Japanische hidden champions und die Krise von 2008
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Japanische hidden champions und die Krise von 2008
U N T E R NEH M EN & M Ä R K T E Japanische Hidden Champions und die Krise von 2008/09 Teil III: Die Malaise im Dienstleistungs-Sektor: Strategische Implikationen für internationale Unternehmen Von Stefan Lippert 94 Prozent der rund 200 japanischen Hidden Champions sind Industrieunternehmen. Vier Prozent sind Konsumgüterhersteller, der bescheidene Rest – zwei Prozent – entfällt auf Dienstleister. Angesichts der Tatsache, dass der Dienstleistungssektor rund 72 Prozent des japanischen Bruttosozialprodukts ausmacht, ein bemerkenswerter Kontrast. Wie ist es zu erklären, dass sich die unternehmerische Energie, die hinter jedem Hidden Champion steckt, so stark auf den Industriesektor konzentriert, der gerade mal ein Viertel der Wirtschaftsleistung erbringt, auch vor dem Hintergrund, dass die japanischen Service-Hidden-Champions wesentlich profitabler sind als ihre industriellen Peers? Aktuelle Feldstudien haben die in JAPANMARKT 10/2009 vorgestellten 16 J A PA N M A R K T MAI 2010 Hypothesen bestätigt und neue Aspekte hinzugefügt. Tradition des Monozukuri Der Monozukuri-Mythos spielt eine wesentliche Rolle. Fast alle interviewten CEOs sprechen von der Würde des Herstellens konkreter, nützlicher Dinge (monozukuri). Einige Unternehmen wie die Motorradhelmproduzenten Arai und Shoei sowie der Sportartikelhersteller Yonex – Weltmarktführer im Bereich Badminton-Ausrüstung – betonen darüber hinaus Handarbeit (tezukuri) als Positionierungsmerkmal. Der CEO des Gameproduzenten Koei, Kenji Matsubara, erklärt, dass sein Geschäft auf monozukuri beruhe – Softwareherstellung sei keine Dienstleistung, seine Firma kein Serviceunternehmen. Eine solche Selbsteinschätzung kann als sehr japanisch charakterisiert werden, und es ist fraglich, ob sie beim Recruiting von Spitzenleuten im Ausland – etwa in Amerika oder Indien – hilfreich ist. Der Nachdruck, den Matsubara-san auf diese Klassifizierung legt, zeigt exemplarisch, mit welcher Einstellung wir es bei den japanischen Hidden Champions zu tun haben. Die extreme Wertschätzung des monozukuri nimmt zuweilen fast tragische Züge an: CEO Michio Arai vergleicht die handgefertigten Motorradhelme seiner Firma mit hochwertigen Musikinstrumenten von Stradivari oder Steinway; man könne sie exakt nachbauen und doch erreichten sie nicht das Original. Ein Outsourcing in Niedriglohnländer komme daher nicht in Betracht; die dortigen Mitarbeiter hätten kein Verständnis für unbedingtes Festhalten an der Tradition, deren Zeit – vielleicht – vorüber ist. 1 Hält an „Made in Japan“ fest: Yonex-Chef Ben Yoneyama monozukuri. CEO Arai ist bereit, für diese Prinzipientreue einen hohen Preis zu zahlen: kein Wachstum seit gut 20 Jahren. Die Frage, inwieweit die Wertschätzung (und Zahlungsbereitschaft) des Marktes wirklich auf monozukuri beruht und nicht auf den funktionalen Leistungsmerkmalen, bleibt unbeantwortet. Indirekt gibt er zu verstehen, dass er die Firma eher untergehen lässt, als auf monozukuri zu verzichten. Eine ähnliche Denkweise findet sich bei Yonex: für CEO Yoneyama ist es unabdingbar, die Schläger selbst zu produzieren, ein Outsourcing-Modell à la Nike oder Apple ist ausgeschlossen. Auch hier ist eine gewisse Tragik zu spüren, ein 5 Extreme Wertschätzung des tezukuri: Gründersohn Michio Arai Nomura allein auf weiter Flur Der Weg der Hidden Champions ins Ausland erfolgt oft über japanische Firmen, die international tätig sind. Japanische Industrieunternehmen sind auf den Weltmärkten bekannt und erfolgreich – dies schafft Möglichkeiten für ambitionierte industrielle Mittelständler, sich mit überschaubarem Risiko den Weg auf den globalen Markt zu bahnen. Andere Hidden Champions aus dem Industriesektor verfolgen eine Judo-Strategie: Sie wandeln den Nachteil geringer Größe in einen Vorteil, indem sie unter dem Radarschirm der Konglomerate und der Bürokratie bleiben, sich auf ein wenig sichtbares Kernprodukt oder eine Kerntechnologie konzentrieren, viele Kunden in mehreren Branchen bedienen, und dann Schritt für Schritt eigenständig ins Ausland expandieren und dabei von Bekanntheitsgrad und Reputation japanischer Industrieunternehmen profitieren. Das funktioniert in dieser Form nicht im Dienstleistungssektor: Es existieren keine japanischen Global Player unter den Dienstleistern, die auf internationalen Märkten primär internationale Kunden bedienen. Die Produktivität des Sektors ist schwach, die meisten Unternehmen sind international nicht wettbewerbsfähig. Mutige Unternehmen wie das Bankhaus Nomura sind allein auf weiter Flur. Wer also ein mittelständisches japanisches Serviceunternehmen zu einem Hidden Champion machen will, fängt auf internationalen Märkten praktisch bei Null an. Japanische Unternehmer und Manager gehen das damit einhergehende hohe Risiko des Scheiterns nicht ein. Sprache als Barriere Fest steht auch, dass die Sprach- und Kulturbarriere bei den Dienstleistern eine ungleich größere Rolle spielt als im Industriesektor. Ein industrielles Produkt, das Kundenbedürfnissen gerecht wird und kompetitiv gepreist ist, lässt sich international auch dann verkaufen, wenn die Sprach- und Kulturbarriere hoch ist. Das Selbstvertrauen des internationalen Vertriebs basiert in diesem Fall auf der Leistungsfähigkeit des Produkts, und solange Kundenanforderungen an Zertifizierung und After-Sales-Service erfüllt werden, kann der Auftrag selbst mit gebrochenem Englisch und sehr begrenzten Landes 1 Helmfertigung in Handarbeit: Im Arai-Werk in Omiya kenntnissen hereingeholt werden. Das funktioniert nicht im Dienstleistungsgeschäft. Hier braucht man ein Vertriebsteam, das die Sprache des Kunden spricht, mit dem angebotenen Service und den Bedürfnissen des Marktes tiefgreifend vertraut ist und in der Lage ist, dauerhafte, vertrauensbasierte Kundenbeziehungen aufzubauen. Dies gilt insbesondere für Professional Services, ein Markt, in dem japanische Unternehmen international praktisch nicht vertreten sind. Japanische Mitarbeiter, die gut Englisch können und zugleich das intellektuelle und persönliche Anforderungsprofil eines führenden Professional-Service-Unternehmens erfüllen, sind extrem schwer zu finden. Dieser Faktor mag dazu führen, dass japanische Unternehmer es gar nicht erst versuchen, im Servicesektor einen Hidden Champion zu etablieren, sondern im industriellen Bereich aktiv werden, wo die Sprach- und Kulturbarrieren naturgemäß weniger ins Gewicht fallen. Fokus versus Diversifikation Neben diesen drei Punkten spielt das Thema Diversifikation eine große Rolle. Die – von Hermann Simon eingehend beschriebene – Erfolgsformel der Hidden Champions weltweit lautet: Fokus und Globalisierung. Fokus auf eine Nische macht den Markt klein, globale Expansion macht ihn groß. Dies gilt auch für die japanischen Hidden Champions im IndusMAI 2010 J A PA N M A R K T 17 2010 TECMO KOEI GAMES CO., LTD. U N T E R NEH M EN & M Ä R K T E 1 Videospiel von Koei: Das Entwickeln von Games gilt nicht als Dienstleistung triesektor. Im Servicesektor bietet sich ein anderes Bild. Die Hälfte der ServiceHidden-Champions verfolgt eine am Heimatmarkt ausgerichtete Diversifikationsstrategie. Der internationale Umsatzanteil liegt in der Regel unter zehn Prozent. Gleichwohl gehören diese Unternehmen auf die Hidden-Champions-Liste, da sie in ihrem Kern-Geschäftsbereich im Triademarkt Japan dominant sind. Für Hidden Champions wie für Großunternehmen gilt, dass Fokus und weiche Diversifikation generell zu höheren Erträgen führen als harte Diversifikation. Weiche Diversifikation (im Englischen „soft“, „moderate“ oder „related“ genannt) findet statt, wenn ein Unternehmen in ein neues Produkt- oder Kundensegment investiert, das eng mit seinen bisherigen Aktivitäten verbunden ist. Harte Diversifikation (im Englischen: „broad“ oder „unrelated“) bedeutet, dass in Produkt- und Kundensegmente investiert wird, die mit dem bisherigen Geschäft wenig oder gar nichts zu tun haben – etwa der Kauf von Filmstudios durch das Elektronikunternehmen Sony. Harte Diversifikationen halten selten das, was sie versprechen (oder genauer: was diejenigen, die von solchen Investitionen profitieren, als „Potential“ präsentieren). Eine McKinsey-Studie zeigt, dass der durchschnittliche Total Return to Shareholders von fokussierten Unternehmen acht Prozent, von weich diversifizierten Unternehmen 13 Prozent und von hart diversifizierten Unternehmen nur vier Prozent beträgt (Basis: S&P 500 19902000). Ausnahmen wie GE bestätigen die Regel: Je diversifizierter, desto geringer die Ertragskraft. Dementsprechend ging mit der Ära des „Shareholder Value“ die 18 J A PA N M A R K T MAI 2010 „Fokussierung aufs Kerngeschäft“ einher. Dies gilt für Amerika und weite Teile Europas, nicht aber für Japan. Hier spielt „Shareholder Value“ nur eine mindere Rolle. Profit wird als „condition of survival“ (Peter Drucker) betrachtet, nicht als Primärziel eines Unternehmens. Am wichtigsten ist die Bestandssicherung einer einmal aufgebauten Organisation, verbunden mit langfristigem Umsatzwachstum. Das ist der mentale Nährboden auf dem Diversifikation wächst und gedeiht; das Geflecht der jeweils rund 1000 Tochterfirmen, die zu Hitachi, Sony und Toshiba gehören, ist auf diese Weise entstanden und hat bisher – allen Unkenrufen zum Trotz – eine enorme Resistenz gezeigt. Dass der neue CEO von Hitachi, Hiroaki Nakanishi, verkündet, jetzt so richtig mit M&A loszulegen, gehört in diesen Kontext. Von Konzentration aufs Kerngeschäft, Profitabilität oder Shareholder Value keine Rede – Diversifikation, Umsatzwachstum und Marktanteil sind Trumpf, die alte Schule japanischer Unternehmensführung, geprägt in den Wachstumsjahren der Nachkriegszeit. Auf einer tieferen Ebene haben wir es mit der japanischen Risikokultur zu tun; eine breit diversifizierte, große und im Umsatz wachsende Organisation verspricht Sicherheit und Krisenresistenz. Ulrike Schaede hat in ihrem Buch „Choose and Focus“ ein Umdenken im japanischen Management während des Koizumi-Booms beschrieben; es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich das zarte Pflänzchen „Choose and Focus“ der wirtschaftlich guten Jahre 2002-2007 unter den harschen Rahmenbedingungen der Gegenwart weiter entwickelt. Mein Eindruck aus Gesprächen mit japanischen Unternehmern und Topmanagern ist, dass ein tiefgreifender Wandel Richtung „Choose and Focus“ unwahrscheinlich ist; die Mentalität des Bewahrens (mamoru) dominiert auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, und erhöhter Druck seitens der Shareholder ist nicht zu erwarten, zumal viele internationale Equity-Investoren das Interesse an Japan verloren haben. Secom und Alsok: Kaum internationales Geschäft Ein auf Diversifikation setzender Hidden Champion im Servicesektor ist Secom. Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten die Nummer 1 in Japan für elektronische Sicherheitsdienste. Es verfügt über ein ausgeklügeltes, landesweit operierendes System von Patrouillen und Sicherheitszentralen. Wird in einem von Secom bewachten Gebäude – Privathaus, Firma oder öffentliche Einrichtung – Alarm ausgelöst, ist der Secom-Wachdienst landesweit innerhalb von Minuten zur Stelle. Die Sicherheitszentralen mit ihren großen Monitoren erinnern an die Mission Control der NASA. Nach Einschätzung von Branchenexperten ist Secom technologisch, organisatorisch und operativ weltweit kompetitiv. Trotzdem verfolgt das Unternehmen eine auf den Heimatmarkt ausgerichtete Diversifikationsstrategie. Secom ist in den Bereichen Sicherheit, Katastrophenprävention, medizinische Dienstleistungen, Versicherung, geographische Daten, Immobilien und elektronische Ausrüstung aktiv. Nur drei Prozent des Umsatzes werden international erwirtschaftet, und dies im wesentlichen durch die Betreuung japanischer Kunden im Ausland. Ein ähnliches Bild bietet sich beim Erzrivalen Alsok: Das wie Secom in den 60er Jahren gegründete Unternehmen, dessen Zentrale nur wenige Gehminuten von Secoms Hauptsitz entfernt liegt, spielt im Hinblick auf Ressourcen und Kompetenzen in der globalen Champions League, schießt seine Tore aber nur bei japanischen Kunden. Das Unternehmen, die Nummer 1 im Bereich stationäre Sicherheitsdienste in Japan, sieht sein primäres Wachstumspotential darin, Secom Marktanteile im Bereich elektronische Sicherheitsdienste abzujagen. Alsoks Profitabilität ist schwach, selbst in den Jahren 2005-2007 lag die Netto-Umsatzrendite unter fünf Prozent. Trotzdem besteht CEO Atsushi Murai darauf, dass Japan der natürliche Markt für Alsok sei. Die japanische Sicherheitskultur (nihonshiki keibi) sei zu verschieden, das operative Modell 5 Japan als „natürlicher Markt“: Alsok-Chef Murai Sohgo Security Services Co., Ltd. 1 In Japan omnipräsent, in Übersee dagegen kaum: Sicherheitsdienstleister Alsok seines Unternehmens könne nicht auf das Ausland übertragen werden. Expansionsversuche im asiatischen Raum seien bislang nur in Taiwan erfolgreich gewesen; eine zweite Welle, Thailand und Vietnam, sei gerade gestartet worden, aber für die Geschäftsentwicklung nur von marginaler Bedeutung. Auch für Alsok bedeutet internationales Geschäft im Prinzip die Betreuung japanischer Kunden im Ausland. Watami: Wachstum im Ausland Weitaus stärker ist die internationale Orientierung bei der führenden IzakayaKette Watami. Das 1986 von Miki Watanabe gegründete Unternehmen hat einen steilen Aufstieg hinter sich; heute gehören rund 600 Restaurants zu der Kette. Wenn Sie einmal ein Watami-Restaurant besucht haben, werden Sie festgestellt haben, dass das Wertversprechen – günstig gelegen (ekimae), frische Speisen, japanische und internationale Küche, guter Service und niedrige Preise – auch im Ausland Anklang finden dürfte. Gleichwohl war die internationale Expansion für Watami lange Zeit nachrangig. Vielmehr verkündete das Unternehmen 2004, als die Grenzen des Wachstums im innerjapanischen Stammgeschäft erreicht schienen, radikal zu diversifizieren und in das Alten-Pflegegeschäft zu investieren. Hintergrund war zum einen der Ausblick auf die demographische Entwicklung, zum anderen die Idee, die Trainings- und Führungsmethoden aus dem Restaurantbetrieb auf die Altenpflege übertragen zu können. Es ist 1 50 Prozent Auslandsumsatz in fünf Jahren: Watamis neuer-CEO Kuwabara hier nicht der Ort, diese strategische Entscheidung und ihre Prämissen näher zu untersuchen. Wichtig ist, dass selbst eine in Japan wohlbekannte Unternehmergestalt wie Miki Watanabe lange Zeit eher auf Diversifikation im Heimatmarkt als auf internationale Expansion des Kerngeschäfts gesetzt hat. Die Schwierigkeiten, im „Silbermarkt“ im allgemeinen und im hochregulierten Pflegegeschäft im besonderen Geld zu verdienen, sind freilich eminent, und so verwundert es nicht, dass Watami unter dem neuen Chef, Yutaka Kuwabara, eine balanciertere Strategie verfolgt, die wesentlich mehr Gewicht auf Wachstum im Ausland legt: Bis 2015 soll der internationale Umsatzanteil von heute 10 Prozent auf 50 Prozent steigen. In Japan soll der Umsatz jeweils zur Hälfte im Restaurant- und Pflegegeschäft erwirtschaftet werden. Das heißt, dass Watami sowohl den eingeschlagenen Diversifikationskurs als auch die Hidden-Champion-typische Globalisierung vorantreiben wird. Health Care: Neue Hidden Champions Noch stärker am traditionellen HiddenChampions-Modell orientieren sich einige Serviceunternehmen im Health-Care-Sektor. Yamane Medical wurde 2002 – nach der Einführung der Pflegeversicherung in Japan – von dem Arzt Dr. Yoichi Yamane gegründet und verfügt heute über 83 Tagespflegestätten. Die Firma ist hochprofitabel und hat die Rezession der letzten Jahre problemlos überstanden. CEO Yamane gehört einer neuen Unternehmergeneration an, die sich dem Diversifikationsdogma nicht verpflichtet fühlt. Er konzentriert sich voll auf Day Care, duldet keine Ablenkungen vom Ziel, in diesem Bereich Nummer 1 in Japan zu werden und Erfahrungen aufzubauen, die bei einer Expansion ins Ausland – China dürfte dank Ein-Kind-Politik in wenigen Jahrzehnten der größte Silbermarkt aller Anzeige MAI 2010 J A PA N M A R K T 19 U N T E R NEH M EN & M Ä R K T E 1 Will Nummer 1 bei „Day Care“ werden: Yamane Medical-Gründer Dr. Yamane Zeiten sein – nützlich sein werden. Auch der Pharma-Marketing-Dienstleister M3 – gegründet 2000 mit Starthilfe von Sony aus einem McKinsey-Projekt heraus – repräsentiert eine neue Generation. CEO Itaru Tanimura, vormals Unternehmensberater, hat von Anfang an eine auf Fokus, Globalisierung und Profitabilität ausgerichtete Strategie verfolgt. Sein erstes Ziel, Dominanz im japanischen Markt, hat er in wenigen Jahren erreicht. Heute sind fast 180.000 japanische Ärzte an das Infonetzwerk angeschlossen, fast alle japanischen und ausländischen Pharmaunternehmen stehen auf der Kundenliste. Die internationale Expansion in die Schlüsselmärkte der Pharmaindustrie – insbesondere USA und Deutschland – hat begonnen, in den USA konnte bereits ein Drittel der Ärzte und medizinischen Professionals gewonnen werden, womit die kritische Größe (und die damit einhergehenden Netzwerkeffekte) allerdings noch nicht erreicht ist. Der internationale Umsatzanteil beträgt heute zehn Prozent, soll aber kräftig gesteigert werden. Das Unternehmen ist hochprofitabel, hat die Krise ohne Blessuren überstanden. 5 Auf einem radikalen Internationalisierungskurs: CJ-Chef Koichi Yano 20 J A PA N M A R K T MAI 2010 Ein weiterer Service-Hidden-Champion im Health-Care-Sektor ist Shin Nippon Biomedical Laboratories (Shin Nippon Kagaku). Der Marktführer im Bereich vorklinische Tests verfolgt eine konsequente Fokus- und Globalisierungsstrategie und erwirtschaftet bereits ein Drittel seines Umsatzes im Ausland. CJ Linx ist ein junges Service-Unternehmen im Online-Retailgeschäft, das es im Auge zu behalten gilt. Hervorgegangen aus dem Softwarehaus Turbolinux, baut JC Linx eine Online-Plattform auf, die chinesische Kunden mit Fashion aus Japan zusammenbringt. Das Unternehmen mit Sitz in Shibuya setzt auf einen radikalen Internationalisierungskurs in einer Nische und nutzt die vorhandenen IT-Kompetenzen sowie das bestehende Netzwerk in China. Entwarnung – vorerst Fassen wir zusammen: Die Anzahl der japanischen Hidden Champions pro Sektor ist nicht mit der Größe, sondern mit der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Sektors grob korreliert. Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit des japanischen Servicesektors sind schwach, die Anzahl der Hidden Champions ist gering. Jüngste Feldstudien haben bestätigt, dass die traditionelle Monozukuri-Präferenz, das Vorhandensein globaler Netzwerke in der Industrie (als Ergebnis hoher Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit) sowie die bei Industrieprodukten leichter zu überwindende Sprach- und Kulturbarriere zentrale Faktoren sind, um die extrem hohe Anzahl der Hidden Champions im Industriesektor zu erklären. Hinzu kommt, dass zahlreiche Dienstleister, die als potentielle Hidden Champion gelten können, wesentlich stärker diversifiziert sind als ihre industriellen Peers. Mit der Diversifikation gehen typischerweise Konzentration auf den Heimatmarkt und geringe Profitabilität einher. Für internationale Dienstleister heißt dies erst einmal: Entwarnung. Auf kurze Sicht geht von japanischen Hidden Champions im Servicesektor auf internationalen Märkten keine Gefahr aus. In Japan gut aufgestellte Unternehmen wie Secom oder Alsok konzentrieren sich im Inland aufeinander und im Ausland auf japanische Kunden. Mittel- und langfristig ist allerdings verstärkte Wachsamkeit geboten. Die japanischen Hidden Champions wissen, dass angesichts der soziodemographischen Zeitbombe substantielles Wachstum nur im Ausland erzielbar ist. Dass eine so tief in der japanischen Alltagskultur verankertes Restaurantgeschäft wie Watami in gerade mal fünf Jahren seinen Auslandsumsatz verfünffachen will, zeigt, wohin die Reise geht. Nicht alle können oder wollen auf diesen Zug aufspringen, und die Lethargie Japans auf politischer und administrativer Ebene schwächt die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit japanischer Unternehmen, da das Erziehungssystem nicht auf ihre Bedürfnisse reagiert. Der Englischunterricht ist so ineffektiv wie eh und je, Chinesischunterricht auf breiter Front ist weiterhin kein Thema. Insbesondere im Servicesektor fehlen bereits jetzt die Leute, um international Geschäft mit internationalen Kunden aufzubauen. Die Zahl japanischer Studenten an ausländischen Universitäten nimmt kontinuierlich ab, während immer mehr junge Chinesen zum Studium ins englischsprachige Ausland gehen. Insofern dürfte auch in mittel- und langfristiger Sicht die Wettbewerbsfähigkeit japanischer Hidden Champions im Servicesektor eher begrenzt sein. Die Ausnahme bilden Nischen des Health-Careund Software-Sektors, wie die Beispiele M3 und Shin Nippon zeigen. K O N TA K T Dr. Stefan Lippert ist Unternehmensberater und Business-SchoolProfessor in Tokyo und Seoul. Er ist zudem Japan-Repräsentant der European School of Management and Technology CS Berlin. E-Mail: slippert@post.harvard.edu