Völlig ohne Starallüren

Transcription

Völlig ohne Starallüren
Rsenger
Völlig ohne Starallüren
Neue Westfälische vom 27.11.2004Völlig ohne Starallüren Ein berühmter Schauspieler im Gespräch mit
Engeraner Realschülern
Gefragte Autogramme: Der angesagte Schauspieler Heino Ferch stand den Jugendlichen von der Engeraner
Realschule Rede und Antwort und sprach ganz offen über seinen Einstieg in den Beruf und seine Pläne für die
nächsten Filme. (FOTO: CORNELIUS)
Enger (von Anika Cornelius). Im Rahmen ihres Geschichtsunterrichts behandelten die 10. Klassen der Realschule
Enger das Thema Nationalsozialismus. Nachdem sie sich den aktuellen Kinofilm "Der Untergang" angeschaut hatten,
bot sich ihnen am Freitag die einmalige Gelegenheit, ein Gespräch mit einem der Schauspieler zu führen.
Heino Ferch, der in dem Film Albert Speer spielt, hatte sich an einem drehfreien Tag Zeit genommen. Da der
Geschichtslehrer Ralf Dornbusch in seinem Unterricht sehr viel Wert auf Abwechslung und eigene Aktivität der
Schüler legt, führt er mit ihnen zahlreiche Projekte durch. So organisierte er gemeinsam mit seinen Kollegen Udo
Grote, Tobias Kunze und Sonja Gerland-Péus eine Kinoaufführung für die vier zehnten Klassen der Realschule.
"Filme bedeuten für die Jugendlichen viel mehr als Texte", weiß Ralf Dornbusch. Um seinen Schülern und
Schülerinnen ein besonderes Erlebnis zu bieten, lud er den Schauspieler Heino Ferch ein. Dieser stand während der
Dreharbeiten für den Film "Der Untergang" als Albert Speer vor der Kamera. Der Kontakt zwischen Heino Ferch und
Ralf Dornbusch entstand bereits in deren Jugend: Aufgrund von sportlichen Gemeinsamkeiten hatte sich im Laufe der
Jahre eine Freundschaft entwickelt, die noch heute Bestand hat.
Als Ferch die Aula der Realschule betrat, warteten die Schüler schon ganz aufgeregt. Um so größer war die
Überraschung, als sich der Filmstar fern von allen Starallüren zu ihnen setzte. Nun hatten sie Gelegenheit, ihn über
seine Arbeit auszuquetschen. Da interessierte besonders, ob die Schauspieler nach den Dreharbeiten zu diesem Film
abschalten konnten oder ob die Bilder sie weiter verfolgten. Besonders die Szene, in der die Kinder der Familie
Goebbels vergiftet werden, hatte Eindruck bei Heino Ferch gemacht. "Die Kinderszene ist mir schon sehr ans Herz
gegangen", sagte er.
Auch die menschenverachtende Sprache Hitlers (gespielt von Bruno Ganz) und das Gefühl, ständig in einem Bunker
zu sein, waren außergewöhnlich für Heino Ferch: "Dieses Gefühl ist schon erschreckend, wenn man sich vorstellt,
wie lange die wirklich da drin waren."
Um die Figur Albert Speer interpretieren zu können, hatte sich Ferch alte Tagesschauen und Fotos angeschaut.
"Außerdem habe ich Bücher von Speer und von Historikern gelesen, um zu wissen, wie der denkt", verriet Heino
Ferch: "Es ist schon schwer, sich in so eine Rolle hineinzufinden.
Die Schülerinnen Annika Maier und Isabel Walbrodt schätzten das Engagement des Schauspielers: "Wir fanden es
toll, dass er sich so viel Zeit genommen und uns alle Fragen beantwortet hat." Während sich die Freundinnen über
den Star unterhielten, hatte sich ein großer Kreis von Autogrammjägern gebildet. Auch Tina-Isabel Kühnel war
überrascht: "Der war total locker drauf."
Ralf Dornbusch zeigte sich mit der Veranstaltung ebenfalls sehr zufrieden: "Da er seine Bodenständigkeit nicht verloren
hat und mit den Schülern ganz offen redet, zeigt er, dass er wirklich zu den Großen gehört." Auch Heino Ferch lag das
Gespräch mit den Jugendlichen am Herzen. Es sei ihm wichtig, das Missverständnis aus der Welt zu schaffen, dass
Albert Speer ein guter Mensch gewesen sei, der ausschließlich gegen Hitler gearbeitet hat. Im Alltag stellt der
Schauspieler immer wieder fest: "Gerade bei der Person Speer gibt es Klärungsbedarf."
Nach dem offiziellen Teil der Veranstaltung verschwand der Schauspieler mit den Lehrern und Lehrerinnen im
Lehrerzimmer und führte das Gespräch bei einer Tasse Kaffee fort.
Â
zurück
http://update.rsenger.de
_PDF_POWERED
_PDF_GENERATED 16 January, 2017, 00:04