DGO DGO - MOE-Kultur

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DGO DGO - MOE-Kultur
M O E - KULTUR. D E
Kulturveranstaltungen aus Mittel- und Ost Europa
in Berlin-Brandenburg
www.moe-kultur.de
EIN PROJEKT VON JOE - PLATTFORM BERLIN E.V.
AUSGABE 21/22
JULI/AUGUST 2005
REDAKTIONSSCHLUSS 29-06-2005
• Termine
• Partner
• Impressum
• Veranstaltungsadressen
unter www.moe-kultur.de
InformationsZentrum
Sozialwissenschaften
Abt. Informationstransfer Osteuropa
DGO
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.
SÜDOSTEUROPAGESELLSCHAFT e.V.
Zweigstelle Berlin
Unsere Partner: Wissenschaftlich relevante Veranstaltungshinweise finden Sie im
Berlin-Brandenburger Forum Osteuropa http://www.gesis.org/Kooperation/Information/Osteuropa/newslist.htm
1
M O E - K U L T U R. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
JUL/AUG 2005
INHALT
Kalendarium
>>Kulturkalender Mai (S. 3-6)
Ausstellungen – Diskussionen – Film –
Literatur – Performance – Musik – Tanz – Theater
Notabene
>>Aufgepasst!!!
Weitere Informationen und Termine
>>Reihe: PROFILE
Slubfurt City – at the border of two countries that do
not exist. Die Künstler Michael Kurzwelly und Roland
Schefferski im Gespräch mit Ewa Strozczynska-Wille
>>NACHTRAG
- Korrespondenzen von Nina Trcka
- Architektur der Macht von Zuzanna Krzysztofik
>>Filmtipp
- Fateless Ein Besprechung von Harald Wiester
>>Lesetipp bei Sonne und Regen
Fünf Millionen Polen und acht Millionen Russen
können nicht irren...– Mit der polnischen Autorin
Joanna Chmielewska auf Mordspuren
Ein Beitrag von Iwona Ubermann
>>Neue Broschüren - Berlin-Prag/Praha-Berlin
- Berlin-Warschau/Warszawa-Berlin
>>Reihe: Verweile dort...!
besondere Orte, einzigartige Geschichten
- Bekannte Orte - neue Gesichter
Aus Warschau berichtet Katarzyna Bittner
- CHALUPY Ein Beitrag von Zuzanna Krzysztofik
- Von Marienbad nach Tepla
Mit Jörn Nuber und Nina Trcka
>>Litauische Kreuze von Adomas Varnas
Ein Beitrag von Joanna Ostaszewska-Nowicka
>>Reihe: Von weiter Ferne
- Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel ...
Iris Paeschke berichtet aus Andijan/Usbekistan
IMPRESSUM
M O E - Kultur- Newsletter
ein Projekt der
JOE-Plattform Berlin e.V.
www.joe-plattform.de
REDAKTION
Ewa Strózczynska-Wille
(verantwortlich)
Katarzyna Bittner
Zuzanna Krzysztofik
Emilia Nagy
Iris Paeschke (Buchara)
Mario Schneider (auch Layout)
Nina Trcka
Katarzyna Wroblewska
Weitere Informationen:
www.moe-kultur.de
(auch Veranstaltungsadressen)
redaktion@moe-kultur.de
Tel: 030-8524897
MOE
JULI/AUGUST 2005
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M O E - KULTUR. D E
MAI 2005
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater
bis 6.7. 20 Uhr
• RO A
Rumänisches
Kulturinstitut
"Titu Maiorescu”
7 Menschen, 7 Gedanken, 7 x Rumänien
Die Ausstellung präsentiert Portraits und Interviews aus Rumänien an der
Schwelle zum EU-Beitritt.
Fotografien von Maria Jauregui Ponte und Andrea Ivascu
7.7-13.7 22 Uhr
• RUS F
Kino Krokodil
Kozymni Kazary (Das Lied vom jungen Akordeonspieler)
Kazachstan 1994,90 Min, russisch/kasachisch, Regie: Satybaldy
Narymbetov, Darst.: D.Taniev, P.Chaitobich,B.Alpeissov, R.Aitchojanova.
Ein Film über das Erwachen, eine Erinnerung an die Zeit nach dem Krieg.
Esken wohnt in einem kasachischen Dorf. Zusammen mit seinem jüdischen
Freund Jurij und anderen Freunden erleben sie alles, was sich im Dorf
abspielt. Sie begegnen vielen unterschiedlichen Gestalten wie der
Prostituierten Aspasia, einer schönen Bibliothekarin. Seine Gastfreundschaft
und Offenheit gegenüber den Japanern wird Eskens Vater zum Verhängnis.
Mit den Augen von Esken tauchen die Zuschauer in eine andere Zeit und
erfahren die Welt neu ...
bis 16.7.
• LT A
Giedre Bartelt Galerie
Present Continues & Wahlverwandtschaften
Fotografien und Zeichnungen von Alvydas Lukys, Alfonsas Budvytis,
Remigijus Treigys, Gintautas Trimakas, Algimantas Svegzda.
Thema und Motiv der zweiteiligen Ausstellung ist das Stilleben im weitesten Sinne dieses Genres.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 14-18 Uhr
bis 16.7.
• CZ A
GalerieForum
Berlin am Meer
Malerei und Grafik aus Prag von Adéla Rozehnalová und Michal Singer
(im Rahmen der Prag-Tage in Berlin 2005)
Öffnungszeiten: Di, Do, Fr 16-19 Uhr, Sa 12-15 Uhr
bis 31.7.
MOE/D A
Bunker unter der
arena Berlin
Der Freie Wille
30 internationale Kunstprojekte werden in der Bunkeranlage auf dem ehemaligen Todesstreifen der Berliner Mauer ausgestellt. Es handelt sich um
raumbezogene Arbeiten, Installationen, Videokunst und Performance.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 14-22 Uhr, Eintritt: 4 Euro
Info: www.der-freie-wille.de
bis 28.8.
•HA
Martin-Gropius-Bau
Seelenverwandt - Ungarische Fotografen 1914-2003
Arbeiten von László Moholy-Nagy, André Kértesz, Brassaï, Lucien Hervé,
Robert Capa, Eva Besnyö, Martin Munkacsi und vielen bislang im Westen
unbekannten Fotografen.
bis 9.9.
• CZ A
Tschechisches
Zentrum
MOE
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Vernissage Emil Kralicek:
Architekt des Prager Jugendstils und Kubismus
Erste Erfahrungen sammelte Kralicek in Darmstadt bei Joseph Maria
Olbrich, in dessen Studio er an der Schaffung der Künstlerkolonie auf der
Mathildenhöhe beteiligt war. Berühmt sind vorallem seine kubistische
Periode von 1912-1913, während der u.a. das Haus Diamant in der Prager
Spalena Strasse und die eindrucksvolle Laterne auf dem Jugmannplatz
entwarf.
SEITE 3
M O E - K U L T U R. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
1.7. bis 13.7. 20 Uhr
• RUS F
Kino Krokodil
Dotschki Matery (Töchter Mütter) OmdU, SU 1974,
Gorki Studios, Regie: Sergej Gerasimow,
Darst.: I. Smoktunowskij, T.Makarowa, S.Smechowa
Olga ist im Kinderheim aufgewachsen und weiß nichts vom Schicksal ihrer
Mutter. Aus einem plötzlich aufgetauchten Brief erfährt sie ihre Adresse und
beschließt, nach Moskau zu fahren. In der Hauptstadt findet sie nur eine
Frau gleichen Namens. Entäuscht will sie zurückkehren, lässt sich dann
aber doch von der neugierigen Familie zum Bleiben bewegen. Elena
Wailiewa und Olga sind sich sofort sympatisch, trotzdem fällt Olga der
Familie zur Last und landet vor der Tür. Nach der Rückkehr stellt sich heraus, dass ihre Reise doch nicht umsonst gewesen ist.
1.7. 21 Uhr
• PL F
1.7. 20 Uhr
• PL M/L
Club der Polnischen
Versager
Red Rooster
Grünbergerstr. 23
Berlin-Friedrichshain
1.7. 20 Uhr
Filmpremiere von Alexander Palucki
Komeda Jazz Projektein Konzert im Rahmen des Deutsch-Polnischen Jahres, eine Hommage an
den Pianisten und Komponisten Krzysztof Komeda.
Krzysztof Komeda komponiert auch für den Film. Sein Soundtrack zu
"Rosemary`s Baby" von R. Polanski wird gespielt. Zusätzlich werden polnische Gedichte von Jerzy Sito von Dorota Stroinska vorgetragen; im
Hintergrund schwarz-weisse Ausschnitte aus den Filmen von Polanski und
Wajda. Eintritt 4 Euro inkl. einem Getränk.
• PL D
Red Rooster
babopole- Frauenabend der Polinen und für Polinen in Berlin.
Wenn du Lust hast in deiner Muttersprache zu plaudern, Kochrezepte zu
tauschen, neue Freundinnen kennenzulernen, bist du herzlich eingeladen.
6.7. 18 Uhr
• MK D
Europäische
Akademie Berlin
Diskussion mit dem mazedonischen Innenminister
Ljubomir Mihajlovski. Vortrag und Diskussion zum Thema: "Reform und
innere Sicherheit - eine Empfehlung Makedoniens für Europa?"
Anmeldung: Tel. 89 59 51 0, Fax: 89 59 51 95, E-Mail: eab@eab-berlin.de
6.7. 19 Uhr
• MOE M
Komische Oper Berlin
Don Giovanni _ Internationales Opernstudio der Komischen Oper
Berlin in Kooperation mit dem KULTURJAHR der ZEHN
Die gefeierte Inszenierung des "Don Giovanni" von Peter Konwitschny steht
seit März 2003 auf dem Spielplan der Komischen Oper.
Der "Don Giovanni" wird für einen Abend mit jungen talentierten
Nachwuchssängerinnen und Nachwuchssängern aus den zehn neuen EULändern komplett umbesetzt. Die jungen Künsler haben als Stipendiaten
der Deutschen Bank Stiftung die Möglichkeit erhalten, drei Monate an der
Komischen Oper Berlin zu arbeiten.
Info: www.kulturjahrderzehn.de
6.7. 21 Uhr
• PL F
Club der Polnischen
Versager
MOE
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JUL/AUG 2005
Film polski - polnisches Kino von Neuartig bis klassisch,
von genial bis grauenvoll
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Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
8.7. bis 9.7. 21 Uhr
• MOE M
Club der Polnischen
Versager
flourisch matter Konzert mit Irina Schostakowa (Gesang, Kontrabas, Zither, Casio,
Elektrogeraete), Rosa Namthrow (Gesang, Elektrogitarre, Casio,
Klarinette), Norma Mack (Ausstatung). Leidenschaft, erste Knospen, Liebe
zur Heimat, zum Tier und zum Schnaps... .
12.7. 21 Uhr
• MOE
Club der Polnischen
Versager
Klubabend mit Gaulojzes Golana
13.7. 21 Uhr
• PL F
Club der Polnischen
Versager
polski Film - ein Filmabend mit polnischem Kino,OmdU
14. - 20.7. 20 Uhr
• RUS F
Kino Krokodil
Trys Dienos (Drei Tage), RUS, OmdU, Litauen 1991,
Regie/Buch/Kamera: Sarunas Bartas, Darst.: K. Golubewa, E.Tulajew, P.
Kischtejew, M. Hideschima.
Zwei Freunde fahren vom Dorf in die Stadt, lernen dort zwei Mädchen kennen, versuchen gemeinsam in einem Hotel unterzukommen. Man kommt
sich näher und stößt einander wieder ab, voller Sehnsucht nach Liebe und
Angst vor Enttäuschung. Die Suche nach Kontakt endet in Sprachlosigkeit.
Drei Tage vergehen wie ein ganzes Leben.
14.7. 21 Uhr
• PL A/L
Club der Polnischen
Versager
Dernissage und Buchpräsentation von Piotr Mordel
14. - 20.7. 22 Uhr
• MOE F
Kino Krokodil
Few of us (Mesu Negadu) Portugal/Frankreich/BRD/Litauen 1997,
OF ohne Dialog, Buch/Regie: Sarunas Bartas, Darst.: K.Golubewa,
S.Tulajew, P.Kischtejew, M.Hideschima, J.Inosemtsewa.
Der Film spielt in einer Gegend Sibiriens, bewohnt von den Tofalaren,
einem asiatischen Nomandenvolk, das um 1930 zur Sesshaftigkeit gezwungen wurde. Durch die Ankunft einer rätselhaften Fremden gerät das Leben
im Dorf durcheinander. Bartas zeigt keine wirkliche Geschichte, sondern
Bruchstücke, die der Zuschauer zusammensetzen kann: schöne
Landschaften, Nomanden, die ihrer Lebensform beraubt wurden und sich
dem Alkohol ergeben.
15.7. 21 Uhr
• PL M
Club der Polnischen
Versager
Klubabend mit DJ Manio
16.7. 21 Uhr
• MOE M
Club der Polnischen
Versager
Improvisiertes Konzert mit Joanna Chachran (sax) und
Frank Paul Schubert (sax)
20.7. 21 Uhr
• PL F
Club der Polnischen
Versager
MOE
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JUL/AUG 2005
Film polski - polnisches Kino von Neuartig bis klassisch,
von genial bis grauenvoll
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M O E - K U L T U R. DE
Ausstellung • Diskussionen • Film • Literatur • Performance • Musik • Tanz • Theater • Vortrag
21.7. bis 27.7. 20 Uhr
• RUS F
Kino Krokodil
Pakostnik ( Der Schelm) RUS 2005, OmdU, Buch/Regie Tania Detkina,
Darst.: M. Roganow, A.Priwalow, S.Malischewa, A.Iljenko Nachtwächter
Paschka ist entlassen worden. Da er jedoch die schöne Natascha, für deren
Familie er gearbeitet hat, noch einmal sehen möchte, verlässt er das
Sommerhaus nicht sofort. Als Nataschas Vater ihn mit einem Hund vom
Grundstück vertreiben will, beschließt er, den Hund zu töten - mit Hilfe
eines Feuerwerkskörpers, der in einem Stück Fleisch versteckt ist. Die
selbstgebastelte Bombe und das Fleisch näht er in den Teddybären Aloisius
ein und läßt diesen im Garten liegen. Der Teddy wird aber von Nataschas
sechsjährigem Sohn Waschka gefunden. Er nimmt ihn an sich und spricht
mit ihm über den Sinn des Leben, so wie er früher mit Paschka gesprochen
hat.
21.7. 21 Uhr
• PL A/L
Club der Polnischen
Versager
mixxed pixxles
Venissage der Arbeiten von Anna Panek
22.7. 19.30 Uhr
• D/PL/RUS F
Kino Krokodil
Lange nach der Schlacht, Filmvorführung in Anwesenheit des Regisseurs
und der Drehbuchautorin, D 1995, RUS/PL/D mit Ut,
Regie: Eduard Schreiber, Drehbuch: Regina Kuehn.
1991 begannen die Filmaufnahmen zu einem spektakulären Langzeitprojekt
über den Abzug der in Deutschland stationierten sowjetischen Truppen.
Die Garnison Altes Lager bei Jüterbog, wurde 1945 von den Siegern übernommen. Fortan hatten sich die etwa 400 ortsansässigen Deutschen mit
20.000 sowjetischen Soldaten und Offizieren zu arrangieren. Besetzte und
Besatzer fanden über dei Jahre hinweg zu einer seltsamen Symbiose. Doch
mit Beginn des Abzugs des Militärs wurde alles anders.
27.7. - 3.8. 20 Uhr
•DF
Kino Krokodil
Levins Mühle nach einem Roman von Johannes Bobrowski, DDR
1980, Regie: Horst Seemann, Darst.: E.Geschonneck, K. Parzla,
Ch.Grashoff, I.Iliewa, P.Slabakow.
Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, in einem Dorf in Westpreussen.
Dort leben Deutsche, Polen, Juden und Roma. Der reiche deutsche
Mühlbesitzer meint Sonderrechte zu haben. Der jüdische Bootsmüller Levin
ist ihm ein Dorn im Auge. Eine Geschichte darüber, wie ein Sieg zu einer
Niederlage wird.
11.8. 11 Uhr
•DA
Gedenkstätte
Hohenschönhausen,
Die Botschaftsflüchtlinge auf ihrer Fahrt von Prag nach Hof
(Bayern), Vernissage der Ausstellung von der BStU, Außenstelle Dresden
18.8. 18 Uhr
• CZ A
Atrium/Galerie,
MOE
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JUL/AUG 2005
Vernissage der Ausstellung ART.iS. - Kunst im ver.di-Spreeport
Gezeigt wird Malerei und Grafik aus Prag von Adéla Rozehnalová und
Michal Singer (im Rahmen der Prag-Tage in Berlin 2005).
Die Ausstellung dauert bis 22. September 2005.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9-18 Uhr.
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JUL/AUG 2005
NOTABENE
>> AUFGEPASST!!!
Deutsch-Ponisches Jahr, Mai 2005 – Mai 2006
Genaue Informationen/Veranstaltungen/Projekte und mehr:
www.de-pl.info
Büro Kopernikus
Deutsch-Polnische Kulturprojekte
„Büro Kopernikus. Deutsch-Polnische Kulturprojekte“ ist eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes zur Förderung deutschpolnischer Kulturkooperationen. In den Jahren 2005/2006 wird Büro Kopernikus in Deutschland und Polen ca. 20 Projekte aus
den Bereichen Freies Radio, Theater und zeitgenössischer Tanz, bildende Kunst, neue Musik und Clubkultur realisieren. Büro
Kopernikus beteiligt sich mit seinen Projekten am Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006.
Info:www.buero-kopernikus.org
Programm Juli und August:
Radio_Copernicus
ist ein mobiles, unabhängiges und grenzüberschreitendes Künstlerradio, das von einem deutsch-polnischen Team realisiert
wird. Zwischen Juli und Dezember 2005 wird aus Stralsund und Wroclaw, Warschau und Berlin gesendet. Das Programm wird
sowohl Innovationen digitaler Medien und akustische Kunstprojekte präsentieren, als auch Vorträge und Diskussionen zu kulturell und politisch relevanten Themen.
Erste Station wird vom 22. Juli - 13. August Stralsund und sein Medienfestival „garage05“ sein (lokale UKW Frequenz 93,0
sowie über Internet-Livestreaming zu empfangen)
Info: www.radio-copernicus.org
elektropopklub
Eine Gruppe deutsch-polnischer Künstler richtet in der oberschlesischen Industriestadt Bytom vorübergehend einen Club für
elektronische Musik und aktuelle Kunst ein. Der Ort fungiert als Werkstatt, Veranstaltungsort, Bühne und Ausstellungsraum.
Neben Konzerten, Videokunst und Performances sind Ausstellungen, Workshops, Filmvorführungen und Aktionen im
Stadtraum geplant. U.a. elektropopklub mit Felix Kubin (Musiker, D, 27.8.), Minze Tummescheit (Filmemacherin, D, 1.9.), das
Label Mik.Musik (Elektronik, PL, 2.9.), SuperAlisa (russische Elektroformation, 3.9.), Loco Star. (Band+VJ, PL, 15.9) Sabine
Marte (Performancekünstlerin, D, 16.9.), Supergirl and Romantic Boys. (Disco Punk Elektro, PL, 23.9.).
Im Herbst wird der Club im Kunstverein Wolfsburg gastieren.
Informationen unter www.kunstverein-wolfsburg.de
RELATIONS WEBSITE RELAUNCH
relations ist ein Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen ihres Programmbereichs „Mittel- und Osteuropa“.
Gemeinsam mit KuratorInnen, WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen aus Ländern des östlichen Europa und Deutschland
entwickelt und realisiert relations Kunst- und Kulturprojekte.
Mehr über relations - Projekte, Veranstaltungen und Themen im neuen Website Magazin in "explore relations".
Info: www.projekt-relations.de
>> PROFILE
MENSCHEN • ORTE • PROJEKTE
Slubfurt City – at the border of two countries that do not exist
Der deutsche Künstler Michael Kurzwelly (M.K.) und der polnische Künstler Roland Schefferski (R.Sch.) stellen im Gespräch
mit Ewa Strozczynska-Wille (E.S.-W.) die erste deutsch-polnische Stadt vor und erzählen einiges aus ihrem Leben in der
jeweils „fremden“ Heimat.
E.S.-W. Zunächst müssen wir uns einigen, in welcher Sprache wollen wir das Gespräch führen, da Ihr beide sowohl Deutsch
als auch Polnisch gleich gut beherrscht. Sicher ist es immer noch besonders respektabel, dass Michael als Deutscher derartig
gut polnisch sprichst, dagegen ist Dein gutes Deutsch Roland als Pole leider immer noch weniger ungewöhnlich.
M.K. Es ist immer noch dasselbe Problem, dass die ärmeren Länder viel motivierter die Sprache der reichen Länder lernen
als umgekehrt.
E.S-W. Kompliment, dass Du den umgekehrten Weg gewagt hast.
Also, gut, lasst uns bei der deutschen Sprache bleiben. Mitte der 90er Jahre begegnete mir bei einem deutsch-polnischen Symposium in Bonn eine interessante Fotodokumentation
aus Posen über ein dortiges Kunstzentrum. Ich war etwas erstaunt, als ich erfahren habe, dass der Gründer und Leiter dieses
Zentrums ein Künstler aus Deutschland ist. Dieser Künstler hieß Michael Kurzwelly. –
Was hat Dich damals Anfang der 90er Jahre nach Polen, genau nach Posen verschlagen?
M.K. Das war die Liebe... (lacht)
R. Sch. Zu Polen?
MOE
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NOTABENE
M.K. Nein, bei einem Studentenaustausches mit der Poznaner Kunstakademie habe ich meine damalige Frau kennen gelernt.
Dieser Studentenaustausch wurde übrigens von einem polnischen Studenten aus Poznan initiiert, der mit mir in Bonn Malerei
studierte. Also – wie so oft war auch hier der Zufall im Spiel.
Damals war ich eigentlich sehr nach Westen orientiert, habe mich vorher nie besonders für den Osten, auch nicht für
Ostdeutschland, interessiert, hatte auch keine biographischen Bezugspunkte. Ich lebte drei Jahre in Frankreich und wollte
eigentlich dort bleiben. Dass mein Leben dann diesen Lauf und diese Richtung genommen hat, hat mich selber sicher am
stärksten überrascht.
Wir lebten also zunächst ein Jahr in Bonn, da aber meine Frau ihr Studium in Poznan zu Ende machen wollte, haben wir
beschlossen, dass sie zurück und ich mit ihr gehe.
E.S.-W. Und wie hast Du diesen Wohnortswechsel erfahren?
M.K. Es war die Zeit des „Runden Tisches“ , das heißt, der Sozialismus war noch überall sehr präsent. - Ich kann mich noch
sehr genau erinnern als ich in Poznan auf dem Balkon meiner zukünftigen Schwiegereltern stand und auf die Stadt runterschaute, die damals noch sehr grau war, der Kohlerauch stieg aus den Schornsteinen und ich sah vor mir eine für mich fremde Welt. Es bedarf auch keiner besonderen Anstrengung, um zu merken, bestimmte Dinge funktionieren hier anders.
Das Telefon zum Beispiel war noch etwas besonders. So sind wir oft zu irgend welchen Freunden gefahren und man wusste
nicht, sind die überhaupt Zuhause - ,wenn sie aber daheim waren, war man immer bereit, Gäste zu empfangen. Da war noch
eine ganz andere Art von Offenheit da; in dieser Hinsicht hat sich inzwischen in Polen auch einiges verändert. Ich habe langsam, Stück für Stück, gelernt, mich in dieser Realität zurecht zu finden.
E. S.-W. Wie kam es zu der Initiative und Gründung des Kunstzentrums?
M.K. Im Januar 1990 bin ich nach Poznan gekommen und 1992 habe ich ein erstes großes Symposium mit 37 Künstlern aus
Deutschland und Polen organisiert, die damals im ganzen Stadtraum gearbeitet haben. Ich wollte und suchte aber langfristig
einen Ort, an dem solche Projekte systematisch stattfinden konnten, an dem Künstler nicht wie in einer Galerie ausstellen,
sondern ihre Arbeiten vor Ort entstehen. Die Stadt hat mir dann ein Gebäude im Zentrum angeboten, mit zwei Stockwerken
unter der Erde, insgesamt etwa 1000 m2, und die Poznaner Kunstakademie hat die Miete übernommen. Mit acht Künstlern
aus Poznan habe ich dann eine Stiftung gegründet, das „International Artist Center“.
E.S.-W. Und wie war damals die Resonanz und die Bereitschaft deutscher Künstler, deiner Einladungen nach Poznan zu
folgen?
M.K. Generell war damals eine große Offenheit da und ich glaube, es war in gewisser Weise mehr möglich als heute. Viele
Künstler waren bereit, nach Polen zu kommen, auch ohne Honorare. Das Geld war ziemlich knapp und es bedarf schon einiger Improvisationskunst, um etwas auf die Beine zu stellen. Viele Künstler hat es aber gerade gereizt in diese „surowe“ ( mir
fällt jetzt das deutsche Wort nicht ein...) also, in die rohen Räume zu gehen, in eine andere Realität einzutauchen, etwas
Neues auszutesten und zu entdecken, neue Erfahrungen zu machen. Und genau das war es, was wir wollten.
E.S.-W. Roland, Du hast Deine Reise in die entgegensetzte Richtung angetreten, bist Anfang der 80er Jahre aus Polen nach
Deutschland, konkret nach West-Berlin, gekommen.
R. Sch. Ich habe mich 1984 – also unmittelbar nach dem Ende des Kriegsrechts in Polen und nachdem man wieder Reisen
durfte – auf den Weg nach Stockholm gemacht und bin dann illegal in Berlin geblieben. Meine Entscheidung war also nicht
das Ergebnis der Liebe, wie bei Michael, sondern der tiefen Enttäuschung über die politischen, gesellschaftlichen
Entwicklungen in Polen nach 1981 - also, der enttäuschten Liebe, wenn man so will.
Als Student der Akademie der Künste in Wroclaw habe ich sehr bewusst und aktiv die euphorische Aufbruchzeit der
Solidarnosc-Bewegung 1980 erlebt, die der kommunistischen „Versklavung“, die meine Kindheit und Jugend prägte, ein Ende
setzte. Es war eine Zeit, die große Hoffnungen und sehr viel Energie freisetzte. Und plötzlich mit der Ausrufung des
Kriegsrechts wurde alles lahm gelegt, einfach weggeblasen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich unter diesen
Umständen in meinem Geburtsland nicht mehr leben will und kann. Ich war zwar davon überzeugt, dass dieses System
irgendwann zusammenbricht, doch damals habe ich damit nicht gerechnet, dass ich das noch erleben werde. Die
Entwicklungen waren dann wesentlich schneller und bereits nach fünf Jahren, nachdem die Mauer fiel, durfte ich wieder
nach Polen reisen.
E.S.–W. Wie hast Du die Begegnung mit Berlin, mit dem Westen erfahren?
R.Sch. Es war damals für mich nicht die erste Begegnung mit dem Westen, weil ich schon als Student häufiger hier war. Und
eigentlich gelang es mir relativ schnell, künstlerisch hier Fuß zu fassen, den Kontakt zu anderen Künstlern und zu einer
Galerie herzustellen. Das, was für mich in den ersten Jahren sehr wichtig war, war der Wunsch, in Berlin ein Forum für
Künstler aus Osteuropa zu schaffen. So begann ich 1988 mit der Herausgabe der von mir gegründeten Kunstzeitschrift
„Weast“, - ein Begriff der sich programmatisch aus West und East zusammensetzt. Ich habe schon damals die
Ausschließlichkeit, das Trennende dieser zwei Begriffe in Frage gestellt. Für mich war es wichtig, eine Art Brücke zu schaffen,
die Kontakte zwischen Künstlern und kreativen Menschen aus West- und Osteuropa ermöglicht. Und Westberlin war damals in
der Tat sehr erfrischend für mich. Ich habe die kulturelle Offenheit dieser Stadt sehr genossen.
M.K. Hast Du eigentlich schon damals Deutsch gesprochen?
R.Sch. Mit der deutschen Sprache bin ich mehr oder minder passiv aufgewachsen. Meine Mutter war zweisprachig. Allerdings
habe ich Deutsch erst in der Schule gelernt. Und übrigens so wie Du Michael in Polen gelandet bist, so ist auch mein
Großvater , also der Vater meiner Mutter, aus Liebe zu einer attraktiven Polin nach Polen gekommen .
Ich bin in Schlesien, in Katowice aufgewachsen und bin eigentlich mit verschiedenen Kulturen groß geworden. In dem
Freundeskreis meiner Familie gab es Familien italienischer Herkunft, ich wiederum war in der Grundschule mit einigen Sinti
befreundet. Später in Wroclaw, wo ich das Kunstgymnasium besuchte, lernte ich einige Griechen kennen. Das
Zusammenleben mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen war für mich eigentlich ziemlich normal. Diese Erfahrungen
haben mich später in meiner Entwicklung als Künstler sicher geprägt – ich blieb von dem nationalen Kontext und Code relativ
unabhängig.
E.S.-W. Was hat dieser biographische Perspektivwechsel von Deutschland nach Polen und andersrum menschlich, künstlerisch
bei euch bewirkt?
MOE
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NOTABENE
M.K. Ich gehe mal von dem sehr Persönlichen aus, weil ich denke, dass der Ursprung immer oder meisten in dem sehr
Subjektiven begründet ist. Ich bin nach Poznan gekommen und außer Jola, meiner Frau, kannte ich niemanden. Wir hatten
auch ein kleines Baby, unseren Sohn, der inzwischen 16 Jahre alt ist. Das erste Jahr saß ich mit dem Baby in der Wohnung,
während Jola studierte. Ich war auch ganz hilflos, aber ich musste ja von irgendetwas leben. Zwischendurch jobbte ich in
Deutschland und das Geld hat dann für eine Weile ausgereicht.
E.S.-W. Hast dann ein Leben vieler Osteuropäer, den sg. Schwarzarbeiter gelebt...
M.K. Doch ich musste irgendwie versuchen, Kontakte zu knüpfen, auch meinen Platz dort zu finden. Die Brücke war die
Kunst. Ich habe unsere ganze Wohnung leer geräumt und dort eine Art Ausstellung organisiert, andere Leute eingeladen
und auf diese Weise neue Leute und viele Künstler kennen gelernt.
Die andere Heraus- und Voraussetzung war natürlich die Sprache; da kamen mir meine früheren Erfahrungen sehr zu Hilfe ich habe in der Schule und durch den Schüleraustausch Englisch, Französisch und Italienisch gelernt. Ich stellte fest, dass
die polnische Grammatik fast eins zu eins der Lateinischen entspricht. So habe ich am Anfang die lateinischen Begriffe
genommen, polnische Endungen dran gehängt und schon war ein polnisches Wort. Man muss eben mit der Sprach- , wie
auch mit der Lebensrealität etwas spielen können, ohne die Angst, Fehler zu machen. Meine polnischen Sprachversuche
beeindruckten immer wieder, auch gerade in den Ämtern. Ich rate es auch heute allen Deutschen, die nach Polen gehen,
gebt euch Mühe, Polnisch zu lernen. Die Leute werden aufgeschlossen und offen, wenn sie merken, du lässt sich auf deren
Sprache, auf deren Art zu sein, ein.
Ein anderer Bonus war sicher, dass ich damals zu den wenigen gehörte, die aus dem Westen in den Osten kamen. Das rief
schon ein Staunen hervor, bisweilen auch eine bestimmte Skepsis, irgendwas muss daran faul sein... (lacht). - Für jeden war
es eigentlich selbstverständlich vom Osten nach dem Westen zu schauen und nicht eben umgekehrt.
Letztendlich ist es mir zunehmend deutlich geworden, dass dieser biographische Perspektivwechsel grundsätzlich eine
Auseinandersetzung mit meiner Identität bedeutet.
Schon bevor ich ins Ausland ging, war es für mich nicht ganz selbstverständlich zu sagen, ich bin ein Deutscher. Dieses
Empfinden hat natürlich etwas mit der Geschichte zu tun. Und auch nach drei Jahren Frankreich habe ich gemerkt, dass man
auf sein eigenes Land, sein Zuhause und sich selbst anders guckt, man lernt und sieht sich selber durch die Brille der anderen Kultur, der anderen Sprache, der anderen Lebensbedingungen und gewinnt etwas, was einen sehr stark verändert, was
einen sehr stark öffnet und zeigt, wie relativ doch die Welt oder die vermeintlichen Gewissheiten sind. Mit einem Wort – man
lernt eben seinen eigenen Standpunkt zu relativieren, diesen in Beziehung zu den jeweiligen Realitäten zu setzen.
R.Sch. Also, ich hatte den Vorteil, dass ich in einem Land aufgewachsen bin, das kulturell immer weltoffen und neugierig war.
Ich glaube, wir in Polen hatten schon immer mehr Interesse an anderen Ländern gehabt, als diese an uns.
Noch in Polen habe ich an der Corespondence-Art mitgewirkt, wodurch viele Kontakte zu Künstlern im Ausland geknüpft
wurden. Dieses Engagement war auch eine Reaktion auf das Kriegsrecht und den Verbot von freien, unzensierten
Ausstellungen. Das nur am Rande.
Der Wechsel nach Berlin bedeutete in meinem Leben keinen besonders harten Bruch oder Schnitt, obwohl in meiner damaligen Lebensplanung Berlin oder Deutschland überhaupt nicht vorgesehen waren. Ich mochte auch die deutsche Sprache nicht
besonders. Mein Ziel war eher England oder Amerika. Doch ich bin über diese Entwicklung nicht unzufrieden.
Ich konnte im Laufe der Jahre meine Minderwertigkeits-komplexe, die ich als deutschstämmiger Pole in Polen hatte, abbauen. Ich bin in der Zeit der kommunistischen Ideologie aufgewachsen; damals wurde Deutschland und die deutschen Kultur
sehr stark durch die Perspektive des Krieges und des Nazideutschlands vermittelt. Und ich habe mich als Jugendlicher immer
wieder geschämt, dass ich aus einer deutschstämmigen Familie komme, ich habe mich geschämt für die Verbrechen der
Deutschen. In Berlin hatte ich die Möglichkeit diese Kultur tiefer und differenzierter kennen zu lernen und somit auch eine
positive Relation zu dem deutschen Aspekt meiner Biographie zu entwickeln.
M.K. Auch ich habe mich in gewissem Sinne geschämt für mein Deutsch sein. Die Infragestellung der eigenen Wurzeln
begann in der Schule durch die schockierende Konfrontation mit dem Holocaust. Ich weiß noch, als ich mit 19 Jahren nach
Frankreich gegangen bin, um dort mein Ersatzdienst zu machen und gefragt wurde, ob ich ein Deutscher sei, habe ich geantwortet: „Ich bin international“.
E.S.-W. Roland, inwiefern hat Dein Leben in Berlin Deine Sicht auf Polen verändert? - Hat es überhaupt?
R.Sch. Mit Sicherheit. Ich habe feststellen müssen, dass Polen neben vielen anderen Nationen und Kulturen ein sehr interessantes Land ist, wie viele andere eben auch. Das war, wenn man so will, mein persönliches Resümé.
Der Perspektivenwechsel, von dem wir aber vorhin gesprochen haben, ist eine sehr komplexe Angelegenheit und das eigentliche Problem, was wir im Moment und bei den gegenwärtigen Entwicklung in Europa haben. Die Europäer zeigen immer
noch wenig Bereitschaft – kulturell, politisch, ökonomisch... vor allem aber mental – die anderen Standpunkte einzubeziehen.
Wir sind in unseren nationalen Befindlichkeiten und Interessen sehr verhaftet, stehen uns oft selber im Weg und können
somit auch die großartigen Chancen, die uns die neue Situation in Europa bietet, nicht angemessen wahrnehmen und nutzen.
Der Perspektivwechsel ist aber nicht nur notwenig, um andere Nationen besser verstehen zu können, sondern um die eigene
Position relativieren zu können und dadurch auch den eigenen Standpunkt neu zu bestimmen.
M.K. Ich sehe das zwar ähnlich, aber ich würde vielleicht etwas weniger hart mit den Menschen ins Gericht gehen.
Ich bezeichne es als ein Privileg, dass ich schon als Kind die Möglichkeit hatte, mehrere Sprachen zu lernen, ins Ausland zu
fahren, dass ich das Glück hatte, durch den Schüleraustausch andere Länder kennen zu lernen. Und all das waren wichtige
Voraussetzungen, um später ins Ausland zu gehen: Diesen Schritt macht man erst dann, wenn man sich dafür fit fühlt.
R.Sch. Doch diese Bereitschaft oder Fähigkeit ist nicht primär und ausschließlich durch die sozialen oder ökonomischen
Lebensumstände bedingt. Die Tatsache, dass du, Michael, damals in reichen kapitalistischen Deutschland aufgewachsen
bist und ich im armen sozialistischen Polen, hat letztendlich bei unseren Entscheidungen keine grundsätzliche Rolle gespielt.
Diese hatten etwas mit der Suche nach der eigenen Identität zu tun, was einem sicher nicht von Anfang an klar und bewusst
ist.
M.K. Ich würde sagen, dass die Identität sehr stark mit dem Selbstbewusstsein zu tun hat. Und das Selbstbewusstsein hat
wiederum etwas damit zu tun, ob man etwas an sich selber schätzt, in gewisser Weise gerne hat. Gerade in Polen erlebte
ich oft, dass man einerseits sehr selbstbewusst sagt: „Ich bin ein Pole“, zugleich aber hinzufügt „Ach, ja unser schmutziges
Land, bei uns wird geklaut etc..“, also ein Minderwertigkeits-komplex zeigt, der eine Distanz aufbaut, die schwer zu überbrücken ist und häufig Angst vor dem Fremden zur Folge hat.
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E.S.-W. Wir stoßen in unserem Gespräch auf zwei – wie mir scheint – wichtige Zusammenhänge, die einiges mit eurer
Biographie und eurer künstlerischen Arbeit zu tun haben.
Zum einem – die Überwindung des durch die Geburt, Herkunft Zugeschriebenen, des im gewissen Sinne Vorgefundenen und
zum anderen – die Fragen nach der Identität, das heißt, die Suche nach den Entfaltungsmöglichkeiten, nach neuen
Zusammenhängen.
Wir haben auch im Laufe des Gesprächs einige Reiserouten passiert – von Polen, Schlesien nach Westberlin, von Bonn nach
Poznan und sind jetzt in Slubfurt angekommen, das eine Zuspitzung oder eine Pointe eurer bisherigen Reisen, Erfahrungen
sein könnte. Slubfurt beschreibt zugleich den Ort, an dem sich eure künstlerischen Wege am intensivsten überschnitten und
begegnen. –
Was ist Slubfurt, was verbirgt sich hinter diesen Namen, der die Stadtbezeichnungen, nämlich Frankfurt (Oder) und Slubice
zu einem Wort und zu einem Ort im geographischen Sinne verschmelzen lässt?
M.K.: Slubfurt ist die erste deutsch-polnische Stadt, die zu Hälfte in Deutschland, auf dem Gebiet von Frankfurt und zu
Hälfte in Polen, auf dem Gebiet der Stadt Slubice liegt, etwa 90 km Luftlinie östlich von Berlin und ca. 180 km westlich von
Poznan. Die Stadt wurde 1999 gegründet und im Jahre 2000 in das Register der Europäischen Städtenamen aufgenommen.
Das Stadtgebiet ist von der Slubfurter Stadtmauer definiert, die 50 cm hoch ist – man kann sich also ohne weiteres darauf
setzen, ruhen oder ein Picknick machen. Das erste Stück der Stadtmauer steht jetzt im Stadtteil Slub auf dem Platz der
Leere und ist ca. 30 m lang; das zweite wird voraussichtlich im Herbst im Stadtteil Furt eingeweiht. Wir haben somit unseren
Slubfurter Raum ganz klar geographisch definiert.
E.S.-W. Slubfurt hat inzwischen auch eine städtische Verwaltungsstruktur mit dem Slubfurter Bürgermeister Wladyslaw Müller
(alias Michael Kurzwelly) an der Spitze...
M.K.: Es ist eine durchaus realistische Struktur. Die beiden Stadtparlamente von Slub und Furt wählen aus ihrer Mitte heraus
das übergeordnete Parlament von Slubfurt. Das Rathaus befindet sich auf dem ehemaligen Grenzüberhang, also auf der
Brücke. Dort, in dem Raum dazwischen, sitzt der Bürgermeister. Das ist der ideale Ort, um alles gut zu überblicken. Es gibt
weiter das Slubfurter Informationszentrum, dort kann man alle Details, Informationen, inklusiv der Buchung von
Stadtführungen erledigen. Wir verzeichnen in den letzten Monaten ein wachsendes Interesse und wachsende Anfragen an
Stadtführungen – zahlreiche Schulklassen oder Besuchergruppen, die vom Goethe Institut vermittelt werden, besuchen uns.
Wir verfügen weiter über eine eigene zweisprachige (deutsch-polnische) Zeitung „Profil“, eigene Münzen, entworfen von
Roland Schefferski, eigenes Stadtwappen, nämlich unseren Hahn auf der Grenzbrücke.
R.Sch. Grundsätzlich soll man dazu sagen, dass es sich bei Slubfurt um eine Idee sensu stricto handelt, die wir mit künstlerischen Mitteln umsetzen. Slubfurt ist ein einmaliger Versuch, unvergleichbar mit anderen künstlerischen Projekten, weil wir
von Anfang an nicht nur selbst künstlerisch tätig sind und andere Künstler darin involvieren, sondern sehr bewusst und
gezielt die Bürger beider Städte in diese Projektarbeit einbeziehen.
Zugespitzt könnte man sagen - aus unserer Unzufriedenheit, die uns die nationalen, sozialen etc. Kontexte bieten, arbeiten
wir jetzt an einer dritten Variante. Wir erschaffen Slubfurt.
M.K. Und gerade bei der administrative Arbeit, bei der Jurisdiktion dieser Stadt gibt es viele kreative Möglichkeiten. Letztlich
schafft sich der Mensch seine Strukturen selber, also soll er das auch tun. Der hervorragende Satz von Roland lautet: At the
borders of two countries that do not exist. Hier wird sehr konkret die Frage nach dem Konstrukt des jeweiliges Staates
gestellt.
R.Sch. Diese Idee soll nicht durch bestimmte geographische oder politische Aspekte bedingt werden. Es handelt sich hier um
einen kreativen Vorgang, der überall statt finden kann. Wir versuchen lediglich mit diesem Projekt, die Perspektiven zu wechseln.
P.S.
Forsetzung folgt...
Mehr aus Slubfurt und über seine Projekte in den folgenden Ausgaben des MOE-Kultur/Newsletters und unter
www.slubfurt.net
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>> NACHTRAG
Korrespondenzen. Nachdenken über das Europa der Gastlichen
Zehn Intellektuelle aus den neuen EU-Ländern antworten auf Adolf Muschg
Die Abschlussveranstaltung des Kulturjahrs der Zehn
Von NINA TRCKA
Im Anschluss an einen Essay von Adolf Muschg, des amtierenden Präsidenten der Akademie der Künste, wurden zehn
Wissenschaftler, Künstler und andere Intellektuelle aus den neuen EU-Ländern gebeten, in Briefform Antworten auf seinen
Essay zu formulieren. Das Thema lautete: das Europa der Gastlichen. Die Lesung mit anschließender Diskussion fand in der
Stiftung Brandenburger Tor am 27.05.2005 statt.
„Europa der Gastlichen“ – ist das überhaupt übersetzbar? Hier fangen die Probleme an. Alle zehn Intellektuellen waren gebeten worden, den Titel in ihrer Sprache zu verlesen. Einige von ihnen fügten danach hinzu: „so muss es wohl sein“ oder „in
etwa so “. Wir raten alle beim Aufeinanderzugehen.
Europas sokratischer Dämon. Woher soll das Wir-Gefühl kommen, fragt Adolf Muschg. „Aber dass Europäer immer am besten
wissen, was sie nicht wollen, gehört zu den Hauptstücken europäischen Denkens.“ Auch dem Sokrates habe sein Daimonion
nur gesagt, was er nicht tun solle. Vielleicht sind wir so auf dem besten Wege. Man könne sich keine positive europäische
Identität verschaffen, so Muschg. Ohne Ironie sei Europa gar nicht zu haben. Man könne die EU getrost für das Beste halten,
was dem Schlachtfeld Europas passieren konnte – und gänzlich außerstande sein, sich damit zu identifizieren. Europa ist ein
hoffnungsvolles Artefakt.
Europas intellektueller Hund. Womit hat Europa sein Schicksal verdient Motor der Menschheit und der Zivilisation zu sein?,
fragt Toomas Kiho. Aus einem bösen und aus einem guten Grund. Zum einen haben sowohl die Tendenz zur Welteroberung
und die aktuelle Globalisierung europäische Wurzeln. Zum anderen hat Europa immer seine kulturelle Diversität forciert.
Kulturen und Sprachen sind Weltanschauungen. Als Beleg zitiert der Este den deutschesten aller Deutschen, den Heidegger
(Über den Ursprung der Sprache): „Die Sprache ist das Haus des Seins. In ihrer Behausung wohnet der Mensch.“ - Ob
Heidegger für Europa gestimmt hätte? - Aus diesen beiden Linien europäischer Abstammung, der guten und der bösen,
erwachse nach Kiho die zukünftige Rolle Europas: Europa soll sich „kräftig darum kümmern, die kulturelle Globalisierung der
Welt zu zügeln. Die Globalisierung ist ja nichts anderes, als ein Gespenst europäischer Herkunft, das in der ganzen Welt
umgeht und auf alle Kulturen nivellierend einwirkt. Um die Vielfalt der Welt zu bewahren, muss man darauf auch Arbeit verwenden. Und hier hat Europa eine wichtige intellektuelle Pionierrolle zu spielen, und dies um so mehr, da es ja unser intellektueller Hund ist, der die anderen Kontinente angesprungen hat und sie beißt.“
Der Tanz ums Goldene Europakalb. Europa verfüge über kein anderes Symbol als die Vereinigten Staaten. Es wolle Gegenpol
zu Amerika sein – nur genüge eine Definition ex negativo nicht. Gemeinsame europäische Identität benötige etwas positives
Gemeinsames auf das man sich einschwingen könne, so die Ungarin Eszter Babarczy. Nur: das gibt es nicht. Die neuen Zehn
definieren sich nach Babarczy eingezwängt in Erinnerung an zugefügtes Unrecht.
Mit Bezug auf den Essay von Adolf Muschg bekräftigt Babarczy, die Europäer wüssten immer am besten, was sie nicht wollen. Wie kann man das verändern? So wie sich im 19. Jahrhundert die nationalen Identitäten durch eine nationale
Schulbildung und Öffentlichkeit, durch den allgemeinen Wehrdienst etc. herausgebildet haben, müsse man gemeinsame
Symbole europäischer Identität schaffen. „Im gegenwärtigen Europa will man eifersüchtig die kulturelle Vielfalt bewahren und
ist man nicht bestrebt, solche Gussformen hervorzubringen.“ Daher verfüge die europäische Einheit über keine erlebbare
Form. Und die „gemeinsame Kultur“ der europäischen Schriftgelehrten sei zu schwach und elitär, um die Einheit zu fundieren. Kunst und Wissenschaftsgeschichte seien eher kritische Formen und taugten nicht für eine emotionale Identität. Das
emotionale Gedächtnis der europäischen Mitgliedsstaaten werde sowieso eher von Kriegen, Okkupationen, Umsiedlungen
geprägt als von Erinnerungen an Einheit. Das Goldene Kalb, um das Europa tanze, könne am ehesten noch der europäische
Gigant Airbus A 380 sein. Das Lukrative hat in Europa halt immer eine Rolle gespielt.
Europas harte Wirklichkeit: Die Heimkehr nach Ithaka. Gelobt sei das Land, ruft Herr Muschg aus, das mit einem Dichter und
einem Mythos zu antworten weiß. Denn der Zypriote Panos Ioannides zitierte den griechischen Dichter Konstantinos Kavafis
(„Ithaka“, 1910), der den homerischen Mythos bemüht. Zurückgekehrt in seine Heimat, findet Odysseus die harte
Wirklichkeit vor und sein Sehnen entpuppt sich als Traum. Da erkennt Odysseus, dass der Sinn seiner Sehnsucht nach Ithaka
darin lag, ihm den Weg dorthin zu schenken, reich an Abenteuern, Reichtümern und Gefahr. Ithaka selbst enttäuscht den
Helden. So stoße nun Zypern auf die harte Realität der Brüsseler Bürokratie.
Ein Schwimmbad reicht nicht mehr – man muss für Europa einen Aqua-Park bauen, sagte der Tscheche Jan Sicha und
bezieht sich dabei auf das satte Europa, das von vielen gemeinsamen Selbstverständlichkeiten profitiert, von der
Gleichberechtigung bis zu der funktionierenden Polizei. Aber Europa bietet noch viele Schwierigkeiten, denen man mit demokratischer Gesinnung begegnen sollte. „Wenn wir ein europäisches Volk-Demos suchen, dürfen wir dabei nicht die dynamische Polis vergessen. Die ständige Baustelle der EU ist eine richtige Antwort auf die schnelle Wandlung der nicht nur europäischen Polis.“
Die letzten echten Optimisten Europas. Den Optimismus aus der Slowakei versuchte kämpferisch der bildende Künstler
Michal Hvorecky immer wieder zu beleben. Die Slowaken, so konnte es scheinen, wären die letzten Optimisten Europas: die
Wirtschaft boomt, die slowakische Ökonomie sei die reformorientierteste in ganz Europa, die Slowakei sei ein attraktiver
Standort, die Multikulturalität kehre zurück, nicht nur in Bratislava. „Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sprach man in
Bratislava noch Deutsch, Ungarisch, Slowakisch und Jiddisch.“
Und die herrlichen Polen! Sind sie etwa Invaliden geworden? Nach Tomasz Jastrun schon ein wenig. Europa, so seine These,
fehle es an christlicher Moralität. Und Polen sei ein krankes Kind, krank an den geschichtlichen Niederlagen von
Erobertwerden und Im-Stich-gelassen-werden. Völker, die nicht von der Geschichte geliebt werden, seien wie Kinder, von den
Eltern ungeliebt. Die Polen sehnten sich danach, so Jastrun, in Europas Luxuskrankenhaus hochgepäppelt zu werden – nur
hätten einige dabei Angst, man könnte den Patienten während des Krankenhausaufenthaltes die Volksidentität herausschneiden.
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Woher das Festhalten an der Volksidentität komme? Der zweite Weltkrieg brachte Polen die Amputation seiner nationalen
Minderheiten. „Aus der Republik, die aus vielen Völkern bestand, sind wir ethnisch gesehen monolithisch geworden, krankhaft
homogen. Und das hat uns die Angst vor der Vielfalt eingeimpft. Und Europa bedeutet jetzt Vielfalt.
Vielfalt bedeutet auch Minderheitenkulturen. Oft sind ja Minderheiten, die sich einer Assimilation verweigern, sehr starke
Kulturträger. Um zum Schluss einen wunderbaren Gedanken Adolf Muschgs zur Wechselwirkung von Entgrenzung und
Anerkennung von Minderheiten zu zitieren: „Wenn der Eigensinn der europäischen Staaten zu seinem Recht kommt, sind sie
auch dauerhaft bündnisfähig, und am Umgang mit eigenen Minderheiten misst sich ihre Bereitschaft, im größeren Verband
selbst Minderheit zu sein. Denn das sind alle, auch die größten Mitglieder ausnahmslos (…) Zum Glück hat der Mensch schon
als Individuum keine scharfen Ränder.“
Gebäude des Glaubens – Architektur der Macht?
Politische Bedingungen des Sakralbauwesens in Polen in den Jahren 1945-2005.
Ein Beitrag von ZUZANNA KRZYSZTOFIK
Die Tagung „Gebäude des Glaubens – Architektur der Macht?“, die am 29. und 30. April in der Katholischen Akademie und
der Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt in Berlin stattfand, versammelte katholische und evangelische Theologen,
Kunsthistoriker, Architekten und Politikwissenschaftler aus mittelosteuropäischen Ländern. In zahlreichen Referaten und Foren
wurde der Ausdruck der Wechselwirkungen von Religionen und Politik in der städtischen Architektur diskutiert.
Unterschiedliche Stadtbilder folgen aus dem Status existierender Konfessionen und dem Säkularisierungsgrad eines Landes:
Über politische Bedingungen des Sakralbauwesens in Polen seit 1945 berichtete in einem sehr interessanten Beitrag Dr.
Cezary Was aus dem Polnischen Architekturmuseum in Breslau.
Die Schwankungen im Verhältnis Staat – katholische Kirche in Polen der Nachkriegszeit konnte und kann man weiterhin ruhig
an der Anzahl der durch die Behörden genehmigten Sakralbauten messen. Politische Ereignisse bestimmten in gewissem
Sinne auch die Tendenzen in dieser Architektur. Sowohl die Bauumstände als auch die künstlerische Äußerungsform hingen
stark mit politischen Faktoren zusammen.
Im kommunistischen Polen wurde die katholische Kirche zum „Forum der Opposition“, aber auch zur einzigen politisch unabhängigen sozialen Organisation. Die damalige Regierung unterschätzte diesen Konkurrenten nicht, daher setzten die
Machthaber bis zum Jahr 1989 alle möglichen Mittel ein, um die Kirche zu bekämpfen oder deren Einfluss zu „neutralisieren“.
Diese mehr oder weniger brutalen Maßnahmen standen in vielen Spielarten zur Auswahl. Die teilweise extremen
Einschränkungen des sakralen Bauens gehörten deutlich zu diesem Programm.
Nach dem Zweiten Weltkrieg handelte es sich erstmals hauptsächlich um die Beseitigung der Zerstörungen. In vielen
Großstädten lagen Kirchen in Trümmern. Das große Engagement der Gläubigen für den Wiederaufbau der eigenen
Gotteshäuser musste gegen die allgemeine Not und den Mangel an Baumaterialien kämpfen und reichte nicht immer – das in
Eile gezogene Gewölbe des Breslauer Doms stürzte 1946 herunter. Die Bauarbeiten verliefen trotz Schwierigkeiten sehr
schnell und stießen anfänglich auf keine Erschwernisse seitens der Machthaber.
Bald jedoch gab der Staat bekannt, dass er von nun an für eine weitestgehende Säkularisierung des gesellschaftlichen
Lebens sorgen werde. Es begann die Ära der stalinistischen Repressalien gegen die Kirche. Die ideologisch-politischen
Direktiven wurden bald in Verwaltungsmaßnahmen umgesetzt - staatliche Subventionen für den Wiederaufbau von Kirchen,
auch für solche mit kulturhistorischem Wert, wurden erfasst, die Diözesen durften nur einmal pro Jahr einen Sammelantrag
auf Bauarbeiten stellen, die Arbeiten wurden übrigens oft wegen des Zurückziehens von Baugenehmigungen gestoppt, darüber hinaus mischte sich die Regierung in architektonische Angelegenheiten ein, wie z.B. in der Kattowitzer Diözese, wo die
Kuppel des Doms kleiner ausfallen sollte, damit sie nicht zu stark aus der Innenstadt herausragte. Das „Tauwetter“ des
Jahres 1956, wo über hundert Genehmigungen für den Bau oder Ausbau von Kirchen erteilt wurden, dauerte knapp ein paar
Monate.
Jede Erlaubnis war sowieso an die Vergabe von Baumaterialien gebunden, die im sozialistischen zentralistischen System von
Herstellung und Vertrieb dauerhaft Mangelware waren. Die Entscheidungen darüber lagen in den Händen des Amtes für
Glaubensangelegenheiten im Einvernehmen mit dem Parteisekretär und Chef des Sicherheitsamtes. Wer im öffentlichen
Bewusstsein tatsächlich über Baugenehmigungen für sakrale Objekte in Polen zu entscheiden hatte, zeigte das Beispiel des
Pfarrers der Breslauer Erzdiözese, der nach 10 Jahren des Abgewimmeltwerdens einen Antrag auf einen Reisepass stellte, um
nach Moskau fahren zu dürfen. Dort beabsichtigte er endlich die Genehmigung zu bekommen.
Die Renovierungen von Kirchen wurden mit sehr hohen Steuern belegt, wobei sogar das Ausmalen von Räumen als
Investition galt. Die Einrichtung von öffentlichen Kapellen in ungenutzten Räumen, Privatwohnungen, Schuppen oder Garagen
war verboten, trotzdem wurden an manchen Orten illegale Kapellen errichtet oder weltliche Räume ohne Erlaubnis der
Behörden zu Kultzwecken genutzt. Solche Plätze wurden von der Verwaltung durch Miliz- und Militärkräfte systematisch zerstört. Die Gottesdienste unter freiem Himmel – an örtlichen Straßenkapellen oder Wegekreuzen - waren in den Augen der
Regierungsvertreter auch illegale Versammlungen und führten zu entsprechenden Geldstrafen. Ihre Initiatoren und die beteiligten Priester wurden angeklagt, und ihre Prozesse verliefen in einer Atmosphäre der propagandistischen Hetzkampagne. Die
Politik der Behinderung des religiösen Lebens führte manchmal auch zu blutigen Auseinandersetzungen. Nachdem 1960 die
Erlaubnis für Kirchenbauarbeiten in Nowa Huta zurückgezogen worden war, gingen tausende von Menschen auf die Straße.
Dieser Straßenprotest verwandelte sich in mehrstündige Straßenkrawalle, in Folge deren die Menschenmassen den
Verwaltungssitz der Stadtviertelbehörden demolierten. Die Miliz griff zu den Waffen. Es ist unbekannt, wie viele Verletzte es
gab, denn aus Angst vor Repressalien meldeten sie sich nicht in Krankenhäusern. Einige hundert Leute wurden verhaftet.
In Zeiten großer Entwicklungen von Städten und Wohnsiedlungen in den 70er Jahren wurden Sakralobjekte absichtlich bei
den Stadtplanungen übergangen. Das sollte den Gläubigen die Lust auf die Religion verleiden: Sie mussten ja nun mehrere
Kilometer zurücklegen, um zu ihrer Kirche zu gelangen.
Eines der Mittel, mit denen sich die Geistlichen gegen die staatlichen Schikanen wehrten, waren Homilien, in denen die
Gemeindemitglieder über Schwierigkeiten mit den behördlichen Formalitäten detailliert informiert wurden. In Antwort darauf
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warfen die Behörden den Priestern Politisierung ihrer Mission vor. Die langjährige Ablehnung von Anträgen auf den Bau von
neuen Kirchen führte endlich dazu, dass man illegal und provisorisch baute. Die Baumaterialien wurden heimlich gesammelt.
Meistens waren keine Entwürfe vorhanden. Es kam oft vor, dass die Baustelle sich im Inneren eines alten Gebäudes befand:
Nach Abschluss der Bauarbeiten wurde dieses schließlich abgerissen und so das neue Objekt sichtbar. Es wurde in Eile,
nachts und dadurch nicht immer ordentlich gebaut. So war es durchaus möglich, dass manch ein Bauwerk etwas krumm und
gegen Witterungsverhältnisse nicht beständig war. Lokale Gemeinschaften haben auf diese Bauten unterschiedlich reagiert,
aber man kann sicherlich sagen, dass diese in den meisten Fällen, trotz anfänglicher Skepsis, zur sozialen Integration beitrugen. Im Laufe der Zeit nahm die Zahl der freiwilligen Bauhelfer zu. Sie versammelten sich auch massenhaft um die gebauten
Kirchen herum, wenn die Miliz versuchte, die Arbeiten zu stoppen.
Nach dem Erfolg der Bewegung „Solidarnosc“, die sich die katholische Kirche ganz deutlich zum Hauptpartner im politischen
Dialog gemacht hatte, entstand in den 80er Jahren eine imposante Zahl neuer Objekte. Das war keine Überraschung: Jeder
ernsthaften gesellschaftlichen Erschütterung folgte eine kurze Liberalisierungsperiode, in der die Behörden mit den manchmal
bereits seit über zehn Jahren erwarteten Genehmigungen für neue Kirchenbauten herausrückten. Diese Nachgiebigkeit sollte
Spannungen nivellieren. Wohl wissend, dass solches „Tauwetter” nie lange dauerte, versuchten die Pfarreien mit dem Bau
möglichst vieler Kirchen anzufangen, damit ein eventuelles Zurückziehen von Genehmigungen schwieriger würde. Vom sozialen Enthusiasmus damaliger Zeit dürfte die Tatsache zeugen, dass Gemeindemitglieder ehrenamtlich als Arbeiter und
Ingenieure an Projekten mitarbeiteten. Auch Architekten nahmen kein Entgelt an. 1986 befanden sich insgesamt über 3000
Objekte in verschiedenen Bauphasen.
Obwohl die katholische Kirche weitgehend zu den politischen Umwälzungen in Polen beitrug, verlor sie nach 1989 an
Bedeutung. Die kontroversen sakralen Gebäude, die bis jetzt in ganz Polen entstehen, erwecken einfach Neugier, ohne
irgendwelche Assoziationen mit den Glaubensfragen, und ziehen Unmengen von Besuchern an – eher Touristen als Pilger. Das
Sanktuarium in Lichen, die größte Kirche in Polen und eine der größten in der Welt - das Ideenwerk eines einzelnen
Menschen - verwandelte dank seiner imposanten Ausmaße und einer Reihe von anderen Attraktionen einen wenig bekannten
Ort in ein Zentrum der religiösen Touristik. Das Sanktuarium hat den Charakter eines Themenrummels nach Art eines religiösen Disneylandes.
Mit diesem Bauwerk ging in Polen eine Epoche des kirchlichen Bauens zu Ende, welche von Tragik und Mühe der Zeit vor
1989 geprägt war. Was gegenwäritg in der polnischen sakralen Architektur geschieht, gehört zur allgemeinen Tendenz der
„Fastfoodisierung“ von Religion.
Quelle: Cezary Was, Konferenzmaterialien
>> FILMTIPP
Fateless
Ein Besprechung von HARALD WIESTER
Imre Kertész „Roman eines Schicksallosen“ Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2005, “Schritt für Schritt“ Edition Suhrkamp,
Frankfurt am Main 2002 & „Fateless - Roman eines Schicksallosen“ Regie: Lajos Koltai, Drehbuch: Imre Kertesz, Musik: Ennio
Morricone, Produktion: Magic Media Rt., Ungarn 2005, ab 2. Juni in den deutschen Kinos
Der erschütternden Erkenntnis, dass sich ein KZ- Überlebender seiner eigenen Erfahrung im Nachhinein beinahe vollständig
beraubt fühlen musste, begegnete der Schriftsteller Imre Kertész mit seinem radikalen „Roman eines Schicksallosen“. Die
Perspektive des Fünfzehnjährigen schockierte den Leser – denn hier wurde der Weg eines assimilierten Juden durch die Lager
als affirmative Sinnsuche geschildert und zum Schluss sogar das Heimweh nach dem Lager formuliert, wie es der Junge nach
seiner Rückkehr empfindet. Kertész’ Werk zeigt, wie stark die Jahre der Menschenvernichtung in den KZs eingebettet ist in die
Zeit davor und in die Zeit danach – in die ganze Epoche, unsere Epoche der Zerstörung des Subjekts aus einer funktionalen
und ideologischen Daseinsauffassung heraus. Kertész hat im Jahre 2001, vor seiner Nobelpreiskür, das Drehbuch zur Verfilmung
seines Romans geschrieben, woraus der nun teuerste ungarische Film aller Zeiten geworden ist. Ob dieser es gegen die einschlägige Bilderflut schafft, der künstlerischen Radikalität und Produktivität seiner Romanvorlage annähernd gleich zu kommen,
darf bezweifelt werden – der Regisseur Lajos Koltai ist allen Ernstes von der Originalität seiner Idee überzeugt, die Szenen im
KZ in gedämpften Sepiatönen gefilmt zu haben. Und wo der Roman das Recht auf eigene Erfahrung und die Pflicht zur wahrhaftigen Erzählung eingeklagt hatte, indem er eben nicht das entfremdende Klischee der „Hölle der KZ´s“ bediente, sondern
unter anderem die leider völlig diesseitige „ Stunde, die mir am liebsten war“ anführt und ansonsten den Gleichmut überliefert,
dort sieht der Zuschauer von Koltais Film nun einen Häftling in der Menge der Ausgemagerten sich beim stundenlangen
Zählappell in einer Art Ausdruckstanz des Leidens biegen – eine Szene übrigens, die sich nicht im Drehbuch findet, geschweige denn im Roman. Ich kann den Kinobesuch also aus zwei Gründen empfehlen: Erstens gibt die derzeitige Kinopräsenz des
Plots Anlass, sich Kertész Bücher wieder einmal vorzunehmen. Zweitens mag der Filmgenuss als Prüfstein genutzt werden, um
auszuprobieren, inwiefern man ästhetisch noch bei Verstand ist.
„Fateless“ im Programm: Kino Balázc, Berlin-Mitte
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LESETPP bei Sonne und Regen
Ein Beitrag von IWONA UBERMANN
Fünf Millionen Polen und acht Millionen Russen können nicht irren...–
Mit der polnischen Autorin Joanna Chmielewska auf Mordspuren
„2 Millionen Norwegen können nicht irren!“ – lautete die Werbung für die nette und leichte norwegische Filmkomödie „Elling“,
die bestimmt viele Kinogänger in Deutschland noch gut in Erinnerung haben. Wenn man dieselbe Werbung auf die Bücher polnischer Autorin Joanna Chmielewska übertragen würde, würde sie ohne Zweifel überzeugend klingen: „5 Millionen Polen und 8
Millionen Russen können nicht irren!“. Auf so viele begeisterte Leser kann die in beiden Ländern beliebte Autorin inzwischen
zurückblicken und manche von ihnen sind mit Chmielewska seit 40 Jahren durch dünn und dick gegangen.
Joanna Chmielewska schreibt schwarze Komödien mit Mord und Verbrechen. Oder sollte man sie lieber einfach „lustige
Kriminalgeschichten“ nennen? Mit viel Witz, Ironie und dank guter Beobachtung der alltäglichen „qui pro quo“- Situationen
beschreibt die Autorin den polnischen Alltag und gibt ihm durch einen Kriminalplot zusätzliche Spannung. Ihr letztes Buch „Die
Mordsstimmung“ erscheint in Deutschland im Juli, und wird vielleicht auch hier viele neue Leser für Chmielewska gewinnen.
Die Hauptfigur des Romans ist eine sympathische Frau, Iza Brant, Warschauerin, von Beruf Korrektorin, allein erziehende Mutter
zweier Jugendlicher. Iza schickt bereits ihre Kinder in die Ferien. Aber nicht, um endlich eine Weile Ruhe zu Hause zu haben.
Sie erwartet demnächst einen Familienbesuch aus Australien. Und da sie weiß, dass hier ihre Erbschaft auf dem Spiel steht,
ist sie bereit, die entfernte Verwandtschaft- die Schwester ihrer Oma mütterlicherseits, die Tante, Tochter von Omas Schwester
mit ihrem Mann und den Onkel-Paten mit seiner Frau - zu empfangen. Sie ist einverstanden, sie einen Monat lang in ihrer kleinen Wohnung in Warschau zu beherbergen, zu bekochen, sie durch Polen zu fahren und ihre Wünsche, wie abstrus auch immer,
zu erfüllen. Sie muss sich der Erbschaft würdig zeigen und nimmt sich fest vor, alles gut durchzustehen. Nicht für sich, für ihre
Kinder. Iza will deren Zukunft gesichert sehen.
Die Geschichte ist gut konstruiert, phantasievoll und unterhaltsam. Alle denkbaren Schwierigkeiten tauchen auf, alles läuft ständig schief und die australische Verwandtschaft ist mit allen möglichen Fehlern ausgestattet, die man sich nur vorstellen kann.
Chmielewska treibt die Situationen raffiniert auf die Spitze. „Pech ist Pech“ – verkündet uns die Autorin und begründet so die
Anhäufung der Katastrophen. Als Iza Brant plötzlich des Mordes an ihrem Ex-Freund verdächtigt wird und Besuch von der Polizei
bekommt, will die Verwandtschaft alles genau wissen. Ab diesem Moment vermischen sich die Mordgeschichte mit dem Besuch
der Familie, die Iza nicht aus den Augen lässt.
Wir werden in die Arbeitsmethoden der polnischen Kriminalpolizei eingeweiht, in die Welt der Taximafia, das Korruptionsnetz
der Neureichen und hohen Beamten, auch in die alten Machenschaften zu sozialistischen Zeiten. All das geschieht nur oberflächlich, es sind keine tiefgehenden Enthüllungen zu finden und es wäre auch falsch, dies von der Autorin zu erwarten. Sie
bleibt bei Iza Brant, beweist, dass „Humor hilft den Alltag durchzustehen, egal wie verrückt er auf einmal ist“, lässt alles gut
enden und ihre Heldin auf ihre Kosten kommen.
Wusste man das nicht schon von der ersten Seite an? - Wenn man ehrlich sein soll: „Ja“. Aber das macht nichts. Man amüsiert sich trotzdem köstlich und darin liegt das Wunderbare an Chmielewska. Und schließlich, wer mag keine happy ends? Vor
allem im Urlaub. Bei Sonne wie bei Regen. Und wer lacht nicht gern? Chmielewskas leichte Unterhaltungskrimis sind eine wunderbare Sommerlektüre, bei Sonne und bei Regen.
Joanna Chmielewska: Mordsstimmung
blanvalet Verlag. Erscheint im Juli 2005.
Neue Broschüren „Berlin-Prag/Praha-Berlin“ und „Berlin-Warschau/Warszawa-Berlin“ , Hrsg. Partner für Berlin
Ab sofort ist die neue Broschüre „Berlin-Prag/Praha-Berlin“ von Partner für Berlin erhältlich. Mitte Juni erscheint dann „BerlinWarschau/Warszawa-Berlin“ aus der gleichen Reihe. Die zweisprachigen Broschüren informieren auf 56 bzw. 52 Seiten über
Berlin und die Partnerstädte Prag und Warschau. Sie richten sich vor allem an Geschäftsreisende und enthalten wichtige
Wirtschaftsadressen, eine Übersicht über Messen und Kongresse, Informationen und Serviceadressen für Unternehmen,
Stadtpläne und Tourismus-Informationen.
„Berlin ist schon allein durch seine geographische Lage Ort der Begegnung zwischen Ost und West. Wir betrachten es als unsere Aufgabe, den Dialog und die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern weiter zu fördern. Mit der Publikation der zweisprachigen Städte-Broschüren, Informationsveranstaltungen und Wirtschaftsportalen möchten wir einen Beitrag zur
Intensivierung dieses Austauschs leisten“, so Prof. Dr. Friedrich-Leopold von Stechow, Geschäftsführer von Partner für Berlin.
Im März 2004 hatte Partner für Berlin Gesellschaft für Hauptstadt-Marketing bereits die Broschüren „Berlin-Moskau/MoskwaBerlin“ und „Berlin-Budapest/Budapest-Berlin“ veröffentlicht. Die Reihe zweisprachiger Informations-Broschüren der mittel- und
osteuropäischen Partnerstädte Berlins stellt Partner für Berlin kostenfrei zur Verfügung. Bestellungen bitte per Fax an 030/ 20
240 166 oder E-Mail: info@berlin-partner.de.
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>> Verweile dort...!
besondere Orte, einzigartige Geschichten
Bekannte Orte - neue Gesichter
Aus Warschau berichtet KATARZYNA BITTNER
Wer sich im Sommer nach Warschau aufmacht, der soll einen Abstecher nach Praga unbedingt einplanen.
– Praga, Prag in Warschau...?
Das Warschauer Viertel Praga, das bislang unter einem schlechten Ruf leidete, entwickelt sich rasant zu einer Trendygegend.
- Alte Mietshäuser mit dunklen Höfen, stimmungsvolle Fabriken, leer stehende Werkstätten - das alles zieht vor allem
Künstler an. Schon vor einigen Jahren haben sie das Haus in der Inzynierska Str. 3 entdeckt, das schnell zu einem energievollen Kunst- und Designort geworden ist. Auch in den banachbarten Strassen: Bialostocka, 11 Listopada, Targowa,
Zabkowska gibt es mehrere Künstlerateliers, Foto- und Designstudios, Galerien und Modeläden. Denn die einzigartige
Atmosphäre Prags inspiriert viele zum künstlerischen Schaffen. Immer mehr wollen hier auch wohnen. Die großen
Fabriketagen und Mietshäuser mit hohen Wänden bieten Wohnungen mit "Seele" an. Und - sie sind immer noch bezahlbar...
Praga wird bereits von Künstlern besetzt. Seit kurzem kommen hier auch Feinschmecker auf ihre Kosten. Und auch die
Nachtschwärmer finden immer öfter hierher. Denn hier entstehen Kneippen und Restaurants, die sich von den chicken, überteuerten Lokalen am rechten Ufer Warschaus deutlich unterscheiden. Essen kann man in den Strassen: Zabkowska und
Targowa, zum Ausgehen sind eher die Strassen Inzynierska oder 11 Listopada zu empfehlen. In der ersten findet man die
Bar "U Krawca", wo auch die Künstler und Einwohner gerne vorbeischauen. In der zweiten, im Hof des Hauses Nr. 22, gibt es
eine neue Kneippe, die in ihrem Stil an einen alten Warschauer Ausschank erinnert: "Sklad Butelek". Den Gründern vom
"Sklad Butelek" war es wichtig keinen neuen "Trendyclub" zu eröffnen, sondern eine Kneippe mit eigener Atmosphäre. Das
Vorhaben ist gelungen: nicht nur wegen der nostalgischen Einrichtung, sondern auch wegen des Programms. Denn hier kann
man nicht nur gut Bier trinken. Die Besitzer, die selbst zur Musikszene gehören, laden zu Konzerten, Literaturvorlesungen,
Filmprojektionen und anderen Veranstaltungen ein. Nebenan befindet sich das bekannte Teatr Academia, das die Rolle eines
Kulturanimateurs im Viertel spielt. Auf Initiative des Theaters wurde im Juni wieder das Festival "Sasiedzi dla Sasiadow"
(Nachbarn für Nachbarn) organisiert, das diesmal unter dem Motto: "Ost-Berlin im Praga Polnoc" stand und Berliner Künstler
vorstellte.
Infos zum Festival: www.inzynierska.pl/sds2005/
Oder noch besser: gleich in den Zug Berlin-Warschau steigen und in Praga absteigen.
„Jak co roku w Chalupach...” (Wie alljährlich in Chalupy...)
Der polnische Schlagersänger Zbigniew Wodecki hatte einen unbestrittenen Einfluss auf die populäre Kultur der 80er Jahre in
Polen (die Frisuren ausgenommen, Gott sei Dank). Seine Version der Melodie „Biene Maja“ war so ein Knüller, dass mancher
Dreißigjährige bis heute bereit ist, sich die Hand dafür abhacken zu lassen, dass diese beliebte Zeichentrickserie ein polnisches Produkt war.
Sein Hit „Chalupy welcome to“ löste dagegen einen Ansturm von Neugierigen auf ein unscheinbares Dorf an der schmalsten
Stelle (300 Meter) der Halbinsel Hela, zwischen der Ostsee und der Puck-Bucht aus. Im Fernsehen lief pausenlos der
Videoclip, in dem hocherfreute Nackedeis am Strand herumtollten. Chalupy wurde zum Symbol des polnischen Nudismus.
Die Massenbegeisterung über nacktes (Sonnen)Baden erstarb nach und nach, aber das Dorf blieb im Zentrum des öffentlichen Interesses, besonders bei Wassersportfreunden. Anfang der 90er Jahre schossen nämlich immer neue Windsurfingund Kitesurfing-Schulen aus dem Sand. Mittlerweile ist Chalupy zum Mekka der Windsurfer geworden: Günstige
Wetterbedingungen und seichte, ruhige Bucht ziehen Surfer aus ganz Polen und anderen Ländern Mittelosteuropas an. Und
nicht nur die von großen Gewässern abgeschnittenen Tschechen.
Den Neuankömmlingen fällt sofort das allgegewärtige Orchideenmuster auf Klamotten, Wagen und Zelten auf. Aloha Hawaii!
Die Zeit verbringt man mit Surfen oder – bei Flaute – in Erwartung des Windes und mit süßem Nichtstun. Man badet in der
See, liegt in der Sonne und plant den Abend, der meistens sowieso in der Tanzbar am Strand endet.
Zur Abwechslung kann man – mit dem Auto oder mit dem Zug – einen Ausflug entlang der Halbinsel machen. Es ist ausgeschlossen, sich zu verfahren – es gibt nämlich nur eine gerade Hauptstraße, die alle Dörfer verbindet und die besonders zu
den Essenszeiten verstopft ist. Ein paar Kilometer östlich von Chalupy, in Kuznica, werden in einer kleinen Bude Heringe nach
beliebiger Art verkauft – süße „Sultane“, krautige „Förster“, superscharfe „Mexikaner“... Zu einem üppigen Essen fährt man
nach Wladyslawowo in die Gaststätte „U Macieja“: Die Forelle mit Mandeln vergisst man nie, genauso wie deren Schöpfer.
Der übrigens Maciej heißt.
Drei-Generationen-Familien fahren nach Chalupy, um dort – je nach Wunsch – aktiv oder passiv zu urlauben. Die Windsurfer
in der Bucht und die Feriengäste am Seestrand leben in Frieden: Durch einen Wald voneinander getrennt, widmen sie sich
ungestört ihren Lieblingsbeschäftigungen. Chalupy welcome to, und jeder ist willkommen.
MOE
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NOTABENE
>> Von Marienbad nach Tepla (Tschechische Republik)
Mit JÖRN NUBER und NINA TRCKA
Marienbad ist eine alte Bäderstadt und sie ist wirklich ganz aus rosa Zuckerguss.
Als Böhmen noch bei Österreich war
In Pastellfarben glänzen an der deutsch-tschechischen Grenze, mitten in einer englischen Parklandschaft, alte Villen und
Jugendstilhotels. Es gibt einen denkmalgeschützten Korso zum Flanieren, nach Schwefel riechende und nach Eisen schmekkende Quellen und aus den Straßen weht im Rhythmus der Blaskapelle noch der Atem der Königlich-Kaiserlichen
Donaumonarchie.
„Das Geld des Dorfes dem Dorfe! – Geht zu eurer Reiffeisenbank!“
In Marienbad sind trotz fortgeschrittener Internationalisierung deutliche Spuren der deutsch-tschechischen Geschichte zu finden. Da ist eine schwedische Pizzakette, in einer der kleinen Seitenstraßen in der Nähe der russisch-orthodoxen Kirche des
Hl. Wladimir. Dort wird man, ganz in tschechischer Tradition, nett und familiär bedient, von Frauen in gelben, schwedischen
T-Shirts (irgendwie ikea-esk). Der Chef ist ein leidenschaftlicher Sammler alter Blechschilder. Die Pizzastation ist mit ihnen
tapeziert. In deutscher Sprache wird man hier aufgefordert: „Das Geld des Dorfes dem Dorfe! Geht zu eurer Reiffeisenbank!“
Europa ist halt ein Dorf.
Amerikaner
Amerikaner reisen gern nach Marienbad. Auf der Promenade begegnen wir zum ersten Mal dem amerikanischen Greis im
Rollstuhl. Er wird von einem jüngeren Landsmann betreut. Wir vermuten den amerikanischen Millionär, in den 30er Jahren
ausgewandert aus Böhmen, nun mit seinem Neffen an den Ort der Jugend zurückgekehrt, zu den Quellen sozusagen. Man
begegnet ihm überall in der Stadt, er ist ihr Wahrzeichen: in den Kolonnaden an den Heilquellen, bei der singenden Fontäne,
beim Chopin-Haus und in den winzigen Konditoreien, wo es zweimal täglich die sündhaft süßen und noch warmen Kuroblaten
gibt, die den Genuss des Heilwasser erträglich machen.
Kunstliebende weiße Tiere
Eine Marienbader Spezialität scheinen besonders die fliegenden Bänke zu sein. Sie sind an den seltsamsten Stellen zu finden,
natürlich meistens im Park. Man könnte sie aber durchaus auf der Fahrbahn oder am Kirchturm erwarten. Sie haben sich in
sehr nostalgischen Positionen aufgestellt: An sonnigen Hängen oder mit Blick zum Wald und Rücken zum Park, an einem
Teich unter der Eisenbahnbrücke, wo das Mondlicht besonders zart scheint. Als wären es seltsame, weiße, kunstliebende
Tiere.
Ruhe und Ordnung
Im Park sitzt eine nicht besonders reiche tschechische Familie mit Kindern in Jogginghosen. Sie haben es sich gemütlich
gemacht auf einer der fliegenden Bänke. Die männlichen Familienmitglieder trinken Bier. Man unterhält sich gedämpft. Da
kommt ein Weißhemdtscheche und droht, dass er die Polizei holt, sie würden da lauter Dreck machen. Er bezieht sich dabei
auf ein paar Papierschnipsel. Dann deutet er auf die leeren Pfandflaschen, die man unter die Bank gestellt hat.
Pandora
Goethe ist in Marienbad sehr glücklich und sehr unglücklich gewesen. Der 81-Jährige verliebte sich dort in die 17 Jahre alte
Ulrike von Levetzow. Von ihr sanft abgewiesen schrieb er auf der Rückreise nach Weimar eines seiner schönsten Gedichte,
die Marienbader „Elegie“.
„Mir ist das All, ich bin mir selbst verloren,
der ich noch erst den Göttern Liebling war;
sie prüften mich, verliehen mir Pandoren,
so reich an Gütern, reicher an Gefahr“
Im Goethe-Museum in Marienbad kann man die Atmosphäre dieser Zeit kosten. Man wird von Damen in der Robe der
Goethezeit herumgeführt und kann die Originaleinrichtung in jenem Haus bewundern, in dem Ulrike Goethe traf.))
Mit der Regionalbahn zum Kloster Tepla
Morsche Gatter, die wohl nur wegen ihres pittoresken Charakters noch stehen, umrahmen hüfthohe Kräuterwiesen und
Haine. Gigantische verholzte Wiesenfenchelköpfe ragen aus ihnen hervor. Die Bahn fährt langsam, man kann in Ruhe die
Fenchel zählen, man sieht die Marienkäfer auf den Zaunplanken und die Falter auf dem Wiesenklee. Die Zeit tropft wie der
Reif von den Blättern. Das Getreide ist abgemäht, auf den Feldern stehen Heurollen verstreut, als hätten Märchenriesen
Boule gespielt, bevor Prinz Bajaja sie besiegte. Wieder ein Bach. Wälder, die in Teichen baden gehen, Wanderwege verlieren
sich im hohen Gras. Kein Mensch auf Gottes weiter Flur. Über den blauen Himmel jagt hin und wieder ein neckisches
Wölkchen. Ach, die Schwelle zum Paradies, denkt man.
Der Koan des Glasäugigen
In Tepla angekommen, laufen wir in das Dorf hinein auf der Suche nach dem Prämonstratenserkloster. Ein verschlafenes
Nestchen. Häuser mit angestaubten, gepflegten Gärtchen, Wäsche hängt im Garten, es duftet nach Hefegebäck und irgendwo
bellt ein Hund. Kaum ein Mensch auf der Straße. Ein alter Arbeiter geht vor uns den Hang hinauf. Oben, im Zentrum des
Dorfes, der typische Stadtkern: die Kirche, ein Marktplatz und eine alte Linde. Als wir den Alten beim Anstieg überholen,
wendet er sich uns zu. Er hat ein Glasauge und im Mund blitzen Silberzähne wie Patronen.
Man hätte, bemerkt er und lüftet lächelnd die speckige Mütze, man hätte den Berg besser umdrehen sollen. Dann könnten
wir jetzt bergab gehen statt hinauf.
Die Räuber 1
Oben an der Kirche zeigt ein handgeschriebenes Plakat einen alttschechischen „Jarmark“ an mit der Gefangennahme des
Bürgermeisters durch gestellte Raubsöldner. Wie sich zeigen wird, eine alte Tradition. Aber Ruhe und Ordnung würden in
Kürze nach dem Spielzug wieder einkehren.
Über eine Landsraße gelangen wir zum Kloster. Sie ist eng, von alten Obstbäumen gesäumt, die Straßenbefestigung ist am
Rand gänzlich zerbröckelt. Nur klappernde Lastwagen durchbrechen hin und wieder das Summen der Bienen.
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NOTABENE
Die Räuber 2 und das Kloster Tepla
Fürst Hroznata, der erste Abt und Gründer des Klosters, wurde zum Märtyrer. Einst von deutschen Räubern gefangen genommen, als er bei Besuchen seiner Pfarreien auf dem Lande unterwegs war, weigerte er sich, sich durch sein Kloster auslösen
zu lassen und starb im Hungerloch. Sein Leichnam aber wurde vom Kloster freigekauft und in der Klosterkirche in einem
Prachtgrab als Reliquie beigesetzt.
Man betritt das Kloster entlang eines Dreisterne-Restaurants in denkmalgeschützten Scheunen. Sie wurden als erste nach
dem Wiedereinzug der Prämonstratenser 1991 aufgebaut. Ehemals war das Kloster geradezu eine kleine Stadt gewesen mit
Mühle, Brauerei, Schule, Gärtnereien und sogar einer Klosterapotheke, die man heute besichtigen kann. Man hatte sogar
einen eigenen Arzt. Dr. Nehr, einer dieser Klosterärzte und ein „offener“ Kopf war einer der Begründer des Kurorts Marienbad
im Jahre 1808.
Die Besichtigung des Klosters ist eine Wanderung durch die Geschichte. Man sieht die Kirche der Heiligen Jungfrau Maria aus
dem 12. Jahrhundert, die Bibliothek und das Refektorium sowie die Klosterapotheke und die Überreste des Klostermuseums.
Die Bibliothek, 1905 von Josef Schaffer gebaut, ist prächtig und gut erhalten. Das ehemalige Klostermuseum hatte einen
naturkundlichen Schwerpunkt, viele Objekte sind noch erhalten. Hier kann man auch Goethes mineralogische Sammlung
sehen, die er dem Kloster zum Geschenk machte.
Die Fresken im Kloster stellen durchgehend die großen Äbte, den Hl. Norbert - den Begründer des Prämonstratenser-Ordens
- dar sowie den Fürsten Hroznata, der das Kloster 1193 gründete.
Seltsamerweise ist die moderne Leidensgeschichte des Klosters mit diesem ihren Gründer und Märtyrer verbunden.
In einer Ausstellung wird der Verfolgung von Geistlichen und politischen Gefangenen im Kommunismus gedacht: In der Nacht
zum 14. April 1950 wurde das Kloster Tepla, wie zeitgleich auch andere Klöster der CSSR, von Polizei und Miliz überfallen.
Die Klosterangehörigen wurden getötet und in Uranwerke zur Zwangsarbeit deportiert. Unter harten Arbeitsbedingungen und
ohne Schutzvorkehrungen starben die meisten von Ihnen. Einige sterben noch immer nach langer schwerer Krankheit.
Jeden 14. April, zufällig auch dem Namenstag des Abtes Hroznata, der selbst im Hungerturm starb, findet ein demonstrativer
Marsch der Opfer des Kommunismus zum Kloster statt.
Seit den 50er Jahren bis 1978 waren hier Soldaten kaserniert. Sie hinterließen dieses alte Kloster mit seinen Schätzen an
jahrhundertealter Geschichte in einem Zustand absoluter Verwahrlosung. Besonders die Fresken und Wandmalereien vermitteln heute noch einen sprechenden Eindruck dieser Verwüstung: den Heiligen an den Wänden hat man bevorzugt die Augen
ausgeschossen. Blind starren sie auf die Besucher.
>> LITAUISCHE KREUZE VON ADOMAS VARNAS
UND KRYZDIRBYSTE IN LITAUEN
Ein Beitrag von JOANNA OSTASZEWSKA-NOWICKA
Das Kreuz als Symbol oder als Ornamentalmotiv war der Menschheit schon seit ursprünglichen Zeiten bekannt. Zu
Ausstattungszwecken benutzte man die Kreuzmotive schon im altertümlichen Karthago.
Das allgemeine Territorium seiner ursprünglichen Ausbreitung umfasste einerseits das skandinavische Land und andererseits
die aztekischen Gebiete.
Alle aus dem Kulturkreis des Christentums stammenden Menschen identifizieren jedoch das Kreuz mit der Person Christi und
pflegen seine schon zweitausend Jahre dauernde Tradition. Das Kreuz war seit dem Konzil zu Nica im Jahre 787, bei dem es
damals als das offizielle Kultobjekt der Kirche bestätigt wurde, mit dem Leben aller Christen schon fest verbunden.
Zusammen mit der Entwicklung der Zivilisation bekam das Kreuz immer neue und neue semantische Bedeutungen. Die einfachste aber, mit der nahen Sphäre der menschlichen Existenz verbundene Bedeutung des Kreuzes, ist seine Identifikation
mit dem einfachen Leben, das voller Schmerzen ist – eine allegorische Figur, die ihre Quelle in dem Weg Christi zu Golgota
besitzt. Am stärksten hat also das einfache Volk das Kreuz geliebt, das Volk, das jeden Tag mit dem harten Boden kämpfen
musste, um schließlich von diesem Boden nur ein schwarzes Brot zu bekommen. Im Bewusstsein des Volkes wurde das
Volkskreuz als Symbol des einfachen Menschenlebens identifiziert. Es symbolisierte seine zahlreichen Leiden und nur seltene
Freuden. Man findet deshalb in der ganzen Welt keine schöneren Kreuzbeispiele, als diese, die man irgendwo in den litauischen Dorfgärten, oder in den Scheunen gemacht hat.
Das einfache, aus dem Inneren des Menschen quellende Bedürfnis zu schöpferischer Tätigkeit, hat sich in Litauen in eine riesige, bis heute fortgesetzte Tradition des Bauens und der Aufstellung der Kreuze entwickelt (Kryzdirbyste). Im Sinne dieser
einzigartigen Tradition errichtete man die Kreuze dort, wo in den ursprünglichen Zeiten die heiligen heidnischen Wälder
rauschten, wo man die heiligen Feuer zündete und wo man alte heidnische baltische Götter Perkunas (Donner), Medinis
(Waldgott) anbetete. Das Kreuz, das mit der Taufe Litauens im 14. Jh. auf die Vielfältigkeit des baltischen Heidentums gestoßen ist, hat seine semantische Ebene mit ganz neuen Kontexten reicher gemacht.
Die litauischen Volksholzkreuze (mediniai kryziai) und Holzkapellchen (medines koplyeles) in allen ihren möglichen Varianten,
die zum wirklich seltensten Schatz nicht nur der litauischen, aber auch der allgemeinen europäischen Volkskultur gehören,
werden sehr oft in der ethnologischen Wissenschaft mit dem Terminus: „Kleinarchitektur“ (mazoji architektura) bezeichnet.
Sie bilden eine ungewöhnliche Mischung aus verschiedenen Elementen der richtigen Architekturform mit der naiven
Volksholzskulptur und manchmal auch der Volksmalerei.
Die besonders für litauische Landeskultur (in den Grenzen des ehem. Großen Fürstentums Litauens: in den ethnisch litauischen Gebieten einschließlich dem Teil von Weißrussland) charakteristischen Kreuze und Kapellchen errichtete man schon seit
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ursprünglichen Zeiten in der Nähe von Häusern, an Wegkreuzungen, die in der baltischen Mythologie eine besondere magische Kraft und Bedeutung besaßen, neben Kirchen, in Wäldern, auf Friedhöfen, aber auch an solchen Plätzen und Orten, die
in den Zeiten des baltischen Heidentums mit dem alten Kult der baltischen Götter (Deivas, Perkunas, Medinis, usw.) verbunden waren. Das Symbol des Kreuzes also, das in den heidnischen Territorien des Baltikums zusammen mit der christlichen
Religion und Kultur nach der Taufe Litauens im 14. Jh. eingetroffen ist, hat seine semantische Ebene mit ganz neuen, aber
auch alten heidnischen Elementen reicher gemacht. Die heutigen, zeitgenössischen Kreuze mit ihrer komplizierten ornamentalen Form und mit der unter diesem Ornament versteckten Bedeutung, bilden eine reale und tastbare Kompilation der
christlichen und heidnischen Ursymbole: Sonne, Mond, Bäume als Zeichen von heidnischen Göttern und axis mundi,
Schlangen-, Pflanzen- und Blumenformen neben Christus mit seinem Martyrium, den Personen der verschiedenen christlichen
Heiligen und neben dem Marienkult. Der semantische Dualismus: christlich-heidnisch ist also dieses Merkmal, das die litauischen Kreuze von den anderen Beispielen der naiven Volkskunst unterscheiden sollte.
Mit dem Bauen der litauischen Kreuze, was sich eigentlich in eine große überlitauische, bis heute fortgesetzte Tradition entwickelt hat, wurde von Anfang an ein besonderes System der verschiedenen, komplizierten Intentionen und Zwecke verbunden. Man stellte die Kreuze sowohl aus der inneren Freude, als Dank für das Lebensglück, das man vom Himmel bekommen
hatte, als auch als ein Denkmal für verstorbene Familienmitglieder, als Bitte um Gesundheit, Glück und Erfolg in der balden
Zukunft auf. Manchmal markierte man die Intention auf dem Holz des Denkmales in der Form der schriftlichen Transkription,
oft mit der Unterschrift des Meisters: Izwencziausi Pana Marija buk musu ratunku (Heilige Maria, sei unsere Hilfe), Mykolas
Zjenius Pundatorius to kryziaus (Der Stifter dieses Kreuzes ist Mykolas Zjenius), Robyl Diewiejka Antoni (Antoni Diewiejka
hat gemacht), usw.
Die litauischen Volksholzkreuze und Kapellchen gehören zum allgemeinen Kulturgut der Menschheit, das sich der zerstörenden Auswirkung der Zeit nicht unterziehen kann. Viel mehr: im Verlauf der Jahrhunderte machen sie ihre Bedeutung immer
reicher und reicher. Sie symbolisieren sowohl die Macht der naiven Volkskultur und Tradition, und sie beweisen das reiche
innere Leben des Menschen, in dem sie ihre ursprüngliche Quelle haben.
Während des Entstehens der neuen Kreuzformen und Kreuzobjekte gab es in Litauen viele Leute, denen diese sogenannte
„Kleinarchitektur“ besonders am Herz lag. Die freiwilligen Kreuzstifter und Kreuzpfleger, die den unikalen Wert der Kreuze
verstanden, die mit dem Zerstören und mit dem Verschwinden den seltensten Kreuzbeispielen nicht einverstanden sein konnten, bemühten sich hartnäckig, die Kreuze so gut wie möglich zu beschreiben, damit sie den künftigen Generationen erhalten
bleiben könnten. Am Anfang zeichnete man einfach die einzelnen Kreuze oder man verfasste vollständige Beschreibungen
ihrer Formen. Nach der Entdeckung der Fotografie, dokumentierte man sie zuerst auf Glasnegativen, dann auch auf Papier.
Zu den wichtigsten Kreuzpflegern Litauens gehörte tatsächlich Adomas Varnas (1879 – 1979), berühmter Maler, Grafiker,
Fotograf, freiwilliger Ethnologe und Sammler der seltenen litauischen Volkskunst. Er war der Autor des ersten Fotoalbums der
litauischen Kreuze aus den ethnischen Gebieten Litauens: Auk_taitija und _emaitija überhaupt, das er im Jahre 1926 in
Kaunas mit seinen privaten Mitteln „veröffentlicht“ hat. In dem zweibändigen Fotoalbum „Litauische Kreuze“ präsentierte
Varnas 194 Fotografien der Volksholzkreuze und Holzkapellchen aus seiner riesigen fotografischen Sammlung, die er in den
Jahren 1905-1926/29 komplettiert hat.
Während einer gewöhnlichen Sommerexpedition in die litauischen Provinzen hat er bemerkt, dass die Kreuze und Kapellchen,
die irgendwo am Wege oder in den Feldern standen, wegen des schlechten Wetters und auch wegen des dummen
Wandalismus mancher Menschen sehr rasch und sogar unwiderruflich zerstört werden. Diese traurige Erfahrung hat einige
Jahre später in einem starken Beschluss resultiert, die Kleinarchitektur Litauens zu fotografieren und möglicht vollständig und
vielseitig zu beschreiben. Die fotografisch- ethnographische Aktivität des Künstlers dauerte bis etwa 1926/29. Sie hat nicht
nur zu zahlreichen Ausstellungen, in denen Varnas die besten Fotos und die schönsten Beispiele der Kreuze präsentierte,
aber auch zum Verfassen des prachtvollen Fotoalbums geführt. Die freiwillige fotografisch – ethnologische Tätigkeit des
Künstlers dauerte bis zum Jahre 1926. Aus dem ungefährlichen Hobby, das Varnas primär aus seinen privaten Mitteln finanzierte, entwickelte sich das Fotografieren und Sammeln von Informationen über die litauische Volkskultur in eine große allgemeine litauische Kulturbewegung. Bei dieser wertvollen Arbeit engagierte Varnas auch zahlreiche litauische Ethnologen und
Liebhaber der Volkskultur. Ihm haben auch seine Freunde und Mitarbeiter Buracas, Simonis und Galaune geholfen. Die
Sammlung der Fotografien, die Balys Buracas zur selben Zeit komplettiert hatte, ist im Laufe der Zeit in das fotografische
Archiv von Varnas erheblich mit eingeflossen. In den damaligen litauischen Veröffentlichungen dominierte wohl nur ein
Thema: das Erhalten der alten litauischen Kultur und Tradition durch das Bewahren der litauischen Volkskreuze. Auch Varnas
hat selbst zahlreiche Texte geschrieben, in denen er hartnäckig die ungewöhnliche Bedeutung dieser sogenannten „Kleinen
Architektur“ des Volkes für die Erhaltung der seit vielen Jahrhunderten unter russischem Druck stehenden litauischen Kultur
betonte.
Im Jahre 1925 hat Varnas seine fotografische Sammlung in der italienischen Stadt Monza als der einzige Vertreter Litauens
mit großem Erfolg ausgestellt. Im Jahre 1926 bereitete er aus seinen eigenen Mitteln das fotografische Album der Kreuze vor.
Das zweibändige Album „Litauische Kreuze“ hat Varnas auf eine häusliche Weise aus Karton in einer kleinen Auflage von 100
nummerierten Exemplaren vorbereitet. (...) Den Anfang des Albums hat der Autor auch mit seiner, in litauischer Sprache
abgefassten Autoreneinführung und genauer Auflistung aller Kreuze vervollständigt. Das erste Exemplar des Werkes, das
man bis heute in dem Nationalen Museum von M. K. Ciurlionis in Kaunas sehen kann, wurde dem damaligen Präsidenten
Litauens, A. Stulginskis, gewidmet.
Die Erscheinung des fotografischen Albums von Adomas Varnas wurde in sehr kurzer Zeit zum Clou der Saison. In diesem
Kontext ist es also sehr schwer zu verstehen, warum man es bis heute nicht veröffentlichte. Bis zu seinem Tod im Jahre 1979
bemühte sich Varnas selbst, sein Werk zu veröffentlichen – zuerst in Litauen, dann in Deutschland, in einem litauischen
Verlag in München, dann auch in den USA. Jedoch erfolglos. Nur seltene, einzelne Fotos benutzte man später bei der
Vorbereitung der Bücher und der Bearbeitungen, die der Problematik der litauischen Volkskunst gewidmet waren. Es wurde
noch nie als eine Einheit entdeckt.
Im Jahre 2002 hat die UNESCO die litauischen Volksholzkreuze und Kapellchen in die Reihe der Welterbestätten aufgenommen.
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NOTABENE
>> VON WEITER FERNE –
IRIS PAESCHKE berichtet aus Andijan/Usbekistan
Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel ...
Die Lage hat sich hier beruhigt. Es ist fast alles wieder normal. Ein paar Reste von Straßensperren und verstärkte Kontrollen
auf den Straßen, aber sonst nichts außergewöhnliches.
Gemütlich machen will ich es mir in Andijan. Na dann mal los. Was braucht man dazu? In Usbekistan ist man immer gut
beraten, nicht zu viel zu erwarten. Mit dem Rezept von Karl Kraus zum Beispiel könnte es klappen. Der fand: „Ich verlange
von einer Stadt, in der ich leben soll, Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selber.“ Also dann schauen wir mal. Asphalt gibt´s in Andijan zumindest mehr als in Bukhara. Erster
Gemütlichkeitspunkt. Straßenspülung .... na ja, was hat der Mann wohl damit gemeint? Die Leute an den Straßenrändern,
die in der Hitze den Asphalt bewässern? Davon gibt es jede Menge.
Oder hatte er eine Art Kanalisation im Sinn, die am Straßenrand versickert? Habe ich noch nicht geprüft, aber mein inneres
Gefühl sagt mir, dass es daran sicher nicht mangelt in Andijan. Also, zweiter Gemütlichkeitspunkt. Haustorschlüssel? Nee.
Wäre aber auch überflüssig. Der Eingang von meinem Wohnblock hat schließlich weder Tor noch Tür. Meine Wohnung in der
2. Etage dagegen schon. Und einen Schlüssel dazu habe ich auch. Allerdings hat meine Vermieterin auch einen. Und irgendwie scheint sie von der Gemütlichkeit der Stadt an sich nicht so überzeugt zu sein, denn gelegentlich benutzt sie diesen
Schlüssel, um es sich in meiner Wohnung gemütlich zu machen. An solchen Tagen lädt sie die Nachbarinnen zum Tee in
meine Küche ein, während die Kinder im Wohnzimmer vor der Glotze sitzen. Wenn ich dann nach Hause komme, ist mein Tee
leider immer schon alle und in der Zuckerdose steckt nur noch ein klebriger Löffel. Letzte Woche muss es hoch hergegangen
sein, denn seitdem fehlt der Tisch in der Küche. Als Ersatz haben sie jede Menge Matratzen mitgebracht, die Usbeken statt
Stühle benutzen. Ist das jetzt gemütlich? Okay, ich wollte ja nicht zu anspruchsvoll sein. Nächster Punkt: Luftheizung. Hm,
Heizung in dieser brütenden Hitze wollte ich jetzt nicht ausprobieren, aber die Klimaanlage rattert – so lange es Strom gibt –
laut ächzend vor sich hin. Wegen Ruhestörung würde ich jedoch nur einen halben Gemütlichkeitspunkt vergeben.
Warmwasserleitung. Also keine Leitung in dem Sinne, aber ein Badeofen, hier Titan genannt. Immerhin, warmes Wasser
kommt raus. Nachdem ich in den ersten Tagen mal vergessen habe, das Gas auszustellen, wurde es dem Ofen wohl ungemütlich heiß. Jedenfalls ist er übergekocht. Seitdem hat der Ofen einen elektrischen Anschluss. Das gibt jetzt aber einen
Extra-Punkt! So in der Summe, da bin ich doch auf eine ganze Menge Punkte gekommen. Trotzdem denke ich manchmal –
ach, wie schön wäre es jetzt, so in einem gemütlichen Café .... Aber das liegt sicher nicht an Usbekistan. Sicher ist daran
Karl Kraus schuld.
MOE
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