wenn einem die Staatsbürgerschaft
auch verwehrt wurde, so ließ sich die
Erniedrigung, die einem als Palästinenser*in
widerfuhr, doch überwinden. Unter den
Händen von Künstler*innen, Dichter*innen,
Filmemacher*innen, Musiker*innen und
Schriftsteller*innen wandelte sich das
Bild unglückseliger, von Almosen lebenden
Geflohenen in eines von standhaften
Kämpfer*innen, die ihr Schicksal selbst in die
Hand nahmen.
1968 entschlossen sich die drei junge,
in Amman lebende Palästinenser
Sulafa Jadallah, Hani Jawhariyyeh
und Mustafa Abu Ali, eine Filmgruppe
inmitten der palästinensischen
Revolution zu gründen, um den
Widerstand zu dokumentieren und ein
anderes Bild des palästinensischen
Volkes in der Welt zu verbreiten.
Die Palestine Film Unit geriet bald
unter die Fittiche der PLO und
trug wesentlich dazu bei, dass in
der öffentlichen Wahrnehmung
aus hilflosen Flüchtlingen
Freiheitskämpfer*innen wurden.
Die PLO wurde erst in der Generalversammlung
der Vereinten Nationen von 1974 als offizielle
und legitime Vertretung der Palästinenser*innen
anerkannt. Mit Unterstützung der Arabischen
Liga hatte sie aber schon zuvor in einem
Land nach dem anderen die Gründung von
offiziellen Vertretungen erwirkt. Diese dienten
als provisorische Botschaften, regelten die
Angelegenheiten der im jeweiligen Land
lebenden Palästinenser*innen und warben um
politische Unterstützung für deren Anliegen.
Die erste Generation von Politiker*innen und
Funktionär*innen der PLO wurde aus den
Flüchtlingslagern und der Diaspora rekrutiert.
Ihre politischen Ansichten und Ambitionen
waren von der erlittenen Demütigung ebenso
geprägt wie von revolutionärem Eifer, der zu
dieser Zeit in der Region (Algerien, Ägypten,
Irak, Sudan) und in der Welt (Kuba, Chile,
Vietnam) um sich griff.
Einige PLO-Vertreter*innen
handelten aus der Überzeugung
heraus, dass es zur Mobilisierung
von politischer Unterstützung für die
palästinensische Sache erforderlich
sei, sich auf eine eingehende, geduldige
und kreative Zusammenarbeit mit
basisdemokratischen Vereinen,
Verbänden, Gewerkschaften und
Kollektiven von Student*innen,
Arbeiter*innen und Künstler*innen
einzulassen. Zu ihnen zählten, um
nur einige zu nennen: Mahmoud alHamshari (1938—1972), PLO-Vertreter
in Paris; Wael Zuwaiter (1936—1972),
PLO-Vertreter in Rom, Naïm Khader
(1939—1981), PLO-Vertreter in Brüssel,
Fathi Abdul-Hamid (1934—2000),
PLO-Vertreter in Rabat. Sie bewegten
Künstler*innen und Intellektuelle in
den jeweiligen Ländern dazu, Palästina
als Spiegel der Ungerechtigkeit in
der Welt zu betrachten. Sie riefen
zur Produktion von Plakaten und
Publikationen und zur Organisation
von Ausstellungen und Tagungen
auf. In Japan und in der DDR z.B.,
vermittelten sie Kollaborationen
zwischen Künstler*innenverbänden.
Als wir zu klären versuchten, wie Künstler*innen
aus aller Welt dazu kamen, der „Internationalen
Kunstausstellung für Palästina“ eigene Arbeiten
zu schenken, fanden wir heraus, dass einige
PLO-Vertreter*innen dabei eine wichtige Rolle
gespielt hatten. Zwei von ihnen werden im Katalog
der Ausstellung ausdrücklich genannt: Ezzeddine
Kalak und Fathi Abdul-Hamid. Entscheidend war
insbesondere die Beteiligung von Ezzeddine Kalak
(PLO-Vertreter in Paris von 1972 bis 1978), der
einige Monate nach der Ausstellungseröffnung
in Beirut in Paris ermordet wurde. Er freundete
sich mit mehreren Mitgliedern des Salon de la
Jeune Peinture an, insbesondere mit Claude
Lazar. Darüber hinaus stand er einer Gruppe von
Filmemachern im Umfeld der Cahiers du Cinéma
nahe, die als Groupe Vincennes oder Cinélutte
bekannt war (und zu der unter anderem Ali Akika,
Serge Le Péron, Jean Narboni, Danièle Dubroux
und Guy Chapouillié gehörten). Die Gruppe
war auch an der Regie des Dokumentarfilms
L’Olivier, qui sont les palestiniens? (1975) über die
Palästinenser*innen beteiligt. Kalak begleitete
die Gruppe bei den Dreharbeiten im Libanon und
in Syrien. Nach seiner Ermordung entstand ein
gemeinsamer Film von Le Péron und Chapouillié
zu Ehren Kalaks und seines Vermächtnisses.
7
Fathi Abdul-Hamid, der das PLO-Büro in Japan
gegründet hatte, unterhielt enge Verbindungen
mit JAALA und ihrem Gründer Ichiro Haryu,
einem radikalen Kunstkritiker, Theoretiker
und Schriftsteller. Aus Anlass der zweijährig
stattfindenden internationalen Ausstellung
„The Third World and Us“ im Tokyo Museum of
Contemporary Art lud JAALA palästinensische
Künstler*innen ein, ihre Arbeiten gemeinsam mit
den japanischen Künstler*innen auszustellen.
Neben Ausstellungen organisierte JAALA auch
Tagungen, die ein pazifistisches, atomkritisches
und antiimperialistisches Bewusstsein schaffen
sollten und an denen Künstler*innen und
Intellektuelle aus Ländern wie Palästina, Korea
und Thailand teilnahmen.
1969 wurde Wajih Qasem (Deckname
Abu Marwan), ein in Algerien
lebender militanter Palästinenser,
offiziell zum Vertreter der PLO
in Marokko ernannt. Die PLO
unterhielt enge freundschaftliche
Beziehungen zu führenden
Persönlichkeiten des marokkanischen
Unabhängigkeitskampfs, ebenso
wie zur marokkanischen Linken.
Qasem mietete ein kleines Büro
in der medina der Hauptstadt
Rabat. Das Gebäude lag gegenüber
dem Sitz der marokkanischen
Schriftsteller*innengewerkschaft, die
große Sympathien für die Sache der
Palästinenser*innen hegte. Zufällig
befand sich das Büro auch direkt unter
der Wohnung von Abdellatif Laâbi,
einem der Gründer der wegbereitenden
radikalen marokkanischen Kultur- und
Politikzeitschrift Souffles. Auf diese
Weise entstanden durch und durch
organische Verbindungen zwischen der
PLO und der radikalen intellektuellen
und künstlerischen Avantgarde in
Marokko. Die Herausgeber*innen von
Souffles waren als „Aktionskomitee“
der Zeitschrift bekannt. Dieses
setzte sich aus Dichter*innen,
8
Schriftsteller*innen, Künstler*innen
und Widerstandskämpfer*innen
zusammen. Drei prominente, eng
mit der Zeitschrift verbundene
Künstler waren Mohammed Chebaa,
Mohammed Melehi und Farid Belkahia,
welche alle auch an der Ausstellung in
Beirut beteiligt waren. Die Intoleranz
gegenüber abweichenden Meinungen
nahm in den 1970er Jahren in
Marokko zu; radikale Linke wurden
gerichtlich verfolgt und kamen
wegen Hochverrats ins Gefängnis.
Die Zeitschrift Souffles wurde
zunehmend als subversive Plattform
angesehen. Die Veröffentlichung einer
Sonderausgabe zu Palästina markierte
einen Wendepunkt in der Geschichte
der Zeitschrift: Einige Mitwirkende
verließen die Redaktion, weil sie nicht
damit einverstanden waren, dass
der politischen Mission der Vorrang
gegenüber der kulturellen Mission
gegeben wurde.
Politisches und gesellschaftliches Engagement
waren fester Bestandteil der Arbeit dieser
marokkanischen Künstler*innen, die auch zu
den Gründungsmitgliedern der Association
Marocaine des Arts Plastiques gehörten.
Künstler*innengewerkschaften und -verbände
bildeten weitere Knotenpunkte, anhand derer
sich die künstlerischen Netzwerke und ihr
Bezug zur „Internationalen Kunstausstellung
für Palästina“ — vor allem in der arabischen
Welt — nachvollziehen lassen. Landesweite
Künstler*innenverbände und -gewerkschaften
entstanden in den 1960er und 1970er Jahren aus
der grundlegenden politischen Notwendigkeit
heraus, die Rechte der Künstler*innen zu
vertreten, unterstützende Strukturen für die
Förderung und Verbreitung künstlerischer
Arbeiten zu schaffen und die bestehenden,
organisch gewachsenen geschwisterlichen
Bande im arabischen Kulturkreis zu stärken.
Mit der Gründung der Union of Arab Artists
(UAA) wurden Vernetzung, Austausch und
Zusammenarbeit zwischen Künstler*innen auf
regionaler Ebene institutionalisiert. Die Idee
eines solchen Verbandes war bei der First Arab
Conference on Fine Arts in Damaskus 1971
diskutiert worden. Gegründet wurde die UAA
anlässlich des First Arab Festival of National
Plastic Arts ebenfalls in Damaskus. Das Thema
der Ausstellung lautete „Bildende Künste im
Befreiungskampf“. Ismail Shammout, ein
palästinensischer Künstler und Vorsitzender
der Union of Palestinian Artists (UPA), wurde
für den Zeitraum von 1971—1977 zum ersten
Präsidenten der Union of Arab Artists gewählt.
Aufgabe der UAA war es, wie Shammout in der
marokkanischen Kulturzeitschrift Intégral
darlegte, die Beziehungen zwischen der
arabischen und der „Dritten Welt“ zu fördern.
Beide Ausgaben der Arabischen Biennale (Bagdad
1974 und Rabat 1976) wurden von der UAA
organisiert und stellten den Einsatz arabischer
Künstler*innen für den palästinensischen
Befreiungskampf in den Vordergrund.
1976 machten die Belagerung des
palästinensischen Flüchtlingslagers Tel al-Zaatar
und das anschließende Massaker an dessen
Bewohner*innen weltweit Schlagzeilen, jedoch
reichte das nicht um genügend politischen
Druck zur Befreiung der im Lager eingekesselten
Zivilisten aufzubauen.
PLO-Vertreter*innen und militante
pro-palästinensische Gruppierungen
leisteten gemeinsam harte Arbeit,
um Proteste zu mobilisieren, in
Solidaritätsaktionen Hilfsgüter
zu sammeln und öffentliche
Veranstaltungen zu organisieren.
Eine beachtliche Anzahl von Plakaten
wurde produziert, um ein öffentliches
Bewusstsein zu schaffen. Dieses Video
zeigt eine Montage von Fotografien
aus dem Archiv von Benno Karkabé,
der 1975 in Tel al-Zataar lebte und
arbeitete und sich im Nederlands
Palestina Komitee engagierte. Vor der
völligen Zerstörung des Lagers hatte
er dort den Alltag der Bewohner*innen
dokumentiert. Darüber hinaus zeigt das
Video Plakate, die von Künstler*innen
gestaltet wurden, und vermittelt einen
Eindruck von der sehr produktiven
Zusammenarbeit zwischen den
Dichtern Mamoud Darwish (Palästina),
Tahar Ben Jelloun (Marokko) und
Yusef al-Sayigh (Irak) und dem
irakischen Künstler Dia al-Azzawi,
dessen Siebdrucke ihre Inspiration
unmittelbar aus den Gedichten der
anderen drei bezogen.
Die Belagerung von Tel al-Zaatar wurde zum
Anlass mehrerer Kunstausstellungen und
öffentlicher Interventionen rund um die Welt.
1976 führte das italienische
Künstler*innen-Kollektiv Arcicoda
gemeinsam mit dem Collectif
Palestine (bzw. Collectif de peintres
des pays arabes) eine Reihe von
Veranstaltungen und Ausstellungen
in toskanischen Städten wie San
Giovanni Valdarno, Montevarchi
und Figline Valdarno durch, um
zur Solidarität mit den Menschen
aufzurufen, die während der Belagerung
im palästinensischen Flüchtlingslager
Tel al-Zaatar eingeschlossen waren.
Die Künstler*innen stellten sich im
Rechteck auf, um den Rahmen einer
Leinwand zu markieren, und fertigten
unter Verwendung verschiedener
Farben eine Schablonenzeichnung an,
die das zertrümmerte Gesicht eines
bei dem Massaker getöteten Jungen
darstellte. Die aufsehenerregendste
dieser Aktionen fand auf der Piazza
Ferretto in Mestre während der
Biennale von Venedig am 7. September
1976 statt. Zu Klängen von Luigi Nono
malte Rachid Koraïchi auf Arabisch die
Worte Tel al-Zaatar auf eine verdeckte
Leinwand. Die Aktion in Mestre
entstand in Zusammenarbeit mit
Lotta Continua, dem Partito di Unità
9
Proletaria (P.d.U.P.) und der Federazione
die Giovani Socialisti Italiani.
In den Jahren nach den Unruhen vom Mai
1968 engagierten sich viele Künstler*innen
in Paris weiterhin politisch. Neben ihrer
eigenen künstlerischen Arbeit bildeten sie
Kollektive mit dem Anspruch, die Kunst wieder
zu einem zentralen Bestandteil lokaler und
internationaler, gesellschaftlicher und politischer
Auseinandersetzungen zu machen. Manche
dieser Kollektive entstanden spontan und lösten
sich bald wieder auf, andere waren intern stärker
strukturiert und langlebiger. Radikal, subversiv
und auf Konfrontation ausgerichtet, vertraten
die Kollektive unterschiedliche Auffassungen
und Formen der Produktion, Repräsentation,
ästhetischer Sprache und schöpferischer
Subjektivität. Die dabei entstehenden Arbeiten
wurden stets außerhalb der konventionellen
Institutionen des Kunstsystems gezeigt.
Sie waren zudem ephemer (als Plakate,
Spruchbänder, Serigrafien) und sind heute nur
noch als dokumentarische Spuren erhalten. Eine
große Anzahl der Kollektive und die in ihnen
mitwirkenden Künstler*innen waren zwischen
1968 und 1978 Teil der Jeune Peinture und finden
sich auch auf der Liste der Künstler*innen, die der
„Internationalen Kunstausstellung für Palästina“
Arbeiten beisteuerten.
Der Front des Artistes Plasticiens (FAP)
entstand Anfang der 1970er Jahre unter
den Künstler*innen im Umfeld des
Atelier populaire der Pariser École des
Beaux Arts. Der FAP engagierte sich in
verschiedenen Arbeiter*innenkämpfen
und beim Festival of Immigrant
Workers. Bekannt wurde er 1972, als
er massiven Protest gegen die vom
französischen Kulturministerium
veranstaltete Ausstellung „72-72“
(auch „Expo Pompidou“) lostrat, in
der zeitgenössische französische
Künstler*innen gefeiert wurden.
Nachdem die Polizei zunächst versuchte,
die Demonstranten zu vertreiben,
10
wurde die Ausstellung für acht Tage
geschlossen, während deren intensive
Debatten fortgeführt wurden. Schließlich
eröffnete sie erneut und erzielte einen
Besucherrekord. Das Collectif des
peintres antifascistes entstand 1975.
Seine Mitglieder malten oft große
Spruchbänder für die Demonstrationen
am 1. Mai. Ihr Spruchband von 1975
lautete beispielsweise „Cambodge
— Vietnam Victory“ („Kambodscha
— Vietnam Sieg“). Sie veranstalteten
auch eine öffentliche Intervention
mit Werbeplakaten unter dem Motto
„Détruire l’ancien monde pour construire
le nouveau“ („Die alte Welt zerstören, um
eine neue aufzubauen“) bei einem Fest
für den Parti socialiste unifié (Vereinigte
Sozialistische Partei) im Mai 1975. Die
Coopérative des Malassis stand der
Kommunistischen Partei Frankreichs
nahe und wurde bekannt für ihre
kollektiv produzierten Serienmalereien
zu einem jeweils spezifischen Thema
(manchmal entstanden dabei bis zu 50
Arbeiten). Sie stellten auch an Orten
aus, die nicht für Kunst vorgesehen
waren, und erlangten unter anderem
Bekanntheit dadurch, dass sie sich
durch das „Abhängen“ von Bildern an
Ausstellungen beteiligten. Die Grupo
Denuncia wurde 1972 von einer Gruppe
lateinamerikanischer, im Pariser Exil
lebender Künstler*innen gegründet. Sie
erzeugten im Kollektiv Bilderserien, in
denen die Praxis der Folter angeklagt
wurde. Die Arbeiten wurden bei großen
Ausstellungen, aber auch auf Festivals
und Veranstaltungen unter freiem
Himmel gezeigt.
Im selben Stil militanter künstlerischer
Praktiken erlebten die 1970er Jahre auch das
Wiederraufleben der chilenischen Wandmalerei,
nachdem die dortigen Künstler*innen und
militanten Linken vor der Tyrannei Pinochets
fliehen mussten.
Angeregt vom revolutionären Erbe
der mexikanischen Wandmalerei
entstand der muralismo in Chile aus der
Notwendigkeit, im Volk Unterstützung
für die Kommunistische Partei und ihre
Anliegen der sozialen Gerechtigkeit
und der Menschenrechte zu finden,
während die Medien des Landes fast
ausschließlich von rechtsgerichteten
politischen Interessengruppen
kontrolliert wurden. 1968 gründeten sich
die Brigadas Ramona Parra. Jede Brigade
bestand aus 15 bis 20 Student*innen und
Arbeiter*innen. Wandmalereien wurden
meist nachts oder im Morgengrauen
aufgetragen. In den heißen Phasen
der Wahlkampagnen verbreiteten sie
sich rasant über alle Viertel und Städte
des Landes. Auch einige bekannte
Künstler*innen schlossen sich den
Brigadas an. Alejandro „Mono“ Gonzàlez
gehörte zu ihren Gründungsmitgliedern,
und 1971 wurde Roberto Matta gebeten,
ein Wandgemälde im alten städtischen
Schwimmbad des Bezirks La Granja
in Santiago auszuführen. Nach dem
Staatsstreich zerstörte das Militär
tausende solcher Bilder des Kampfes
und der Hoffnung. Kaum in Frankreich
angekommen, setzten die chilenischen
Exilant*innen ihre politischkünstlerische Arbeit des muralismo fort.
In ganz Europa bildeten sie mit anderen
Künstler*innen Brigaden, die auch zu
großen Ausstellungen (Biennnale von
Venedig 1974, documenta 6 1977, Festival
d’Avignon 1974) eingeladen wurden. 1976
malte die Brigade internationale des
peintres antifascistes ein zwanzig Meter
breites Wandbild im Auftrag des Museo
Internacional de la Resistencia Salvador
Allende in Paris. 1978 folgte eine weitere
Arbeit mit dem Titel People at Crossroads
(Menschen an Scheidewegen) in
Montgaillard, Frankreich, zu Ehren der
sandinistischen Revolution in Nicaragua.
Die „Internationale Kunstausstellung für
Palästina“ hatte verschiedene Ursprünge. Eine
Version ihrer Entstehungsgeschichte knüpft
unmittelbar an das Museo Internacional de la
Resistencia Salvador Allende an.
Am 11. November 1973, genau zwei
Monate nach dem gewaltsamen
Sturz der demokratisch gewählten
Regierung Salvador Allendes durch
das chilenische Militär, plünderten
Armeeeinheiten das Museo de la
Solidaridad. Sie zerstörten und
stahlen Werke und beschlagnahmten
das Museum als Bürogebäude. Das
Museum war 1972 eröffnet worden,
seine Sammlung galt damals als eine
der spannendsten ihrer Zeit, mit
rund 600 von Künstler*innen aus
aller Welt geschenkten Arbeiten.
Salvador Allende selbst hatte
einen entsprechenden Aufruf an
Künstler*innen verfasst, der von einem
International Committee of Artistic
Solidarity verbreitet wurde. Unter dem
Vorsitz des brasilianischen Kritikers
und militanten Linken Mário Pedrosa,
der zu dieser Zeit im chilenischen Exil
lebte, bestand das Komitee aus Louis
Aragon (Frankreich), Jean Leymarie
(Frankreich), Giulio Carlo Argan
(Italien), Edy de Wilde (Niederlande),
Dore Ashton (USA), Rafael Alberti
(Spanien), Carlo Levi (Italien), José
María Moreno Galván (Spanien),
Aldo Pellegrini (Argentinien),
Juliusz Starzynsky (Polen), Mariano
Rodríguez (Kuba) und Danilo Trelles
(Uruguay). Nach dem Staatsstreich
veröffentlichten einige prominente
Exilant*innen in Paris — unter ihnen
Miria Contreras, Allendes ehemalige,
nach Kuba geflohene Sekretärin, Mário
Pedrosa, José Balmes und Miguel
Rojas-Mix — einen zweiten Aufruf zur
Spende künstlerischer Arbeiten für die
Gründung eines neuen Museums. Das
11
Museo Internacional de Resistencia
Salvador Allende war als Museum im
Exil konzipiert und sollte sich in Form
einer Wanderausstellung präsentieren.
In Paris, Barcelona, Stockholm, Helsinki und
Mexiko-Stadt bildeten sich Gremien, die das
Sammeln der gespendeten Werke übernahmen.
Im Jahr 1990, während der Amtszeit des
chilenischen Präsidenten Patricio Aylwin,
fanden die in aller Welt aufgebauten
Sammlungen ihren Weg „zurück“ nach Chile.
Die per präsidialem Dekret gegründete
Stiftung Salvador Allende wurde mit der
Umsetzung des Vorhabens betraut. Das Museo
de la Solidaridad Salvador Allende wurde am 4.
September 1991 im Palacio de Bellas Artes in
Santiago de Chile eröffnet.
Der berühmte argentinische
Schriftsteller Julio Cortázar,
ebenfalls ein Exilant in Paris, war
ein begeisterter Unterstützer der
Initiative in Frankreich. Er wurde
dabei gefilmt, wie er das Musée
Internationale de la Résistance
Salvador Allende beschreibt.
17
12
1979 beschlossen der französische
Künstler Ernest Pignon-Ernest
und der (im Pariser Exil lebende)
spanische Künstler Antonio Saura,
ein Museum im Exil nach dem Vorbild
des Museo de la Solidaridad Salvador
Allende zu gründen. Es sollte als
Wanderausstellung gestiftete
Arbeiten von Künstler*innen
zeigen, die deren Verurteilung des
Apartheid-Regimes in Südafrika
zum Ausdruck brachten. Das Artists
of the World Against Apartheid
Committee wurde gegründet und
mit der Hilfe des französischen,
in den 1980er Jahren in New York
lebenden Bildhauers Arman gelang es,
150 Werke international bekannter
Künstler*innen zu versammeln.
Nach dem Ende des ApartheidRegimes wurde die Sammlung im
südafrikanischen Parlament gezeigt.
Anschließend wurde sie in die Obhut des
Mayibuye Centre an der University of the
Western Cape übergeben, das eines der
umfangreichsten Archive des Landes zum
südafrikanischen Befreiungskampf beherbergt.
Der berühmte Schriftsteller Mongane Wally
Serote, zu dieser Zeit Vorsitzender des
Parliamentary Select Committee for Arts and
Culture, vermittelte in dieser Angelegenheit
zwischen dem Artists of the World Against
Apartheid Committee und dem African
National Congress (ANC).
Eric Miller, ein in Kapstadt
lebender Fotograf, dokumentierte
das Abhängen der Werke im
südafrikanischen Parlament und die
Hängung dieser neuen Sammlung im
Jahr 1996.
17
1980 traf Ernesto Cardenal, der
berühmte Dichter und Kulturminister
der neuen sandinistischen Regierung
Nicaraguas, bei einem Festival zum
ersten Jahrestag der sandinistischen
Revolution in Rom auf die chilenische
Galeristin und Kunstverwalterin
Carmen Waugh, die schon beim
Aufbau des Museo Internacional
de la Resistencia Salvador Allende
eine wichtige Rolle gespielt hatte.
Es war im Rahmen dieses Treffens,
als die Idee eines Museums der
Solidarität mit dem nicaraguanischen
Volk geboren wurde. Waugh trieb
das Projekt voran, und ein Jahr
später fand in Paris die erste
Ausstellung zur Unterstützung des
nicaraguanischen Volks statt; eine
zweite in Madrid folgte kurze Zeit
später. Lateinamerikanische (zumeist
im europäischen Exil lebende)
und spanische Künstler*innen
spendeten Werke, um eine Sammlung
aufzubauen. Oft waren es dieselben
Künstler*innen, die auch schon zur
Initiative des Allende-Museums
beigetragen hatten. Die Sammlung
von mehr als 300 Arbeiten wurde
nach Managua überführt und wuchs
unter dem Namen Museo de Arte
Contemporáneo Latinoamericano
kontinuierlich an. 1985 wurde sie in
Museo Julio Cortázar umbenannt,
um den persönlichen Einsatz des
Schriftstellers für das Land
zu würdigen.
Von 1989 bis 1994 wurde die von
einer Künstler*innenvereinigung
verwaltete Sammlung enteignet.
Sie zerfiel angeblich aufgrund von
Unstimmigkeiten und staatlicher
Einmischung. In den letzten Jahren
wurden Versuche unternommen, mit
den Resten der Sammlung wieder
ein Museum zu eröffnen, doch dies
wurde immer wieder verschoben.
Nahezu 200 Künstler*innen aus
dreißig Ländern beteiligten sich an der
„Internationalen Kunstausstellung für
Palästina“. Manche, wie Antoni Tapiès, Joan
Miró oder Julio Le Parc waren sehr bekannt,
andere weniger, noch andere völlig unbekannt.
Wir haben Enzyklopädien und Datenbanken
durchsucht, die als Standardverzeichnisse
für die Geschichte der modernen und
zeitgenössischen Kunst gelten, und legten
eine eigene Kartei an, in der vermerkt ist,
wer anerkanntermaßen zum „Kanon“ gehört
und wer nicht. Der nächste Schritt bestand
darin, jeden Namen weiterzuverfolgen und
herauszufinden, wer noch lebte und wo er
oder sie lebte. Mit der Unterstützung vieler
Menschen in aller Welt gelang es uns, diese
Künstler*innen zu kontaktieren und uns nach
ihren Erinnerungen an die Ausstellung zu
erkundigen. Wir verschickten Emails, riefen
Leute auf gut Glück an und sprachen mit allen,
die wir treffen konnten.
Unser Vorgehen war direkt: Wir
fragten die Betreffenden, ob sie sich
an die Ausstellung erinnern konnten,
ob sie Werke geschenkt hatten und,
falls ja, mit welcher Intention sie
bestimmte Arbeiten dafür ausgesucht
hatten. Wir wollten auch wissen,
wer sie kontaktiert hatte, um die
Schenkung entgegenzunehmen.
Da viele der Künstler*innen schon
in fortgeschrittenem Alter waren,
wussten sie manches nicht mehr so
genau. Immerhin ging es um eine
Ausstellung, die vor mehr als 30 Jahren
stattgefunden hatte. Etliche erinnerten
sich kaum noch daran, andere wussten
noch, dass sie Arbeiten gespendet
hatten, einige dachten mit großer
Begeisterung daran zurück. Wir halfen
mit Gedächtnisstützen wie dem Katalog
oder dem gesammelten Archivmaterial,
mit Zeitungsausschnitten und
Fotografien. Unsere Gespräche
begannen mit dem, was die Beteiligten
womöglich noch von der Ausstellung in
Erinnerung hatten. Dann erkundigten
wir uns nach dem Stellenwert der
palästinensischen Sache in ihrer Arbeit
als Künstler*innen und fragten, wie
sich daraus ein politisches Engagement
entwickelte, das sich danach auch
anderen Zielen zuwandte. Bald
entstand aus den Erzählungen eine
Landkarte der antiimperialistischen
Befreiungskämpfe und ihrer
Verflechtung mit lokalen und
sozialen Anliegen sowie Kämpfen für
ökonomische Gerechtigkeit.
13
ÜBERSETZTE
AUSZÜGE
a
NAJAT HARB, ,,MILITANTE KÜNSTLER
PRÄSENTIEREN IHRE ARBEITEN FÜR DAS
MUSEUM PALÄSTINAS‘‘, VERÖFFENTLICHT IN DER
LIBANESISCHEN TAGESZEITUNG AS-SAFIR (23.
MÄRZ 1978). MIT FREUNDLICHER GENEHMIGUNG
VON AS-SAFIR. QUELLE: CLAUDE LAZAR.
„[…] F: Welche Kriterien lagen der Auswahl der
Künstler*innen zugrunde?
Mona Saudi: Die besten und
avantgardistischsten Künstler*innen sind in
der heutigen Welt diejenigen, die politisch
progressiv / fortschrittlich sind. In Italien
zum Beispiel — und die Beteiligung dieses
Landes ist hoch — sind die meisten großen
Künstler*innen Mitglieder in Parteien der
politischen Linken. Manche haben bereits
an Solidaritätsveranstaltungen für den
palästinensischen Kampf teilgenommen. In
sozialistischen Ländern wurden Kontakte
über Künstler*innenverbände geknüpft.
Zugegebenermaßen hat man es versäumt,
Künstler*innen aus bestimmten Weltgegenden
zu kontaktieren, beispielsweise aus den
Vereinigten Staaten (nur ein Künstler hat
teilgenommen, der Maler Randall Morgan),
dem afrikanischen Kontinent und den
skandinavischen Ländern und aus manchen
sozialistischen Ländern. Wir werden diese
Versäumnisse im Rahmen zukünftiger
Projekte wieder gut machen, sobald wir unsere
Arbeit fortsetzen.
[…] F: Haben manche Künstler*innen im Hinblick
auf andere teilnehmende Künstler*innen gezögert
oder die Teilnahme verweigert; und wie wurde der
Kontakt generell hergestellt?
Mona Saudi: Wir schrieben ihnen mit der
Bitte, ein Werk aus ihrer Sammlung für ein
zukünftiges Museum zu stiften. Viele haben
uns ermutigt, und nur drei weigerten sich
14
aus politischen Gründen, teilzunehmen.
Keiner fragte, wer sonst noch teilnehmen
würde. Ein Künstler, ebenso eine Gruppe aus
Lateinamerika, Guttuso und Calabria, sowie
andere entschieden sich dazu, noch weitere
Arbeiten für die Sammlung des Museums
einzusenden, aber zunächst einmal schickten
sie diese Arbeiten als Geste der Solidarität.
Sympathisant*innen der Revolution aus aller
Welt halfen uns, Kontakte zu Künstler*innen
herzustellen.
[…] F: Werden die Arbeiten, die in der
Ausstellung gezeigt werden, in Abstimmung mit
der PLO ausgewählt?
MS: Die Künstler*innen wählten aus, was
sie für angemessen hielten, und schickten
uns die Arbeiten. Im Fall von Roberto Matta
kam die Einladung erst zwei Wochen vor der
Eröffnung bei ihm an, woraufhin er all seine
Termine absagte und sich dazu entschloss, eine
neue Arbeit anzufertigen. Es handelt sich um
ein Tryptichon mit dem Titel The Martyrs of
Palestine. Er konnte nicht persönlich an der
Eröffnung teilnehmen.
[…] F: Wonach haben sie die Künstler*innen
ausgewählt, die zur Eröffnung eingeladen wurden?
MS: 13 Künstler*innen wurden eingeladen,
sechs konnten zu dem Termin erscheinen. Sie
wurden aufgrund zweier Kriterien ausgewählt:
dass sie Anerkennung genossen und dass ihr
Bekenntnis zur palästinensischen Sache ernst
gemeint war. Wir für unseren Teil waren auf
die Unterstützung großer Künstler*innen
angewiesen, um unsere Anstrengungen aufrecht
zu erhalten; wir verspürten die Notwendigkeit,
sie hierher einzuladen, damit sie das Elend
der Lebensbedingungen unserer Leute sowie
das Maß ihrer Standhaftigkeit aus erster Hand
bezeugen konnten. Wenn sie dann in ihre
Heimatländer zurückkehren würden, wären sie
vielleicht motiviert, größere Veranstaltungen in
die Wege zu leiten, die einen stärkeren Einfluss
auf die öffentliche Meinung ausüben würden.
[…] Bruno Caruso: Meine ganze Hingabe
für die palästinensische Sache und das
palästinensische Volk — über die ich mir 1948
bewusst wurde — hat mich dazu bewegt, an
dieser Ausstellung teilzunehmen und meine
materielle Unterstützung auszuweiten. Ich lebe
in einem Land mit weniger Problemen. Ich kam
1950 hierher, um die Dinge mit eigenen Augen
zu sehen, und zeichnete das erste Plakat für die
Fateh [Fraktion der PLO] 1968 in Italien, und ich
möchte ein Buch über die palästinensische Sache
veröffentlichen, in dem meine Zeichnungen
kommentiert abgedruckt werden.
Mein Engagement ist nicht nur künstlerischer
Natur: Die Kommunistische Partei Italiens, in
der ich Mitglied bin, hat mich mit der Aufgabe
betraut, mehrere politische Veranstaltungen über
Palästina, Vietnam und die Bürgerrechtsbewegung
in Amerika zu organisieren.
[…] Paolo Ganna: Die Botschaft ist sehr wichtig,
aber nicht alle der gestifteten Arbeiten befassen
sich inhaltlich mit der palästinensischen Sache,
und ich frage mich, inwiefern ihre Anwesenheit
relevant ist. Es ist möglich, die bloße Tatsache
einer Schenkung durch einen Künstler als
Stellungnahme zu betrachten, ebenso als
Unterstützung der palästinensischen Sache, doch
wie wird man diese Arbeiten sehen, nachdem
einige Zeit vergangen ist?
Die Ausstellung ist politisch, was jedoch nicht
für alle ausgestellten Arbeiten gilt. Die Rolle
des Gemäldes hängt mit dem Engagement des
Künstlers zusammen. Viele der Künstler*innen
zeigen kein wirkliches politisches Engagement
für die palästinensische Sache, ihre
Arbeiten sind Gesten der Unterstützung,
ein unmittelbarer politischer Akt. Manche
Arbeiten haben keinerlei Bezug zu der Sache
oder zur Politik im Allgemeinen. Ich fing
1972 an, mich für die palästinensische Sache
einzusetzen, als ein Palästinenser namens Wel
Zuwaiter in Rom ermordet wurde. Ich begann
mit einer Gruppe von Leuten zu arbeiten,
mit der ich eine Zeitschrift abonnierte, die
von der Fateh in Rom herausgegeben wurde.
Einige meiner Kollegen und ich organisierten
eine Ausstellung palästinensischer Kunst, die
großes Interesse weckte.
[…] Der junge Kämpfer: Ich kam vor einem
Monat aus Nablus, um eine Feldausbildung
im bewaffneten Kampf zu absolvieren. Im
Süden brach der Krieg aus und ich beteiligte
mich an der Schlacht von Rashidiyeh. Heute
ist mein freier Tag. Ich hatte davon gehört,
dass internationale Künstler*innen, die die
Revolution unterstützen, hier sind und uns
ihre Bilder mitgebracht haben. Ich kam zu der
Ausstellung, die der Welt mitteilt, dass der
Palästinenser, während er eine Waffe trägt,
auch „denkt“, sich sorgt, und an kulturellen
Veranstaltungen teilnimmt. Die Teilnahme
dieser Reihe wichtiger Künstler*innen ist das
stärkste Bollwerk gegen die Behauptung der
Israelis, dass sie unsere Barbarei zivilisieren und
uns aus dem Würgegriff einer Terroristenbande
befreien wollen.“
b
,,CLAUDE LAZAR: DIE KUNST UND DER
POLITISCHE KAMPF“, IN: PALESTINE: L’O.L.P.
BULLETIN D’INFORMATION, FRANZÖSISCHE
AUSGABE (1.–15. APRIL 1978), S. 16-17.
„[…][Ezzeddine] Kalak und ich hatten vor
zwei Jahren die Idee, ein Museum Palästinas
zu gründen (ähnlich dem Allende-Museum
im Exil). Die Initiative der „Internationalen
Kunstausstellung für Palästina“ verlieh dem
Museumsprojekt einen enormen Schub.
Zurzeit sind wir darüber im Gespräch. Der
bemerkenswerte Erfolg der Ausstellung hat das
Projekt reifen lassen und die Bedeutung des
zukünftigen Museum Palästinas verstärkt.“
c
„MICHEL TROCHE: POLITIK DRINGT IN ALLE
LEBENSBEREICHE EIN, EINSCHLIESSLICH
DEM DES KÜNSTLERISCHEN LEBENS...‘‘, IN:
PALESTINE: L’O.L.P. BULLETIN D’INFORMATION 4,
NO. 8, FRANZÖSISCHE AUSGABE (1.—15. MAI
1978), S. 30—32.
Michel Troche war Kommissar für die Schönen
Künste im Französischen Kulturministerium
und für die Neuanschaffungen an Museen in
Frankreich zuständig; darüber hinaus war
er ein international anerkannter Kritiker.
Er war eine große Hilfe für die Produktion
der Ausstellung. Da er zur Eröffnung nicht
erscheinen konnte, reiste er im Monat April
15
nach Beirut, um sich die „Internationale
Kunstausstellung für Palästina“ anzusehen.
„[…] Ich spürte vom Augenblick meiner Ankunft
an, dass die Ausstellung auf Solidarität beruhte
und dass die teilnehmenden Künstler*innen
ihren Gefühlen der Brüderlichkeit gegenüber
dem palästinensischen Volk Ausdruck verleihen
wollten. Als jemand, der sehr oft Ausstellungen
sieht, in Paris und andernorts, und der auch diese
Art von Ausstellungen gesehen hat, war mein
erster Eindruck von dem bemerkenswerten
Niveau ästhetischer Qualität geprägt, ich würde
sogar sagen, es war außergewöhnlich. Und
das gilt sowohl im Hinblick auf die weniger
bekannten Künstler*innen als auch auf
diejenigen, die international bekannt sind, wie
Miró oder Vasarely.
[…] Sie ist in der Tat sehr wichtig, auf
unterschiedlichen Ebenen. Erstens stellt sie,
politisch gesehen, die internationale Solidarität
mit dem palästinensischen Widerstand unter
Beweis. Aber auch kulturell zeigt sie, dass die
Palästinenser*innen in der Lage sind, eine
Ausstellung hohen Niveaus auf die Beine zu
stellen — sowohl im internationalen Vergleich
als auch im Hinblick auf ihre eigenen kulturellen
Ambitionen. Ich denke, dass diese Ausstellung
die Gesamtheit der Trends, die in der Welt
vorherrschen, sehr gut widerspiegelt. Da wäre
eine sehr direkte Gegenständlichkeit, und
das, was in Europa in den letzten fünfzehn
Jahren zu beobachten war, d.h. eine neue Art
der Gegenständlichkeit. Weiterhin wären da
kinetische Kunst, Realismus, Abstraktion sowie
die traditionelleren Trends. Die Koexistenzen
und Widersprüche aller künstlerischen
Strömungen sind also vertreten. Es gibt eine
Vielfalt und eine Repräsentativität, die mich zu
dem Gedanken veranlasst, dass diese Ausstellung
ebenso gut in Palästina wie in Frankreich
oder England stattfinden könnte. Sie hat diese
internationale Statur.
[…] Ich denke, dass diese Ausstellung, die
gerade erst begonnen hat, nicht enden sollte.
Sie ist jetzt sehr wichtig – als Ausstellung –
und meiner Meinung nach muss sie zum Keim
von etwas werden, das sich entwickeln wird.
16
Ich bin mir nicht sicher wie. Ist sie vielleicht
die Keimzelle eines zukünftigen Museums
zeitgenössischer Kunst für Palästina? Ich denke,
der Aufruf zu Spenden sollte aufrecht erhalten
werden, um Künstler*innen in Griechenland,
Afrika und Lateinamerika ausfindig zu machen.
Das ist zentral — aus einer kulturellen und
politischen ebenso wie aus einer externen und
internen Perspektive.
[…] Vielleicht gibt es ein paar Leute, die sich für
ein internationales Komitee gewinnen ließen.
Das hätte den Vorteil, lokal arbeiten zu können,
besonders, weil sie mit den lokalen Umständen
vertraut wären.“
d
BRIEF VON ROBERTO EDUARDO MATTA,
,,WENN DIE BEWAFFNETE FRONT
GEWALT ANWENDEN MUSS, MUSS
DIE KULTURELLE FRONT DEN GEIST
ÖFFNEN.‘‘ VERÖFFENTLICHT IN DER
ARABISCHSPRACHIGEN PLO-ZEITUNG
FILASTIN AL-THAWRA, AUSGABE NR. 277 (27.
MÄRZ 1978).
„Im Grunde erfindet der Künstler den Akt
des Sehens neu. Deshalb müssen wir in dieser
Ausstellung die palästinensischen Menschen
sehen und die Art und Weise, wie sie leben. Die
Welt weigert sich, sie zu sehen, genauso wie die
Welt lange Zeit blind gegenüber Auschwitz war.
Die Kunst ist dazu befähigt, den Blick auf die
Wahrheit zu lenken — und in den Jahren 1945—46
arbeitete ich an einem Gemälde über Buchenwald,
dem ich den Titel Being Together gab.
Vor einer Weile schlug ich meinem Freund
Saïd Hammami vor, eine kulturelle Front zu
bilden, sodass die Menschen die Realität sehen
würden, der die Palästinenser*innen ausgesetzt
sind. Dieselben Menschen, die im Jahr 70 v. Chr.
in Jerusalem blieben und die Verfolgung durch
die Römer ebenso überlebten wie die Massaker
der Kreuzritter, Invasionen der Türken und
Besatzungen der Franzosen, Italiener und
Briten. Palästinenser*innen haben über all diese
tragischen Epochen hinweg in Palästina gelebt.
Das ist es, was die Welt sehen muss.
Sinn dieser Ausstellung ist es, deren
Geschichte sichtbar zu machen, auf dass es dem
Rest der Welt ebenso klar werde.
Der Künstler ist wie ein Fisch im Wasser.
Unser Wasser ist die Zeit, die Entwirrung der
Konflikte, die wir gemeinsam mit anderen
erleben. Deshalb ist Kunst politisch. Einen
König zu zeichnen heißt seine Existenz zu
verherrlichen. Die Zeichenkunst begrüßt den
Zustand der Welt als den bestmöglichen; sie
ist eine Kunst, die öffentliche Zustimmung
einfordert. Konservativer Akademismus… all das
ist politische Kunst.
Doch gibt es auch Fische, die gerne das Wasser
wechseln, die in reinem Wasser schwimmen
und gedeihen wollen. Im Lauf der Geschichte
hat die revolutionäre Kunst immer wieder die
machthabenden Autoritäten gezwungen, neue
Ideen zu akzeptieren und manchmal sogar neue
kulturelle Credos zu verhängen.
Wie lässt sich nun ein politisches Projekt
schaffen, mit dem wir das Wasser wechseln
können? Wie können wir eine emanzipierte
Repräsentation unseres In-der-Welt-seins
schaffen? Wir müssen die Menschen dazu
bewegen, die Ideale von Gerechtigkeit,
Wahrheit und Verständigung mit offenen
Armen zu empfangen. Und in jedem von uns
ein neues menschliches Wesen zu sehen; eines,
das dazu in der Lage ist, seinen Lebensraum
mit verschiedenen Formen anderen Lebens zu
teilen und gemeinsam ein neues soziales Credo
zu schaffen.
Wenn die bewaffnete Front Gewalt anwendet,
muss die kulturelle Front den Geist öffnen. Ich
glaube, die wichtigste Mission dieser kulturellen
Front ist es, Menschen aus aller Welt zu
vereinen, Menschen, die unter den verlogenen
Geboten der Menschheit Vieles erlitten haben
und noch immer erleiden.
Unser Bestreben sollte es sein, den Sinn
für eine innovative Form der Solidarität zu
kultivieren. Ein neues menschliches Wesen,
das einer neuen Liebe ergeben ist. Ein
regeneratives Leben, das in jedem von uns
einen unermüdlichen Wächter gegen den
Egoismus heranwachsen lässt, denn wenn uns
die Wissenschaft der Ökologie die Notwenigkeit
lehrt, die Umwelt zu schützen, sollte es auch
eine Wissenschaft geben, die sich dem „Selbst“
widmet, da es ebenfalls in Gefahr ist.
Ein neues Gewässer erschaffen und dessen Wasser
rein zu halten… das ist die Mission des Künstlers.“
e
LIANA BADR, ,,AM RANDE DER
,,INTERNATIONALEN KUNSTAUSSTELLUNG“:
SHAMMOUT, MONA SAUDI UND ALTOUNI IN DREI KOMMENTAREN ZUR
AUSSTELLUNG“, IN: AL HOURRIAH, AUSGABE
NR. 86 (17. APRIL 1978).
„[…] Mona Saudi: Es hat bereits
palästinensische Kunstausstellungen im
kleineren Rahmen gegeben, in westlichen Städten
wie Rom, Paris und New York, aber mit dieser
Ausstellung wurde der Ort des Geschehens
dorthin verlegt, wo unsere Leute Zugang dazu
haben. Es ist ihr Recht, diesen unmittelbaren
Kontakt zu diesen Arbeiten der internationalen
Avantgarde zu erleben, vor allem, weil er im
Rahmen der Solidarität und der enthusiastischen
Anteilnahme am Kampf unserer Leute ermöglicht
wurde. Die Tatsache, dass diese künstlerischen
Arbeiten das Museum verlassen haben, um
hier gezeigt zu werden, ist ein beachtlicher
Meilenstein. Außerdem war es unser Wunsch,
die Ausstellung in einer einfachen Halle zu
zeigen, in einer populären Nachbarschaft nahe
den Palästinensischen Flüchtlingslagern. Die
Kunstgalerien Beiruts wenden sich in erster Linie
an eine Elite, wohingegen unsere Ausstellung im
Allgemeinen von Studierenden, Kämpfer*innen,
Lagerbewohner*innen und revolutionären
Kadern besucht wurde.
[…] Die Menschen, von denen manche zum
ersten Mal eine Ausstellung besuchten,
waren überaus dankbar, dass internationale
Künstler*innen ihrer Solidarität mit uns
Ausdruck verliehen und uns dazu brachten,
ihre Arbeiten zu schätzen und uns von ihnen
vereinnahmen zu lassen, ganz unabhängig
davon, ob Form und Inhalt der Werke sofort und
unmittelbar zu entziffern waren.
[…] Ein berühmter Schriftsteller hat die
scharfsinnige Bemerkung gemacht, dass kein
17
Kultur- oder Propagandaministerium eines
arabischen Landes jemals eine vergleichbare
Leistung zustande gebracht hätte; der Fortschritt
unserer Revolution hat die anderen hinter sich
gelassen und das wird Auswirkungen auf unsere
sonstigen Aktivitäten haben.
[…] Ismail Shammout: Eine
Bestandsaufnahme der Exponate verrät,
dass die Anzahl der abstrakten Gemälde
stilistisch gesehen überwiegt, während wir
uns gegenwärtig doch in einer Zeit befinden, in
der wir das Selbstbewusstsein unserer Söhne
stärken und ihnen eine Form des künstlerischen
Ausdrucks nahebringen sollten, die realistisch
und ihrem Verständnis angemessen ist. Wenn
ein durchschnittlich begabtes Individuum ein
abstraktes Werk als unmenschlich und alltagsfern
erlebt, so bleibt ihm nur anzunehmen, dass es ihm
für ein angemessenes Verständnis des Werkes an
Wissen und Bildung fehlt. Wahrscheinlich fühlt
es sich dann von seinem eigenen Lebensgefühl
und seiner emotionalen Entwicklung entfremdet.
[…] Wir hätten gerne gesehen, dass die Mithilfe
libanesischer Künstler*innen eine größere
Rolle in der Organisation der Ausstellung
gespielt hätte, und dass eine größere Anzahl
von ihnen teilgenommen hätte. Wir wünschten
uns auch, eine größere Gruppe internationaler
Künstler*innen präsentieren zu können, die
sich solidarisch mit unserer Sache zeigten.
Dies sind Ziele, an deren Verwirklichung wir in
Zukunft arbeiten werden, um unser Vorhaben so
vollständig wie möglich in die Tat umzusetzen.
[…] Helmi el-Touni, ein ägyptischer Künstler,
der für seine hingebungsvolle Unterstützung der
palästinensischen Revolution mit künstlerischen
Arbeiten und Plakaten bekannt ist, stellt fest:
Betrachten wir die Ausstellung aus der Perspektive
der arabischen und palästinensischen Massen,
so stehen sicherlich die diversen Missionen der
politischen Kunst im Vordergrund, nämlich
Aufklärung, Provokation und Mobilisierung.
Wenn die Ausstellung auf internationaler Ebene
erfolgreich ist, besteht, vom Standpunkt des
arabischen und des palästinensischen Publikums
aus gesehen, ein Ungleichgewicht der vermittelten
Botschaften, und die Mehrheit der ausgestellten
18
Arbeiten bleibt zu den Empfindungen der Massen
auf Distanz. Dies ist das wiederkehrende Problem
der aktivistischen Kunst: wie den Drahtseilakt
meistern, eine künstlerische Arbeit mit hohem
ästhetischen Wert zu produzieren, die gleichzeitig
dazu in der Lage ist, zu den Menschen zu sprechen.
[…] Die Idee einer Ausstellung als solche ist in
den Köpfen der Menschen an die bürgerliche
Kunst geknüpft. Jene, die ein gewisses Maß an
Wohlstand aufweisen, besuchen Ausstellungen,
um sich über die neuesten Marotten oder
Exzentrizitäten der Künstler*innen auf dem
Laufenden zu halten, welche sie dann zu
einem hohen Preis erwerben, um sie in ihren
bourgeoisen Salons als Dekoration zur Schau zu
stellen. Diese Ausstellung hat ein anderes Format,
weil sie an die Massen gerichtet ist - ungeachtet
der Tatsache, dass die visuelle Kunst immer
noch im Mittelalter befangen ist, insofern sie von
Mäzenen abhängig ist, ganz so wie Poeten von
Prinzen oder Herrschern abhängig waren, denen
sie ihre Gedichte widmen konnten.“
f
BRIEF VON NASSER SOUMI ÜBER SEINE
VERBINDUNG ZUR AUSSTELLUNG UND
SEINE NACHFORSCHUNGEN ZU DEN
VERSCHWUNDENEN KUNSTWERKEN, 6.
OKTOBER 2013, PARIS.
„Was folgt, ist ein ausführlicher Bericht
über meine Beziehung zur „Internationalen
Kunstausstellung für Palästina“, die im Jahr 1978
in der Gamal Abdel-Nasser Hall in Beirut stattfand.
Ich kam 1977 nach Beirut, nachdem ich mein
Studium an der Fakultät der bildenden Künste
in Damaskus abgeschlossen hatte. Kurze Zeit
später fragte mich meine Kollegin Mona Saudi,
ob ich mit ihr in der Sektion Bildende Künste des
Vereinten Informationsbüros (Office of Unified
Information) arbeiten wollte, die sie eingerichtet
hatte. Die Vorbereitungen zur Ausstellung
waren bereits im Gange. Ich war von der Idee
der Ausstellung fasziniert und verspürte den
Drang, mich an ihrer Verwirklichung und
der anschließenden Weiterentwicklung zu
beteiligen. Wir begannen, an der Ausstellung
zu arbeiten, und anders, als der Begriff „Sektion
Bildende Künste“ annehmen lässt, hatten wir
zu dieser Zeit noch kein Büro: Wir arbeiteten in
einem kleinen Zimmer, von wo aus wir sämtliche
Maßnahmen in die Wege leiteten, die nötig
waren, um die Ausstellung zum Monatsanfang
im März 1978 zu eröffnen. Mona reiste nach
Italien und Frankreich, um gestiftete Arbeiten
dort abzuholen; andere, wie Dia al-Azzawi,
Mohammed Melehi und Sliman Mansour waren
bei der Beschaffung der Arbeiten von großer
Hilfe, ebenso Ezzeddine Kalak, der damalige
Vertreter der PLO in Paris.
Panzer der israelischen Armee rollten im
südlichen Libanon ein, als wir gerade mit dem
Aufbau der Arbeiten zugange waren (insgesamt
194 gestiftete Werke von Künstler*innen
aus aller Welt). Israelische Kampfflugzeuge
kreisten am Himmel über Beirut und einigen
weiteren Regionen im Libanon. Ungeachtet
der Turbulenzen und Spannungen — von dem
Sicherheitsrisiko ganz zu schweigen — reisten
einige Künstler*innen und Kritiker*innen
aus der arabischen Welt und Europa an, um
sich die Ausstellung anzusehen. Ich erinnere
mich an den französischen Kritiker Michel
Troche, den italienischen Künstler Paolo
Ganna, den Französischen Künstler Claude
Lazar, Sliman Mansour, Nabil Anani und
weitere. Yasser Arafat sollte die Ausstellung
eröffnen — und alle warteten auf seine Ankunft,
auch wenn einige davon ausgingen, dass er
nicht erscheinen würde, solange sich die
Kämpfer*innen, die er kommandierte, noch im
Kampfeinsatz waren. Zur Überraschung aller
erschien er auf die Minute genau zur geplanten
Eröffnungszeit. Er war lebhaft und schien
entzückt über die Ausstellung, die Ansammlung
von Künstler*innen, Intellektuellen und
Medienvertreter*innen aus aller Welt. Er hatte
einen Text geschickt, der im Ausstellungskatalog
abgedruckt wurde und folgendermaßen lautete:
„Diese Revolution ist nicht nur das Schicksal
Palästinas und der Arabischen Nationen,
vielmehr ist sie das Schicksal der freien
Menschen auf der ganzen Welt“. Nachdem die
Ausstellung endete, wurde der Sektion Bildende
Künste ein Raum zugeteilt, eine Wohnung im
ersten Stock eines der Gebäude, die der PLO
aus Solidarität mit der palästinensischen
Bevölkerung zur Verfügung gestellt wurden,
im Fakihani-Viertel. Die Sammlung war von
Anfang an als Keimzelle eines SolidaritätsMuseums für die palästinensische Bevölkerung
gedacht. Neben den Exponaten der Ausstellung
gab es auch eine große Anzahl an Arbeiten, die
uns von Künstler*innen persönlich überreicht
oder zugeschickt worden waren. Auf meiner
Rückreise aus Asilah, wo ich eingeladen
war, am Kunstfestival „Moussem culturel
d’Asilah“ teilzunehmen, hatte ich etwa 20
Arbeiten im Gepäck. Ich erinnere mich wage an
Schenkungen der Künstler Mohammed Khalil,
Rodolfo Abularaj und weiterer.
[…] Anfang 1980 wählte ich etwa 20 Arbeiten
aus der Sammlung aus und organisierte
gemeinsam mit Bissan and Salem, zwei
Aktivisten aus dem Flüchlingslager Shatila,
eine kleine Ausstellung zum Gedenken an die
Revolution. Die Ausstellung fand trotz der
Tatsache statt, dass Mona ihre Zustimmung
nicht gegeben hatte. Ich führte eine zweite
Umfrage unter den Bewohner*innen des
Flüchtlingslagers durch, die in die Ausstellung
kamen, um die erste Umfrage, die ich während
der Ausstellung von 1978 an der Beirut Arab
University durchgeführt hatte, zu ergänzen.
Am 30. Oktober 1980 machte ich mich auf den
Weg nach Paris, um mein Studium, nachdem
ich ein Stipendium der UNESCO erhalten hatte,
wieder aufzunehmen. Ich hatte vor, im Sommer
1982 nach Beirut zurückzukehren, doch hielt
mich die israelische Invasion des Libanon davon
ab, weshalb ich bis heute in Paris geblieben bin.
Die israelische Armee rückte im Juni 1982 im
Libanon ein. Beirut wurde belagert, stand unter
Beschuss, und hielt dennoch stand. Jedoch
führte die Invasion letzten Endes dazu, dass die
Palästinenser*innen aus Tunis ausgewiesen
wurden. Später habe ich erfahren, dass meine
Kollegin Mona Saudi bis 1983 in Beirut blieb und
dann nach Amman zog, wo sie bis 1993 lebte.
In dem Jahr kehrte sie nach Beirut zurück und
lebt seither dort. Der Kontakt zwischen uns
war abgebrochen, weil die Ausstellung, die ich
19
im Shatil-Lager organisiert hatte, einen Streit
zwischen uns ausgelöst hatte.
Ich war besorgt über das Schicksal der
Ausstellung und die Pläne zur Gründung
eines Museums, vor allem, nachdem ich
erfahren hatte, dass die Gegend der Beirut
Arab University bombardiert worden war und
manche der Gebäude in Schutt und Asche lagen,
einschließlich des Gebäudes, in dem das Büro
der Sektion Bildende Künste untergebracht
war. 1987, als der Künstler Dia al-Azzawi
anlässlich der Eröffnung des Institut du Monde
Arabe in Paris zu Besuch war, verringerten sich
meine Bedenken. Zufällig wollte Mona Saudi
Dia al-Azzawi im selben Moment treffen wie
ich — und endlich hatte ich Gelegenheit, sie
nach dem Schicksal der Sammlung zu fragen.
Ihre Antwort brachte mir große Erleichterung:
Sie sagte, die Werke wären bei ihr.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass es allerlei
Gerüchte gab und darüber spekuliert wurde,
dass einige der Werke verkauft wurden.
Tatsächlich hatte mich sogar ein gemeinsamer
Freund von Mona und mir gewarnt, dass ̦einige
der Werke zum Verkauf angeboten wurden‘, und
als ich weiter nachhakte, identifizierte er die
gestiftete Arbeit von Miró. Ich fasste es trotz
unserer angeschlagenen Beziehung als meine
Pflicht auf, Mona zu kontaktieren.
[…] Am 2. Juli 2012 suchte ich Mona in ihrem
Haus auf. Nachdem wir über Vieles diskutiert
hatten, kamen wir auf die Sammlung des
Museums zu sprechen. Während unseres
Austauschs bekam ich nicht die Antworten,
die ich suchte — genauer gesagt, auf die Frage,
was aus all den Arbeiten geworden war. Sie
sagte, dass manche der Arbeiten zerstört
worden, andere verloren gegangen und manche
sogar gestohlen worden waren, wie z.B. die
Gemälde von Sliman Mansor, Vladimir Tamari,
Mohammad Ghani, Leith Fattah, Lázaro
Cardeñas (Kuba). Manche Arbeiten waren in
der sicheren Obhut von Freunden verwahrt,
von denen einer eine Druckerei besaß. Ich bat
sie, mir ihre Namen zu geben, und fragte, ob ich
die Werke mit eigenen Augen sehen dürfte. Sie
sagte, es wäre nicht einfach: der Besitzer der
20
Druckerei wäre vorübergehend außer Lande
und sie selbst hätte die Werke lange Zeit nicht
zu Gesicht bekommen.
Am 7. März 2013 gingen wir gemeinsam
zu dem Druckereigeschäft. Als der Besitzer
den Grund für unseren Besuch erfuhr, zeigte
er sich verständnisvoll und bat einen seiner
Assistenten, die Arbeiten zu holen. […] Da
waren insgesamt siebzehn Werke. […] Am 2.
April 2013 besuchte ich NK und seine Gattin,
MS. Ich war in Begleitung von Rola el-Zein,
aber der Freund, der das Treffen arrangiert
hatte, konnte aufgrund unvorhergesehener
gesundheitlicher Probleme nicht dabei sein.
Ich erzählte MS meine Geschichte bezüglich
der Sammlung, wie ich es auch bei dem
Besitzer der Druckerei getan hatte, und bat sie,
mir die Arbeiten zu zeigen, die man ihrer Obhut
überlassen hatte. Überrascht stellte ich fest,
dass von den ursprünglich neun hinterlassenen
Arbeiten nur noch zwei geblieben sind. MS
erinnerte sich sehr genau, welche Arbeiten
man ihr anvertraut und wann Mona sie wieder
an sich genommen hatte, aber sie kannte den
Grund nicht, aus dem Mona sie wieder an
sich genommen hatte. […] Unter ihnen befand
sich die Arbeit Mirós. […] Am 13. April rief
ich erneut bei Mona an. Wir trafen uns in
einem der Cafés in der Hamra-Straße und ich
bekam weitere Antworten und Informationen
von ihr. Es stellte sich heraus, dass 1980
einige Werke der Sammlung zusammen mit
originalen Karikaturzeichnungen von Naji
al-Ali nach Teheran geschickt wurden, für
eine Ausstellung am Tehran Museum of
Contemporary Art.
Die Arbeiten wurden bis zum heutigen Tag
nicht zurückgegeben. Es ist ungewiss, ob sie
in der Obhut des Museums verblieben sind,
oder ob sie der palästinensischen Botschaft
vor Ort überreicht wurden. Währenddessen
hatte Mona immer noch Gemälde von
Joumanna Husseine (Palästina), Julio Le Parc
(Argentinien), Jacques Busse (Frankreich),
Keiko Monma (Japan) und Mohammed Melehi
(Marokko). Zum Verbleib der Arbeit von Miró
konnte sie mir nichts sagen.
[…] Ich vereinbarte mit Mona, eine
Ausstellung mit den verbleibenden Werken zu
organisieren und uns um die Rückgewinnung
der Arbeiten zu bemühen, die in Teheran
ausgestellt wurden.
[…] Als Fazit dieses Zeugnisses möchte ich die
Vorreiterrolle Mona Saudis in diesem PionierProjekt hervorheben, sowie die Bürden, die sie
auf sich genommen hat und die immer noch auf
ihr lasten, obgleich ich mir gewünscht hätte,
dass sie ihre Arbeit transparenter gestaltet und
all diejenigen einbezogen hätte, die an dieser
immensen Anstrengung beteiligt waren: ein
Projekt, das Palästina damals den Respekt der
freien Welt bescheinigte und das diesem Land
zurückgegeben werden sollte.
Ich möchte diesen Bericht dem Märtyrer und
meinem Freund Ezzeddine Kalak widmen,
dessen Beitrag zur Umsetzung und zum Erfolg
der Ausstellung großartig und wegbereitend
war.“
21
QUELLENANGABEN ZU DEN VIDEOS
01. Catalog originally found at Agial Art Gallery,
Beirut. Later copy given to us by Mohammed Melehi.
02. Newspapers: As-Safir, An-Nahar, L’Orient-Le Jour.
Magazines and photographs: Claude Lazar.
03. Photographs and documents: Claude Lazar
and Institute for Palestine Studies, Beirut.
Interviews: Claude Lazar (Paris, 2011), Liana
Badr (Ramallah, 2014), Ahmed Abdul Rahman
(Ramallah, 2014). Liana Badr and Ahmed Abdul
Rahman were interviewed and filmed by Mohanad
Yaqubi and Sami Said.
12. Photographs, posters, postcards, and other
documents: Abboudi Abou Jaoude, Aref Rayess
Archives, Christian Heinze, Kristine Khouri, Rasha
Salti, Claude Lazar, Sergio Traquandi, Tamam
Alakhal, Toshio Satoh, JAALA, Siegfried Wege,
Palestine Poster Project Archives, Zentralarchiv
Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer
Kulturbesitz, Akademie der Künste / Medienservice,
Hungarian News Agency. Sketch books: Günther
Rechn. Excerpts/images from: L’affiche palestinienne:
Collection d’Ezzeddine Kalak (Paris: Editions Le
Sycomore, 1979). Portfolio of photographs by Hani
Jawhariyeh (PLO). Excerpts from: In Time of War,
Children Testify. Edited by Mona Saudi, designed by
Vladimir Tamari (Beirut: Mawakef, 1970).
09. Video excerpt from the feature documentary
Off Frame (2015) Running Time: 12 minutes.
Credits: Written by Reem Shilleh and Mohanad
Yaqubi. Directed by Mohanad Yaqubi. Produced
by Sami Said (Idioms Film). Cinematography:
Rami Nihawi. Sound: Sami Said. Edited by Ramzi
Hazboun. Archival sources: Palestine-RFA (1970),
Al-Fatah (1970) by Luigi Perilli, The Long March
Home (1970) by Ugo Adilardi, Carlo Schelliono,
Paolo Sornaga, Godard in America (1970) by
Ralph Thanhouser, With Soul with Blood (1970) by
Palestine Film Unit, Revolution until Victory (1973)
by Newsreel Group, The Palestinians (1975) by Johan
Van Keuken, Palestine in the Eye (1976) by Mustafa
Abu Ali, The Fifth War (1977) by Monica Maurer.
22
08. Interviews: Wajih Qasem (Morocco, 2012),
Achim Reichardt (Brandenburg, 2016), Claude
Lazar (Paris, 2011), Yuzo Itagaki (Suwa, 2014).
Film Excerpts: Ezzeddine Kalak (1979) directed
by Guy Chapouillé and Serge Le Péron. Photos
and documents: Kristine Khouri. Source and
courtesy: Achim Reichardt, Toshio Satoh, Tamam
Alakhal, Claude Lazar, Amin Kalak, Sigfried Wege,
Günther Rechn, Christian Heinze, Institute for
Palestine Studies.
Poster photos: Khaled Hourani. Source: Abdallah
Hijazi. Excerpts from: L’affiche palestinienne:
Collection d’Ezzeddine Kalak, (Paris: Editions Le
Sycomore, 1979), History of JAALA: 1977-1993 (Tokyo:
JAALA, 1994) Filastin Biladi (various issues).
Source: Ryuichi Hirokawa, Toshio Satoh.
07. Video: Othmane Balafrej. Souffles issues:
Digital archives of Bibliothèque Nationale du
Royaume du Maroc.
10. Photographs: Benno Karkabé, Al-Mashriq
archive. Excerpts from: The Body’s Anthem;
illustrated poems for Tel al-Zaatar by Dia al Azzawi,
illustrations by Dia Al-Azzawi and poems by
Mahmoud Darwish, Tahar Ben Jalloun and
Yusef Saigh, (Dar Al-Muthallath, 1979), L’Affiche
palestinienne: Collection d’Ezzeddine Kalak (Paris:
Editions Le Sycomore, 1979). Newspapers: As-Safir
and An-Nahar.
13. Super 8 film and photographs: Sergio Traquandi.
11. Posters: Laboratoire Urbanisme
Insurrectionnel. Photos: Claude Lazar, Julio Le
Parc archive. Video of Intervention d’artistes lors de
l’exposition 60-72, douze ans d’art contemporain en
France Source: Institut national de l’audiovisuel.
Excerpts from: Les Malassis: Une coopérative de
peintres toxiques (1968–1981) (Editions L’échappée,
2014), Instituto Frei Tito de Alencar, (2011): Sala
Escura da Tortura (exhibition catalog, 2010).
14. Film excerpts: Brigada Ramona Parra y Por
Vietnam, El mono y el Primer gol del pueblo chileno
from Cordones Audiovisuales (Chile), Source:
YouTube, Chilenische Wandmalerei (1977) Franz
Lehmkuhl. Photographs and other documents:
Gerald Warnke, Universitätsarchiv Bremen
(Courtesy: Sigrid Dauks, Archiv José Balmes),
Universitätsarchiv Bielefeld (Courtesy: Martin
Löning), Pedro Uhart, Fábio Roberto Ribeiro, Julio
Le Parc Archive, Biblioteca Nacional de Chile,
Harvard library. Excerpts from: Political Practices
of (post-) Yugoslav Art: Retrospective 01, edited by
Zorana Dojic and Jelena Vesic (exhibition catalog,
Prelom Kolektiv, 2010).
15. Film excerpts: Balmes El Doble Exilio De La
Pintura (Chile, 2012) directed by Pablo Trujillo,
Formas de Afeto (Brazil, 2011) directed by Gláucia
Villas Bôas and Nina Galanternick, Carmen
Waugh (Chile, 2010) by Rosario Jimenez Gili;
Maestros del Arte Chileno (Chile, 2014) by ROJIZO
comunicaciones, Interview with Carmen Waugh
by Museo de la Solidaridad Salvador Allende
(Chile, 2012). Images and documents: Jacques
Leenhardt, Museo de la Solidaridad Salvador
Allende Institutional Archives, General Archive
of Fundació Joan Miró and Moderna Museet
Authority Archive, Antonio Manuel’s personal
archive via Nina Galanternick, Excerpts from:
Mario Pedrosa E O Brasil (Editora Fundacào Perseu
Abramo, 2001). Graphic novel: Allende, Le Dernier
Combat by Olivier Bras and Jorge Gonzalez (La
Revue Dessinée, no. 01, 2013).
18. Photographs’ courtesy: Eric Miller.
06. Interviews: Georges Bahgoury (Cairo, 2013),
Mohammed Melehi (Morocco, 2013), Claude
Lazar (Paris, 2011), Ivan Messac (Paris, 2013),
Julio Le Parc and Gontran Guanaes Netto (Paris,
2013). Excerpts from film: Mother Sela (USA, 2012)
directed by Svetlana Darsalia . Images: Kristine
Khouri, Rasha Salti. Courtesy: Georges Bahgoury,
Gontran Guanaes Netto and Julio Le Parc,
Bahgory Legacy (Obelisque Publications, 2013),
Abboudi Abou Jaoude, Agial Art Gallery. Courtesy:
Mohammed Melehi, Sultan Gallery Archives, Agial
Art Gallery, Claude Lazar, Ivan Message, Sergio
Traquandi, Aline Manoukian, Seta Manoukian.
16. Julio Cortázar presenta el Museo Internacional de la
Resistencia Salvador Allende (1977), YouTube.
17. Images and documents: Atelier Cruz-Diez,
Paris; Artists of the World Against Apartheid
committee/Ernest Pignon-Ernest, André
Odendaal, Art Against Apartheid exhibition catalog
(Public Education Department, Parliament
of South Africa, Cape Town, 1996); Art Against
Apartheid, 78 Artists from the 80’s exhibition catalog
(Paris, 1983), Art Against Apartheid Press Kit (Paris:
Centre National des Arts Plastiques, 1983).
Various documents: André Odendaal; Gontran
Guanaes Netto. Excerpts from: Art and Revolution
in Latin America, 1910-1990 by David Craven (Yale
University Press, 2006), Archivo de Imágenes
Digitales / Digital Image Archive: Museo Nacional
de Bellas Artes (Chile). Film/Video excerpts:
Carmen Waugh by Rosario Jimenez Gilli (Chile).
Footage courtesy of Steven Markovitz and Mark
Kaplan. Interviews: André Odendaal and Gordon
Metz (Cape Town, 2014).
23
Zeit der Unruhe wird kuratiert von
Kristine Khouri und Rasha Salti und wurde
2015 vom Museu d´Art Contemporani
de Barcelona (MACBA) konzipiert und
präsentiert. Die Berliner Ausstellung 2016
ist eine Produktion des Hauses der Kulturen
der Welt und des MACBA.
FORSCHERINNEN/KURATORINNEN:
Kristine Khouri, Rasha Salti
MUSEU D’ART CONTEMPORANI DE
BARCELONA (MACBA), 2015
Direktor: Bartomeu Marí
Kurator: Paul B. Preciado
Ausstellungskoordination: Hiuwai Chu
Sladjan Nedeljkovic, Nghia Nuyen, Andrew
Schmidt, Stefan Seitz, Elisabeth Sinn, Marie
Luise Stein, Norio Takasugi, Christophe
Zangerle, Margrit Zeitler
Videobearbeitung HKW: Isabelle Lonitz,
Matthias Hardenberger
Textredaktion: Elisabeth Krämer,
Christopher Hupe, Doris Hegner
Übersetzungen ins Deutsche: Herwig
Engelmann, Heike Geißler, Christopher Hupe
Copy-Editing (Englisch): Joy Beecroft
Recherche gefördert durch Rana Sadik und
Samer Younis, Sharjah Art Foundation,
Arab Fund for Arts and Culture (AFAC),
ZedGrant, A.M. Qattan Foundation und
Tensta konsthall.
Projektleitung HKW: Doris Hegner
Projektkoordination: Elisabeth Krämer
Recherche: Emily Dische-Becker
(Deutschland), Maria Elena Fantoni (Italien),
Paz Guevera (Lateinamerika), Khaled
Hourani (Palästina), Mei Shigenobu (Japan)
Praktikantin: Lola Pfeiffer
Interviews und Dreharbeiten in Ramallah:
Filmemacher Mohanad Yaqubi und Sami Said
Filmsequenzen in Marokko: Othmane Balafrej
Video Editor: Vartan Avakian
Sound Design: db Studios, Victor Bresse
Colorist: Belal Hibri
Post-Production: REZ Visual
Technische Gesamtkoordination: Gernot Ernst
Ausstellungsbau Koordination: Achim Haigis
Ausstellungsbau: Krum Chorbadzhiev,
Oliver Dehn, Christian Dertinger, Paul
Eisemann, Simon Franzkowiak, Stefan
Geiger, Achim Haigis, Matthias Henkel,
Martin Hoffman, Oliver Könitzer, Petra
Könitzer, Gabriel Kujawa, Matthias Kujawa,
Samir Abdalla, Yara Abdul-Hamid & family,
Ahmad Abdul-Rahman, Naji Abonowar,
Abboudi Abou Jaoude, Hany Abu Assad,
Jihad Abu Ngaile, Masao Adachi, Etel Adnan,
Karim, Aïnouz, Ali Akika, Tamam Alakhal,
Topazia Alliata, Almashriq Archive, Maath
Alousi, Nabil Anani, Mounir Anastase, Seth
Anziska, Marwa Arsanios, Artl@s, Asia Art
Archive, Mouna Atassi, Atelier Cruz-Diez,
Paris, Jean Attardi, Dia al-Azzawi, Liana
Badr, Samira Badran, Georges Bahgoury,
Saleem Al Bahloly, Faina Balakhovskaya,
Jordi Ballart Junyer, Saleh Barakat (Agial
Gallery), Eric Baudelaire, Azzam Bazzaz,
Nadine Begdache, Farid Belkahia, Assadour
Bezdikian, Ghanem Bibi, Raja Benchemsi,
Achille Bonito-Oliva, Kamal Boullata,
Jelle Bouwhuis, Lakhdar Brahimi, Salem
Brahimi, Olivier Bras, Bulegoa z/b (Beatriz
Cavia, Miren Jaio, Isabel de Naverán, Leire
Vergara), Ennio Calabria, Laura Carderera,
Bruno Caruso, Sara Castenacci, Filipa Ceésar,
Leila Chahid, Guy Chapouillé, Mohammed
Chebaa & family, Khalil Chemayel, Stefano
Zeit der Unruhe findet im Rahmen von
Kanon-Fragen 2016—2019 statt.
Haus der Kulturen der Welt
John-Foster-Dulles-Allee 10
D-10557 Berlin
www.hkw.de
Haus der Kulturen der Welt ist ein
Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen
des Bundes in Berlin GmbH (KBB).
Grafikdesign:
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DIE KURATORINNNEN MÖCHTEN SICH
BEI FOLGENDEN PERSONEN FÜR IHRE
GROSSZÜGIGE UNTERSTÜTZUNG BEDANKEN:
Internet: Eva Stein, Jan Koehler, Fabian
Hartjes, Laura Mühlbauer
Public Relations: Christiane Sonntag,
Sabine Westemeier
Kulturelle Bildung: Maria Fountoukis, Leila
Haghighat, Eva Stein
HAUS DER KULTUREN DER WELT
Intendant: Bernd Scherer
Bereich Bildende Kunst und Film
Vorsitzende des Aufsichtsrats:
Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB
Intendant: Bernd Scherer
Kaufmännische Geschäftsführerin:
Charlotte Sieben
Das Haus der Kulturen der Welt wird
gefördert durch
Leitung: Anselm Franke
Programmkoordination: Sonja Oehler
Programmassistenz: Janina Prossek
Sachbearbeitung: Franziska Janetzky,
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Technik
Technischer Leiter: Mathias Helfer
Haustechnik: Frank Jahn,
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Bereich Kommunikation und kulturelle Bildung
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Redaktion: Sabine Willig, Laida Hadel
Pressebüro: Anne Maier, Nabila El-Khatib
Chiodi, Doryun Chong, Nabil Chouquet,
Keti Chukhrov, John Clark, Sophie Cras,
Ziad Dalloul, Samar Damluji, Svetlana
Darsalia, Catherine David, Clare Davies,
Ekaterina Degot, Pauline des Mazières,
Catherine Dossin, Guy Emmanuel, Catherine
Faciéras, Emily Fahlén, Patricia Falguières,
Imane Farès, Solange Farkas, Simone Fattal,
Ghassan Fawwaz, Franco Ferrari, Fundació
Joan Miró, Vincenzo Gaetaniello, Nina
Galanternick, Jacopo Galimberti, Carolien
Glazenburg, Jorge González, Yamily Habib,
Joana Hadjithomas, Ramzi Haidar, Mitsue
Hasegawa, Ruba al-Hassan, Ibrahim
Hazimah, Dóra Hegyi, Christian Heinze, Belal
Hibri, Samah Hijjawi, Abdallah Hijazi, Ryuichi
Hirokawa, Ala Hleihel, Junko Hoki, Lena
Idriss, Institut National de l’Histoire de l’Art,
Institute for Palestine Studies, Yuzo Itagaki,
Emily Jacir, Rosario Jimenez Gili,Eungie Joo,
Khalil Joreige, Béatrice Joyeux-Prunel, Lisa
Junghahn, Amin Kalak, Burhan Kalak, Samar
Kanafani, Mona Kanafani, Benno Karkabé,
Nadim Karkutli, Mamdouh Kashlan, Mami
Katoka, Lara Khouri, Samy Kinge, Akira
Kitagawa, Satoko Kiyosawa, Peter Klasen,
Lars Kleen, Lila Komnick, Rachid Koraichi,
Adila Laïdi-Hanieh, Zsuzsa Laszlo, Claude
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Kulturen der Welt.
© 2016 die Autorinnen, Haus der Kulturen der Welt.
Lazar, Margot Lazar, Wael Lazkani, Julio
Le Parc, Serge Le Péron, Elodie Lebeau,
Elisabeth Lebovici, Jacques Leenhardt, Franz
Lehmkuhl, María José Lemaitre (Museo de
la Solidaridad Salvador Allende), Anneka
Lenssen, Pablo Leon de la Barra, Maria
Lind, Kurt Löfler, Miguel Lopez, Ilaria Lupo,
Makan, Aline Manoukian, Seta Manoukian,
Sliman Mansour, Antonio Manuel, Sandro
Manzo, Marina Manzo, Toni Maraini, Steven
Markovitz, Sonja Martinson-Uppman, Michio
Matsui, Ramuntcho Matta, Carlos Medina,
Mohammed Melehi, Charmaine Mendes, Ivan
Messac, Gordon Metz, Régis Michel, Salwa
Mikdadi, Hasna Mikdashi, Eric Miller, Viktor
Missiano, Modern Art Iraq Archive, Jamil
Molaeb, Abdul Hay Mosallam, Faten Mostafa,
Mohammed Muhreddin, May Muzafar,
Joanna Mytkowska, Misako Nagasawa,
Rafa‘ Nasiri, Gontran Guanaes Netto,
Pedro Guanaes Netto, Patricia Newcomer,
Nuha Nuwayri-Salti, André Odendaal,
Nobuyuki Oora, Zeynep Oz, Iz Oztat, Niccola
Pappagallo, Noel Paul, Francesco Pernice,
Natasa Petresin, Cesare Pietroiusti, Ernest
Pignon-Ernest, Piotr Piotrowski, Charlie
Pocock (Meem Gallery), Carmen Popescu,
Holiday Powers, Monira al-Qadiri, Wajih
Qasem, Marwan Qasem, Hoor al-Qassemi
(Sharjah Art Foundation), Walid Raad, Joan
Rabascall, Zahia Rahmani, Günther Rechn,
Achim Reichardt, Fábio Roberto Ribeiro,
Sarah Rogers, Giovanni Rubino, Samir
Salameh, Elias Sanbar, Farida Sultan, Sultan
Gallery Archives, Toshio Satoh, Mona Saudi,
Samir Sayegh, Kirsten Scheid, Pierre Schori,
Ghassan Seba‘i, Kenza Sefrioui, Antonio
Seguí, Philippe Sénéchal, Nada Shabout, Laila
Shawa, Ralph Schenk, Fusako Shigenobu,
Something You Should Know Seminar, Elena
Sorokina, Nasser Soumi , Björn Springfeldt,
Jad Tabet, Jorge Tacla, Christine Tohme, Taeko
Tomiyama, Vera Tamari, Joseph Tarrab,
Christoph Terhechte, Ghada Tirawi, Luis
Tomasello, Guy Tortosa, Townhouse Gallery,
Fawwaz Traboulsi, Sergio Traquandi, Pablo
Trujillo Novoa, Pedro Uhart, Riccardo Venturi,
Fabienne Verstraeten, Jelena Vesić, Gláucia
Villas Bôas, Gerald Warnke, Wilfredo Lam
Foundation (Eskil Lam & Dorota Dolega),
Siegfried Wege, Kaelen Wilson-Goldie, Caroll
Yasky (Museo de la Solidaridad Salvador
Allende), Ala Younis, Elvan Zabunyan, Claudia
Zaldivar (Museo de la Solidaridad Salvador
Allende), Samia Zaru, Elias Zayat, Roula elZein, Kais al-Zubaidi, 98Weeks.
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Konferenzsprache: English
Moderation: Anselm Franke und Paz Guevara
Freitag, 18. März 2016
20.30h ‒ 22h
Das Museum im Exil
Verborgene Kartografien: Auf der Spur verdeckter Netzwerke in Kunstlerlisten und spekulativen
Ausstellungsgeschichten
Vortrag von Kristine Khouri und Rasha Salti
Ein neues kulturelles Modell der Solidaritat
Vortrag von Claudia Zaldívar
Spanisch mit Simultanubersetzung ins Englische
Samstag, 19. März 2016
12h ‒ 14.30h
Rahmen und narrative Architekturen
Architekturen und Inversionen des Kanons
Vortrag von Erhard Schuttpelz
Die Schranken der Grenzenlosigkeit
Vortrag von Mark Wigley
Ein entgrenzter Formalismus. Über Mimikry und ihren Rahmen
Vortrag von Kerstin Stakemeier
The Man in the Background
Filmvorfuhrung und Vortrag von Lene Berg
15.30h ‒ 18h
Inversionen / Wenn aus Narrativen Institutionen werden
Das widerstandige Objekt und das leere Museum: Zum aktuellen Zustand der Museen in Palastina
Vortrag von Lara Khaldi
Das Museum und sein Außen
Vortrag von Ticio Escobar
Spanisch mit Simultanubersetzung ins Englische
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Die Entgrenzung der Nation: Parergon und die radikale Allegorie
Vortrag von David Teh
Kanonische und antikanonische Kunstlerreisen
Vortrag von Diedrich Diederichsen
18.30h ‒ 21h
Limits: Den Kanon halluzinieren
Der Kanon als Dekomposition. Carl Einsteins widerstandiger Modernismus im Kontext
Vortrag von Tom Holert
T wie Tiger, T wie Theodolite
Vortrag von Ho Tzu Nyen
Form folgt Fiktion: Beispiele falscher Identitat in der Kunst Zentralkanadas
Vortrag von Luis Jacob
Eine Choreografie fur ein brennendes Haus
Vortrag von Nida Ghouse und Malak Helmy
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Freitag, 18. März 2016
20.30h‒22h
Einfuhrung: Anselm Franke
Das Museum im Exil
Die Internationale Kunstausstellung fur Palastina von 1978 sollte das Fundament eines „Museums im
Exil“ fur Palastina legen. Wie wirken sich die Ümstande des Exils auf das Konzept des Museums und
seines Kanons aus? Ausgehend von dem transnationalen Netzwerk, das die Ausstellung Zeit der
Unruhe nachzeichnet, untersucht das Panel, wie sich Bedingungen des Exils auswirken: auf die
Beziehungen zwischen Kunstlerorganisationen, Solidaritatsnetzwerken, von Kunstler_innen
gestifteten Sammlungen, alternativen Museologien und der Kulturpolitik.
Verborgene Kartografien: Auf der Spur verdeckter Netzwerke in Kunstlerlisten und spekulativen
Ausstellungsgeschichten
Vortrag von Kristine Khouri und Rasha Salti
Am Anfang von Kristine Khouris und Rasha Saltis Recherchen zur Internationalen Kunstausstellung
für Palästina steht eine Kopie des Ausstellungskatalogs. Anhand der Liste der Kunstler_innen und
Institutionen, deren Beitrage und Ünterstutzung die Ausstellung ermoglicht hatten, zeichnen sie die
vergessenen solidarischen Netzwerke nach, in denen sich Kunstler_innen im Ümfeld der
trikontinentalen antiimperialistischen Linken der 1970er Jahre und im weiteren Kontext des Kalten
Krieges engagierten. Weiterer Gegenstand der Nachforschungen sind museografische Initiativen von
Kunstler_innen, die dem Kampf gegen das Pinochet-Regime und die Apartheid in Sudafrika gewidmet
waren. Anhand von Zeugenberichten und Archiven decken sie verlorengegangene Kartierungen auf
und befragen dabei die kunstlerische Praxis- und Wahrnehmungsgeschichte.
Kristine Khouri ist Autorin und lebt und forscht in Beirut. Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die
Geschichte der Verbreitung und der Infrastrukturen von Kunst in der arabischen Welt. Sie kuratierte
die Ausstellung The Founding Years (1969 - 1973): A Selection of Works from the Sultan Gallery
Archives (2012) in der Sultan Gallery in Kuwait und hat u. a. fur Bidoun, Art Asia Pacific Almanac und
das Global Art Forum 6 geschrieben.
Die Autorin, Kunst- und Filmkuratorin Rasha Salti lebt und forscht ebenfalls in Beirut. Sie kokuratierte Filmreihen wie The Road to Damascus mit Richard Pena (2006) und Mapping Subjectivity:
Experimentation in Arab Cinema from the 1960s until Now mit Jytte Jensen (2010-2012), die im MoMA
New York gezeigt wurde. 2011 war sie Ko-Kuratorin der zehnten Ausgabe der Sharjah Biennale.
Daruber hinaus hat Salti mehrere Bucher herausgegeben, u. a. Beirut Bereft: The Architecture of the
Forsaken and the Map of the Derelict (2009).
Khouri und Salti sind die Begrunderinnen der Forschungsgruppe History of Arab Modernities in the
Visual Arts, die sich mit der Sozialgeschichte der Kunst in der arabischen Welt beschaftigt. Derzeit
arbeiten sie vor allem zur Geschichte der Internationalen Kunstausstellung für Palästina, die 1978 in
Beirut eroffnet wurde. Aus diesen Forschungen entstand die Ausstellung Zeit der Unruhe: Über die
Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978, die 2015 im Museu d'Art Contemporani de
Barcelona (MACBA) eroffnet wurde und in ihrer zweiten Auflage im HKW vom 19. Marz bis zum 9.
Mai 2016 zu sehen ist.
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Ein neues kulturelles Modell der Solidaritat
Vortrag von Claudia Zaldívar
Das Museo de la Solidaridad wurde 1972 in Santiago de Chile gegrundet. Es sollte als alternatives
kunstlerisch-kulturelles Modell dienen, das auf dem Prinzip der Solidaritat beruhte – sowohl im
Hinblick auf seine Sammlung, die aus gestifteten Arbeiten aus einem Netzwerk von Kunstler_innen
bestand, als auch bezuglich seines politischen Anliegens, die Kunst der Bevolkerung nahezubringen.
Wahrend der sozialistischen Regierung Salvador Allendes von 1971 bis 1973 fungierte es als Modell
dafur, wie Museen zum Streben nach einer gerechteren Gesellschaft beitragen und den elitaren
Charakter von kulturellen Institutionen uberwinden konnen. Nach dem Militarputsch wurde das
Museum geschlossen, aber die Solidaritats-Netzwerke bestanden fort. Es gelang, das Museum im Exil
zu betreiben, wodurch es zum Vorbild innerhalb der internationalen antiimperialistischen
Solidaritatsbewegung der 1970er Jahre wurde. Im Vortrag diskutiert Zaldívar die Geschichte, die
Fundamente und die Ümwertungen dieses Museums als moglichen Ausgangspunkt einer Revision
des Kanons.
Die Kunsthistorikerin und Expertin fur Kulturpolitik Claudia Zaldívar ist Direktorin des Museo de la
Solidaridad Salvador Allende (MSSA) in Santiago, Chile. Von 2002 bis 2010 leitete sie die Galería
Gabriela Mistral (GGM), Santiago. Sie hat zahlreiche Ausstellungen organisiert, darunter Instalaciones,
Dibujos y Videos, Museo Nacional de Bellas Artes, Santiago (1995); JAAR/SCL/2006, Sala de Arte
Telefonica, GGM, Santiago (2006), und Made in Chile von Josep-Maria Martín, GGM (2010). Von 2004
bis 2005 koordinierte sie mit Nelly Richard und Pablo Oyarzun das Kolloquium Arte y Política und die
gleichnamige Publikation. Mit der Geschichte des MSSA beschaftigt sie sich bereits seit ihrer
Diplomarbeit Museo de la Solidaridad an der Üniversidad de Chile im Jahr 1991; 2013 gab sie das
umfassende Werkverzeichnis des MSSA heraus.
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
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Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Samstag, 19. März 2016
12h ‒ 14.30h
Rahmen und narrative Architekturen
Auf welchem Fundament ruht die Architektur eines Kanons? Was sind seine Ürsprungsmythen? Die
Beitrage dieser Runde zerschneiden den Aufbau von Kanonerzahlungen uber unterschiedliche
Register hinweg, erkunden Diskurspolitik, Aufwertungsprozesse und mediale Konfigurationen: Von
der konstituierenden Rolle des Primitivismus fur die Errichtung des westlichen Kanons uber
politische Strategien von Form und Mimikry in der Kunstgeschichte der Moderne bis hin zu den
Ideologien, die der grenzenlosen Kunst, dem zeitgenossischen kunstlerischen Raum und dem
politischen Rahmen des Kalten Krieges eingeschrieben sind.
Architekturen und Inversionen des Kanons
Vortrag von Erhard Schuttpelz
Der Vortrag gibt einen groben Überblick uber die radikalen Veranderungen, Konsequenzen und
Inversionen der Kanonbildung in den Kunsten in den letzten drei Jahrhunderten anhand vierer
historischer Einschnitte: um 1716 (die „Schießpulver-Reiche“); 1800 (Berlin und andernorts); 1900
(Hochimperialismus) und heute. In der vormodernen Zeit der „archaischen Globalisierung“ waren
kunstlerische Kanones technische Mittel, anhand derer sich die Vergangenheit reproduzieren ließ,
um Handlungsmodelle fur die Zukunft bereitzustellen. Als die Moderne schließlich das Veralten der
antiken Vorbilder anerkannte, zerfiel diese technische Einheit und die modernen Konzeptionen von
Kunst, Literatur und Musik entstanden. Die Konsequenzen sind seither anhaltend widerspruchlich;
sie reichen von antiklassizistischen Inversionen der kunstlerischen Hierarchien bis hin zu einem neu
entwickelten Eurozentrismus und seiner Kritik.
Erhard Schüttpelz lebt und arbeitet in Siegen. Er hat in Hannover, Exeter, Oxford, Koln, New York
und Wien studiert und geforscht, promovierte 1994 in Bonn und wurde 2003 an der Üniversitat
Konstanz habilitiert. Seit 2005 ist er Professor fur Medientheorie an der Üniversitat Siegen. Er
veroffentlichte unter anderem die Monografien Figuren der Rede, (Berlin, 1996) und Die Moderne im
Spiegel des Primitiven (Munchen, 2005). Schuttpelz beteiligte sich außerdem zusammen mit Ehler
Voss und Heinz Schott an der Ausstellung Animismus am HKW (2012).
Die Schranken der Grenzenlosigkeit
Vortrag von Mark Wigley
Die sich stetig ausweitende Fantasievorstellung einer Kunst ohne Grenzen wird durch eine
spezifische Grenze gestutzt, eine Wand, die keine Wand zu sein vorgibt. Das Imperium weißer
Oberflachen, das sich wahrend des letzten Jahrhunderts wie ein Virus uber den Planeten ausgebreitet
hat, um der Vorstellung von Kunst als Expansion Raum zu bieten, ist an sich ein einziges
kollaboratives Kunstwerk. Es ist eine gewaltige kunstlerische Arbeit, die nach Ünsichtbarkeit strebt
und sie mit solch kanonischer Wucht erreicht hat, dass sie nicht langer da sein muss, um dazusein.
Die Fantasie des Grenzenlosen ist die exemplarische Form von Blindheit und gleichzeitig die, die am
meisten einschrankt.
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Mark Wigley ist Professor fur Architektur und emeritierter Dekan der Graduate School of
Architecture, Planning and Preservation an der Columbia Üniversity. Als Historiker und Theoretiker
siedelt er seine Forschung an den Schnittstellen von Architektur, Kunst, Philosophie, Kultur und
Technologie an. Zu seinen Buchern gehoren Architektur und Dekonstruktion: Derridas Phantom; White
Walls, Designer Dresses: The Fashioning of Modern Architecture und Constant's New Babylon: The
Hyper-Architecture of Desire. Er kuratierte u. a. Ausstellungen im Museum of Modern Art, New York,
im Witte de With, Rotterdam und im Canadian Center for Architecture, Montreal. Derzeit co-kuratiert
er die Istanbul Design Biennale 2016. Kurzlich ist sein Buch Buckminster Fuller Inc: Architecture in the
Age of Radio erschienen.
Ein entgrenzter Formalismus. Über Mimikry und ihren Rahmen
Vortrag von Kerstin Stakemeier
Kanonische Lesarten des Formalismus als eine Verfehlung des Kalten Krieges verwerfen eine
denkerische Stromung, die zuvor viele sozial folgenreiche Auslegungen von Kunst angeregt hatte.
1923 ordneten sowohl der russische Produktivist Boris Arvatov als auch die Berliner Publizistin Lu
Marten ihr Schaffen dem Formalismus zu. Marten postulierte, dass „am Anfang aller Geschichte ...
Form – nicht Kunst“ liege, wahrend Arvatov der Überzeugung war, die „praktische und die poetische
Form“ seien beide „eine spezifische Art praktischer Organisation“. Keine_r von beiden erachtete den
Formalismus als etwas, das der Verschmelzung von Kunst und Lebenswelt abtraglich ware. Dennoch
setzte ihr Formalismus Grenzen, die sich seither stark verschoben haben, zumal das Verhaltnis von
kunstlerischer und nicht-kunstlerischer Form heute geradezu mimetisch zu sein scheint. Der Vortrag
erforscht die Konsequenzen und Grenzen kunstlerischer Mimikry, indem er einen entgrenzten
Formalismus vorstellt.
Kerstin Stakemeier ist Professorin und Autorin. Sie lehrt an der Akademie der Bildenden Kunste
Nurnberg und hat einen politik- und kulturwissenschaftlichen Hintergrund. Die Verschiebungen und
Dissonanzen zwischen den beiden Disziplinen sind zentral fur ihre Arbeit. Sie war Research Fellow
an der Jan van Eyck Academie (2009–2010) und Initiatorin von Space for Actualization (mit Nina
Koller, Hamburg, 2007–2008). Sie schreibt u. a. fur Texte zur Kunst, Springerin und Artforum. 2012
veroffentlichte sie Painting–The Implicit Horizon (mit Avigail Moss, 2014/15), Macht des Materials /
Politik der Materialität und Fragile Identitäten (mit Susanne Witzgall). 2016 erscheinen ihre Bucher
A-Autonomy (mit Marina Vishmidt) und Entgrenzter Formalismus bei b_books in der Reihe Polypen.
The Man in the Background
Filmvorfuhrung und Vortrag von Lene Berg
Lene Berg prasentiert ihr Video The Man in the Background (Der Mann im Hintergrund) und die
Publikation Encounter – Gentlemen & Arseholes: zwei Bestandteile ihres Projekts zu Kunst und
Propaganda wahrend des Kalten Krieges. Video und Buch erkunden den Rahmen des vom CIA
finanzierten Kongresses fur Kulturelle Freiheit (CFF) und die Rolle, die der Leiter des CFF, Michael
Josselson, und seine Frau Diana dabei spielten.
Lene Bergs Werk umfasst Installationen, Fotografien, Text und Film. Zudem hat sie eine Reihe von
Projekten im offentlichen Raum umgesetzt und bei drei Spielfilmen Regie gefuhrt. Berg spielt mit
Klischees und enthullt diese, wahrend sie auf der Suche nach neuen Erzahlformen Fakt und Fantasie
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
rekonfiguriert. Ihre Arbeit legt nahe, dass Einheitsmeinungen zu Politik, Geschichte und Sexualitat oft
in die Irre fuhren und wirklich aussagekraftig nur im Hinblick darauf sind, was sie ausschließen.
Ausgewahlte Einzelausstellungen: Norwegischer Pavillon auf der 55. Biennale von Venedig (2013),
Henie Onstad Kunstsenter (Oslo, 2012), Konsthall C (Stockholm, 2012). Ausgewahlte
Gruppenausstellungen: Ape Culture / Kultur der Affen, HKW (Berlin, 2015) und The Shadow of War,
Kunstnernes Hus (Oslo, 2014). Berg lebt und arbeitet in Berlin und New York.
Samstag, 19. März 2016
15.30h ‒ 18h
Inversionen / Wenn aus Narrativen Institutionen werden
Was soll man mit Kanonerzahlungen anfangen? Wie lassen sie sich de- und rekonstruieren, um
anderen Wirklichkeiten und historischen Erfahrungen Rechnung zu tragen: Geschichten von
Ünterdruckung, indigenen Ontologien und Praktiken, oder Kritiken der Nation? Wie verandern sich
Kunstgeschichte und Institutionen, wenn diese Narrative, die historischen Vektoren und Vermittler in
ihrem Innern, gegen den Strich gelesen werden? Dieses Panel diskutiert die Kehrseiten des
Kanonischen und das Ünbewusste der Moderne.
Das widerstandige Objekt und das leere Museum: Zum aktuellen Zustand der Museen in Palastina
Vortrag von Lara Khaldi
Seit einigen Jahren lasst sich eine erhohte Nachfrage an Museums- und Archivprojekten in Palastina
beobachten, von denen viele auch tatsachlich in den Bau umgesetzt werden. Wahrend viele dieser
Projekte in den letzten funfzehn Jahren in Form von Konzeptpapieren in Regalen verstaubten, sind sie
nun in der Realisierungsphase angekommen – einer Realisierung jedoch, die kontinuierlich scheitert.
Khaldi stellt die unterschiedlichen Museumsprojekte und ihre Anliegen vor, zeigt auf, welchen
inharenten Ünmoglichkeiten sie gegenuberstehen und diskutiert, was dieser Ümstand fur die
Palastinenser_innen und fur die Institution des Museums als solche bedeutet.
Lara Khaldi ist freie Kuratorin aus Jerusalem, Palastina. Sie hat kurzlich das de Appel Curatorial
Programme, Amsterdam und ihren M.A. in Philosophie, Kunst & kritischem Denken an der European
Graduate School (EGS, Saas-Fee) absolviert. Derzeit lehrt sie an der International Academy of Art,
Palestine, Ramallah und ist Kuratorin der Eroffnungsausstellung am Palestinian Museum, das im
Herbst 2016 eroffnet werden soll. Khaldi kuratierte zahlreiche Ausstellungen, u. a. Art Dubai Projects
(Dubai, 2015), Father Can’t You See I’m Burning im de Appel Art Center (Amsterdam, 2014) und
Gestures in Time mit Katya Garcia Anton (Jerusalem Show 6 und Riwaq Bienniale 5, 2013). Sie
arbeitet regelmaßig mit Yazan Khalili in Lecture Performances und Ausstellungen zusammen,
darunter kurzlich Love Letter to Mars, OCA (Oslo, 2014).
Das Museum und sein Außen
Vortrag von Ticio Escobar
Die Krise der asthetischen Autonomie ist zentral fur die zeitgenossische Kunst: Sie wird nicht langer
von ihrer Formensprache her bestimmt, im Vordergrund stehen stattdessen ihre sozialen
Auswirkungen und ihre Beziehungen zum Anderen – dem, was nicht Kunst ist, und dem, was andere
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Kunst sein konnte. Dieser Wandel betrifft nicht nur den Begriff der Kunst, sondern ihre Praktiken und
Institutionen. Wird der europaisch-nordamerikanische Kanon in Frage gestellt, so schwindet auch
jede Moglichkeit, mit Absolutheit festzustellen, ob etwas Kunst ist oder nicht. Dies fuhrt zu
Ünsicherheiten – aber auch zu neuen Moglichkeiten, die Kunst zu definieren und alternative Formen
anzunehmen. Escobar pruft diese Moglichkeiten ausgehend von der Institution Museum.
Ticio Escobar ist Anwalt, Kurator, Dozent, Kunstkritiker, Mitgrunder und Direktor des Centro de
Artes Visuales / Museo del Barro, Asuncion, Paraguay. Er hat zahlreiche Monografien zur Kunst und
Kultur Paraguays und Lateinamerikas veroffentlicht, in denen er philosophische Reflexionen mit
ethnografischen Beobachtungen verbindet, darunter The Curse of Nemur: In Search of the Art, Myth,
and Ritual of the Ishir (2007) und The Invention of Distance (2015). Fur seine Forschungen zum
Verhaltnis von indigenen und zeitgenossischen Kunstformen erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.
a. ein Guggenheim Fellowship, den Prince Claus Prize und den Batolome de las Casas Award. Er war
von 2008 bis 2013 paraguayischer Kulturminister und hat das Nationale Kulturgesetz Paraguays
verfasst.
Die Entgrenzung der Nation: Parergon und die radikale Allegorie
Vortrag von David Teh
Im Übergang von der modernen zur zeitgenossischen thailandischen Kunst spielte die nationale
Identitat eine zentrale Rolle – zunachst als etwas, das es zu zelebrieren galt, spater als Gegenstand
ironischer Kritik. In letzter Zeit verliert der Topos jedoch an Bedeutung: In dem Maße, wie die
Kunstler_innen mehrdeutigere und subtilere Zugriffe auf die Nationalerfahrung entwickeln und auf
neue, transnationale Wirklichkeiten und marginale Identitaten anspielen, die in den monolithischen
Konstruktionen nationaler Geschichtsschreibung meist außen vor blieben. Obgleich die Nation also
immer seltener den Gegenstand zeitgenossischer Kunst bildet, wirkt sie fort als Rahmen (parergon),
als Ort eines subversiven Spiels. In Thailands widerspenstiger politischer Gegenwart erscheinen
Kunstler_innen nicht als engagierte, politische Subjekte, sondern als zuruckgezogene, souverane
Subjekte – und dadurch umso tiefer mit der wachsenden symbolischen Krise des Landes verwickelt.
Der Autor und Kurator David Teh forscht an der National Üniversity of Singapore, insbesondere zur
zeitgenossischen Kunst Sudostasiens. Zu seinen kuratorischen Projekten zahlen: TRANSMISSION am
Jim Thompson Art Center (Bangkok, 2014); Video Vortex #7 (Yogyakarta, 2011), Unreal Asia (55.
Internationalen Kurzfilmtage, Oberhausen, 2009) und The More Things Change (5. Bangkok
Experimental Film Festival, 2008). Er hat u. a. in Third Text, Afterall, Theory Culture & Society, LEAP
und The Bangkok Post veroffentlicht. Sein Buch Thai contemporary art uber die zeitgenossische
Kunst Thailands erscheint 2016 bei MIT Press. Er ist Leiter von Future Perfect, einer Galerie und
Projektplattform in Singapur.
Kanonische und antikanonische Kunstlerreisen
Vortrag von Diedrich Diederichsen
Hubert Fichte war so skeptisch gegenuber den geisteswissenschaftlichen Disziplinen wie doch auch
ein großer Anhanger von so klassisch akademischen Tugenden wie deskriptive Genauigkeit,
klassifizierendes Sammeln, Materiallisten, Taxinomien und verfasste selbst eine Reihe von
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Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
kanonisierenden Texten. Vor allem aber unterwarf er sich einer klassischen Übung deutscher
Schriftsteller_innen und Kunstler_innen: der Bildungsreise in den Suden. Die allerdings entwarf er
komplett neu.
Diedrich Diederichsen war in den 1980er Jahren Redakteur und Herausgeber von
Musikzeitschriften, in den 90ern Hochschullehrer, als Gastprofessor oder Lehrbeauftragter u. a. in
Pasadena, Weimar, Wien und Los Angeles. 1998 bis 2007 war er Professor fur Asthetische
Theorie/Kulturwissenschaften an der Merz-Akademie, Stuttgart. Seit 2006 ist er Professor fur
Theorie, Praxis und Vermittlung von Gegenwartskunst am Institut fur Kunst- und
Kulturwissenschaften der Akademie der bildenden Kunste Wien. Zu seinen letzten
Buchveroffentlichungen zahlen Über Pop-Musik (2014), The Whole Earth – Kalifornien und das
Verschwinden des Außen (mit Anselm Franke, 2013) und The Sopranos (2012). Diederichsen
veroffentlicht regelmaßig u. a. in taz.die tageszeitung, SZ und Texte zur Kunst.
Samstag, 19. März 2016
18.30 ‒ 21h
Limits: Den Kanon halluzinieren
Dieses Panel eroffnet eine breitere, spekulative und imaginative Diskussion uber Kanon-Narrative,
Strategien der Mimesis und der Kritik: Wie lasst sich die Architektur eines Kanons zu ihrem
anarchischen Außen hin offnen? Was bedeutet es, Kanonerzahlungen mit gelebter Erfahrung
auszufullen und zu verdrangen? Ist es moglich, sich auf halluzinatorische Weise mit dem Kanon zu
beschaftigen – Locher in ihn zu bohren –, um zu den umheimlichen Ontologien der kolonialen
Moderne durchzudringen?
Der Kanon als Dekomposition. Carl Einsteins widerstandiger Modernismus im Kontext Vortrag von
Tom Holert
Carl Einstein (1885 – 1940) wird zunehmend als kanonische Figur der Kunsttheorie des 20.
Jahrhunderts betrachtet. Es dauerte jedoch eine Weile, bis seine multidimensionale kritische Praxis
internationale Anerkennung fand. Das lag zum Teil an der erratischen Natur der intellektuellen
Kanonisierungsprojekte Einsteins: Besonders in Negerplastik (1915), Die Kunst des 20. Jahrhunderts
(Erstveroffentlichung 1926) und Georges Braque (1934) entwickelt er anti-reprasentationalistische
Ideen von der „Zerstorung und Erweiterung der standardisierten Realitat” (u. a. durch den Kubismus
und den Surrealismus). Holert setzt sich mit Einsteins Forderungen nach „Irrationalismus” und
„Halluzination” ebenso auseinander wie mit den Inkommensurabilitaten seiner Kanonpolitik –
sowohl in ihren historischen Kontexten als auch im Hinblick auf ihre heutige Relevanz.
Tom Holert lebt und arbeitet als Kunsthistoriker, Kritiker, Kurator und Kunstler in Berlin. Er ist
Mitbegrunder des Harun Farocki Instituts in Berlin und Grundungsmitglied der Akademie der Kunste
der Welt in Koln. Fur das HKW entwickelt Holert zur Zeit gemeinsam mit Anselm Franke ein
Ausstellungsprojekt zu Carl Einstein. Letzte Buchveroffentlichungen: Übergriffe. Zustände und
Zuständigkeiten der Gegenwartskunst (Hamburg, 2014); Troubling Research. Performing Knowledge in
the Arts, (mit Johanna Schaffer et al., Berlin, 2014); Deadwood (Zurich und Berlin, 2013).
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Zur Architektur von Kanonerzählungen
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T wie Tiger, T wie Theodolite
Vortrag von Ho Tzu Nyen
In der alten malaiischen Kosmologie ist der Tiger das Medium der Ahnengeister, eine Kreatur der
Übergänge und Metamorphosen. Ho Tzu Nyen befasst sich in einer Reihe von Arbeiten mit den sich
überschneidenden Geschichten von Mensch, Tiger und Wer-Tiger in der malaiischen Welt. Er führt
die diversen Erzählstränge in nur einem Bild zusammen – Heinrich Leutemanns Zeichnung
Unterbrochene Straßenmessung auf Singapur aus dem Jahr 1865. Es stellt ein Ereignis dar, das sich
1835 in den Wäldern von Singapur zutrug: Ein malaiischer Tiger hatte eine Gruppe von
Landvermessern überrascht, griff aber letztendlich nur den Theodoliten an, das Messinstrument.
Menschen, Gerät und Tier sind allesamt in der Luft schwebend abgebildet – ganz so, als ob in diesem
spannungsgeladenen Moment Welten kollidierten und womöglich ineinander glitten.
Ho Tzu Nyen lebt als Filmemacher und bildender Kunstler in Singapur. Er arbeitet mit Video und
Text ebenso wie mit Formen von Theater. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt: The
Guggenheim Museum (Bilbao, 2015), Museum of Contemporary Art Tokyo (2015), 10. Shanghai
Biennale (2014), Guggenheim Museum New York (2013), Mori Art Museum (Tokio, 2012), Artspace
(Sydney, 2011), Singapur-Pavillon auf der 24. Biennale von Venedig (2011). Seine Performances
wurden im Asian Arts Theater aufgefuhrt (Gwangju, 2015), bei den Wiener Festwochen (2014) und
im Esplanade Theatre Studio (Singapur 2014). Seine Filme wurden im Rahmen von La Quinzaine des
Realisateurs bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes (2009) und bei den 66.
Internationalen Filmfestspielen von Venedig (2009) gezeigt. 2014/2015 war er Stipendiat im
Rahmen des Berliner Kunstlerprogramms des DAAD.
Form folgt Fiktion: Beispiele falscher Identitat in der Kunst Zentralkanadas
Vortrag von Luis Jacob
Margaret Atwood schrieb The Double Voice als Teil ihres Gedichtzyklus The Journals of Susanna
Moodie (1970). Atwoods „Doppelte Stimme“ deutet auf die geteilte Weltsicht Moodies hin, einer
britischen Siedlerin im Nordamerika des 19. Jahrhunderts, die sich mit ihrer neuen Ümgebung zu
arrangieren versucht. Sie verweist auch auf Atwoods eigenen literarischen Akt des Bauchredens,
projiziert durch Moodies Stimme. Atwoods Schriften entstanden in den Folgejahren des
hundertjahrigen Jubilaums der Kanadischen Konfoderation 1967. Liest man sie im diskursiven
Kontext von Antiimperialismus und kulturellem Nationalismus, die in Zentralkanada zu dieser Zeit
kursierten, bieten sie einen Ausgangspunkt fur eine spekulative Betrachtung von Kunstler_innen wie
Joyce Wieland, Michael Snow und General Idea.
Luis Jacob lebt in Toronto, Kanada. In seiner recherchebasierten Arbeit als Kunstler, Kurator und
Autor thematisiert er soziale Interaktion und die Subjektivitat der asthetischen Erfahrung. Seit seiner
Teilnahme als ausstellender Kunstler an der documenta 12 (2007) hat er internationales Renommee
gewonnen, u. a. mit den Einzelausstellungen In a Material World, WORK Gallery (London, 2013) und
A Finger in the Pie, A Foot in the Door, A Leg in Quicksand, Kunsthalle Lingen (2012). Er kuratierte u. a.
Funkaesthetics, Justina M. Barnicke Gallery, Üniversity of Toronto und Confederation Centre for the
Arts (mit Pan Wendt, Charlottetown, 2009) und Golden Streams: Artists’ Collaboration and Exchange
in the 1970s, Blackwood Gallery, Üniversity of Toronto (2002).
Pressekontakt: Haus der Kulturen der Welt, Anne Maier, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin,
Fon +49 30 397 87-153, Fax +49 30 3948679, presse@hkw.de, www.hkw.de
A History of Limits
Zur Architektur von Kanonerzählungen
Programm, Mitwirkende und Biographien
Eine Choreografie fur ein brennendes Haus
Vortrag von Nida Ghouse und Malak Helmy
Ausgangspunkt des Vortrags ist Clare Davies’ Vorschlag einer „dance choreography to be performed
at the Royal Opera House“ („Tanzchoreographie, aufzufuhren am Royal Opera House“), in der eine
Frau, die das Scheitern einer Beziehung verarbeitet, wie ein Gebaude brennt. Der Text entstand fur
die erste Publikation von Emotional Architecture. Diese befasste sich mit einem Moment im Jahr
2008, als belebte und unbelebte Formen in Kairo ihre Merkmale ablegten oder auszutauschen
begannen, das Verhalten anderer mimten und sich Handlung und Farbe nach Belieben aneigneten. In
seinem Interesse an spontaner Selbstentzundung und der Verweigerung des Materiellen folgt der
Vortrag einem spezifischen performativen Verlauf, orientiert am elektrischen Kurzschluss – fur
Mutmaßungen uber den Spalt zwischen moglichen und unmoglichen Welten, der sich auftut, wenn
Dinge von selbst Feuer fangen.
Emotional Architecture ist ein Projekt von Nida Ghouse und Malak Helmy. Konzipiert als Übung
im Ümgang mit dem sozialen, intellektuellen und psychischen Erbe des Ein- und Austretens aus
Kollaborationen, wurde es 2012 in Kairo initiiert. In dem Bestreben, eine Reihe von Konstellationen
zu durchdenken – von kleineren Kunstlerkollektiven und temporaren sozialen Bewegungen bis hin zu
großen historischen Narrativen – begann das Projekt mit der Frage: Was passiert mit dem Wissen,
das aus Kollaborationen hervorgeht, wenn die Kollaborationen zerbrechen? (Was sie oft tun.) Bisher
sind zwei Publikationen einer fortlaufenden Reihe im Rahmen des Projekts erschienen: We started by
calling it the summer of two fires and a landslide. und No Fantasy without Protest.
Abschließende Bemerkungen: Anselm Franke
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Service-Info und Media Material
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
Ausstellung
19. März – 9. Mai, 2016
Eröffnung 18. März, 19h, Eintritt frei
Öffnungszeiten: Mi–Mo und feiertags 11–19h
Eintritt: 4€/3€, Mo Eintritt frei
Ausstellungstexte durchgängig auf Deutsch und Englisch
Weitere Informationen: www.hkw.de
Führungen, Talks und Filmprogramm: www.hkw.de/unruhe
#PastDisquiet
A History of Limits. Zur Architektur von Kanonerzählungen
Konferenz
18. + 19. März 2016
Konferenzsprache: Englisch
Vollständiges Programm und weitere Informationen: www.hkw.de/kanon-fragen
Anmeldung erbeten: anmeldung@hkw.de
#kanon_hkw
Im Rahmen von Kanon-Fragen 2016-19.
Video- und Audiomitschnitte der Konferenz finden Sie voraussichtlich ab 30.3.2016 unter
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Pressemitteilung und Download der Pressemappe: www.hkw.de/presse
Pressefotos unter: www.hkw.de/pressefotos
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