Harnwegsinfektionen: Konsensus? - Allgemeinmedizin
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Harnwegsinfektionen: Konsensus? - Allgemeinmedizin
Harnwegsinfektionen: Konsensus? Zum Beitrag aus DMW 36/2005 Leserbriefe 696 Gerne kommen wir der Einladung der Autoren des Beitrags „Harnwegsinfektionen: Konsensus?“ (12) nach, ihr Konzept zu diskutieren. Obwohl dessen strukturelle Einleitung weitgehend mit der schon seit Jahren verfügbaren Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) (1) identisch ist, bezweifeln wir, ob die inhaltlichen Aspekte der vorliegenden Arbeit dazu beitragen können, Patientinnen mit Harnwegsinfektionen besser bzw. spezifischer zu behandeln. 1. Die Autoren unterscheiden bei der unkomplizierten Zystitis zwischen prämenopausalen Frauen und Frauen mit dem Risiko eines Kurzzeittherapieversagens, zu denen offenbar alle periund postmenopausalen Patientinnen gerechnet werden. Eine Grundlage für diese Einteilung wird nicht angegeben. Sie kontrastiert allerdings mit der durch Studien belegten Tatsache, dass mobile, nicht in Institutionen lebende ältere Patientinnen oft erfolgreich mit einer Kurzzeittherapie behandelt werden können (2, 3). 2. Im Rahmen ihrer Basisdiagnostik fordern die Autoren eine körperliche Untersuchung jeder Patientin. Auf diese kann gemäß der DEGAM-Leitlinie und im internationalen Konsens jedoch verzichtet werden: In vielen Ländern der Welt werden Patientinnen mit Harnwegsinfekten erfolgreich von Praxisassistentinnen oder Krankenschwestern gemanagt, z. T. im Rahmen von Telefonkonsultationen (4). Voraussetzung ist, dass die Patientinnen in der Lage sind, an einer ausführlichen symptom- und risikofaktorbezogenen Anamnese mitzuwirken, bei der Warnzeichen wie Fieber, Flankenschmerz oder starkes Krankheitsgefühl erfragt werden müssen. Dass die Autoren es versäumen, auf mögliche Konsequenzen der körperlichen Untersuchung bzw. ihrer Befunde hinzuweisen, mag illustrieren, dass es sich hier mehr um eine gewohnheitsmäßige symbolische als um eine evidenzbasiert notwendige Aktion handelt. Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 696–698 3. Wissenschaftlich ebenfalls nicht abgesichert ist die Aussage, dass für Urinuntersuchungen die Gewinnung von Mittelstrahlurin erforderlich sei. Es ist gut belegt, dass diese für viele Patienten schwierig zu realisierende Methode der Untersuchung von frischem Urin, der nach Spreizen der Labien (bzw. Zurückziehen der Vorhaut) gewonnen wurde, nicht überlegen ist (5). Die Empfehlung, sogleich auf eine Blasenpunktion auszuweichen, wenn eine technisch korrekte Gewinnung von Mittelstrahlurin nicht möglich ist, erscheint uns – pardon – geradezu menschenverachtend. Es ist zu hoffen, dass viele Patientinnen diesem invasiven und völlig überflüssigen Eingriff nicht zustimmen würden. 4. Korrekturbedürftig ist auch die Einschätzung des Werts der Urinuntersuchung mit Teststreifen. Die Autoren verweisen zwar zu Recht auf die niedrige Sensitivität des Nitrittests (39%); dieser ist allerdings recht spezifisch (88%) und gilt bei positivem Ausfall als „beweisend“ für einen HWI (6). Eine Leukozyturie ist zwar deutlich sensibler (72%) jedoch so wenig spezifisch (47%), dass sie bei unselektierten Patientinnen mit typischen Symptomen kaum zusätzliche diagnostische Sicherheit bringt (6). Zum Ausschluss eines HWI sind Teststreifen aufgrund niedriger negativ prädiktiver Werte nicht geeignet (6, 7). Orientiert man sich an der Empfehlung der bisherigen DEGAM-Leitlinie, sollte eine empirische Behandlung ohne weitere Diagnostik nur bei positivem Nitrit- und Leukozytentest eingeleitet werden. Es verbleiben jedoch viele Patientinnen, bei denen eine Kultur erforderlich wird, deren Ergebnis nicht immer abgewartet werden kann. Praktikabler erscheint daher die (in Skandinavien empfohlene) empirische Behandlung ohne vorherige Urindiagnostik (8). Hierbei werden jedoch auch viele Patientinnen mit Antibiotika behandelt, die keinen Harnwegsinfekt haben (6). Ein sinnvoller Kompromiss ist es daher, alle Patientinnen mit positivem Nitrittest unmittelbar zu behandeln. Bei symptomatischen Patientin- nen mit negativem Nitrittest sollte zur Vermeidung überflüssiger Antibiotikabehandlungen eine Kultur angelegt und das Ergebnis abgewartet werden, falls die Patientin diesem Vorgehen zustimmt. Ggf. kann die Wartezeit mit symptomatischen Medikamenten überbrückt werden. Andere schwere Erkrankungen als Ursache einer HWISymptomatik sind selten, eine Erweiterung der Diagnostik nach einem (dann zu erwartenden) Therapieversagen würde zudem ihre Entdeckung nicht wesentlich verzögern. 5. Die Therapieempfehlung der Autoren, „3 Tage Cotrimoxazol oder 5 bis 7 Tage Trimethoprim“ ist kaum nachvollziehbar. Internationale Empfehlungen, aber auch vergleichende Studien belegen, dass Trimethoprim und Cotrimoxazol mikrobiologisch gleichwertig sind, und die Sulfonamidkomponente kein niedrigeres Resistenzniveau bewirkt (9). Die von den Autoren zitierte niederländische Studie von Goettsch et al. (10) ist eine Analyse von Beobachtungsdaten, kein randomisiert-kontrollierter Vergleich. Ein Indikationsbias dürfte auch durch die multivariate Analyse nicht korrigiert sein. Die Studie zeigt zudem keinen signifikanten Unterschied zwischen einer 3-tägigen und einer 5-tägigen Therapie mit Trimethoprim. Beide sind im dortigen Modell einer 3-tägigen Nitrofurantointherapie überlegen. Zugrunde liegt jedoch die völlig andere Verordnungspraxis in den Niederlanden mit sukzessive sicher anderen Resistenzniveaus, die eine einfache Übertragung der Schlussfolgerungen auf Deutschland verbietet. 6. Für den Fall, dass die lokale Resistenzrate von E-coli gegenüber Trimethoprim über 20% liegt, empfehlen die Autoren Fluorochinolone, Fosfomycintrometamol oder Cefpodoximaxetil sowie Nitrofurantoin. Ob Fluorochinolone eine sinnvolle Alternative als Therapie der ersten Wahl darstellen, darf angesichts der ebenfalls steigenden Resistenzraten und der damit verbundenen „Entwertung“ des Arzneimittels für die Therapie schwerer Erkrankungen bezweifelt werden – dies gilt in gleicher Weise für die Cefalosporine der 3. Generation. Fosfomycintrometamol als Einmaldosis wurde bisher nicht vergleichend mit anderen Antibiotika untersucht. Unbekannt sind auch die Auswirkungen einer Verwendung dieses Reserveantibio- therapeutische Konsequenz ergeben – sie sind daher verzichtbar. Literatur 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Hummers-Pradier E, Kochen MM. DEGAMLeitlinie Nr. 1 „Brennen beim Wasserlassen“. Z Allg Med 2000; 75: 375–380 Vogel T, Verreault R, Gourdeau M, Morin M, Grenier-Gosselin L, Rochette L. Optimal duration of antibiotic therapy for uncomplicated urinary tract infection in older women: a double-blind randomized controlled trial. CMAJ 2004; 170: 469–473 Lutters M, Vogt N. Antibiotic duration for treating uncomplicated, symptomatic lower urinary tract infections in elderly women. Cochrane Database Syst Rev 2002; 3: CD001535 Vinson DR, Quesenberry CP. The safety of telephone management of presumed cystitis in women. Arch Intern Med 2004; 164: 1026–1029 Lifshitz E, Kramer L. Outpatient urine culture: does collection technique matter? Arch Intern Med 2000; 160: 2537–2540 Hummers-Pradier E, Ohse AM, Koch M, Heizmann WR, Kochen MM. Management of urinary tract infections in female general practice patients. Fam Pract 2005; 22: 71–77 Verest LF, van Esch WM, van Ree JW, Stobberingh EE. Management of acute uncomplicated urinary tract infections in general practice in the south of The Netherlands. Br J Gen Pract 2000; 50: 309–310 Richards D, Toop L, Chambers S, Fletcher L. Response to antibiotics of women with symptoms of urinary tract infection but negative dipstick urine test results: double blind randomised controlled trial. BMJ 2005; 331: 143–148 Hummers-Pradier E, Koch M, Ohse AM, Heizmann WR, Kochen MM. Antibiotic resistance of urinary pathogens in female general practice patients. Scand J Infect Dis 2005; 37: 256–261 Goettsch WG, Janknegt R, Herings RM. Increased treatment failure after 3-days’ courses of nitrofurantoin and trimethoprim for urinary tract infections in women: a population-based retrospective cohort study using the PHARMO database. Br J Clin Pharmacol 2004; 58: 184–189 Brumfitt W, Hamilton-Miller JM. Efficacy and safety profile of long-term nitrofurantoin in urinary infections: 18 years’ experience. J Antimicrob Chemother 1998; 42: 363–371 Sester U, Naber KG. Harnwegsinfektionen: Konsensus? Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 2025–2030 Prof. Dr. med. Eva Hummers-Pradier1 , Prof. Dr. med. Michael M. Kochen2 , MPH, FRCGP · Abteilungen Allgemeinmedizin 1 Medizinische Hochschule Hannover 2 Georg-August-Universität Göttingen · Abteilung Allgemeinmedizin, Medizinische Hochschule · Carl-Neuberg-Str. 1 · 30625 Hannover · E-Mail: hummers-pradier.eva@mh-hannover.de DOI: 10.1055/s-2006-933719 Erwiderung Wir freuen uns, dass Hummers-Pradier und Kochen aus allgemeinmedizinischer Sicht Stellung zu unserem Artikel (1) beziehen. Ad 1) In den letzten Jahren gab es Hinweise, dass bei postmenopausalen, ansonsten gesunden Frauen auch eine Kurzzeittherapie ausreichend sein könnte. In der zitierten Arbeit von Vogel et al. (2) wurde dies mit einem Fluorchinolon (Ciprofloxacin) getestet. Ob dies auch für alle anderen Therapieschemata gilt, dafür ist die Datenlage noch ungenügend. Dies ist auch die Schlussfolgerung der als Beispiel zitierten Metaanalyse zu diesem Thema (3): „... The methodological quality of included studies was poor and the optimal treatment duration could not be determined. …“ Leserbriefe tikums in der Primärversorgung. Empfehlenswert bleibt das von der DEGAM empfohlene Nitrofurantoin, dem Harnwegsantibiotikum mit der niedrigsten Resistenzrate in Deutschland (9). Die von den Autoren zitierten schweren Nebenwirkungen sind bei einer niedrig dosierten Kurzzeittherapie nicht häufiger als schwere Nebenwirkungen anderer Antibiotika auch (11). 7. Wenig sinnhaft und praxisfern ist der Ruf nach einer Wiedervorstellung behandelter HWI-Patientinnen „innerhalb von längstens 14 Tagen“. Bei Beschwerdefreiheit ist diese Konsultation überflüssig – auch die Autoren empfehlen keine weiteren Maßnahmen. Sollten nach Abschluss der Behandlung noch Beschwerden bestehen oder frühzeitig wieder auftreten, dürften die ärztlich aufgeklärten Patientinnen von selbst wieder den Arzt aufsuchen. 8. Unklar bleibt auch die mögliche Konsequenz der empfohlenen primären Urinkultur bei den so genannten, aber schlecht definierten „Patientinnen mit dem Risiko eines Kurzzeittherapieversagens“. Für Patientinnen, bei denen die primär empirische Behandlung erfolgreich war, bleibt die Kultur nutzlos. Bei Therapieversagen oder frühen Rezidiven kann immer noch eine Urinkultur angelegt werden. Selbstverständlich sollte bei Patientinnen mit komplizierenden Faktoren eine Urinkultur angelegt werden. Übertrieben scheint jedoch das durch Abbildung 5 suggerierte Vorgehen einer Abnahme von Blutkulturen und stationären Aufnahme bei allen Patientinnen mit komplizierten Harnwegsinfekten, das wohl nur bei Patientinnen mit Zeichen einer Pyelonephritis bei vorbestehenden Risikofaktoren und schwerer Krankheitssymptomatik notwendig ist. 9. Der mehrfach genannte „Versuch zur Behebung der komplizierenden Begleitumstände“ dürfte oft ein frommer Wunsch bleiben und selten eine erweiterte Diagnostik rechtfertigen, da es sich hier in der Regel um nicht kausal behandelbare chronische Krankheiten, spezifische Vorerkrankungen oder biologische Faktoren handelt. Bei den meisten Patienten mit einem komplizierten Harnwegsinfekt (jedoch ohne Anzeichen einer Pyelonephritis) wird sich aus laborchemischen und bildgebenden Verfahren überhaupt keine In Bezug auf die anderen in unserer Arbeit aufgeführten Risikofaktoren für ein Kurzzeittherapieversagen bei Patienten mit einer unkomplizierten Zystitis sieht die Datenlage meist sogar noch dürftiger aus, so dass eine Kurzzeittherapie zur Zeit nur für die ansonsten gesunde präund perimenopausale Frau allgemein empfohlen werden kann. 697 Ad 2) Das Patientenspektrum eines Allgemeinmediziners unterscheidet sich von dem einer urologischen bzw. nephrologischen Fachabteilung, so dass sich möglicherweise unterschiedliche Algorithmen in Bezug auf die körperliche Untersuchung ergeben. Von einer reinen Checklistenmedizin mit Telefonkonsultationen und Management von Harnwegsinfektionen durch Praxisassistentinnen raten wir ab. In der als Beispiel zitierten Studie von Vinson und Quesenberry (4) erfolgte zum Zeitpunkt der Telefonkonsultation direkt ein Zugriff auf alle bei der Krankenkasse der Patientinnen gespeicherten medizinischen Daten, zudem wurden vor der Verordnung eines Antibiotikums die Daten des Telefonates von einem Arzt des medizinischen Callcenters überprüft. Eine solche Organisationsstruktur ist zur Zeit bei uns in Deutschland nicht möglich. Ad 3) Die angeführte Studie von Lifshitz und Kramer bezieht sich auf die mikrobiologische Untersuchung von im Mittel 21,4 Jahre alten Studentinnen (5). Zu an- Dtsch Med Wochenschr 2006; 131: 696–698 Leserbriefe 698 deren/älteren Patientenkollektiven werden keine Aussagen gemacht. Desweiteren wird in dieser Studie nicht untersucht, welchen Einfluss die Verwendung von Nicht-Mittelstrahlurin auf Teststreifenergebnisse (z.B. Verfälschung durch Vaginalsekret) oder auf die mikroskopische Beurteilung des Urins (z. B. mangelnde Beurteilbarkeit durch massenhaft Plattenepithelien) hat. Nach unserer Erfahrung (wir befunden häufig Urine mittels Phasenkontrasmikroskopie noch selbst) ist letzteres ein alltägliches Problem. Wir streben daher weiterhin die Gewinnung von Mittelstrahlurin an. Die Blasenpunktion möchten wir nicht als Routinemaßnahme verstanden wissen. Sie ist jedoch für den Geübten einfach und komplikationsarm und kann in unklaren Situationen eine wichtige Entscheidungshilfe sein. Ad 4) Unbestritten sind die niedrige Sensitivität des Nitrittestes, die mögliche niedrige Spezifität des Leukozytentestes im unselektionierten Patientenkollektiv sowie die Fehleranfälligkeit beider Tests. Jedoch hängt der positive und negative prädiktive Wert der Teststreifenuntersuchung wesentlich von der Selektion der Patienten ab. Ich einem hochselektionierten Krankengut werden diese deutlich besser sein als bei einer breiten, unselektiven Anwendung z.B. im Rahmen von Routineuntersuchungen. Der behandelnde Arzt ist daher gefordert aus der Zusammenschau von Anamnese, klinischem Befund und Teststreifenergebnis die notwendigen nächsten Schritte abzuleiten (sofortige empirische Antibiotikatherapie versus ergänzende Urinmikroskopie und/ oder Anlegen einer Urinkultur). Wir haben in unserer Arbeit versucht dies in der gebotenen Kürze dennoch differenziert darzustellen, eine genauere Betrachtung ist im Rahmen einer allgemeinen Übersichtsarbeit kaum möglich. Für falsch halten wir jedoch die strikte Forderung nur bei positivem Leukozyten- und Nitrittest eine empirische Antibiotikatherapie zu beginnen. Wie in der von Hummers-Pradier und Kochen zitierten Arbeit von Richards et al. gezeigt wurde, würde man damit vielen Patientinnen eine rasche und effiziente Linderung ihrer Beschwerden vorenthalten (6). Ad 5 und 6) Wir denken, dass wir die Datenlage der antibiotischen Therapie einer Harnwegsinfektion in unserem ArtiDtsch Med Wochenschr 2006; 131: 696–698 kel differenziert und praxisgerecht zusammengefasst haben. In Bezug auf Nitrofurantoin möchten wir noch einmal auf die potenziellen Nebenwirkungen hinweisen, welche auch in den Fachinformationen dokumentiert sind. Die Hersteller haben deshalb folgende Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen in die Fachinformation aufgenommen: „...Vor der Verordnung von Nitrofurantoin sollten Nieren- und Leberfunktion überprüft werden. ...“ und „Unter der Therapie mit Nitrofurantoin sind Kontrollen von Blutbild, Leber- und Nierenwerten notwendig.“ Diese Anforderungen stehen einem breiten Einsatz des Medikamentes in der täglichen Praxis entgegen, insbesondere da bei unkomplizierten Zystitiden keine Blutentnahmen erforderlich sind. Ad 7) Falls die Beschwerden persistieren, sollte spätestens nach 14 Tagen eine Reevaluation erfolgen. Wir geben HummersPradier und Kochen recht, dass in unserer Übersichtsarbeit (1) die Abb. 1 und 2 bei symptomfreien, aufgeklärten Patienten missverständlich sind. In diesen Fällen sind keine weiteren Konsultationen notwendig. Ad 8) Bei allen Harnwegsinfektionen außer der unkomplizierten Zystitis der ansonsten gesunden Frau erfolgt eine längere antibiotische Therapie. Hierbei erlaubt das frühe Anlegen von Urinkulturen auch in Anbetracht der steigenden Resistenzraten eine rasche Anpassung des antibiotischen Regimes. Auf diese Möglichkeit der Therapieoptimierung müsste man ansonsten verzichten. Ad 9) Die Behebung komplizierender Begleitumstände ist für einen urologisch tätigen Kollegen nicht frommer Wunsch, sondern tägliches Brot. Da wir leider auch immer wieder Patienten mit schwerer Urosepsis sehen, bei denen die Gelegenheit der Sanierung komplizierender Faktoren verpasst wurde, ist uns dies ein wichtiges Anliegen. Abschließend möchten wir bemerken, dass die von Hummers-Pradier und Kochen genannte DEGAM-Leitlinie „Brennen beim Wasserlassen“ (5) bereits 1999 erstellt und 2005 endgültig ausgelaufen ist. Gerade die von den beiden Kollegen zitierten Arbeiten zeigen, dass es in den letzten Jahren auf dem Gebiet der Harnwegsinfektionen wichtige neue Erkennt- nisse gibt. Aus diesem Grund schien uns die Erarbeitung einer AWMF-gerechten Leitlinie zu Harnwegsinfektionen, bei der die Erfahrungen verschiedener Fachdisziplinen zusammengeführt werden, dringend geboten. Als erster Schritt auf dem Weg zu einer interdisziplinären Leitlinie fand am 15.11.2005 die konstituierende Sitzung der Leitliniengruppe „Harnwegsinfektionen“ in der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für Urologie in Düsseldorf statt. Wir würden es sehr begrüßen, wenn zukünftig auch Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin ihr Wissen bei der Erstellung dieser neuen Leitlinien einbringen würden. Literatur 1 2 3 4 5 6 7 Sester U, Naber K. Harnwegsinfektionen. Konsensus? Dtsch Med Wochenschr 2005; 130: 2025–2030 Vogel T, Verrault R, Gourdeau M, Morin M, Grenier-Gosselin L, Rochette L. Optimal duration of antibiotic therapy for uncomplicated urinary tract infection in older women: a double-blind randomised controlled trial. CMAJ 2004; 170: 469–473 Lutters M, Vogt N. Antibiotic duration for treating uncomplicated, symptomatic lower urinary tract infections in elderly women. Cochrane Database Syst Rev 2002; 3: CD001535 Vinson DR, Quesenberry CP. The safety of telephone management of presumed cystitis in women. Arch Intern Med 2004; 164: 1026–1029 Lifshitz E, Kramer L. Outpatient urine culture: does collection technique matter? Arch Intern Med 2000; 160: 2537–2540 Richards D, Toop L, Chambers S, Fletcher L. Response to antibiotics of women with symptoms of urinary tract infection but negative dipstick urine test results: double blind randomised controlled trial. BMJ 2005; 331: 143–148 Hummers-Pradier E, Kochen MM. DEGAMLeitlinie Nr. 1 „Brennen beim Wasserlassen“. Z Allg Med 2000; 75: 375–380 Dr. med. U. Sester, Prof. Dr. med. K. Naber · Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Innere Medizin IV · 66421 Homburg/Saar · Tel.: 06841/1623512 · Fax: 06841/1623499 · E-Mail: urban.sester@uniklinikum-saarland.de DOI: 10.1055/s-2006-933720