Leseprobe - Wilhelm Fink Verlag

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Leseprobe - Wilhelm Fink Verlag
Christoph Dreher (Hg.)
Autorenserien II
Quality TV in den USA und Europa
Auteur Series II
Quality TV in the USA and Europe
2014
Christoph Dreher (Hg.)
Autorenserien II
Quality TV in den USA und Europa
Auteur Series II
Quality TV in the USA and Europe
Wilhelm Fink
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5
Inhalt / ContentS
>> VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
FOREWORD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Christoph Dreher
>> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
USA, Skandinavien, Deutschland
PERSPECTIVES OF AUTEUR SERIES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
USA, Scandinavia, Germany
Cathryn Humphris
>> Wie Fernsehserien in Amerika entwickelt werden . . . . . . . . . . . 51
und die Mad-Men-Erfahrung
WRITING FOR TV SERIES IN AMERICA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
and the Mad Men experience
Stewart Lyons
>> DIE PRODUKTION VON BREAKING BAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
und 40 Jahre im amerikanischen TV-Serien-Geschäft
ON PRODUCING BREAKING BAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
and 40 years in the business of American TV series
Lolis Eric Elie
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
HOW TREME WAS WRITTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
Christine Lang
>> Neverending Stories?
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
Enden in Serien am Beispiel von The Sopranos, Breaking Bad und Mad Men
Neverending Stories? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
Endings in Series: The Sopranos, Breaking Bad, and Mad Men
>INHALT / CONTENTS
>> Wie die SeRIe Treme entstand
7
Kerstin Stutterheim
>> Häutungen eines Genres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Skandinavische Ermittlerinnen
Generic Metamorphosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180
Scandinavian Investigators
Diedrich Diederichsen
>> Serie und Fragment .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
229
Series and FragmenT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
Jane Feuer
>> Psychoanalytischer Raum in HBO-Dramen
. . . . . . . . . . . . . . . . .
257
The Sopranos und In Treatment
Psychoanalytic Space in HBO Dramas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
The Sopranos and In Treatment
>> Podiumsdiskussion
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
289
Produktion und Programmierung von Autorenserien in Deutschland
Podium Discussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290
Producing and Programming Auteur Series in Germany
>> Über die AutorINNEN und Autoren
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
315
>> Danksagung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
323
ACKNOWLEDGEMENTS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
>> Impressum
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
324
Colophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324
>INHALT / CONTENTS
ABout the authors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
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9
der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg.
Christoph Dreher
1 Autorenserien – Die Neuerfindung des Fernsehens, Hg. Christoph Dreher, Merz & Solitude, Stuttgart 2010.
2 »Remediate« ist ein Forschungsprojekt, gefördert von der MFG Filmförderung Baden-Württemberg und
Der vorliegende Band Autorenserien II – Quality TV in den USA und Europa präsentiert die überarbeiteten Vorträge, die auf der gleichnamigen Tagung im Januar
2014 an der Merz Akademie in Stuttgart gehalten wurden – vier Jahre nach dem
ersten Symposium an gleichem Ort zu diesem Thema.1 Damit werden Ergeb­nisse
des weitergeführten Forschungsprojekts »Remediate!«2 dokumentiert, welches
sich mit den Entstehungsprozessen, Arbeitsmethoden und Eigenschaften sowie
den Rezeptionsbedingungen der filmischen Langform-Erzählungen befasst, die
vor allem aus dem US-amerikanischen Fernsehen hervorgegangen sind.
Autorenserien II versammelt verschiedene Perspektiven der Auseinandersetzung mit interessanten Beispielen der horizontal erzählten Serien des sogenannten
Quality TV: Berichte aus der Praxis der US-Serienproduktion werden ergänzt
durch die Diskussion medialer Entwicklungstendenzen sowie durch dramaturgische Analysen und Essays von internationalen Film- und Kulturwissenschaftler/
innen.
Der einführende Beitrag »Perspektiven der Autorenserie – USA, Skandinavien, Deutschland« von Christoph Dreher unternimmt eine Bestandsaufnahme und Perspektivierung von Autorenserien zu einem Zeitpunkt großer medialer Umbrüche entlang solcher Fragen: Wie funktioniert das Geschäftsmodell für
Autorenserien in den USA, wie ist es um dessen Zukunft bestellt? Welche Rolle
werden Streaming-Services wie Netflix und das Internet überhaupt spielen für
die Produktion und Rezeption qualitativ hochwertiger Serien? Wie sind die Aussichten für die Produktion großer, horizontal erzählter Serien in Deutschland?
Welche experimentellen Ansätze für neue Formen seriellen Erzählens gibt es?
Aus der Innenperspektive der Produktion US-amerikanischer Serien berichten in drei ausführlichen Beiträgen die Autorin Cathryn Humphris (u. a. Mad
Men), der Line Producer Stewart Lyons (zuletzt Breaking Bad) sowie der Autor
Lolis Elie (Treme). Sie geben Einblicke in die Arbeit an den jeweiligen Serien in
> VORWORT / FOREWORD
VORWORT
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FOREWORD
Auteur Series II – Quality TV in the USA and Europe is a volume of newly edited versions of the lectures held at the conference by the same name in January 2014 at the
Merz Akademie in Stuttgart – four years after the first symposium on this topic at the
same place.1 The conference documented the results of the continuing research project
“Remediate!”2 which dealt with the creative processes, working methods, characteristics, and reception of long-form film narratives, especially those coming from American television.
Auteur Series II brings together a variety of different perspectives to examine
interesting examples of horizontally narrated series from the so-called quality TV.
Reports from the practical side of American series are supplemented by a discussion of
tendencies in media development, as well as by dramaturgical analyses and essays by
international film and cultural scholars.
The introductory essay, “Perspectives of the Auteur Series – USA, Scandinavia, Germany” by Christoph Dreher aims to take stock of and provide a perspective
on auteur series at a time of great upheavals in the media world with regard to such
questions: How does this business model work for auteur series in the USA, how is
it maintained? What role will streaming services such as Netflix and the internet in
general play in the production and reception of qualitatively high-level series? What
are the prospects for producing large-scale, horizontally narrated series in Germany?
What experimental approaches exist for new forms of serial narration?
Three extensive contributions give an insider’s perspective on producing
American series, by the writer Cathryn Humphris (Mad Men), the line producer
Stewart Lyons (most recently Breaking Bad), and the writer Lolis Elie (Treme). They
provide insights into the work in the writers’ rooms and on the set of their respective
series, describe the role of the showrunner and how the teams collectively realize their
visions. They explain the new politics of not interfering in creative concerns on the
part of the cable companies that produce the shows, such as HBO or AMC, and they
1
Autorenserien – Die Neuerfindung des Fernsehens/Auteur Series – The Re-invention of Television,
ed. Christoph Dreher, Merz & Solitude, Stuttgart 2010.
2 “Remediate” is a research project funded by MFG Filmförderung Baden-Württemberg and the
LFK Baden-Württemberg.
Christoph Dreher
den Writers’ Rooms und am Set, beschreiben die Rolle der Showrunner und wie
die Teams kollektiv deren Visionen realisieren. Sie erläutern die neue Politik der
Nichteinmischung in kreative Belange seitens der produzierenden Kabelsender
wie HBO oder AMC, und sie vergleichen ihre Arbeitserfahrungen bei den von
diesen produzierten Autorenserien mit denen bei traditionellen, industriell produzierten Serien bei den Familiensendern, den Networks.
Mit dramaturgischen Fragen beschäftigen sich Christine Lang und Kerstin
Stutterheim: Christine Lang untersucht in ihrem Aufsatz »Neverending Stories?
Enden in Serien am Beispiel von The Sopranos, Breaking Bad und Mad Men«
vergleichend die Gestaltung von Enden in Serien. Sie zeigt, wie die Enden einer
> VORWORT / FOREWORD
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compare their experiences working on the auteur series produced in this way with
those working on traditional, industrially produced series at family networks.
Christine Lang and Kerstin Stutterheim take on dramaturgical questions. In
her essay “Neverending Stories? Endings in Series: The Sopranos, Breaking Bad, und
Mad Men,” Christine Lang compares the way series end. She shows how the endings of
an episode, a season, or even an entire series are conditioned both by a basic paradigm
of television narration and the dramaturgy of the particular series.
In her contribution “Generic Metamorphosis – Scandinavian Investigators,”
Kerstin Stutterheim deals with Scandinavian series like The Killing or Arne Dahl,
paying particular attention to the modern and unconventional shaping of the female
characters, which she compares with other figures, mostly from American series.
In his essay “Series and Fragment,” Diedrich Diederichsen turns to TV series
by the writer and showrunner David Milch, whose series Deadwood, which was highly
regarded by both critics and many series writers, was canceled by the producing station HBO after three seasons. The problems only got worse in the following projects.
Diedrich Diederichsen focuses on the series Luck, which, in stark contrast to its title,
was canceled after only one season. He relates the fragmentary and interrupted in the
area of series narratives that were conceived for multiple years to their counterparts
in literature, and evaluates the risks of remaining incomplete for TV series or literary
works with large-scale narrative architectures.
In her article “Psychoanalytic Space in HBO Dramas – The Sopranos and In
Treatment,” Jane Feuer looks into the representation of psychoanalysis and psychotherapy in television series, a topic that has only been treated with any kind of frequency or
prominence since Tony Soprano’s therapy.
The volume is brought to a close with excerpts from the podium discussion on
the topic of “Producing and Programming Auteur Series in Germany” with Marcus
Ammon (Senior Vice President Film of Sky Deutschland), Alain Bieber (Project
Manager of ARTE Creative), and Wolfgang Feindt (Head of Series and International
Co-productions at ZDF), moderated by Christoph Dreher.
Berlin, May 2014
The Editor
Berlin, im Mai 2014
Der Herausgeber
Christoph Dreher
Episode, einer Staffel oder einer ganzen Serie sowohl von einem Grund­paradigma
des fernsehseriellen Erzählens als auch von der jeweiligen Dramaturgie einer Serie
bedingt werden.
Kerstin Stutterheim befasst sich in ihrem Beitrag »Häutungen eines Genres – Skandinavische Ermittlerinnen« mit skandinavischen Serien wie Kommissarin Lund oder Arne Dahl, unter besonderer Berücksichtigung der modern und
unkonventionell gestalteten Frauenfiguren, die sie mit denen vor allem in USSerien vergleicht.
Diedrich Diederichsen widmet sich in seinem Essay »Serie und Fragment« TV-Serien des Autors und Showrunners David Milch, dessen bei der Kritik und von vielen Serien-Autorinnen und -Autoren hoch angesehene Serie Deadwood schon nach drei Staffeln vom produzierenden Sender HBO abgebrochen
wurde. Bei den folgenden Projekten sollten sich die Probleme zuspitzen: Diedrich
Diederichsen fokussiert auf die Serie Luck, die ganz im Gegensatz zu ihrem Titel
bereits nach einer Staffel eingestellt wurde. Er stellt einen Bezug des Fragmentarischen, Abgebrochenen im Bereich der mehrjährig konzipierten Serienerzählung
zu Pendants in der Literatur her und eruiert die Risiken des Unvollendet-Bleibens
von TV-Serien oder literarischen Werken mit großen Story-Architekturen.
Jane Feuer beschäftigt sich in ihrem Beitrag »Psychoanalytischer Raum
in HBO-Dramen – The Sopranos und In Treatment« mit der Darstellung von
Psycho­analyse und -therapie in Fernsehserien, ein Thema, das dort erst seit Tony
Sopranos Therapie häufig und prominent behandelt wird.
Auszüge aus der Podiumsdiskussion zum Thema »Produktion und Programmierung von Autorenserien in Deutschland« mit Marcus Ammon (Senior
Vice President Film von Sky Deutschland), Alain Bieber (Projektleiter von ARTE
Creative) und Wolfgang Feindt (verantwortlicher Redakteur für Serien und internationale Koproduktionen beim ZDF), moderiert von Christoph Dreher, beschließen diesen Band.
> VORWORT / FOREWORD
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Christoph Dreher
PERSPEKTIVEN
DER AUTORENSERIE
1
Autorenserien – Die Neuerfindung des Fernsehens, Hg. Christoph Dreher, Merz & Solitude, Stuttgart 2010
Christoph Dreher
In den vier Jahren seit dem ersten Symposium in Deutschland zum Thema Autorenserien an der Merz Akademie in Stuttgart1 hat die Auseinandersetzung mit
deren Eigenschaften und Entstehungsweisen auf Tagungen und Festivals und in
diversen Buchveröffentlichungen auch hierzulande stark zugenommen. Feuilletons und Medienseiten der Tageszeitungen berichten regelmäßig über neue Autorenserien und diskutieren das Phänomen des Quality TV neuen Typs in all seinen
Facetten.
Im Sommer 2013 erreichte die Frequenz der Artikel zum Thema einen
neuen Höhepunkt mit dem unerwarteten Erfolg der letzten beiden Staffelhälften
von Breaking Bad nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland. Zusätzlich
befeuert wurde die Aufmerksamkeit für Autorenserien durch zwei parallele Phänomene: die Krise der US-Filmindustrie und die verstärkte Hinwendung ehemaliger Größen der Industrie zu diesen Fernsehserien. Kurz nachdem die Erfinder
des Blockbuster-Popcorn-Kinos – George Lucas und Steven Spielberg – vor der
Implosion der Hollywood-Filmwirtschaft gewarnt hatten, kam es im Sommer zu
mehr als einem Dutzend spektakulärer Flops einiger der teuersten Filme dieses
Typs – schon seit Langem immer wieder Neuauflagen bewährter Erfolgsmuster,
derer das Publikum offenbar überdrüssig zu werden begonnen hat. Spielberg widmet sich in der letzten Zeit verstärkt der Produktion von Fernsehserien (Under the
Dome, Falling Skies, Smash, The River, Terra Nova).
Der amerikanische Independent-Film ist schon länger schwer angeschlagen. Eine seiner Ikonen, Steve Buscemi, hat sich bereits vor Jahren in Richtung
HBO bewegt und die Chance wahrgenommen, bei The Sopranos als Schauspieler
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
USA, Skandinavien, Deutschland
16
Christoph Dreher
PERSPECTIVES
OF AUTEUR SERIES
USA, Scandinavia, Germany
It has now been four years since the first symposium in Germany on the topic of auteur series at the Merz Akademie in Stuttgart.1 Since that time, there has been a sharp
increase in interest in their particularities and in how they are created at conferences
and festivals and in various book publications. Culture and media pages in newspapers
regularly report on new auteur series and discuss the phenomenon of the new breed of
quality TV in all its facets.
In the summer of 2013 the frequency of articles on the topic reached a new
highpoint with the unexpected success of both halves of the final season of Breaking
Bad, not only in the US, but also in Germany. In addition, attention to auteur series
has been fueled by two parallel phenomena: the crisis in the US film industry and the
increased move of some of its big names toward these television series. Shortly after the
inventors of blockbuster-popcorn cinema – George Lucas and Steven Spielberg – had
warned of a coming implosion of the Hollywood film economy, there was a summer of
more than a dozen spectacular flops by some of the most expensive films of this kind –
more and more remakes of reliable success models, which the audience has obviously
started to grow weary of. Recently, Spielberg has increasingly turned to producing
television series (Under the Dome, Smash, The River, Terra Nova, Falling Skies).
American independent film has been beleaguered for some time now. One of
its icons, Steve Buscemi, has already moved in the direction of HBO, taking the opportunity to play an important role in The Sopranos as both actor and director. Following
this he got the main role as the gangster Nucky Thompson in the series Boardwalk
Empire, which he has been doing now for five years and will certainly continue for a
1
Autorenserien – Die Neuerfindung des Fernsehens / Auteur Series – The Re-invention of Television,
ed. Christoph Dreher, Merz & Solitude, Stuttgart 2010.
>>
True Detective © Michele K. Short / HBO
Christoph Dreher
und Regisseur eine bedeutende Rolle zu spielen. Im Anschluss bekam er die Hauptrolle als Gangster Nucky Thompson in der Serie Boardwalk Empire, die ihn nun
schon seit fünf Jahren beschäftigt und wohl noch ein paar Jahre in der Zukunft.
Zurzeit hört man im Wochenrhythmus von berühmten Kinoschauspielerinnen
und -schauspielern, die nun stolz darauf sind, in einer TV-Serie mitzumachen:
zuletzt Jon Voight, der für Showtime den Protagonisten der Serie Ray Donovan
gibt, oder Woody Harrelson, der in der HBO-Serie True Detective mitspielt.
Eine weitere Independent-Ikone, David Lynch, hat schon vor einer Weile
das Filmemachen aufgegeben und macht inzwischen lieber Musik und malt, und
auch bei Jim Jarmusch ist eine gewisse Müdigkeit in Bezug auf das Filmemachen
und eine verstärkte Hinwendung zur Musik auszumachen. Zur Finanzierung seines kürzlich in den Kinos gestarteten Films brauchte er sieben Jahre, und ohne die
selbstlose Unterstützung eines griechischen Reeder-Sohns wäre er laut Jarmusch
gar nicht zustande gekommen.
Selbst bei den Filmfestspielen in Cannes waren im letzten Jahr die Krise des Kinos und die Verheißungen des Fernsehens beherrschendes Thema.
Hauptursache war die wiederholte, nun aber offenbar Konsequenzen zeitigende
Ankündigung von Steven Soderbergh, kein Kino mehr machen zu wollen, dabei
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
17
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couple of years into the future. These days, it seems that almost every week one hears
about famous movie actors who are proud to act in a TV series: recently Jon Voight,
who’s playing the protagonist of the series Ray Donovan for Showtime, or Woody Harrelson, who’s joined the HBO series True Detective.
Another independent icon, David Lynch, gave up making films some time
ago and now prefers music and painting, and even with Jim Jarmusch one can detect
a certain weariness in relation to filmmaking and an increased attention to music. It
took seven years to finance his most recent film, and according to Jarmusch, it would
never have happened without the altruistic support of a Greek ship-owning heir.
Even at the Cannes Film Festival last year, the reigning topic was the crisis of cinema and the promise of television. The main cause was the repeated – but
now obviously consequential – announcement by Steven Soderbergh that he no longer
wishes to make cinema, all the while extolling the significant role of HBO and other
US cable companies for their innovations in movies – especially, of course, the auteur
series. The strong reactions triggered by Soderbergh’s announcement of his farewell
to cinema are due to the fact that he, like hardly anyone else, has managed to oscillate
seemingly effortlessly between making mainstream star vehicles and politically interesting independent productions, and thus seemed not to be so heavily at the mercy of
the constraints of the industry. In Cannes he presented the film Liberace, made by and
for HBO, and now one of the biggest US movie stars, Liberace actor Michael Douglas,
appeared as a prophet of the creative potential of television. (An interesting point in all
of this is that Liberace, originally conceived only for television screenings, then ran in
cinemas all over the world.)
A further example of the spectacular shift of a movie star to auteur series is the
case of the Hollywood star Kevin Spacey. He plays the main role in House of Cards, the
US remake of a British TV series from 1990. On the occasion of the series’s start he held
a much heeded talk, which he began with a quote from David Lean, director of films
such as Lawrence of Arabia and Bridge over the River Kwai, who prophesied shortly before his death in 1990: “Television will take over.” He then sang the praises – which had
been sung by others already for a long time, but not by a two-time Oscar winner – of
fantastic series with their complex characters and plot strands as an artistically valuable
medium, one that even an agent of the film industry considered more than on par
with cinema. The point in this case is that the American House of Cards wasn’t even
produced by a television channel, but by Netflix, the relatively new video-on-demand
internet service that has shot like a comet in the media skies and that has the right stuff
Christoph Dreher
die bedeutende Rolle von HBO und anderen US-Kabelsendern bei der Innovation des Filmwesens preisend – besonders natürlich durch die Autorenserien. Dass
Soderberghs angekündigter Kino-Abschied besonders starke Reaktionen hervorrief, liegt daran, dass er es wie kein Zweiter geschafft hatte, scheinbar mühelos
zwischen der Realisierung von Mainstream-Starvehikeln und politisch interessierten Independent-Produktionen zu oszillieren, und somit besonders wenig industriellen Zwängen ausgeliefert schien. Er präsentierte in Cannes den von und
für HBO produzierten Film Liberace, und nun gab sich auch einer der größten
US-Kino-Stars, Liberace-Darsteller Michael Douglas, als Prophet der kreativen
Potenziale des Fernsehens. (Eine interessante Pointe dabei ist, dass der ursprünglich nur für die Fernsehausstrahlung gedachte Film Liberace dann doch weltweit
in den Kinos lief.)
Als weiteres Beispiel der spektakulären Hinwendung eines Kino-Stars
zur Autorenserie sei der Fall des Hollywood-Stars Kevin Spacey genannt. Er spielt
die Hauptrolle in House of Cards, dem US-Remake einer britischen TV-Serie von
1990, und hielt anlässlich des Starts der Serie eine viel beachtete Rede, die er begann mit einem Zitat von David Lean, Regisseur von Filmen wie Lawrence von
Arabien und Die Brücke am Kwai, der kurz vor seinem Tod 1990 prophezeite:
»Television will take over«. Er sang dann das von anderen schon länger, aber eben
noch nicht von einem zweifachen Oscar-Preisträger gesungene Hohelied der großartigen Serien mit ihren komplexen Figuren und Handlungssträngen als künstlerisch wertvolles Medium, das selbst sein Agent als dem Kino mehr als ebenbürtig
erachte. Die Pointe in diesem Fall liegt darin, dass das amerikanische House of
Cards gar nicht von einem Fernsehsender produziert worden war, sondern von
Netflix, dem relativ neuen Video-on-Demand-Internet-Sender, der wie ein Komet am Medienhimmel aufgestiegen ist und das Zeug dazu hat, die weltweiten
Machtverhältnisse im Bereich von Film und Fernsehen ebenso zu verändern wie
die Konstruktions- und Rezeptionsweisen von narrativen Langform-Serien.
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
19
21
Programmierung und Rezeption
Christoph Dreher
In Deutschland ließ sich die Ausstrahlung von US-Autorenserien sehr zögerlich
an, und die Programmierung war schlicht eine Katastrophe: The Sopranos wurde
seinerzeit zu nachtschlafender Zeit mit einer Folge pro Woche beim ZDF ausgestrahlt – ein natürlich untauglicher Versuch, eine Langformserie mit 86 Folgen in
sechs Staffeln, bei der man keine Folge verpassen darf, den Zuschauern nahezubringen. Nachdem man den Sendetermin von Samstagabend auf Sonntagnacht
verschoben hatte – mit dem Ergebnis weiter schwindender Zuschauerzahlen –,
hatte man schon bald einen Grund, die Ausstrahlung der Serie komplett einzustellen, dazu für alle Zeiten ein Argument zur Vermeidung von horizontal erzählten neuen US-Serien. Mad Men lief drei Jahre nach dem US-Start in Deutschland
bei dem nicht überall zu empfangenden Nischensender ZDFneo an, der später
auch 30 Rock übernahm – bei (insofern »vorprogrammierten«) Einschaltquoten
unter der Messbarkeitsgrenze, also mit weniger als 0,00 % Marktanteil. Mad Men
hatte ursprünglich auch bei den Erstausstrahlungen bei AMC nur zwei Millionen
Zuschauer – ebenso hatten fast alle anderen Autorenserien in den USA schlechte Quoten bei der Erstsendung. Weshalb es lange Zeit besonders hierzulande als
ausgemacht galt, dass sich Serien mit komplexen Handlungsstrukturen und ambivalenten Figuren an ein Nischenpublikum richten und an der Masse vorbeiproduziert werden – und dass so etwas selbstverständlich ein Fundamentalargument
gegen diese Serien sei. Es machte insofern Sinn, dass Serien wie In Treatment oder
Breaking Bad oder zuletzt die neuseeländische Mini-Serie Top of the Lake – wenn
nicht bei ZDFneo – bei ARTE liefen, einem Sender, der insgesamt als die, wenn
auch selbstbewusste, Verkörperung der TV-Nische gilt.
Seit über einem Jahr hat nun Sky Atlantic eine Allianz mit HBO, das
heißt, neue HBO-Serien werden zeitnah auch in Deutschland gezeigt, ältere werden nachgespielt. Sky achtet wie viele Abo-Sender in den USA nicht so sehr auf
»die Quote« eines Programms, aber dennoch wird auch ihnen der Publikums­
zuspruch nicht gleichgültig sein.2
Podiumsdiskussion in diesem Buch ab S. 289.
2 Siehe auch die Aussagen von Marcus Ammon, Senior Vice President Film bei Sky Deutschland, bei der
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
von US-Autorenserien in Deutschland
22
to change both the power relations in the area of film and television all over the world,
as well as the ways narrative long-form series are constructed and received.
Programming and reception
of US-American auteur series in Germany
In Germany, the broadcasting of American auteur series got started quite late, and
their programming was a plain catastrophe. The Sopranos were broadcast on ZDF
in the middle of the night with one episode per week – which is of course an inept
attempt to provide viewers a way to watch to a long-form series with 86 episodes over
six seasons, in which you can’t miss a single episode. After delaying the broadcast
slot from Sunday evening to Sunday night – with the result of further decreasing the
number of viewers – there was soon good reason to completely end the broadcast,
thus creating an argument for avoiding the strongly horizontally narrated American
series for all time. Mad Men ran in Germany three years after its US start on the niche
station ZDFneo, which isn’t received everywhere, and which later picked up 30 Rock –
to thus “preprogrammed” ratings under the limit of detectability, that is, with fewer
than 0.00% of the market share. Mad Men, even during its initial broadcast by AMC,
had originally only had two million viewers – just as almost all other auteur series in
the USA also had bad ratings for their first broadcast. Which is why, especially here in
Germany, it was considered a foregone conclusion that series with complex plot structures and ambivalent characters were targeted to a niche audience and were not produced with a mass audience in mind – and this was obviously taken as a fundamental
argument against these series. So it seemed sensible that series such as In Treatment or
Breaking Bad or more recently the New Zealander mini-series Top of the Lake would
run – if not on ZDFneo – on ARTE, a channel that as a whole is considered, if also
self-consciously, the embodiment of the TV niche.
For over a year now, Sky Atlantic has had an alliance with HBO, which
means that new HBO series are also shown in Germany closer to their US release,
while older series are shown in reruns. Like many subscription channels in the USA,
Sky is not so vigilant about the ratings for a program, but they are nonetheless not
indifferent to audience popularity.2
2 See also the statements by Marcus Ammon, Vice President Film of Sky, at the podium discussion, in
this book, p. 290.
23
3 Bettina Reitz, Fernsehredakteurin beim Bayerischen Rundfunk, lt. Spiegel 5/2013.
Christoph Dreher
Allerdings wurden schon lange Zweifel an der Ermittlung der Marktanteile von
Programmen geäußert, die als »die Quote« das Nonplusultra, der allein gültige
Maßstab für Erfolg oder Misserfolg besonders bei deutschen Fernsehsendern ist,
den öffentlich-rechtlichen wie den privaten. »Die Quote ist eine Verabredung, auf
die man sich einigen kann. Wenn wir das aufkündigen würden, ist die Angst
groß, die Legitimation innerhalb von Politik und Gesellschaft zu verlieren.«3 Was
aber, wenn die Methoden der Ermittlung der Quoten so zweifelhaft sind, dass ihre
Aussagekraft über die tatsächliche Wahrnehmung eines Programms nicht mehr
vorhanden ist?
In Deutschland wie in den USA ist das Verfahren zur Ermittlung der
Quoten das sogenannte Nielsen Rating: In einer als repräsentativ erachteten Auswahl an Haushalten – in Deutschland 6000, in den USA 25.000 – wird ermittelt,
wie viele Zuschauer wann welches Programm einschalten. Bei Serien geht es dabei
um die Zahl der Zuschauer bei Erstausstrahlung. So gemessen, hatten Serien wie
The Wire, Breaking Bad, Girls usw. besonders bescheidene Quote. Schon lange
aber hat man bemerkt, dass solche Serien von vielen erst mehr oder weniger lange
nach ihrer Erstausstrahlung angeschaut werden. So hat man bei einer Stichprobe
herausgefunden, dass Ratings nach einer Woche um mehr als die Hälfte höher
waren, wenn man das Sichten digitaler Videoaufnahmen mit einbezog. Zudem
nimmt die Zahl der Personen, die Serien auf dem Fernseher anschauen, ständig
ab. Mobile Geräte wie Laptops, Tabloids und Smartphones spielen eine immer
größere Rolle besonders bei solchen Programmen wie TV-Serien. Und dann ist es
die Zunahme von Video-on-Demand- und Streaming-Services wie Hutu, Netflix,
Apple TV, Amazon Prime usw., die – im Moment noch nicht so sehr in Deutschland, aber auch hier in wachsendem Maße – dafür sorgt, dass das traditionelle
Nielsen Rating untauglich geworden ist, um die tatsächliche Popularität eines Programms zu ermitteln.
Man hat das Verfahren deshalb in den USA geändert, und auch in Deutschland soll im Laufe von 2014 umgestellt werden. Man will neben der Berücksichtigung der genannten neuen Bedingungen der Rezeption von Filmen aller Art nun
auch die Kommunikation über sie in sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook
u. a. mit einbeziehen. So hat man festgestellt, dass in Top-Nutzungs-Zeiten 40%
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
Die Quote – Fetisch und Phantasma
24
Ratings – fetish and phantasm
At any rate, there has long been doubt about how to determine a program’s market
share, the ratings that qualify as the ne plus ultra , the sole valid standard for success
or failure, particularly among German television channels, be they public or private.
“Ratings are an arrangement that you can agree on. If we stopped using them, there
would be a great fear of losing legitimacy within politics and society.” 3 But what about
when the methods of determining ratings are so dubious that their validity about the
actual perception of a program is no longer there?
In Germany like in the USA, the process of obtaining ratings is the so-called
Nielsen Ratings. A selection of households – in Germany 6000, in the USA 25,000 – is
considered representative, and from these sources, data is gathered as to how many
viewers turned on which program and when. For series, what matters are the number
of viewers for the first broadcast. Measured in this way, series such as The Wire, Break­
ing Bad, Girls, etc., usually had modest ratings. For some time now, though, it has been
noticed that such series are often watched for the first time at a later time than their
initial broadcast. For instance, a random sampling revealed that ratings were higher
by more than half after one week if views from digital video recordings are taken into
account. In addition, the number of people who watch series on television is constantly
decreasing. Mobile devices such as laptops, tablets, and smart phones are playing an
increasingly bigger role, especially for programs like TV series. And then there is the
increase of video-on-demand and streaming services such as Hutu, Netflix, Apple TV,
Amazon Prime, etc., which – at the moment not so much in Germany, but even here to
a growing degree – ensure that the traditional Nielsen Ratings have become ineffectual at conveying the actual popularity of a program.
For this reason, the process has been altered in the USA, and is supposed to
be reorganized in Germany as well during 2014. Along with taking account of the
new conditions of reception for films of all kinds, communication about them in social
networks like Twitter, Facebook, and others is meant to be included. Is has been determined, for instance, that during top use times, 40% of all tweets have contents about
currently running television shows, and the advertising industry has long recognized
that the intensive communication by many people about programs is at least as important as the pure number of viewers. At this point one might want to consider that by
now many people get great pleasure from watching the variety of excellently written
3 Bettina Reitz, television editor at the Bayerischer Rundfunk, Spiegel, May 2013.
Christoph Dreher
aller Tweets gerade laufende Fernsehprogramme zum Inhalt haben, und die Werbewirtschaft hat längst erkannt, dass die intensive Kommunikation vieler Menschen über Programme mindestens so wichtig ist wie die reinen Zuschauerzahlen.
An dieser Stelle mag man in Betracht ziehen, dass es inzwischen vielen
Menschen großes Vergnügen bereitet, das Angebot der exzellent geschriebenen,
figuren- und handlungskomplexen Autorenserien wahrzunehmen – und darüber
mit Freunden und »Freunden« sich auszutauschen. Es hat sich bei vielen Zuschauern eine enorme Kompetenz entwickelt, die Handlungsfäden zu entwirren, die
Codes zu lesen, früh angelegte Hinweise auf spätere Ereignisse zu deuten, Aspekte
der impliziten Dramaturgie zu interpretieren, Prognosen aufzustellen – und das
macht kollektiv mehr Spaß. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Intensität der
Beschäftigung ganz andere Levels an Identifikation mit sich bringt, und damit
natürlich ideale Bedingungen für die Werbeindustrie. In der Sprache der (amerikanischen) Agenturen heißt das, dass man mehr auf den »social media zeitgeist of
the program« achtet als allein auf die Quoten, und nicht zuletzt: »quality original
programming means big money«.
US-Kabelsender wie HBO, AMC oder Showtime haben schon lange die
nur sehr eingeschränkte Aussagekraft von traditionell ermittelten Ratings erkannt
und setzen statt auf Zuschauerzahlen einzelner Filme oder Serienepisoden auf
Abonnentenzahlen. So hatte der ehemalige Abspielsender für alte Filme, AMC,
seit dem Beginn der Ausstrahlung von Mad Men einen rasanten Zuwachs an
Abonnenten, was sich durch Breaking Bad noch verstärkt hat, obwohl die Einschaltquoten einzelner Folgen beider Serien bei Erstausstrahlung nicht sonderlich
gut waren. HBO’s erster großer Autorenserienerfolg, The Sopranos, bescherte dem
Sender einen Zuwachs von fünf Millionen Abonnenten – am Anfang waren es
22 Millionen, am Ende 27. Ein anderes Beispiel ist der Sender Showtime, der ab
2007 keine Filmdeals mehr abschloss und stattdessen begann, in eigene Serien zu
investieren (zuletzt Homeland). Zwischen 2009 und 2013 ist die Zahl der Abonnenten von 17 auf 22 Millionen gestiegen.
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
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auteur series, with their complex characters and plots – and furthermore than they
like to exchange comments about them with their friends and their “friends.” Many
viewers have developed enormous competence in unraveling plot threads, in deciphering codes, in reading clues dropped early on about later events, in interpreting aspects
of implicit dramaturgy, in determining outcomes – and all of this is more fun when
done collectively. It goes without saying that such an intensity of engagement brings
with it quite different levels of identification, and of course the ideal circumstances for
the advertising industry. In the language of the (American) agencies, this means that
one pays more attention to the “social media zeitgeist of the program” than to ratings
alone, and not least: “quality original programming means big money.”
American cable channels like HBO, AMC, or Showtime have long recognized the limited validity of the way ratings are traditionally gathered, looking to the
number of subscribers rather than to the number of viewers for single films or episodes
of series. AMC, a channel formerly known for showing old movies, saw the number
of their subscribers increase dramatically after they began showing Mad Men, which
has become even more dramatic due to Breaking Bad, although the ratings for single
episodes of both series were not especially good at their first broadcast. HBO’s first big
success in auteur series, The Sopranos, earned the channel an increase of five million
subscribers – at first there were 22 million, in the end 27 million. Another example
is Showtime, which stopped making film deals in 2007, and instead began to invest
in their own series (most recently Homeland). Between 2009 and 2013 the number of
their subscribers rose from 17 to 22 million.
US cable TV – a clever business model with a bad outlook
As impressive as these figures are, they don’t yet completely explain how the large
sums that had to be invested in the comparatively expensive long-form series could be
profitable. For a long time there was speculation about the revenues from worldwide
DVD sales, which surely play a certain role. Some indication about the most significant aspect of the added value, however, was given in an article in the New York Times
from 9th December 2012 entitled: “The Mad Men Economic Miracle,” resulting in the
claim: “Cable TV has developed one of the most clever business models in our modern
economy.” 4
4 New York Times Magazine, 12/9/2012.
>>
Mad Men Illustration
US-Kabel-TV – ein cleveres Geschäftsmodell
4 New York Times Magazine, 9.12.2012.
So eindrucksvoll diese Zahlen sind, so erklären sie noch nicht vollständig, wie
sich die großen Summen rentieren, die zur Produktion der vergleichsweise teuren
Langform-Serien investiert werden müssen. Lange Zeit spekulierte man über die
Einnahmen durch weltweite DVD-Verkäufe, die sicher eine gewisse Rolle spielen.
Aufschluss über den wohl bedeutendsten Aspekt der Wertschöpfung lieferte aber
ein Artikel in der New York Times vom 9. Dezember 2012 unter dem Titel: »The
Mad Men Economic Miracle«, resultierend in der Feststellung: »Cable TV has
developed one of the most clever business models in our modern economy.«4
Um dieses Modell zu verstehen, muss man kurz ausholen: Es gibt in den
USA ein Monopol von acht Kabel-Netz-Betreibern, die den Markt regional aufgeteilt haben. Das Monopol ist zwar vor ein paar Jahren höchstrichterlich für illegal
erklärt worden, es besteht aber fort, weil niemand sich mehr traut, in Anbetracht
einer ziemlich vollständigen Kabel-Infrastruktur hohe Investitionen in diesem
Christoph Dreher
mit schlechten Prognosen
> PERSPEKTIVEN DER AUTORENSERIE / PERSPECTiVES OF AUTEUR SERIES
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In order to understand this model, we have to go back briefly. In the USA
there is a monopoly of eight cable network services, which have divided the market
according to region. The Supreme Court did in fact declare the monopoly to be illegal
a couple of years ago, but it continues because no one dares to put large investments
in this area considering the fairly complete cable infrastructure. These cable network
services offer their subscribers different comprehensive packages of various channels
at different prices. So a package with over 80 channels at the largest of them, Comcast,
costs just under $80 a month. One can also get packages with more than 150 or 190
channels for correspondingly higher fees. Comcast pays 40 cents per month per subscriber to channels like AMC, which are included in such packages. Last year, AMC
received a total of $30 million a month from the various cable network providers in
this way – for its entire program.
As already mentioned, AMC changed its program a few years ago and now
reserves a few dozen evenings of the year for self-produced programs like Mad Men
and Breaking Bad.
These have developed comparatively small, but passionate communities of
viewers and fans – which changed, however, with the two parts of the last, fifth season
of Breaking Bad. Breaking Bad “went through the roof,” which means that the number
of first viewers in the USA had doubled in comparison to the previous seasons, making
the series successful even by the ratings standard. But even without these, AMC could
demand significantly more money from the cable networks and satellite providers such
as Comcast or Direct TV, money that ultimately comes from their subscribers, the majority of whom do not watch quality TV series. This is because Comcast do not dare to
refuse AMC and take the channel out of its packages for fear of potentially alienating
confirmed series fans. On the basis of approximately 80 million subscribers of various
providers that have AMC in their program, AMC receives 30 million dollars a month,
whether or not an episode of Breaking Bad, for instance, is running at the moment.
This is what made it possible to continue financing Breaking Bad, although for a long
time the series only had around three million viewers.
All the participants earn such enormous sums that cable TV is indeed the
most profitable business in the USA today – presumably with the exception of the
weapons industry and the drug trade. In the words of the New York Times: “And
somehow, they all seem to be making insane amounts of money. This business model,
perhaps as much as artistic creativity, is responsible for TV’s current golden age.”
Christoph Dreher
Bereich zu tätigen. Diese Kabel-Netz-Betreiber bieten ihren Abonnenten unterschiedlich umfangreiche Pakete von verschiedenen Sendern zu unterschiedlichen
Preisen an. So kostet bei dem großen Anbieter Comcast ein Paket mit über 80 Sendern knapp 80$/Monat. Man kann auch, gegen entsprechend höhere Gebühren,
Pakete mit mehr als 150 oder 190 Sendern bekommen. Comcast zahlt an Sender
wie AMC, die in solche Pakete inkludiert sind, 40 Cent/Monat und Abonnent.
Letztes Jahr bekam AMC auf diese Weise von verschiedenen Kabel-Netz-Anbietern insgesamt 30 Millionen $/Monat – für sein gesamtes Programm.
Wie bereits erwähnt hat AMC sein Programm vor wenigen Jahren geändert und zeigt an ein paar Dutzend Abenden des Jahres zwei bis drei Stunden
selbst produzierte Programme wie Mad Men und Breaking Bad. Diese haben vergleichsweise kleine, aber leidenschaftliche Zuschauer- und Fangemeinden entwickelt – was sich bei Breaking Bad allerdings mit den beiden Teilen der letzten,
fünften Staffel geändert hat: Breaking Bad »ging durch die Decke«, das heißt, die
Zahl der Erstzuschauer in den USA verdoppelte sich gegenüber den vorherigen
Staffeln, die Serie war somit auch quotenmäßig ein Erfolg. Aber auch ohne diesen
konnte AMC von den Kabel-Netz- und Satelliten-Anbietern wie Comcast oder
DirectTV deutlich mehr Geld verlangen, Geld, das letztlich von deren Abonnenten kommt, die mehrheitlich keine Quality-TV-Serien anschauen. Denn Comcast
und Co. trauen sich angesichts potenziell verärgerter eingeschworener Serien-Fans
nicht, die erhöhten Forderungen von AMC zu verweigern und den Sender aus
den Paketen herauszunehmen. Auf der Basis von ca. 80 Millionen Abonnenten
verschiedener Anbieter, die AMC in ihrem Programm haben, bekommt AMC so
monatlich 30 Millionen Dollar, und zwar unabhängig davon, ob nun gerade eine
neue Staffel von beispielsweise Breaking Bad läuft oder nicht. Auf diese Weise war
Breaking Bad refinanzierbar, obwohl die Serie lange Zeit nur etwa drei Millionen
Zuschauer hatte.
Alle Beteiligten verdienen solche enormen Summen, dass Kabel-TV wohl
das profitabelste Geschäft in den USA heute ist – vermutlich ausgenommen das
Waffengeschäft und den Drogenhandel. In den Worten der New York Times:
»And somehow, they all seem to be making insane amounts of money. This business model, perhaps as much as artistic creativity, is responsible for TV’s current
golden age.«
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The Sopranos © Barry Wetcher / HBO
The Uncertain Future of American Auteur Series
Nonetheless: Cable television in the USA is on its way out. When young people move
away from home, they don’t subscribe to cable TV, instead watching series on the net,
legally at Netflix or iTunes or illegally by file sharing via BitTorrent. This results in
increased costs for cable customers, which are shrinking by 0,75% every quarter, and
it poses the question of when the acceptable limit will be reached. (Some predict that
massive drops in the cable subscription system can be expected as early as 2016.) The
next question, of course, is whether there will also be such a quality competition without monopolistic cable TV, and thus also ever improving auteur series. The New York
Times, in the article cited above, continues: “The future is scary, because the answer
is probably no.”
Alongside the structural and economic factors described here, there are of
course still other circumstances and subjective factors that are also decisive in whether very good auteur series are produced. It has frequently been pointed out recently
that HBO declined to produce Mad Men after Chris Albrecht left – he was president