seaside - Aero Club Como

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seaside - Aero Club Como
seaside
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como
by air
seaside
PASSION Cesare Baj, 62, langjähriger­
Präsident des Aero Club Como und
Wasser­flugzeugpilot aus Leidenschaft.
COMO UND DIE HERRSCHAFTLICHEN VILLEN ENTLANG
DEM SEE FASZINIEREN – VOR ALLEM AUS DER LUFT.
text JÜRG A. STETTLER
fotos THOMAS BUCHWALDER
Wir kämpfen uns durch den Morgenverkehr von Como. Dabei erspähen wir
am Himmel ein kleines, dunkelgrünes
Flugzeug, das einen eleganten Bogen
zieht und dann plötzlich nach unten
sticht. Uns stockt der Atem. Aber nun
wissen wir, wo der Aero Club Como seine
Heimbasis hat. Wir umrunden das Fussballstadion Giuseppe Sinigaglia, und
schon taucht der 1931 gebaute Hangar
des Aero Club Como auf. Draussen auf
dem See wird der kleine Militär­flieger
gerade ganz knapp über der Wasseroberfläche horizontal gestellt und scheint
dann sanft auf den Wellen zu gleiten.
Faszinierend. Während wir den BMW
6er Gran Coupé parkieren, schwimmt
uns die Cessna 305 C Bird Dog entgegen, legt an einem der drei Holzdocks
an und wird festgezurrt. Aus dem Cockpit steigt Cesare Baj. Der 62-Jährige war
lang­jähriger Präsident des Aero Club
Como und ist der WasserflugzeugExperte schlechthin. Wir beäugen interessiert sein nicht mehr ganz taufrisches
Flug­gerät mit der spartanischen Innenausstattung. Baj bemerkt die skepti­
schen Blicke und meint: «Der Flieger hat
schon den Korea- und den Vietnamkrieg
überlebt, der hält einiges aus.»
ST YLE SEASIDE: Ist es schwierig,
ein Wasserflugzeug zu pilotieren?
CESARE BAJ: Nein, nach etwa acht
Stunden kann ein normal ausgebildeter
Pilot schon Wasserflugzeuge fliegen. Es
ist keine Hexerei, aber ab einem Wellengang von einem Meter fliegen wir hier
aus Sicherheitsgründen nicht mehr.
Wo liegt der grosse Unterschied
zum «normalen» Fliegen?
Bei der Landung. Jedes Mal muss man
auf etwas anderes achten. Die Wasserverhältnisse sind immer unterschiedlich.
Man muss nach Booten und Schwimmern Ausschau halten. Man ist Segler
und Pilot in einem und muss immer alle
Faktoren unter einen Hut kriegen. Daher
kann ich auch nicht einfach sagen, dass
man immer mit den Wellen oder immer
gegen den Wind landen muss.
Gibts weitere Herausforderungen?
Ja, nach der Landung ist es nicht einfach, ans Dock zu kommen. Denn mit
seinem recht hohen Schwerpunkt ist
ein Wasserflugzeug eigentlich ein sehr
unpraktisches Boot.
Wo darf man mit einem Wasserflugzeug überhaupt landen?
In Italien eigentlich auf jedem Gewässer.
Und in der Schweiz?
Dort leider nicht. Da braucht es spezielle
Bewilligungen – und die sind schwer zu
bekommen. Daher fliegen wir zwar von
Como nach St. Moritz, aber immer mit
Amphibienflugzeugen, da wir nicht auf
dem St. Moritzersee landen dürfen, sondern nur in Samedan auf dem normalen
Runway.
Wann haben Sie mit dem Fliegen
ange­fangen?
Mit neunzehn Jahren. Inzwischen habe
ich mehr als dreitausend Stunden auf
dem Buckel. Auf dem Weg zur Schule
bin ich immer wieder beim Aero Club
vorbeigekommen und war fasziniert.
Für mich war daher klar: Ich will Wasserflugzeuge fliegen! Erst nach rund zehn
Jahren habe ich mich übrigens zum
­ersten Mal an den Steuerknüppel eines
normalen Flugzeugs gewagt und bin
nicht auf einem See gelandet.
Wie viele Piloten gehören zum Como
Aero Club?
Wir haben etwa 160 lokale und 250 Piloten aus ganz Europa.
Und wie viele Flieger stehen hier
zur Verfügung?
Vierzehn Stück. Erst kürzlich haben wir
ein Flugboot in Amerika gekauft, das wir
nun auf Vordermann bringen.
Wasserflugzeuge verbindet man ja
sowieso eher mit Nordamerika.
Das stimmt. Aber obwohl es in Seattle,
in Vancouver und vor allem in Alaska
seaside
“Als Wasser­
flugzeugpilot ist
man Segler und
Pilot in einem.”
CESARE BAJ
Tausende von Wasserflugzeugen gibt,
haben wir den ältesten Wasserflughafen
weltweit. Schon 1913 fand im Comer
Becken der erste Wasserflugzeug-Wettkampf statt. Und wir besitzen mit dem
Doppeldecker Caproni CA 100 von 1935
das älteste Wasserflugzeug der Welt.
Und wie oft will jemand über der Villa
von Hollywood-Star Clooney kreisen?
Immer wieder. Man hat uns schon zweitausend, ja dreitausend Euro für einen
Überflug geboten, aber wir lehnen immer ab. Das ist eine Sache der Ehre!
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Dann muss Cesare Baj los. Er wirft noch
einen prüfenden Blick auf die gelbe
­Piper PA-18 Super Cub auf der kleinen
Holzplattform vor dem Hangar. Dann
pumpt er von Hand die letzten Liter
Wasser aus den zwei seitlichen Schwimmern und klettert ins Cockpit. Mit einem
Traktörchen wird die Holzplattform samt
Flieger die wenigen Meter zum Seeufer gestossen, bis die Piper sanft in den
Fluten des Comersees dümpelt. Baj
vollzieht die letzten Checks im Cockpit,
startet den Motor, der sich mit lautem
Spucken zum Dienst meldet. Das Wasser­
flugzeug bewegt sich gemächlich zur
mit Bojen gekennzeichneten Startbahn.
Der 150-PS-Motor heult auf, die Piper
nimmt Fahrt auf, und nach einer gefühlten Ewigkeit hebt sie vom Wasser ab.
Ein letzter Wink mit der Tragfläche, und
weg ist der Seebär und Herr der Lüfte.
COMO
FLIEGEN In Como kann man
nicht nur Rundflüge mit Wasserflugzeugen buchen oder
die JAR-Privatpilotenaus­bildung
absol­vieren, sondern auch
die Wasser­flug­berechtigung
SEP (Sea) erlangen.
JUBILÄUM Am 5./6. Oktober 2013
steigt ein grosses Fest zum
100-Jahr-­Jubiläum des Klubs.
ADRESSE
Via Masia 44, 20100 Como,
Italien, Tel. +39 031 57 44 95
info@aeroclubcomo.com