Einfache Leute - Relevant Film

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Einfache Leute - Relevant Film
Mittwoch, 07.03.2007
| 20.15 Uhr im Ersten
Einfache Leute
NDR Fernsehfilm
Einfache Leute
NDR Fernsehfilm
Mit
Barbara Auer, Klaus J. Behrendt, Oliver Bäßler, Tom Schilling
u. a.
Buch
Johannes Reben
Regie
Thorsten Näter
Sendetermin
Mittwoch, 7. März 2007 | 20.15 Uhr | Das Erste
| Einfache Leute
Inhalt
Henrik Bode (40) hatte als junger Mann das Zeug zum
Meisterschwimmer. Der Schwimmverband hat ihn geför­
dert, aber zur ganz großen Karriere reichte es dann doch
nicht. Heute arbeitet er als Bademeister in seiner Heimat­
stadt Bremerhaven und genießt dort noch immer eine Art
Prominentenstatus. Er ist mit der Verkäuferin Betta ver­hei­
ratet und Vater eines fast erwachsenen, ebenfalls schwimm­­
begeisterten Sohnes. Als eines Tages sein Jugendfreund
Lutz wieder in sein Leben tritt, gerät Henriks familiäres
Glück jedoch ins Wanken. Lutz war in Jugendzeiten nicht
nur sein Freund, sondern auch sein Liebhaber. Auf Druck
der Verbandsfunktionäre beendete Henrik jedoch diese
Beziehung und verleugnete fortan seine homosexuellen
Neigungen. Erst Jahre nach der Heirat mit Betta und der
Geburt des Sohnes Sebastian hat er heimlich angefangen,
Schwulenclubs zu besuchen. Lutz hat keineswegs vor,
seinen Ex-Freund zu diskreditieren. Nach langen Jahren
auf See sucht er jetzt nur wieder dessen Nähe. Henrik
weist ihn jedoch zurück, da er Angst vor Entdeckung hat.
Um dennoch mehr über seine alte Liebe in Erfahrung zu
bringen, sucht Lutz Betta in ihrem Kaufhaus auf und ver­
wickelt sie – als Kunde getarnt – ins Gespräch. Bei einem
anschließenden Zusammentreffen vereinbaren Henrik
und Lutz, sich nicht wiederzusehen – die Gefahr scheint
zunächst einmal gebannt.
Doch der Zufall will, dass Betta und Sebastian Henrik kurze
Zeit später mit einem seiner heimlichen Lover ertappen.
Für Betta bricht die Welt zusammen. Sie zwingt Henrik zu
einer Aussprache, in der sie auch die Wahrheit über Lutz
erfährt. Sebastian ist ebenfalls entsetzt. Er zieht zur Groß­
mutter und verweigert jeden weiteren Kontakt zum Vater.
Betta hingegen kämpft verzweifelt darum, die Familie
zusammenzuhalten. Vergeblich bemüht sie sich, zwischen
Vater und Sohn zu vermitteln, und auch zu Lutz nimmt
sie wieder Kontakt auf. In der Hoffnung, gemeinsam mit
ihm einen Ausweg zu finden, lädt sie alle Betroffenen
zu sich nach Hause ein. Doch nimmt dieser Abend eine
für alle überraschende tragische Wendung …
Kurzinhalt
Henrik Bode war in seiner Jugend eine Hoffnung des
deutschen Schwimmverbandes, doch einer der ganz
Großen ist er nie geworden. Heute lebt er als Bademeister
und Familienvater in Bremerhaven – und genießt in seiner
Heimatstadt sogar noch eine Art Ex-Prominentenstatus.
Als sein Jugendfreund Lutz wieder in sein Leben tritt,
gerät Henriks kleinbürgerliches Glück jedoch ins Wanken.
Lutz war früher nicht nur sein Freund, er war sein Lieb­
haber. Um seine Karriere nicht zu gefährden, hat Henrik
sich damals von Lutz getrennt – und seine Homosexualität
fortan nur noch heimlich ausgelebt. Lutz respektiert
diese Entscheidung. Durch einen Zufall erfährt Henriks
Frau Betta und der fast erwachsene Sohn Sebastian von
Henriks Doppelleben. Beide sind zunächst entsetzt.
Während Sebastian sich hasserfüllt vom Vater abwen­
det, sucht Betta verzweifelt nach einem Weg, die Familie
zusammenzuhalten …
Stab
Buch
Johannes Reben
Regie
Thorsten Näter
Kamera
Achim Hasse
Schnitt
Julia von Frihling
Szenenbild
Dietmar Linke
Kostüm
Petra Kilian
Ton
Frank Ahrens
Produktionsleitung
Ingrid Holzapfel
Produzentin
Heike Wiehle-Timm
Redaktion
Barbara Beauvais
Besetzung
Betta Bode
Barbara Auer
Henrik Bode
Klaus J. Behrendt
Lutz Lüken
Oliver Bäßler
Sebastian Bode
Tom Schilling
sowie
Sebastian Urzendowsky, Sabine
Orléans, Charly Hübner, Traudel
Sperber, Dirk Laasch, Katharina Matz,
Renato Grüning, Willi Allroggen,
Micha Martin Lauterjung, Jörg
Gillner, Dagmar Sachse, Günter
Kütemeyer, Dorina Maltschewa,
Anja Boche, Sven Fechner, Stefan
Roschy, Lotte Letschert, Julian
Sengelmann, Christian Concilio
u. a.
Drehzeit
18. Mai bis 19. Juni 2005
Drehorte
Hamburg und Bremerhaven
Länge
88’01’’
„Einfache Leute“ ist eine
Produktion der RELEVANT FILM
im Auftrag des NDR.
| Einfache Leute
Johannes Reben Drehbuch
Autor Johannes Reben ist in Westfalen geboren und lebt
in Berlin. Er studierte in Florenz und absolvierte als erster
Deutscher die Hochschule für Film „Centro Sperimentale
di Cinamatografia“ in Rom, die er mit einem Diplom
abschloss. Für das Theater übersetzte er Goldoni und
Machiavelli. Für das Fernsehen entwickelte er Drehbücher
u. a. für die Filme „Unser Pappa“, „Verhängnisvolles Glück“
oder „Bei Thea“. Besonders beliebt beim Publikum ist
Rebens Figur „Bruder Esel“ (gespielt von Dieter Pfaff), die
in der gleichnamigen Serie das erste Mal 1996 auf dem
Bildschirm zu sehen war. Mit „Reise nach Weimar“ näherte
sich Johannes Reben auf sanfte und unterhaltsame Weise
dem deutsch-deutschen Wiedervereinigungsproblem.
Sein Händchen für ungewöhnliche Liebes- und Familien­
geschichten bewies er beispielsweise mit dem Fernsehfilm
„Klaras Hochzeit“. Ebenfalls in einer gelungenen Mischung
aus Humor und Dramatik erzählt Reben in „Herzens­
wünsche“ von kleinen Alltagssorgen und großen Plänen.
Nun überzeugt Reben ein weiteres Mal mit dem Drehbuch
zu „Einfache Leute“.
Neben dem DAG-Preis in Gold wurde Johannes Reben
mit dem Grimme-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis
ausgezeichnet.
Filmografie
(Auswahl)
Fernsehen
2006
Einfache Leute (Regie: Thorsten Näter)
2004
Unser Pappa, 3 Teile (Regie: Ilse Hofmann u.a.)
2001
Klaras Hochzeit (Regie: Christian Görlitz)
2000
Verhängnisvolles Glück (Regie: Thorsten Näter)
1999
Der Preis der Sehnsucht (Regie: Christian Görlitz)
1996
Bruder Esel, Serie (Regie: Stephan Meyer)
Reise nach Weimar (Regie: Dominik Graf)
1994
In dieser Stadt daheim (Regie: Eberhard Itzenplitz u.a.)
1988
Bei Thea (Regie: Dominik Graf)
1985
Liebfrauen (Regie: Wolfgang Panzer)
1979
Einzelzimmer (Regie: Wolfgang Panzer)
„An ein einfaches
Happy End habe
ich bei diesem Buch
nie gedacht“
Johannes Reben
Gespräch mit Autor Johannes Reben
Wie ist es zu dem Fernsehfilm „Einfache Leute“
gekommen, was war Ihre Grundidee?
Barbara Beauvais vom NDR und Heike Wiehle-Timm
(Relevant Film) sind zu mir gekommen und haben mutig
ein Drehbuch zum Thema „Verheirateter Schwuler um
die Vierzig“ in Auftrag gegeben. Sie haben zwei hübsche
Ideen mitgebracht, an die ich mich aber nicht halten muss­
te. Meine Geschichte ist mir nach und nach eingefallen.
„Einfache Leute“ ist auch ein Film über vertane Chancen,
Sprachlosigkeit, falsch gelebte Leben. Aus der Sicht des
Regisseurs Thorsten Näter spielt die Frage der Sexualität
in dem Film nur eine sekundäre Rolle. Wie sehen Sie das?
Was ist für Sie das zentrale Thema des Films?
„Einfache Leute“ ist ein Film über die Lüge. Das Zerstö­
rende der Lüge. Und gleichwertig damit ein Film über
Sehnsucht, Liebe, Zärtlichkeit, Treue, Kampf, Hoffnung.
Sexualität spielt wohl fast immer eine große Rolle.
Wie haben Sie sich diesem Stoff genähert? Haben Sie
Recherchen angestellt?
Bei so einer Geschichte muss man den Mut haben,
den Finger in die Wunde zu legen. Das tut weh. Ich bin
nicht mehr der Jüngste und hab’ eine Menge erlebt.
Zu recherchieren brauchte ich nicht.
Um als Sportler in Deutschland Karriere zu machen,
darf man nicht schwul sein, heißt es in „Einfache Leute“.
Wie wichtig war Ihnen die gesellschaftspolitische Seite
des Films?
Die „gesellschaftspolitische Seite“ ist mir sehr wichtig.
Beim Schreiben habe ich mich bemüht, ihr im Privaten ein
starkes Fundament zu verschaffen. Das war mein Ding.
Als Zuschauer in Großstädten wie Berlin wird man
sich kaum vorstellen können, dass es heute noch so
schwierig ist, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen.
Welche Rolle spielte für Sie dabei der Schauplatz
Bremerhaven, also die Provinz?
Bremerhaven kenne ich gut.
Besonders ungewöhnlich ist die Reaktion der Frau
auf die Tatsache, dass ihr Mann schwul ist …
Die Frau, gespielt von der großen Barbara Auer,
liebt Mann und Sohn.
Haben Sie je an ein Happy End für eines der beiden
Paare gedacht?
An ein einfaches Happy End habe ich bei diesem Buch
nie gedacht. Was da ist, scheint mir richtig.
Haben Sie beim Schreiben bestimmte Schauspieler vor
Augen gehabt, vielleicht sogar auf sie hin geschrieben?
Ich stelle mir bei der Arbeit immer bestimmte Schauspieler
vor. Für die schreib’ ich ja. Sonst wär’ ich vielleicht ein
Romancier geworden. Die Besetzung ist dann aber klar
Sache des Regisseurs. Und erst recht eines guten wie
Thorsten Näter. Da darf und will ich nicht reinreden. Er
hat ja auch diesmal wieder wundervolle Leute ausgesucht
10 | Einfache Leute
Thorsten Näter Regie
1953 in Hamburg geboren, erhielt Thorsten Näter in den
Jahren 1967 bis 1972 eine Ausbildung in den Fächern
Violine, Viola und Klavier am Konservatorium Lübeck und
an der Staatlichen Musikhochschule in Berlin, zeitweise
parallel dazu in klassischem Tanz und Pantomime. Nach
dem Abitur studierte er von 1974 bis 1978 an der Hoch­
schule für Fernsehen und Film, München. Seit 1978 arbeitet
Näter als Autor, Regisseur und als Cutter und war fünf
Jahre als Dozent für Schnitt an der dffb/Berlin tätig.
2002 wurde er mit seinem Bremer Tatort „Schatten“ für
den Adolf-Grimme-Preis und den Fernsehfilmpreis der
Deutschen Akademie der Darstellenden Künste nominiert,
2003 mit seinem Film „Mit dem Rücken zur Wand“ für
den Deutschen Fernsehpreis. 2004 erhielt er mit seinem
Bremer Tatort „Abschaum“ eine Nominierung für das
1. FernsehKrimi-Festival Wiesbaden.
Filmografie (Auswahl)
Fernsehen
2006
Einfache Leute (Regie), NDR
2005
Doppelter Einsatz: Schatten der Vergangenheit (Buch/
Regie), RTL
Die Abrechnung (Regie), ZDF
Tatort: Atemnot (Buch), NDR
Tatort: Requiem (Buch/Regie), Radio Bremen/WDR
2004
Tatort: Todesengel (Buch/Regie),
Radio Bremen/ARD Degeto
Doppelter Einsatz: Gefährliche Liebschaft
(Buch/Regie), RTL
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2003/04
Der Dicke – Serie für Dieter Pfaff 13 Folgen (Buch), NDR
Wilsberg: Tödliche Freundschaft (Buch, Regie), ZDF
2003
Doppelter Einsatz: Harte Bandagen – Serie
(Buch, Regie), RTL
Bella Block: Hinter den Spiegeln (Buch, Regie), ZDF
Tatort: Abschaum (Buch, Regie), Radio Bremen/ARD Degeto
2002
Tatort: Schatten (Buch, Regie), Radio Bremen/ARD Degeto
Doppelter Einsatz: Langer Samstag – Serie
(Buch, Regie), RTL
Doppelter Einsatz: Heiße Fracht – Serie (Buch), RTL
Bella Block: Kurschatten (Regie), ZDF
2001
Doppelter Einsatz: Im Visier der Bestie – Serie
(Buch, Regie), RTL
Doppelter Einsatz: Verraten und verkauft (Regie), RTL
Mit dem Rücken zur Wand – Spielfilm (Buch, Regie), ZDF
Hamburger Fernsehpreis 2002
2000
Verhängnisvolles Glück – Spielfilm (Regie), ZDF
Doppelter Einsatz: Das Alibi – Serie (Regie), RTL
Liebe.macht.blind. – Spielfilm (Regie), SWR/Degeto
Tatort: Kalte Wut (Buch, Regie, Schnitt),
Radio Bremen/ARD Degeto
1999
Die Außenseiter (Delta Team) – 2 Bücher für die Serie
Racheengel – Spielfilm (Regie), ProSieben
Club der Millionäre – Spielfilm (Regie), ProSieben
1998
Die Außenseiter (Delta Team) – Pilotfilm für eine ­
Action­serie (Buch, Regie, Schnitt), ProSieben
Bangkok – Ein Mädchen verschwindet – Spielfilm
(Regie und Co-Autor), ProSieben
1997
Straßen von Berlin – 2 Folgen der ProSieben-Reihe
(Regie, Schnitt), ProSieben
Totalschaden – Spielfilm (Buch, Regie), NDR
1996
Frauen morden leichter – ZDF-Reihe (Specials, Regie), ZDF
Gegen den Strom – Spielfilm (Buch, Regie, Schnitt), NDR
Napoleon Fritz – Spielfilm (Co-Autor, Regie), NDR
Flash – Videoclip (Buch, Regie, Schnitt)
„Mit den hervorragenden Schauspielern
wurden alle Klischees umschifft“
Thorsten Näter
13
Statements des Regisseurs Thorsten Näter
Ich habe den Film „Einfache Leute“ als einen Traum erlebt,
im positivsten Sinne. Soweit ich mich erinnern kann,
ist es das schönste Drehbuch, das ich je verfilmen durfte.
Wir haben erst beim Drehen bemerkt, was für eine Kraft
aus der Einfachheit der Geschichte und der Dialoge
erwächst. Das war Honig für die Schauspieler und natür­
lich auch für mich als Regisseur. Es ist so schön an dem
Drehbuchautor Johannes Reben, dass es ihm gelingt,
wichtige gesellschafts-politische Themen auf einer per­
sönlichen Ebene zu behandeln. Ich hoffe sehr, dass dieser
Film zu einer Diskussion darüber führen wird, warum es
für deutsche Sportler so schwierig ist, sich zu ihrer Homo­
sexualität zu bekennen.
„Einfache Leute“ ist noch aus einem weiteren Grund un­­
gewöhnlich: selten wird in einem deutschen Fernsehfilm
Schwulsein so positiv dargestellt. Anders als in Amerika
oder England ist bei uns die Schwelle zur Normalisierung
noch nicht überschritten. Durch die Medien wird der
Eindruck erweckt, wir tollen alle durch den „Käfig voller
Narren“, dabei wird aber verdrängt, dass es außerhalb
der Großstädte – und sogar schon in ihren Randbezirken
– noch gefährlich sein kann, sich zu outen, weil es gesell­
schaftlich nicht anerkannt wird. Im deutschen Fernsehen
sieht man entweder die Spaß-Tunte oder Schwulsein wird
problematisiert, aber die Tatsache, dass Homosexualität
ein normaler Teil der Gesellschaft ist, wird nicht reflektiert.
Mich hat gereizt, mit diesen Sehgewohnheiten zu brechen.
Damit der Zuschauer unsere Figuren auf ihrem schmerz­
haften Weg begleitet, war es wichtig, sie mit sympathischen
Schauspielern zu besetzen. Bei der Figur des Henrik war
der Sympathiefaktor am wichtigsten, weil er die Zuschauer
sogar mit „in einen Darkroom“ nimmt. Klaus J. Behrendt
war sofort bereit, diese Rolle zu über­nehmen, auch weil
er damit sein Image als starker Kerl und Frauenheld kon­
terkarieren kann. Mit den hervorragenden Schauspielern
Klaus J. Behrendt, Barbara Auer, Oliver Bäßler und Tom
Schilling – übrigens unsere Wunschbesetzung – wurden
alle Klischees umschifft.
14 | Einfache Leute
Barbara Auer ist Betta Bode
Barbara Auer wurde in Konstanz am Bodensee geboren.
Sie ist Mutter zweier Söhne und lebt heute in Hamburg.
Von 1978 bis 1981 studierte sie an der Hochschule für
Musik und Darstellende Kunst in Hamburg. Nach ihrem
Diplom war sie für die unterschiedlichsten Rollen an
diversen Theatern engagiert, darunter Mainz, Osnabrück
und Wuppertal. 1999 bis 2001 stand sie in „Cyrano de
Bergerac“ auf der Bühne des Wiener Burgtheaters, 2001
bis 2005 in „Drei Mal Leben“ (Regie: Ulrich Waller) auf
der Bühne der Hamburger Kammerspiele und als Wieder­
aufnahme des St. Pauli Theaters.
Bereits 1982 entdeckte sie Regisseur Alexander Kluge fürs
Kino. Seitdem hat sie mit ihrer schauspielerischen Leistung
in unzähligen Kino- und Fernsehfilmen brilliert. Beispiele
sind „Liebe macht blind“ (Regie: Thorsten Näter), „Die
Innere Sicherheit“ (Regie: Christian Petzold), der für den
deutschen Filmpreis nominiert war, oder die NDR-Produk­
tion „Der Liebeswunsch“ (Regie: Torsten C. Fischer). Für
ihre Rolle in Nico Hofmanns Film „Der große Abgang“
erhielt Barbara Auer den Telestar für die beste schauspie­
lerische Leistung im Bereich TV-Film.
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Filmografie
(Auswahl)
Fernsehen
2006
Freundinnen (Regie: Maris Pfeiffer)
Einfache Leute (Regie: Thorsten Näter)
2005
Nachtschicht IV (Regie: Lars Becker)
2004
Der Mörder meines Vater (Regie: Urs Egger)
Schiller (Regie: Martin Weinhardt)
2003
Die andere Frau (Regie: Margarethe von Trotta)
2002
Weihnachtsmann gesucht (Regie: Uwe Janson)
2001
Liebe.Macht.Blind (Regie: Thorsten Näter)
1999
Kein Weg zurück (Regie: Volker Vogeler)
1995
Nikolaikirche (Regie: Frank Beyer)
Reise nach Weimar (Regie: Dominik Graf)
1994
Der große Abgang (Regie: Nico Hofmann)
1991
Das Lachen der Maca Daraca (Regie: Dieter Berner)
1988
Der Boss aus dem Westen (Regie: Vivian Naefe)
Kino
2005
Ich bin die andere (Regie: Margarethe von Trotta)
Der Liebeswunsch (Regie: Thorsten C. Fischer)
2004
Ultima Thule – Eine Reise an den Rand der Welt
(Regie: Hans-Ulrich Schlumpf)
2003
Sergeant Pepper (Regie: Sandra Nettelbeck)
2000
Die Innere Sicherheit (Regie: Christian Petzold)
1997
Weihnachtsfieber (Regie: Paul Harather)
1996
Maria (Regie: Einar Heimisson, Michael Röhrig)
1991
Meine Tochter gehört mir (Regie: Vivian Naefe)
1989
Herzlich Willkommen (Regie: Hark Bohm)
1982
Die Macht der Gefühle (Regie: Alexander Kluge)
„‚Einfache Leute‘ ist kein Film darüber, dass
es im deutschen Leistungssport keine Homo­
sexuellen geben darf. Er handelt auch vom
Scheitern im Leben, von der Sprachlosigkeit“
Barbara Auer
17
Gespräch mit Barbara Auer
Betta Bode kommt aus einfachen Verhältnissen, verfügt
aber über eine große innere Stärke – ein Typ Frau, wie Sie
ihn zwar selten, aber – z.B. in „Der große Abgang“ oder
„Warten ist der Tod“ - mit großem Erfolg gespielt haben.
Das sind für mich tolle, spannende Figuren! Bei der Rolle
der Betta in „Einfache Leute“ hat der Autor Johannes
Reben bereits beim Schreiben an mich gedacht. Wir hatten
uns vor zehn Jahren kennen gelernt, als ich für „Reise
nach Weimar“ vor der Kamera stand, einen Fernsehfilm,
den Dominik Graf nach einem Drehbuch von Johannes
Reben inszenierte. Nach dem Lesen des Drehbuchs wurde
„Einfache Leute“ für mich sofort zum Wunschprojekt.
Betta Bode ist eine besondere Rolle, der Film zeigt einen
neuen Aspekt dieses Themenkreises und es war insgesamt
eine sehr schöne Arbeit.
Wie haben Sie sich der Figur genähert?
Ich habe alles zusammen getragen, was ich zu diesem
Thema finden konnte. Natürlich habe ich auch schwule
Kollegen, aber unter den Schauspielern bekennen sich die
meisten dazu, es ist nicht wie in „Einfache Leute“. Eine
wichtige Grundlage war für mich das Buch „Mein Mann
liebt einen Mann“ von Bettina von Kleist. Darin wird
deutlich, dass viele Frauen bei ihren Männern bleiben oder
es zumindest versuchen. Die Frauen haben die Männer
nicht verurteilt oder sie beschimpft, was häufig geschieht,
wenn eine fremde Frau bei einem Ehebruch im Spiel ist,
sondern mit einer großen Toleranz reagiert. Viele haben
die homosexuellen Beziehungen ihrer Männer akzeptiert,
manche ertrugen sogar einen festen Freund neben sich,
weil sie dadurch hofften, ihren Mann vom anonymen Sex
in Dark­rooms fernzuhalten. Es gab einige Frauen, die diese
Beziehung bis ins Alter gelebt haben, sehr häufig mussten
sie jedoch erkennen, dass es doch nicht geht. Aber natür­
lich bricht das Leben komplett auseinander, was auch hier
der Fall ist.
„Jetzt stehen wir das zusammen durch. Oder glaubst du,
ich verschenk’ mein Leben?“, sagt Betta Bode zu ihrem
Mann Henrik, nachdem sie herausfindet, dass er schwul
ist. Konnten Sie diese Reaktion nachvollziehen?
Ja. Betta Bode ist ja nicht unzufrieden mit ihrem Leben,
mit ihrer Ehe. Sicher, es ist eine eingespielte Ehe, aber es
ist keine schlechte. Sie hat keine Ahnung, was ihren Mann
umtreibt, was für Nöte er hat – denn Henrik hat ja wirk­
liche Nöte.
Liegt die Verantwortung für das Scheitern ihres Mannes
bei der Gesellschaft, beim Schwimmverband oder bei
ihm selbst?
Es sind mehrere Faktoren, die zu seinem Scheitern geführt
haben. Durch die gesellschaftliche Vorgabe ist er von
vorneherein im falschen Fahrwasser, sie hat ihn verbogen,
kaputt gemacht. Es hat ihn zermürbt, mit einer Lebens­
lüge zu leben. Dabei hat er ja noch Glück, er hat eine
tolle Frau und einen guten Sohn. Aber auch das macht
ihn kaputt, weil er denkt, das habe er nicht verdient. Am
schlimm­sten ist für ihn, dass sein Sohn ihn ablehnt, als
er erfährt, dass Henrik schwul ist.
Liebe, Sexualität, Schwule im Sport – „Einfache Leute“
schneidet vielen Themen an. Was ist aus Ihrer Sicht das
zentrale Thema des Films?
Die Themen überlagern sich, genauso wie die verschie­
denen Beziehungen. „Einfache Leute“ ist kein Film darüber,
dass es im deutschen Leistungssport keine Homosexuellen
geben darf. Er handelt auch vom Scheitern im Leben, von
der Sprachlosigkeit.
Welche Bedeutung hat der Schauplatz Bremerhaven?
Einerseits ist es auch heute noch in den kleineren Städten
für Schwule schwieriger, ihre Homosexualität zu leben.
Andererseits hat der Drehort Bremerhaven eine große
Normalität eingebracht. Der Titel „Einfache Leute“ steht
auch dafür, dass jedem überall passieren kann, was Henrik
und Betta geschieht. Bremerhaven war bis in die Siebziger­
jahre für viele Menschen ein Ort der Hoffnung, weil sie
von dort aus in die Neue Welt aufgebrochen sind. Inzwi­
schen fliehen die Menschen aus Bremerhaven, weil es dort
keine Arbeit mehr für sie gibt. Wenn Betta und ihr Sohn
Sebastian am Fähranleger stehen, spürt man genau, dass
dieser Ort keine Hoffnung mehr vermittelt.
18 | Einfache Leute
Betta findet die Stadt trostlos und sehnt sich nach ihrer
Heimat in Süddeutschland. Hat Ihnen der Dialekt, den Sie
in „Einfache Leute“ sprechen, geholfen, die Figur mehr zu
erden? Ist es Ihr Heimatdialekt?
Der Dialekt hat mir sehr geholfen, eine Einfachheit, eine
Direktheit zu transportieren. Dabei hat es sicher auch eine
Rolle gespielt, dass man durch eine sprachliche Einfärbung
seine eigenen Wurzeln stärker spürt. Johannes Reben hat
den Dialekt in das Drehbuch eingebaut, weil er wusste,
dass ich aus Süddeutschland stamme. Betta Bode ist aber
aus Schwaben, ich bin aus Baden, der Dialekt ist also nur
angelehnt.
Hat Betta Bode durch die dramatischen Ereignisse letztlich
auch etwas gewonnen, eine Wandlung durchgemacht?
Ich weiß nicht, wie ihr Leben weitergeht, ob sie in ihre
Heimat zurückkehren wird. Es gibt kein Happy End. Das
wichtigste – und dabei hat Lutz ihr geholfen – ist, dass
ihr Sohn Sebastian wieder ein bisschen mit seinem Vater
versöhnt ist. Auf jeden Fall hat sie Kraft gewonnen, das
sieht man auch daran, dass sie sich für den jungen,
schwulen Schwimmer Nick einsetzt.
Ist es tatsächlich noch so, dass man nicht schwul
sein darf, wenn man als Sportler in Deutschland Karriere
machen will?
Ich kenne mich damit nicht wirklich aus, aber wenn
man bedenkt, dass schon die dunkelhäutigen Fußballer
von den Hooligans fertig gemacht werden, dann könnte
ein schwuler Fußballer wohl kaum unbeschadet den
Platz betreten. Was mir zu denken gibt: Es gibt so viele
Fuß­baller, da ist es doch wahrscheinlich, dass der eine
oder andere mit homosexuellen Neigungen dabei ist.
Aber es gibt keinen, weit und breit …
Wie war die Zusammenarbeit mit Klaus J. Behrendt,
der zum ersten Mal einen Homosexuellen spielt und sich
mit dieser Rolle auf eine Gratwanderung begibt?
Klasse. Ich habe vor etwa 15 Jahren mit Klaus schon
mal den Film „Judith“ gedreht, damals hatten wir aller­
dings nur wenige gemeinsame Szenen. Wir kennen uns
auch privat und mögen uns, daher haben wir uns sehr
gefreut, bei „Einfache Leute“ so intensiv miteinander
arbeiten zu können.
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Wie haben Sie die Arbeit mit Oliver Bäßler und Tom
Schilling erlebt?
Oliver Bäßler kannte ich noch nicht. Ich finde ihn hervor­
ragend. Er bringt eine Einfachheit und Direktheit ein.
Durch ihn ist Lutz ein ganz toller Mensch. Lutz ist nicht
verbogen. Er hat viele Risiken in Kauf genommen, um
sein Leben wahrhaftig zu leben. Das macht es Betta auch
so leicht, ihn nicht zu verurteilen. Und mit Tom zu dre­
hen war eine ganz besondere Freude, einfach weil er ein
ganz großartiger Schauspieler ist und ich auch schon sehr
gespannt auf ihn war, nachdem er mich schon einige Male
in anderen Filmen beeindruckt hatte. Er lässt einen sehr
nah rankommen beim Drehen, und das hat es für mich
sehr spannend gemacht, obwohl wir auch viel zusammen
gelacht haben.
Was zeichnet Thorsten Näter als Regisseur aus?
Thorsten Näter ist unglaublich gut vorbereitet und er
weiß sehr gut über die Figuren Bescheid. Er weiß sehr
genau, was er von einem Schauspieler will und kann
es auch benennen – damit fordert er einen. Ich habe es
genossen, dass er sich die Zeit für Leseproben und
szenische Proben genommen hat, was heute leider nur
noch sehr selten vorkommt.
Der Regisseur Thorsten Näter sagte, er musste bei Ihnen
in der Rolle der Betta immer an Kinoschauspielerinnen
wie Anna Magnani denken, die erdverbunden und zu­gleich
anbetungswürdig seien.
Das sind Frauen, die ebenfalls zupacken. Der Vergleich
ehrt mich natürlich – wobei ich, wenn ich Betta Bode
in ihrem Laden sehe, nicht unbedingt zuerst an Anna
Magnani denke (lacht).
Betta Bode war selbst Leistungsschwimmerin. Haben Sie
auch eine sportliche Ader?
(lacht) Überhaupt nicht! Ich war froh, dass ich nicht ins
Wasser musste!
Was haben Sie zuletzt gedreht?
Die NDR /ORF Ko-Produktion „Der Liebenswunsch“ von
Regisseur Thorsten C. Fischer nach einem Roman von
Dieter Wellershoff mit Jessica Schwarz, Ulrich Thomsen
und Tobias Moretti kommt nächstes Jahr ins Kino.
Das war sehr schön, weil es eine schöne Romanvorlage
ist und auch eine spannende Geschichte, in der es eben­
falls um das Scheitern geht. Und danach habe ich für
Margarethe von Trottas Kinofilm „Ich bin die andere“
vor der Kamera gestanden.
20 | Einfache Leute
Klaus J. Behrendt ist Henrik Bode
Der gebürtige Westfale (Jahrgang 1960) schlug vor
seiner Filmkarriere zunächst einen anderen Weg ein:
Aufgewachsen neben einer Zeche in Ibbenbüren, absol­
vierte er nach der Schule eine Ausbildung zum Berg­
mechaniker. Doch ein Leben lang unter Tage zu arbeiten
war für Behrendt keine Perspektive. So begann er 1981
die Ausbildung an der Hedi Höpfner-Schauspielschule in
Hamburg. Von 1985 bis 1988 war er im Theater am Goethe­
platz in Bremen engagiert.
Seine erste große Fernseh-Rolle spielte Klaus J. Behrendt
1988 in Klaus Emmerichs Ruhrgebietssaga „Rote Erde“.
Populär wurde der Wahlberliner als Tatort-Ermittler Max
Ballauf. Ab 1992 spielte er für den Tatort des WDR neben
Martin Lüttge achtmal den Assistenten. Im Herbst 1997
kehrte er zum Tatort zurück, und Max Ballauf wurde zum
Chef der Kölner Mordkommission befördert, an seiner
Seite Dietmar Bär alias Assistent Freddy Schenk.
Im Jahr 2000 wurde Klaus J. Behrendt als bester Schau­
spieler mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Zwei Jahre später erhielt der Fernsehfilm „Mein Vater“
neben dem Adolf-Grimme-Preis und dem Bayerischen
Fernsehpreis auch den Emmy International Award. Die
Idee zur Verwirklichung des Films stammte von Behrendt.
Weitere Filme mit ihm in der Hauptrolle sind beispiels­
weise der Zweiteiler „Der Untergang der Pamir“ (2006),
„Das Wunder von Lengede“ (2003), der die Goldene
Kamera für den besten Film gewann, „Mein Vater“ unter
der Regie von Andreas Kleinert, „Gefährliche Nähe“ (1996)
und viele mehr.
Filmografie
(Auswahl)
Fernsehen
2006
Einfache Leute (Regie: Thorsten Näter)
Der Untergang der Pamir (Regie: Kaspar Heidelbach)
2005
Kanzleramt (Regie: Hans C. Blumenberg,
Jacob Schäuffelen u. a.)
Tatort Köln (seit 1996) (Regie: Niki Stein,
Christiane Balthasar, Thorsten C. Fischer, Züli Aladag u.a.)
2004
Das Gespenst von Canterville (Regie: Isabel Kleefeld)
2003
Das Wunder von Lengede (Regie: Kaspar Heidelbach)
Die Stunde der Offiziere (Regie: Hans-Erich Viet)
Gestern gibt es nicht (Regie: Marco Serafini)
2002
Mein Vater (Regie: Andreas Kleinert)
1999
Mein Leben gehört mir (Regie: Christiane Balthasar)
Verratene Freundschaft (Regie: Kaspar Heidelbach)
1998
Blutjunge Liebe (Regie: Niki Stein)
1997
Ferkel Fritz (Regie: Peter Timm)
1996
Appartement für einen Selbstmörder
(Regie: Kaspar Heidelbach)
Das Tor des Feuers (Regie: Kaspar Heidelbach)
Ein Vater unter Verdacht (Regie: Markus Bräutigam)
Gefährliche Nähe (Regie: Markus Bräutigam)
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1995
A.S. (seit 1993), Serie (Regie: diverse)
1993
Tatort Düsseldorf (seit 1992), Serie (Regie: diverse)
1990
Leo & Charlotte (Regie: Kaspar Heidelbach)
1989/1988
Rote Erde (Regie: Klaus Emmerich)
Kino
2004
Lorenz lacht (Regie: Daniel Walta)
2001
Karamuk (Regie: Sülbiye Günar)
1998
Kai Rabe gegen die Vatikankiller (Regie: Thomas Jauch)
Polski Crash (Regie: Kaspar Heidelbach)
„Das zentrale Thema ist das Doppelleben“
Klaus J. Behrendt
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Gespräch mit Klaus J. Behrendt
Obwohl Sie im Laufe Ihrer Karriere sehr viele unterschied­
liche Rollen gespielt haben, werden die meisten Zuschauer
Sie als taffen „Tatort“-Kommissar kennen. Nun verkörpern
Sie zum ersten Mal einen Homosexuellen. Hatten Sie
zunächst Bedenken, ob man Ihnen diesen schwulen Bademeister und gescheiterten Menschen Henrik Bode in
„Einfache Leute“ abnehmen wird?
Nein. Mich hat die Herausforderung gereizt, ob es mir
gelingt, diese Figur zu knacken, also glaubwürdig darzu­
stellen – auch für die Zuschauer, die schwul sind. Das war
meine Antriebsfeder. Die Rolle ist eine Gratwanderung:
Macht man zu wenig, ist man feige, macht man zuviel,
droht das Klischee.
Wie haben Sie sich der Rolle genähert?
Nur über mein Bauchgefühl. Ich gehe nicht jeden Tag in
Darkrooms, das ist nicht mein Ding. Ich liebe nun mal
die Frauen, das ist auch gut so. Meine Fantasie hat mir
ge­holfen: Wie stelle ich mir das Leben dieses Menschen
vor? Die Traurigkeit seines Lebens? Es gibt in seinem Leben
keine Romantik mehr. Auch die Romantik, sich auf eine
gleichgeschlechtliche Beziehung einzulassen, die viel
Schönes beinhaltet, existiert für ihn nicht mehr. Es geht
nur noch ums Ficken.
Waren die Sexszenen in gewisser Weise eine Angstpartie?
Eine Angstpartie waren sie nicht. Es war für mich das erste
Mal, das ich Sexszenen mit einem Mann gedreht habe und
ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, so was schüttle
ich aus dem Ärmel. Natürlich war ich unsicher. Ich glaube,
das wäre jeder gewesen.
Kann man heute als Schauspieler eigentlich alles spielen?
Oder haben Sie darüber nachgedacht, ob die Rolle Ihr
Image schädigen könnte?
Es gibt wunderbare Filme, die sich mit diesem Thema
beschäftigen. Wenn man die Filmgeschichte betrachtet,
sieht man, dass „Philadelphia“ für Tom Hanks genauso
wenig imageschädigend gewesen ist wie „Die Konse­
quenz“ für Jürgen Prochnow. Wenn man glaubwürdig ist,
kann man jede Rolle spielen. Man darf sie nur nicht ins
Lächerliche ziehen, sondern muss die Achtung und den
Respekt vor ihr bewahren.
Das war sicher bei der Figur Henrik Bode schwierig, weil
er sich selbst hasst. In einer Szene sagt er: „Mein Leben ist
kaputt. Ich bin ein kaputtes Schwein geworden.“ Wie
findet man sich als Schauspieler in so eine Figur hinein?
Wieder über den Bauch, aber auch über den Kopf, also die
Frage, wie weit man diesen Menschen versteht. Henrik
Bode ist eine tragische, arme Figur und im Endeffekt auch
wahnsinnig einsam. Man darf ja auch nicht vergessen,
wo er lebt. In Metropolen wie Hamburg, Berlin, Köln oder
Frankfurt ist es oft eine Selbstverständlichkeit, dass Män­
ner ihr Schwulsein ausleben, aber im ländlichen Bereich
sieht das anders aus. Es gibt männlich dominierte Berufe
wie den Leistungssport – etwa die Bundesliga –, die Polizei
oder die Bundeswehr, wo sich nie Männer zu ihrer Homo­
sexualität bekennen, sondern sich leider immer noch in
ein Doppelleben flüchten. Das ist ein trauriges Kapitel.
Haben Sie die Szene geprobt oder sich rein auf die
Anweisungen des Regisseurs Thorsten Näter verlassen?
Ich habe mich auf mein Gefühl, auf den Mitspieler Sven
Fechner, auf die Regie und auf die Kamera verlassen.
Ist aus Ihrer Sicht die Gesellschaft, also der Schwimm­
verband, für das Scheitern von Henrik Bode verantwortlich
oder er selber?
Die Gesellschaft übt sicherlich einen gewissen Druck aus,
aber es liegt auch am Einzelnen. Wie kräftig er ist und
wie sehr er sich dagegen stemmen kann. Henrik ist es nie
gelungen, zu seinen Neigungen zu stehen.
Wie war es, in einem echten Darkroom zu drehen?
Das war interessant. Das ist ja der Vorteil an der Arbeit
beim Film, dass man in Räumlichkeiten hineinkommt, zu
denen man sonst keinen Zugang hat. Ich war noch nie
in einem Darkroom und habe mir immer vorgestellt, dass
es nur ein dunkler Raum ist. Tatsächlich ist dieser Dark­
room wie ein kleines Labyrinth, und in Schwanzhöhe sind
überall in die Wände Löcher gebohrt.
Als sein Sohn die Homosexualität des Vaters vehement
ablehnt, gibt das Henrik Bode den Rest, er verliert
jeglichen Lebensmut.
Das ist natürlich auch bitter. Er hängt wie jeder Vater an
seinem Sohn. Als die Freunde aus dem Schwimmverein
seinem Sohn stecken, wie sein Vater ihnen in der Dusche
auf die Hintern starrt, ist Henrik völlig überfordert, sich
auszusprechen. Er weiß gar nicht, wo er anfangen soll,
24 | Einfache Leute
den Scherbenhaufen, den er hinterlassen hat, zu kitten.
Das sieht man ja auch bei dem Versöhnungsversuch mit
seiner Ehefrau, bei dem er jämmerlich scheitert.
„Einfache Leute“ schneidet viele Themen an wie Liebe,
Sexualität, Schwule im Sport. Was ist aus Ihrer Sicht das
zentrale Thema des Films? Oder ist es ein Zusammenspiel
der Themen, das den Film ausmacht?
Es ist ein Zusammenspiel, aber das zentrale Thema ist das
Doppelleben. Das gibt es, glaube ich, innerhalb unserer
Gesellschaft sehr häufig. Nach außen wird ein FriedeFreude-Eierkuchen-Familienleben mit Frau und Kindern
geführt, aber klammheimlich sind andere Neigungen da.
Das finde ich nicht schlimm, ich finde es nur traurig.
Dass immer dieser Schutzmantel gebraucht wird, dieses
Versteckspiel.
Wäre aus Ihrer Sicht ein Happy End für eines der Paare aus
„Einfache Leute“ denkbar gewesen?
Ich weiß es nicht. Henrik wurden goldene Brücken gebaut.
Aber für ihn hat sein Leben immer anders ausgesehen. Für
ihn war sein Leben immer ein großes Versteckspiel. Und
sicherlich hat dieses Versteckspiel auch einen großen Reiz
gehabt, wie man sieht, wenn er sich diesen „Leder-Luis“ an
seine Arbeitsstätte bestellt.
Der Regisseur Thorsten Näter wünscht sich, dass
dieser Film, der vermutlich polarisieren wird, Diskussionen
auslöst.
Hoffentlich! Ich hoffe, dass er gerade in den ländlichen
Regionen oder in den Kleinstädten zu Diskussionen führen
wird. Wenn man z.B. Bremerhaven nimmt, wo wir gedreht
haben: Dort gibt es 26 Prozent Arbeitslosigkeit, von 19
Werften existieren noch eineinhalb, die Rechte ist stark,
das ist ein hartes Pflaster. Dass der Film in solchen Städten
auch polarisieren wird, ist klar.
Wie war die Zusammenarbeit mit Thorsten Näter und
Ihren Schauspiel-Kollegen?
Sehr angenehm, der Film war unsere „Jungfernfahrt“ –
wir haben zum ersten Mal zusammen gearbeitet. Thorsten
Näter hat eine brillante Art und Weise, Schauspieler zu
führen. Er führt sie extrem leise und vermittelt überhaupt
keinen Druck, er öffnet sie und erreicht dadurch ein Maxi­
mum an Leistung.
Mit allen Kollegen war es eine wunderschöne Arbeit. Es
hat richtig Spaß gemacht. Mit Barbara Auer hatte ich den
Film „Judith“ gedreht, mit Tom Schilling den „Tatort: Kinder
der Gewalt“ von Ben Verbong, nur Oliver Bäßler kannte ich
noch nicht.
Sie waren u. a. in „Kanzleramt“ und „Das Gespenst von
Canterville“ zu sehen, haben z. B. „Der Untergang der
Pamir“ und „Tatort“ gedreht. Sind Sie zufrieden damit,
wie Ihre Karriere verläuft?
Natürlich. Ich habe inzwischen 150 Filme gedreht und viel
Theater gespielt. Es ist sehr schön, wenn man die Farb­
palette, die man drauf hat, auch zeigen kann. Vom Bullen
über den Kanzler, den Sohn eines an Alzheimer erkrankten
Vaters oder jetzt den Bademeister konnte ich viele Facet­
ten zeigen. Viele Filme waren keine leichte Kost, das ist
auch gut so. Ich verstehe mich als Geschichtenerzähler,
dabei darf man das Publikum nicht unterschätzen. Das
Publikum ist sehr anspruchsvoll, und wenn man dann noch
polarisierende Geschichten macht, ist es wunderbar.
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26 | Einfache Leute
Oliver Bäßler ist Lutz Lüken
Filmografie
(Auswahl)
Fernsehen
2006
Abschnitt 40 (durchgängige Rolle), (Regie: Florian Kern)
Vom Ende der Eiszeit (Regie: Friedemann Fromm)
Einfache Leute (Regie: Thorsten Näter)
Notruf Hafenkante (Regie: Bernhard Stephan)
2005
Nachtschicht IV – Der Ausbruch (Regie: Lars Becker)
K3 – Kripo Hamburg, seit 2003, (Regie: Friedemann Fromm,
Marcus Weiler)
Oliver Bäßler wurde an der angesehenen Hochschule für
Schauspielkunst „Ernst Busch“ in seiner Heimatstadt
Berlin ausgebildet. Danach führten ihn seine TheaterEngagements zum Mecklenburgischen Staatstheater
Schwerin und ans Staatstheater Cottbus. Hier war er
u. a. in Andreas Dresens Inszenierung von „Puntila und
sein Knecht“ zu sehen. Es folgten weitere Engagements
am Deutschen Theater Berlin und seit 2005 am National­
theater Mannheim, wo er für Jens-Daniel Herzog in „Un­­
schuld“ spielte und zur Zeit in „Othello“ auf der Bühne
steht. Zu seinen eigenen Regiearbeiten zählt das Stück
„Diener zweier Herren“ für das Theater Gera.
2004
Wink des Himmels (Regie: Karola Hattop)
Tatort: Inside Out (Regie: Christoph Stark)
1998 gab Oliver Bäßler sein Kino-Debüt in Andreas Dresens
preisgekröntem Kinofilm „Nachtgestalten“, in dem das
Schicksal unterschiedlicher Figuren im nächtlichen Groß­
stadtdschungel Berlins geschildert wird. Dort spielte
Bäßler die Rolle des Jochen, eines gutmütigen, aber naiven
jungen Mannes vom Lande. Weitere Kinofilme mit dem
vielseitigen Schauspieler sind „FC Venus – Frauen am
Ball“, der im Frühling dieses WM-Jahres startete, Christian
Züberts Film „Der Schatz des weißen Falken“, „Der Brief des
Kosmonauten“ sowie Lenard Krawinkels „Sumo Bruno“.
Auch im Fernsehen hat Oliver Bäßler bemerkenswerte
Rollen bekleidet. So wirkte er in den NDR-Produktionen
„Vom Ende der Eiszeit“ und dem „Polizeiruf 110 – Verloren“
mit. In der NDR-Krimi-Reihe „K3 – Kripo Hamburg“ gehört
er zum festen Kommissar-Team. Außerdem war Bäßler
in „Wink des Himmels“ unter der Regie von Karola Hattop,
im Tatort „Inside Out“ und in Martin Enlens Fernsehfilm
„Gefährliche Gefühle“ zu sehen.
2000
Stubbe (Regie: Richard Engel)
2003
Der weiße Afrikaner (Regie: Martin Enlen)
Gefährliche Gefühle (Regie: Martin Enlen)
Polizeiruf 110: Verloren (Regie: Andreas Kleinert)
2002
Liebe in letzter Minute (Regie: Martin Enlen)
Mehr als Alles (Regie: Richard Engel)
Kino
2005
FC Venus – Frauen am Ball (Regie: Ute Wieland)
2004
Der Schatz der weißen Falken (Regie: Christian Zübert)
2001
Der Brief des Kosmonauten (Regie: Vladimir Torbica)
1999
Sumo Bruno (Regie: Lenard Fritz Krawinkel)
1998
Nachtgestalten (Regie: Andreas Dresen)
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Tom Schilling ist Sebastian Bode
Tom Schilling gehört zu den talentiertesten Jungschau­
spielern in Deutschland. Bereits im Alter von 12 Jahren
entdeckte ihn Regisseur Thomas Heise auf dem Schulhof
und engagierte ihn vom Platz weg für das Theaterstück
„Im Schlagschatten des Mondes“ am Berliner Ensemble.
In den darauf folgenden Jahren trat Tom Schilling neben
der Schule mehrmals an der renommierten Bühne auf
und war so in „Monsieur Verdoux“, „Der Ingwertopf“, „Das
Leben des Galilei“ und in „Prinz von Homburg“ zu sehen.
Sein Fernsehdebüt gab Tom Schilling mit 16 Jahren in
Ben Verbongs Tatort „Kinder der Gewalt“. Im selben Jahr
hatte er seinen ersten Kinoauftritt („Schlaraffenland“).
Nur zwei Jahre später wurde er für seine großartige schau­
spielerische Leistung in „Crazy“ mit dem Bayerischen
Filmpreis als bester Nachwuchsdarsteller geehrt. Auch
weiterhin überzeugte Tom Schilling in anspruchsvollen
Rollen. So stand er beispielsweise für Oskar Roehler in
„Agnes und seine Brüder“, für Dennis Gansel in „Napola“,
für den Tatort „Wo ist Max Gravert?“ oder zuletzt für
den Kinofilm „Joy Division“ vor der Kamera. Zu Beginn
des letzten Jahres feierte Oskar Roehlers Verfilmung des
Michel Houellebecq-Romans „Elementarteilchen“ auf der
Berlinale Weltpremiere. Hier ist Tom Schilling an der Seite
von Moritz Bleibtreu, Nina Hoss und weiteren populären
Schauspielern zu sehen.
Filmografie
(Auswahl)
Fernsehen
2006
Einfache Leute (Regie: Thorsten Näter)
2004
Tatort: Wo ist Max Gravert? (Regie: Lars Kraume)
Die letzte Schlacht (Regie: Hans Christoph Blumenberg)
2001
Tatort: Tot bist du (Regie: Diethard Küster)
Weil ich gut bin (Regie: Miguel Alexandre)
1998
Tatort: Kinder der Gewalt (Regie: Ben Verbong)
Kino
2005
Joy Division (Regie: Reg Travis)
Elementarteilchen (Regie: Oskar Roehler)
Tour exzessiv (Regie: Detlef Bothe)
2003
Napola (Regie: Dennis Gansel)
Agnes und seine Brüder (Regie: Oskar Roehler)
Egoshooter (Regie: field recordings
(Christian Becker und Oliver Schwabe))
2002
Verschwende deine Jugend (Regie: Benjamin Quabeck)
2000
Herz über Kopf (Regie: Michael Gutmann)
1999
Der Himmel kann warten (Regie: Brigitte Müller)
Crazy (Regie: Hans-Christian Schmidt)
1998
Schlaraffenland (Regie: Friedemann Fromm)
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