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0 HINWEISE FÜR BENUTZER DER WERKMAPPE „DEN AUFBRUCH GESTALTEN“ Die Werkmappe will den Weg zu einer Pastoralvereinbarung in den Gemeindeverbünden bis zur Errichtung einer neuen Pfarrei und darüber hinaus begleiten. Die verschiedenen farbigen Seiten der Mappe zeigen die unterschiedlichen Inhalte an, die es auf diesem Weg zu beachten gibt. Am Anfang finden sich Anregungen, die helfen können, die Situation in den Gemeindeverbünden anzuschauen, Stärken und Schwächen zu entdecken und eine ehrliche Analyse vorzunehmen auf den weißen Seiten. Nach und nach folgen weitere Inhalte. Grundsätzliche Erwägungen, die bei der Entstehung der Pastoralvereinbarung zu bedenken sind, finden sich auf den hellblauen Seiten. Geistliche Anregungen und spirituelle Impulse sind auf den gelben Seiten zusammengetragen. Hilfen, die bei der Findung von Leitgedanken, Zielen und Schwerpunkten geeignet sind, finden sich auf den cremefarbigen Seiten. Andere Anregungen, die z.B. für die Umsetzung der Ziele und Schwerpunkte sowie für die Ausgestaltung eines verbindlichen „Formulars“ bis hin zum Modell einer formulierten Pastoralvereinbarung selbst bedeutsam sein können, werden zu gegebener Zeit hinzugefügt werden. Die unterschiedliche farbliche Gestaltung soll dazu dienen, die verschiedenen Aspekte, die beim Entstehen einer Pastoralvereinbarung unverzichtbar sind, wahrzunehmen und zu beachten. 1 WERKMAPPE ZUR ENTWICKLUNG EINER PASTORALVEREINBARUNG GELEITWORT Liebe haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pastoral, das „Herzstück“ künftiger Gemeindeverbünde und Pfarreien ist die Pastoralvereinbarung. Sie soll nicht überstürzt zwischen den Beteiligten getroffen werden. Dafür muss Zeit sein: Zeit zu geistlicher Erneuerung und zur Nachdenklichkeit. Zeit zur Rückschau und zur Reflexion. Zeit, um neue Ziele zu entdecken. Zeit, um Wege zu finden, die zu gesteckten Zielen führen. Diese Werkmappe „Pastoralvereinbarung“, die wir vom Seelsorgeamt aus anbieten, stellt deshalb nicht das Formular für eine Vereinbarung an den Anfang, sondern sie bietet zunächst methodische und inhaltliche Schritte an, die zum „Herzstück“ führen. Auch die formulierte Pastoralvereinbarung, die dem Bischof vor der Errichtung des Gemeindeverbundes zur Pfarrei vorgelegt werden soll, ist kein „Endpunkt“. Die Pastoralvereinbarung setzt sich Ziele und gibt Schwerpunkte an, die sich in der Praxis entfalten. Regeln zur Überprüfung sind Bestandteil der Vereinbarung. Im Leitbild des PZG heißt es: „Wir wollen allen Menschen Anteil an der Hoffnung geben, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Seine Botschaft verheißt den Menschen „das Leben in Fülle“, auch dann, wenn die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.“ Im Laufe des PZG-Prozesses ist die Überlegung gereift, dass wir als „Kirche mit einer Mission einladend, offen und dialogbereit in die Zukunft gehen.“ • • • • • Die Christen sollen befähigt werden, authentisch von ihrem Glauben sprechen zu können. Es soll sich eine Pastoral entwickeln, die sich Menschen zuwendet, die der Kirche fern stehen. Es gilt, die Feierkultur der Gottesdienst-Gemeinde zu intensivieren. Das diakonische Engagement innerhalb des Gemeindeverbundes soll gestärkt werden. Ökumenisches Miteinander soll sich auf allen Ebenen ereignen können. Mit diesen Vorhaben im Herzen kann sich eine sinnvolle Pastoral entwickeln. Für die konkrete Vereinbarung wird dann zur gegebenen Zeit ein modellhaftes Formular innerhalb dieser Werkmappe angeboten. Wir vom Seelsorgeamt möchten mit dieser Werkmappe keine fertige Handreichung herausgeben, sondern durch unterschiedliche Anregungen die Schritte zu einer Pastoralvereinbarung begleiten. Ich bin dankbar, dass sich Frauen und Männer aus der pastoralen Praxis gefunden haben, die an der Entwicklung dieser Werkmappe mitarbeiten. Ich hoffe, dass unter zu Hilfenahme der einzelnen Beiträge in den Gemeinden mit ihren verschiedenen Gruppen und Gremien eine pastorale Vereinbarung wachsen kann. Ulrich Lieb, Ordinariatsrat Leiter der Hauptabteilung Pastoral 2 HINWEISE ZUM AUFBAU DER MAPPE Die Werkmappe gliedert sich in zwei große Teile. Der erste Teil, der vorliegt, steht unter der Überschrift: Die Situation anschauen. Hier geht es vor allem um drei Schritte:1 • Die „harten Fakten“ (Katholikenzahl, Personal-Finanzentwicklung, Anzahl der Kinder etc.) im Gemeindeverbund. • Geistliche Deutung dieser Situation. Aus dem Umgang mit der Trauer (bzw. der Angst, Wut, Resignation etc.) kann sich der Blick weiten für die Chancen, die in den Veränderungen liegen. • Die einzelnen Gemeinden bringen ihr eigenes Profil und ihre Spezifika in den Gemeindeverbund ein, um sich gegenseitig zu bereichern. Der zweite Teil wird bei der Suche nach Zielen helfen und Anregungen zur Umsetzung in die Praxis geben (Arbeitsblätter hierzu erscheinen ab Frühjahr 2006). Wie ein roter Faden zieht sich das Anliegen geistlicher Erneuerung durch diese Werkmappe. Ganz besonders ist als „Begleitliteratur“ das Buch von Reinhard Körner zu empfehlen: „Die Zeit ist reif“2. Ein Modell, das als Vorlage für die Pastoralvereinbarung gelten kann, ist im Laufe des Jahres zu erwarten. 1 Vgl. die Broschüre Den Aufbruch gestalten. Erste Schritte: Auf dem Weg zu neuen Pfarreien im Bistum Magdeburg, S. 17. 2 R. Körner, Die Zeit ist reif. Fünf Schritte zu einem neuen Christsein, Leipzig: Benno-Verlag 2005. 3 INHALTSVERZEICHNIS Geleitwort OR Ulrich Lieb 1 Hinweise zum Aufbau der Mappe 2 Analyse der Situation unserer Gemeinden und des Gemeindeverbundes Magnus Koschig 4 Trauerbaum, Hoffnungsbaum Peter Brause 6 Schatzsuche Beate Heutger 12 Texte zum Kyrie Magnus Koschig 13 Einen Psalm gestalten Ansgar Schmidt CMF 15 „Wasser aus dem Felsen“. Gemeindeverbünde: Befürchtungen und Chancen. Bibelarbeit Annette Schleinzer 17 Arbeiten mit einem Polaritätenprofil Magnus Koschig 20 Urgemeinde – Gemeinde heute Arbeitsblätter Ansgar Schmidt CMF 22 Weitere Anregungen Ermutigungen aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil Impulse aus der Begegnung mit Madeleine Delbrêl 26 28 4 ANALYSE DER SITUATION UNSERER GEMEINDEN UND DES GEMEINDEVERBUNDES Den Mut, Veränderungen anzupacken wird nur der aufbringen, der den momentanen Zustand für nicht mehr hinnehmbar hält. Daher ist es eine wichtige Voraussetzung für die anstehenden Veränderungsprozesse, die kirchliche und gesellschaftliche Situation wahrzunehmen und die Zeichen der Zeit zu verstehen. Die Tabellen laden Sie ein, an Hand der jährlichen Statistik die gegenwärtige Situation der Gemeinden des Gemeindeverbundes wahrzunehmen. Wenn sich die Gemeinden noch nicht mit den harten Fakten ihrer Situation auseinandergesetzt haben, empfiehlt es sich, nach einheitlichen Kriterien die Situation der letzten Jahre zu betrachten. Die folgende Tabelle ist zunächst von den Einzelgemeinden auszufüllen. Dann folgt die Zusammenstellung im Gemeindeverbund. Ziel ist es nicht, Konkurrenzsituationen aufzubauen, sondern gemeinsam auf Chancen und Risiken zu schauen. Deshalb sollten bei jeder Auseinandersetzung mit den Zahlen folgende Fragen eine wichtige Rolle spielen: - Was nehmen wir wahr? Was sagen uns die Zahlen über die Herausforderungen vor denen wir stehen? Welche Ressourcen und welchen Schwachstellen haben wir? Welche Fragen ergeben sich für uns, wenn wir diese Zahlen im Licht des Glaubens betrachten? Was würde Jesus uns sagen, wenn er mit uns auf diese Zahlen blickt? Was würde er an unserer Stelle tun? In einem zweiten Schritt empfiehlt es sich, Eckpunkte unserer gesellschaftlichen Situation wahrzunehmen: Vor welchen Herausforderungen stehen die Gemeinden angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen? Welche Ermutigungen erfahren wir? An welchen Stellen sind Menschen ansprechbar für die christliche Botschaft? Wo arbeiten wir mit anderen christlichen Gemeinden zusammen, um auf die Fragen unserer Zeit adäquate Antworten zu finden? 5 Gemeinde/ Gemeindeverbund 2001 2002 2003 2004 Katholikenzahl GD-Besucher1 Taufen Erstkommunionen Trauungen Bestattungen Austritte Eintritte Wiederaufnahmen Σ Kollekten2 Σ Einnahmen3 1 Durchschnitt aus den Zahlen vom Frühjahr und vom Herbst 2 Summe der Kollekten, die in der Gemeinde verbleiben 3 Summe aus den Spenden und den Einnahmen der nicht Kirchensteuerpflichtigen Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz Tel. 0345 / 202 15 29 koschig@gmx.de 6 TRAUERBAUM, HOFFNUNGSBAUM3 1. Vorbemerkung Jedes Mal, wenn ich Kummer habe, Lied: Eine Hand voll Erde gehe ich an einen Ort, wo mein Trauerbaum steht. Wenn ich dorthin gehe, fühle ich mich wie dieser Baum. Seine Äste sind gebrochen wie mein Selbstvertrauen. Sein Leben ist gestorben wie mein Glück. Er steht ganz einsam umher, 2. Auf der Erde kannst Du stehen, stehen, weil der Grund dich hält. Und so bietet Dir die Erde einen Standpunkt in der Welt. In die Erde kannst Du pflanzen pflanzen einen Hoffnungsbaum und er schenkt Dir viele Jahre einen bunten Blütentraum. genauso wie ich. Der Trauerbaum ist mein bester Freund, er versteht meine Gefühle. Nur Trauerbäume weinen nicht, so wie ich – manchmal!4 REF: |:| Eine Hand voll Erde schau sie Dir an. Gott sprach einst: Es werde. Denke daran. |:|5 M. Heusinger Mit diesen beiden Texten, in wenigen Minuten aus dem Internet recherchiert, könnte die methodische Einheit „Trauerbaum, Hoffnungsbaum“ als ein Vorbereitungsschritt zu einer Pastoralvereinbarung eigentlich sogleich abgeschlossen werden. 3 Der römische Dichter Ovid erzählt von dem Knaben Kyparissos, der den heiligen Hirsch der Nymphen zu reiten vermochte. Doch eines Tages traf er den Hirsch bei der Jagd mit einem Speer und der heilige Hirsch starb. Darüber war der Knabe so untröstlich, dass er beschloss, selbst zu sterben, da er in seinem Leben keinen Sinn mehr zu erkennen vermochte. Der Gott Apollo, der den Knaben liebte, verwandelte ihn in eine Zypresse, denn der Knabe wollte auf ewig trauern. Im Gegensatz dazu symbolisiert die immergrüne Zypresse auch die Hoffnung auf die Unsterblichkeit, weshalb sie häufig in und bei Friedhöfen im mediterranen Raum angepflanzt wird. 4 Die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 8 H-Bereich – der Erweiterten Realschule Wellesweiler – setzten sich im Religionsunterricht mit dem Thema: „Einsamkeit ist schön!?“ auseinander. Quelle: http://www.esheftche.de/ausgabe035/erw/trauerbaueme.html (28/09/2005) 5 Text R. Bäcker, Musik: Detlev Jocker. Aus: „Heut’ ist ein Tag, an dem ich singen kann“, MenschenkinderMusikverlag, Münster. 7 Wer diese beiden Texte versteht, findet in seinem Kopf und in seinem Herzen mit Sicherheit geeignete methodische Wege zur Umsetzung des Teilschrittes „Chancen und Befürchtungen“ für die Arbeit in den Gemeinden. Insofern wollen die folgenden Überlegungen als Anregung verstanden werden, in der je eigenen Situation der Gemeinden einen Weg der Umsetzung zu finden. 2. Anmerkungen zum Gegenstand Der Blick auf die veränderten und die sich verändernden Realitäten im Bistum Magdeburg ist zunächst rein kognitiv. Viele Menschen erkennen und verstehen Realitäten und sind in der Lage, sachlich die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Ihr Herz aber lässt sich nicht mit Bestandsaufnahmen und Argumenten überzeugen. Das Herz „arbeitet“ langsamer als der Verstand; es kann sich oft nicht einfach abfinden. Es verlangt nach eigenen Wegen der Verarbeitung. 3. Adressaten Die Methode des Trauerbaums/Hoffnungsbaums eignet sich im Prinzip für jede Gemeindegruppe ab dem Jugendalter – sofern der Blick auf die Realitäten bereits erfolgt ist. 4. Ziele 4.1 Vertieftes Wahrnehmen der Gegebenheiten Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden angeregt, Ängste und Sorgen in Hinblick auf die Veränderungen des Gemeindelebens zu formulieren. Sie schreiben beispielsweise: „Wut/Sorge um weite Wege.“ oder „Was wird aus unserem traditionellen Gemeindefest?“ 4.2 Ermutigung durch den Blick auf die Chancen Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ermutigt, ihre Hoffnungen mit Blick auf die entstehenden Gemeindeverbünde zu reflektieren. Sie formulieren z. B.: „Eine größere Gottesdienstgemeinde motiviert mich.“ oder: „Ob ich Menschen meines Alters in der größeren Gruppe der Gemeindeverbünde kennen lerne?“ 4.3 Austausch über Trauer und Hoffnung Die Glieder der Gemeinde werden befähigt, in ihrer je persönlichen Situation und Selbstwahrnehmung, in Austausch untereinander zu treten. Gemeindemitglieder schreiben Ängste und Visionen auf Moderationskarten, die von anderen Gemeindemitgliedern gelesen werden. 4.4 Trauer und Hoffnung vor Gott bringen Gemeindemitglieder werden in die Lage versetzt, die Gestaltung der Gemeindeverbünde nicht als „rein weltlichen“ Prozess zu verstehen, sondern diesen auch als Auftrag für eine lebendige Gemeinde vor Gott zu verstehen. Die Ergebnisse der Methode werden in unterschiedlicher Weise in Gottesdienste einbezogen. 5. Methodische Entscheidungen Der oder die Vorbereitenden entscheiden sich zunächst für eine Gruppe, die am Trauerbaum, später am Hoffnungsbaum, arbeitet. Diese Gruppe sollte eine Vorstellung von den „harten Fakten“ der bisherigen Singulärgemeinde haben. Die Teilnehmerinnen und 8 Teilnehmer erhalten nach einem Impuls sog. Moderationskarten (z. B. Halbkarton in einer Farbe mit einem Format zwischen DIN-A6 und DIN-A5) und Stifte. Der Arbeitsauftrag lautet: „Schreiben Sie in Stichworten je eine Befürchtung, einen Anlass für Trauer, Resignation oder Wut in Hinblick auf das Entstehen unseres Gemeindeverbundes auf eine Karte auf!“ Diese Karten werden von den Teilnehmenden selbstständig an einem Trauerbaum angebracht. Variation 1: Vorbereitete Stellwände mit einem großen Plakat, dessen Form die Silhouette eines Baumes hat. Nadeln Variation 2: Ein echter Baum, z.B. eine junge Birke. Die Anbringung erfolgt mit Fäden, die durch die dann gelochten Karten gezogen werden, an den Zweigen. Je nach Gruppe können die Stichworte auf den Karten von einem Moderator oder einer Moderatorin vorgelesen werden oder die Teilnehmenden erhalten eine Lesepause, in der sie eigenständig die Stichpunkte lesen. Fakultativ können die Gruppenmitglieder aufgefordert werden zu erzählen, was sie aufgeschrieben haben und warum sie dieser Punkt bewegt. Möglichkeiten der Rückfrage, allerdings nicht der Diskussion(!), können bei Bedarf eröffnet werden. Diese erste Teileinheit wird mit einem frei gesprochenen Gebet abgeschlossen. Es ist denkbar, die Methode parallel in verschiedenen Gemeindegruppen einzusetzen: Arbeitsgemeinschaft der Kirchenvorstände, Gemeindeverbundsräte, Ministrantengruppen, Familienkreise, Liturgiekreise, Seniorengruppen – ggf. sogar die Gottesdienstgemeinde – einzusetzen und so einen immer weiter ergänzten Baum zu erhalten. Im Anschluss, je nach Situation vor Ort auch beim nächsten Treffen, entsteht in gleicher Weise ein Hoffnungsbaum. Dabei sollten andersfarbige Karten verwandt werden. Der Arbeitsauftrag lautet: „Welche Chancen sehen Sie im Entstehen unseres Gemeindeverbunds?“ Wichtig ist, dass die entstehenden Bäume kirchenöffentlich zugänglich sind. Sie sind in der Entstehungsphase z.B. im Gemeindehaus für die Gruppen zugänglich und werden dann in die Kirche gebracht. Um auch in dieser Phase weitere Ergänzungen zu ermöglichen, werden weitere vorbereitete Kärtchen, Stifte und Befestigungsmaterial auch in der Kirche in Nähe der Bäume oder Stellwände zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse dieser Einheit werden Fragestellungen hierzu könnten sein: gesichert und ausgewertet. Hilfreiche 9 a) Welche Rückschlüsse auf unser bisheriges Gemeindeprofil ergeben sich aus den formulierten Ängsten und Hoffnungen? b) Welche Punkte werden genannt, die bei der Vorbereitung des konkreten Gemeindeverbunds noch nicht ausreichend Beachtung gefunden haben? Ein Vergleich der Ergebnisse aus den bisherigen Singulärgemeinden bringt weitere Aufschlüsse. Es ist ratsam, die Ergebnisse so zu sichern, dass ein Rückgriff darauf zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Die so dokumentierten Ängste und Hoffnungen werden im Gottesdienst aufgegriffen. Besonders eignen sich hier Umsetzungen im Kyrie und in den Fürbitten. Auch das Formulieren von Trauer-Psalmen, Dank-Psalmen, Hoffnungs-Psalmen ist möglich.6 6. Medien (Auswahl) Ginkgo Bei der Explosion der Atombombe August 1945 in Hiroshima und Nagasaki kamen etwa 300.000 Menschen zu Tode. Auch die Tier und Pflanzenwelt schien durch Feuer und Strahlung völlig vernichtet. Aber im Frühling 1946 sproß aus einem schwarz verkohlten Stamm in Hiroshima frisches Grün hervor. Und heute steht dort ein stattlicher Baum, von den Japanern gepflegt und verehrt als Zeichen der Hoffnung im Inferno. - Mk 4, 30-32: Gleichnis vom Senfkorn - Lk 13, 6-9: Gleichnis vom Feigenbaum - Röm 5,1-11: Die Hoffnung der Glaubenden Welche außerordentliche Pflanze hatte der Zerstörung getrotzt? Es war ein Ginkgo biloba, ein "Fächerblattbaum", chin. "Goldfruchtbaum", engl. "maiden hair tree", dän. "Tempeltræ" wohl der älteste Baum auf Erden. Seine Ursprünge reichen 250 Millionen Jahre zurück. Nahe Verwandte der heutigen Art wuchsen im Tertiär wie Fossilienfunde beweisen auf der ganzen nördlichen Halbkugel, von Italien bis Grönland ebenso wie im fernen Ostasien. Aber nur dort haben sie als eine Art lebendes Fossil 7 überdauert. 6 Da Gemeindegruppen aktiv an der Entstehung des Trauer- und des Hoffnungsbaums teilgenommen haben, bietet sich hier eine gute Basis, mit ihnen zusammen liturgische Texte zu formulieren. 7 Quelle: http://www.as.citynetz.com/ausgaben/html/as46/text/001-99r.html (28/09/05). 10 Gedicht einer erkrankten Frau: an Multiplen Sklerose Der Baum der Hoffnung! So klein und zart sind deine Äste, so klein und zart die Hoffnung war. Du stehst allein die Wurzel feste, du wächst ganz langsam in dem Jahr. Ich hoffe nur, man lässt dich stehen, vielleicht, die Nadel sind so zart. Der Winter kommt und wird sie quälen, Der Sturm macht dich dann nur noch hart. Doch kommt der Frühling und die Sonne, du reckst dich weiter in die Höhe. Die Hoffnung klein doch eine Wonne, ein zarter Hauch nur, wie eine Böe. Du solltest leben, solltest wachsen, das war unser beider Traum. Für unsere Zukunft sollst du wachsen, für dich du wirst ein großer Baum. Der Hoffnungsbaum wird uns zeigen, es war doch nichts umsonst geschehen. Wohin auch immer unsere Wege leiten, der Hoffnung werden wir entgegengehen. Der Traum von Zukunft musste weichen, die Hoffnung aber immer bleibt. Das Bäumchen soll uns stets begleiten, 8 im Traum in unserer schönsten Zeit. Der Baum der Hoffnung Irgendwo zwischen dem Leben und Tod fand ich dich als ein winzig aufgehender Keim, mit bloßen Händen grub ich, nach Atem ringend, tief und tief in die Erde hinein und setzte ich dich mit deinen Wurzeln ein. Dem toten Leib haucht man keine Seele ein, sagten sie, verbrauch nicht deine Zeit umsonst damit. Niemals gab ich die Hoffnung auf, doch dafür hielt man mich für einen Narr. Du wirst blühen und gedeihen, sagte ich zu mir Die Tage und Nächte verbrachte ich bei dir, Stolz, dem Tode entgegen wuchst du auf, So gewann ich deinen Stolz tief in mein Herz hinein. Es flogen Tage und Wochen, vielleicht ein ganzes Leben, bis an einem Frühlingsmorgen die Erde leicht bebte; es könnten ja auch nur deine Wurzelwellen sein. Deine Wurzeln krochen tief in die Erde hinein, so stehst du heute aufrecht zum Himmel. Wer weiß, welche Träume du damals hattest, als ich dich durstig fand, im Kelch meiner Hände. Ohne Unterschiede wirst du den Menschen Früchte tragen, Falter und Insekten werden dich umkreisen und im Geäst werden die Vöglein in den Nestern piepsen. Du und ich, gemeinsam erlebten wir die Zeiten voller Regengüsse und Schneeflocken, heftige Erdbeben, so standen wir, immer auf den Beinen in Freud und Leid, wie zwei Verliebte Hand in Hand. Ich war du und du warst ich, so fand ich bei dir frohen Lebenssinn, fast immer waren wir uns treu. Mit dir war das Leben schön, das „ich gewordene du“ wuchs stets in meinem Sinn. Dir stand ich mit Geduld zur Seite, dein Unkraut jätete ich aus. Irgendwann an einem frühen Morgen wachte ich auf 9 und nannte dich „BAUM DER HOFFNUNG“. 8 Gedicht einer an Multiplen Sklerose erkrankten Frau: Quelle: http://www.msworld.de/portal/system/forum/reply.php?topic=1763&forum=33&post=8195"e=1 (11/10/04) 11 7. Schlussbemerkung Die vorliegende methodische Handreichung ist „am grünen Tisch“ entstanden. Sie bleibt in Hinblick auf die je eigenen Situationen vor Ort unkonkret. Insofern will sie anregen zum Nachdenken und zum Gestalten. Wenn Sie im Prozess des Nachdenkens und des Gestaltens Gesprächsbedarf haben, melden Sie sich einfach bei: Peter Brause Tel.: 0391 / 5961-126 peter.brause@bistum-magdeburg.de 9 Verfasser unbekannt. Quelle: http://www.pulur.net/siirden/b-hoffnung.htm (28/09/05) 12 SCHATZSUCHE Die neuen Gemeindeverbünde rufen in vielen Gemeindemitgliedern verständliche Skepsis hervor. Anhand dieser Übung soll bewusst werden, dass jeder und jede wichtig ist, eine Gabe mitbringt und eingeladen ist, sich in den neuen Verbund einzubringen. Dieser Arbeitsvorschlag ist eine Ermutigung für Einzelne durch den Blick auf die persönlichen Gaben und Fähigkeiten. Mögliche Zielgruppen: Dekanatskonferenz, Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand, Dekanatsrat, Familienkreise, Gemeindeverbünde. Materialien: Kerze, Bibel, Namen der einzelnen Gemeinden des neuen Verbundes, Kalenderblätter, Postkarten, Fotos, farbige Zettel, Stifte. Ablauf: • Zur Vorbereitung ein Tuch mit einer Bibel in die Mitte des Stuhlkreise legen und die Zettel mit den Namen der Orte des neuen Gemeindeverbunds um die Bibel legen. Kerze neben die Bibel stellen. • Einleitung z.B. durch Rückblick auf das letzte Treffen und die Arbeit mit der Trauer (z.B. dem Trauerbaum). Lied: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“. Während des Liedes die Kerze entzünden als bewusstes Zeichen der Gegenwart Jesu Christi. • Schriftlesung: z.B. Eph 4, 1-8 und 15-16. • Kalenderblätter, Postkarten, Fotos mit verschiedensten Abbildungen im Raum verteilen und die Teilnehmenden (Tln) einladen, sich ein Bild herauszusuchen, das ihre persönliche Hoffnung für den neuen Verbund ausdrückt (evtl. leise meditative Musik im Hintergrund). Anschließend werden die Tln eingeladen, ihre Hoffnungen anhand des Bildes auszudrücken. Jedes gewählte Bild wird dann in einem Kreis um die Orte gelegt. • In einer Gesprächsrunde werden die Tln nun eingeladen, auf das Gehörte einzugehen und Gemeinsamkeiten zu nennen. • Die Tln werden gebeten, auf die farbigen Zettel in großer Schrift das aufzuschreiben, was sie bereit sind in den Verbund einzubringen, bzw. welche Schätze sie anbieten können. Anschließend stellt jeder im Gespräch seine Gabe (seinen Schatz) vor und legt den Zettel gut sichtbar zu seinem Hoffnungsbild. Mögliche Gaben könnten sein: Computerkenntnisse, Bereitschaft, den Fahrdienst zu übernehmen, Mitarbeit in verschiedensten Gruppen, Unterstützung durch Gebet, Übernahme von Besuchsdiensten usw. • Gemeinsam mit der Gruppe noch einmal bewusst alle Gaben, Schätze und Hilfsangebote ansehen und Gott im Gebet für die Vielfalt danken. • Zum Abschluss bietet es sich an, noch einmal das Anfangslied zu singen. Sr. Beate Heutger, Tel. 039386 / 521 83 13 TEXTE ZUM KYRIE Die folgenden Texte eignen sich sowohl für den Gottesdienst als auch an Stelle eines geistlichen Impulses am Beginn oder Ende einer Sitzung von Gruppen und Gremien der Gemeinde bzw. des Gemeindeverbundes. - Angst, Fragen und Zweifel Herr Jesus Christus, um Deinen Altar versammelt, kommen wir mit unseren Ängsten, unseren Fragen und Zweifeln zu Dir und bitten Dich um Dein Erbarmen: Unsere Gemeinde ist kleiner geworden. Nun sollen wir mit den Gemeinden N.N. zu einem Gemeindeverbund zusammenwachsen. Wie soll das gehen? Verlieren wir nicht zuviel? Herr Jesus, vor Dich bringen wir unsere Ängste vor der Zukunft. Kyrie eleison Den geistlichen Berufen fehlt in unseren Breiten der Nachwuchs. Wie kann die Zukunft Deiner Kirche aussehen? Warum lassen sich so wenige Frauen und Männer von Deinem Wort bewegen? Herr Jesus Christus, vor Dich bringen wir unsere Fragen. Christe eleison In unseren Kirchen versammeln sich am Sonntag vor allem ältere Gemeindemitglieder. Wie sieht es mit der Glaubensweitergabe an die kommenden Generationen aus? Machen wir etwas falsch, so dass wir die Kinder und Jungendlichen nicht mehr erreichen? Herr Jesus, vor Dich bringen wir unsere Zweifel. Kyrie eleison Herr Jesus Christus, Du hast uns Dein Erbarmen zugesagt. Öffne unsere Herzen für Deine Gegenwart und schenke uns die Freude der Gemeinschaft mit Dir und untereinander hier und heute in dieser Feier und einst in Deiner Ewigkeit. Amen. - bewegen, anrühren und bestärken lassen Herr Jesus Christus, in deiner Gegenwart kommen wir zur Ruhe; in deiner Liebe wird uns die Schuld vergeben und in deinem Erbarmen öffnen sich uns neue Wege. Deshalb kommen wir zu dir und bitten dich: In diesen Tagen streiten viele über die Strukturveränderungen in unserem Bistum; über die Gemeindeverbünde und über die abnehmenden finanziellen und personellen Möglichkeiten. Wir wollen uns bewegen lassen durch dein Wort zur Mitsorge und Mitverantwortung. Deshalb rufen wir: Herr, erbarme dich. 14 Die anstehenden Veränderungen engen vielfach den Blickwinkel ein. Es geht dann um die eigene Gemeinde, um uns selbst. Der Blick über den Tellerrand fällt schwer. Wir wollen uns anrühren lassen durch deinen Einsatz für die Kleinen und die Schwachen. Deshalb rufen wir: Christus, erbarme dich. Die kleiner werdenden Gemeinden, die fehlenden geistlichen Berufe und die zunehmende Veralterung lassen viele mutlos werden. Resignation und Frustration nisten sich ein. Wir wollen uns bestärken lassen im Engagement für unsere Gemeinden durch diesen Gottesdienst. Deshalb rufen wir: Herr, erbarme dich. Es erbarme sich unser der gnädige Herr. Er nehme von uns, was uns in dieser Stunde belastet und er stärke uns durch seine Gegenwart. Er vergebe uns unsere Schuld und führe uns in der Gemeinschaft aller zum ewigen Leben. Amen. Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz Tel. 0345 / 202 15 29 koschig@gmx.de 15 EINEN PSALM GESTALTEN Die Bildung von Gemeindeverbünden ist für die Mitglieder der betroffenen Gemeinden mit vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden. Vielfach führen die geplanten Veränderungen sogar zu einem „Chaos der Gefühle“. In solch einer Situation kann es hilfreich sein, die Möglichkeit zu geben, die unterschiedlichen Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Die folgende Einheit stellt eine solche Möglichkeit dar. Zielgruppen: Gemeinden ( z.B. bei einer Gemeindeversammlung) - Einzelne Gemeindegruppen ( PGR, KV, Senioren etc.) Hintergrund: In Psalmen haben Menschen ihre (Glaubens-)geschichte und ihre Erfahrungen zum Ausdruck gebracht. Sowohl die Klage wie auch die Zuversicht finden in den Psalmen Raum. In der Form eines Psalms können eigene, aktuelle Erfahrungen von Klage und Vertrauen ausgedrückt werden. Zunächst gilt es, das Schema eines Klagepsalms vorzustellen (vgl. dazu A. Höfer, Ins Leben kommen, S. 19 ff): 1. Anrede: 2. Klage (über die „Feinde“) (über sich selbst) (über Gott) 3. Zuversicht 4. Bitte (Gott) (ich) (Feinde) 5. Lobgelübde Gott, höre mein Gebet! Denn meine Feinde bedrängen mich ich bin elend und verlassen und du bist mir so ferne Ich aber will auf dich vertrauen Wende dich mir zu; rette mich und vernichte meine Feinde Dann will ich dich loben und dir danken! Die Form des Psalms wird im Blick auf Chancen und Befürchtungen in der Phase der Bildung der Gemeindeverbünde aufgegriffen. Plakate mit folgenden Überschriften: 1. Klagen 2. Zuversicht 3. Bitte 4. Lob werden im Raum verteilt. • Die TN gehen von Plakat zu Plakat und schreiben ihre persönlichen Erfahrungen auf die jeweiligen Plakate. • Die Texte können im GD eingebracht werden – als Fürbitte, Dank etc. 16 • Die Plakate können für einige Zeit im Kirchen- oder Gemeinderaum hängen und ergänzt werden. Variante: • Die TN schreiben ihren persönlichen Psalm nach dem oben beschriebenen Schema. • Die einzelnen Psalmen könnten – nach Absprache mit den TN – ausgehängt werden. P. Ansgar Schmidt CFM Tel. 035342 /470 ansgar.schmidt@t-online.de 17 „WASSER AUS DEM FELSEN“ Gemeindeverbünde: Befürchtungen und Chancen Bibelarbeit Mögliche Zielgruppen: PGR bzw.GVR, Gruppen in den Gemeinden. Ziel dieser Einheit: • Sich der eigenen Ängste, Befürchtungen etc. bewusst werden, die im Hinblick auf die strukturellen Veränderungen im Bistum und in der eigenen Gemeinde da sind. • Erfahren, wie sich diese Empfindungen vielleicht verändern, wenn sie der Zusage Gottes ausgesetzt werden, dass es in der Wüste „Wasser aus dem Felsen“ gibt. • Die Chancen entdecken und miteinander teilen, die sich aus der Perspektive „Gemeindeverbünde“ vielleicht ergeben. • • • • • • • Vorbereitung: Für alle Tln ein Blatt mit dem Bibeltext (Ex 17, 1-7). Einen Stuhlkreis bilden. In die Mitte verschiedene Tücher legen: ein grünes Tuch (für Ägypten); ein braunes Tuch (für „Massa und Meriba“); ein blaues Tuch (für den Berg Horeb). Früchte (auf das grüne Tuch legen) Ein Krug mit Wasser und ein Stab (auf das blaue Tuch legen) Eine Kerze in der Mitte. Verschieden farbige Kärtchen. Erster Schritt: Einführung in das Thema • • • Die Situation und Befindlichkeit der Gruppe aufgreifen (PGR-Klausur; Gemeindeabend etc.) Das Thema erläutern: Realität der Gemeinde und des Bistums (Statistik: schwindende Zahlen von Gemeindemitgliedern und Hauptamtlichen; schwindende finanzielle Ressourcen). Geplante bzw. schon beschlossene Veränderungen (Gemeindeverbünde; neue Hauptamtliche; Neuorganisation in vielen Bereichen; Arbeit an Vereinbarungen der Gremien; Weg zu einer Pastoralvereinbarung…). Wie können wir mit dieser Situation fruchtbar umgehen? Wie können wir sie im Glauben deuten und annehmen? Welche Perspektiven gibt es? Bezug zur Bibel herstellen: In der Heiligen Schrift – im AT und NT – werden sehr oft Situationen beschrieben, die mit Umbrüchen und Veränderungen zu tun haben. Ein Beispiel ist das Buch Exodus. Das Volk Israel erfährt sich darin auf einem langen und beschwerlichen Weg in das verheißene Land. Unterwegs sind zahlreiche Durststrecken zu überwinden, es mangelt an Wasser und an Nahrung, es mangelt vor allem auch an 18 Glauben, dass der ganze Weg überhaupt einen Sinn macht. Immer wieder sind Ängste, Zweifel, Sorge, Trauer und Wut zu bewältigen. Immer wieder gibt es darin aber auch die Erfahrung, dass Gott da ist und neue Horizonte eröffnet, wo alles ausweglos zu sein scheint. In dieser Einheit soll es darum gehen, sich einmal mit einer solchen biblischen Urerfahrung auseinanderzusetzen, um dann Impulse und Perspektiven für die eigene derzeitige Situation zu bekommen. Zweiter Schritt: Biblischer Impuls • • • • • • • • Der Text Ex 7, 1-17 wird ausgeteilt. Einleitendes Lied oder Gebet, das den Glauben zum Ausdruck bringt, dass der Herr in unserer Mitte ist, wenn wir miteinander sein Wort hören. Jemand liest den Text laut vor. Um den Text einsickern zu lassen, werden nun in aller Ruhe Worte oder Sätze noch einmal laut wiederholt. Der Text wird noch einmal vorgelesen. In der darauf folgenden Stille (5-10 Minuten) werden die Tln eingeladen, sich zu fragen: Was höre ich? Was spricht zu mir? Was provoziert mich? Wo habe ich Fragen? usw. Die Tln teilen sich gegenseitig mit, was der Text ihnen sagt. Wichtig: sich nicht gegenseitig belehren, nicht diskutieren! Miteinander darüber sprechen, was der Text uns zur aktuellen Situation sagt (Gemeindeverbünde; Veränderungen, die anstehen, Zukunftsängste etc.) – und welche konkreten Schritte daraus folgen könnten. Abschluss mit einem Lied oder Gebet. Zeit: Mindestens 45 Minuten, ggf. auch mehr Gruppengröße: Ca. 10-15 Tln; notfalls in mehreren Gruppen arbeiten. Leitung: Die Leitung erklärt das Vorgehen und achtet darauf, dass die Schritte eingehalten werden. Die Bibelarbeit kann an dieser Stelle abgeschlossen werden. Falls noch mehr Zeit zur Verfügung steht, kann in folgender Weise weiter gearbeitet werden: Dritter Schritt: Befürchtungen und Chancen Die Gestaltung der „Mitte“ mit den Tüchern und Gegenständen wird erklärt: • Das grüne Tuch mit den Früchten steht für „Ägypten“: Das Land, in das sich die Israeliten zurück sehnen, als es unterwegs Schwierigkeiten gibt. Wofür steht dieses Ägypten bei uns? (Nostalgie, Sehnsucht 19 • • nach früheren Zeiten, in denen die Kirchen noch voll waren, in denen es noch hunderte von Kindern in der Gemeinde gab etc….). Das braune Tuch steht für den Ort „Massa und Meriba“ (Probe und Streit): Der Ort, an dem die Israeliten gemurrt haben und sich gefragt haben, ob Gott überhaupt noch da ist in all den Gefahren: Auch da könnte es Parallelen geben zur heutigen Situation… Das blaue Tuch mit dem Wasserkrug und dem Stab steht für den Berg Horeb, aus dem das Wasser herauskommt. Es steht für die unerwartete Zuwendung Gottes in der Not. Welche Perspektiven kann uns das heute eröffnen, wenn wir damit rechnen, dass Gott uns auch heute „Wasser aus dem Felsen“ geben wird? Gespräch in kleinen Gruppen (ca. 30-45 Minuten, ggf. auch länger): • Die Tln bilden kleine Gruppen (ca. 3-7 Personen). • Sie sprechen miteinander darüber, was sie angesichts der Veränderungen belastet, traurig stimmt, was ihnen Angst macht, was sie ärgert. Vielleicht gibt es auch die Sehnsucht „nach früheren Zeiten“… • All diese Empfindungen schreiben sie auf die einen (z.B. gelben) Kärtchen. • Anschließend wird – im Blick auf die Verheißung aus der Schrift – darüber gesprochen, welche Hoffnung die Einzelnen erfüllt und welche Chancen sie deshalb für die Zukunft der Gemeinde sehen (hinsichtlich der Bildung von Gemeindeverbünden und darüber hinaus). • Die Ergebnisse werden auf die anderen (z.B. grünen) Kärtchen geschrieben. Pause Gespräch im Plenum: • Die Mitglieder der Gruppen legen – nacheinander – zuerst ihre gelben Kärtchen auf die Tücher „Ägypten“ oder „Massa und Meriba“ und erklären, was sie geschrieben haben. Nach jeder Gruppe sind Rückfragen möglich. • Danach werden die grünen Kärtchen ebenso auf das Tuch „Wasser aus dem Felsen“ gelegt und erklärt. • Wenn alle Gruppen ihre Karten hingelegt haben, kann sich noch ein gemeinsames Gespräch ergeben, z.B. mit der einleitenden Frage: Was geht mir durch den Sinn, wenn ich das jetzt sehe? Welche Konsequenzen erkenne ich für mich, für uns als PGR, als Hauptamtliche, als Gruppe… - für unsere Gemeinde? Abschluss mit einem Text, einem Gebet, einem Lied. OR Dr. Annette Schleinzer Tel. 0391/ 5961-196 annette.schleinzer@bistum-magdeburg.de 20 ARBEITEN MIT EINEM POLARITÄTENPROFIL Wenn unterschiedliche Gemeinden zusammen kommen, treffen unterschiedliche Vorstellungen vom jeweils anderen aufeinander. In der Regel geschieht dies durch eine „Überkreuzwahrnehmung“. D.h. ich nehme vom anderen zunächst nur die negative Seite einer Eigenschaft, eines Charakters wahr. Der andere ist dann nur konservativ und nicht auch verlässlich; er ist nur chaotisch und nicht auch flexibel. Um miteinander über solche Zuschreibungen ins Gespräch zu kommen, kann es hilfreich sein, mit einem Polaritätenprofil (s. nächste Seite) zu arbeiten. 1. Schritt: In den jeweiligen Einzelgemeinden erstellen die Gruppen und Gremien ein Profil der eigenen Gemeinde: Wie sehen wir unsere Gemeinde? Sind wir eher... ? Dieses Profil kann in einer Gemeindeversammlung abgeglichen werden, denn es ist anzunehmen, dass die unterschiedlichen Gruppen und Gremien unterschiedliche Wahrnehmungen der Gemeinde haben. Die Diskussion über diese Wahrnehmungen verhilft zu einem besseren Bewusstwerden der eigenen Situation. 2. Schritt Wenn die Gemeinden einander schon etwas kennen, empfiehlt es sich ein Profil der anderen Gemeinde zu stellen. Wie sehen wir die Gemeinde X? Ist die eher ... ? 3. Schritt Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Gemeinden stellen diese Profile vor und kommen darüber ins Gespräch miteinander. Dieses Gespräch kann dazu führen, dass deutlicher wird, was die einzelnen ausmacht und wovon sie durch die anderen profitieren können. Pfr. Magnus Koschig, Halle Hl. Kreuz Tel. 0345 / 202 15 29 koschig@gmx.de 21 POLARITÄTENPROFIL 5 4 3 2 1 0 1 2 3 4 5 friedlich aggressiv zurückhaltend offen sicher unsicher ausgeglichen wechselhaft großzügig sparsam passiv aktiv verspielt formalistisch langweilig interessant hilfsbereit egoistisch zerfahren geordnet anpassungsfähi nicht anpassungsfähig. zurückgezogen gesellig bedeutend unbedeutend autoritär tolerant vergnügt missmutig starr beweglich leise laut gesund krank redselig verschwiegen 22 URGEMEINDE – GEMEINDE HEUTE Arbeitsblatt I Diese Einheit richtet den Blick auf die aktuelle Situation in der Gemeinde. Zielgruppen: - Gemeinde einzelne Gruppen der Gemeinde ( PGR etc.) Im Blick zurück zu den Anfängen liegt oft auch die Kraft zur Gestaltung der Gegenwart. In der folgenden Einheit sollen die TN einen Vergleich zwischen der „Urgemeinde“ und ihrer eigenen aktuellen Gemeindesituation herstellen. Anleitung: - - Kurze Hinführung zur Situation der „Urgemeinde“ nach dem Zeugnis des NT. Bildung von Kleingruppen. Auftrag für die Kleingruppen: Mit Hilfe des Arbeitsblattes (AB I - in DIN A 3 – Format ) auf die Urgemeinde schauen und zu den einzelnen Aussagen auf dem Arbeitsblatt positive Ansätze in ihrer Gemeinde finden und eintragen. Dabei ermutigen, bzw. die Erlaubnis geben, auch Felder offen zu lassen. Vergleich der Ansätze im Plenum. P. Ansgar Schmidt CFM Tel. 035342 /470 ansgar.schmidt@t-online.de 23 AB I Die Urgemeinde und unsere Gemeinden heute So war es in der Urgemeinde... Positive Ansätze in den Gemeinden / unserer Gemeinde heute... Die Menschen aßen und beteten zusammen. (Apg) Sie feierten zusammen Gottesdienst, brachen das Brot füreinander und lobten Gott. (Apg) Sie hielten untereinander fest zusammen. (Apg) Sie verkauften ihren privaten Besitz und teilten alles miteinander. Jeder bekam so viel Geld, wie er zum Leben brauchte. (Apg) Sie waren fröhlich und zufrieden miteinander, niemand war einsam. (Apg) Immer mehr Menschen kamen in ihre Gemeinschaft. (Apg) Niemand aus ihrer Gemeinschaft brauchte Not zu leiden, einer half dem anderen. (Apg) Die kranken Menschen wurden von der Gemeinde versorgt. (Apg) Sie legten mit großer Kraft Zeugnis von der Auferstehung Jesu ab. (Apg) Wenn sich einer von der Wahrheit entfernt, dann muss er von der Gemeinde wieder auf den rechten Weg zurück gebracht werden. (Jak) Sie zerstritten sich innerhalb ihrer Gemeinde und versöhnten sich wieder. (1 Kor 10) 24 Arbeitsblatt II Ein Brief an die Verbannten Zielgruppen: - - Gemeinde einzelne Gruppen der Gemeinde ( PGR etc.) Gemeindeverbundsrat TN eines Einkehrtages im Gemeindeverbund Diese Einheit richtet den Blick auf die Gemeindesituation und die neuen Möglichkeiten im Gemeindeverbund. Hintergrund: Mit der Auflösung der Gemeinden, der Zerstörung des Tempels von Jerusalem und der Zerstreuung in die Diaspora wurde dem Volk Israel eine traumatische Erfahrung zugemutet. Den zutiefst verunsicherten Israeliten in der Verbannung schreibt der Prophet Jeremia einen Brief: Jer 29, 1-15 Hier sind einzelne Aussagen des Briefes (ergänzt durch einen Blick auf die christliche Urgemeinde in Apg ) angeführt, die einladen, nach positiven Ansätzen in der eigenen Gemeinde zu schauen und zu gewichten, was in Zukunft im Gemeindeverbund verstärkt werden soll... Anleitung: - Kurze Hinführung zur Situation des Volkes Israel im Exil und Vorstellung des Briefes an die Verbannten – Jer 29. - Bildung von Kleingruppen. - Auftrag für die Kleingruppen: - Mit Hilfe des Arbeitsblattes (AB II - in DIN A 3 – Format ) auf die einzelnen Aussagen schauen, dazu jeweils auf dem Arbeitsblatt positive Ansätze in der Gemeinde finden und miteinander beraten, was im Gemeindeverbund verstärkt werden soll. - Dabei ermutigen, bzw. die Erlaubnis geben, auch Felder offen zu lassen. - Vergleich der Ansätze im Plenum. P. Ansgar Schmidt CFM Tel. 035342 /470 ansgar.schmidt@t-online.de 25 AB II Gemeinde in der Diaspora – Gemeinde heute Ein Blick zurück – ein Blick in unsere Gegenwart So war es damals... Baut Häuser, und wohnt darin, pflanzt Gärten, und eßt ihre Früchte. (Jer 29, 5) Ihr sollt euch dort vermehren und nicht vermindern. (Jer 29,6) Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch weggeführt habe. (Jer 29,7) und betet für sie zum Herrn; denn in ihrem Wohl liegt euer Wohl. (Jer 29,7) Laßt euch nicht täuschen von den Propheten, die unter euch sind. (Jer 29,8) Hört nicht auf die Träume, die sie träumen. (Jer 29, 8) Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, so erhöre ich euch. (Jer 29,12) Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt,lasse ich mich von euch finden. (Jer 29, 13) Sie feierten zusammen Gottesdienst, brachen das Brot füreinander und lobten Gott (Apg 2) Niemand aus der Gemeinde brauchte Not zu leiden, einer half dem anderen. (Apg 4 ) Sie legten mit großer Kraft Zeugnis von der Auferstehung Jesu ab. (Apg 4) Sie zerstritten sich innerhalb ihrer Gemeinde und versöhnten sich wieder. (1 Kor 10) Zeitgemäße positive Ansätze in unserer Gemeinde Was wir im Gemeindeverbund verstärken möchten 26 ERMUTIGUNGEN AUS DEM II. VATIKANISCHEN KONZIL Hilfreich für die Auseinandersetzung mit der Situation der Zeit sind die Ermutigungen, die uns das II. Vatikanische Konzil gegeben hat. An folgende Stellen sei neben den Hinweis auf GS 1 beispielhaft erinnert: „Die Kirche wird von keinem irdischen Machtstreben bewegt, sondern beabsichtigt nur eines: nämlich unter Führung des Geistes, des Beistands, das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam , um Zeugnis für die Wahrheit abzulegen, um zu heilen, nicht um zu richten, um zu dienen, nicht um sich bedienen zu lassen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe obliegt der Kirche durch alle Zeit die Pflicht, die Zeichen der Zeit zu erforschen und im Licht des Evangeliums auszulegen, so dass sie in einer der jeweiligen Generation angemessenen Weise auf die beständigen Fragen der Menschen nach dem Sinn des gegenwärtigen und des zukünftigen Lebens und nach ihrem gegenseitigen Verhältnis antworten kann. Es ist deshalb nötig, dass die Welt, in der wir leben, sowie ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihr oft dramatischer Charakter erkannt und verstanden werden.“ (GS 3,2 [Schluss] und 4,1) „... die Einzelnen müssen ihren Nächsten ohne Ausnahme als ein anderes Ich betrachten, indem sie vor allem auf sein Leben und auf die notwendigen Mittel, um es würdig zu führen Rücksicht nehmen. Besonders in unseren Tagen drängt uns die Verpflichtung, uns zum Nächsten schlechthin eines jeden Menschen zu machen und ihm, wenn er (uns) begegnet, tätig zu dienen...(GS 27,1f) „All das also, was sich an Wahrem, Gutem und Gerechtem in den unterschiedlichsten Einrichtungen findet, das sich das Menschengeschlecht geschaffen hat und unablässig schafft, betrachtet das Konzil mit großer Ehrfurcht. Es erklärt überdies, dass die Kirche alle Einrichtungen unterstützen und fördern will, soweit dies von ihr abhängt und mit ihrer Sendung vereinbart werden kann. Sie selbst ersehnt nichts glühender, als sich, dem Wohle aller dienend, unter jeglicher Regierung frei entfalten zu können, die die Grundrechte der Person und der Familie sowie die Erfordernisse des Gemeinwohls anerkennt. (GS 42,5) „Die Presbyter sollen also so vorstehen, dass sie – indem sie nicht, was das Ihre ist, suchen, sondern, was Jesu Christi [ist] – ihre Arbeit mit den gläubigen Laien verbinden und sich in ihrer Mitarbeit nach dem Beispiel des Meisters benehmen, der unter die Menschen „nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Die Presbyter sollen die Würde der Laien und den eigenen Anteil, den die Laien an der Sendung der Kirche haben, aufrichtig anerkennen und fördern. Auch die gerechte Freiheit, die allen in der irdischen Bürgerschaft zusteht, sollen sie eifrig in Ehre halten. Gern sollen sie die Laien hören, indem sie ihre Sehnsüchte brüderlich erwägen und ihre Erfahrung und Zuständigkeit auf den unterschiedlichen Feldern der menschlichen Tätigkeit anerkennen, damit sie zusammen mit ihnen die Zeichen der Zeit zu erkennen vermögen. Indem wie die Geister prüfen, ob sie aus Gott sind, sollen sie die vielgestaltigen Charismen der Laien, sowohl niedrige als auch höhere, mit Glaubenssinn aufdecken, mit Freude anerkennen, mit Sorgfalt fördern. Unter den anderen Gaben Gottes aber, die sich unter den Gläubigen in überreichem Maße finden, sind diejenigen besonderer Sorge wert, durch die nicht wenige zu einem tieferen geistlichen Leben hingezogen werden. Ebenso sollen sie mit 27 Vertrauen Laien zum Dienst an der Kirche Pflichten übertragen, indem sie ihnen die Freiheit und den Raum zum Handeln überlassen, ja, sie sogar in geeigneter Weise einladen, auch aus eigenem Antrieb Werke in angriff zu nehmen.“ (PO 9,1) „Da heute in ziemlich vielen Teilen des Erdkreises durch die Anhauchung der Gnade des Heiligen Geistes in Gebet, Wort und Werk viele Versuche gemacht werden, zu jener Fülle der Einheit zu kommen, die Jesus Christus will, ermahnt diese Heilige Synode alle katholischen Gläubigen, dass sie, indem sie die Zeichen der Zeit erkennen, am ökumenischen Werk erfinderisch teilnehmen.“ (UR 4,1) 28 EINE BESONDERS GÜNSTIGE VORAUSSETZUNG FÜR DEN GLAUBEN Anregungen aus der Begegnung mit Madeleine Delbrêl (1904-1964) Die Erfahrung, als Christen in der Minderheit zu sein, kann eine „besonders günstige Voraussetzung für den Glauben“ sein. Diese provozierende These hat Madeleine Delbrêl gerne in den Raum gestellt. Sie spiegelt zutiefst ihre eigene Erfahrung wieder. Oft hat sie erlebt, dass Menschen, die der Kirche fern stehen, die Glaubensinhalte und vor allem auch die Glaubenspraxis anfragen. Dahinter steht die Frage (auch wenn sie meist gar nicht wortwörtlich so gestellt wird): „Was bedeutet für euch überhaupt glauben? Wozu soll das gut sein?“ Wer als Christ, als Christin, solche Fragen an sich heran lässt, kommt sozusagen „auf den Boden des Glaubens“ und lernt zu unterscheiden, was wirklich der Glaube ist und was nur „eine Kopie“ davon. Leben wir, so lässt sich dann fragen, wirklich aus der ursprünglichen Kraft einer Begegnung, einer Zusage – oder sind wir „Spezialisten der Vergangenheit“, die eine „christliche Mentalität“ hüten und bewahren wollen? Eine solche „christliche Mentalität“ zeigt sich darin, eine bestimmte, geschichtliche gewachsene Ausdrucksgestalt des Glaubens absolut zu setzen; eine bestimmte Gemeinschaftsform für unveränderlich zu halten oder bestimmte Regeln und Gebräuche als Kern des Glaubens zu betrachten. Zu fragen ist dann z.B.: Wo dienen die gewachsenen Formen und Strukturen unseres Glaubens und unserer Gemeinschaften dem lebendigen Wasser – und wo behindern sie es? Was davon ist zeitbedingt und von daher wandelbar – und was hat „ewigkeitliche Kraft?“ Wo lebe ich als einzelner Mensch und wo leben wir als Gemeinschaft unter dem „Gesetz“ (im paulinischen Sinne), das heißt auch: wo bin ich, wo sind wir im Innern von Angst und Misstrauen bestimmt? Wenn man den Ballast des „Gesetzes“ mit sich herumschleppt, braucht man dann aber auch – so Madeleine Delbrêl – nicht erstaunt zu sein, dass Menschen sich vom Glauben nicht angezogen fühlen und sich fragen: „Wozu soll das gut sein? Wozu soll ich das auf mich nehmen? Ich habe mein eigenes Lebenskonzept – das reicht aus.“ Die atheistische Umwelt kann also dazu auffordern, den eigenen Glauben kritisch zu überprüfen. Positiv gewendet fordert sie dann auch dazu auf, sich selbst zu fragen: „Was bedeutet mir der Glaube denn tatsächlich? Wer ist Gott für mich?“ Und da kann man dann – so auch wieder die Erfahrung Madeleine Delbrêls – die Entdeckung machen, dass man das oft selbst nicht so genau weiß. Christen und Christinnen haben es im volkskirchlichen Milieu verlernt, über ihren Glauben nachzudenken, geschweige denn darüber zu sprechen. Dies ist darüber hinaus für viele etwas so Privates und Intimes, dass sie dazu lieber schweigen möchten. So ist die missionarische Dimension des christlichen Glaubens dem christlichen „Normalbewusstsein“ allmählich abhanden gekommen. 29 Madeleine Delbrêl kann dazu inspirieren, die Erinnerung an den „christlichen Normalzustand“ zu beleben. Dazu gehört es als erstes, sich der eigenen Gottesbegegnung zu vergewissern. Erst auf dieser Basis kann dann von Mission gesprochen werden. Die kritischen Anfragen der Menschen, unter denen wie leben, können so dazu verhelfen, dass wir zum Fundament unserer Botschaft zurückfinden; dass wir erkennen, welchen Schatz wir in Händen halten, und wie wichtig es ist, dass wir ihn nicht für uns allein behalten. Der folgende Text (s. nächste Seite) von Madeleine Delbrêl bietet die Möglichkeit, sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Drei mögliche Weisen seien hier vorgeschlagen: a) Im Plenum bzw. in überschaubaren Gruppen: Erster Schritt: Den Text laut vorlesen Zweiter Schritt: Sätze /Worte laut wiederholen Dritter Schritt: Austausch über das, was mich in dem Text anrührt, provoziert… Vierter Schritt: Was heißt dann für uns „missionarisch Kirche sein“? b) In kleinen Gruppen: Erster Schritt: Den Text laut lesen Zweiter Schritt: Einzelarbeit / Zweiergespräch: 1. Wo erlebe ich es in meinem Umfeld, dass ich von Menschen umgeben bin, die dem christlichen Glauben (oder auch jedem Glauben) fern stehen fern stehen? 2. Was löst das in mir aus? Dritter Schritt: Plenum: Mitteilung dessen, was wichtig war. Vierter Schritt: Kleingruppen /Halbgruppe/Plenum: Was heißt für mich, für uns, missionarisch Kirche zu sein? Was macht es mir / uns schwer? Wo gelingt etwas? Was brauchen wir, um unsere Berufung in dieser Hinsicht leben zu können? c) Schreibgespräch über die Frage: „Was bedeutet für mich der Glaube?“ In der Mitte (auf dem Boden oder auf dem Tisch) liegt ein großes Blatt Papier, auf dem diese Frage aufgeschrieben ist. Daneben liegen Stifte. Die TeilnehmerInnen werden eingeladen, schweigend (evtl. bei leiser Musik im Hintergrund), etwas zu dieser Frage aufzuschreiben. Dabei kann auch auf das reagiert werden, was andere geschrieben haben. Zu gegebener Zeit (genügend Zeit lassen!) diese Schreibphase beenden. Evtl. kann eine Abschlußrunde folgen: was ist mir aufgegangen? Was nehme ich mit? Und /oder: Abschluß mit einem Lied /Segen /Gebet. Annette Schleinzer 30 Missionarisch Kirche sein10 Wir sind heute, ob es uns bewusst ist oder nicht, von religiös Gleichgültigen und von Ungläubigen umgeben. Menschen haben, vereinzelt oder in Scharen, aufgehört zu glauben oder haben niemals geglaubt oder wissen nicht einmal etwas von dem, was wir glauben. Diese sind unsere Nächsten. Schon ihre Anwesenheit versetzt uns in eine missionarische Situation, die wir nicht selber gewählt haben und die uns überrumpelt. Unser christliches Leben muss in Taten das werden, was christliches Leben seinem Wesen nach ist: missionarisch und apostolisch. Wir sind für ein solches Handeln überhaupt nicht vorbereitet. Man hat uns zu einem Leben erzogen, in dem der missionarische Einsatz anscheinend gar nicht gefragt ist. Mehr noch: Wir sind für den apostolischen Einsatz nicht bloß nicht ausgebildet, wir sind daraufhin geradezu verbildet worden. Wir kannten „das apostolische Leben in den Missionen“; „apostolische Beschäftigungen“, in denen man „Apostolat treibt“ oder die „apostolischen Tätigkeiten“ „eines“ Apostolats. Aber was wir nicht kannten: den normalen Einsatz eines christlichen Lebens angesichts seines ungläubigen Nächsten. Wir lebten ein christliches Leben, aber ein unter Christen gelebtes christliches Leben. Daraufhin wurden wir erzogen, daraufhin ausgebildet. Als Christen von Geburt an – oder auch als Konvertiten – haben wir fast alle ein ganz gewöhnliches Christenleben gelebt – was nicht heißt, dass es mittelmäßig ist, sondern dass es ein geordnetes Leben ist. Worin bestand das Wesentliche dieses geordneten Lebens? Es gab und gibt darin die Wegmarken unserer „Pflichten“ Gott gegenüber: Die Messe, liturgisches Gebet, persönliches Gebet, Betrachtung, Anbetung, Rosenkranz usw. Für die einen hatte das den Beigeschmack von einem „Reglement“, für die anderen hatte es mit „Innerlichkeit“ zu tun – von allen aber wurde es als das betrachtet, was unsere Beziehung zu Gott am meisten zum Ausdruck bringt. Jetzt gilt es, uns zu wandeln, auf Grund einer Verpflichtung, der wir uns nicht entziehen können, weil sie die christliche Berufung zutiefst ausmacht. Wir müssen von Grund auf neu und unmittelbar lernen, was diese Berufung bedeutet, was es bedeutet, missionarisch zu sein… Den Glauben zu verkünden, ist kein Zeitvertreib. Es ist die Frucht eines LEBENS, die normale Auswirkung eines normalen Lebens. Unser ganzes Sein ist dafür eingefordert, wie es den ganzen Baum braucht, um eine Blüte zu treiben. Madeleine Delbrêl 10 Madeleine Delbrêl, Gott bezeugen in unserer Zeit. Ausgewählte Texte, hg. von Annette Schleinzer, Leutesdorf: Johannes-Verlag 2004, S. 58f.