Wo ist die Henne?

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Wo ist die Henne?
Wo ist
die Henne?
Geschäftsideen von Start-ups
sind selten exklusiv.
Die Geschichte von Gidsy
und Getyourguide zeigt:
Das muss kein Nachteil sein.
Text: Jakob Vicari
Foto: Heji Shin
Aus zwei mach eins: der ehemalige
Gidsy-Gründer Edial Dekker
(oben und rechts, mit Locken) und
Martin Sieber – jetzt vereint bei
Getyourguide
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SCHWERPUNKT: ORIGINALITÄT
• Die Karte sieht aus wie ein U-Bahn-Plan. Bunte Linien weisen
in alle Richtungen, kreuzen sich, laufen parallel zueinander. Mit
dieser Karte belegt Felix Hofmann, Geschäftsführer am St. Gallener BMI Lab, seine überraschende These: „Geschäftsmodelle
sind selten originell.“
Hofmann und seine Kollegen haben 250 Modelle untersucht,
die in den vergangenen 25 Jahren angewendet wurden. Innovative Unternehmen wie McDonald’s, Ikea, Porsche, IBM oder
Apple erscheinen auf dieser Karte wie Stationen einer ewigen
Wirtschaftsevolution – und als Ausgangspunkt für immer neue
Mutationen: „Allein Amazon“, sagt Hofmann, „verwendet mehr
als 20 der von uns identifizierten 55 Muster.“
Letztlich, so ein Ergebnis der Untersuchung, setzen 90 Prozent der betrachteten Firmen auf Ideen, die sich schon bewährt
haben. Zwar kommt der Klon, mit dem es etwa die SamwerBrüder zu Ruhm und Reichtum gebracht haben (brand eins
10/2013: Was kostet die Welt? *), langsam aus der Mode, dafür
zeigt sich eine andere Entwicklung immer deutlicher: Bewährte
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Geschäftsmodelle werden auf andere Branchen übertragen. Aktueller Spitzenreiter unter den adaptierten
Modellen ist das von Airbnb: Das Unternehmen, das
nach dem Peer-to-Peer-Prinzip Mieter und Vermieter
privater Wohnungen und Zimmer auf Zeit zusammenbringt, hat eine ganze Reihe von Nachahmern. Von Privatautos und Fahrrädern über Parkplätze und Haustiere
bis zu Lagerräumen – mittlerweile gibt es für fast alles
Vermittlungsdienstleister, die nach der Airbnb-Masche
arbeiten.
Auch Getyourguide funktioniert so, wobei unwahrscheinlich
ist, dass Martin Sieber und Johannes Reck schon 2008 vom erfolgreichen Zimmervermittler gehört hatten. Zu Beginn jenes
Jahres, in dem im Silicon Valley die Airbnb-Erfolgsgeschichte begann, besuchte der Biochemie-Student Reck Peking. Besser: Er
irrte dort herum. Die Stadt sei ihm verschlossen geblieben, erst
als sein ortskundiger Freund eintraf, habe Reck sie entdeckt, sagt
Sieber heute. Aus dieser Erfahrung haben die beiden dann mit
einigen Kommilitonen eine Idee entwickelt: die Gründung einer
Online-Plattform, auf der Städtereisende Einheimische finden
können, die Lust haben, den Fremden ihre Stadt zu zeigen. Ein
„Airbnb für Aktivitäten“ würde man das Jahre später nennen.
Doch bis dahin hatte das Gründerteam einen langen Weg vor
sich. So machte es zunächst die Erfahrung, dass damals kaum einer die Idee verstand: Ortskundige mit Touristen zusammenzubringen war schwierig, die Hürde, selbst zum Anbieter zu werden,
zu hoch. „Wir hatten sogar eine chinesische Plattform“, sagt Sieber, „aber wenn man Freunde und Familie abzieht, hatten wir >
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Jones International
University
NetJets
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
CWS-boco
Freemium
WXYC
MachineryLink
PHH Corporation
2005
2004
2003
2002
2001
2000
2000
1999
SurveyMonkey
CEWE Color
Spiegel Online
Hapimag
1999
1998
1996
Hotmail
1997
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1981
1980
1978
1976
1975
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1967
1964
1963
1962
1961
1959
1958
1956
1950
1949
1955
1948
1954
1946
1931
1930
1920
1916
1913
1908
1904
1903
1898
1897
1891
1880
1870
1860
Business Model Innovation Map
Luxusbabe
Rent Instead of Buy
IBM
Flexpetz
ABB Turbo Systems
Guaranteed Availability
Hilti
HubPages
Revenue Sharing
Cybererotica
Dennemeyer
Harley Davidson
Wipro Technologies
Layer Player
The World
CDNow
Jumeirah Group
Ultimate Luxury
One World Everbody Eats
MirCorp
NoiseTrade
Pay What You Want
Haier
Reverse Innovation
Radiohead
Panera Bread Bakery
Humble Bundle
Reverse Innovation
Customer Loyalty
Logitech
Abbot Downing
TRUSTe
Layer Player
Lamborghini
Ultimate Luxury
Nokia
Renault
General Electric
Performance-based Contracting
SBB
Buckaroo Buffet
Sandals Resorts
Flatrate
Flatrate
Barter
Barter
Make More of it
Six Flags
Orchestrator
Nike
Rolls-Royce
Mozilla
Red Hat
Geek Squad
Open Source
Sperry & Hutchinson
American Airlines
Customer Loyalty
Vorwerk
Tupperware
Amway
Marillion
Red Bull
Swatch
The Body Shop
Local Motors
Open Source
Cassava Films
Pebble
Technology
Diaspora
Crowdfunding
Barnes&Noble
Brainpool
Aikido
First Direct
PersonalNOVEL
Miadidas
Cirque
du Soleil
Direct Selling
Wikipedia
mondoBIOTECH
Nestlé Nespresso
Festo Didactic
Make More of it
Pay with
a Tweet
Magnolia
Hotels
Xerox
Levi‘s
Li & Fung
Porsche
Car2Go
Self-Service
Geberit
From Push-to-Pull
BASF
Procter & Gamble
IBM
Lufthansa
Dell
Pepsi
Nintendo
mymuesli
Mass Customization
Pelikan
Factory121
Reverse Engineering
Valve Corporation
Safeway Club Card
Brilliance China Auto
My Unique Bag
Denner
Abril
Open Business Model
Lock-in
Bayer
Reverse Engineering
MinuteClinic
Tim Hortons
Shop-in-Shop
DuPont Teflon
Ingredient Branding
Cash Machine
Tchibo
Deutsche Post
Experience Selling
Sennheiser Sound Academy
Direct Selling
Lantal Textiles
Heidelberger Druckmaschinen
Solution Provider
Tetra Pak
Bosch
Self-Service
W.L. Gore & Associates
Bharti Airtel
Ryanair
JCDecaux
Diners Club
Arvind Mills
Target the Poor
Hindustan Unilever
SAP
Hidden Revenue
Zappos
WineBid
Intel
Sat.1
Two-Sided Market
Nestlé Special.T
Asos
E-Commerce
Flyeralarm
Carl Zeiss
American Express Travelers Cheques
The Home Depot
Best Buy
Fressnapf
Spreadshirt
Lulu
Salesforce
Fressnapf
Merrill Lynch
Naturhouse
Amazon Web
Services
Metro Newspaper
Xerox
Microsoft
Rent Instead of Buy
Franchising
Experience Selling
Marriott
International
Rent a Bike
Foxconn
Richelieu Foods
Aldi
Mobility Carsharing
White Label
BackWerk
Toyota
Duales System
Deutschland
ARM
Cross Selling
Greenwire
Gidsy
HomeBuy
Warby Parker
One Laptop per Child
Flatrate
Freitag
lab.ag
Dropbox
écurie25
Robin Hood
Accor
DIC 2
Verizon
Communications
RelayRides
SlideShare
Fractionalized
Ownership
Zara
Integrator
License
TaskRabbit
Twitter
Skype
Couchsurfing
Peer-to-Peer
Hot Choice
3M Services
Airbnb
Printing-In-A-Box
LinkedIn
Southwest Airlines
Self-Service
IBM
YouTube
Long Tail
Starbucks
No Frills
BUSCH
Quirky
Better Place
Netflix
Napster
Carnegie Steel
Createmytattoo
Amazon
Kindle
Craigslist
Aravind Eye Care System
Trader Joe‘s
Razor and
Blade
Apple
iPod/iTunes
Blacksocks
IKEA
McDonald‘s
Ford
Blockbuster
Pinterest
Apple
iPhone/AppS tore
Subway
Lock-in
Lego
Saunders System
Ponoko
Jamba
Subscription
PayPal
eBay
Gillette
Lego Factory
User Designed
Hewlett-Packard
Razor and Blade
Nestlé BabyNes
Affiliation
Staples
Amazon Store
King Kullen Grocery Company
Zopa
Auction
Shimano
Supermarket
Toys“R”Us
Walmart
Sega
Grameen Bank
Standard Oil Company
Tata Nano
Add-on
Shell
TOMS Shoes
H&M
Trash-to-Cash
Emeco
Cash Machine
Max Havelaar
Tchibo
SANIFAIR
Aldi
Threadless
McFit
InnoCentive
Cisco
Crowdsourcing
MyFab
Procter & Gamble
Singer Sewing Machine
Dow Corning
BYD Auto
Digitalization
Leverage
Customer Data
Exxon Mobil
Payback
Facebook
PatientsLikeMe
Netflix
23andMe
Hidden Revenue
Google
Spotify
Priceline
Groupon
Two-Sided
Market
Next Issue Media
Elance
www.bmi-lab.ch
Pay per Use
Ally Financial
gerade mal zwei echte Buchungen.“ Von da an konzentrierten sich
die Gründer darauf, professionelle Organisatoren von Touren zu
gewinnen, und entschieden sich damit gegen die Gründungsidee
und für das Geschäft. Heute gibt es auf ihrer Seite 32 000 Angebote, die meisten von professionellen Anbietern. Für jede Buchung
über die Plattform erhält Getyourguide eine Provision.
Das Geschäftsmodell funktioniert. Die Firma, ursprünglich in
Zürich gegründet, wo noch immer der offizielle Unternehmenssitz liegt, eröffnete 2011 ein weiteres Büro in Berlin, in einem
nüchternen Großraumbüro in Prenzlauer Berg. Die Gründer führen heute das Unternehmen immer noch gemeinsam von Zürich
und Berlin aus. Anfang 2013 haben sie 14 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt, um ihre Plattform auszubauen.
Damit waren sie deutlich erfolgreicher als die Firma Gidsy, die
allerdings in der Szene deutlich bekannter war. Ende 2011 hatten
die Brüder Edial und Floris Dekker zusammen mit ihrem Freund
Philipp Wassibauer eine recht ähnliche Idee gehabt: Sie wollten
auf lokaler Ebene Menschen zusammenführen, die ein Hobby
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Zattoo
Dollar Shave Club
©Gassmann, Frankenberger, Csik (2013)
MyHammer
teilen. Auslöser war die inzwischen zum Gründungsmythos geronnene Geschichte mit dem Pilzgericht. Die Dekker-Brüder, gerade von Amsterdam nach Berlin gezogen, suchten Pilze für ein
Risotto, hatten aber keine Ahnung, wo man diese in der für sie
noch fremden Stadt sammeln konnte. Weil es keine Plattform
gab, die ihnen einen lokalen Kenner vermitteln konnte, machten
sie daraus ihre Geschäftsidee.
Gidsy stieß mitten hinein in den Hype um die Sharing Economy. Nicht nur die gesamte Berliner Lokalpresse, auch die
»New York Times«, »Economist« und »Wired« berichteten über
das Start-up. „Es war großartig“, erinnert sich Edial Dekker. „Alle
haben uns so sehr gewünscht, dass wir Erfolg haben.“ Während
sich Getyourguide in aller Stille darauf beschränkte, das Geschäft
profitabel zu machen, entwickelte sich Gidsy zum wahren Gründermärchen. Als dann auch noch bekannt wurde, dass sich der
Hollywood-Star Ashton Kutcher an dem Unternehmen beteiligt
hatte, der auch einer der Airbnb-Investoren ist, mussten die Dekkers ihre Pilzgeschichte wieder und wieder erzählen. Bei GetBRAND EINS 01/14
In den Räumen von Getyourguide im Viertel Prenzlauer Berg
in Berlin arbeiten nun die Mitarbeiter der ehemaligen Konkurrenten
gemeinsam; links die Karte des BMI Lab
yourguide beobachtete man fasziniert, wie die ursprüngliche und
schnell wieder aufgegebene Idee so einen Medienwirbel auslösen
konnte. Neid hätten sie nicht verspürt. „Gidsy hat in Sachen PR
und Medien-Hype den besseren Job gemacht“, sagt Sieber, „wir
haben eher den technologischen Nerd-Ansatz verfolgt.“
Coolness zahlt nicht die Miete
Mit dem Rückenwind brachte es Gidsy sogar auf die Karte des
St. Gallener BMI Labs, ans Ende der knallroten Linie, die das
Modell Peer-to-Peer beschreibt. Sie beginnt bei Ebay, führt über
Craigslist, Napster, Couchsurfing, LinkedIn und Skype über
Twitter, Dropbox, Airbnb und Relay Rides zu Gidsy. „Das Peerto-Peer- oder das Abo-Modell sind Beispiele“, sagt Felix Hofmann, „die in fast jedem Bereich möglich sind.“
Doch das allein garantiert noch keinen Erfolg. Während Getyourguide Millionen einsammelte, ging den Gidsy-Gründern das
Geld aus. Sie suchten nach Lösungen, wollten nun auch professionelle Anbieter ansprechen, allerdings das Geschäft mit den privaten Anbietern nicht aufgeben. Sie stellten ein Vertriebsteam auf,
lancierten eine deutsche Version ihrer Seite. Es half nichts. „Gefühlt kam Gidsy nie vom Fleck“, schrieb im April 2013 das Branchenportal deutsche-startups.de, „war zuletzt eher scheintot, ein
Zombie-Start-up ohne Aussicht auf Rettung.“
„Wir hatten im Grunde nur zwei Optionen“, sagt Edial Dekker. „Wir konnten eine Kopie von Getyourguide werden – oder
wir wurden ein Teil davon.“ Es traf sich gut, dass sich die Gründer der beiden Start-ups nicht nur kannten, sondern auch schätzten: „Konkurrenten waren wir nie“, sagt Dekker. „Bei Gidsy ging
es um Pilze suchen und Kochkurse, nicht ums Reisen.“ Auch
Martin Sieber sieht keinen Grund für Abgrenzung: „Konkurrenz?
Nein. Getyourguide war ja schon viel weiter. Wir hatten uns von
der Geschäftsidee, nur Privatleute zusammenzubringen, schon
verabschiedet, als Gidsy damit erst beginnen wollte.“
BRAND EINS 01/14
Getyourguide hatte sich früh darauf verlegt, mit professionellen Anbietern Teil eines existierenden Marktes zu werden.
Gidsy hingegen hatte die Menschen dazu bringen wollen, sich
gegenseitig etwas anzubieten, und darauf gesetzt, einen neuen
Markt zu schaffen. „Wir wollten Menschen ermutigen, Geld zu
verdienen, und sie zusammenbringen“, sagt Dekker, noch immer
begeistert von seiner Idee, die damals so gut in die Zeit passte.
Die Idee, selbst das Design seien oft kopiert worden: „Sie kopierten uns, ohne dass wir ein Geschäftsmodell hatten.“
Im Frühjahr 2013 nahm Gidsy das Übernahmeangebot von
Getyourguide an – funktional und am Markt erfolgreich der eine,
schick und cool der andere. Inzwischen ist Getyourguide nach
eigenen Angaben die größte Buchungsplattform für professionelle
Touren und Ausflüge. Gidsy ist abgeschaltet. Immerhin trägt die
fusionierte Website die Handschrift der Gidsy-Gründer, und die
Dekkers bringen ihre Erfahrung mit ein. Auch ein Eingliederungsprogramm für die Gidsy-Truppe milderte den Schmerz: „Jeder
Neue bekam einen Getyourguide-Mitarbeiter an die Hand“, sagt
Sieber über das sogenannte Buddy-Programm. 13 Gidsys zogen
aus dem gerade fertiggestellten Büro zu den 45 neuen Kollegen in
den nüchternen Großraum. Edial Dekker ist jetzt wieder Angestellter, leitet die Entwicklung der mobilen Dienste und fühlt sich
wohl – schließlich arbeitet er weiterhin an seiner Idee. „Wir waren
sehr unterschiedlich“, sagt er, „das machte es leichter. Weil jeder
wusste, wo der andere überlegen war.“
Ihre Chancen stehen nach der Fusion nicht schlecht. Nach
den Erkenntnissen des BMI Labs sind Kopien der unmittelbaren
Konkurrenz weniger Erfolg versprechend als Übernahmen aus
anderen Branchen. Entscheidend sei es, so Felix Hofmann, ein
Geschäftsmodell als Erster auf eine neue Branche zu übertragen.
Eine originelle Kopie sozusagen. –
* b1-link.de/kosten_welt
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