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Michael Richardy Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a Christian life style“ Zeitraum 04.09. – 20.10.2006 Mentor Rev. James Finno 1 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Gliederung 0. Vorbemerkung 1. Daten und Fakten zur Einsatzgemeinde 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 Tinley Park – Soziodemographische Daten Die katholische Gemeinde St. Stephen Personelle Situation Räumliche Situation 2. Das Gemeindeleben 2.1 2.2 2.3 2.4 Spiritual Life Youth Education and Formation Human Concerns Parish Life 3. Das Gemeindekonzept - Stewardship 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 Der spirituelle Ansatz Das Gemeindeprofil Stewardship und Gemeindeaufbau (Stewardship of time and talent) Welcoming Liturgie Spiritualität Öffentlichkeitsarbeit Parish Council 3.4 3.5 Stewardship of Treasure Stewardship-Renewal 4. Herausforderungen aus amerikanischer Sicht 4.1 4.2 4.3 4.4 Gemeindeübergreifende Arbeit Pastorales Personal Ethnische Vielfalt Säkularisierung 5. Amerikanische Gemeinden – ein Modell für deutsche Pastoral? 5.1 Profilbildung 2 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park 5.2 5.3 5.4 5.5 Welcoming Ehrenamtlichkeit Spiritualität Fundraising und Sponsoring 6. Kritische Anfragen 7. Schlussbemerkung 3 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park 0. Vorbemerkung Im folgenden Bericht werden einige Ausdrücke oder Zitate in englischer Sprache belassen, da eine genaue Übersetzung oft nur unzutreffend möglich ist und vorausgesetzt wird, dass die Leser Grundkenntnisse der englischen Sprache besitzen. Die englischen Ausdrücke oder Textstellen werden kursiv dargestellt, ggf. werden sie übersetzt oder kurz erläutert. 1. Daten und Fakten zur Einsatzgemeinde 1.1 Tinley Park – Soziodemographische Daten Tinley Park ist eine Vorstadt ca. eine Autostunde südwestlich von Chicago. Der Ort wurde 1853 zunächst unter dem Namen „Bremen“ gegründet, was einen Hinweis auf die deutschen Wurzeln des Ortes gibt. In den letzten Jahrzehnten ist Tinley Park besonders gewachsen und hat derzeit immer noch einen starken Zuzug zu verzeichnen. Die Einwohnerzahl beträgt z.Zt. 77.000. Die Bevölkerung ist überwiegend middleclass und upper middleclass und besteht zu 90% aus Weißen. Das durchschnittliche Haushalts-Jahreseinkommen beträgt 81.390 US$, damit deutlich höher als der Durchschnitt in einem 25-Meilen Radius um Tinley, dieser liegt bei 70.621 US$. Der Altersdurchschnitt weist eine relativ junge Bevölkerung auf: 44,9% der Bevölkerung sind zwischen 25 und 54 Jahren alt. Der Anteil der Familien mit Kindern ist hoch.1 Bei Tinley Park handelt es sich um eine typische amerikanische Vorstadt mit relativ großen Einfamilienhäusern und großen Grundstücken. Die Mobilität ist völlig auf den Autoverkehr zugeschnitten, eine Fortbewegung zu Fuß oder per Fahrrad ist unüblich. Es gibt eine Metra-Zugverbindung nach Chicago-Downtown, ansonsten keinen öffentlichen Nahverkehr. 1.2 Die katholische Gemeinde St. Stephen St. Stephen ist die jüngste von 4 katholischen Gemeinden in Tinley Park, daneben gibt es noch weitere nicht-katholische Gemeinden sowie andere Glaubensgemeinschaften (insgesamt 29). Die Gemeinde wurde 1999 im Auftrag der Erzdiözese von Pfarrer James Finno und zwei Diakonen gegründet. Die 1 4 Informationen siehe Webseite der Gemeinde Tinley Park: www.tinleypark.org „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Gottesdienste fanden zunächst in einer Schule statt, zu Beginn gab es 70 registrierte Familien. Durch Zuzug wuchs die Gemeinde schnell auf heute ca. 2.800 registrierte Familien. 1.2.1 Personelle Situation Das pastorale Personal der Gemeinde besteht aus dem Gemeindepfarrer, einem Kaplan sowie fünf Diakonen, davon drei hauptamtlichen (z.T. in Teilzeit). Weiterhin gehören zum hauptamtlichen Personal ein Administrative Assistent (Verwaltung), der Music Minister, der Business Manager (Finanzen), Director und Assoc. Director of Religious Education, der Youth Minister, sowie der Maintenance Director (Haustechnik und -verwaltung). Die genannten Personen nehmen am regelmäßigen Pastoral Staff-meeting teil. Darüber hinaus gibt es weitere Verwaltungskräfte sowie weiteres technisches Personal. Das regelmäßige Pastoral Staff-meeting dient der Planung und Auswertung wesentlicher Aktivitäten und Veranstaltungen der Gemeinde. Die Detailplanung erfolgt meist in den einzelnen ministries (Dienste und Aufgaben). Auffallend ist die Zusammensetzung dieses Gremiums, das auch Verwaltungsund technisches Personal einschließt. Damit können Entscheidungen sofort in ihren Auswirkungen auf die verschiedenen Arbeitsebenen beurteilt werden. Hilfreich ist auch die Führung und regelmäßige Aktualisierung eines zentralen Kalenders zur Erfassung aller Termine des Gemeindelebens. 1.2.2 Räumliche Situation Die Kirche wurde 2004 - fünf Jahre nach Gründung der Gemeinde - eingeweiht. Der Komplex umfasst die Kirche, eine Werktagskapelle, einen großes Foyer, die Gemeindebüros und die Räume der Religious Education. Die Ausstattung der Räume ist hervorragend und technisch auf dem neuesten Stand. Bemerkenswert ist, dass alle Mitarbeiter/innen im gleichen Bürokomplex arbeiten, so dass eine problemlose Kommunikation untereinander jederzeit möglich ist. Es gibt keine weiten Wege zwischen verschiedenen Räumen und nur eine zentrale Anlaufstelle für Gemeindemitglieder. Die Integration der Religious Education in das Gemeindezentrum ermöglicht eine enge Anbindung an die Kirche und die Gemeinde. 5 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Grundriss der Kirche bzw. Des Gemeindezentrums St. Stephen 6 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Kirche mit Gemeindezentrum St. Stephen 2. Das Gemeindeleben In der Gemeinde existieren unterschiedlichste ministries (am ehesten durch „Dienste“ zu übersetzen), welche in der Gemeinde nach vier Kriterien strukturiert werden. Die wichtigsten Gruppen bzw. Arbeitsfelder werden nachfolgend aufgelistet und einzelne werden kurz erläutert. 2.1 Spiritual Life a) Liturgical Ministries: Liturgy Team Planung besonderer liturgischer Feiern Lectors Ministers of Communion Kommunionhelfer Altar Servers/Adult Altar Servers Messdiener Greeters Begrüßung der Gottesdienstbesucher Ushers 7 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Platzanweiser Arts & Environment Group Kirchenschmuck, Blumen etc. Music Ministry (Praise Band, Choir, Children's Choir...) Mass Coordinators Küsterdienste, Vorbereitung für die Messen Wedding Coordinators Koordinierung aller Absprachen und Vorbereitungen bei Hochzeiten Ministers of Praise Gemeindemitglieder, die ans Haus gebunden sind, beten für konkrete Anliegen der Gemeinde, der Kirche und der Welt b) Formation Ministries: Stewardship Committee Verantwortlich für den Stewardship-Prozess der Gemeinde Spiritual Life Committee Angebote zur Glaubensvertiefung und Spiritualität für Erwachsene RCIA (Rite of Christian Initiation of Adults) Erwachsenenkatechumenat Baptism Preparation Marriage Preparation Rosary Group Rosenkranz-Gebetsgruppe 2.2 Youth Education and Formation Religious Education Da es auf Grund der Trennung von Staat und Kirche keinen Religionsunterricht an staatlichen Schulen gibt, hat jede kath. Gemeinde eine eigene Religious Education. Die Rel. Ed. in St. Stephen unterrichtet 1250 Kinder und Jugendliche in 8 Altersstufen in ca. 100 Klassen. Die Klassen umfassen jeweils ca. 12-15 Kinder. Es gibt ca. 150 ausschließlich ehrenamtlich arbeitende Katechet/inn/en/Lehrer/innen. Alle Personen, die mit Kindern arbeiten, werden auf ihren Lebenslauf hin überprüft (background check) und müssen einen Trainings-Kurs absolvieren (virtus training) Dies ist eine Vorschrift der Erzdiözese, die u.a. dem Schutz der Kinder gegen sexuelle Übergriffe dient. Die Katecheten haben die Möglichkeit sich über ein Programm der Diözese zu „certified katechists“ ausbilden zu lassen, dies sind aber in St. Stephen nur 8 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park wenige. Eine weitere Ausbildungsmöglichkeit besteht über ein Programm der Region, ansonsten im Rahmen der monatlichen Treffen in der Gemeinde. Die Vorbereitung auf die Erstkommunion (mit ca. 8 Jahren) und die Firmung (mit ca. 13 Jahren) erfolgt im Rahmen der Rel. Ed. Die größte Herausforderung ihrer Arbeit sieht die Leiterin darin, über die Kinder auch die Familien zu gewinnen. Cardinal-Bernardin-School St. Stephen ist gemeinsam mit drei anderen katholischen Gemeinden der Region Träger der Cardinal-Bernardin-School. Die Schule ist wie alle kirchlichen Schulen rein privat finanziert. Dies erfolgt durch Elternbeiträge (ca. 3.500 US$ jährlich) sowie durch Fundraising. Aus der Gemeinde St. Stephen besuchen nur 135 Kinder die Schule. Dies liegt u.a. am guten Niveau der Öffentlichen Schulen und dem relativen hohen Elternbeitrag. TGIF (Teens Growing in Faith) Jugendgruppen Children Liturgy of the Word Kinderwortgottesdienst parallel zur Messfeier Scouts Pfadfinder 2.3 Human Concerns Elizabeth Ministry Engagement für junge Mütter und deren Familien St. Vincent de Paul Society Gruppe mit caritativem Arbeitsansatz, Unterstützung von Personen/Familien in Notsituationen (Mietzahlungen, Kreditraten...), eher symptomorientierte Einzelhilfe, Finanzierung durch Kollekten und Spenden Peace and Justice Committee Engagement für soziale Fragen, wie z.B. Obdachlosigkeit, Einwanderung etc. Pastoral Care Ministers Mitglieder dieser Gruppe überbringen die Krankenkommunion nach Hause oder ins Krankenhaus. Darüber hinaus können hilfsbedürftige Senioren verschiedenste Dienste in Anspruch nehmen, die von Ehrenamtlichen erbracht werden: Besuche, Hilfe im Haushalt, Begleitung bei Arztbesuchen etc. HOPE Employment Support Unterstützung bei Arbeitslosigkeit Bereavement Ministry Trauerbegleitung SWIFT (South West Interfaith Team) 9 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Mitglieder sind Vertreter verschiedener christlicher Gemeinden, jüdischer Gemeinden und einer muslimischen Gemeinde. Ziel ist das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen der einzelnen Religionsgemeinschaften. Es werden Veranstaltungen für Mitglieder aller Religionsgemeinschaften vorbereitet (z.B. Dinner mit dem Thema „Unsere Feiertage“, Picknick für Familien). 2.4 Parish Life Seniors Young@Heart Men's Club Council of Catholic Women Welcoming Commitee Die Mitglieder sind zuständig für die Vorbereitung der Begegnung bei Kaffee und Keksen nach dem Gottesdienst. PATH Ministry (People Acting Together with Homes) Gemeindemitglieder (insbesondere inaktive) werden besucht, ihnen werden aktuelle Informationen zum Gemeindeleben ausgehändigt und sie zur Beteiligung am Gemeindeleben eingeladen. Dazu werden die Adressen der registrierten Gemeindemitglieder erfasst, deren Umschläge sich nicht bei der wöchentlichen Kollekte wiederfinden. Ziel ist, mit möglichst allen Gemeindemitgliedern in Kontakt zu bleiben bzw. den Kontakt zurückzugewinnen. Autumn Fest Committee Vorbereitung des jährlichen Gemeindefestes 3. Das Gemeindekonzept – Stewardship Das Wort Stewardship ist schwierig ins Deutsche zu übersetzen. Dort, wo es sich im englischen Bibeltext findet, wird es im Deutschen mit „Amt“, „Auftrag“ oder „Mitverantwortung“ wiedergegeben. Die bestmögliche Übersetzung ist m.E. der Begriff Mitverantwortung. 3.1 Der spirituelle Ansatz Stewardship ist ein ursprünglich aus der evangelischen Kirche der USA stammendes pastorales Konzept, das auch in der katholischen Kirche Verbreitung gefunden hat. Nachdem in den 80er Jahren das Stewardship-Konzept stärker 10 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park unter dem Aspekt des finanziellen Engagements der Gläubigen stand2, hat insbesondere das Hirtenschreiben der amerikanischen Bischofskonferenz zum Thema Stewardship von 1993 den spirituellen Ansatz dieses Konzeptes in den Mittelpunkt gerückt. Stewardship bedeutet „the power to change how we understand and live out our lives“3. Stewardship geht von der spirituellen Grundannahme aus, dass Gott Ursprung und Quelle allen Lebens, aller menschlichen Talente und materieller Güter ist. Alles, was Menschen besitzen, kommt letztlich von Gott - niemand besitzt etwas aus sich selbst: Leben, Gesundheit, Beziehungen, materielle Güter... Dieser Grundhaltung entspricht Dankbarkeit gegenüber dem, was ich bin und habe: für meine Zeit, meine Talente, meine materiellen Güter (time/talent/ treasure). Daraus wiederum ergibt sich ein verantwortungsvoller Umgang mit dem mir Gegebenen. Dies impliziert, dass ich diese Güter in gerechter Weise mit anderen teile bzw. einen Teil vom dem, was mir gehört „zurückgebe“ an Gott, d.h. ich teile meine Zeit, meine Fähigkeiten und meine finanziellen Ressourcen und bringe diese ein zum Wohl anderer. „As Christian stewards, we receive God’s gifts gratefully, cultivate them responsibly, share them lovingly in justice with others, and return them with increase to the Lord“.4 Stewardship dient so zunächst dem persönlichen spirituellen Wachstum und der Umsetzung eines christlichen Glaubens in den Alltag. Ein Mitglied des Stewardship-Committees in St. Stephen formulierte es so: „Stewardship is a new life-style“. Immer wieder wird auch die biblische Grundlegung von Stewardship in Altem und Neuem Testament betont. Beispielhaft sei hier auf eine Stelle im 1. Petrusbrief verwiesen, die häufig bei der theologischen Grundlegung von Stewardship ins Spiel kommt, so auch als biblisches Leitwort des genannten Hirtenwortes der amerikanischen Bischöfe. Dort heißt es: „As each one has received a gift, use it to serve one another as good stewards of God’s varied grace.“ „Da jeder eine von euch eine Gabe erhalten hat, nutzt diese, um einander zu dienen als gute Verwalter der reichhaltigen Gnade Gottes!“5 Ein weiterer theologischer Zugang kann aus dem Verständnis der Eucharistie hergeleitet werden. Das Teilen der Gaben entspricht dem Brechen des eucharistischen Brotes. „Was wir mit dem (eucharistischen) Brot tun, das tun wir mit dem Leben und mit der Zeit, den Talenten und den materiellen Güter, die Gott uns gegeben hat. Eucharistie ist kein isoliertes Tun, sondern ein liturgisches Symbol, wie wir das Leben sehen und Gott verstehen.“6 2 Stewardship, A Practical Guide for Pastoral Leaders, National Catholic Stewardship Council, 1997, S. 4 3 Stewardship - A Disciples Response, National Conference of Catholic Bishops, 1993, S.1 4 Stewardship, A Practical Guide for Pastoral Leaders, S. 9 5 1 Petr 4,10 6 Rev. Michael B. Raschko, Archdiocese of Seattle, Theological Reflection on Sacrificial Giving, 11 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park 3.2 Das Gemeindeprofil St. Stephen verfügt - wie die meisten katholischen Gemeinden - über ein mission statement, ein Profil, welches u.a. immer auf der ersten Seite des Gemeindebriefes zu finden ist. Hintergrund für die Notwendigkeit einer klaren Profilbildung ist die Situation, dass amerikanische Gemeinden stärker als in D in Konkurrenz zu anderen Gemeinden stehen (natürlich auch zu anderen nicht-kirchlichen Angeboten). Eine Reihe von Gemeindemitgliedern berichteten mir, dass sie verschiedene Gemeinden bzw. Gottesdienste besucht haben und sich am Ende dann für St. Stephen entschieden haben. Dabei wurden durchaus auch nichtkatholische Gemeinden mit in die Wahl genommen. Die Pastoral in amerikanischen Gemeinden muss stärker als bei uns davon ausgehen, dass Menschen die Wahl haben und diese auch praktizieren. Gemeinden konkurrieren um Mitglieder und die hauptamtlichen Mitarbeiter/innen entwickeln von daher eher die Sicht von Gemeindemitgliedern als Kunden. Dies bedeutet für die Gemeinden die Notwendigkeit ein eigenständiges Profil zu entwickeln und zu praktizieren. Die Gemeinde St. Stephen wurde von Beginn an mit Hilfe des StewardshipKonzeptes aufgebaut, so dass das mission statement von St. Stephen auf dem Stewardship-Konzept basiert: „St. Stephen Parish is a Catholic community of faith striving to witness to the Gospel. Our Baptism and Confirmation calls us to bring Christ's love to our families, our work places, and our community. Grateful for Gods gifts, we seek to nurture those gifts and give back to the Lord by sharing our time, talent, and material treasure. In all of our parish activities, we seek to develop a personal relationship with the Lord who directs our lives and a vision that sees the world with the eyes of Christ and leads to a commitment to justice. We seek a sense of unity in Christ that leads us to be an open and welcoming people and a sense of joy in being graced by the gifts of God’s love.“ „Die Pfarrgemeinde St. Stephen ist eine katholische Glaubens-Gemeinschaft die danach strebt, das Evangelium zu bezeugen. Unsere Taufe und Firmung ruft uns auf, die Liebe Christi in unsere Familien, an unsere Arbeitsplätze und in unsere Gemeinschaft zu tragen. Dankbar für die Gaben Gottes, versuchen wir diese Gaben zu fördern und dem Herrn davon etwas zurückzugeben, indem wir unsere Zeit, unsere Talente und unsere finanziellen Mittel teilen. In allen unseren Gemeindeaktivitäten versuchen wir eine persönliche Beziehung zum Herrn zu entwickeln, der unser Leben leitet und eine Sichtweise zu entwickeln, die die Welt mit den Augen Christi wahrnimmt und uns zum Engagement für Gerechtigkeit führt. Wir streben nach der Gemeinschaft in Christus, die uns dazu führt, offene www.archchicago.org/departments/stewardship_dev/stewardship.shtm 12 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park und gastfreundliche Menschen zu sein und nach der Freude, mit den Gaben der Liebe Gottes beschenkt zu sein.“ 3.3 Stewardship und Gemeindeaufbau (Stewarship of time and talent) Stewardship zielt darauf, möglichst viele Menschen in den Aufbau und die Aktivitäten der Gemeinde einzubeziehen. Es dient dem Aufbau und der Ermöglichung der gemeindlichen Arbeit durch Gewinnung und Einbeziehung von ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen für die unterschiedlichen Aufgabenfelder. Dies führt in St. Stephen zu einer großen Zahl verschiedener „ministries“ (Dienste bzw. Aufgabenfelder der Gemeinde s.o. 2), in denen haupt- und vor allem eine große Zahl ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen tätig sind. Dieses Engagement entspricht oft der Einstellung „I am owner of the parish“ („Ich bin Teilhaber der Gemeinde“). Gemeinde ist für die engagierten Mitarbeiter/innen nicht in erster Linie Dienstleistungserbringer, sondern Raum zur Verwirklichung spiritueller Praxis und gemeindlicher Projekte. Stewardship ist also nicht zuerst ein Finanzierungsprogramm, auch wenn es oft in dieser Weise (miss)verstanden wird. Stewardship dient dem Aufbau einer lebendigen Gemeinde, das finanzielle Engagement der Mitglieder ist Konsequenz dieses Einbezogen-Seins in die Gemeinde. „When people give their time and talent the money will follow“ - ein oft gehörter Satz in St. Stephen. Dieses Ziel des Gemeindeaufbaus durch Einbezug möglichst Vieler in die Gemeindearbeit bedeutet wiederum, alle Bereich gemeindlichen Lebens attraktiv zu gestalten, damit Menschen sich angesprochen fühlen. Stewardship ist nicht eine Aktivität neben anderen, sondern durchdringt alle Bereiche pastoraler Arbeit. In einer Untersuchung der Stewardship-Abteilung der Erzdiözese Chicago wurden folgende Indikatoren abgefragt, die für eine Stewardship-orientierte Gemeinde wichtig sind: Welcoming Spirit, Vibrant Liturgy, Prayerful Presence and Faith Formation, Children’s Stewardship, Ministries and Volunteers, Communication, Leadership and Organization. Welche Aspekte von Stewardship in St. Stephen eine Rolle spielen und wie diese umgesetzt werden, dazu im Folgenden einige Anmerkungen: 3.3.1 Welcoming Eine wichtige Voraussetzung, um Engagement und Zeit von Menschen zu gewinnen ist, dass eine Gemeinde als „welcoming“ erfahrbar ist, dass Menschen sich angenommen und beheimatet fühlen, dass Gemeinde als gastfreundlich erlebt wird. Dies ist ein Grundzug gemeindlicher Existenz, den ich in St. Stephen immer wieder gespürt habe. Hierzu einige Beispiele: 13 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Die Registrierung der Gemeindemitglieder dient der Gemeinde zur Erfassung ihrer Mitglieder, zur Gewinnung derer Adressen und ist offizielle Aufnahme in die Gemeinde. Zweimal monatlich sonntags nach einer Messe und viermal wöchentlich an verschiedenen Tagen besteht die Möglichkeit der Registrierung für neue Gemeindemitglieder. Diese Registrierung ist in St. Stephen weit mehr als nur ein administrativer Akt. Es gibt einen warmherzigen Empfang der neuen Gemeindemitglieder, verbunden mit dem Überreichen von Unterlagen über die Gemeinde, einem Kreuz als Geschenk, sowie der Erläuterung der StewardshipSpiritualität und einer Einladung zur Teilnahme an Gottesdienst und Gemeindeleben. Auch die Bitte nach finanzieller Beteiligung wird ausgesprochen. Zeitweilig beinhaltet die Registrierung auch eine Führung durch die Kirche. Zu einer Vermittlung eines Gefühls der Beheimatung gehört auch eine ansprechende Liturgie, dazu in einem eigenen Punkt (3.3.2) mehr. Wichtig ist auch die Erreichbarkeit bzw. der unkomplizierte und einfache Kontakt zu den hauptamtlichen Mitarbeiter/innen, die Atmosphäre in den Gemeinderäumen etc. In St. Stephen ist bspw. das Gemeindebüro/-zentrum nicht nur tagsüber, sondern auch abends durch Mitarbeiter/innen besetzt, die Besucher empfangen, Auskunft geben etc. Registrierung neuer Gemeindemitglieder 3.3.2 Liturgie Auffallend ist hier zunächst die große Zahl der Sonntagsgottesdienste und die Beteiligung daran. Einschließlich der Vorabendmesse am Samstag werden in St. Stephen 5 Eucharistiefeiern in englischer Sprache gehalten, hinzu kommt eine Messe in polnischer Sprache. Der Anteil der Gottesdienstbesucher liegt deutlich höher als in Deutschland, der Prozentsatz beträgt ca. 35% der registrierten Gemeindemitglieder. Es gibt eine große Zahl ehrenamtlicher Dienste rund um den Gottesdienst. Greeters sind für die Begrüßung der Gottesdienstbesucher zuständig, ushers weisen Plätze an, sammeln die Kollekte ein, sorgen für den ordnungsgemäßen Ablauf des Kommuniongangs und verteilen nach den Gottesdiensten den Gemeindebrief. Die Mitarbeiter/innen des Welcoming-Teams sind für die Vorbereitung und Durchführung der Begegnung bei Kaffee und Keksen nach dem 14 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Gottesdienst zuständig. Da immer unter beiderlei Gestalten kommuniziert wird, gibt es in jeder Messe eine große Anzahl von Kommunionhelfer/innen. In Regel ist ein Diakon beteiligt. In der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste gibt es eine große Vielfalt. Der „normale“ Gottesdienst wird von Gitarren, Klavier, Keyboard begleitet. Daneben kommen die (elektronische) Orgel, sowie die Praise-Band und verschiedene Chöre zum Einsatz. Die Liturgie ist klar am vorgegebenen Ritus orientiert, aber wirkt insgesamt sehr ansprechend und zugewandt. Auf eine Sonntagsgottesdienst in St. Stephen ansprechende Predigt wird viel Wert gelegt. Nach den Gottesdiensten begrüßen die Priester und Diakone in der Vorhalle der Kirche die Besucher persönlich und es entsteht ein Raum, um ins Gespräch zu kommen und zu verweilen. Neben den Eucharistiefeiern an Sonn- und Feiertagen wird jeden Tag eine Werktagsmesse gefeiert, die inzwischen so viele Besucher anzieht, dass diese in der Kirche und nicht in der dafür vorgesehenen Werktagskapelle stattfindet, Begegnung nach dem Gottesdienst da diese dafür zu klein geworden ist. 3.3.3 Spiritualität Gemeinde ist ein Ort, wo Menschen ihre Spiritualität erleben und praktizieren können. Neben der Feier der Gottesdienste gibt es in St. Stephen verschiedene Angebote der Glaubenserneuerung bzw. -vertiefung (z.B. Bibelkurse, Besinnungstage, Gemeindemission). Auffallend ist, dass selbstverständlicher als in deutschen Gemeinden das Gebet ein fester Bestandteil aller Treffen (staff-meeting, committee-meetings etc.) in der Gemeinde ist. Dabei reicht die Spannweite von vorformulierten Gebeten über freiformulierte durch den/die jeweiligen Leiter/in (das ist die Regel) bis hin zu freien Bitt- oder Danksätzen aller Teilnehmer/innen. In der Religious Education ist das gemeinsame Beten in den einzelnen Klassen am Anfang bzw. Ende ebf. üblich und es war für mich erstaunlich, wie sicher und selbstverständlich die jeweiligen Katechet/inn/en das frei formulierte Gebet praktizieren. 15 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Auch im Gebet spielt der spirituelle Ansatz der Dankbarkeit gegenüber dem mir Gegebenen eine große Rolle. 3.3.4 Öffentlichkeitsarbeit Um Menschen zu gewinnen ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar. St. Stephen verfügt über eine sehr ansprechende Internetpräsentation (www.ststephentinley.com), über die Gemeindemitglieder einen ersten Eindruck von der Gemeinde bekommen oder aktuelle Informationen erhalten können. Die Möglichkeit per E-mail Kontakt zur Gemeinde aufzunehmen wird von sehr vielen Gemeindemitgliedern in Anspruch genommen. Das wöchentlich erscheinende Parish-Bulletin ist aufwendig im Mehrfarbdruck erstellt. Es wird nach den Gottesdiensten am Wochenende an alle Besucher verteilt. Finanziert wird es vollständig über abgedruckte Werbeanzeigen auf den letzten Seiten. Das Einwerben der Anzeigen sowie Layout und Druck erfolgen über eine Firma, die Gemeinde muss lediglich zu einem bestimmten Termin ihre Texte und Informationen eingeben. Die Redaktion erfolgt über ein ehrenamtlich arbeitendendes Gemeindemitglied. 3.3.5 Parish Council Das Parish Council (vergleichbar einem Pfarrgemeinderat), das ebenfalls einer stärkeren Einbindung von Ehrenamtlichen in die Arbeit der Gemeinde dient, ist in der Gemeinde St. Stephen noch im Aufbau. Geplant ist die Bildung von 4 Kommissionen, in die die einzelnen Gemeindegruppen Vertreter entsenden. Die Kommissionen repräsentieren jeweils einen Bereich des Gemeindelebens (s.o.: Spiritual Life, Youth Education and Formation, Human Concerns, Parish Life) . Vertreter der vier Kommissionen wiederum bilden das Parish Council, das im Wesentlichen folgende Aufgaben wahrnehmen soll: Einbeziehung der einzelnen ehrenamtlichen Gruppen in die Leitung der Gemeinde, Evaluation der Gemeindesituation, Entwicklung einer Gemeinde-Vision (Konzept), Festlegung von Zielen und Prioritäten für die Arbeit der Gemeinde. Dabei geht es nicht um Vorgaben für einzelne Gruppen, sondern um strategische Planung mit spezifischen, messbaren, überprüfbaren, ergebnisorientierten Zielen. 3.4 Stewardship of Treasure Stewardship beinhaltet natürlich auch das finanzielle Engagement der Gemeindemitglieder. Da es keine Kirchensteuer o.ä. in den Vereinigten Staaten gibt, müssen die Gemeinden selbst die finanziellen Mittel für ihre Arbeit aufbringen. St. Stephen verfolgt dazu das Konzept einer einzigen sonntäglichen Kollekte als Haupteinnahmequelle. Diese beläuft sich im Durchschnitt auf monatlich 96.000 US$ incl. bargeldloser Zahler, dies entspricht jährlich ca. 1.152.000 US$. Dazu werden quartalsweise allen registrierten 16 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Gemeindemitgliedern Umschläge für die Kollekte der folgenden Sonntage zugeschickt. Die Umschläge sind mit Name und Adresse des Gemeindemitgliedes versehen, so dass darüber erfasst werden kann, wer wie viel beiträgt. Am Jahresende können dann entsprechende Spendenquittungen ausgestellt werden. Die Weihnachts- und Osterkollekten werden zusätzlich erfasst und betragen ca. 150.000 US$. Weiterhin existieren pledges, dies sind regelmäßige Zahlungen zur Finanzierung bestimmter Zwecke, z.B. Finanzierung von Kircheninventar oder Teilen des Gemeindezentrums. Die Elternbeiträge für die Rel.Ed. liegen bei 145.000 US$ und decken damit in etwa die Ausgaben in diesem Bereich. Weitere Einnahmen sind das Autumn-Fest, ein großes Fundraising-Event mit Sponsored-Walk, Casino, Bewirtung, Musik und weiteren Aktivitäten, welches ca. 35.000$ einbringt. Die Einnahmen aus Beerdigungen (125,-US$), Hochzeiten (200 US$) und Taufen (kein fester Betrag) liegen bei ca. 30.000 US$ jährlich. Zusätzlich gibt es Gemeindegruppen (z.B. Men’s Club, Women’s Club), die kontinuierlich Fundraising-Aktivitäten durchführen, die verschiedenen Zwecken der Gemeindearbeit zu Gute kommen. Die Hauptausgaben sind die Löhne für die Angestellten der Gemeinde mit 550.000,- US$ sowie die Rückzahlungen des Hypothekendarlehens incl. Zinsen mit 612.000,- US$. In St. Stephen wurden die Mittel für den Bau der Kirche von der Diözese geliehen und müssen monatlich mit Zins und Tilgung zurückgezahlt werden. Ein entscheidender Punkt für die Bereitschaft finanziellen Engagements ist die Tatsache, dass alle wesentlichen finanziellen Vorgänge transparent gemacht werden. Dies geschieht bspw. dadurch, dass monatlich im Gemeindebrief die jeweiligen Kollekteneinnahmen und die monatlichen Ausgaben publiziert werden. Das Financial Planning Committee ist für die Aufstellung und Kontrolle des Haushaltes zuständig, ein Business-Manager erledigt die laufenden finanziellen Geschäfte. Wichtig im Stewardship-Konzept der Gemeinde von St. Stephen ist, dass an erster Stelle die Gewinnung von time and talent der Gemeindemitglieder steht. Das finanzielle Engagement ergibt sich sozusagen automatisch daraus. Umgekehrt trägt das finanzielle Engagement wiederum zur Bindung an die Gemeinde bei: „Giving money means ownership of the parish“. Wer Geld beiträgt, wird zum „Teilhaber“ der Gemeinde. Im Rahmen der Finanzierung der Gemeinden über Spenden kommt natürlich die Frage auf, wie es sich mit Gemeinden verhält, die von der Bevölkerungsstruktur 17 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park her nicht über hohe Spendeneinnahmen verfügen. Ein Instrument mit dieser Situation umzugehen, ist die Einrichtung von sharing parishes, einem bistumsweiten Modell, nach dem ärmere Gemeinden von finanziell besser gestellten Gemeinden unterstützt werden. St. Stephen unterstützt seine sharing parish jährlich mit einem Betrag von 14.000 US$. Einige Bemerkungen möchte ich noch zum Thema Sponsoring und Fundraising machen. Beim Thema Sponsoring gibt es deutlich weniger Berührungsängste als das in Deutschland (noch) der Fall ist. So gab es bspw. für das diesjährige Autumn-Fest in St. Stephen einen Hauptsponsor (eine ortsansässige Autofirma), sowie weitere Sponsoren, die insgesamt ca. 14.000US$ zur Durchführung des Festes Sponsoren-Banner zum Autumn-Fest 2006 beigetragen haben. Die Gegenleistung der Gemeinde bestand in einem großflächigen Banner mit den Sponsorennamen, das während des Festes im Festzelt aushing, sowie der Möglichkeit für die Sponsoren an einem eigenen Tisch Werbematerialien auszulegen. Die Autofirma platzierte zusätzlich Fahrzeuge zu Werbezwecken vor dem Zelt. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin ist für den Kontakt zu den Sponsoren zuständig. Diese Form der Mittelgewinnung ist für amerikanische Verhältnisse selbstverständlich. Was das Fundraising angeht, so war für mich bemerkenswert, dass in der Gemeinde St. Stephen nicht viele unterschiedlichste Fundraising-Instrumente zum Einsatz kommen, wie dies in den USA und auch in anderen Gemeinden durchaus üblich ist, sondern das Konzept einer einzigen sonntägliche Kollekte als Haupteinnahmequelle verfolgt wird. Die bis vor kurzem noch existierenden Zweitkollekten wurden bis auf wenige Ausnahmen aufgegeben, die Zwecke, für die diese vorgesehen waren, werden mit einem prozentualen Anteil aus der einen Hauptkollekte mitfinanziert. Hier scheint ein Umdenken zu erfolgen: „We will not nickel and dime people to death.“ („Wir wollen die Leute nicht ausquetschen.“). Fundraising muss sich an den Möglichkeiten der Menschen orientieren und sie nicht an allen möglichen Stellen des Gemeindelebens mit der Frage nach finanziellem Engagement konfrontieren. Dies kann auch kontraproduktiv sein. 18 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Auf der anderen Seite finden sich in anderen Bereichen natürlich eine große Bandbreite verschiedener Instrumente des Fundraising, so z. B. in der Finanzierung der katholischen Cardinal-Bernardin-School (s.o.), die mit Verlosungen, Versteigerungen, einem Dinner-Dance, dem Verkauf von Zeitschriften-Abonnements mit Gewinnbeteiligung, einem Sponsored Walk, dem Einkauf über bestimmte Firmen mit Beteiligung etc. verschiedenste Methoden der Mittelbeschaffung praktiziert. Ein weiteres Beispiel für ein Fundraising-Event war ein Gala-Dinner im MariottHotel zugunsten eines Programms für polnische Priesteramtskandidaten, die in einem Priesterseminar in Chicago in die amerikanische Sprache und Kultur eingeführt werden, um anschließend in der Diözese Chicago als Priester zu arbeiten. Die Tickets für das Essen beliefen sich auf 150,- US$, es nahmen ca. 350 Personen am Dinner teil. Anwesend waren u.a. alle Weihbischöfe der Erzdiözese. Hauptprogrammpunkte waren Ansprachen, die Bekanntgabe der Namen und die Ehrung von Großspendern. Ergänzt wurde das Ganze durch eine Versteigerung verschiedener gespendeter/gesponserter Artikel (Kunstgegenstände, Schmuck, Gutscheine....). Immer wieder bin ich bei der Beschäftigung mit dem Thema Fundraising auf elementare Aspekte gestoßen, wie z.B.: „People want to give, you just have to ask them“ („Man muss die Leute fragen, dann geben sie auch.“) Zuerst muss der Wert vermittelt werden, der hinter dem Projekt/der Einrichtung steht, dann kann ich nach Geld fragen (im Falle der katholischen Schule ist der Wert die christliche Erziehung der Kinder). Denn: „Where your heart is, there goes your money.“ Es ist wichtig die Leute gut zu informieren und an die Einrichtung zu binden, z.B. über einen regelmäßig erscheinenden Newsletter. Ein weiterer ganz wichtiger Grundsatz heißt: Danke sagen! 3.5 Stewardship-Renewal Wesentliches Element eines Stewardship-Prozesses ist ein regelmäßiges Renewal, d.h. eine Auffrischung und Erneuerung des Stewardship-Anliegens mit dem Ziel, Rechenschaft über die Gemeindeaktivitäten zu geben, vorhandenes Engagement zu stärken und Menschen neu für ein Engagement zu gewinnen. Dazu findet in St. Stephen einmal im Jahr ein „Stewardship-Renewal“ statt. An drei aufeinanderfolgenden Wochenenden ist Stewardship das Thema in den Gottesdiensten und den anschließenden Aktivitäten. 19 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Am ersten Wochenende war die Stewardship-Spiritualität das Thema der Gottesdienste. Am zweiten Wochenende gab es witness-talks, d.h. engagierte ehrenamtliche Mitarbeiter/innen berichteten im Gottesdienst von ihrem Engagement und ihrer persönlichen Motivation. Das dritte Wochenende stand ganz unter dem Thema Finanzen. Ein Mitglied des Financial Planning Committees gab einen detaillierten Bericht zur finanziellen Situation der Gemeinde im Gottesdienst und es wurde zum weiteren finanziellen Engagement aufgerufen. Präsentation eines Teils der Gemeindegruppen Wesentliches Element des Stewardship-Renewals war die Präsentation der Gemeindegruppen und -aktivitäten (ministries). Dabei stellten sich an den drei Wochenenden je ein Drittel der ministries im Kirchenfoyer vor. Die einzelnen Vertreter/inne/n präsentieren ihre Arbeit und warben um Mitarbeit. Interessierte konnten sich in ausliegenden Listen für ein Engagement in dem jeweiligen Bereich einschreiben. Insgesamt stellten sich 35 Gruppen bzw. Aktivitäten an den drei Wochenenden vor. 27 davon konnten neue Mitarbeiter/innen gewinnen. Insgesamt schrieben sich 119 Personen für ein Engagement ein, wovon 52 sich zum erstenmal in St. Stephen für eine Mitarbeit entschieden. 4. Einige Herausforderungen aus amerikanischer Sicht Im Folgenden möchte ich einige Aspekte nennen, die nach Einschätzung von Priestern oder Gemeindemitgliedern zu den größten Herausforderungen für die Pastoral in amerikanischen Gemeinden gehören: 4.1 Gemeindeübergreifende Arbeit Eine gemeindeübergreifende Arbeit bzw. eine pastorale Kooperation gibt es im Dekanat, zu dem St. Stephen gehört, kaum. Ausnahmen sind Gruppen wie SWIFT (s.o.), die vom Charakter ihrer Arbeit auf einen größeren Raum zielen. Es gibt ein regelmäßiges Treffen der Pfarrer des Dekanates, zu dem von Zeit zu Zeit auch die Kapläne eingeladen werden. Es dient dem Informationsaustausch, der Diskussion gemeinsamer Fragen und der Beziehungspflege, ist aber kein Gremium der Kooperation in Bezug auf pastorale Arbeit. Diese wird aber z.B. angesichts 20 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park sinkender Priesterzahlen auch für die amerikanische Pastoral zumindest im ländlichen Bereich eine stärker werdende Notwendigkeit. 4.2 Pastorales Personal Der Großteil des Priesternachwuchses in der Erzdiözese Chicago kommt heute nicht von Kandidaten, die aus der eigenen Diözese stammen, sondern aus anderen Teilen der Welt, insbesondere aus Polen und den mittelamerikanischen Ländern. Es gibt für die nicht-amerikanischen Anwärter eigene Seminare, um diese in die amerikanische Sprache und Kultur einzuführen. Herausforderung ist dabei die Integration des ausländischen Klerus, um nicht polnische oder andere Ausprägungen des Katholizismus in die USA zu importieren. Es stellt sich die Frage, ob der Einbezug ausländischer Priester auf Dauer eine zukunftsfähige Lösung darstellt, wenn Berufungen aus der eigenen Diözese ausbleiben. Eine weitere Herausforderung in diesem Zusammenhang ist die stärkere Einbeziehung von hauptamtlichen Laien und hier insbesondere auch von Frauen in den pastoralen Dienst. 4.3 Ethnische Vielfalt Durch die ethnische Vielfalt bedingt, werden Gottesdienste in Chicago in verschiedensten Sprachen gefeiert (z.Zt. in der Diözese in 21 verschiedenen Sprachen). In St. Stephen gibt es an den Wochenenden eine polnische Messe, die von Besuchern aus dem Umland frequentiert wird. Die Meinungen dazu gehen in der Gemeinde auseinander, von ungeteilter Zustimmung bis hin zu der Position, dass die polnischen Zuwanderer sich stärker integrieren und die „normalen“ englischsprachigen Gottesdienste besuchen sollten. Die Frage der Integration ist insgesamt ein zentrales Thema, dem ich immer wieder begegnet bin. Die Kernfrage ist, in wie weit man die einzelnen Ethnien durch muttersprachliche Angebote anspricht, damit aber Gefahr läuft, eigenständige geschlossenen Milieus entweder innerhalb der Gemeinden oder ganze in sich abgeschlossene ethnisch definierte Gemeinden aufzubauen. 4.4 Säkularisierung Die auch vor der amerikanischen Gesellschaft nicht haltmachende Säkularisierung und der Einfluss der Werte einer Wohlstandsgesellschaft (Materialismus, Individualismus, Konsumismus...) auch auf die Mitglieder der Kirchen, stellt eine immer größere Herausforderung dar. Von daher müsste das Thema Evangelisierung stärker in den Mittelpunkt der kirchlichen Arbeit rücken. 21 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park 5. Amerikanische Gemeinden – ein Modell für deutsche Pastoral? Zunächst einmal muss festgehalten werden, dass ein einfacher Import oder eine Übertragbarkeit von pastoralen Konzepten aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland so nicht möglich ist. Die liegt am unterschiedlichen kulturellen Hintergrund, und an historischen Entwicklungen sowie Traditionen, die nicht einfach übersprungen werden können. Das Stewardship-Konzept hat zwar in den letzten Jahren eine deutliche Verschiebung in Richtung einer spirituellen Ausrichtung erfahren, ist aber dennoch nicht zu trennen von der Tatsache, dass es der Mobilisierung finanzieller Ressourcen dient, da die Kirchen in den USA nicht über ein Kirchensteuersystem verfügen. Dies macht eine Übertragung als Ganzes schwierig. Dennoch gibt es viele Ansatzpunkte, die auch im Hinblick auf die Pastoral in Deutschland von Interesse sind. 5.1 Profilbildung Dass ein klares Gemeindeprofil in amerikanischen Gemeinden nicht nur formuliert, sondern oft auch erlebbar ist, hängt u.a. damit zusammen, dass eine größere Vielfalt verschiedener Gemeinden und Denominationen und damit auch eine größere Konkurrenz existiert. Eine Gemeinde muss klar benennen, wofür sie auch in Abgrenzung zu anderen Gemeinden - steht und welche Schwerpunkte gemeindlichen und spirituellen Lebens Menschen hier erwarten können. In Deutschland ist eine solche Profilbildung auf dem Hintergrund der volkskirchlichen Struktur bisher nicht notwendig gewesen. Jede Gemeinde hat mehr oder weniger das gleiche Angebot bereit gehalten. Doch z.Zt. erleben wir massive Umstrukturierungsprozesse in den deutschen Bistümern, die dazu führen, dass nicht mehr alle Gemeinden ihr gesamtes gemeindliches Leben aufrecht erhalten können bzw. Pastoral im herkömmlichen Sinn nicht mehr flächendeckend möglich ist. Dies führt zu Zusammenschlüssen von Gemeinden, zu „Gemeinschaften von Gemeinden“ oder zu Fusionen von Gemeinden. Dieser Abschied von einer Pastoral, wo jeder alles tut, macht jetzt aber die Notwendigkeit deutlich, klarer zu profilieren, wofür eine Gemeinde oder ein kirchliches Angebot steht. So ist innerhalb einer Gemeinschaft von Gemeinden denkbar, dass jede der Gemeinden einen speziellen Schwerpunkt hat, der nur dort so zu finden ist (Jugendkirche, Familienangebote, besondere musikalische Angebote, spezielle Formen der Liturgie...). Damit ist dann aber die Notwendigkeit verbunden, ein solches Angebot klar zu profilieren und nach außen deutlich hervorzuheben. Damit wäre gleichzeitig der Tatsache Rechnung getragen, dass sich heute in der 22 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park deutschen Gesellschaft eine Ausdifferenzierung der Milieus vollzieht, die ein spezifisches Angebot für die einzelnen Zielgruppen notwendig macht.7 5.2 Welcoming Die Tatsache, dass amerikanische Gemeinden sich stärker um ihre Mitglieder bemühen müssen und ihnen das Gefühl von Beheimatung ermöglichen, hängt natürlich auch damit zusammen, dass nur eine starke Bindung der Mitglieder an die Gemeinde auch ein finanzielles (Über-)leben der Gemeinde möglich macht. Aber auch wenn in Deutschland diese Notwendigkeit (bisher) so nicht gegeben ist, so gibt es doch andere Gründe, warum Kirche sich auch hier stärker darum bemühen sollte, gastfreundlich zu sein und Menschen anzusprechen. Kirchliche Angebote stehen heute mehr und mehr in der Konkurrenz um die Zeit der Menschen. Die Art und Weise, wie Kirche sich und ihre Angebote präsentiert, ist für Menschen relevant bei ihrer Entscheidung, was sie mit ihrer Zeit anfangen. Ein reichhaltiges Angebot von Kulturveranstaltungen, von Sportvereinen, von anderen spirituellen Angeboten oder sonstigen Freizeitangeboten stellt eine Konkurrenz zu kirchlichen Angeboten dar. Ein Element, das ohne weiteres auch in deutschen Gemeinden umzusetzen wäre, ist die persönliche Begegnung nach den Gottesdiensten. Pfarrer oder andere Hauptamtliche, die nach dem Gottesdienst nicht in der Sakristei verschwinden, ein freier Raum im hinteren Teil der Kirche zur Begegnung, eine Tasse Kaffe oder Tee mit ein paar Keksen, all dies sind einfach umzusetzende gastfreundliche und gemeinschaftsstiftende Elemente, die auch uns gut täten. Ein weiterer Aspekt ist eine attraktive Öffentlichkeitsarbeit, die auch moderne Medien wie das Internet einbezieht. Gerade die jüngere Generation nimmt heute in der Regel über dieses Medium Informationen und Kontakte auf. Dazu gehört natürlich auch eine Erreichbarkeit über E-Mail. Auch ein ansprechender Gemeindebrief, evt. auf der Ebene eines Gemeindeverbundes, finanziert durch Werbeeinnahmen, kann für unsere Öffentlichkeitsarbeit hilfreich sein. Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die Frage nach der Erreichbarkeit von Ansprechpartnern in unseren Gemeinden/Gemeindeverbünden. Durch die zunehmende Reduzierung von Personal in den Kirchengemeinden ist die Erreichbarkeit von Ansprechpartnern schwieriger geworden. Dies aber ist ein zentraler Punkt, wenn es um Gastfreundschaft und Bindung geht. Hier wäre ein neues Nachdenken über die Frage notwendig, in wie weit gemeinsame zentrale Gemeindebüros mit entsprechender personeller Ausstattung auf der einen Seite 7 vgl. Milieuhandbuch, Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005. 23 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park und ehrenamtliche Ansprechpartner gerade in kleineren Gemeinden auf der anderen Seite zu einer besseren Erreichbarkeit beitragen können. 5.3 Ehrenamtlichkeit Im Stewardship-Konzept spielt die Gewinnung und Begleitung ehrenamtlicher Mitarbeiter/innen eine große Rolle. Menschen zu motivieren, etwas von ihrer Zeit und ihren Talenten in die kirchliche Arbeit einzubringen erfordert aber auch entsprechende Rahmenbedingungen. Dazu gehört zunächst eine gezielte und planvolle Werbung um Ehrenamtliche, wie sie z.B. in St. Stephen während der Stewardship-Renewal-Wochenenden praktiziert wurde. Eine Präsentation der Aktivitäten, eine Darstellung der möglichen Mitwirkungsmöglichkeiten und die persönliche Präsenz von Ansprechpartnern ist eine attraktive Form der Gewinnung von neuen Mitarbeiter/innen. Dazu gehört auch, dass Art und zeitlicher Umfang der Tätigkeit genau festgelegt ist und dargestellt wird, damit der Einzelne weiß, wofür er sich entscheidet und nicht das Gefühl hat, gleich für alle möglichen Aufgaben vereinnahmt zu werden. Dies kann z.B. über gezielte Ausschreibungen im Gemeindebrief erfolgen, die eine genaue Darstellung der Tätigkeit sowie den dazu nötigen Zeitumfang enthalten. Eine kompetente hauptamtliche Begleitung ehrenamtlicher Arbeit trägt ebf. viel zu einem Rahmen bei, der es Menschen erleichtert, sich zu beteiligen. Hierbei denke ich an gut vorbereitete und moderierte Planungs- und Reflexionstreffen oder die Bereitstellung von Informationen und Materialien. Weiterhin habe ich in St. Stephen erlebt, dass Ehrenamtliche in der Zusammenarbeit mit Hauptamtlichen in ihrer Meinung ernstgenommen wurden und deren Voten in den betreffenden Gremien nicht nur erfragt, sondern auch in den entsprechenden Entscheidungen berücksichtigt wurden. Eine Wertschätzung für ehrenamtliches Engagement drückt sich auch in entsprechenden Formen des Dankes aus. In St. Stephen war dies in diesem Jahr ein großes Frühstück für die Ehrenamtlichen mit ihren Familien. 5.4 Spiritualität Auf die Selbstverständlichkeit, mit der das freie Gebet an verschiedenen Stellen praktiziert wird, habe ich bereits weiter oben hingewiesen. In wie weit der unverkrampfte Umgang damit auch eine Frage der unterschiedlichen Mentalität ist, ist zu berücksichtigen, wenn man nach der Übertragbarkeit fragt. Dennoch täte uns etwas mehr Mut gut, das Gebet selbstverständlicher in unsere kirchlichen Aktivitäten zu integrieren und auch freiere Formen auszuprobieren, ohne Druck auszuüben oder Menschen das Gefühl zu geben, ihr Innerstes nach Außen 24 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park kehren zu müssen. Letztlich geht es um ein Bewusst-Werden dessen, was Grund aller Aktivitäten einer Gemeinde ist. Dabei kann die Spiritualität, die dem Stewardship-Konzept zu Grunde liegt, durchaus hilfreich sein. 5.5 Fundraising und Sponsoring In der derzeitigen finanziellen Situation vieler deutscher Bistümer ist das Nachdenken über neue Formen der Finanzierung von kirchlicher Arbeit geradezu ein Muss. Dabei sollten auch Formen des Fundraising für gezielte Projekte kirchlicher Arbeit in den Blick genommen werden. Dabei ist es wichtig, die Werte, die hinter einem Projekt oder einem Bereich kirchlicher Arbeit stehen, in den Vordergrund zu stellen. Menschen engagieren sich finanziell oder auf andere Weise, wenn sie diese Werte teilen und sie auch erleben können. Daher steht am Beginn eines erfolgreichen Fundraising auch die Verdeutlichung des Profils (s.o.). Denn das Profil einer Gemeinde oder eines Projektes transportiert diese Werte und gibt Orientierung darüber, was Menschen dort finden können. Wenn Menschen sich mit ihren Werten dort wiederfinden, sind sie auch bereit, sich zu engagieren. Im Vordergrund muss also der potentielle Spender und seine Werte stehen, nicht der finanzielle Bedarf eines Projektes. Eine ehrenamtliche Mitarbeiterin der Gemeinde, die stark in der Mittelbeschaffung engagiert ist, sagte mir: „Fundraising means helping people fulfilling their wishes“. Hier gibt es sicher einen Nachholbedarf in unseren Kirchen, was professionelle Konzepte von Fundraisingstrategien angeht. Dass dies immer notwendiger wird, zeigen die vielen Fördervereine, die z.Zt. gegründet werden, und die dazu beitragen sollen, dass kirchliche Einrichtungen oder Kirchengebäude eine Zukunft haben. Beim Sponsoring von kirchlichen Projekten oder Veranstaltungen stellt sich bei uns sehr schnell die Frage, ob damit nicht die Gefahr der Vereinnahmung oder Abhängigkeit von Firmen oder anderen Geldgebern gegeben ist. Diese Frage ist sicher berechtigt. Aber auch hier ist zu überlegen, in wie weit Kooperationen mit Unternehmen, die für ähnliche Werte stehen wie solche, die auch in einer christlichen Gemeinde Geltung haben, nicht für beide Seiten von Nutzen sein können. Dabei ist sicher viel Fingerspitzengefühl von Nöten. 6. Kritische Anfragen Am Ende möchte ich auch einige Aspekte benennen, die aus Sicht der deutschen Kirche auf die amerikanische Pastoral kritisch zu betrachten sind. Es sind 25 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park Aspekte, die auch Inhalt interessanter Gespräche mit dem Gemeindepfarrer waren. Das derzeitige Konzept der Pastoral, wie ich es erlebt habe, ist noch sehr stark auf die Rolle des Pfarrers als Verantwortlichem für alle Bereiche gemeindlichen Lebens fixiert. Weder gibt es eine verfasste Mitverantwortung ehrenamtlicher Laien wie z.B. in unseren Pfarrgemeinderäten, noch eine ausgeprägte Existenz hauptamtlicher pastoraler Laiendienste. Auch die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden ist kaum entwickelt. In so fern ist die Frage zu stellen, ob z.B. angesichts der auch in den USA zurückgehenden Zahlen von Priestern dieses System zukunftsfähig ist. Ein weiterer Aspekt ist die Frage, in wie weit das System der Finanzierung der gemeindlichen Arbeit ausschließlich durch Spenden verhindert, dass neben der Spendenbereitschaft für die eigene Gemeinde soziale oder weltkirchliche Belange, die über den Tellerrand der eigenen Gemeinde hinausgehen, auch genügend Berücksichtigung finden. Eine ausgeprägte Arbeit im Bereich weltweiter Gerechtigkeit oder die Existenz von Partnerschaften in Länder der sog. Dritten Welt habe ich nicht wahrnehmen können. Dies bezieht sich nicht nur auf Spenden, sondern insgesamt auf die Frage des Bewusstseins für globale Gerechtigkeit als genuines Anliegen christlicher Gemeinde. Das Konzept des Fairen Handels mit der „Dritten Welt“ war bspw. in der Gemeinde völlig unbekannt. Ein damit zusammenhängender Aspekt ist ein für mich kaum erkennbares Bewusstsein, dass auch Fragen der „Bewahrung der Schöpfung“ Inhalt einer christlichen Spiritualität sein sollten. Obwohl gerade das Stewardship-Konzept die Mitverantwortung für andere in den Mittelpunkt rückt, ist die Frage der Verantwortung für kommende Generationen im Sinne eines nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen dieser Erde nicht so recht im Blick. Mengen von Plastikmüll auf kirchlichen Veranstaltungen, intensive Nutzung des Autos oder fehlendes Bewusstsein für einen energiesparenden Lebensstil sind auch Herausforderungen für eine glaubwürdige Stewardship-Spiritualität. 7. Schlussbemerkung Zum Schluss möchte ich allen danken, die am Zustandekommen des Projektes „CrossingOver“ mitgewirkt und auch für mich persönlich zu einer wertvollen Erfahrung beigetragen haben: 26 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Lehrstuhl für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit der Universität Bochum unter der Leitung von Professor Dr. Wilhelm Damberg, den offenen und sehr gastfreundlichen Menschen in der Praktikumsgemeinde, den kompetenten Begleitern und Referenten der Reflexionsgespräche in der Diözese Chicago und nicht zuletzt dem Sponsor dieses Projektes, ohne den eine Realisierung sicher nicht möglich gewesen wäre. 27 „Giving back my gifts to the Lord: Stewardship – a christian life style“ Erfahrungsbericht St. Stephen, Deacon and Martyr, Tinley Park