Reader - Paulus
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Reader - Paulus
Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Filme 2 Daredevil 3 Hero 4 Nachtgestalten 5 Zum Weinen komisch Andreas Dresen im Porträt 6 Chicken Run - Hennen rennen 7 Es gibt nur einen Jimmy Grimble 8 Die geheimnisvolle Minusch 9 Hodder rettet die Welt 10 The Mighty – Gemeinsam sind sie stark 11 My Name is Joe 12 Shrek – Der tollkühne Held 13 Spider Man 14 Spider-Man 2 15 Tiger und Dragon 16 Die Unglaublichen 18 Wolken ziehen vorüber 19 X-Men 2 Tour d‘Horizon 20 Heldenhaft genügt nicht – super müsst ihr sein 22 Die Leerstelle 27 Grösstenteils tot, ist schon fast lebendig Jesus als Superheld 29 Heidnischer Blutrausch 30 Die letzte Versuchung 30 Blutig und doch blutleer 32 Das 11. Gebot: Du sollst keine Jesusfilme machen 34 Filme von A - Z http://thomas.binotto.ch download des vollrständigen readers als pdf-datei: http://thomas.binotto.ch/download/superhelden.pdf Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Daredevil (USA 2002) Länge: 103 Minuten Regie: Mark Steven Johnson; Buch: Mark Steven Johnson, Brian Helgeland nach den Comics von Stan Lee und Frank Miller; Kamera: Ericson Core; Musik: Graeme Revell; Schnitt: Dennis Virkler, Armen Minasian; Darsteller: Ben Affleck (Matt Murdock/Daredevil), Jennifer Garner (Elektra Natchios), Colin Farrell (Bullseye), Michael Clarke Duncan (Kingpin/Fisk), Jon Favreau (Franklin Nelson), Scott Terra (Young Matt Murdock), Ellen Pompeo (Karen Page), Joe Pantoliano (Ben Urich), Leland Orser (Wesley), u.a. Hollywood scheint seine Hauptinspiration im Augenblick hauptsächlich aus Comics zu beziehen. Nicht nur Independent-Filme („From Hell“ fd 35 306; „Road to Perdition“, fd 35 578) oder die Klassiker aus dem Hause DC (Superman, Batman) bestimmen Boxoffice und Kritikerlisten. Die Abräumer schlechthin sind die lange verschmähten Comics des großen DCKonkurrenten Marvel. Nach „X-Men“ (fd 34 428) und „Spider-Man“ (fd 35 439) soll nun „Daredevil“ das Übel der Welt auf seine unverwechselbare Art bekämpfen. Schon als kleiner Junge hat Matt Murdock verstanden, dass die Fäuste ein probates Mittel der Problemlösung sein können. Allerdings lernte der Junge von seinem Vater nicht nur die Kunst des K.o-Schlags, sondern auch die dunkle Seite des Lebens kennen, dass nämlich Macht nicht durch Argumente, sondern durch Korruption und Maschinenpistole erhalten wird. Der Schock, dass sein Vater dieses schmutzige Spiel mitspielt, trieb den Recht und Gerechtigkeit liebenden Jungen zu einer Kurzschlusshandlung. Wut und Unachtsamkeit führten zu einem Unfall, bei dem biochemische Abfällen sein Augenlicht zerstörten. Doch die undefinierbaren Ingredienzien veränderten das Leben Murdocks noch auf eine andere Weise. Ausgestattet mit einem übermenschlichen Gehörsinn und der Fähigkeit, Schwingungen wahrzunehmen, schwor er, fortan dem Recht zur Geltung zu verhelfen; wenn es sein muss, auch jenseits der Gesetze. Jahre später erstreitet Matt tagsüber als erfolgreicher Anwalt auch für Arme Gerechtigkeit. Unterliegt er trotz eindeutiger Indizien oder wittert er Betrug, schreitet er als kampfgestählter Maskenträger zur Tat und tilgt „das Ungeziefer“ mit weniger subtilen Methoden. Die Stadt kennt den ehrfürchtig bewunderten Rächer als Daredevil. Die Unterwelt, allen voran der zwielichtige Geschäftsmann Fisk, setzt alles daran, den in rotem Leder gekleideten Unbekannten zu bekämpfen. Dazu heuert er den Killer Bullseye an, der noch bei jedem Job ins Schwarze traf. Um den bislang nur als Silhouette oder aber durch sein einprägsames Monogramm gesichteten Daredevil aus der Reserve zu locken, richtet Bullseye den bei Fisks in Ungnade gefallenen, in der Stadt allerdings hoch angesehenen Natchios auf offener Straße mit den Waffen des Gegners hin. Damit landet Bullseye einen doppelten Coup, hat Matt sich doch gerade unsterblich in Natchios Tochter Elektra verliebt. Neben ihrer Profession, das Recht in die eigenen Hände zu nehmen, ist den Comicfiguren Stan Lees vor allem eines gemein: das mysteriöse Zusammenspiel unglücklicher Zufälle, aus dem– quasi als Nebenprodukt – eine Superheldenkraft entsteht. So färbt Wut den mutierten Hulk grün und gibt ihm titanische Kräfte; ein Spinnenbiss verwandelt den Jungen von Nebenan in Spider-Man; ein chemischer Cocktail „kreiert“ den blinden Daredevil. Als Ausgangspunkt für ein filmisches Drama sind diese Figuren daher dankbarere Helden als die eher eindimensionalen Kollegen Superman oder Batman, die von Geburt an zu Helden erkoren sind. Lees Charaktere lassen sich durch ihre innere Zerrissenheit, gepaart mit dem Drang, Gutes zu tun, wunderbar für konfliktreiche Geschichten einspannen. Im Falle von „Spider-Man“ ist das dank des Darstellers Tobey Maguire und eines nuancierten Drehbuches nahezu perfekt gelungen. Ganz im Gegensatz zu „Daredevil“, der in allen Bereichen herb enttäuscht. Dabei hätte die Ausgangslage nicht besser sein können: Der in der Vorlage immer wieder beschworene Gewissenskampf zwischen seinem Rechtsbewußtsein und der Selbstjustiz birgt ebenso viel filmisches Potential wie die Problematik des „Superhelden wider Willens“. In „Daredevil“ schrumpfen diese Konflikte jedoch zur bloßen Staffage, um möglichst schnell zum eigentlichen Zentrum des Films zu gelangen: dem Kampfspektakel. Doch auch darin aber wird die Regie der Vorlage nicht gerecht, biedert sie sich doch den Special-Effect-Akrobatiken von „Spider-Man“ an. Daredevil dagegen kann überhaupt nicht durch die Lüfte fliegen, weil er dafür keine „genetischen“ Fähigkeiten hat. Seine Motivation für aberwitzige Stunts resultiert vielmehr aus einer mit Lebensmüdigkeit gepaarten Furchtlosigkeit. Doch auch diese wichtige (pessimistische) Komponente verschenkt der Film auf sträfliche Weise. Und schließlich ist Ben Affleck, ein viel zu verkrampft wirkender, mehr um sein cooles Image bemühter Hauptdarsteller, eine herbe Fehlbesetzung. Jörg Gerle (film-dienst Nr. 6/2003) Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Ein Junge verliert bei einem Unfall mit biochemischem Abfall sein Augenlicht, erlangt dafür aber, quasi im Gegenzug, ein übermenschliches Gehör sowie einen ausgeprägten Sinn für Echolot. Jahre später verschaffen ihm diese „Superkräfte“ die Möglichkeit, Verbrecher auf „außergerichtliche“ Weise zu richten, wenn er sie als Anwalt nicht hinter Schloss und Riegel zu bringen vermag. Der mit Blick auf andere Comic-Adaptionen realisierte Fantasyfilm thematisiert durchaus die in der pessimistischen Comicvorlage vorhandenen menschlichmoralischen Dimensionen, verschenkt sie aber zugunsten der eher uninspirierten Kampfakrobatik. Hero YING XIONG (Hongkong/China 2002) Länge: 99 Minuten Regie: Zhang Yimou; Buch: Li Feng, Zhang Yimou, Wang Bin; Kamera: Christopher Doyle; Musik: Tan Dun; Schnitt: Zhai Ru, Angie Lam; Darsteller: Jet Li (Unbekannter), Tony Leung (Broken Sword), Maggie Cheung (Flying Snow), Zhang Ziyi (Moon), Chen Dao Ming (König), Donnie Yen (Snow), u.a. Schwarz, in China keineswegs die Farbe der Trauer, steht am Anfang und am Ende. Dazwischen erstrahlt die Leinwand in Rot, Blau, Weiß und Jadegrün, man begegnet fünf Schwertkämpfern und einem Fürsten, Helden allesamt, wie es der Titel in Aussicht stellt. In jeder anderen Hinsicht aber strotzt Zhang Yimous neuer Film nur so von Unerwartetem. Er entfesselt ein filmisches Feuerwerk an Überraschungen, eine Bilderorgie voller filmischer Einfälle, Witz und Stilisierungswille. Selten ist ein Film dem Ideal der „reinen“ Bewegung so nahe gekommen wie „Hero“, ein märchenhaftes Drama, das pathetisch und sinnlich, leidenschaftlich und geheimnisvoll zugleich ist. Es beginnt mit einer alten Legende. Sie führt zurück ins dritte Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, in die „Epoche der sieben kämpfenden Reiche“ (ca. 230-221 v.Chr.), kurz vor der Einigung Chinas unter König Chin Shi Huang Di, dem legendären Herrscher von Qin, der mit dem Bau der chinesischen Mauer begann. Doch auch wenn Zhang seine Geschichte zu einem sehr exakten historischen Zeitpunkt ansiedelt, ist der Stoff nicht historisch verbürgt, sondern eine von vielen Legenden. Chen Kaiges „Der Kaiser und seine Attentäter“ (fd 34 005) hatte 1998 eine ähnliche Sage aufgegriffen. Auf bei „Hero“ geht es um den Versuch mutiger Attentäter, den Tyrannen zu töten. Diese tragen so poetische Namen wie „Broken Sword“ oder „Flying Snow“ und sind zu allem bereit. Im Unterschied zu Chen versucht Zhang jedoch nicht, das Verhalten der Attentäter politisch oder psychologisch zu motivieren. Vielmehr befreit er seine Geschichte vom historischen Ballast, indem er den Stoff inhaltlich wie formal ins Zeichenhafte transformiert und die Figuren symbolisch umreißt. „Hero“ ist deshalb eine zeitlose Parabel über den Einzelnen und die Macht, über Liebe und Verrat, darüber, was man sich selbst, den anderen und dem Staat schuldig ist. Die Handlungsstruktur ist von kristallklarer Einfachheit: Ein namenloser Held kommt an den Hof von Qin und erklärt, dass er die drei gefährlichsten Feinde des Herrschers getötet habe. Als Beweis zeigt er deren Waffen vor. Nun möchte er die vom König ausgesetzte Belohnung in Empfang nehmen, zu der auch die Gunst gehört, sich dem Regenten bis auf zehn Schritte nähern zu dürfen. Dieser verlangt aber zunächst eine genaue Schilderung, wie der Unbekannte die legendären Kämpfer besiegt habe. In drei großen, immer wieder durch Dialogpassagen zwischen König und dem Unbekannten unterbrochenen Rückblenden stellen diese Erzählungen die eigentliche Handlung des Films dar. Indem die Geschichte in vier, miteinander verschachtelten, zugleich einander fortführenden und ergänzenden, kaleidoskopartig gebrochenen, sich kritisierenden und gelegentlich auch aufhebenden Varianten ein und desselben Geschehens erzählt wird, erinnert „Hero“ stark an Kurosawas „Rashomon“ (fd 1875). Hier wie dort geht es um die Einsicht, dass „Wahrheit“ relativ und perspektivenabhängig ist. „Hero“ führt die Aporien jeder Geschichtsschreibung vor Augen, indem er immer neue Versionen eines Geschehens anbietet, und die damit die Wahrheit, die er erst gerade schuf, sogleich wieder zerstört. Auch stilistisch erinnert „Hero“ in vielem an Kurosawa. Vielleicht liegt dies neben der formalisierten Erzählweise auch am Set- und KostümDesign von Emi Wada, die 1985 für „Ran“ (fd 25 529) einen „Oscar“ gewann. Doch auch die bildgewaltig choreographierten Massenszenen erinnern an Kurosawas Spätwerk. Das Faszinierendste aber sind Zhangs Inszenierung der Martial-Arts-Kämpfe und sein Einsatz der Farben. Auch Zhang betritt mit diesem Werk Neuland. Viele Inszenierungsformen und Gesten werden ausprobiert, ohne freilich ausgereizt zu werden. Technisch absolut auf der Höhe der Zeit, sind die Kämpfe von einer Leichtigkeit, die Menschen und mit ihnen den Film fliegen lässt. Zärtlich kreist Christopher Doyles Kamera um die Gesichter der Darsteller, Maggie Cheung und Tony Leung, Jet Li und Zhang Ziyi, und fängt ein Zucken der Mundwinkel ebenso ein wie eine einsame Träne, die die Wange hinunterrinnt. Jede Episode erhält Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… durch eine dominante Farbe ihren emotionalen Grundton – grob skizziert: Rot für die Leidenschaft der Liebe, Blau für romantische Entsagung, Weiß, in China Farbe des Todes, für das Opfer. Nur Gelb fehlt bezeichnenderweise nahezu vollständig. Es steht in China für die Macht des Kaisers. Wenn man Zhangs Farbdramaturgie ernst nimmt, schränkt dies den Vorwurf ein, der Regisseur habe mit „Hero“ seinen Kotau vor den Pekinger Machthabern vollzogen. Im Gegenteil: Man kann „Hero“ durchaus als Fabel über Widerstand und Selbstbehauptung lesen, als Darstellung eines Machthabers, der das Gesetz über die eigene Souveränität stellt, sich wissentlich in Gefahr begibt, überzeugen will, nicht überreden oder einschüchtern. So bleibt die Botschaft des Films, der schon jetzt der erfolgreichste der chinesischen Filmgeschichte ist und in Zhangs Heimat für handfesten politischen Streit sorgte, gewollt ambivalent: Sie kann fatalistisch wie optimistisch verstanden werden, als verstecktes Plädoyer für Widerstand wie als Anbiederung. Unübersehbar ist freilich der Versuch, mit filmischen Mitteln einen ästhetischen Zivilisationsmythos zu begründen, eine Poesie des höheren Zwecks, der auf Konzentration und der Schönheit von Gesten beruht. Wenn „Hero“ argumentiert, dass die gute Handlung auch schön sei, und dabei auf die Attraktivität der Eindeutigkeit setzt, ist dies eine konservative Botschaft, die durchaus nicht im Widerspruch zu europäischen Kultur steht. Vor allem anderen aber will „Hero“ eine handwerklich brillant erzählte elegische Heldensage aus mythischvorgeschichtlicher Zeit sein, ein essentiell romantisches Luftballett, das bei aller Opulenz und Inszenierungskunst einer archaischer Einfachheit huldigt. In seiner pathetischen, wohldosierten Übertreibung ist der Film trotzdem in jedem Moment eine große Oper und einer der Höhepunkte des Martial-Arts-Genres. Zhang „malt“ mit Menschen auf der Leinwand, wobei er auf die Logik ebensowenig Rücksicht nimmt wie auf die Schwerkraft, indem er Traum, Gefühl und Bewegung zu einem einzigartigen, zeitlosen Zauber verschmilzt. Rüdiger Suchsland (film-dienst Nr. 12/2003) Am Hof des Königs von Qin schildert ein namenloser Krieger, wie er die drei gefährlichsten Feinde des Herrschers getötet hat. Eine handwerklich brillante Heldensaga aus der Zeit der chinesischen Reichsgründung im 3. Jahrhundert v. Chr., deren opulent-opernhafte, fotografisch berauschende Inszenierung einen Höhepunkt des Martial-Arts-Genres markiert: eine traumhafte Bilderorgie voller suggestiver filmischer Einfälle, Witz und Stilisierungen. Die Botschaft der Geschichte ist insofern strittig, als die Fabel sowohl als Kotau vor den derzeitigen Machthabern als auch als Plädoyer für Widerstand und Selbstbehauptung gelesen werden kann. Nachtgestalten (Deutschland 1999) Länge: 103 Minuten Regie: Andreas Dresen; Buch: Andreas Dresen; Kamera: Andreas Höfer; Musik: Cathrin Pfeifer, Rainer Rohloff; Schnitt: Monika Schindler; Darsteller: Meriam Abbas (Hanna), Dominique Horwitz (Victor), Oliver Bäßler (Jochen), Susanne Bormann (Patty), Michael Gwisdek (Peschke), Ricardo Valentim (Feliz), Imogen Kogge (Rita), Horst Krause (Taxifahrer), u.a. Wann saß man zuletzt in einem deutschen Film, dessen Ende man gerne hinausgezögert hätte, weil man von seinen Gesichtern und Geschichten nicht lassen will? Dabei ist Andreas Dresens Außenseiterdrama alles andere als „schön“ oder gefällige Kinokost. Hundert Minuten lang streunt er mit grobkörnigen, kontrastreichen Bildern durch eine regnerische Berliner Nacht, in der sich (fast) nur solche Gestalten herumtreiben, die die bürgerliche Welt höchst ungern zur Kenntnis nimmt: Obdachlose, Junkies, einsame Freier und verwahrloste Straßenkids, die mit ihrem Dasein wenig anzufangen wissen. Doch inmitten dieser tristen Ödnis entdeckt die Kamera Menschen, die einem nahegehen, Figuren, deren Schicksale berühren. Unmerklich zieht es einen an die zugigen Plätze, in Hinterzimmer und Abfertigungshallen, unmerklich läßt man sich ein auf die ständigen Streitereien, die kleinen großen Nöten und die Versuche, aus bedrängten Situationen kurzfristige (Aus-)Wege zu finden, die sich schon wenig später als Sackgassen erweisen. Das Geheimnis dieser unspektakulären Großstadtsplitter muß man in ihrer Intensität suchen, die sich – mehr noch als den Schauspielern und der (Hand-)Kamera – einer ausgesprochen mutigen Inszenierung verdankt: Statt „bigger than life“ wagt es Dresen, auf den Spuren des Neorealimus dem Menschlich-Allzumenschlichen selbst eine paar Augenblicke und Wahrheiten abzugewinnen, die in keinem Hochglanzprodukt zu finden sind. Eine fiktive Klammer eint die lose verwobenen Geschichten und Episoden: Der Papst besucht Berlin. Hanna und Victor, ein junges Paar ohne festen Wohnsitz, würde der Ausnahmezustand kaum tangieren, wenn ihnen nicht ein Unbekannter 100 Mark geschenkt hätte, Geld, mit dem sie endlich Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… einmal eine Nacht in einem Hotel verbringen wollen. Angesichts des Pilgeransturm aber entwickelt sich ihre Suche nach Bett und Dusche zu einer Odyssee, bei der schnell die Nerven bloßliegen. Auch den gutmütigen Bauernburschen aus Neubrandenburg zieht es aus anderen als frommen Gründen in die Stadt: Er sehnt sich nach Liebe, und sei es für Geld. Daß er ausgerechnet auf dem Babystrich landet und an die blutjunge Patty gerät, weckt allerdings weniger die Lust als sein weiches Herz. Peschke, ein älterer Angestellter, der es nicht bis in die Chefetage geschafft hat, soll eine japanische Geschäftspartnerin vom Flughafen abholen. Statt ihrer stößt er auf einen kleinen Jungen aus Nigeria, der offensichtlich nach Deutschland eingeschleust werden soll. Zuerst bezichtigt er ihn, seine verlorene Brieftasche geklaut zu haben, nimmt sich dann aber widerstrebend des stummen Knaben an und versucht, ihn zu der Adresse zu bringen, die das Kind in Händen hält. Eine Reihe weiterer kleiner Schicksale und Begegnungen am Rande ist in diese drei Hauptstränge geflochten, die allesamt eines eint: Keine der Figuren ist im herkömmlichen Sinne „kinotauglich“, weil ihnen der Geruch des Alltäglichen an den Kleidern haftet und ihre Erlebnisse während dieser Nacht kaum Aufsehen erregen. Zwar wird Peschke vor einer Kreuzberger Kneipe sein schmucker BMW geklaut, der am Ende an der Ostsee in Flammen aufgeht, wird das „Landei“ in einem besetzten Haus zusammengeschlagen oder eskaliert das permanente Hickhack zwischen dem Obdachlosenpaar in aller Drastik. Doch selbst in solchen Situationen wahrt Dresen den „dokumentarischen“ Duktus einer ungeglätteten Annäherung an die Wirklichkeit, ohne in die Klischees von Penner-Romantik oder der Sozialanklage zu verfallen. Der Film ist in sich so gebrochen wie seine „Nachtgestalten“, die sich mit Widersprüchen, Kompromissen und vielen Niederlagen durch ihr bescheidenes Leben schlagen, neben dem ungestillten Verlangen nach dem eigenen Glück aber gelegentlich auch kleine Geste für andere übrig haben. Diese gegen den glatten Strich des Identischen gebürstete Haltung, die jede der Figuren liebend gerne zugunsten der Insignien des Bürgerlichen eintauschen würde, verleiht Dresen eine ihnen verwandte Sensibilität: Ohne sich im Elend zu suhlen oder die soziale Misere schlicht auszublenden, hält er die Augen offen und kann der Nacht Töne und Farben abgewinnen, die meist unsichtbar bleiben. Man kann an dem gewagten Streifzug viele Kleinigkeiten kritisieren oder überhaupt keinen Zugang zu ihm finden; wer sich jedoch vom rauhen Charme einer ungeschminkten (Großstadt-)„Normalität“ verführen läßt, wird mehr und Spannenderes über die Welt erfahren als in vielen sorgfältig konstruierten Sozial- und Psychodramen. So ist es nicht nur der mit einem „Silbernen Bären“ honorierten Spielfreude Michael Gwisdeks zu verdanken, daß sein gescheiterter MöchtegernYuppie bei aller Arroganz auch grundsympathische Charakterzüge an den Tag legt, sondern vor allem der genauen Figurenzeichnung, die seinen latenten, hemdsärmeligen Rassismus als weitverbreitetes Ressentiment zu erkennen gibt, bei dem sich so mancher Zuschauer ertappt fühlen dürfte. Bei allem lakonischen Dialogwitz, der an die „Dogma ‘95“Gruppe erinnernden Kamera- und Lichtgestaltung sowie der „Short Cuts“-Dramaturgie vermag es Dresen mit bewundernswertem Geschick, eine „authentische“ Atmosphäre zu erzeugen, die von Einsamkeit und Erniedrigung in einer Sprache handelt, die aus den porträtierten Milieus erwächst. Auch die Hoffnung, die in allen Figuren ein karges, aber widerständiges Dasein führt, findet darin ihren jeweils angemessenen Ausdruck – und sei es in den pausenlos übertragenen Ansprachen Karol Wojtilas, dessen Botschaft der Liebe nicht etwa ironisch oder hämisch durch Baracken und Unterschlüpfe hallt, sondern als christlich-utopischer Anspruch einen weiten Horizont markiert. Josef Lederle (film-dienst Nr. 16/1999) In der Nacht, in der der Papst zu einem (fiktiven) Besuch in Berlin weilt, findet eine Handvoll Menschen keine Ruhe: ein Stadtstreicher-Paar, ein junger Bauer vom Land, ein Angestellter, der einem afrikanischen Jungen begegnet. Alle sind auf der Suche nach Wärme, Geborgenheit und bescheidenem Glück, das sich in ihrem mühsamen Leben nur selten finden lässt. Die lose verwobenen Geschichten entwickeln ein tiefes Gespür für die Not und leben vom aufrichtigen Interesse an den Figuren. Ein mutiger Film voller Intensität und Lebendigkeit, der eine ungeglättete Annäherung an die Wirklichkeit wagt und ein nüchternes Bild häufig übersehener Randbereiche der deutschen Wirklichkeit zeichnet. Zum Weinen komisch Andreas Dresen im Porträt „Diese Arbeit macht einfach irren Spass!“ – Darf so etwas ein Filmemacher aus Deutschland bekennen? Ausgerechnet aus dem Land, wo der fatale Hang zum Meisterwerk gepflegt wird; wo man an der Kunst leidet; wo man Filme nicht machen will sondern muss; wo ständig das innere Genie zum Durchbruch nervt. Zugegeben, solche Zuspitzung ist pure Polemik, Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… und Andreas Dresen relativiert sie auch sogleich. Er empfindet sich nicht als Exot in der deutschen Kinolandschaft. Inzwischen gehört er dort sogar zu den wichtigen und erfolgreichen Filmemachern. Einer, der dazu beiträgt, dass wir uns plötzlich wieder auf deutsches Kino freuen. Allerdings, noch Ende der 90er Jahre als er „Nachtgestalten“ plante, war kaum jemand bereit, in einen „schmutzigen, kleinen Film“ über Verlierer und Randständige zu investieren. Damals waren Schenkelklopfer-Lustspiele angesagt, zwar auch nicht gerade auf Meisterwerkstatus getrimmt, aber dennoch meilenweit von Dresens Ansprüchen entfernt, die er mit charmanter Tiefstapelei vertritt: „Im Kino gemeinsam zu lachen, das ist fast schon eine Therapie gegen Einsamkeit, weil man dadurch mit wildfremden Menschen gemeinsame Erfahrungen teilt. Aber in einer guten Komödie muss man natürlich auch weinen können.“ Dresen hat nichts dagegen, wenn man seine Filme als Komödien bezeichnet, solange man damit nicht Oberflächlichkeit sondern die Art und Weise meint, wie sie mit Drama und Tragik umgehen. „Wenn ich mehrere Jahre meiner Lebenszeit für einen Film einsetze, dann muss es um etwas gehen, das mich existentiell beschäftigt.“ Die Themen in Dresens Filmen sind deshalb alles andere als leichtgewichtig sondern gesellschaftspolitisch brisant. Aber eben, Komödie ist für Dresen keine Frage des Inhalts sondern der Form. „Bei ‚Willenbrock’ haben wir oft ganz gezielt die Pointe gesucht, um das Drama zu brechen. Wenn er nach einem brutalen Überfall plötzlich im Pyjama verstört vor einer peinlich berührten Hochzeitsgesellschaft steht, dann ist das zwar gezielt witzig – gleichzeitig aber auch mit Hintersinn inszeniert.“ Tatsächlich war Willenbrock bis zu diesem Augenblick einer, der sich über die Not anderer keine Gedanken gemacht hat. Jetzt steckt er selbst in einer Notlage und steht Menschen gegenüber, die sich nun ihrerseits nichts dabei denken. Dresens Humor hat etwas unerwartet Subversives. Wenn er das Absurde und das Tragische mischt, eine unterhaltsame Geschichte mit ernstem Anliegen erzählt, das Kino nicht „als moralische Anstalt“, sondern als „Ort des sinnlichen Mitfühlens“ versteht, dann werden daraus sozialkritische Tragikomödien, und es überrascht deshalb nicht, dass Dresen gerade Ken Loach und Mike Leigh zu seinen wichtigsten Vorbildern zählt. Auch in seinem jüngsten Film „Willenbrock“, den er zur Schweizer Premiere nach Zürich begleitet, ist er dieser Spur treu geblieben. Selbst wenn er formal andere, technisch aufwändigere Wege gegangen ist als in seinem Erfolgsfilm „Halbe Treppe“, so bleibt das Wesentliche unverändert: „Selbst zu einem bigotten Typen wie dem Autohändler Willenbrock, der doch über weite Strecken ein ziemlicher Schweinehund ist, muss ich eine Zuneigung entwickeln. Ich kann nicht Filme über Personen machen, die ich nicht mag, die mir vollständig fremd bleiben.“ Dasselbe gilt auch für jene Menschen, mit denen Dresen seine Filme dreht. „Ich bin eine Art Familienregisseur und arbeite immer wieder mit denselben Freunden zusammen. „Willenbrock“ habe ich praktisch mit der gleichen Crew gemacht wie „Halbe Treppe“. Für mich ist es entscheidend, in einem Ensemble arbeiten zu dürfen, wo Fehler erlaubt sind, weil man sich gegenseitig vertraut. Es macht einen irren Spass, gemeinsam mit Leuten, die man mag, Geschichten zu erzählen, das ist wie eine Abenteuerexkursion. Und wenn sich diese Spielfreude dann auch noch auf die Zuschauer überträgt, ist das ein wunderbares Gefühl.“ Ist Andreas Dresen ein Glückskind des deutschen Films? „Ich bewege mich oft am Rande der Überforderung, bin viel unsicherer als das vielleicht scheint und habe meine Krisen. Oft fühle ich mich wie einer, der vorausgeht, obwohl er selbst den Weg nicht kennt.“ Kann man als Filmemacher wirklich so liebenswürdig, unkompliziert und offen sein? Man ist geneigt, Dresen mehr als nur schöne Worte zuzutrauen, so ungekünstelt und doch differenziert redet er über sich und seine Filme, so selbstironisch und doch selbstbewusst. Wenn Andreas Dresen ein Glückskind ist, dann wohl eines aus einer guten Komödie: Lachen und Weinen nahe zusammen. Uns sympathisch, weil in dieser Sympathie das Mitleid noch nicht vom jovialen Schulterklopfen verdrängt wurde. Als Regisseur würde Andreas Dresen spätestens jetzt dem drohenden Pathos mit einer Pointe den Garaus machen: „Ich hasse Szenen im Auto. Es ist ein furchtbarer Drehort. Zwischen mir und den Schauspielern eine blöde Fensterscheibe, drei Funkgeräte um den Hals, und ich frier mir draussen bei hundert Sachen den Arsch ab.“ Thomas Binotto (Neue Zürcher Zeitung vom 7. April 2005) Chicken Run - Hennen rennen Vergessen wir einmal, was man in Drehbuchlehrgängen als Erstes lernt: dass eine gute Idee noch lange Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… kein tragfähiger Filmstoff ist und nicht vorschnell mit der mühseligen Arbeit des Drehbuchschreibens verwechselt werden darf. Denn es gibt sie durchaus, diese kleinen Ideen, die durch Studioflure geflüstert, umworben und teuer gehandelt werden. Als Nick Park und Peter Lord gegenüber Steven Spielberg von einem Gefangenen-Ausbruchsfilm wie „Gesprengte Ketten“ (fd 12 205) schwärmten, der auf einem Hühnerhof spielen sollte, war dieser nicht mehr zu halten. „Wunderbar“, soll er, laut Lord, geantwortet haben: „Ich habe zuhause 300 Hühner, und mein Lieblingsfilm ist „Gesprengte Ketten“. Gewiss, wer wie Park und Lord mit den Plastilin-Animationen „Wallace & Gromit“ (fd 31 035) drei „Oscars“ in Folge gewonnen und die erfolgreichsten Kurzfilme seit Charles Chaplin produziert hat, dem stehen in Hollywood ohnehin alle Türen offen. Aber es ist etwas Verführerisches an diesem Gefängnisfilm, der in den USA schon Monate im Voraus mit riesigen Hühnerkonterfeis und dem Slogan „A few good hen“ angekündigt wurde. Man möchte einfach sehen, wie es diese Flucht bewerkstelligen mag, dieses fluguntüchtige Federvieh. Zunächst erfährt man, was nur noch gestandene Macho-Hähne ignorieren können: dass Eierlegen nämlich eine sensible Angelegenheit ist und das vegetative Nervensystem einer Henne schon einmal für zyklische Unregelmäßigkeiten verantwortlich ist. Die despotische Farmerin Mrs. Tweedy, ganz und gar dem Klischee der Aufseherin eines FrauengefängnisFilmes nachempfunden, hat dafür allerdings wenig Verständnis. Wer nicht genug legt, dem droht das Ende in Pastetenform. Besonders greifbar ist dieses Schicksal für die schon mit mehreren Fluchtversuchen unangenehm aufgefallene Ginger. Und gewiss werden die Strafmaßnahmen nicht immer nur in einem Aufenthalt im „Loch“ bestehen - man weiß „Vogelmann aus Alcatraz“ was damit gemeint ist. Hoffnung kommt in Gestalt eines aus dem Zirkus entwichenen „Flughahns“ namens Rocky. Dem charismatischen Burschen gelingt es schnell, die Hennen in seinen Bann zu schlagen, und man verspricht sich viel von seinen charmanten Flugstunden. Doch die Zeit drängt: eine neumodische Pastetenmaschine harrt ihrer vernichtenden Aufgabe. Als jedoch ein altes Zirkusplakat Rockys Flugnummer als Trick entlarvt, ist es mit dem Optimismus vorbei. Ginger aber hat einen anderen Plan: Unter Mithilfe von ein paar Ratten, die einen schwunghaften Schwarzmarkt mit Eiern betreiben, macht sie sich an ein Unterfangen, das man von Vögeln eigentlich nicht erwartet: den Bau eines Flugzeugs. So ist das mit den guten Ideen: sie halten eine gewisse Zeit gefangen und beschäftigen unsere Vorstellungskraft. Doch je besser sie sind, desto weniger lassen sie sich durch die Kunst eines Drehbuchautors steigern. Das muss auch Karey Kirkpatrick, Trickfilm erfahren unter anderem durch „Bernard und Bianca im Känguruhland“ (fd 29 253), am eigenen Leibe spüren. Aber glücklicherweise haben Drehbuchlehrer eben nicht immer Recht, und gute Geschichten sind eben auch nicht immer alles im Kino. Die Trickfilme des englischen AardmanStudios können allein durch die schier unglaubliche Beherrschung der Plastilin-Animation in Verbindung mit jenem typisch britischem „social touch“ für sich einnehmen. Es ist herrlich, welches Typenensemble hier geschaffen wurde: die etwas zu missionarische Ginger, die opportunistische Rekord-Eierlegerin Bunty, die sich wohl auch durch einen sozialistischen LPG-Orden noch motivieren ließe; oder das naive Dummchen Babs, ein ganz und gar sonniges Hühnchengemüt. Wie bei „Wallace und Gromit“ werden Genrekonventionen liebevoll herbeizitiert und durch eine aufmerksam kommentierende Filmmusik vom Traditionalismus eines englischen Bläservereins weiter pointiert. Wer von einem großen Spielfilm auch eine gewisse dramatische Tiefe erwartet, wird allerdings enttäuscht. Park und Lord drehten schlicht einen weiteren Kurzfilm - allerdings mit zweieinhalbfacher Länge. Und ein paar beeindruckenden Massenszenen, wie sie die Animationsgeschichte in dieser Technik noch nicht gesehen hat. So treten nicht weniger als 150 Hühner zum Morgenappell an und lassen alle Tragik des klassischen Lagerfilms spüren. Zweifellos sind Nick Parks frühere Arbeiten erzählerisch konzentrierter, aber viel wichtiger ist doch, dass man der Versuchung widerstand, sich den vermeintlichen Geschmackskonventionen des langen Trickfilms zu beugen und die eigene Integrität wahrte. Ein kitschiges Musical wäre mit dem sozial-ironischen Realismus von Aardman wahrlich nicht zu vereinbaren. Daniel Kothenschulte (film-dienst Nr. 16/2000) Es gibt nur einen Jimmy Grimble Manchester: So manche Assoziation fällt einem zum geschichtsträchtigen Handels- und Kulturzentrum des englischen Nordwestens ein, vor allem aber eine – Fußball. Der ewige Kampf zwischen den großen Vereinen Manchester United und Manchester City zerreißt Familien und Freundschaften, sorgt für brisante soziale Konflikte, ebenso aber auch für heißblütig ausgelebte Passionen, wie man sie im unwirtlichen Norden Europas nicht unbedingt Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… vermutet. Mitten im sozialen Brennpunkt der Krisen geschüttelten Metropole lebt und leidet der 15-jährige Jimmy Grimble, ein alles andere als hübscher Junge, kleiner als seine Mitschüler, mit großen, abstehenden Ohren und dem starken Hang zu Selbstzweifeln und Minderwertigkeitsgefühlen. Nichts scheint ihn aus seiner Verliererrolle retten zu können; seine alleinerziehende Mutter bringt wieder einmal einen neuen Freund mit nach Hause, der sich als Ersatzvater aufspielt, in der Schule wird er verlacht, verfolgt und gedemütigt, und in seinem Lieblingssport Fußball wird der junge Manchester-City-Anhänger regelrecht überrannt. Nur wenn er allein in den abruchreifen Straßen vor sich hindribbelt, geschieht etwas geradezu Magisches: Jimmy überwindet seine Hemmungen und Ängste, es gelingen ihm technische Kabinettstückchen und Ball-Finessen, die einen Michael Owen oder David Beckham erblassen ließen. Als die Schulmeisterschaften im Fußball anstehen, wird Jimmy vom Sportlehrer als Ersatzspieler nominiert; etwa zur selben Zeit flüchtet Jimmy wieder einmal vor seinen Drangsalierern und wird von einer rätselhaften alten Frau gerettet, die in einem Kellerloch haust und ganz in ihren Erinnerungen lebt. Die Alte schenkt ihm ein Paar alter Fußballstiefel – sind es Zauberschuhe? Jimmy zweifelt, doch als er im ersten Meisterschaftsspiel, das eher einer Prügelorgie im Matsch gleicht, eingewechselt wird und ein sagenhaftes Tor schießt, ändert sich alles: Jimmy bekommt sich in den Griff, genießt Erfolg und Anerkennung; die Dinge entgleiten ihm einfach nicht mehr. Und das alles wegen magischer Fußballschuhe? Jugendliche und nicht für Filmkritiker oder sonstige besserwisserische Erwachsene, und Jugendliche werden thematisch verwandte Märchen und Erzählungen ihrer Kindheit ebenso wenig vergessen haben wie sie sich angesichts ähnlicher Ängste und Sorgen, Tagträume und (Glücks-)Fantasien problemos mit Jimmy anfreunden werden. Die Sorgfalt und der große Aufwand der Inszenierung sind für einen Jugendfilm geradezu vorbildlich, vor allem der pointierte Einsatz von Pop- und Rock-Songs, die Jimmys Leiden und Leidenschaften kommentieren (u.a. singen Echo and the Bunnymen „Nothing Lasts Forever“); sie bringen zudem die notwendige Distanz, aber auch Komik ins Spiel, was Jimmys Lehr- und Fußballjahre bei aller Tristesse auch unterhaltsam und witzig macht. Dass der Junge zugleich als auktorialer Erzähler fungiert und als sein eigener Off-Kommentator mit trockenem Witz quasi retrospektiv „neben sich tritt“, erhöht den Reiz zusätzlich. Am Ende gibt es ein dickes, prachtvolles Happy End, an dem neben Trainer, Ersatzvater und Mutter vor allem Jimmy Grimble selbst gearbeitet hat, um zu verstehen, dass der „Zauber“ nicht in seinen Schuhen, sondern in ihm selbst steckt. „Fußball ist halt nicht alles im Leben“, sagt er – um spitzbübisch direkt in die Kamera zu blicken und diese Weisheit sofort zu relativieren: „War ja nur Spaß!“ Im englischen Original vermittelt sich die stark auf den Reiz des „Mancunian accent“ setzende Fabel weit authentischer und noch amüsanter; aber auch die deutsche Fassung wird Jugendlichen viel Vergnügen bereiten. Ein Trauerspiel, dass für solche Geschichten kein Platz im deutschen Kino ist. Es gibt in der Tat nur einen Jimmy Grimble – wie jeder junge Mensch früher oder später seine eigene Individualität mit allen Stärken und Schwächen erkennen und anerkennen lernen muss, um zu seinem Selbstwertgewühl zu finden. Regisseur John Hay entwickelt einen phasenweise mitreißenden Jugendfilm zwischen realistischer Alltagsbeschreibung und märchenhafter Überhöhung, in dem gewiss vieles holzschnittartig und auch plakativ bleibt. Da geht es wieder einmal um den Sieg im Sport als mythisches Szenario für Selbstüberwindung und Charakterstärkung, das sich natürlich erst in allerletzter Sekunde entscheidet; da sind die Erwachsenen ordentlich, fast klischeehaft aufgeteilt in Jimmys „Feinde“ und Bezugspersonen, da wird die Märchenfabel um die rätselhafte Alte mit einem Anstrich Charles Dickens dekoriert, was ebenso wenig originell erscheinen mag wie die beschwörenden Appelle, dass Jimmy endlich lernen müsse, an sich selbst zu glauben. Und doch: Dies ist ein höchst lebendiger, fesselnder und anrührender Film für Horst Peter Koll (film-dienst Nr. 12/2002) Die geheimnisvolle Minusch Tibbe ist ein aufstrebender Nachwuchsjournalist in der niederländischen Kleinstadt Killendoorn. Seine Leidenschaft gilt vor allem Katzen, was seine Meldungen und Artikel zum Leidwesen der strengen Zeitungschefin mehr prägt als wirkliche Sensationen. Doch was soll man auch an „heißen Storys“ in der Provinz finden – zumal, wenn man wie Tibbe eher sanft, schüchtern, fast ängstlich ist? Vielleicht gibt jene junge Frau ja eine Geschichte ab, die Tibbe eines Tages hoch in einem Baum sitzen sieht, wohin sie aus Angst vor einem Hund flüchtete. Doch als Tibbe endlich sein Tonband aktiviert hat, ist die rätselhafte Dame längst verschwunden. Mitten in der Nacht aber steht sie wieder vor ihm – behende sprang sie über die Dächer der Stadt, um durchs Fenster zu steigen. Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Tibbe ist verwirrt und neugierig, ahnt jedoch nicht im Geringsten etwas vom Geheimnis der jungen Frau, die sich als Minusch vorstellt. Der Zuschauer aber weiß bereits mehr als Tibbe: Zu Beginn des Films raste nämlich ein geheimnisvoller Kleinlaster durch die Straßen, beladen mit Giftfässern, die mit dem harmlosen Motiv einer Blume falsch ettikettiert wurden; eines der Fässer rollte in die Vorgärten der Stadt, und eine Katze namens Minusch schleckte an der auslaufenden Flüssigkeit... Die Abenteuer der Katze Minusch, die sich in eine junge Frau verwandelt und mit der ihr fremden und rätselhaften Welt der Menschen konfrontiert wird, sind seit 30 Jahren ein Kinderbuchklassiker von Anna Maria Geertruida Schmidt (1911-1995), der niederländischen Astrid Lindgren. Bereits 1998 wurde, nachdem sich die skeptische Autorin zu Lebzeiten lange gegen Verfilmungen ihrer Bücher gewehrt hatte, ihr anderer „Klassiker“ „Abeltje, der fliegende Liftboy“ (Regie: Ben Sombogaart) verfilmt: eine vor Fantasie, unterspieltem Witz und viel Fabulierlust überbordende „Reisegeschichte“, die trotz zahlloser Trickeffekte auf wohltuende Weise nie der Effektmaschinerie Marke Hollywood erlag und einen ganz eigenen, fast getragenen erzählerischen Rhythmus fand. Genau dies gilt auch für „Die geheimnisvolle Minusch“, einer von sanftem Witz, viel Spielfreude und vor allem einem handwerklich hoch professionellen Standard geprägte Märchenfantasie, die sich ganz nebenbei auch noch zur modernen Fabel über Umwelt- und Tierschutz weitet. Auch wenn die Szenen mit den perfekt trainierten, durch Computertricks „lippensynchron“ sprechenden Katzen einen hohen Attraktionswert haben, nehmen sie bezeichnenderweise nur fünf Minuten der gesamten Filmlänge aus, sodass sich die Handlung stets gegenüber den Effekten zu behaupten weiß und sich die klug gesetzten Akzente zu Themen wie Freundschaft und Selbstbewusstsein, Zivilcourage und Kritikfähigkeit jederzeit vermitteln. Fern der bombastischen Hektik eines Films wie „Cats & Dogs – Wie Hund und Katz“ (fd 34 975) lebt „Die geheimnisvolle Minusch“ deshalb vorrangig von den reichen zwischenmenschlichen Akzenten: die „Katzen-Dame“ im eleganten Kostüm mag gelegentlich ängstlich und verwirrt durch die Welt der Menschen schleichen, hat dafür aber viel Charme und Beharrlichkeit und folgt ganz anderen Werten als die gedankenlosen Menschen; Minusch sorgt sich um die kleine Dinge des Daseins, die ein geld- und machtgieriger Profiteur wie der Deodorant-Hersteller Ellemeet einfach hinwegfegen will, wobei ihm die obrigkeitsgläubigen, devoten Mitbürger kritiklos zu erliegen drohen. Der verträumte Tibbe und das noch nicht „verblendete“ Mädchen Bibi werden indes zu Minuschs beherzten Verbündeten, um im solidarischen Kampf mit den Katzen der Stadt dem Bösewicht das Handwerk zu legen und den Kleinbürgern doch noch die Augen zu öffnen. Dieses schöne Anliegen, sich ein Leben ohne Freundschaft und Herzenswärme nicht vorstellen zu wollen, verbindet „Die geheimnisvolle Minusch“ im Übrigen deutlich mit einem großen europäischen Kino-Vorbild: Wenn mit augenzwinkernder, lebenskluger Ironie das materialistische Leben konterkariert wird, dann könnte eigentlich jeden Moment auch ein älterer Herr mit Trenchcoat, Stockschirm und Pfeife freundlich lächelnd durch die beschaulichen Straßen der niederländischen Provinzstadt streifen – Monsieur Hulot lässt grüßen. Horst Peter Koll (film-dienst Nr. 16/2002) Hodder rettet die Welt So wie der Zuschauer verdutzt guckt, wenn im Titelvorspann ein Auto in den nächtlichen Himmel abhebt, so ungläubig schaut der neunjährige Hodder auf die kleine Fee, die über seinem Bett schwebt und ihm offenbart, dass er auserwählt ist, um die Welt zu retten. Dabei hat er eigentlich genug damit zu tun, im Alltag zurechtzukommen: Seit seine Mutter gestorben ist, lebt Hodder mit seinem Vater allein, der sein Geld als Plakatkleber verdient. In der Schule ist der Junge der Sündenbock, leidet vor allem unter den Hänseleien von Alex und Filip. Trotzdem fragt er die beiden, ob sie an seiner Mission teilnehmen wollen. Doch genauso wenig wie seine Klassenlehrerin Asta, die Hodder so gerne mit seinem Vater verkuppeln möchte, glauben sie ihm seine Geschichte. Die Fee aber wiederholt den Auftrag. Und als ihm die Bäckerin den Rat gibt, klein anzufangen, sucht sich Hodder die kleinste bewohnte Insel der Welt für seine Rettungsmission aus. Er kündigt den Einwohnern von Guambilua sein Kommen an und findet in der geheimnisvollen Nachbarin Lola, die ähnlich wie sein Vater einem Nachtjob nachzugehen scheint, und dem stabreimenden Boxchampion Big Mac Johnson, der ihn jeden Morgen von der Cornflakes-Packung anlächelt, sogar potenzielle Expeditionsteilnehmer. In der Schule überstürzen sich mittlerweile die Ereignisse: Filip droht Hodder Prügel an, weil er glaubt, dass dieser die Trennung seiner Eltern herumgetratscht hat, und Alex verweigert Hodder am letzten Schultag den Zutritt zur Klasse, weil er Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… dessen Abschiedsgeschenk für Asta für stillos hält. Verzweifelt läuft Hodder zum Kai. Gerade als er seinen Fuß ins Wasser setzen will, reißt in Filip zurück, der inzwischen seine Seelenverwandtschaft mit Hodder entdeckt hat. Auch in Sachen Weltrettung hat sich etwas getan: Am Abend steht ein Afrikaner vor seiner Wohnung und lädt Hodder nach Guambilua ein, Big Mag Johnson schaut vorbei und Lola entschließt sich, doch lieber zum Nachtisch heraufzukommen als mit dem Boxer wegzufahren. Gibt es den dichtenden Boxer wirklich oder ist er nur das von der Cornflakes-Reklame heruntergestiegene Wunschbild Hodders? Was hat es mit dem Guambiluaner auf sich, der bei Hodders verhindertem Sprung ins Wasser im Hintergrund auf einer Bank saß? Und trägt die Fee nicht die Züge von Hodders verstorbener Mutter? Immer wieder verwischen sich die Grenzen zwischen Fantasie und Realität: Welche Figur ist echt, welche existiert nur im Kopf des Neunjährigen? Seine überbordende Fantasie ist es letztendlich aber auch, die ihm hilft, seine Alltagsprobleme zu lösen und seine Außenseiterrolle zu überwinden. Henrik Ruben Genz hat diesen, nach einem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2000 ausgezeichneten Roman von Bjarne Reuter entstandenen Film mit stilsicherer Hand inszeniert. Er bricht den ernsten Hintergrund der Vorlage immer wieder mit unaufdringlichem Humor und poetischen Momenten auf: etwa wenn Hodders Klassenkameradin ihrer Brotbox isländische Spezialitäten wie geräuchertes Schafshirn oder rohe Nieren entnimmt oder wenn Hodder der Lehrerin den Namen ihres Lieblingsparfüm („Harem Dreams“) entlockt; berührend auch der liebevolle Umgang zwischen Hodder und seinem Vater. Mit psychologischem Fingerspitzengefühl werden Themen wie Scheidung, Außenseitertum und Einsamkeit integriert, ohne die junge Zielgruppe zu überfordern. In lustigen Szenen geraten die Personen nie an den Rand der Lächerlichkeit, in ernsten Momenten nie an den von Klischees. Das Timing stimmt, die Stimmungen sind auf den Punkt hin inszeniert und werden von einer schnörkellosen Bildgestaltung, einem flüssigen Schnitt und einem sparsam-unaufdringlich eingesetzten Soundtrack kongenial unterstützt. Vor allem aber sind es die präzis geführten kleinen und großen Darsteller, die ihre Rollen so lebensnah wirken lassen, dass selbst die fantastischen Momente nicht als Drehbuchkonstruktion, sondern eher wie kleine Fluchten aus der Realität wahrgenommen werden. Reader Rolf-Ruediger Hamacher (film-dienst Nr. 2/2004) The Mighty – Gemeinsam sind sie stark Gesellschaftliche Außenseiter können sowohl allseits Geächtete sein als auch Superhelden – und manchmal beides gleichzeitig, wie die Helden in „The Mighty“. Schon auf den ersten Blick sind sie Außenseiter, weil sie nicht aussehen wie die anderen. Da ist zunächst der 13jährige Kevin, ein sehr großer, dicklicher Junge, der regelmäßig von den anderen Jungen gehänselt wird. Zwar treten diese möglichst in Gruppen auf, weil Kevin ihnen auch ein wenig unheimlich ist; zur Wehr aber setzt er sich nie, lieber schweigt er. Und da ist Maxwell, sein neuer Mitschüler, der in das Haus gleich neben Kevin zieht und unter einer schlimmen Rückgratverkrümmung leidet. Zuerst beäugt ihn Kevin wie alle anderen, mit mißtrauischem Staunen, aber schnell lernt er, daß Maxwells Stellung als Außenseiter ihn zu einem besonderen Menschen gemacht hat: ein angehender Intellektueller, der aus seiner Auffassungsgabe kein Hehl macht, den Demütigungen mit sarkastisch-treffendem Witz begegnet und zudem über eine Fantasie verfügt, die stärker ist als alles, was die Jungen im Alltag umgibt. Nicht lange, und die beiden finden zueinander und bilden ein Team, das sich Respekt verschafft – genauer gesagt: sie werden im Wortsinn zu Roß und Reiter, der eine auf den Schultern des anderen, in einer Welt aus Rittern, Prinzessinnen und Drachen, in der die Gang von Halbwüchsigen sich nicht recht behaupten kann, ja, vor der das schnöde Dasein der Mitmenschen zu prosaischem Mittelmaß schrumpft. Doch es sind nicht nur die Gleichaltrigen, gegen die sich die beiden zur Wehr setzen müssen. Kevin lebt bei seinen Großeltern (wunderbar grantig: Gena Rowlands und Harry Dean Stanton), seit seine Mutter getötet worden ist und sein Vater deswegen im Gefängnis sitzt. Die zahlreichen Briefe, in denen er seine Unschuld beteuert, werden penibel abgefangen, der Vater als der Teufel persönlich behandelt, dessen Namen nicht einmal ausgesprochen werden darf. Maxwell dagegen ist nur die Mutter geblieben, die sich weniger wie eine Amme denn als eine große Freundin um ihren Sohn kümmert – Sharon Stone erinnert in dieser Rolle ein wenig an Cher als Mutter des entstellten Jungen in „Die Maske“(fd 25 162). Die einfachen, düsteren Vorstadt-Reihenhäuser, die sie bewohnen, machen deutlich, daß zur menschlichen Ausgrenzung auch eine soziale gehört, bei der es um Klassenzugehörigkeit geht. Das Drama beginnt, als sich herausstellt, daß der Vater vorzeitig entlassen 10 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… wird. Obwohl es ihm verboten ist, sich dem Haus der Familie zu nähern, greift er sich sogleich den Jungen und entführt ihn in die Wohnung eines alten Kumpels. So trifft Kevin jenes Alkoholiker-Pärchen wieder, dem er kurz zuvor eine Brieftasche zurückgebracht hat, welche die Jungen-Gang gestohlen hatte: „Akte X“-Star Gillian Anderson und Rocksänger Meat Loaf in tragikomischen Karikaturen einer dem Post-EasyRider-Frust verfallenen Generation. Auch Peter Chelsoms dritter Film handelt davon, jemand anders zu sein, ganz in die Identität derjenigen zu schlüpfen, die man am meisten bewundert. „Hear My Song“ (fd 29 772) handelte von einem falschen Opernsänger, „Funny Bones“ (fd 31 368) von einem Komiker im Schatten eines erfolgreichen Vaters, und „The Mighty“ erzählt von zwei Jungen, denen ihre mittelalterliche Vorstellungswelt zu jenem Selbstvertrauen verhilft, das ihnen ein Überleben erst ermöglicht. Erneut mischt Chelsom auf ebenso ungewöhnliche wie behutsame Weise Elemente der Komödie, des Melodrams und des Kriminalfilms und bringt darin mühelos sowohl poetische als auch gewalttätige, witzige ebenso wie bittere Szenen unter. Natürlich muß eine Geschichte wie diese, die einem Kinderbuch von Rodman Philbrick entstammt, als Plädoyer gewürdigt werden: für einen größtmöglichen Respekt vor sich selbst und vor anderen, für die Fantasie als nutzbringende Lebenshilfe, sowie dafür, ein Außenseiterdasein als Chance zur Identitätsfindung zu begreifen. Aber Peter Chelsom ist Profi und zeitgemäß genug, diesen Aspekt nur als Subtext mitlesen zu lassen innerhalb eines wunderschönen, ebenso komischen wie berührenden Films. Oliver Rahayel (film-dienst Nr. 9/1999) My Name is Joe „Mein Name ist Joe! Ich bin Alkoholiker!“ Joe Kavanagh wird nicht müde, diese Worte zu wiederholen. Er gibt sie nicht zerknirscht von sich, sondern durchaus selbstbewußt, schließlich ist er seit fast einem Jahr „trocken“, und das Bekenntnis zur Krankheit gehört zur Therapie. Joe steht wieder mit beiden Beinen im Leben, zumindest soweit, wie es eine Existenz im Glasgower Arbeiter- und ArbeitslosenVorort Ruchill zuläßt, dessen Bewohner weitgehend von der Sozialhilfe leben. Die einzige Flucht vor dem tristen Alltag stellen Training und Spiele einer hoffnungslos überforderten Fußball-Truppe dar, die sich immerhin den Luxus leistet, in den Trikots der deutschen Weltmeisterschaftsmannschaft von 1974 Reader zu spielen. Joes Leben indes ist im Lot, und als er die Sozialarbeiterin Sarah kennenlernt, die die Familie von Liam – einem seiner Spieler, dessen Frau heroinsüchtig ist – , betreut, ist durchaus Platz für Hoffnung in seinem Leben. Behutsam, respektvoll und zärtlich nähern sich die beiden an und offenbaren sich einander. Sie hat Angst, einmal mehr in einer Partnerschaft enttäuscht zu werden, er öffnet sein Herz, schildert ihr die Stationen des Alkoholismus und gesteht seine größte Sünde und Last: Er hat seine ehemalige Geliebte im Rausch geschlagen. Für beide gibt es einen Hoffnungsschimmer am Horizont, doch dann holt sie ein äußerst schmutziger Alltag ein. Liams Frau Sabine, die dem gemeinsamen Sohn eigentlich eine gute Mutter sein will, steht wegen ihrer Sucht bei einem Lokal-Paten in der Kreide. Ihre vertuschte Gelegenheitsprostitution reicht weder, um die Schulden zu tilgen, noch um den täglichen Heroinbedarf zu decken. Jetzt soll Liam, der kleine, antriebsschwache Mittelstürmer, bluten. Man droht, ihm die Beine zu brechen, und als er angstschlotternd in der Kneipe des Gangsters sitzt, übernimmt Joe die Schuld des Freundes zu einem viel zu hohen Preis. In die Enge getrieben und mit sichtlich sadistischer Lust, den ehemaligen Kumpel und Saufkumpan auf den Knien zu sehen, verpflichtet der Glasgower Arbeiter-Pate Joe für zwei Drogen-Kurierdienste aus dem Norden des Landes; damit soll Liams Schuld beglichen sein. Doch bereits der erste Handel bleibt Sarah nicht verborgen. Sie, die täglich mit den Resultaten solcher Geschäfte konfrontiert wird und gegen sie ankämpft, wendet sich ab. Joe dreht durch, mischt die Gangster-Clique auf und greift zur Flasche. Ein verhängnisvoller Abend, denn nun soll Liam seine Schulden bezahlen. Da von dem hoffnungslos betrunkenen Joe, den er als letzte Rettung einmal mehr aufsucht, keine Hilfe zu erwarten ist, nimmt sich der junge Mann in Joes Wohnung das Leben. Beim Begräbnis ist trügerische Ruhe eingekehrt. Auch Sarah ist vor Ort und nähert sich zaghaft. Ist eine Zukunft möglich? Nach den Großproduktionen „Land and Freedom“ (fd 31 553) und „Carla’s Song“ (fd 32 739), die sich mit dem Scheitern der sozialistischen Internationale auseinandersetzten und sich am Ende dieses Jahrhunderts wie ein Abgesang auf linke politische Utopien ausnahmen, hat sich Ken Loach mit „My Name is Joe“ wieder auf sein ureigenes cineastisches Terrain besonnen: das Los kleiner Leute, die trotz aller Rück- und Nackenschläge nicht aufgegeben haben, dem Schicksal Paroli zu bieten. Dabei versteht Loach Schicksal gewiß nicht als etwas Naturgegebenes, 11 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… sondern als Ausdruck real existierender sozialer Verhältnisse, die nicht nur seit der Regierung Thatcher tief im britischen Wirtschaftssystem verwurzelt sind. Loach kreidet die desolate Situation seiner „working class heroes“ nicht ausschließlich den ökonomischen Verhältnissen an, sondern nimmt sie durchaus in die Eigenverantwortung, läßt die Wechselwirkung von sozialen Lebensumständen und persönlicher Lebensgestaltung aber nie außer acht. Wie schon in „Riff-Raff“ (fd 29 305), „Raining Stones“ (fd 30 689) oder „Ladybird, Ladybird“ (fd 30 831) ist es nicht der „große Wurf“, sondern das kleine Glück der einfachen Leute, das Loach anmahnt. Mit dem Engagement eines Streetworkers listet er die vielen Stolpersteine auf, die diesem Glücksideal im Wege liegen, und beschreibt Systeme, die auf unerbittlichen Rang- und Hackordnungen aufgebaut sind. Entweder man gibt den eigenen Druck nach unten weiter, wird wie in „My Name is Joe“ kriminell und/oder Dealer, oder man hält ihm nicht stand und sucht sein vermeintliches Heil in der Sucht. Nicht daß Loach dies gutheißen würde, aber er signalisiert Verständnis für die Menschen, die sich nicht mehr zu helfen wissen. Reader Inszenatorisch ist Ken Loach ein kleines Meisterwerk gelungen. Was wie eine Komödie der kleinen Leute beginnt – rauh zwar, dem Milieu angepaßt, aber freundlich und in hellen Farben –, wird in Inhalt, Aussage und Farbgestaltung zunehmend düsterer. Dabei gleitet der Film sanft auf die Tragödie zu, die auch durch Thriller-Elemente transportiert wird. Die Welt ist dabei eben nicht in Gut und Böse, in Schwarz und Weiß aufgeteilt, sondern besteht aus vielen Zwischen- und Grautönen, die die Orientierung erschweren. Solche filmische Atmosphäre findet kameratechnisch ihre Entsprechung: Bleibt die Kamera über weite Strecken in der Halbdistanz und wirkt dadurch dokumentarisch, so sucht sie zum Ende hin immer mehr die Großaufnahme, um vom Allgemeinen aufs Einzelne zu lenken und somit das Allgemeine zu verdeutlichen. Virtuos verbindet Loach Zärtliches und Schroffes, Sanftes und Rauhes und macht über den düsteren Tag hinaus Hoffung. Sein Film ist getragen von der Liebe zu den Menschen und von der Idee sozialer Gerechtigkeit, auch wenn der Weg zu ihrer Verwirklichung noch weit ist. Hans Messias (film-dienst Nr. 1/1999) Vor diesem Hintergrund ist Joe schon so etwas wie eine „Lichtgestalt“. Nicht nur, daß er sich an den eigenen Haaren aus seinem Sucht-Sumpf herausgezogen hat; er ist auch Integrationsfigur für die arbeitslosen Heranwachsenden im Viertel; Freundschaft bedeutet ihm so viel, daß er das eigene Glück aufs Spiel setzt. Trotz vieler Rückschläge hat er den Mut und die Kraft zum Träumen nicht verloren, auch wenn er weiß, daß es genau diese Träume sein können, deren Zerplatzen den labilen Ist-Zustand gefährden. Diese Grundkonstellation, verdichtet durch die äußerst sympathische Darstellung von Peter Mullan, ist es, die den Zuschauer zur Parteinahme zwingt. Man ahnt das böse Ende, den neuerlichen Absturz, kann es aber nicht verhindern und empfindet unendliches Mitleid. Doch ganz integer ist auch Joe nicht. Einmal auf die schiefe Bahn gezwungen, ist er durchaus bereit, die kleinen Geldgeschenke seines Auftraggebers anzunehmen, und als er ganz am Ende ist – an jenem Punkt, ein Jahr, bevor der Film beginnt – , fällt alles Liebenswerte von ihm ab. Angesichts des eigenen Elends und Scheiterns hat er kein Herz mehr für das Scheitern und Elend anderer und spricht Liam und seiner Familie, auch dem geliebten kleinen Sohn, die Existenzberechtigung ab. Mehr noch als Joes Rückfall ist es diese abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit, die den Blick vom persönlichen Schicksal auf die gesellschaftlichen Umstände zurücklenkt. Warum Mitleid haben in einer Welt ohne Mitleid? Shrek – Der tollkühne Held Co-Produzent John H. Williams nennt sein Werk ikonoklastisch, was sicher ein wenig hoch gegriffen ist. Aber noch nie wurde so respektlos mit dem abendländischen Erbe der Märchen umgegangen wie im neuesten Produkt aus dem Hause DreamWorks. Dabei ist „Shrek“, entstanden nach einem Kinderbuch von William Steig, selbst ein Märchen: eine Art MetaMärchen, das sich all die anderen Geschichten von Feen und sprechenden Tieren zunutze und sie auch ein wenig lächerlich macht. Schamlos könnte man das nennen, doch vorrangiges Ziel der Produzenten schien es zu sein, das fast monopolistische Zugriffsrecht des Disney-Konzerns auf die Märchen ins Visier zu nehmen. DreamWorks hatte Disney bereits mit „Antz“ (fd 33 404) auf dessen ureigenem Gebiet der Animation den Kampf angesagt. Wie „Shrek“ nun mit der süßen, heilen Welt der Micky-Maus-Erben umgeht, gehört zu den unterhaltsamsten Momenten in dem ohnehin höchst vergnüglichen Film. „Home, Sweet Home“ heißt für den Oger mit Namen Shrek, morgens erst einmal eine Dusche mit Schlamm zu nehmen und sich die Zähne mit ausgepressten Raupen zu putzen. Ein Oger ist ein dicklicher, grüner, bärenstarker, grimmiger Einzelgänger mit seltsamen trichterförmigen Ohren auf dem kahlen Schädel, und 12 Reader Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… nichts ist ihm wichtiger als seine häusliche Ruhe im tiefen Moor. Damit ist es vorbei, als der eitle Fürst Farquaad alle Märchenfiguren, die in seinem Reich leben, einfangen und im Moor zusammen treiben lässt. Farquaad, ein recht klein geratener Gernegroß, will das Märchen-Monopol an sich reißen und damit die Rechte an allem Spielzeug, das sich damit verkaufen lässt – das Schloss voller Puppen sieht aus wie das Merchandising eines großen, auf Familienfilme spezialisierten US-Filmstudios. Doch all die drei Schweinchen, sieben Zwerge und Artverwandte können aus dem Auffanglager fliehen und landen in Shreks Haus und Garten, was diesen wenig erfreut. Der Fürst hat sich derweil aus drei ledigen Märchenmädchen Prinzessin Fiona als Braut ausgesucht und beauftragt nun, feige wie er ist, Shrek damit, den Drachen, der sie bewacht, zu erlegen und das Mädchen herzubringen. Im Gegenzug will der Fürst für Ruhe im Oger-Heim sorgen. Zuvor hat sich der (sehr viel) sprechende Esel Donkey an Shreks Fersen geheftet, und zusammen machen sich beide auf, das Abenteuer zu bestehen, in dessen Verlauf sich Shrek in Fiona und der (weibliche) Drache in Donkey verliebt. die Fiona nun zum Frühstück verarbeitet. Zu einer zeitgenössischen Parodie gehört auch ein wenig verwurstete Filmgeschichte: Mal steht Shrek wie einst Bruce Willis allein dem Feind im verwunschenen Schloss gegenüber, mal hat er es wie Indiana Jones mit unglaublichen Gefahren zu tun. Andrew Adamson, der aus dem Bereich visuelle Effekte kommt, und Vicky Jenson, eine Trickfilmzeichnerin, geben hier ihr Regiedebüt, das sich mühelos zwischen Tempo und Gefühl, Massenszenen und beschaulichen Momenten bewegt. Auch wenn man sich den einen oder anderen Fäkalscherz hätte sparen können: „Shrek“ ist Familienunterhaltung auf der Höhe der Zeit, spannend und romantisch, ironisch und frech. Dass Shrek von Mike Myers und Fiona von Cameron Diaz gesprochen werden, ist im Original weniger bemerkenswert als Eddie Murphys Stimme für den Esel, der auch im Charakter deutlich an Murphys Alter Ego, den vorlauten Schnellsprecher, angelehnt ist. In der deutschen Version kommen u.a. Sascha Hehn, Esther Schweins und Rufus Beck zu Wort. Der rein digital erzeugte Trickfilm zeigt sich auf der Höhe des technisch Machbaren, auch wenn dies bekanntlich nur ein kurzlebiger Gipfel ist: die Körperoberflächen etwa sind achtmal feiner strukturiert als noch bei „Antz“; besonders angesichts der Tatsache, dass hier erstmals Menschen (neben menschenartige Wesen) zu Hauptfiguren eines computeranimierten Trickfilms werden, sind Plastizität und mimische Ausdrucksfähigkeit der Figuren bestechend, was sich umgekehrt wohl auch auf ihre differenzierte charakterliche Zeichnung ausgewirkt hat. Anders als im herkömmlichen Märchen, das zwangsläufig aus Stereotypen besteht, läuft vieles nicht nach Wunsch. Fiona zum Beispiel ist fest davon überzeugt, dass ihr Retter Shrek auch ihr Prinz sein muss und nicht nur der Handlanger eines feigen Fürsten. Die Muster einer idealisierten Welt, wie sie Disney stets beschwört, stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein – dies ist eine der charmant vermittelten Botschaften des Films. Selbst Kinder, die an Adventure-Spielen geschult sind, werden vom Tempo des Films nicht enttäuscht, aber sie werden zugleich Augen machen, weil ihre schematische Playstation-Welt plötzlich ins Wanken gerät. Bewusst nimmt der Film die notorische Niedlichkeit von Disneys Kinderfilmen aufs Korn. Als etwa Fiona mit einem Vogel um die Wette zirpt, gelingen ihr derart hohe Töne, dass der Vogel zerplatzt. Damit nicht genug: Das arme Tier hatte zuvor Eier gelegt, Spider Man Oliver Rahayel (film-dienst Nr. 14/2001) Sam Raimi gelang seine beste Comic-Adaption bereits 1989. Auch wenn es zu seinem Horror-Thriller „Darkman“ (fd 28 633) keine gezeichnete Vorlage gab, stellte die expressive Form des Films das perfekte Äquivalent zu einem Comic-Strip dar. Insofern war Raimi die Idealbesetzung für den Regiestuhl bei dem ambitionierten „Spider-Man“-Projekt. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmemachern der Gegenwart, die optischen Overkill als blossen Selbstzweck betreiben, hat Raimi seinen Stilwillen stets in den Dienst der Geschichte gestellt. In Filmen wie „Aus Liebe zum Spiel“ (fd 34 248) und „Ein einfacher Plan“ (fd 33 550) hat er der Lust an der extravaganten Form sogar in solchem Masse entsagt, dass die effektive, aber unspektakuläre Inszenierung nicht auf Anhieb als sein Werk zu erkennen war. Wer nun erwartet hat, dass er „Spider-Man“ zum Anlass nehmen würde, erneut einen bunten Bilderrausch zu entfesseln, sieht sich enttäuscht. Denn der Akzent der Films liegt weniger auf den Schauwerten als auf dem Kern der Geschichte: dem Erwachsenwerden eines jungen Helden. Peter Parker lebt seit dem Tod seiner Eltern bei seinem Onkel und seiner Tante, die ihn liebevoll aufgezogen haben. Dennoch fristet er ein freudloses Dasein als wissbegieriger Aussenseiter an einer New Yorker High School. Den einzigen Lichtblick in seinem grauen Alltag stellt die hübsche Mary Jane dar, die zwar im 13 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Nachbarhaus wohnt, aber für einen unscheinbaren Jungen wie Peter unerreichbar scheint. Bis er eines Tages bei einem Schulausflug in ein NaturkundeMuseum von einer genetisch veränderten Spinne gebissen wird. Über Nacht gehen deren Eigenschaften auf Peter über, der seine neu gewonnenen Fähigkeiten zunächst zur eigenen Belustigung und Bereicherung nutzt: Er erklimmt senkrechte Fassaden und schwingt sich an extrem belastungsfähigen Webfäden durch die Strassenschluchten der Stadt. Er nimmt sogar an einem Wrestling-Match teil, um mit dem Preisgeld ein Auto zu kaufen, das er als das sicherste Mittel ansieht, Mary Janes Herz zu erobern. Doch mit dem Tod seines Onkels kommt die Einsicht, dass dessen Mahnung „Grosse Macht bringt grosse Verantwortung mit sich!“ prophetischen Charakter hatte. Peter akzeptiert seine Rolle als Spider-Man und nimmt den Kampf gegen das Böse in Gestalt des grünen Kobolds auf. „Spider-Man“ ist der erste Film in der Geschichte des Kinos, der an einem einzigen Wochenende in den USA über 100 Mio. Dollar einspielte. Dieses sensationelle Ergebnis ist auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen: Der spektakuläre Trailer, die breite Distribution mit über 7.000 Kopien und die 50 Mio. Dollar teure Marketing-Kampagne haben ihren Teil dazu beigetragen. Doch darüber hinaus hat „SpiderMan“ dem US-Publikum gegeben, wonach es offenbar verlangte: die Reanimation eines amerikanischen Prototypen. Spider-Man ist kein Superheld, der sich seiner Überlegenheit sicher sein kann. Er stammt nicht wie Superman von einem anderen Planeten, ist auch kein aristokratischer Edelmann wie Batman, der in der Fantasiestadt Gotham City den Kampf gegen das Böse als Freizeitsport betreibt. Peter Parker ist im Wesentlichen ein Alltagsmensch, der abrupt seinem Alltag entrissen und im Hier und Jetzt vor Aufgaben ungeahnten Ausmasses gestellt wird. Dennoch bleibt er im Kern der jugendliche Underdog, der seinen Platz in der Welt erst erkämpfen muss und mitunter auch Fehler macht, aus denen er allerdings zu lernen bereit ist. Dass er dabei stets den Glauben an die Formbarkeit des eigenen Schicksals bewahrt, macht ihn zum essenziell amerikanischen Helden in der Tradition von Jay Gatsby und Rocky Balboa. Diese Affirmation des eigenen Nationalcharakters kam in den USA genau zum richtigen Zeitpunkt: Nach der Tragödie von New York wollte Amerika daran erinnert werden, dass die Quintessenz der eigenen Geschichte nicht die Arroganz der Supermacht ist, sondern das bedingungslose Vertrauen in die Macht des Individuums. Leider geht die Idee Spider-Man ein wenig in der konkreten Realität des Films verloren. Der dramatische Zusammenhang der eigentlichen Geschichte muss Reader immer wieder hinter Konzessionen an die Erwartungen der Comic-Leser zurückstehen: Die Seitenstränge um die Schizophrenie des grünen Kobolds und Parkers Nebenjob als Zeitungsfotograf reduzieren sich auf blosse Plot-Gimmicks, die vom Kern der Story ablenken. Dies gilt auch für die beiden grossen Actionsequenzen des Films, die zwar in einem derart teuren Sommer-Blockbuster nicht fehlen dürfen, aber deutlich den Erzählfluss beeinträchtigen. Die Hoffnungen ruhen daher auf „Spider-Man 2“, der bereits für Sommer 2004 angekündigt ist. Vielleicht erhält Raimi dann die Chance, seine Vision des amerikanischsten aller Comic-Helden konsequenter umzusetzen. René Classen (film-dienst Nr. 12/2002) Spider-Man 2 Als „Spider-Man“ (fd 35 439) in die Kinos kam, befanden sich die USA im Zustand des Schocks. Die Wunden, die der 11. September 2001 im amerikanischen Selbstverständnis hinterlassen hatte, waren noch frisch. Der Optimismus von Sam Raimis Comic- Adaption, sein bedingungsloser Glaube an die Grundwerte der Nation, waren in dieser Situation hoch willkommen. Die Geschichte des Durchschnittsmenschen Peter Parker, der durch den Biss einer Spinne paranormale Fähigkeiten entwickelt, die er zum Wohle der Allgemeinheit benützt, setzte die Überzeugungen eines Benjamin Franklin ins Recht: dass es jeder Mensch weit bringen kann, wenn er nur hart arbeitet und nie den Glauben an sich selbst verliert. Genau das passiert Peter Parker jedoch in der Fortsetzung. Er hadert mit seinem Schicksal und zweifelt, ob er weiterhin als Spider-Man die Welt retten will. Auf diese Weise spiegelt auch „Spider-Man 2“ die aktuelle Befindlichkeit in den USA. Der Krieg gegen den Terror hat seine moralische Rechtfertigung verloren, und die Lage im Irak droht zum zweiten Vietnam zu eskalieren, weshalb sich die Amerikaner derzeit ebenfalls die Frage stellen, ob sie der ethischen Verpflichtung, die sowohl ihr kulturelles Erbe als auch ihre militärische Macht mit sich bringen, weiterhin gerecht werden wollen. Peter Parker empfindet seine Heldenrolle zunehmend als Last, die ihn daran hindert, sein eigentliches Leben zu führen. Seine permanenten Rettungstaten lassen ihm kaum Zeit für sein Physik-Studium. Selbst seinen Nebenjob als Pizza-Bote verliert er, da er regelmäßig zu spät ausliefert. Erst recht unerträglich ist es für Peter, dass er seiner Jugendliebe Mary Jane nicht seine Gefühle offenbaren kann; zu groß ist 14 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… seine Angst, dass sie an seiner Seite ins Visier seiner Feinde geraten könnte. Mary Jane hat unterdessen aufgehört, auf ihn zu warten, und sich einem anderen Mann zugewandt. Im Grunde hat Peter damit schon ausreichend Probleme; da es sich bei „Spider-Man 2“ aber um ein Produkt für den US-Kino-Sommer handelt, bedarf es obendrein eines Erz-Schurken, der Anlass für diverse Actionszenen liefert: Doktor Octavius ist zu Beginn ein liebenswürdiger Wissenschaftler, der an einer neuartigen Methode der Energieerzeugung durch Kernfusion arbeitet. Doch der erste Probelauf mit der neuen Technologie gerät außer Kontrolle und Octavius unter den Einfluss der mechanischen Arme, die er sich zur Durchführung des Experiments umgeschnallt hatte, und deren künstliche Intelligenz nun Kontrolle über sein Bewusstsein erlangen. Das entscheidende Duell ficht nicht Peter Parker gegen „Doc Ock“ aus, sondern das erwachsene Drama im Kern des Films gegen die unvermeidlichen Gimmicks einer Comic-Adaption. Hatte im ersten Film der Comic noch knapp gesiegt, gelingt Raimi in „Spider-Man 2“ das Kunststück, die seelischen Konflikte seines Helden konsequent in den Vordergrund zu stellen. Statt sich dem Diktat des digitalen Einheitskinos zu ergeben, verschreibt er sich noch radikaler der klassischen Kunst des Erzählens. Der Film hat kaum weniger CGI-Effekte als „Van Helsing“ (fd 36 487) oder „The Day After Tomorrow“ (fd 36 507), doch stehen die Artefakte aus dem Computer nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern im Dienst der Story – und die dreht sich weniger um den Kampf des Helden gegen das Böse als um Spider-Mans Kampf für sein wahres Ich, denn Peter Parker hat seinen Platz in der Welt noch längst nicht gefunden. In einer der Schlüsselszenen steht er vor seinem offenen Kleiderschrank und sieht sein Heldenkostüm neben seinem einzigen Jackett hängen. Spider-Man und Peter Parker sind für ihn separate Identitäten, die er zusammen mit der Garderobe wechselt; beide zu integrieren, erscheint ihm unmöglich. Doch seine geheime Existenz ist zermürbend, da sie ihm unermüdlichen Einsatz abverlangt, aber kaum Anerkennung einbringt. Umso verlockender erscheint es ihm, sich als Peter Parker in den Alltag zurückzuziehen und endlich wieder Zeit zu haben, – für sein Studium, seine Tante May und vor allem für Mary Jane, die seinen permanenten Zeitmangel als Zurückweisung interpretiert. Peters Zweifel an seiner Berufung werden schließlich so groß, dass er seine Fähigkeiten einbüßt und sein Kostüm in die Mülltonne wirft. Erst als er bei einem Versuch, Menschenleben zu retten, mangels seiner Spinnenkräfte teilweise versagt, sieht er ein, dass Spider-Man ein Teil von ihm ist, den er weder leugnen kann noch darf. So ist Reader es nur konsequent, dass während des Showdowns mit „Doc Ock“ sein Kostüm zunehmend in Fetzen geht, bis die Maske komplett fällt. Sam Raimi macht keinen Hehl aus den tragischen Elementen, die „Spider-Man 2“ durchziehen, vermeidet aber Pathos und Verzagtheit, um die letzte Versuchung Peter Parkers mit Humor und Leichtigkeit zu inszenieren. Das Seelendrama des Superhelden dient ihm nicht als Selbstzweck, sondern als Anlass, den ur-amerikanischen Glauben an das Individuum, seine Stärke und Integrität, zu zelebrieren. Vor diesem Hintergrund sind sowohl das mehrfach verwendete Motiv der Sonnen durchfluteten Straßenschluchten Manhattans als auch die omnipräsenten US-Flaggen in Tante Mays kleiner Siedlung nicht als blinder Patriotismus zu verstehen. Sie sind vielmehr Embleme eines nationalen Mythos, der für Raimi seine moralischen Implikationen noch nicht verloren hat. René Classen (film-dienst Nr. 14/2004) Tiger und Dragon Längst gehört das chinesische Kung-Fu-Kino zu einer vergangenen Epoche. Als sich zu Beginn der 80er-Jahre in Hongkong die Tore des riesigen Studiogeländes der mächtigen Shaw Bros. schlossen, um alsbald kleinen, unabhängigen Produzenten das Feld zu überlassen, da wiederholte sich, was in Hollywood zwei Jahrzehnte zuvor geschehen war: Mit dem Ende des Studiosystems ging eine grundlegende Wandlung einher, die einer unverhofften künstlerischen Erneuerung gleichkam. Nichts war mehr wie vorher, und die klassischen Genres überlebten nur in Zitatform. Doch so, wie der Spätwestern seine klassischen Vorläufer noch einmal in pathetische Höhen trieb, bemächtigten sich Martial-Arts-Zauberer wie King Hu und Tsui Hark ihres Lieblingsgenres und transformierten es zu nie gekannter Größe. „Ein Hauch von Zen“ (fd 23 417) machte auch im Westen jedem klar, mit welcher Kunstform man es beim vermeintlichen Kampfsportkino zu tun hatte. Jetzt ist auch dieser Genreableger wieder Geschichte, und mit dem Abstand einer weiteren halben Generation erfährt nun auch das Kino King Hus sein Revival aus zweiter Hand. Ang Lee (geb. 1954) nähert sich in „Tiger and Dragon“ den Helden seiner Kindheit wie sich Sergio Leone einst dem Western näherte: mit einer Liebeserklärung, die das Objekt der Verehrung verschlingt und, gänzlich verwandelt, wieder zum Vorschein bringt. Obwohl Lee seine ersten Filme in Taiwan drehte, lernte er 15 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… sein Handwerk in den USA. Hollywood hat längst das Faszinosum des Hongkonger Actionkinos für seine Zwecke adaptiert; nicht von ungefähr ist mit Martial-Arts-Regisseur Yuen Wo-ping, einer der Hauptverantwortlichen des Kultfilms „Matrix“ (fd 33 720), mit von der Partie, während das Drehbuch durch die Hände des Hollywood-Routiniers James Shamus ging. Das Ergebnis unterzieht seine Referenzen einer so gründlichen Schönheitskur, dass es am Ende kaum mehr mit ihnen gemein hat als Disneys „Mulan“ (fd 33 412) mit chinesischem Kino. Aber wer wollte das ernstlich bedauern? Lees Film erinnert daran, was eine chinesische Kochlehrerin einmal sagte: dass man in China eben nie so gut essen könne wie in einem deutschen China-Restaurant. Hier gäbe es nun einmal die besseren Zutaten. Wer nie der Handlung chinesischer Actiondramen folgen konnte, braucht sich keine Sorgen mehr zu machen: Das Drehbuch folgt der klaren Struktur des Hollywood-Kinos. Mui Bai, ein in die Jahre gekommener Wutan-Krieger, hat sein Schwert in die Obhut seiner unausgesprochenen Liebe Shu Lien gegeben, selbst eine versierte Kämpferin. Streng bewacht, wird es dennoch gestohlen: Mit der Diebin Jen liefert sich Mui Bai ein grandioses Duell in den zarten Baumkronen eines Bambuswaldes. Die ungestüme junge Kriegerin ist die Schülerin einer Erzfeindin Mui Bais, doch mehr als alles andere steht sie für einen von allen Traditionen befreiten modernen Lebensstil. Ihre Unabhängigkeit ist auch Shu Lien ein Dorn im Auge, dennoch auch eine Mahnung an die Freiheit, die sie sich selbst stets versagt hat. Noch dazu lässt Jen ihre Hochzeit platzen und flüchtet zu ihrem Geliebten in die Wüste. Aber kann sich eine hoch begabte Kämpferin aller Verantwortung entziehen? Man muss schon ein hart gesottener Purist des alten Hongkong-Kinos sein, um sich der Leichtigkeit, ja Zärtlichkeit dieser Annäherung zu verschließen. Der leise Kampf in den Baumwipfeln gehört schon jetzt zu den klassischen Augenblicken des Genres: Nicht anders als Gene Kelleys Tanz durch die Pfützen, Fred Astaires Aneignung der Zimmerdecke oder Mary Poppins’ Dachfirst-Eroberung träumt auch Ang Lee den schönsten aller Kinoträume - keine andere Kunst kann de Betrachter derart entfesseln und an die Freiheit des Traumtänzers glauben lassen. Ang Lee ist an die asiatischen Wurzeln zurückgekehrt und beliefert die Filmkultur in den so genannten entwickelten Ländern mit „Frischem, Neuem und Aufregendem. In China haben wir zum ersten Mal die Möglichkeit, Kunstfilme zu machen, und im Westen herrscht diese Neugier. Ich hoffe nur, dass dies keine flüchtige Mode ist“. Selbst wenn es nur eine Mode wäre, so hätte sie nun ihren Reader zeitlosen Klassiker hervorgebracht! Daniel Kothenschulte (film-dienst Nr. 1/2001) Die Unglaublichen Für einen Winter ohne 007 sind „The Incredibles“ mehr als ein Trostpflästerchen. Damit ist schon fast alles über die Qualität aber auch über die Problematik des jüngsten Pixar-Streichs gesagt. Die Qualität fusst in erster Linie auf der Story – wie immer wenn John Lasseter am Werk ist. Die Ausgangslage ist diesmal schlicht hinreissend: Da werden alle Superhelden aus dem Verkehr gezogen, weil sich die Menschen, denen sie immerhin das Leben gerettet haben, über die Wehwehchen beklagen, die sie in Folge lebensrettender Sofortmassnahmen erleiden. Und wer leidet, der befiehlt bekanntlich Schmerzensgeld, also werden für Schürfungen, Schleudertraumas und missratene Suizidversuche Klagen gegen die Superhelden erhoben. Schliesslich wird es schlicht zu teuer, Menschen zu retten. Superhelden werden zum nicht mehr versicherbaren Risiko und müssen deshalb von der Bildfläche verschwinden. Bob Parr wird von diesem Bann besonders hart getroffen: Einst Mr. Incredible implodiert er nun in ein Grossraumbüro gequetscht vor sich hin. Seine Frau Helen darf nicht mehr Elastigirl sein und auch die superbegabte Jungmannschaft wird zurechtgestutzt: Keine Schutzfelder von Tochter Violet, keine rasenden Aktionen von Dashiell und ob Baby tatsächlich so ganz freiwillig nichts kann? Aus Superhelden sind Normalos geworden und folglich geht Bob mit seinem alten Kumpel Lucius Best, Frozone a. D., einmal in der Woche zum Bowling. Behaupten sie wenigstens – und sitzen dann im Auto in dunklen Gassen wehmütig den Polizeirundfunk abhörend. Dann und wann können sie nicht mehr an sich halten, ziehen den Wollstrumpf über den Kopf und greifen als Verbrecher für die gute Sache ein wenig ein. Bis sich eines Tages das FBI bei Bob meldet und ihn als Topagent in geheimer Mission anheuert, so geheim, dass nicht einmal Elastigirl eingeweiht wird. Zu spät erst merkt Bob, dass ihm und allen anderen Superhelden einmal mehr übel mitgespielt wird, ja dass nun die endgültige Vernichtung droht. Ein Glück, wer in solchen Momenten auf eine vielseitig begabte Familie zählen kann. „The Incredibles“ ist ein unglaublich rasanter Zeichentrickspass geworden, eine der amüsantesten Bond-Parodien, die es je gab. So überbordend von 16 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Ideen, dass er auch etwas zu lang geraten ist. Nur, darüber mag man sich nicht beklagen. Problematischer ist ausgerechnet jene Entwicklung, die Pixar nach wie vor anführt: Die technische Vervollkommnung des digitalen Animationsfilms. Während sich „Spiderman 2“ durch seine digitalen Spezialeffekte faktisch als Animationsfilm entpuppt, wird man bei „The Incredibles“ unsicher, ob das noch Zeichentrick ist. Während „Spiderman 2“ sich ungeniert im Feld der Animation austobt und all jene unmöglichen Bewegung in Raum und Zeit ermöglicht, die bis anhin eine Domäne des Zeichentricks waren, so tut „The Incredibles“ genau das Umgekehrte. Während sich im herkömmlichen Zeichentrickfilm die Action im Tableau abspielt und der Bildausschnitt relativ starr bleibt, wird hier gleichsam eine „Kamera“ animiert und auf atemberaubende Raumerkundungen geschickt. Zwar werden Set und Figuren nach wie vor stilisiert, aber an den klassischen Zeichentrickfilm erinnert eigentlich nur noch der Vorfilm. Wer immer schon behauptet hat, im Grunde sei James Bond ein Comic-Held, der fühlt sich durch „The Incredibles“ bestätigt – und damit wird auch deutlich, dass „The Incredibles“ mit seiner Rasanz und Parodierlust nur bedingt ein Kinderfilm ist. Nicht dass er Kindern keinen Spass bereiten oder gar schaden wird – aber ein wahrer Genuss dürfte er, wie schon „Shrek 2“, vor allem für Erwachsene sein. Bei allem Vergnügen wird man allerdings dennoch von Nostalgie und Wehmut gestreift, weil man sich vorzustellen beginnt, wie die technische Entwicklung Action- und Animationsfilm zusammenführen und damit gleich zwei Genres zum Verschwinden bringen könnte. Thomas Binotto (filmbulletin 8.04) Wer den Unterschied zwischen der europäischen und der amerikanischen Moderne verstehen will, braucht nur die Adaptionen des Nietzscheanischen Übermenschen zu vergleichen. Während in der alten Welt realitätsstiftende Ideologien der Unterwerfung daraus wurden, schlüpfte der amerikanische Übermensch ins Kostüm eines fiktiven Superhelden: der Comicfigur Superman. Aus seiner Rippe entsprang ein Geschlecht, das als Apotheose des freundlichen Schutzmanns von nebenan gar nicht anders kann als Gutes tun. Danach dauerte es bald fünfzig Jahre, bis der Gedanke, dass all die „Captain Americas“ nicht nur des Menschen Helfer sind, sondern auch seine schlimmste Kränkung, ins Bewusstsein der Comicwelt einging: „Der Mensch ist etwas, das überwunden werden soll“, sprach Nietzsches Zarathustra, „was habt ihr getan, um ihn zu überwinden?“ Zu Beginn von „Die Unglaublichen“ geschieht etwas Reader wirklich ungeheuerliches: Die Menschen von New York werden ihrer Retter überdrüssig und zwingen sie ins Exil einer normalen Existenz. Ähnliches passiert auch in den beiden „X-Men“-Filmen (fd 34 428; fd 35 940), in denen die Superkräfte ein gesellschaftliches Stigma sind. Doch „Die Unglaublichen“ ist ein Animationsfilm aus dem Hause Pixar und für ein kindliches Publikum gemacht. Tatsächlich ist das von Brad Bird inszenierte Epos ein Kompendium der jüngsten Welle von ComicVerfilmungen, in dem die Ecken und Kanten der Superheldensagas sorgsam abgeschliffen wurden und doch genug Material für eine reflexive Innenschau geblieben ist. Eine derart ins eigene Genre verguckte Kinderfabel hat man seit langer Zeit nicht mehr gesehen. Was geschieht nun mit einem Superhelden im unfreiwilligen Ruhestand? Er wird entweder fett und depressiv wie Bob Parr aka Mr. Incredible oder geht wie Mrs. Incredible ganz in ihrer neuen Rolle als Hausfrau und Mutter auf. Während Helen Parr ihr früheres Leben als beliebig dehnbares Elasti-Girl bei der Bändigung einer gleichfalls mit Supertalenten gesegneten Kinderschar immer noch von Nutzen ist, sind die kolossalen Kräfte des Hausherrn in einem grauen Bürowürfel offenkundig verschwendet. Als einzige Freude sind Bob die Treffen mit dem alten Kampfgefährten Frozone geblieben, bei denen die außer Gefecht gesetzten Streiter für Gerechtigkeit schwermütig den Polizeifunk abhören, um dann heimlich, still und leise ein oder zwei Menschenleben vor einem traurigen Schicksal zu bewahren. Eine mysteriöse Botschaft lässt Mr. Incredible dann jedoch aus der Asche seines bürgerlichen Lebens steigen: Er wird zu einem Spezialauftrag in die karibische See gerufen, besiegt einen außer Kontrolle geratenen Kampfroboter – und ist damit schon in die Falle getappt. Sein anonymer Auftraggeber plant nämlich die Ermordung sämtlicher Superhelden, um die Menschheit anschließend selbst vor seinen eigenen Kreationen retten zu können. Mit „Die Unglaublichen“ hat Pixar zum ersten Mal eine Produktion herausgebracht, die nicht von Anfang an im eigenen Haus entwickelt wurde. Drehbuch und Regie stammen von Brad Bird, der sich seine Meriten bei der „Simpsons“-Serie erworben hat und für Warner Bros. den wundervollen Zeichentrickfilm „Der Gigant aus dem All“ (fd 34 011) insze-nierte. Offenbar war Bird schon lange mit seiner Idee schwanger gegangen, bevor er in Pixar den passenden Partner fand: Regisseur und Studio stehen für eine Form der Unterhaltung, die das kindliche Klientel bedient, ohne das erwachsene Publikum zu verprellen – und umgekehrt. Auch „Die Unglaublichen“ vereint über weite Strecken das beste aus den Kunstwelten 17 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… von Real- und Animationsfilm. Handlung und SetDesign brauchen den Vergleich mit dem avancierten Actionkino nicht zu scheuen und haben an Rasanz und Einfallsreichtum die Nase vorn. So sticht die unterirdische Schurkenwelt die eines jeden Bond-Films aus, und was die Langbeinigkeit weiblicher Figuren betrifft, haben die Animateure uneinholbare Maßstäbe gesetzt. Enttäuscht wird hingegen, wer sich nach der Exposition eine eingehende Erkundung des Superheldenphänomens erwartet hatte. Obwohl in „Die Unglaublichen“ beständig auf die Andersartigkeit der Parrs verwiesen wird, will Brad Bird partout kein Interesse an den Beweggründen der undankbaren New Yorker zeigen. Stattdessen menschelt es bei Supermanns gehörig: Die Welt können sie nur gemeinsam retten, und so obsiegt, nachdem auch die Nachkommen ihr Scherflein zum Gelingen beigetragen haben, vor allem der Familiensinn. Das ist nicht wenig, doch wäre die Botschaft überzeugender gewesen, wenn die gewöhnliche Menschheit mehr als nur staunendes Publikum gewesen wäre – und die Welt mehr als ein zerfurchtes Spielfeld für Superhelden und Superschurken. Michael Kohler (film-dienst Nr. 25/2004) Wolken ziehen vorüber Wer sagts denn, er kann es doch noch. Nach zwei eher belanglosen Filmen um die Klamauktruppe Leningrad Cowboys hat Aki Kaurismäki nach 1992 („Das Leben der Boheme“, fd 29 437) endlich wieder einen „richtigen“ Spielfilm realisiert. Und schon nach den ersten Bildern weiß man wieder, was seine früheren Filme so brillant und liebenswert machte. Die Geschichte von „Wolken ziehen vorüber“ - der Titel stammt aus einem Schlager, der im Film von einer Männer-Combo dargeboten wird - ließe sich in einem Satz erzählen: Zwei Menschen verlieren ihre Jobs und versuchen, gemeinsam ihr Schicksal zu meistern. Etwas ausführlicher: Ilona arbeitet als Oberkellnerin im Restaurant „Dubrovnik“, das schon bessere Tage gesehen hat. Als die Besitzerin das Lokal schließlich verkaufen muß, wird Ilona entlassen. Ihr Mann Lauri ist seit kurzem ebenfalls ohne Arbeit. Der Straßenbahnfahrer wurde ein Opfer der Rationalisierung bei den städtischen Verkehrsbetrieben. Und so bringen Ilona und Lauri ihre Tage mit Arbeitssuche zu: frustrierende Bittgänge, von denen sie abends erschöpft in ihre karge Wohnung zurückkommen. Langsam, aber sicher geht ihnen das Geld aus. Zumal da auch noch die Ratenzahlungen Reader fürs Mobiliar und den neuen Fernseher sind. Daß Lauri obendrein zu stolz ist, Arbeitslosenunterstützung zu beantragen, macht die Sache nicht besser. Dann trifft Ilona eines Tages einen früheren Arbeitskollegen, der ihr vorschlägt, doch selbst ein Restaurant zu eröffnen. Ja, warum eigentlich nicht? Wäre nur noch das kleine Problem, daß so .etwas ohne Eigenkaptial so eine Sache ist. Viele Qualitäten, ;die Kaurismäki hier demonstriert, kennt man aus seinen früheren Filmen: den Minimalismus, die knappen, lakonischen Dialoge - |diesmal dürften sie im Drehbuch auf drei DIN-A4-Seiten gepaßt haben -, sein untrügliches Gespür für Situationskomik der leisen Art und natürlich diese wunderbaren Schauspieler. Kari Väänänen war wie auch Kati Outinen schon in einer ganzen Reihe von Filmen Kaurismäkis mit von der Partie. Kati Outinen lieferte vor allem als „Das Mädchen aus der Streichholzfabrik“ (fd 28 531) eine schauspielerische Glanzleistung. Über diese Qualitäten hinaus ist es jedoch frappierend, mit welcher Souveränität und Leichtigkeit Kaurismäki inzwischen seine formalen Mittel handhabt. Wo er früher einen inszenatorischen Gag noch mehrfach strapazierte, reicht ihm inzwischen der einmalige Einsatz. Als beispielsweise der cholerische Koch des „Dubrovnik“ wieder einmal wild mit dem Messer fuchtelnd seine Mitarbeiter bedroht, verschwindet er, gefolgt von einem Kellner, rechts aus dem Bild. Man hört Kampfgeräusche aus dem Off, und schließlich kommt der Kellner mit blutender Hand wieder ins Bild zurück. Eine andere Szene: Während so ziemlich alle Figuren in banger Erwartung der Eröffnung von Ilonas neuem Restaurant entgegenfiebern, tauchen zwei Klempner auf, die nur schweigend tun, was Klempner nun einmal tun, aber aussehen wie Pat und Patachon. Mit solchen Mitteln gelingt Kaurismäki ein bewundernswerter Balanceakt zwischen herzzerreißendem Drama und Komödie, ohne das eine durch das andere zu nivellieren. Da gibt es Szenen, die zum Traurigsten seit Charlie Chaplins „Goldrausch“ gehören. Viel zu lachen hatten die Figuren in Kaurismäkis Filmen ja noch nie, aber wenn hier der Hund von Ilona und Lauri schon nicht besonders glücklich dreinschaut, ist er doch gegen Herrchen und Frauchen geradezu ein Ausbund an Lebensfreude. In einer anderen Sequenz begibt sich Ilona auf ein JobInserat hin zu der angegebenen Adresse. Doch sie ist zu früh, das Büro noch geschlossen. So setzt sie sich auf die Treppe und schläft ein. Als sie erwacht, sieht sie ihre Mitbewerber über sie hinwegsteigen. Der Job 18 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… ist natürlich längst weg. Wie Kaurismäki und sein Kameramann Timo Salminen es fertigbringen, trotz extremer Stilisierung - jede Einstellung ist in ihrer detailbesessenen Ausstattung und ihren häßlichschönen Pastellfarben ein kleines Kunstwerk für sich - eine Atmosphäre der Wärme und des Mitleidens herzustellen und dabei nicht einmal auch nur in die Nähe billiger Sentimentalität zu geraten, ist wahrlich meisterlich. So sitzt man gegen Ende des Films im Kino und hofft inständig, daß am Tag der RestaurantEröffnung, als die Angestellten mit traurigen Mienen im leeren Lokal sehnsüchtig auf die Eingangstür blicken, doch endlich ein hungriger Gast (oder besser noch: ein ganzer Reisebus) vorfahren möge. Aber zum Glück ist Aki Kaurismäki kein Unmensch. Reinhard Lüke (film-dienst Nr. 11/1996) X-Men 2 Eine Gruppe Touristen besichtigt die Gemächer des US-Präsidenten im Weißen Haus. Vor einer Büste des Sklavenbefreiers Lincoln bleibt die Führerin stehen und erinnert an die berühmten Sätze aus dessen Antrittsrede: „We are not enemies, but friends.“ Damals gärte es bereits, kurz darauf begann der Bürgerkrieg. Präzise setzt Bryan Singer hier das erste Zeichen aus dem politischen Symbolarsenal, mit dem er gleich zu Beginn politisches Terrain markiert. Kurz darauf sieht man schwarze Wolken im Weißen Haus. Ein Dämon mit Teufelsfratze hat sich eingeschlichen, der nach seiner Entdeckung nicht zu fassen ist. Zum musikalischen Prunk des „Dies Irae“-Chors aus Mozarts „Requiem“ wechselt er rasant seinen Ort im Raum, wobei er das Tempo in unberechenbarem Wechselschritt forciert oder verlangsamt, bis er das Ziel seines Mordanschlags scheinbar erreicht. Mit bislang ungesehenen Bildern für das Böse überrascht Singer in dieser Eröffnungssequenz, auch wenn sich der flinke Dämon bald als „Nightcrawler“ und damit als einer von vielen „guten“ Mutanten dieses Fantasy-Abenteuers entpuppt. Wie schon zum Auftakt von „X-Men“ (fd 34 428), als Singer nicht davor zurückschreckte, einen Unterhaltungsfilm in einem deutschen KZ beginnen zu lassen, verblüfft er erneut. Nicht um Effekthascherei ist es ihm dabei zu tun; der Tag des Zorns gilt hier der wachsenden Feindschaft zwischen Menschen und Mutanten, die die Ausgangssituation der Geschichte prägt. Unter den Superhelden-Comics ist „X-Men“ aus dem Hause Marvel einer der originellsten, was nicht allein daran liegt, dass die Helden mit weit ungewöhnlicheren Fähigkeiten ausgestattet sind Reader als die Kraftprotze Superman, Hulk oder Batman. „X-Men“ handelt vielmehr von Schwäche, weil jede Überlegenheit zugleich neue Verletzlichkeit bedeutet. Die Helden bleiben human. Nicht weniger wichtig: Es sind ihrer viele. „X-Men“ entwirft ein Universum der Pluralität und Unterschiedlichkeit, jede Figur ist unverwechselbares Individuum. Es gibt nicht den Einen, der alle anderen in den Schatten stellt. Singer hat dies in seinem Ensemblefilm beibehalten und ihn mit halbwegs „gleichrangigen“ Stars besetzt (was auch dem Marketing dient, da der Film Stars für jeden Geschmack sowie für jedes Alter und Geschlecht zeigt); die im Zentrum stehenden Wolverine und Rogue werden mit Hugh Jackman und Anna Paquin von Nachwuchsstars gespielt, während die bekannteren Halle Berry und Famke Janssen eher am Rand stehen. Die Gegenspieler „Professor X“ und „Magneto“ werden mit Patrick Stewart und Ian McKellen von zwei bedeutenden Theaterstars verkörpert – auch wenn diese sich weit weniger glanzvolle Rededuelle liefern als im ersten Teil. Die Handlung kreist um das Komplott des fanatischen Mutantenhassers Stryker, der an der Regierung vorbei einen Überfall auf die Mutantenschule von Professor X plant und mit Hilfe von dessen telepathischer Maschine „Cerebro“ alle Mutanten umbringen will. Während dies einige der Mutanten verhindern wollen, verkompliziert sich die Lage, als Magneto, der Gegenspieler aus dem ersten Teil, aus dem Hochsicherheitstrakt ausbricht. Aufgrund seiner Vergangenheit als KZ-Insasse eine traumatisierte, von antisemitischen Klischees nicht freie Figur, sieht Magneto in den Mutanten eine Art Übermenschen, eine höhere Stufe der Evolution, die über das Schicksal der Welt bestimmen sollen. Das Sequel ist überzeugender als sein Vorgänger und funktioniert tadellos als unterhaltsames Stück Kino. Computertricks und Animationen sind auf höchstem technischen Stand und werden so ökonomisch eingesetzt, dass Figuren und Story nicht überwältigt werden. Die geradlinig erzählte Handlung mutet keine übermäßigen Sprünge oder Unwahrscheinlichkeiten zu, sondern bleibt konzentriert, fast bescheiden. Im Pop-Gewand geht es allerdings in differenzierter Form durchaus um mehr: Auch die heldenhaften Mutanten sind keineswegs frei von Angst. So verkörpert die Figur der Rogue „nur“ eine extreme Form von Pubertätskrise – das Fremdwerden des eigenen Körpers, die als Belastung empfundene Entdeckung der Sexualität, die Flucht von Zuhause im ersten Teil, die sich nun im gestörten Elternverhältnis ihres potenziellen Geliebten Iceman spiegelt. Entgegen manch neuer These, nach der Familien wieder als 19 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Hort des Rückzugs und der Freiheit gesehen werden, zeigt Singer sie als konformistische Sphäre, da Icemans Eltern mit der Besonderheit ihres Kindes nicht klar kommen. Auch sonst erlebt man zerrissene Charaktere: Professor X ist an den Rollstuhl gefesselt, die ehemalige Menschenrechtsaktivistin Jean Grey leidet unter ihren telepathischen Fähigkeiten, Wolverine wird von Gedächtnisverlust gequält, aber in Albträumen von seiner schrecklichen Vergangenheit heimgesucht. Auch andere Figuren sind Prototypen postmoderner Individualität – geprägt von einem melancholischen, schwachen Selbstbild, der Unsicherheit über die eigene Identität und Vergangenheit, der Last des Zuviel-Wissens, dem Verlust des Vertrauens in die Welt und der Idee verbindlicher Wahrheiten. Allenfalls sozialen Gruppen gilt keine Skepsis, wobei es sich dabei allenfalls um Patchwork-Familien handelt, eine Gesellschaft der Individuen. Offenkundig spielt das Außenseitertum der Mutanten auf Formen des Andersseins in der Gegenwart an. Der Gegenspieler Stryker wird ebenfalls sozial und psychologisch, aber auch politisch charakterisiert: ein Militärwissenschaftler und Vietnam-Veteran, dem jede Gewalt recht ist – der Idealtyp der politisch Rechten, der überall „Krieg“ sieht und eine Privatarmee kommandiert. So stehen die Toleranten gegen die Intoleranten, eine positiv verstandene Heterogenität gegen den falschen Traum einer homogenen Gemeinschaft ohne Unterschiede. Der Wunsch nach Dauer und Sicherheit wird als potenziell terroristisch gezeichnet, als Gefahr für alternative Lebensstile und die Freiheit der Andersdenkenden. Man kann den Film kaum ohne Bezüge zu aktuellen Gen- und Bioethik-Diskursen sehen; zu all dem hat „X-Men 2“ etwas zu sagen. Es handelt sich um eine liberale Mythologie, die – getreu der Hegelschen Maxime, man müsse „die Ideen ästhetisch machen“ – mit den Mitteln der Populärkultur eine Geschichte über Toleranz und Fanatismus, den Umgang mit Außenseitern und der offenen Identität des modernen Menschen erzählt. Figuren wie Geschichte merkt man dabei ihre ursprüngliche Herkunft aus der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre an; eine optimistische Einschätzung von Wandel und Fortschritt zum Besseren prägt alles. Es ist deshalb kein Zufall, dass der finale paradiesische Ort der Geborgenheit eine Schule ist und die Mutanten, wenn sie nicht gerade die Welt retten, als Lehrer arbeiten. Von der Esoterik anderer Superhelden-Stories ist „XMen 2“ weitgehend frei; letztlich ist es immer der Kopf, der entscheidet: der freie Wille des Einzelnen. Rüdiger Suchsland (film-dienst Nr. 9/2003) Reader Heldenhaft genügt nicht – super müsst ihr sein „Das aller merkwürdigste an ihr war, dass sie so stark war. Sie war so furchtbar stark, dass es auf der ganzen Welt keinen Polizisten gab, der so stark war wie sie. Sie konnte ein ganzes Pferd hochheben, wenn sie wollte. Und das wollte sie.“ Wer an Superhelden denkt, der denkt zunächst an Superman, Batman und Spider-Man, als Nostalgiker Umständen an Tarzan und James Bond, als Bildungsbürger vielleicht sogar an Herkules, Siegfried oder Artus – aber an Pippi Langstrumpf? Dabei treffen auf Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf zwei der wichtigsten Superhelden-Merkmale zu: Übermenschliche Kräfte und abrundtiefe Einsamkeit. Pippis Abenteuer sind spektakuläre Späße, aber gleichzeitig von tiefer Melancholie und sogar Trauer durchzogen. Wer wünschte sich nicht, derart außergewöhnlich wie Pippi zu sein – und wer fürchtete sich nicht vor dieser Einsamkeit? Superkräfte und Einsamkeit, sie werden von Astrid Lindgren nicht zufällig nebeneinander gestellt. Wer sich von seiner Umgebung durch außergewöhnliche Fähigkeiten abhebt, wird zwangsläufig zum Außenseiter. Als äußeres Zeichen dafür gehört Elternlosigkeit zur Biografie praktisch aller Superhelden. Tarzan, Superman, Batman, Harry Potter – jeder von ihnen hat seine Eltern früh verloren. Ihr Waisentum steht für existentielle Einsamkeit und für den Zwang, sich nur auf sich selbst verlassen zu können. Vom Fluch, ein Held zu sein Als Spider-Man ist er ein Superheld – als Peter Parker dagegen schüchtern, ungeschickt und unscheinbar. Dennoch möchte er von Mary Jane gerade nicht als Spider-Man geliebt werden. Peter empfindet sein Spinnendasein als Belastung, als Fluch, als eine Deformation, was seine Mutation ja tatsächlich auch ist. Sein Doppelleben führt er letztlich nicht zum Schutz des Superhelden sondern zum Schutz des Möchtegern-Normalbürgers. Wenn er sich Mary Jane offenbart, dann fällt paradoxerweise die Maske „Peter Parker“ und dahinter wird die einsame Seele Spider20 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Man sichtbar. Stan Lee, der Schöpfer Spider-Mans und vieler anderer Marvel-Helden, ist von dieser Zwiespältigkeit der Superhelden sichtlich fasziniert. Bei ihm geraten Helden und Schurken in eine schicksalhafte Beziehung. Eigentlich sollten Norman Osborn und Otto Octavius genauso Helden sein wie Peter Parker, aber durch einen unkontrollierten Evolutionssprung wurden aus ihnen Monster: der Grüne Kobold und Doc Ock. In Stan Lees Universum ist die Zivilisationskritik letztlich stärker als jeder Fortschrittsoptimismus. Ob Spider-Man, Hulk oder Daredevil – alle verdanken sie ihre Superkräfte einer Technik, die ausser Kontrolle gerät. Sie sind deshalb zunächst und immer wieder Opfer. Von den Schurken trennt sie letztlich nur, dass sie auf den sterbenden Onkel Ben hören, der Peter Parker ermahnt: „Aus grosser Kraft, folgt grosse Verantwortung.“ Weil sie diesem Motto folgen, sind sie Helden – weil sie diesem Motto folgen, sind sie einsam – und weil sie diesem Motto folgen, ist das Ertragen von Einsamkeit ein Kennzeichen ihres Heldentums. Besonders schwer hat es Bruce Banner getroffen: Seine Mutation ist Folge der wissenschaftlichen Versuche seines Vaters. Während Bruce normalerweise ein ruhiger, ausgeglichener junger Mann ist, verwandelt er sich im Zorn in Hulk, das unkontrollierbare Monster. Für ihn sind seine Superkräfte definitiv ein Fluch, den er nicht abschütteln sondern bestenfalls bändigen und kanalisieren kann. Er ist der gute Geist der stets verneint, den vom Schurken einzig unterscheidet, dass er seine Zerstörungswut für die gute Sache einsetzt. Hier ließe sich eine reizvolle Seitenlinie in der Superhelden-Genealogie auftun zu Li Mu Bai. Für den grossen Schwertkämpfer aus „Tiger & Dragon“ gilt Onkel Bens Weisheit genauso wie für seine westlichen Superhelden-Kollegen. Genau wie diese, leidet er unter seiner Gabe und seiner Bestimmung, genau wie diese wird er in die Isolation gezwungen, genau wie diese kann er sich von männlichen Verhaltensmustern lösen – Superhelden weinen nicht. Dass zwei so grundverschiedene Filme wie „Hulk“ und „Tiger & Dragon“ von demselben Regisseur stammen sollen, das ist durch diese Folie betrachtet nicht mehr abwegig. „Hulk“ liest sich wie die rabiat-triviale USVariation auf jenes Motiv, dem Ang Lee in „Tiger & Dragon“ bereits eine poetisch-tänzerische Gestalt verliehen hat. Fliegen als Ur-Sehnsucht Derzeit vergeht kaum ein Monat ohne neue Superheldengeschichte im Kino. „Elektra“, „Batman Begins“ und „The Fantastic Four“ sind nur ein paar Beispiele aus dem laufenden Kinojahr. Reader Oberflächlich betrachtet hegt das Kino seit jeher eine tiefe Affinität zu Superhelden. Sie sind gewissermaßen die Versuchkaninchen im Tricklabor. Das Kino kann und soll Illusionen vermitteln, wir erwarten geradezu, dass physikalische Gesetze gebrochen und neu geschrieben werden. Das beginnt bereits im Zeitalter des Slapsticks, wo man über Felsklippen stürzen, aufstehen und munter weiter rennen kann. Lange vor den Marvel-Helden hat sich Harold Lloyd die Skyline Manhattans zum Spielplatz gewählt. Besonders die Aufhebung der Schwerkraft übt auf uns eine mythische Anziehungskraft aus. Und im Laufe der Jahrzehnte hat das Tricklabor immer raffiniertere Flugsimulatoren hervorgebracht. Vom nervösen Zappeln bei George Méliès bis zu den Superman-Verfilmungen, die zwischen 1978 und 1986 entstanden, ist viel passiert. Und doch segelt Superman heute wie eine lahme Ente über die Leinwand. Jetzt ist es Spider-Man, der dank der Verschmelzung von Animations- und Realfilm die Illusion vom freien Flug vermittelt. Aber selbst wenn dies momentan das höchste der Gefühle sein mag, ist vorauszusehen, dass im Laufe der Jahre auch diese Bilder bleischwer werden, weil das Tricklabor uns ständig von neuem überrascht. So fremd der Körper Neben dem Spektakel an sich, durch das allerdings bereits die tiefer liegende Sehnsucht des Menschen nach Unsterblichkeit schimmert, neben ihrem Schauwert bieten sich Superhelden auch als AlterEgo für Pubertierende an. Das Erwachsen-werden empfinden Jugendliche körperlich als eigentliche Mutation. Der Körper verändert sich, verhält sich unerwartet, wird als fremd oder sogar abstoßend wahrgenommen. Erst allmählich gewinnt man die Kontrolle über ihn zurück und muss sich wieder neu mit ihm anfreunden. Genauso geht es Spider-Man – und die X-Men lernen im Internat nichts anderes, als den eigenen Körper und seine neuen Fähigkeiten zu beherrschen und als Teil ihrer eigenen Identität zu akzeptieren. Genauso werden Superhelden in ihrer Einsamkeit zur Projektionsfläche für Heranwachsende. Sie können so vieles – aber ihre Umwelt traut ihnen nichts zu oder missversteht sie. Sie fühlen sich deshalb abgelehnt und isoliert. Selbst die physischen und psychischen Schwankungen, wie sie Heranwachsende durchleiden, werden in einem Helden wie Spider-Man gespiegelt. Das kann so weit gehen, dass er seiner Superkräfte beraubt wird. Und schließlich stehen die Superhelden in ihrem unbedingten Kampf für Gerechtigkeit und Wahrheit stellvertretend für jugendliche Aufbruchstimmung, für 21 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… den unverbrauchten Glauben daran, dass dieser Planet ein besserer Planet sein könnte. Achtung Glückszwang! Damit ließen sich Superhelden als Identifikationsfiguren für Pubertierende kategorisieren und die entsprechenden Filme als Jugendfilme schubladisieren. Tatsächlich drücken sie aber indirekt ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und Dilemma aus. Spider-Man, Daredevil und Batman sind Gehetzte der Leistungsgesellschaft – Schwäche verboten! Genau unter derselben Unerbittlichkeit leiden immer mehr Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Eine Arbeit gut zu tun, bedeutet Stagnation; mit einem Arbeitsplatz zufrieden zu sein, heißt ohne Visionen dahin dümpeln; das Wort „genug“ scheint aus dem Sprachgebrauch der Erfolgreichen gestrichen, um es mit Michael Moore zu sagen. Überforderung wird institutionalisiert, das Doppelleben auch – selbst im Privaten. Glück ist, wenn der Sex immer besser wird, wenn die Beziehung dauernd unter Hochspannung steht, wenn mühelos zwischen perfekter Berufsfrau/ mann und Familienfrau/mann hin und her teleportiert wird. Für all dies, ist man/frau selbst verantwortlich, kein Gott und kein Schicksal, das einen entlastet. Superheldentum ist nicht nur ein unschuldiges Kinovergnügen, Eskapismus auf Zeit, sondern realer Anspruch an unseren Alltag geworden. Notfalls werden Superhelden gemacht und Hoffnungsträger so weit das Auge reicht. Wie in „Chicken Run“ aus einem eitlen Gockel ein Heilsbringer wird, das ist schreiend komisch und gleichzeitig haarscharf der Wirklichkeit nachempfunden. Vor diesem Hintergrund kann es dann auch nicht mehr überraschen, dass Mel Gibson – die Stimme des Gockels – seinen Jesus offen als Superhelden deklariert und auch so inszeniert. Wenn Christen rennen. Anti-Superhelden Was bei Spider-Man hin und wieder durchschimmert, das kommt in den Filmen von Ken Loach, Aki Kaurismäki oder Andreas Dresen erst richtig zu seinem Recht: Das Anti-Superheldentum. Auch hierfür gibt es eine lange Kinotradition mit Namen wie Charles Chaplin, Vittorio de Sica oder Frank Capra. Sie sind und waren die Antwort auf die Leistungsgesellschaft, auf den Gesundheits- und Jugendlichkeitswahn, auf das, was man zusammengefasst Glückszwang nennen muss. Joe ist Alkoholiker, Ilona und Lauri arbeitslos, Peschke läuft dem Erfolg hinterher. Auch sie könnten Slapstick-Figuren sein, weil sie so oft umfallen und doch immer wieder aufstehen und sich nicht unterkriegen lassen. Vielleicht stammt von hier auch die unverwüstlich-leise Komik, die sie trotz allem Reader ausstrahlen, das Lachen, zu dem sie uns entgegen unserer Erschütterung immer wieder zwingen. Nicht wenige unter ihnen sind geheime Verwandte Peter Parkers. Sie wollen keine Helden sein und werden doch dazu gezwungen. Peschke in „Nachtestalten“ will dem Kind, das er auf dem Flughafen aufliest, gar nicht helfen – aber seiner Bestimmung entgeht er nicht. In „König der Fischer“ unternimmt Jack alles, um ein selbstmitleidiger Saftsack zu bleiben – und hangelt sich irgendwann dann doch zum Heiligen Gral durch. Das Zauberwort für diese Art von Heldentum heißt Solidarität, altmodisch auch Nächstenliebe genannt. „Aus vielfältiger Schwäche, wächst grosse Stärke, wenn sie treu zusammenhält.“ würde Onkel Ben dazu vielleicht sagen. Das haben sich die Versager in „The Full Monty“ und „Brassed Off“ genauso zu Herzen genommen wie die Superhelden in „X-Men“. Zum Schluss noch dies: Wer an weiteren Enthüllungen über das geheime Doppelleben zwischen Jammergestalt des Alltags und Lichtfigur des Abenteuers interessiert ist, und wer das magische Dreieck „Männerphantasie – Superheldentum – Kino“ knacken möchte, der sollte sich an Philippe de Brocas „Le magnifique“* mit Jean-Paul Belmondo halten. Kaum anderswo wird sich Mann derart entlarvt fühlen – ohne dass das dem Vergnügen abträglich wäre. Thomas Binotto (film-dienst 14/2005) *„Le magnifique“ ist auf einer französichen DVD erhältlich – welche erfreulicherweise auch über die deutsche Sprachversion verfügt. (Studio Canal Video) Die Leerstelle Anmerkungen zur Verfilmung von „Der Herr der Ringe“ Mit der Comicfigur „Tim“ ein Referat über den „Herrn der Ringe“ zu beginnen, mag auf den ersten Blick abwegig wirken. Aber wie kaum eine andere Figur der Populärkultur verkörpert „Tim“ exemplarisch das, was unter „Leerstelle“ in diesem Zusammenhang – unter anderem – zu verstehen ist: Tim, der unerschrockene Reporter aus der Feder des Belgiers Hergé, sieht nicht nur wie eine staunendfrohnaturige Null aus, er ist auch tatsächlich ein Nichts: Tim altert nie, kennt weder Herkunft noch Zukunft, frönt keinem Laster, nicht einmal der Ehe, ist von Beruf Reporter, aber von einer Redaktion, auf der er seine Beiträge abliefert, ist nie auch nur das geringste zu sehen. Außer einem gewissen 22 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Maß an Gewitztheit ist er biederster Durchschnitt. Aber gerade dank dieser Farblosigkeit kann Tim als blanke Leinwand dienen, als reine Projektionsfläche – ausschließlich dazu da, Abenteuer zu erleben, mit Bedacht konturlos gezeichnet, damit sich jeder von uns in seine Haut versetzen und an seine Stelle treten kann. Das einzige Außergewöhnliche an Tim ist seine Entourage: Ein fluchender und saufender Kapitän, ein vertrottelt-genialischer Erfinder, zwei unfähige Detektive, eine kreischende Sängerin, sogar sein Hund Struppi ist abgründiger als Tim. Der rasende Reporter ist eine Leerstelle, nur dazu da, uns den Platz für atemberaubende Abenteuer freizuhalten. Frodo Beutlin ist genau wie Tim eine Leerstelle, sogar die alles entscheidende im „Herr der Ringe“: Frodo hat keinen Beruf, Frauen spielen in seinem Leben keine Rolle, von seinem Vater heisst es, „ein grundanständiger Hobbit war er, der Herr Drogo Beutlin; über den gab es nie viel zu reden.“ (Tolkien, 38)1 Nicht einmal als Dichter wie sein Onkel Bilbo tut sich Frodo hervor. „Er spürte nur selten einen Drang, Lieder und Reime zu machen; und auch in Bruchtal hatte er nur zugehört und nicht selber gesungen, obwohl er vieles auswendig kannte, das andere gedichtet hatten.“ (Tolkien, 386) Als Frodo knapp dem Tod entronnen in Bruchtal zur Genesung liegt, meint er verwundert: „Es ist doch wunderbar, dass große Herren wie Elrond und Glorfindel, um von Streicher gar nicht zu reden, meinetwegen solche Umstände machen und mich so freundlich aufnehmen.“ Worauf ihm Gandalf freundlich vor Augen führt, dass das Besondere an ihm allein seine Funktion sei, nicht seine Person. Gandalf antwortet: „Na, dafür haben sie allerlei Gründe.“ […] „Ein guter Grund bin ich. Ein zweiter ist der Ring: du bist der Ringträger. Und du bist Bilbos, des Ringfinders, Erbe.“ (Tolkien, 248) Nicht Frodo ist außergewöhnlich, sondern sein Auftrag, und nicht einmal den hat er selbst gewählt, vielmehr hat dieser ihn erwählt. Auch Frodo wird damit zur Leinwand, auf der sich das Drama abspielt. Dank dieser Leerstelle kann unser Ego erst richtig in das Epos eintauchen und darin jenen Raum finden, den schließlich wir, nicht etwa der Autor, mit Fantasie ausfüllen. Und genau wie Tim ist auch Frodo von schillernden Figuren umgeben: Gandalf, Aragorn, Gimli, Legolas, Gollum, ja selbst Sam sind als Personen interessanter. Gerade deshalb war die Besetzung Frodos in Peter Jacksons Verfilmung von herausragender Bedeutung. Mit Elijah Wood hat er genau jenes Milchgesicht mit den großen, staunenden Augen gefunden, das uns Reader auch im Film den Platz frei hält. Frodo darf sich unter keinen Umständen in den Vordergrund spielen, weil sonst für uns Zuschauer in der Ringgemeinschaft kein Platz bliebe. Die Leerstelle spielt im „Herr der Ringe“ – und notabene in jedem gelungenen Fantasy-Roman – eine entscheidende Rolle. Erst sie erlaubt es den Lesern, die eigene Fantasie in Gang zu setzen und auszuschöpfen. Fantasie realisiert sich letztlich erst in unseren Köpfen – falls es der Fantasy gelingt, die nötigen Anreize dafür zu schaffen. Dialoge von shakespearscher Eleganz und Differenziertheit wird man dagegen vergeblich suchen, raffiniert gestaffelte Seelenlandschaften gehören nicht in die Fantasy-Literatur. Damit steht Tolkien, durchaus mit Absicht, ganz in der Tradition grosser Mythen- und Märchenerzählungen. Auch dort sind Dialoge und Psychologisierung Fremdkörper, und die Selbstinterpretation bedeutet den Tod jeglicher Poesie. Exakt an der Leerstelle scheitern aber die meisten Fantasy-Verfilmungen. Die Versuchung, genau das auf die Leinwand zu bringen, was im Roman dem Leser überlassen wird, ist in der Illusionsmaschine „Kino“ groß. Wenn man ihr verfällt, geschieht zwangsläufig, was nicht geschehen darf, dass sich nämlich die Fantasie auf der Leinwand und nicht in unseren Köpfen breit macht. Ein Beispiel dafür sind die – durchaus unterhaltsamen – Harry Potter-Verfilmungen, wo jeder Quadratzentimeter Leinwand mit Fantasy zugekleistert wird – sozusagen ein gigantisches Panini-Klebealbum.2 Bereits die unzähligen Versuche, Tolkiens Epos mit unbewegten Bildern zu illustrieren, legen in erster Linie dafür Zeugnis ab, wie schnell man dabei in die Kitsch-Falle tappt. Ausgerechnet der Amateurmaler Tolkien hat die einzigen überzeugenden Illustrationen zu seinem eigenen Werk geschaffen. In ihrer Ungelenkheit und in ihrem Dilettantismus strahlen sie den Charme des Naiven aus und verweigern sich so jedem klebrigen Bombast. Vor allem aber versuchen sie gar nicht erst, die Fantasie in Bildern festzuhalten und ihr damit Zügel anzulegen. Sie respektieren – schon wieder – die Leerstelle. Peter Jackson ist es allen Fallstricken zum Trotz gelungen, einen opulenten, ausufernden und bildgewaltigen Fantasy-Film zu gestalten, der die Leerstellen dennoch nicht erschlägt sondern virtuos damit spielt. Und das betrifft längst nicht nur Frodo. Der Erfolg seiner Verfilmung lässt leicht vergessen, dass Jackson damit ein gewaltiges Risiko 23 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… eingegangen ist, denn Literaturverfilmungen haben es grundsätzlich schwer. Entgegen der gängigen Vorstellung scheitern sie aber in den meisten Fällen am Publikum und nicht am Regisseur, weil die Zuschauer nicht bereit sind, ihre eigene Bildphantasie, die sie beim Lesen der Vorlage entwickelt haben, zu vergessen oder zumindest relativieren zu lassen und sich den Visionen der Filmemacher verweigern. Je bekannter und je kultiger eine Vorlage, desto schwieriger wird die Aufgabe – in dieser Beziehung stellt „Herr der Ringe“ eine maximale Herausforderung dar. Dennoch hat es Jackson gewagt, seine Vision und nicht eine zu Tode „gesneakte“3 Vision auf der Basis des durchschnittlichsten gemeinsamen Nenners vorzulegen. Die Stärken von Jacksons visuellem Konzept liegen in seiner Unbedingtheit und Konsequenz, in der ausserordentlich durchdachten Bildkadrierung beispielsweise. Nichts wirkt zufällig oder beliebig. Wo er die Kamera hinstellt, wie er den Ausschnitt wählt – alles zeugt von einer starken Vision und anders als in der Panini-Fantasy setzt er in seinen Bilder ganz klare Zentren, er staffelt die Szenerie, fokussiert den Blick und führt damit die Zuschauer. Ebenso bewusst gestaltet Jackson den Rhythmus, zunächst ebenfalls durch Bildausschnitte, durch den Wechsel von Totalen und Nahaufnahmen, dann aber auch durch langsame, fast schon meditative Szenen im Wechsel mit rasanten ActionSequenzen. Für diese Rhythmuswechsel greift er auch beherzt in die Dramaturgie des Buches ein – zum Vorteil des Films, dessen zweiter Teil ohne diese Rhythmisierung nicht erträglich wäre. Meisterhaft ist auch die Qualität der Tricktechnik. Während digital erzeugte Bilder und Figuren normalerweise einen Eindruck von schwebender Körperlosigkeit vermitteln und gerade dadurch unwirklich erscheinen4, erhalten sie in „Herr der Ringe“ Gewicht, Bodenhaftung und Wucht. Gollum ist die erste digital erzeugte Figur, die wirklich zum Charakter wird und Empathie weckt. Dass die Filmtechnik selbst Leerstellen ermöglicht oder auch verhindert, darauf weist der Regisseur Tom Tykwer im Zusammenhang mit digitalen Aufnahmetechniken hin: „Ich bin überzeugt, dass die digitale Technik nie dieselbe Ausstrahlung haben wird wie der analoge Film. Im Film wird das Bild 24 Mal pro Sekunde transportiert – dazwischen ist es schwarz. Ich glaube irgendwie fest daran, dass dieses Schwarz der Fluchtpunkt unserer Fantasie ist, wo wir uns aufhalten und selbst ein Teil des Films werden können. Das ist natürlich eine theoretische Vorstellung, aber mir kommt es so vor, als wäre die Botschaft des digitalen Films: Du darfst zusehen, aber Reader du darfst nicht selbst ein Teil davon werden, weil für dich kein Platz mehr frei ist.“5 Obwohl durch die Fortschritte in der Tricktechnik die Verwirklichung von Jacksons-Visionen erst möglich wurde, sind die Ansprüche an den Umgang mit Leerstellen unabhängig davon die selben geblieben wie seit jeher: Filme sind gezwungen, mit Auslassungen zu arbeiten. Es bleibt ihnen schlicht nicht die Zeit für ausufernde Verästelungen und locker gestreuten Andeutungen – von beidem gibt es im „Herr der Ringe“ ja reichlich. Mit anderen Worten: Ein Film erreicht Verdichtung nur durch Auslassung. Er kürzt, fasst zusammen, liebt aus purer Zeitökonomie das Pars pro Toto. Dass er dadurch nicht zwangsläufig löchriger wird, lässt sich sehr schön an der längeren DVD-Version des ersten Teils – „Die Gefährten“ – zeigen. Diese geizt zwar nicht mit schönen Bildern und mit hilfreichen Erklärungen, erreicht aber nie die Intensität der Kinoversion, und das eben genau deshalb, weil sie Leerstellen zu stopfen und die Auslassung didaktisch zu überbrücken versucht.6 Schon Tolkien arbeitet virtuos mit Leerstellen, die immer das Gefühl vermitteln, hinter der effektiv erzählten Geschichte stecke noch viel mehr, all jene Details und Ereignisse, die nicht geschildert würden, seien unsichtbar präsent. Erst durch diese Auslassungen erhält der Stoff sein Gewicht. Hübsches Beispiel dafür sind alle jene erfundenen Redensarten und Sprichwörter, die eine jahrhundertelange Tradition suggerieren, von der wir im Grunde gar nichts erfahren. Jackson hat sich ebenso konsequent auf die Stimmung seines Films konzentriert, auf den Reichtum im nahezu unsichtbaren Detail, die Raffinesse in der Kürzestszene. Mit Dialog und Handlung geht er oft sehr frei um, tut aber alles, um die Stimmung eines gewaltigen Mythos aufzubauen. Dazu trägt übrigens ganz wesentlich die Filmmusik von Howard Shore bei. Mit ihren Leitmotiven schafft sie in Sekundenbruchteilen einen „Stimmungsteppich“. Seine Musik würde in der Konzerthalle zwar bestimmt arg klischiert wirken, Wagner für die Massen gewissermaßen, aber gerade das Klischee verschafft uns Leerstellen, weil es die Vorstellungskraft nicht absorbiert und als blitzschnelle Orientierungshilfe funktioniert. Peter Jackson wird den ganzen „Herrn der Ringe“ in neun Stunden komprimieren. Das ist ohne massive Kürzungen nicht möglich. Gleichzeitig gibt es in Tolkiens Vorlage Szenen, die nur angedeutet werden und ohne eine ausmalende Interpretation nicht auf die Leinwand übertragbar sind. Beispielsweise 24 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… der Kampf zwischen Gandalf und Saruman: Dieser Zweikampf steht so nicht in der Vorlage. Gandalf berichtet im Rat von Elrond lapidar: „Sie ergriffen mich und brachten mich hoch auf die Zinne des Turms, dorthin, wo Saruman die Sterne zu betrachten pflegte.“ (Tolkien, 286) Jackson macht aus diesem Moment, in dem Gandalf den Verrat Sarumans entdeckt, bewusst eine spektakuläre ActionSequenz. Aber bezeichnenderweise auch noch mehr. Gleichzeitig dient die Szene nämlich dazu, uns klarzumachen, dass es sich hier um zwei mächtige Zauberer handelt, dass der alte Mann, der seinen Spaß an kindischen Feuerwerken hat, auch gefährlich sein kann, dass mit Zauberei nicht bloss ein paar gesunde Heilkräutersalben gemeint sind. Und wenn Gandalf auf der Zinne Isengaards angekommen ist, kann Jackson zudem nahtlos in die Demonstration dessen übergehen, was Saruman teuflisch plant. Ähnlich verdichtet Jackson auch die Beratung bei Elrond. Dass es zu einem heftigen Streit kommt, wird bei Tolkien nicht explizit erwähnt. Und schon gar nicht schildert er, wie sich die Streitenden im Ring spiegeln. Auch dieses Bild hat Jackson für den Film erfunden – lieber möchte man allerdings sagen – gefunden. Und er erreicht damit, ohne dass er didaktisch belehrend oder ausufernd wird, dass die zerstörerische Macht des Ringes alles durchdringt – es wird klar, dass er es ist, der Zwietracht sät. Damit kommen wir zu jener Leerstelle, die zwischen jeder literarischen Vorlage und ihrer Verfilmung steht und absolut fundamental ist: Die Leerstelle zwischen Wort und Bild. Allen Versuchen der Linguistik und Philosophie zum Trotz, kann jener Moment, in dem aus einem Wort ein Bild wird, nie restlos erklärt werden, es bleibt immer eine geheimnisvolle Lücke, eine Leerstelle. Sie ist unter anderem dafür verantwortlich, dass wir uns so ausgiebig darüber streiten können, wie denn der „Herr der Ringe“ bebildert werden könnte. Die Nazgûl, die Ringgeister beispielsweise. Wie sollen sie aussehen? Jacksons „schwarzen Reiter“ sind körperlos und doch tonnenschwer – das Paradox eines verkörperten Nichts. (Erreicht wurde dieser Eindruck durch einen relativ simplen Theatertrick, indem die Darsteller der Reiter über hundert Kilogramm schwere Gewänder tragen mussten.) So überzeugend für den einen diese Brücke vom Wort zum Bild gebaut sein mag, dem anderen geht sie ins Leere und folglich lässt sich auch darüber stundenlang streiten. Sogar ob die Beschreibung der Film-Nazgûl nachvollzogen wird, bleibt ungewiss, denn vom Bild zum Wort besteht selbstverständlich eine ebenso hartnäckige Leerstelle. Reader Und nicht zuletzt wegen seinen vielen Leerstellen, die unzählige Fragen offen- und damit endlose Diskussionen zulassen, ist „Der Herr der Ringe“ zum Kultbuch geworden. Eine Reihe von Beispielen soll Jacksons kongeniale Übersetzungsarbeit illustrieren: „Bilbo nahm den Umschlag aus der Tasche, aber gerade, als er ihn an die Uhr lehnen wollte, zuckte seine Hand zurück, und das Päckchen fiel zu Boden. Bevor er es aufheben konnte, hatte der Zauberer sich schon gebückt, es genommen und an seinen Platz gelegt.“ (Tolkien, 52) steht bei Tolkien, als Bilbo sich vom Ring trennen soll. Jackson zeigt in einer extrem kurzen Szene, die dennoch besser als jeder Dialog funktioniert, wie sehr der Ring ein Eigenleben führt: Er fällt zu Boden und bleibt ohne jede Rotation liegen. Etwas, was kein normaler Ring tut. Oder Legolas als Bogenschütze. Viele Kinogänger haben über seine „völlig unrealistische Bogentechnik“ geschimpft (wobei natürlich Realistik als Massstab für einen Fantasy-Film an sich eine bizarre Forderung ist). Aber auch hier trifft Jackson genau das, was Tolkien nur in einem Nebensatz andeutet. „…und schneller, als man sehen konnte, hatte er den Bogen gespannt und den Pfeil auf der Sehne.“ (Tolkien, 460) Im Elfenwald werden wir für einen Moment von betörendem Schwindel erfasst, nur weil die Kamera sich abwärts bewegt, während die Gefährten eine zauberhafte Wendeltreppe aufsteigen. Als Frodo die herannahende Gefahr durch einen schwarzen Reiter spürt, dehnt sich der Waldweg in einem halluzinatorischen Vertigo-Effekt7 aus. Oder der Strudel, in dem Frodo jeweils versinkt, wenn er den Ring überstreift: Er ist derart suggestiv und furchteinflößend, dass sich die Magie des Rings tatsächlich in den Zuschauerraum auszudehnen scheint. Im Grunde greift Jackson zu dem, was bereits Tolkiens Rezept war: Er lässt dem Eskapismus freien Lauf, versetzt die Zuschauer in einen Rauschzustand und zwingt sie geradezu, seiner urgewaltigen und stets vorantreibenden Geschichte zu folgen. „Herr der Ringe“ muss man – ob als Buch oder als Film – verschlingen und sich verschlingen lassen, anders funktioniert das Fantasy-Genre nicht. Dennoch lässt auch die Verfilmung jenen Freiraum – sprich, jene Leerstellen – zu, in denen sich die je eigene Fantasie entfalten kann. Das zu wagen ist riskanter als es beim fertigen Film erscheint, zeigt sich aber dennoch als einzig gangbarer Weg. Immer dann, wenn Jackson seiner Bildsprache nicht vertraut, wenn er geschwätzig wird, weicht er vom „rechten Pfad“ ab. Beispielsweise in den 25 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Liebesszenen zwischen Aragorn und Arwen, die in ihrer konventionellen Romantik abfallen – Romantic Hotels eingerichtet von Laura Ashley. Auch für Jackson gilt also: „Herr der Ringe“ ist letztlich ein Stoff und kein Drama. Darf er aber derart frei damit umgehen, sich den Stoff einfach aneignen und eigenständig ausgestalten? Christopher Tolkien jedenfalls scheint darüber nicht gerade erfreut zu sein, und es ist anzunehmen, dass auch J. R. R. Tolkien selbst „nicht amüsiert“ wäre. Oft genug hat er betont, dass er eine Verfilmung des Buches für unmöglich halte, und hat damit selbst am Mythos der Unverfilmbarkeit mitgebastelt. Dennoch hat ausgerechnet Tolkien selbst Jackson das beste Argument geliefert, denn auch der Künstler kann als Leerstelle gesehen werden. Immer wieder hat Tolkien erzählt, wie ihn der Satz „In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit“ förmlich angesprungen habe – was soviel bedeutet wie: In einer Leerstelle hockte ein Mythos, der nur darauf wartete uns zu überfallen. Ein Bild, das Jackson übrigens aufnimmt, wenn er seinen Film mit einer schwarzen Leinwand beginnen lässt und eine Erzählstimme aus dem Off aus den Anfängen des Mythos zu berichten beginnt. Auch in seiner Einführung zum „Herrn der Ringe“ erweckt Tolkien gezielt den Eindruck, dieser Mythos sei nicht seine Erfindung gewesen, sondern habe schon existiert, bevor er ihn entdeckt habe. Tolkien war gewissermassen nur das Gefäss, in dem sich die Geschichte sammeln konnte – der Künstler als Leerstelle. Dass der „Herr der Ringe“ nicht erfunden, sondern entdeckt wurde, macht einen wesentlichen Reiz des Buches aus, es ist aber auch ein Indiz dafür, dass dieser Stoff nicht Tolkien gehört. „Als die Geschichte wuchs, schlug sie Wurzeln (in die Vergangenheit) und verzweigte sich in unerwartete Richtungen…“ schreibt Tolkien – und irgendwann erreichte das Geäst Peter Jackson, eine Art neuseeländischen Hobbit, der sich des Stoffs bemächtigt und ihn als eigenständiger und im wahren Sinne visionärer Künstler visualisiert hat. So bahnbrechend für das Fantasy-Genre seine Verfilmung aber auch sein mag, damit ist der Stoff noch lange nicht in seinen Besitz übergegangen – nicht einmal die Verfilmung und ihre Interpretation gehört mehr Jackson allein. Ob ihm unser Stochern in den Leerstellen genehm ist oder nicht, es kümmert uns wenig, denn dieser Stoff gehört uns allen… Thomas Binotto (Inklings – Jahrbuch für Literatur und Ästhetik 2003 (S. 164-173) Reader Da der Autor sich dem Thema als Filmpublizist und nicht als Literaturwissenschaftler nähert, erlaubt er sich, die Passagen aus „The Lord of the Rings“ in der hierzulande gängigen deutschen Übersetzung zu zitieren. Tolkien, John R. R. Der Herr der Ringe. Stuttgart: Klett Cotta, 2000. (Übersetzung: Wolfgang Krege) 2 Die italienische Firma „Panini SpA“ produziert Sammelalben, die sich besonders vor jeder Fußball-WM oder EM großer Beliebtheit erfreuen. Ziel der Sammler ist es, sämtliche Lücken im Album mit hunderten von Klebebildchen zu füllen. 3 Sneak-Preview nennt man die Testvorführungen eines Filmes vor einem Publikum, das über keine Vorinformationen verfügt und anschließend an die Vorführung auf Auswertungskarten seine Meinung festhält. Anhand solcher Testvorführungen wird ein Film in der Postproduktion optimiert, um schließlich sein Zielpublikum optimal zu erreichen. 4 Beispielsweise in den Star Wars-Folgen „Episode 1: The Phantom Menace“ und „Episode 2: Attack of the Clones“. 5 Unveröffentlichte Passage aus dem Gespräch zwischen Tom Tykwer und Michael Ballhaus, welches unter dem Titel „Das fliegende Auge – Michael Ballhaus, Director of Photography“ erschienen ist. Berlin, Berlin-Verlag 2002. 6 Ein Meister der Leerstelle war Alfred Hitchcock, der dafür sogar einen eigentlichen Fachbegriff prägte, den „MacGuffin“. Der MacGuffin ist der Grund, der die Handlung in Gang setzt, der aber letztlich völlig unerheblich ist, ein reiner Vorwand ohne tiefere Bedeutung. Im Spionagefilm beispielsweise ist der MacGuffin normalerweise eine Erfindung, die ihrem Besitzer ungeheure Macht verspricht und deshalb von aller Welt gejagt wird. Hitchcock vertrat die Theorie – die er in seinen Filmen höchst überzeugend umsetzte – dass der MacGuffin möglichst wenig Raum einnehmen sollte. Je gewichtiger er sei, desto schwerfälliger werde die Handlung. Seinen schlankesten MacGuffin erfand Hitchcock für „North by Northwest“ (Der unsichtbare Dritte), wo Cary Grant auf die Frage, was eigentlich der Grund dafür sei, dass er quer durch den amerikanischen Kontinent gejagt werde, die lapidare Antwort erhielt: „Sagen wir, es geht um Import/Export.“ Im legendären Gespräch mit François Truffaut erzählt Hitchcock: „Woher der Begriff des MacGuffin kommt? Der Name erinnert an Schottland, und da kann man sich folgende Unterhaltung zwischen zwei Männern in der Eisenbahn vorstellen. Der eine sagt zum anderen: ‚Was ist das für ein Paket, das Sie da ins Gepäcknetz gelegt haben?’ Der andere: ‚Ach, das, das ist ein MacGuffin.’ Darauf der erste: ‚Und was ist das, ein MacGuffin?’ Der andere: ‚Oh, das ist ein Apparat, um in den Bergen von Adirondak Löwen zu fangen.’ Der erste: ‚Aber es gibt doch überhaupt keine Löwen in den Adirondaks.’ Darauf der andere: ‚Ach, na dann ist es auch kein MacGuffin.’ Diese Geschichte zeigt Ihnen die Lerre, die Nichtigkeit des MacGuffin.“ – Bemerkung am Rande: Wenngleich für unzählige „Herr der Ringe“-Fans ein Sakrileg, so wäre es zweifellos dennoch einen Versuch wert, den Ring, um den sich alles dreht, als MacGuffin zu interpretieren. (Zitiert nach: Truffaut, François: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das 1 26 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… gemacht? München: Heyne, 1984. Seite 125f) 7 Der Vertigo-Effekt wird dadurch bewirkt, dass die Kamera gleichzeitig zurückfährt und heranzoomt. Der Bildausschnitt bleibt derselbe, wird aber verdichtet und übt deshalb eine eigenartige Sogwirkung aus. Benannt nach „Vertigo“, wo der Effekt von Alfred Hitchcock erstmals eingesetzt wurde. Grösstenteils tot, ist schon fast lebendig James Bond, der Übervater aller ActionHelden, übersteht jede auch noch so lebensbedrohende Situation – meist ohne die geringste Schramme. Aus diesem unverwüstlichen Stoff sind die Helden des Action-Kinos gemacht – die nimmermüden Stehaufmännchen unserer Tage. „Opa, Opa, Moment, warte! Was hat Fezzik gemeint mit ‚er ist tot‘. Ich meine, er hat doch nicht gemeint ‚tot‘. Westley tut doch nur so, oder?“ Die Ungläubigkeit des Enkels in „The Princess Bride“ (1987) ist nicht nur jene des naiven Kindes. Dass der grosse Held Westley nach all den bereits überstandenen Gefahren schliesslich doch vom Feind getötet wird, dass wollen auch wir erwachsene Zuschauer nicht glauben. Was Autor William Goldmann und Regisseur Rob Reiner in ihrer hinreissenden Märchenparodie satirisch überspitzt formulieren, ist ein Hauptmotiv jahrhundertealter Erzähltradition: Je grösser der Held, desto unsterblicher. Das gilt für die griechische und römische Mythologie genauso, wie für die mittelalterlichen Heldenepen und Heiligenlegenden und die gesamte Märchenliteratur. In der Tafelrunde von König Artus, um ein wirkungsmächtiges Beispiel zu nennen, ist das Streben nach Unsterblichkeit ein zentrales Thema. Und Parzival, Mitglied eben dieser Tafelrunde, ist die vielleicht vollkommenste Verkörperung des strahlenden Helden. Sein Lebensweg führt ihn, allen Umwegen zum Trotz, schliesslich zum Heiligen Gral – für Unsterblichkeit das Symbol schlechthin. Seine Reader „aventüre“ ist damit mehr als blosses Abenteuer, ist Zeichen für die fundamentale Suche nach dem Lebenssinn. Ein Weg, der immer wieder von Wundern bestimmt wird und an dessen Ende das Urwunder schlechthin, das ewige Leben, steht. Auferweckungswunder sind in mittelalterlichen Erzählungen immer auch ein Zeichen für Heldentum und Auserwähltheit. Das gilt für den Gralskönig Amfortas, der dank Parzival von seinen unterträglichen Qualen erlöst wird, für die Siebenschläfer, die der Legende nach aus einem fast zweihundertjährigen Schlaf unversehrt erwachen, aber auch für Felix und Regula, die nach ihrer Enthauptung mit dem Kopf unter dem Arm noch einige hundert Meter weit gehen. Das Wunder der Unsterblichkeit findet sich aber nicht nur in alten Legenden und Sagen – wo es ja niemanden überrascht – es gehört ebenso zum festen Repertoire der Heldenverehrung im Action-Kino. Wenn schon vom Gral die Rede war, dann fällt naheliegenderweise das dritte Indiana-Jones Abenteuer, „Indiana Jones and the Last Crusade“ (1988), ein. Dort stehen die Abenteuerer am Ende ihrer Jagd dem letzten Gralsritter gegenüber, und dieser hat wunderbarerweise mehrer Jahrhunderte überlebt. Aber auch in jüngster Vergangenheit geschehen in mittelalterlich angehauchten Abenteuerfilmen Erweckungswunder. Überdeutlich ist dies in „Dragonheart“ (1996), einem sonst belanglosen Fantasy-Spektakel, der Fall: der tödlich verwundete Prinz wird dank dem halben Herzen eines Drachens gerettet. Eine Szene, die sich in der Bildgestaltung offensichtlich an alten Pietà-Darstellungen orientiert. Als sich der Prinz im Verlaufe der Erzählung dann doch als übler Bursche entpuppt, kommt das finale Auferstehungswunder dem eigentlichen Helden der Geschichte, einem Drachen, zu. Er opfert sein irdisches Leben und erhält dafür im Gegenzug Unsterblichkeit. In einer süsslichen, fast schon nazarenischen Verklärungsszene, steigt seine Seele zum Himmel auf, wo sie als leuchtender Stern verewigt wird – eine ungenierte Plünderung christlicher Ikonographie von Grablegung, Auferstehung bis zur Himmelfahrt. Und auch im bereits zitierten „The Princess Bride“ geschieht schliesslich das so sehnlichst erhoffte Erweckungswunder. Allerdings wird es, da es sich ja um eine Parodie handelt, ironisch gebrochen. Was jedoch das Motiv des unsterblichen Helden erst recht herausstreicht. Wundermaxe, der das Unglaubliche möglich machen soll, klärt über die subtilen Grade des Tot-seins auf: „Es verhält sich nämlich so, dass euer 27 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Freund hier nur zum grössten Teil tot ist. Es besteht ein grosser Unterschied zwischen zum grössten Teil tot und ganz tot. Zum grössten Teil tot ist schon beinahe lebendig.“ Mit dieser „differenzierten“ Sicht machen sich Reiner/Goldmann nicht nur über die Märchen sondern auch über die gängigen Abenteuer- und ActionFilme lustig. Denn die Action-Helden des Kinos sind allen drohenden Gefahren zum Trotz höchstens zum grössten Teil totzukriegen. Nur, gerade dieses ungeschriebene Gesetz führt das Spannungskino seit jeher in ein Dilemma: Wenn der Held per definitionem unsterblich ist, wo bleibt da die Spannung? Schon Alfred Hitchcock hat sich darüber geärgert, dass der Star eines Films nicht vorzeitig abtreten darf. Ist es in „North by Northwest“ (1959) noch ein fingiertes Attentat auf Cary Grant, mit dem er den Zuschauer schockt, so geht Hitchcock in „Psycho“ (1960) einen Schritt weiter und opfert seinen Star Janet Leigh bereits nach einem Drittel des Films. – Von nun an muss der Zuschauer damit rechnen, dass es jeden treffen kann. Dieses Unterlaufen der Zuschauererwartungen haben in jüngster Zeit die Macher von „Executive Decision“ (1995) nachgeahmt. Auch dort verschwindet der nach Papierform unverletzliche Steven Seagal bereits nach kurzer Zeit von der Leinwand. Und Wes Craven lässt Drew Barrymore, das Aushängeschild seines jüngsten Schockers „Scream“ (1997), bereits nach acht Minuten massakrieren. Dennoch, diese Beispiele sind Ausnahmen. Im Regelfall sind Action-Helden unsterblich. So wie der zählebigste aller Über-Helden, James Bond. Aber gerade bei James Bond wird ebenfalls offensichtlich, wie langweilig unverletzliche, eindimensionale Helden auf Dauer sein können. Einen Weg aus diesem Dilemma sieht der durchschnittliche Action-Film darin, seine Helden in noch extremere Situationen zu befördern und die zu bekämpfende Bedrohung immer noch bombastischer auszumalen. An der Unsterblichkeit des Helden wird damit jedoch in keiner Art und Weise gerüttelt – die Auferweckungswunder werden nur dementsprechend spektakulärer. So wird der Kugelhagel immer dichter – trifft aber genau so wenig wie eh und je. Die Feuerwalze ist inzwischen fester Bestandteil des Action-Kinos geworden („True Lies“ (1993), „The Rock“ (1996), „The Long Kiss Goodnight“ (1996)) – die Helden gehen daraus genauso unversehrt hervor, wie die hebräischen Jünglinge aus dem Feuerofen Reader Nebukadnezars. Auch die Urgewalt des Wassers kann solche Helden nur vorübergehend aus dem Gleichgewicht bringen. Ob ein Sprung von der Staumauer („The Fugitive“, 1993), die wilde Fahrt durch einen unterirdischen Fluss („Broken Arrow“, 1995) oder der gleich mehrfach erzwungene Sprung in tödlich kaltes Wasser („The Long Kiss Goodnight“, 1996), immer gelingt es den Helden mit einem tiefen Atemzug – eigentliches Sinnbild der Wiedergeburt – ins Leben zurückzukehren. Und während vor wenigen Jahren das Blut der Helden nur spärlich floss, so verlieren sie heute ihren kostbaren Lebenssaft gleich literweise, ohne dadurch auch nur das geringste ihrer Potenz einzubüssen. Diese ins gigantische gesteigerten und oftmals ins Lächerliche überkippenden Erweckungswunder haben zunächst wie angedeutet einen erzähltechnischen Hintergrund. Sie sollen Nervenkitzel garantieren und dem Zuschauer mit aller Macht suggerieren, dass der Held tatsächlich bedroht sei. Zusätzlich schwingt hier aber genau wie in den alten Legenden der Glaube daran mit, dass Unsterblichkeit auch ein Zeichen für Auserwähltheit und Reinheit sei. Wenn Harrison Ford in „The Fugitive“ (1993) von der Staumauer springt und den nach menschlichem Ermessen tödlichen Sprung überlebt, dann sind für den Zuschauer – und auch für seinen Gegenspieler Tommy Lee Jones – die letzten Zweifel ausgeräumt: dieser Mann ist unschuldig, ein wahrer Held. Wenn eine Atombombe derart folgenlos detoniert wie in „True Lies“ (1993), dann deshalb, weil Arnold Schwarzenegger eine Erlösergestalt ist, die selbst tödlichen Fall-Out von uns fernhalten kann. Sogar dann, wenn ein Held ausnahmsweise geopfert wird, bleiben für das sequel-sichernde Auferweckungswunder immer noch genügend Möglichkeiten, wie „Alien 4“ demnächst beweisen wird. Dennoch, allen kraftmeierischen und spektakulärem Erweckungswundern zum Trotz macht sich im ActionKino zusehends lärmende Leere breit. Langsam aber sicher geht auch die letzte „Restspannung“ flöten, hat doch inzwischen jeder noch so naive Zuschauer begriffen, dass die neuen Helden nur gewalttätiger aber nicht weniger unsterblich als die alten sind. Sie unterscheiden sich lediglich darin, dass sie „Parzival auf Schienen“ verkörpern – Helden in voller Fahrt aber ohne die geringste Entgleisungsgefahr. Und man denkt wehmütig an den schmalbrüstigen Parzival und dessen Leben-sinn-aventüre voll subtiler Spannung zurück. Das haben inzwischen auch die Autoren von Action28 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Filmen gemerkt und begonnen, nach Auswegen aus dieser Einbahnstrasse zu suchen. Beispielsweise dadurch, dass die Helden zwar nach wie vor unsterblich aber auch unvollkommen sind. Damit wieder jene elementare Spannung gewonnen werde, die dadurch entsteht, dass man unvollkommenen Helden eher ein Scheitern zutraut. Zwei solche, wenngleich eher misslungene Versuche, vielschichtige Action-Helden aufzubauen, sind „Ransom“ (1997) oder „The Long Kiss Goodnight“. Mel Gibson und Geena Davis verkörpern Helden, die nicht mehr als makellose Erlösergestalten erscheinen. Auf faszinierende und raffinierte Weise ist es John Woo gelungen, das Klischee vom reinen und unsterblichen Helden zu durchbrechen. In „Face/ Off“ (1997) geschehen zwar ebenfalls und gleich reihenweise Erweckungswunder: beide Hauptfiguren erwachen je einmal aus dem Koma, die Flucht aus dem Hochsicherheitsgefängnis wird als Auferstehung zum Licht inszeniert, es gibt ebenso eine Wiedergeburt aus dem Wasser wie den Sprung durch die Feuerwalze. Und die Schlussszene wird gar überdeutlich als Auferstehungwunder inszeniert: das Gesicht des Helden taucht unversehrt aus dem gleissenden Licht auf. Dennoch gelingt John Woo, wie in „The Killer“ (1989), neben der atemberaubenden Materialschlacht ein fast poetisches Kammerspiel. Dadurch nämlich, dass Held und Bösewicht Gesicht und Rolle vertauschen, wird der Zuschauer aus seiner Fixierung auf den Helden gerissen. Woo geht sogar soweit, auch dem Bösewicht ein Auferstehungswunder zu gönnen: Sein Kind wird dem Helden gewissermassen als Kuckucksei ins Familiennest gelegt. Damit geschieht in zweifacher Hinsicht eine Wiedererweckung, denn einerseits wird das zu Beginn getötete Kind des Helden „ersetzt“ – andererseits bleibt der bezwungene Feind gegenwärtig und damit das wiederhergestellte Glück ambivalent. Eine raffinierte Relativierung des herkömmlichen Schemas von Gut und Böse – auch mit Hilfe origineller Erweckungswunder. Nur, auch für John Woos Helden bedeuten Wunder lediglich die Möglichkeit, ihr gewalttätiges Werk für die gute Sache zum blutigen Ende zu führen. Als Zeichen, als Wink des Schicksals, werden sie nicht verstanden. Auf überraschende Weise anders verhält es sich dagegen in „Pulp Fiction“ (1993). Auch dort geschieht das Wunderbare, gehen Kugeln durch die beiden Killer Vincent und Jules hindurch ohne den geringsten Schaden anzurichten. Während jedoch Jules dieses Wunder als Zeichen auffasst und aus dem Gewerbe Reader aussteigt, sieht Vincent dafür keinerlei Veranlassung – und geht schliesslich drauf. Jules: „Mann, sieh dir diesen riesen Ballermann an – ne Monsterkanone. Wir sollten mausetot sein, Mann.“ – Vincent: „Ich weiss, wir hatten Glück.“ – „Nein, nein, das hat mit Glück nichts zu tun.“ – „Na, vielleicht.“ – „Das war göttliche Vorsehung. Weisst du, was göttliche Vorsehung ist?“ – „Ich glaube schon: Gott persönlich ist aus dem Himmel herabgestiegen und hat die Kugeln aufgehalten.“ – „Das ist richtig, das ist genau das, was es bedeutet: Gott persönlich ist aus dem Himmel herabgestiegen und hat die Kugeln aufgehalten.“ – „Ich denke, wir sollten langsam gehen Jules.“ „Tu das nicht, puste den Mistkerl nicht weg. Was hier gerade passiert ist, war ein verdammtes Wunder.“ – „Krieg dich wieder ein Jules, so was passiert.“ – „Falsch, falsch, so was passiert nicht einfach!“ – „Möchtest du diese theologische Diskussion im Wagen fortsetzen oder im Gefängnis mit den Bullen?“ – „Wir sollten verdammt noch mal tot sein, mein Freund. Was hier geschehen ist, ist ein Wunder, und ich verlange, dass du‘s anerkennst.“ – „Ja, in Ordnung, es war ein Wunder, können wir jetzt gehn...“ Thomas Binotto (ZOOM 10/1997) Heidnischer Blutrausch Lange wurde über den Jesusfilm des amerikanischen Superstars Mel Gibson debattiert – lange bevor überhaupt Bilder davon zu sehen waren. Jetzt läuft der Film in den Schweizer Kinos – die Debatte geht weiter… Spätestens wenn Jesus vor Pilatus steht und beharrlich schweigt, wird seine Mission offenbar: Er ist hier, um zu leiden und zu sterben. Oder wie es auf Devotionalien steht, welche Mel Gibsons Produktionsfirma verkauft: „Dying was his reason for living.“ (Sterben war sein Grund zu leben.) Damit wird der Inhalt und die Botschaft von „The Passion of Christ“ exakt zusammengefasst. Und nachdem der Körper von Jesus zwei Stunden lang gemartert wurde, wundert es auch nicht mehr, dass dieselbe Firma „The Passion Nail“, einen Passionsnagel am Lederbändchen, vertreibt, ja diesen sogar als Warenzeichen hat schützen lassen. Der Nagel wird zum Emblem einer Gemeinde, die nicht an Ostern glaubt – der die Passion alles ist. 29 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Gibsons Anspruch, die letzten zwölf Stunden im Leben Jesu biblisch und historisch korrekt auf die Leinwand gebracht zu haben, ist derart lachhaft, dass es sich kaum lohnt, darauf ernsthaft einzugehen. Selbstverständlich hält er sich nur oberflächlich betrachtet an die Evangelien. Sein Film strotzt vor Erfindungen, unter denen das Witzchen mit Jesus als Konstrukteur eines neumodischen hochbeinigen Tisches, noch das harmloseste ist. Das Vorhaben, aus den knappen und mit Details zurückhaltenden biblischen Quellen einen absolut quellentreuen zweistündigen Film zu machen, ist im Übrigen von vorneherein zum Scheitern verurteilt und war noch nie ein Garant für gelungene Jesusfilme. Formal arbeitet Gibson mit den kruden Mitteln des Action- und Horrorfilms. Dazu gehört die endlose Aneinanderreihung von Showdowns, unterbrochen von nichtssagenden und banalen Rückblenden, die lediglich dazu dienen, eine Atempause vor der nächsten Kampfszene zu gewähren. Dazu gehören optisch effektvoll aber ohne dramaturgische Logik eingesetzte Zeitlupenaufnahmen. Dazu gehört eine klebrig pompöse Tonspur. Dazu gehört ein unbekümmerter Rassismus, der sich mehr gewohnheitsmässig als gezielt an Juden und Schwulen vergeht. Dazu gehören billige Schockeffekte. Dazu gehören perfekt ausgeleuchte Folterszenen, in denen die Blutströme ästhetisch arrangiert werden. Und dazu gehört natürlich ein Held, der immer wieder aufsteht. Nachdem sich der moderne Action-Film ausgiebig im Fundus christlicher Ikonographie bedient hat, um seine Helden zu glorifizieren, tut Gibson nun das Umgekehrte: Er greift auf seine Erfahrungen im Action-Genre zurück und bastelt damit einen Prügelfilm für fromme Sadisten. Das bizarrste an Gibsons Film ist aber das Jesusbild, das er propagiert – es ist von reinstem Materialismus. Dieser Jesus ist nur Körper – und sonst gar nichts. Kein Reich Gottes, das er verkündet, keine Erlösung, für die er leidet, und schon gar keine frohe Botschaft. Dieser Jesus hat nur einen Auftrag: Sein Blut zu vergiessen – und nach jeder Demütigung, jeder Geisselung, jeder Tortur wieder aufzustehen, um auf dem Weg zur nächsten Qual weiterzustolpern. In seinem Leidensdrang wirkt er nicht mehr als Opfer sondern als ein von Hybris getriebener, unbarmherziger, verstockt aggressiver Fanatiker, der seine Widersacher dadurch in die Knie zwingt, dass er mehr Leiden aushält, als sie ihm zufügen können. Er blutet, also ist er! Es ist deshalb nur konsequent, dass Gibson bei der Darstellung der Auferstehung buchstäblich die Reader Luft ausgeht. Und so gefühllos grimmig wie sein Auferstandener aus dem Bild schreitet, wäre man nicht überrascht, ihn in einer Fortsetzung zu sehen, die dann wohl den Titel „The Holy Revenge“ tragen müsste. Man kann zu Recht einwenden, dass die Passion allzu oft verharmlost und als peinliche Zwischenstation auf dem Weg zur Auferstehung gezeigt wird. Aber nur wer Gift mit Gegengift bekämpfen will, kann Gibsons Jesus-Film als akzeptable Antwort auf ein allzu blutleeres Jesusbild propagieren. Gibsons Passion ist letztlich nichts weiter als ein grausames heidnisches Opferritual, das sich vollends als solches zu erkennen gibt, wenn der römische Soldat Jesus in die Seite sticht und er daraufhin zusammen mit Maria förmlich von einer segnenden Blutdusche getränkt wird. Wer ernsthaft glaubt, solche Drastik und Brutalität alleine genügten schon, um Mitleid, Erschütterung und Umkehr zu wecken, der verleugnet damit letztlich die Passionberichte selbst, so wie sie in den Evangelien stehen, denn diese haben es mit einem Minimum an Details geschafft, viel mehr als nur ein paar Kinotränen in Bewegung zu setzen. „The Passion of Christ“ – das ist kein Jesusfilm sondern eine obszöne Karikatur dessen, woran Christen glauben. Thomas Binotto (forum 7/2004) Die letzte Versuchung Blutig und doch blutleer: Mel Gibsons Bibelfilm „Die Passion Christi“ ist ein geschmäcklerisch konfektioniertes Schaustück Mel Gibson hat seine eigene Art, mit dem Schrecken umzugehen. „Krieg ist schrecklich“, sagt er. „Im zweiten Weltkrieg wurden zehn Millionen Menschen umgebracht. Einige von ihnen waren Juden in Konzentrationslagern.“ Zusehends unwirsch antwortet er Interviewern, die ihm eine Chance geben wollen, auf Distanz zu jenem hartnäckigen Antisemitismusvorwurf zu gehen, der seinem Film Die Passion Christi vorauseilte, als ihn noch keiner gesehen hatte. Und der nicht verstummen will, auch wenn inzwischen in den USA Kinokarten im Wert von 213 Millionen Dollar verkauft worden sind. Mel Gibsons Beharren, kein klares Wort zu sagen, das ihn von jenem notorischem Holocaustleugner namens Hutton Gibson absetzen könnte, der sein Vater ist und in Australien seit zwanzig Jahren eine fundamentalistische Glaubenspostille herausgibt, 30 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… hat inzwischen Riefenstahleske Dimensionen angenommen. „Ich habe auch Schindlers Liste gesehen, und weiß, was die Deutschen gemacht haben“, sagt er dann, als sei Spielbergs Werk die einzige zugängliche Quelle über den Holocaust. Trotzdem habe der Film niemanden dazu gebracht, die Deutschen zu hassen, so wie auch sein Film niemanden dazu bringen werde die Juden zu hassen. Die Juden wohl nicht, aber vielleicht Mel Gibson. Eine Art Ethno-Pop-Sinfonik Gern hätte man alle Taktlosigkeiten überhört, die Gibson der unbefangenen Sicht auf seinen Film selbst in den Weg gelegt hat. Wie den Ruf nach den aufgespießten „Eiern“ des (jüdischen) New York Times-Kolumnisten Frank Rich, den er mitsamt Hund umbringen wollte (den Hund nahm er, um eine Entschuldigung gebeten, später wieder zurück). Aber man ist ja leider nicht taub. Wäre man das, vielleicht käme man tatsächlich dorthin, Die Passion Christi so zu sehen, wie es uns die Kritiker der Welt, die missmutigen wie die gewogenen, seit den ersten Vorführungen glauben machen wollen: als Darstellung der Martern Christi in nie da gewesenem Realismus. Doch allem Realismus oder auch nur Naturalismus legt Gibson selbst das Handwerk. Die Folter- und Hinrichtungsszenen gibt es nur gezuckert mit einschmeichelnder Filmmusik, einer Art rhythmisierter Ethnopop-Sinfonik. John Debny hat sie komponiert, ein versierter Spezialist für Trickfilmmusiken, zuletzt war von ihm Looney Tunes zu hören. Die Wahl kommt nicht von ungefähr: Wie im klassischen Cartoon machen die punktuellen Töne Gewaltexzesse leichter erträglich. Und dies auf eine Weise, die den Zuschauern kaum bewusst wird. Selbst die Geschmacks-Alarmglocken, die schlechter Filmmusik oft ihre Wirkung vereitelt, setzen viel aus. Wäre es Gibson um pure Direktheit gegangen oder gar um eine veristische Darstellung der historischen Umstände - er hätte von Pasolinis Erstem Evangelium Matthäus-Film, der durch seine „arme“ Ästhetik Wunder wirkte, nicht nur den Drehort im italienischen Matera abgeschaut, sondern den maßvollen Umgang mit Filmmusik. Doch auch die Bilder geben selbst gestandenen Kritikern das Gefühl des „Niegesehenen“: Es seien „nicht die über alle Gesetze der Physik triumphierenden Spezialeffekte wie Saurier“, wie es eine Sonntagszeitung formulierte. Nun, zwanzig Special-effect-Designer haben an diesem Film gearbeitet. Wenn es ihrem Berufsethos entspricht, Reader ihre Arbeit im Verborgenen zu leisten, wäre es doch unredlich, ihre Leistungen hier nicht zu würdigen. Sie beginnen in den malerischen Nachtszenen im Garten Gethsemane am Filmanfang, über die seltsamerweise nie zu lesen ist. Digitale Geister huschen da unbiblisch und geschmacksverirrt zwischen den Büschen umher. Die technische Bildfabrikation reicht bis zum vulgären Surrealismus einer gewaltigen göttlichen Träne, die vom Himmel fällt und in der sich die Welt spiegelt. Dazwischen findet der Hauptteil statt: Unendliche Geißelungen, denen wie in Edgar Allan Poes Grube mit dem Pendel eine Inspektion des Werkzeugs vorausgeht. Gibson hat sie genau beschrieben gefunden in einem Text des Medizinhistorikers William D. Edwards, dessen Eingabe im Internet einen zu allen Sorten HardcoreKatholiken lenkt: „On the Phyhsical Death of Jesus Christ“. Jeder Peitschenhieb wird mitgezählt, es ist wie eine Lateinstunde in der Sesamstraße. Aber hat man dergleichen nie gesehen? Die Filmgeschichte kennt Vorbilder. Die drei Teile von George Romeros Zombie-Zyklus dürften Gibson bekannt sein. Nach Spielbergs Saving Private Ryan ist sein Film der zweite große Hollywoodfilm, der die Illusionstechniken des Splatterkinos in einen seriösen Kontext stellt. Bei Spielberg war es die Umwidmung als filmisches Kriegerdenkmal, die für die nötigen Weihen sorgte und die Kontextverschiebung als Gewinn erleben ließ. Wie auch immer man zu den ausladenden Gewaltszenen steht (keine erreicht für sich genommen die Intensität von Buñuels und Dalís Andalusischem Hund von 1929), es ist ein Phänomen, wie sie plötzlich von Menschen ertragen werden, die sich nicht einmal in die Nähe einer gewöhnlichen Videothek wagen. Wie ist dies möglich? Sind wir tatsächlich von fundamentalistischen Christen umgeben, die sich plötzlich reif fühlen, dem ganzen Leiden Jesu durch tapfere Ansicht teilhaftig zu werden? Woher kommt plötzlich diese Stärke, von Geist und Gesäß? Aus den Zimmermannsjahren Wieder gibt das Filmhandwerk selbst die Antwort. Gibson macht die Gewaltszenen konsumierbar, indem er sie subtil musikalisch vertonen lässt, mit wabernden Surroundgeräuschen unterlegt und mundgerecht portioniert. Immer wieder schneidet er (nichtbiblische) Parallelszenen aus Jesu Kindheit oder Zimmermannsjahren ein. Oder er schwenkt um zur treuen Maria Magdalena, deren Verkörperung durch Monica Belucci nur ein Mosaikstein ist im Konzept visueller Opulenz. Selbst die Bilder des Fleisches, über das sich immer weitere Kerben und Risse legen, 31 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… entwickeln einen eigenen, kunsthandwerklichen Reiz. Der braun-rötliche Grundton der Leinwand, die immer neuen Linien verselbstständigen sich von ihrer Entsprechung in der Wirklichkeit. Denn, noch einmal: Dies ist kein Film, der durch eine karge, harte Ästhetik berühren möchte. Es ist ein geschmäcklerisch konfektioniertes Schaustück, das sich wie der am wenigsten interessante Teil der reichen Geschichte von Bibelfilmen einzig der Illustration verschrieben hat. Das einzige, was diese Filmerfahrung wirklich neuartig machen könnte, ist die Abwesenheit jeden Mehrwerts außerhalb des Illustrativen. Viel muss man ja nicht erwarten. Doch es gibt keine piktoralistische Fotokunst wie in DeMilles König der Könige, es gibt kein schickes DevotionalienCamp mit erotischer Konnotation wie in Scoreses Die letzte Versuchung Christi und keine Hitsongs wie in Jesus Christ Superstar. Diese Passion ist ein Nichts von einem Film. Ohne den Namen des Regisseurs und die Medienpräsenz wäre sie eine Kandidatin für die Videothek um die Ecke. Seine Leinwandpräsenz wollen wir ihr gönnen. Denn in den Videoladen setzt sein Zielpublikum ja keinen Fuß. Daniel Kothenschulte (Frankfurter Rundschau vom 17. März 2004) URL: http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_ medien/feuilleton/?cnt=405590 Das 11. Gebot: Du sollst keine Jesusfilme machen Der deutsche Autor Hans Conrad Zander hat das beliebte Schlagwort <Jesus ja - Kirche nein> abgeändert in: <Kirche ja -- Jesus nein!> -- Nach dem Genuss von fast jedem Jesusfilm pflichte ich ihm aus tiefstem Herzen bei. <Du sollst keine Jesusfilme machen>, so lautet deshalb von nun an das 11. Gebot -- und ich bin sein Prophet. Weil aber heutzutage göttliche Autorität allein nicht mehr ausreicht, sehe ich mich gezwungen, dieses Gebot nicht nur zu verkünden, sondern auch zu begründen. Ich werde die Gelegenheit benutzen, um im gleichen Atemzug -- in guter theologischer Tradition -- auf ein paar Hintertürchen hinzuweisen, die uns dieses Gebot offen lässt. Subgebot Nr. 1: Du sollst keine Jesusfilme machen, weil das absolut Gute absolut langweilig ist Reader Grund für die gepflegte Langeweile, welche die meisten Jesusfilme verbreiten, ist zunächst einmal ein dramaturgisches Dilemma: Jesus ist -- wenigstens für einen glaubwürdigen Filmhelden -- schlicht zu gut. Im klassischen Jesusfilm ist der Kampf mit dem Bösen längst ausgefochten. Und weil auch das Ende allseits bekannt ist, sind selbst in dieser Beziehung enge Grenzen gesetzt. Die Versuchung Jesu durch den Teufel, sie verkümmert geradezu zum Scheingefecht. Mit Jesus tut sich die Filmkunst ähnlich schwer wie mit dem Paradies -- das absolut Gute und die absolute Glückseligkeit lassen sich nicht darstellen, und wenn man es dennoch versucht, dann wird es unweigerlich kitschig, banal und lächerlich. Das hat im übrigen bereits Dante erkannt und zugegeben, dass die Darstellung der Hölle viel leichter sei, als die des Himmels. Subgebot Nr. 2: Du sollst keine Jesusfilme machen, weil Matthäus nicht Charles Dickens ist und da Vinci unfehlbar Die Evangelien bieten zwar einen starken Plot, aber die Story ist voller Löcher, Details erfährt man kaum, und die psychologische Motivation bleibt erst recht im Dunkeln. Mit Charles Dickens als Redaktor wäre das alles ganz anders gekommen. Er beschreibt Handlungen, Figuren und Motivationen derart detailversessen, dass man eigentlich nur noch hingehen und nach dieser Vorlage filmen muss. Apropos Löcher in der Story: Man könnte meinen, dass gerade damit mehr Freiheiten für unterschiedliche Interpretation blieben. Weit gefehlt! Was die Bibel angeht, so sind die Erwartungen noch rigoroser als bei Literaturverfilmungen. Polemisch ausgedrückt: Im Laufe der Jahrhunderte haben es die Christen geschafft, aus einem Minimum an Quellen ein Maximum an Gewissheit herauszuholen. Für Spekulationen bleibt da kein Platz mehr. Am ehesten genügt man deshalb dem unfehlbaren Geschmack des Publikums, wenn man sich eng an die christliche Ikonographie hält. So wie da Vinci das Abendmahl gemalt hat, so muss es gewesen sein, und deshalb rüttelt daran auch Hollywood nicht. Subgebot Nr. 3: Du sollst keine Jesusfilme machen, weil du gezwungen sein könntest, Jesus zu zeigen Damals, als ich den Religionsunterricht besucht habe, bestand kaum eine Möglichkeit, dem Jesusfilm von Franco Zeffirelli zu entrinnen. Aber dieser wasserstoffblauäugige, sanft-fanatische, aseptisch-asketische Jesus war mir schlicht zuwider und meine Antipathie wuchs von Wunder zu Wunder. Und doch habe ich diesem Kinoschock eine tiefe 32 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Einsicht zu verdanken: Jesus wird im Film wie in keinem anderen Medium zu einer lebendigen Figur, zu einem Menschen, der mir sympathisch ist oder eben auch nicht. Dadurch wird spürbar, was es bedeutet, wenn plötzlich ein Verwandter, ein Nachbar, ein Freund aufsteht und behauptet, er sei der Messias. Und so ist es ganz sicher ein Glück, dass es zu Jesu Zeiten noch keine Videokameras gab; man stelle sich vor: <Das Leben Jesu> -- Ein Dogmafilm seines Jüngers Johannes. Weshalb mühen sich dennoch immer wieder Filmemacher mit Jesus ab, wo das Resultat doch eh nur misslungene und langweilige Filme sein können? Wegen der Hintertürchen, die uns das 11. Gebot offen lässt! Hintertür Nr. 1: Jesusfilme werden spannend, wenn man sich am Evangelium vergreift Als Martin Scorsese <The Last Temptation of Christ> drehte, stand für ihn die Frage <Was wäre, wenn...> im Zentrum. Was wäre, wenn Jesus nur Mensch gewesen wäre, wenn er der Versuchung nachgegeben, wenn Ostern nicht stattgefunden hätte? Scorsese wagte einen Blick auf den <unfertigen>, den vorösterlichen Jesus zu werfen -- und erntete dafür heftigste Schimpftiraden empörter Christen, die in ihrer Glaubenserstarrtheit nicht begriffen, dass sie Zeuge eines höchst ernsthaften Glaubensexperimentes wurden. In <The Life of Brian> stiess den frommen Kritikern die Bergpredigtszene besonders sauer auf, ausgerechnet eine der tiefsinnigsten Szenen des Films. Gerade die Christen von heute befinden sich nämlich in der gleichen Lage wie die Zuhörer auf den billigen Plätzen und ringen genauso um das Verständnis dessen, was Jesus wohl gemeint hat. Das jüngste Beispiel eines unbotmässigen Jesusfilms läuft jetzt im Kino an. Und auch <Dogma> enthält, neben Kalauern, geschmacklichen Entgleisungen und Längen mit einigen treffsicheren satirischen Spitzen. (Vgl. Kritik in dieser Ausgabe) Reader Frage gestellt, und damit war sein Film selbst für Fundamentalisten geniessbar. Was den Skandalfilmen bei ihrem Frontalangriff auf‘s Haupttor nur selten gelingt, transportieren diese Filme durch die Hintertür und unterwandern damit unsere Voreingenommenheit mit List -- beispielsweise in der subtilsten Umkehrung aller Jesusgeschichten -- im <Nazarin> von Luis Buñuel. Hintertür Nr. 3: Jesusfilme werden spannend, wenn Jesus nicht auftritt Ausgerechnet in <Ben Hur> ist eines der eindrücklichsten Jesusporträts gelungen. Mehrmals kreuzen sich die Wege von Ben Hur und Jesus, aber nie kriegt man das Gesicht des Messias zu sehen -- ein Jesusporträt, aufgezeichnet in seiner Wirkung. Man mag einwenden, dass Filme, in denen Jesus selbst nicht auftritt, eigentlich keine Jesusfilme mehr seien. Wenn man jedoch die Präsenz Jesu nicht auf seine bildhafte Anwesenheit reduziert, dann gehören gerade sie zu den eindrücklichsten der Gattung. Gerade in diesen <indirekten> Jesusfilmen zeigt sich, dass man einem Thema oft näher kommt, wenn man es nicht 1:1 abzubilden versucht. Je realistischer und bibeltreuer ein Jesusfilm dagegen zu sein versucht, desto heftiger muss er scheitern. Dank der Hintertürchen gibt es sie also doch, die spannenden und sehenswerten Jesusfilme. Allerdings, wer ein treuer Anhänger da Vincis ist, der wird damit rechnen müssen, hin und wieder in seinem Glauben an seine wahren Bilder erschüttert zu werden. Aber wenn Filme aufregend und intelligent gegen das 11. Gebot verstossen, dann habe selbst ich, als sein Prophet, meine Freude daran. Thomas Binotto (FILM 4/2000) Hintertür Nr. 2: Jesusfilme werden spannend, wenn man den <anderen> Jesus zeigt <Jésus de Montréal> wurde im Gegensatz zum fast gleichzeitig entstandenen Scorsese-Film mit einhelliger Begeisterung gefeiert. Einer der Hauptgründe liegt sicher darin, dass Arcand seine Jesusinterpretation nicht an Jesus selbst, sondern an einem <anderen> Jesus, einem Stellvertreter festgemacht hat. Jesus selbst wurde nicht in 33 Super! – Vom Fluch ein Held zu sein… Reader Filme von A-Z A Beautiful Mind* Abenteuer in Rio (J) Air Force One Amy und die Wildgänse* (K) Asterix (K) Barbarella Batman Brassed off - Mit Pauken und Trompeten* Brüder Löwenherz, Die* (K) Central Station* Chicken Run - Hennen rennen* (K) Club der toten Dichter, Der* (J) Daredevil (J) Das Sams (K) Der grosse Blonde mit dem schwarzen Schuh (J) Der Schein-Heilige Die Braut des Prinzen (J) Die Fahrten des Odysseus (J) Die glorreichen Sieben (J) Die Monster AG (K) Drei Engel für Charlie (J) Ein Mann geht durch die Wand (K) Elling* Entfesselte Helden Erin Brockovich* (J) Es gibt nur einen Jimmy Grimble* (K) Fahrraddiebe* Fantomas (J) Faust – Ein deutsches Volksmärchen Fearless - Jenseits der Angst* Gattaca (J) Geheimnisvolle Minusch, Die* (K) Halbe Treppe* Harry Potter und der Stein der Weisen* (K) Heil dem siegreichen Helden Hercules (K) Hero (J) Herr der Ringe, Der - Die Gefährten* (J) Herr der Ringe, Der - Die Rückkehr des Königs* (J) Herr der Ringe, Der - Die zwei Türme* (J) Hier ist John Doe Hodder rettet die Welt* (K) Hook (K) Hulk (J) Hund, der „Herr Bozzi“ hieß, Der* (K) Italienisch für Anfänger* Kick it like Beckham* (K) Kletter Ida* (K) König der Fischer* Le magnifique Leben ist schön, Das* Long Walk Home Lügen und Geheimnisse* Matilda (J) Matrix* (J) Mighty - Gemeinsam sind sie stark* (K) Mulan (K) My Name Is Joe* Nachtgestalten* Nazarin Ocean’s Eleven (J) Pippi Langstrumpf (K) Prinz Eisenherz (J) Pünktchen und Anton* (K) Rio Bravo (J) Ronja Räubertochter* (K) Seabiscuit (K) Shallow Hall Shrek* (K) Skagerrak Small Soldiers (J) Space Cowboys (J) Spiderman 1 & 2 (J) Star Wars (J) Superman (J) Tarzan, der Affenmensch (J) Terminator 1 & 2 The Big Lebowski The Purple Rose of Cairo Tiger & Dragon* (J) Toy Story I & II (K) True Lies Truman Show, Die* (J) Unglaublichen, Die (K) Whale Rider* (K) Wolken ziehen vorüber* X-Men 1 & 2 (J) K J Filme, die sich bereits für Kinder eignen. Filme, die sich von ihrer Thematik und Machart besonders für Jugendliche eignen. * Diese Filme sind im Katalog der Medienverleihstellen enthalten. 34