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BURGUND
FÜR ALLE SINNE
Jahrhundertealte Kultur, liebliche Natur und jede Menge kulinarischer Köstlichkeiten
– im Burgund erwartet den Reiseradler einiges an genussvoller Ablenkung.
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Durch ein Meer aus Reben vorbei am Château Aloxe-Corton:
im Herzen der Côte d’Or.
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Ritterliche Kulisse – die Burg von La Rochepot.
DANIEL SIMON ❘ text & fotos
Das große Problem einer Radreise durch Burgund stellt sich
noch vor der ersten Pedalumdrehung. Wohin mit den kulinarischen
Souvenirs? Am Abend vor unserem Tourstart schlendern wir durch
die Altstadt von Dijon. Ein Feinkost-Geschäft reiht sich ans andere.
Dijon-Senf in allen Variationen, Crème de Cassis, edelste Weine und
viele andere Köstlichkeiten. Am liebsten würden wir körbeweise
Burgunder Spezialitäten einkaufen. Der Transport auf dem Fahrrad
fällt verständlicherweise aus. In die Heimat schicken lassen – würde
prompt erledigt – ist relativ teuer. Alles am Zielort in Lyon kaufen
– geht auch nicht. Lyon liegt bereits in der Region Rhône-Alpes,
da warten wieder andere Spezialitäten. Also begnügen wir uns mit
einem kleinen Glas Senf und beschließen, uns den kulinarischen
Genüssen vor Ort hinzugeben. In einer schmalen Gasse entdecken
wir das von jungen Leuten geführte Restaurant „La Ruelle“. Mit
einem hervorragenden Tartar starten wir unsere Genusstour.
Kaum haben wir am nächsten Morgen das Stadtgebiet hinter
uns gelassen, tauchen wir ein in die vielbeschriebene Côte d’Or.
Der Name ist auch wörtlich zu verstehen. Von Zeit zu Zeit ragen
die typischen, goldfarben glasierten Ziegeldächer von Kirchen und
Châteaux aus dem schier endlosen Meer aus Weinreben heraus.
Auf diesem schmalen Band zwischen Dijon und Chagny werden
die meisten Grands Crus des Burgunds angebaut, mithin einige der
besten Weine Frankreichs. In Beaune besichtigen wir die Hospices
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de Beaune. Der berühmte Bau wirkt von außen so unscheinbar, dass
wir ihn lange suchen müssen. Erst im Innenhof zeigt sich das Hôtel
Dieu, wie es auch genannt wird, in seiner ganzen Pracht. Gegründet
wurde das heutige Museum 1443 von dem burgundischen Kanzler
Nicolas Rolin als Armenhospiz. Einmal im Jahr findet in Beaune
die weltgrößte Weinversteigerung statt. Sie finanziert auch heute
noch die Behandlungen von Bedürftigen. Wir bezweifeln allerdings,
dass die acht Euro, die wir für ein kleines Gläschen Burgunder
zum Abendessen berappen müssen, einem anderen als dem Wirt
zugutekommen.
Bei Café au lait und leckeren Croissants begrüßen uns die ersten
Sonnenstrahlen in der gerade erwachenden Altstadt. Bald radeln wir
wieder einsam über kleine Landstraßen. Unvermittelt taucht eine
Burg wie im Märchen vor uns auf. Es ist das Château La Rochepot
über dem gleichnamigen Ort. Immer wenn ich als Kind eine Burg
sah, bettelte ich: „Papa, erzähl mir eine Geschichte von Rittern!“
Hier würde mein Vater sicher Fantastisches erzählen. Vorbei an
schmucken Weinorten stoßen wir bei Chagny auf den Canal du
Centre, dem wir auf einem alten Treidelpfad bis in die Stadt Chalonsur-Saône folgen. Wir stärken uns in einer Brasserie auf der Place
Saint-Vincent. Die wunderschönen alten Fachwerkhäuser stehen in
jedem Winkel, nur nicht im rechten. Das fotografische Museum
ist unser nächster Stopp. Mit mehr als zwei Millionen Fotografien
und vielen Exponaten aus der Geschichte der Fotografie eines der
bedeutendsten Museen zu diesem Thema. Der berühmteste Sohn
TREKKINGBIKE 6/2007
Glückliche Viecher – Charolais-Rinder und Schafe in den Monts du Maconnais.
DURCH KULISSEN WIE AUS DEM MITTELALTER
Historisch-holpriger Rundkurs: Kopfsteinpflaster auf der Place François Rude in Dijon.
DAS MODERNE FAHRRADMAGAZIN
Très chic – Hutgeschäft in Dijon.
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Steinerne Zeitzeugen
– Pause auf einer alten
Brücke im Örtchen Melin.
AUF DER BAHNTRASSE HERRSCHT VIEL VERKEHR
Jeder Ort hat seinen eigenen Wein, auch Pernand Vergelesses bei Beaune.
Großbürgerlich – auf der Place de Jacobins in Lyon.
der Stadt heißt Joseph Nicéphore Nièpce, der Erfinder der Fotografie. Etwas südlich von Chalon, im kleinen Saint-Loup-de-Varennes,
steht das Wohnhaus von Nièpce. Da wir die einzigen Besucher sind,
bekommen wir von einer netten Studentin eine besonders ausführliche und dennoch kurzweilige Führung. Für mich als Fotograf ist
es ein erhebendes Gefühl, an dem Fenster zu stehen, von dem aus
Nièpce das erste erhaltene Lichtbild der Welt aufgenommen hat. An
weiten Mais- und Sonnenblumenfeldern entlang geben wir mächtig Gas, damit wir nach den ausgiebigen Besichtigungen noch bei
Tageslicht in Tournus ankommen. Die romanische Abteikirche SaintPhilibert muss bis zum nächsten Tag warten. Jetzt lassen wir uns erst
einmal ein herzhaftes Bœuf Bourguignon schmecken.
In Cormatin besuchen wir das Musée du Veló, das mit ausge-
Neuer Wegweiser im alten Stil für die Voie Verte.
Wie im Film – das mittelalterliche Städtchen Perouges.
suchten Exponaten zum bedeutendsten Radmuseum Frankreichs
avancierte. Direkt am Museum führt die Voie Verte vorbei. Auf einer
aufgelassenen Bahntrasse entstand ein über 60 Kilometer langer
Radweg abseits jeglichen Autoverkehrs. Doch Verkehr herrscht auch
hier genug, Rennradfahrer und pfeilschnelle Inline-Skater rasen an
uns vorbei. Aber einmal in den Zug eingereiht, sausen wir mit. Vorbei am alten Bahnhof von Cluny. Auch dort springen weitere Radund Rollsportler, die sich an der Verleihstation ausgerüstet haben,
auf unseren „durchbrausenden Zug“ auf. Plötzlich wird es dunkel.
Wir sind in den Tunnel du Bois Clair gerauscht. Ein kleiner weißer
Punkt in der Ferne zeigt die Ausfahrt. Einmal an die Dunkelheit
gewöhnt, nehmen wir wieder Fahrt auf. Schnurgerade und leicht
abschüssig zieht sich die feucht-kalte, 1,6 Kilometer lange Röhre
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Trutzburg – Berzé-le-Châtel an der Ausfahrt des Tunnel du Bois Clair.
durch den Berg. Ein Heidenspaß. Der Tunnel ist nur im Sommerhalbjahr geöffnet, damit sich die hier heimischen seltenen Fledermausarten im Winterhalbjahr ungestört fortpflanzen können. Aber
an die putzigen Tierchen über mir möchte ich jetzt nicht denken.
Beim Abendessen in Mâcon sind wir noch immer ganz begeistert
von unseren Eindrücken auf der Voie Verte.
Dann verlassen wir Burgund in Richtung Region Rhône-Alpes.
Dort ändert sich auch allmählich die Landschaft. Die ersten Seen
des Départements Ain tauchen auf. Bald werden es mehr und mehr.
Einige sind fast völlig von Seerosen bedeckt. Ein Paradies für viele
Vogelarten. Nach der langen Etappe kommen wir spät und müde in
unserem Hotel bei Perouges an.
Morgens besichtigen wir das auf einem Hügel liegende Städtchen.
Perouges ist so perfekt restauriert, dass man glaubt, die Einwohner
schlössen abends zu und verließen ihre Museumsstadt. Zum Glück
sind noch keine Touristenbusse da. So können wir uns das mittelalterliche Kleinod in Ruhe ansehen. Auch die begehrten Galettes
de Perouges sind noch ganz frisch. Bereits im Dunstkreis von Lyon
stoßen wir in Miribel auf die Notre Dame du Sacre Cœur. Mit über
dreißig Metern Höhe ist sie die größte und wohl hässlichste religiöse
Statue Frankreichs. Aber zu ihren Füßen reicht der Blick über die
Stadt bis weit in die Savoyer Alpen. Im Freizeitpark Miribel-Jonage
genießen wir beim Baden das schöne Wetter, bevor wir am späten
Nachmittag zufrieden in der kleinen Metropole einrollen.
DER ERSTE
FOTOGRAF
Savoir-vivre – Abendstimmung im Zentrum von Beaune.
Fälschlicherweise wird oft Louis
Jacques Mandé Daguerre als
Erfinder der Fotografie genannt.
Dabei gelang es seinem Landsmann Joseph Nicéphore Nièpce
1826 als erstem, ein Verfahren
zu entwickeln, eine Fotografie
lichtbeständig zu fixieren. Nach
seinem Tod entwickelte sein
Geschäftspartner Daguerre das
Verfahren weiter und brachte die
Fotografie so 1839 zur Marktreife. Mit seinen „Daguerreotypien“
wurde er anstelle des wahren
Erfinders weltberühmt.
INFOS: BURGUND
UNSERE ROUTE
Start in Dijon. Über Nuits-St-Georges nach Beaune. Auf kleinen Straßen
über Mersault nach Chagny. Auf der „Voie Verte“ am Canal du Centre
entlang nach Chalon-sur-Saône. Wieder auf ruhigen Straßen durch St-Loupde-Varennes und St-Cyr nach Tournus. In stetigem Auf und Ab auf kurvenreichen Landstraßen über Brancion und Chissey-lès-Mâcon nach Cormatin.
Nun fährt man bis Mâcon wieder auf der „Voie Verte“. Hier verläuft der
Radweg über Cluny auf einer alten Eisenbahntrasse. Auch der 1,6 km lange
ehemalige Eisenbahntunnel „Tunnel du Bois Clair“ wird durchfahren. In
Mâcon Überquerung der Saône. Vorbei an St-Cyr-sur-Menthon und Vonnas
nach Saint-André. Weiter nach Lent, St-Nizier-le-Désert und zum Kloster
Notre-Dame-des-Dombes. Durch eine faszinierende Seenlandschaft über
Joyeux und Faramans ins historische Städtchen Perouges. Von dort durch
die Ortschaften Balan, Niévroz und Thil nach Miribel. Bereits im Dunstkreis
von Lyon durch den Parc de Loisirs de Miribel-Jonage und entlang der
Rhône in die Innenstadt von Lyon. (insgesamt 320 Kilometer)
Église de Fixey – die älteste Kirche der Côte d’Or aus dem 10. Jahrhundert.
BESTE REISEZEIT
Mai bis Oktober. Im August kann es voll werden.
SEHENSWERTES
Fahrradgeschichte pur –
Musée du Veló in Cormatin.
Altstadt von Dijon mit seinen schönen Geschäften;
Hôtel Dieu in Beaune; viele Weingüter der Côte
d’Or bieten Weinverkostungen an; Innenstadt und
Fotografie-Museum in Chalon-sur-Saône; Wohnhaus Nicéphore Nièpce in Saint-Loup-de-Varennes;
Abteikirche in Tournus; Musée du Vélo bei Cormatin; Tunnel du Bois Clair bei Cluny; Mâcon; das
historische Städtchen Perouges, Lyon.
CHARAKTER
Gut ausgebaute, meist wenig befahrene Straßen oder Radwege. Nur in oder
um die Städte viel Autoverkehr. Das Gelände ist hügelig, jedoch sind die
Steigungen fast immer sehr moderat.
VERANSTALTER
Mehrere Radreise-Veranstalter bieten Touren an. Fast exakt auf unserer
beschriebenen Route von Dijon nach Lyon bietet Rückenwind Reisen eine
geführte oder auch individuell fahrbare Radreise an. Selbstfahrern erleichtert
ein Roadbook die Orientierung. Alle Hotels werden im Voraus gebucht.
ANREISE
Dijon und Lyon sind mit dem Fernzug via Straßburg oder Paris zu erreichen.
LITERATUR/KARTEN
Cyklos Radreiseführer „Nordost-Frankreich per Rad, Burgund – Elsass
– Lothringen, Ernst Mitschke, Kettler Verlag, 320 S., 14,80 Euro. Freizeitkarten Nr. 37, 43, 44 des Institut Géographique National, je 5,00 Euro, zu
bestellen unter www.ign.fr.
AUSKUNFT UND INTERNET
Französisches Fremdenverkehrsamt Maison de la France, Tel. 0900/
1570025, Fax 0900/1599061, www.franceguide.com.
Fremdenverkehrsamt Burgund, www.burgund-tourismus.com (mit deutschsprachiger Rad-Broschüre „Tour de Bourgogne à vélo“ zum Download).
Musée du Veló, Infos zu Öffnungszeiten des Fahrradmuseums in Cormatin
http://museeduvelo.free.fr.
Fotografiemuseum in Chalon-sur-Saône, www.museeniepce.com
Informationen zu dem Erfinder der Fotografie,
www.maison.niepce.museum
Gaumenfreuden herzhaft oder süß: Galette- und Baguetteverkauf in Perouges.
© Foto: Daniel Simon
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