Neuwerker Rundblick
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Neuwerker Rundblick
1€ Freier Verkauf: Nr. 14 / April 2014 Neuwerker Rundblick Zeitung für die Insel und das Festland Helgoland – vom Neuwerker Turm gesehen (Foto: Frank Toussaint) • Aus 80 Jahren rund um Neuwerk (Teil 2) • Vogelvielfalt auf der Insel • Jordsand Jubiläum M • 200 Jahre Turmlicht – Fest am 2. August it Fl Ins ip elk pe a r- rte Pl u an n d • Der Sonnenfotograf 2 Neuwerker Rundblick Nummer 14 / Juli 2014 53° 54’ 54,8’’ N, 8° 29’ 45’’ O Ein Bild, fast ohne Worte. Die Inselschule, nach dem Wechsel der letzten Schülerin in eine weiter führende Schule auf dem Festland, zurzeit verwaist. Nachwuchs ist aber schon in Sichtweite, in spätestens vier Jahren wird die Schule wieder Leben zeigen. Schullandheime Klassenfahrt Als aufmerksamer Leser des Rundblicks darf ich Ihnen eine Aufklärung zu den Seiten 8 und 9 schicken: Bei den beiden Aufnahmen handelt es sich nicht um LANDschulheime sondern um SCHULlandheime. Landschulheime sind voll ausgebaute Schulen, die bis zum Abitur führen. Ihr Begründer war Hermann Lietz. Schullandheime sind mit Jugendherbergen vergleicbar, denn sie ermöglichen z.B. den Aufenthalt bei Klassenfahrten. Günter Rettmer, Cuxhaven Stimmt, Herr Rettmer. Den Fehler schleppen wir schon über Jahre mit, werden es aber ändern! Das Schullandheim Meereswoge auf Neuwerk wird von den Schulen in Hamburg-Bramfeld betreut (www.schullandheim-meereswoge.de). Das Schullandheim auf der Neuwerker Turmwurt wird von der Hamburger Heinrich-Hertz-Schule verwaltet. (www.hh.schule.de/hhs/Neuwerk.php). Vielen Dank für die Zusendung des Rundblicks. Im Jahr 1963 bin ich als damals noch junger Lehrer mit meinen Schülern auf Neuwerk gewesen. Und im Jahre 2013 ist diese Klassenfahrt in verkürzter Form mit zehn Schülern wiederholt worden. Als Dank und Gruß und zur Erinnerung habe ich diesen Schülern nun den Rundblick zugeschickt. Dieter Klemens Wattführerverordnung Schon länger wollte ich mich näher mit dem Interview zu der neuen Wattführer-Verordnung für Niedersachsen befassen, bin aber jetzt erst dazu gekommen. Ich halte dieses Bürokratie-Ungetüm für völlig verfehlt und möchte, dass dies öffentlich zum Ausdruck gebracht wird. Peter Ebert Der Beitrag hat auch auf Neuwerk rege Diskussionen bewirkt und wird den Rundblick weiter beschäftigen. Liebe Leserin, lieber Leser! der mittlerweile 704 Jahre alte Neuwerker Turm hat ein weiteres Jubiläum zu bieten: 2014 jährt sich zum 200. Mal der Tag, an dem das erste Mal ein euer in der Spitze des Turms zur Orientierung für die Schifffahrt gezündet wurde. Grund genug, ein kleines Fest zu feiern. Am 2. August wird es auf dem Turmplatz u.a. ein Sonderpostamt geben, das mit einem Sonderstempel auf das Jubiläum aufmerksam macht. Ein wahrhaft selten und eigentlich nur vom Neuwerker Turm zu sehendes Bild ziert den Titel dieses Rundblicks: die Helgoländer Skyline vor der untergehenden Sonne von Neuwerk gesehen. Zwei Jahre hat Frank Toussaint auf diesen Moment gewartet, den richtigen Zeitpunkt errechnet, ihn dann doch wegen schlechten Wetters verpasst und hatte dann im letzten Jahr das Glück des Tüchtigen. Die Besucher der Insel machen sich normalerweise wenig Gedanken über all die Tätigkeiten, die hinter all den Veranstaltungen, Führungen, der Betreuung der Vogelschutzgebiete und des Nationalparkhauses stehen. Ohne Ehrenamtliche, die über das ganze Jahr oder einige Monate bei diesen Aufgaben helfen, wären schnell die Türen zu... Eckart Schrey macht sich seine Gedanken und singt ein Hohelied auf das Ehrenamt. Die Jubiläen auf der Insel geschehen im Stillen. Auch weil in der Saison viel zu wenig Zeit zum Feiern ist. Deshalb an dieser Stelle: Glückwunsch an Anneliese Griebel zu ihrem 50. Inseljubiläum; und an Heiko Kalenbach, der schon seit 25 Jahren bei Volker Griebel »den Hof hütet«. Und: in diesem Heft der zweite Teil der Erinnerungen der Neuwerk-Besucherin, die schon über 80 Jahre regelmäßig die Insel besucht. Erinnerungen so präsent, als seien sie erst gestern passiert. Es wünscht Ihnen viel Spaß beim Lesen Ihr Herausgeber IMPRESSUM NEUWERKER RUNDBLICK Zeitung für die Insel und das Festland – m.MEDIENPRODUKTION GmbH, Hamburg Erscheint als Beilage in den CUXHAVENER NACHRICHTEN in Kooperation mit der Cuxhaven-Niederelbe Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. Kaemmererplatz 2, 27472 Cuxhaven, Telefon: (04721) 585-0, Fax: (04721) 585-336 Auflage: 14.800 Exemplare Redaktion: m.MEDIENPRODUKTION GmbH Ahornweg 19, 22395 Hamburg, Tel.: (040) 6047571, ralf.flechner@t-online.de Ralf Flechner (rf) (V.i.S.d.P.) Anzeigenverkauf: Lothar Arndt, Telefon (04721) 585-302, Fax (04721) 585-230, larndt@cuxonline.de und m.MEDIENPRODUKTION, Tel.: (040) 6047571, Fax: (040) 6045771, ralf.flechner@t-online.de Satz, Grafik und Gestaltung: Hauke Brüggemann Druck: Druckzentrum Nordsee, Am Grollhamm 4, 27574 Bremerhaven Alle namentlich gezeichneten Beiträge sind in der Verantwortung der Autoren Nummer 14 / Juli 2014 3 Neuwerker Rundblick Nige Hörn mit Scharhörn im Hintergrund. 25 Jahre Nigehörn: Eine künstliche Insel im Wattenmeer VOM IMME FLEGEL ufgrund der zunehmenden Landverluste in den 1980er Jahren drohte Scharhörn als hochwassersicherer Seevogelbrutplatz verloren zu gehen. Als eins der größten Naturschutzprojekte in der Geschichte des Wattenmeeres gilt die künstliche Schaffung der Insel Nigehörn im Südwesten der Scharhörnplate. 1,2 Mio. m³ Sand wurden mit Saugbaggern aufgespült, kreisrunde Sandfangzäune errichtet, Dünen aufgeschoben und per Hand bepflanzt. Zunächst sind zur Befestigung des wehenden Sandes Raps und andere Süßpflanzen ausgesät worden, die bald – wie geplant – wegen des hohen Salzeintrags wieder verschwunden waren. Schon in den ersten fünf Jahren wurde die neue Insel Nigehörn als Rast- und Brutplatz besetzt und typische Biotope etablierten sich. Bereits im ersten Jahr nach Abschluss der Spülarbeiten konnten fünf Brutvogelarten auf Nigehörn nachgewiesen werden. Sandregenpfeifer, Seeregenpfeifer und Zwergseeschwalbe besiedelten mit insgesamt 19 Brutpaaren die vegetationsarmen, sandigen Innenbereiche sowie den Randbereich der Insel. Zusätzlich trat der Austernfischer und, als einzige Singvogelart, die Feldlerche auf. 1991 gründeten bereits Fluss- und Küstenseeschwalbe erste Kolonien mit 300 bzw. 60 Brutpaaren auf der Insel und auch erste Silbermöwen siedelten sich an. In den Jahren 1997, 2004 und 2009 wurden Vegetations-Kartierungen durchgeführt. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums ist für 2014 eine erneute Bestandsaufnahme vorgesehen. Die ersten Untersuchungen ergaben eine signifikante Erosion an den meerzugewandten Seiten, die die Entwicklung von Scharhörn widerspiegelt. Die Forschungen von 2004 ergaben eine Verdoppelung der Vegetationsfläche. Die früheren Erosionszo- A nen sind nun von Weißdünen bedeckt und sogar die exponierte Nordwestkante erwies sich als weitgehend stabil. Im sturmreichen Winter 2006/2007 verschob sich die meerzugewandte Vegetationslinie von Scharhörn um 15,5 m im Nordwesten der Insel. Andererseits wuchs die Insel zwischen 1953 und 1983 im Osten um 15 m pro Jahr. Auf Nigehörn erodierte ebenfalls nur die Kante im Nordwesten, andere Vegetationsbereiche waren stabil oder nahmen zu. Legt man die Pionierzone als äußerste Grenze der Inseln fest, wäre der imaginäre Inselmittepunkt von Scharhörn seit 2001 um 400 m und von Nigehörn um 600 m gewandert. 1989: Per Hand bepflanzt. odenbrütende Kormorane dominieren auf der äußeren Dünenkante das Erscheinungsbild Nigehörns. Ebenso sind je ein Paar bodenbrütende Wanderfalken und Sumpfohreulen immer wieder eindrucksvolle Brutvögel auf beiden Inseln. In den vergangenen Jahren besiedelten vor allem Eiderenten nahezu flächendeckend die Insel Nigehörn, einige Graugänse, Löffler und Nilgänse gesellen sich als neue Brutvogelarten dazu. Obwohl sich die Fläche der Salzwiese auf der Sandplate seit den 1990er Jahren stark vergrößerte, ist es bisher nicht mit günstigeren Brutbedingungen für Rotschenkel und Austernfischer verbunden. Die noch relativ niedrig liegende Salzwiese bietet für beide Watvogelarten offenbar noch keinen ausreichenden Hochwasserschutz, um diesen neuen Lebensraum zu besiedeln. Mit zunehmender Erhöhung der Fläche werden vermutlich günstigere Lebensbedingungen entstehen – vorausgesetzt, dass die anhaltende Sedimentation mit dem Anstieg des Meeresspiegels mithalten kann. B 4 Neuwerker Rundblick Nummer 14 / Juli 2014 200 Jahre Leuchtfeuer auf 1568 erade zwei Jahrhunderte ist es her, dass auf Neuwerk das Feuer auf dem Großen Leuchtturm gezündet wurde. Am 23. Dezember 1814 strahlte das Licht zum ersten Mal über die Elbmündung. Nach Cuxhaven (1803) und Helgoland (1811) war es die dritte wichtige Markierung zur nächtlichen Ansteuerung der Elbe. G Schon im 13. Jahrhundert hatte Hamburg zugesagt, auf Neuwerk ein Leuchtfeuer zu errichten, aber zunächst war nichts passiert – bis etwa 1644. Dann wurde auf der Insel wie auch an anderen Stellen der Nordseeküste eine Blüse errichtet – ein rund 20 Meter hohes Holzgestell, auf dem nachts ein Kohlenfeuer brannte. Offene Feuer waren jedoch schwer zu unterhalten. Allein das Heranschaffen der nötigen Kohlenmengen kostete Geld und Personal. Im 18. Jahrhundert waren in England und Frankreich schon viele Leuchttürme auf Ölfeuer umgestellt worden. Dabei befand sich je eine Öllampe in einem Hohlspiegel, der das Licht bündelte. Réverbere nann- ten die Franzosen so etwas – ein Begriff, der sich bald auch in Deutschland verbreitete. Von diesen Hohlspiegel-Lampen montierte man 10 oder 20 Stück auf ein Gestell, dass man in dem verglasten Laternenaufbau eines Leuchtturms aufhängte. Das Hamburger Admiralitätskollegium – die oberste Hafenbehörde – schlug daher 1789 vor, die alte Neuwerker Blüse durch einen festen Feuerträger zu ersetzen – das sollte aber noch 25 Jahre dauern. Zunächst wurden Untersuchungen und Experimente gemacht, mit denen auch Johann Georg Repsold beauftragt wurde, ein in Wremen geborener Feinmechaniker. Er stellte fest, dass Walrat aus Pottwalköpfen die hellste Flamme gab. Zum Glück für die Wale war aber das Öl von Raps und anderen Arten dieser Gattung viel billiger und fast genauso hell. Waltran brannte recht funzelig und Olivenöl taugte gar nichts. Als Ende 1801 die Rossbake zu Cuxhaven einem Sturm zum Opfer fiel, musste Neuwerk erst einmal warten. Hamburg entschied, zunächst in Cuxhaven einen Leucht- turm zu errichten. Der Laternenaufbau und die dazu gehörigen Lampen wurden in England gekauft. Sie mussten wegen der Kontinentalsperre über das damals dänische Tönning an die Elbmündung geschmuggelt werden. 1805 konnte der »Hamburger Leuchtturm« auf der Alten Liebe in Betrieb gehen. Nun sollte auch Neuwerk endlich ein geschlossenes Feuer erhalten: Man wollte den alten Wehrturm zum Leuchtturm umbauen. Schließlich hatte man bei Cuxaven gesehen, dass der Betrieb eines Leuchtturms nur ein Drittel von dem einer Kohlenblüse kostet. Inzwischen hatte aber in Norddeutschland die Zeit der französischen Besetzung begonnen und wieder musste man 1751 Nummer 14 / Juli 2014 5 Neuwerker Rundblick dem Neuwerker Turm 1808 1815 2012 Der kleine Leuchtturm einige Jahre warten. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) ging jedoch die Macht Frankreichs in diesem Teil Europas zu Ende und 1814 schließlich waren Hamburg und auch Neuwerk von den Franzosen befreit. Nun konnte die Befeuerung Neuwerks beginnen – es sollten sogar zwei Leuchttürme werden. Die beiden kupfernen Laternenaufbauten und Lampen mit entsprechenden Halterungen hatte Repsold schon auftragsgemäß angefertigt. Das konnte er nun wiederholen, denn in den Wirren der Franzosenzeit waren die teuren Teile gestohlen worden. Vom Neuwerker Wehrturm wurde das Satteldach abgenommen und durch eine fast rundum verglaste Laterne ersetzt. Innen hing ein Gestell mit 21 Réverberen. Erst 1892 ersetzte man sie durch eine fünfdochtige Petroleumlampe, die im Zentrum der heutigen großen Gürteloptik stand. Farbige Scheiben zur Kennzeichnung der Sektoren gab es natürlich damals noch nicht und auch auf Blinken oder Blitzen verzichtete man. Mit dem Putzen der Hohlspiegel und der Glasscheiben hatten die Leuchtturm-Wärter reichlich zu tun. Im Winter wurde trotz eines Ofens, der zwei Stockwerke unter den Lampen stand, gelegentlich das Öl hart und musste aufwändig wieder verflüssigt werden. Damals gab es noch den zweiten Leuchtturm auf Neuwerk. Das kleine Gebäude, dessen Bau man schon 1808 beschlossen hatte, errichtete man etwa dort, wo sich zuvor die Kohlenblüse befunden hatte, dem heutigen Standort der Inselschule. Wenn man von See ungefähr aus Richtung Helgoland kommend das Feuer des kleinen Turms genau vor dem des großen sah, konnte man bei günstigen Verhältnissen gerade gut über die west- lichen Ausläufer des großen Vogelsandes kommen. Sobald das Wasser dann wieder tief genug war, steuerte man backbords in die Elbe ein. Nach fast 200 Jahren Betriebszeit wurde das Leuchtfeuer Neuwerk am 10. Februar 2014 für die durchgehende Elbschifffahrt außer Dienst gestellt. Jetzt dient der Turm nur noch den Wattwagen und Sportschiffern zwischen Elbe und Weser als Orientierung. Aus Anlass des 200. Geburtstags des Feuers wird es am 2. August 2014 auf der Insel Führungen auf die Spitze des Turms geben. Ein für diesen Tag entworfener Sonderstempel wird am gleichen Termin von einem Sonderpostamt am Turm ausgegeben. 6 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Der Sonnenfotograf TEXT UND FOTOS VON PETER EBERT onnenaufgang und Sonnenuntergang, das sind Klassiker unter den Fotomotiven. Millionenfach und weltweit abgelichtet, finden sie sich in so gut wie jeder Sammlung, von vielen auf Dauer als eintönig abgetan, von anderen immer wieder aufs Korn genommen. S Nehmen wir den Sonnenaufgang. Besessen zu sein von diesem Schauspiel verlangt Härte gegen sich selbst. Selbst wer unter Schlaflosigkeit leidet, dürfte es im Prinzip wenig erstrebenswert finden, sich in aller Herrgottsfrühe rauem Wind und frischen Temperaturen auszusetzen. Dabei kann man sich meist noch nicht einmal sicher sein, dass die Aufführung wirklich stattfindet. Plötzlich aufziehende Wolken oder eine Dunstbank am Horizont vermasseln allzu gern die Pläne, und der Fotograf steht frustriert und fröstelnd in der Landschaft, konfrontiert mit fadem Grau oder gar einem heftigen Schauer. och heute bin ich auf der sicheren Seite. Saisonende, Sonnenaufgang erst um 8.04 Uhr, das tut noch nicht einmal weh. Und schon der erste Kontrollblick gegen sieben zeigt: Da tut sich was. Als ich kurz vor halb acht aufbreche, bepackt mit Fotorucksack und Stativ, grenzt sich ein intensives oranges Glühen klar vom fast noch schwarzen Nachthimmel ab. Mit D wachsender Vorfreude stapfe ich über feuchte Wege durch die Dämmerung. Früh genug dran bin ich auf jeden Fall. Ich werde reichlich Zeit haben, um meine Kamera auszurichten und bereits erste Aufnahmen zu machen, bevor die Sonne sich am Horizont erhebt. Das wird sie übrigens hinter der Küstenlinie von Cuxhaven tun, die sich als schmaler Streifen hinter dem Duhner Watt erstreckt. Den ge- eigneten Standort habe ich gestern ermittelt, habe festgestellt, wo in diesen Tagen die Sonne ihren Tageslauf beginnt, habe auch nach einem interessanten Vordergrund Ausschau gehalten. Wasser ist immer gut, aber gerade in der Morgendämmerung ist es erste Wahl, denn bei noch schwachem Licht sind zusätzliche Akzente willkommen. Beim gestrigen Versuch war ich erfolglos. Zwar lag ich auch da schon mit meiner Schätzung bezüglich der optimalen Stelle annähernd richtig, doch das Wetter spielte nicht mit. Als die Sonne sich endlich durch die Wolken gekämpft hatte, stand sie bereits hoch und blendend am Himmel. Aber wenigstens weiß ich jetzt genau, wohin ich mich begeben muss, um die ideale Position einzunehmen. Ich laufe also auf die »Meereswoge« im Südosten der Insel zu und überquere dort den Deich. Der Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick nun unbeeinträchtigte Blick auf das Farbspiel am Himmel ist atemberaubend. Nun nur noch wenige Augenblicke bis zur Uferkante zwischen Zone 1 und Wattwagenauffahrt – doch während ich, den Blick wegen des unebenen Geländes fest auf den Boden gerichtet, die letzten Meter zurücklege, trübt es sich plötzlich ein, schwächt sich das Leuchten ab, als habe jemand an einem Dimmer gedreht. Vorsichtig trete ich auf die feuchten und unregelmäßig geformten Steine der Uferbefestigung, und während ich hastig mein Stativ aufbaue, um doch noch etwas von der Farbenpracht abzubekommen, werfe ich einen kritischen Blick auf die Szene vor mir. s hat sich ausgeglüht am Himmel, leider. Na ja, immerhin halten mich zarte Pastelltöne zwischen aufziehenden Wolken und einem Dunstschleier am Horizont davon ab, sofort die Segel zu streichen. Ich richte meine Kamera aus und mache ein, zwei Probeaufnahmen. Gar nicht so schlecht, bestätigt mir das Bild auf dem Monitor. Schimmernde Pfützen zwischen dem schwarz wirkenden Bewuchs des Vorlands beherrschen den Vordergrund, dahinter wie ein zerfaserter dunkler Strich die Lahnungen vor dem offenen Wasser und schließlich ein Himmel, der sich noch nicht entschieden hat, ob er mir etwas bieten soll oder nicht. Was ist denn nun mit uns, Sonne? Nicht dass ich vor Ungeduld platzen würde; ich habe warten gelernt. Aber allzu viel Zeit haben wir nicht, gut zwanzig Minuten vielleicht, dann wird heller Tag sein. Doch ich habe nicht vergeblich ausgeharrt; nach einigen Minuten des Wartens kommt Bewegung in die Sache. Ein breites Band über dem Horizont beginnt sich orange zu verfärben, die Wolken darüber machen sich schlank und lassen Platz für einen klar abgegrenzten Streifen Gelb. Nicht schlecht, fehlt nur noch die Hauptdarstellerin. Und da ist sie, steigt als zunächst noch diffuses helles Gebilde empor, und als sie den Wolkenstreifen unter sich gelassen hat, nimmt sie Form an. Feuchte Luft und ein dünner Wolkenschleier lassen sie riesig erscheinen und ungewöhnlich hell, fast weiß. Um sie herum ein leuchtend gelber Kranz, umgeben von Ziegelrot. Hinter meinem Stativ leicht zur Kamera vornübergebeugt, mache ich Aufnahme um Aufnahme, kontrolliere am Monitor, hebe immer wieder den Kopf, um das Schauspiel auch in natura zu bewundern. Schließlich steigt der Sonnenball zu hoch für weitere Fotos. Zu grell leuchtet er jetzt, die Farben um ihn E herum verblassen, zudem verdichtet sich der Schleier am Himmel. Nach einem letzten prüfenden Blick schraube ich die Kamera ab und schiebe das Stativ zusammen: Vorstellung beendet. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was mir geboten wurde. Nur das fantastische orange Glühen ganz zu Anfang, als ich mich gerade auf den Weg gemacht hatte, das hätte ich doch gern auch noch eingefangen. Aber was soll s. Der Sonnenaufgang hat nicht nur mich beeindruckt. Später beim Frühstück ist er Hauptgesprächspunkt, denn auch andere Gäste haben ihn zu Gesicht bekommen. Allerdings war ich als einziger draußen. Ich erzähle meiner Wirtin von meinen Erlebnissen und dem verpassten ersten Akt des Schauspiels. Sie lacht, geht hinaus, kommt zurück mit ihrer kleinen Kompaktkamera in der Hand. Von Beginn an hatte sie das Geschehen am Himmel beobachtet und vom Fenster aus fotografiert, bevor ihre allmorgendliche Arbeit rief. a ist es auf dem Monitor, das Glühen, allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler. Jeder integrierte Zoom hat seine Grenzen, und so sieht man vor einem tollen Himmel ziemlich viel Schwarz. Klar: Der Ausguck am Fenster des Gastraums, weit ab vom Geschehen, ist alles andere als ideal, zu viel dunkler Vordergrund, nach oben begrenzt vom Deich. Mein morgendlicher Fußmarsch war zweifellos die richtige Entscheidung, nur hätte ich noch früher aufbrechen sollen. D 7 8 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Schullandheim am Turm Seit vergangenem Jahr gibt es keine Grundschulkinder auf Neuwerk; für »Nachwuchs« ist aber gesorgt! Neuwerkstatt Schullandheim Nummer 14 / Juli 2014 9 Neuwerker Rundblick © Neuwerk er Rundblic k 2010 2009: die Ostbake steht wieder! Die »Meereswoge«: einst Hotel, jetzt Schullandheim Schullandheim Meereswoge Den Fahrplan der M.S. Flipper finden Sie auf www.cassen-eils.de 10 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Service: Schiff, Wattwagen und Wattführung Neuwerk – Cuxhaven Schiff ab Cuxhaven Wattführung Duhnen 01. 12.00 08.30 09.00 10.00 16.30 02. 12.30 09.00 09.30 10.15 03. 13.00 09.30 10.00 04. 13.30 10.00 05. 14.00 06. Seehunde ab CuxhaWattven wagen NW Cuxhaven – Neuwerk Neuwerk – Cuxhaven Wattführung Seehunde ab CuxhaWattven wagen NW August Schiff ab Cuxhaven Duhnen 08.30 01. 12.30 09.00 09.30 10.15 17.30 08.45 17.00 08.45 02. 13.30 09.45 10.15 10.45 18.30 09.15 11.00 10.30 17.30 09.00 03. 14.00 10.15 10.45 11.15 19.00 09.45 11.30 10.30 11.00 18.30 09.30 11.00 04. 14.30 11.00 11.30 11.45 19.00 10.15 12.00 10.45 11.15 11.45 19.30 10.15 11.30 05. 15.00 11.45 12.15 12.45 20.00 11.15 12.30 15.00 11.30 12.00 12.30 20.00 11.00 12.30 06. 16.30 12.45 13.15 13.45 20.00 12.15 13.30 07. 16.00 12.30 13.00 13.30 20.00 12.00 13.30 07. 08.00 14.15 14.45 15.00 20.30 13.45 15.00 08. 07.30 13.30 14.00 14.30 20.30 13.00 14.30 08. 09.00 16.15 11.00 15.15 13.00 09. 09.00 15.45 11.00 14.30 13.00 09. 09.00 17.30 12.30 16.30 15.00 10. 09.00 16.45 11.30 15.30 14.00 10. 09.00 07.00 13.30 17.30 11. 09.00 18.00 12.30 16.45 15.00 11. 09.30 12. 09.00 07.15 13.30 17.45 16.00 12. 10.30 13. 10.00 07.00 08.00 14.30 18.30 13. 11.30 14. 11.00 08.00 08.30 15.30 19.30 14. 15. 11.30 08.15 08.45 09.30 16.00 20.15 16. 12.30 09.00 09.30 10.15 17.00 17. 13.00 09.45 10.15 10.45 18. 14.00 10.30 11.00 19. 15.00 11.15 20. 15.30 21. 16.30 22. 08.00 23. Wattwagen Schiff ab Sahlenbg. Sahlenburg Neuwerk Wattwagen Schiff ab Sahlenbg. Sahlenburg Neuwerk 08.00 14.00 18.15 07.45 09.00 15.00 19.15 08.00 08.30 09.30 16.00 20.00 12.30 08.45 09.15 10.00 17.00 08.30 15. 13.00 09.30 10.00 10.30 18.00 09.00 08.45 16. 13.30 10.00 10.30 11.00 18.30 09.30 11.00 17.30 09.15 17. 14.30 10.45 11.15 11.45 19.30 10.15 12.00 11.30 19.00 10.00 11.30 18. 15.00 11.30 12.00 12.30 20.00 11.00 12.30 11.45 12.15 20.00 10.45 12.30 19. 16.00 12.15 12.45 13.15 20.00 11.45 13.30 12.00 12.30 13.00 20.30 11.30 13.00 20. 07.30 13.30 14.00 14.30 20.00 13.00 14.00 13.00 13.30 14.00 20.30 12.30 14.00 21. 09.00 15.45 11.00 14.30 13.00 14.15 14.45 15.00 20.30 13.45 14.30 22. 09.00 16.45 12.00 15.45 14.30 09.00 16.15 11.00 15.00 13.00 23. 09.00 17.45 13.00 16.45 15.30 24. 09.00 17.30 12.00 16.15 14.30 24. 09.00 07.30 13.30 17.30 25. 09.00 18.00 13.00 17.00 15.30 25. 09.30 08.00 14.00 18.00 26. 09.30 07.30 14.00 17.45 26. 10.00 08.30 14.30 18.30 27. 10.00 08.00 14.30 18.30 27. 10.30 07.45 09.00 15.00 19.00 28. 10.30 07.30 08.30 15.00 19.00 28. 11.00 08.15 09.15 15.30 19.30 29. 11.00 07.30 08.00 09.00 15.30 19.30 29. 11.30 08.15 08.45 09.30 16.30 20.00 30. 11.30 08.00 08.30 09.30 16.00 20.00 30. 12.30 08.45 09.15 10.00 17.30 08.30 31. 12.00 08.30 09.00 10.00 16.30 08.30 31. 13.00 09.30 10.00 10.30 18.00 09.00 Cuxhaven – Neuwerk Neuwerk – Cuxhaven Wattführung Seehunde ab CuxhaWattven wagen NW September Schiff ab Cuxhaven Duhnen 01. 13.30 10.00 10.30 11.00 18.00 09.30 02. 14.00 10.30 11.00 11.30 18.30 03. 14.30 11.15 11.45 12.15 04. 16.00 12.15 12.45 05. 08.00 06. Cuxhaven – Neuwerk Neuwerk – Cuxhaven Schiff ab Cuxhaven Duhnen 11.00 01. 13.30 10.30 11.00 11.30 18.00 10.15 10.00 11.30 02. 14.30 11.00 11.30 12.00 18.30 10.45 12.00 19.30 10.45 12.00 03. 12.00 12.00 13.15 20.00 11.45 13.30 04. 14.45 10.00 13.30 12.30 05. 09.00 16.00 11.00 15.00 14.00 09.00 16.15 11.00 15.00 13.30 06. 09.00 17.00 12.00 16.00 15.00 07. 09.00 17.15 12.00 16.15 14.30 07. 09.00 17.45 13.00 16.45 08. 09.00 18.30 13.00 17.15 15.30 08. 09.30 07.30 13.30 17.45 09. 09.30 07.45 14.00 18.00 09. 10.00 08.15 14.30 07.00 10. 10.30 08.45 15.00 18.45 10. 11.00 09.00 15.00 07.45 11. 11.00 09.30 15.30 08.15 11. 11.30 08.45 09.15 16.00 08.00 12. 12.00 09.00 09.30 16.30 08.00 12. 12.00 09.15 10.00 16.30 08.45 13. 12.30 09.00 09.30 10.00 17.30 08.30 13. 13.00 10.30 17.00 09.15 14. 13.00 09.45 10.15 10.45 18.00 09.15 14. 13.30 11.00 18.00 09.45 15. 14.00 10.15 10.45 11.15 18.30 09.45 11.30 15. 14.00 11.15 18.30 10.00 16. 14.30 10.45 11.15 12.00 19.00 10.30 12.00 16. 14.30 12.00 18.30 10.45 12.00 17. 15.00 11.30 12.00 12.30 19.30 11.00 12.30 17. 15.30 13.00 19.00 Wattwagen Schiff ab Sahlenbg. Sahlenburg Neuwerk Wattführung Seehunde ab CuxhaWattven wagen NW Oktober Wattwagen Schiff ab Sahlenbg. Sahlenburg Neuwerk 13.30 14.45 13.15 11.30 13.00 18. 14.00 12.30 18. 14.30 13.00 14.00 19. 15.15 14.00 19. 15.45 14.30 15.00 20. 09.00 16.30 11.30 15.15 14.00 21. 09.00 17.30 12.30 16.15 15.00 22. 09.00 18.15 13.00 17.00 23. 09.00 07.30 13.30 17.30 24. 09.30 08.00 14.00 18.00 25. 10.30 08.30 15.00 18.30 26. 11.00 08.45 15.30 07.30 27. 11.30 08.30 09.30 16.00 08.00 28. 12.00 08.30 09.00 10.00 16.30 08.30 29. 12.30 09.00 09.30 10.30 17.00 09.15 30. 13.00 09.45 10.15 11.00 17.30 09.30 (Quelle: www.helgolandreisen.de / Anmeldungen erforderlich / Änderungen vorbehalten) Cuxhaven – Neuwerk Juli Nummer 14 / Juli 2014 11 Neuwerker Rundblick Aus 80 Jahren rund um Neuwerk Erinnerungen – Teil 2 VON URSULA TOUSSAINT In der letzten Ausgabe des NR hatte Ursula Toussaint mit dem Jahr 1934 ihre interessante und liebenswerte Urlaubs- und Neuwerkgeschichte begonnen, mittlerweile ist sie im Jahr 1961 angekommen: Konzert der Bückeburger Jäger 1962 vor dem Turm. Vorne sitzt mein Sohn auf Frau Focks Melkschemel. achdem ich in der Schulzeit Neuwerk kennen und lieben gelernt hatte, kehrte ich nach Kriegsende gern wieder hierher zurück. In jedem Jahr verbrachten meine Eltern und ich den Urlaub im Fischerhaus auf Neuwerk. N Als ich heiratete und sich Kinder einstellten, wurde die Sippe, die auf der Insel Erholung suchte, größer. Jeden Sommer einmal gaben die Bückeburger Jäger ein Konzert vorm Turm. Für Touristen und Inselbewohner war das eine interessante Abwechslung – gerade auch für die Kinder. Heute tragen sie ihre Blasmusik nur noch auf dem Festland gegenüber vor. Andere Ereignisse, die für Aufregung sorgten, waren Schiffsunglücke. 1961 strandeten der englische Frachter »Ondo« und der italienische Frachter »Fides« nordöstlich von Neuwerk. Per Motorschiff wurden Ausflüge dorthin organisiert, und man konnte die herausragenden Schiffsteile ansehen. Als die Fahrrinne für die immer größer werdenden Schiffe vertieft wurde, schwemmte mit dem Baggergut im Bereich der Fahrrinne viel Bernstein an. Wir suchten akribisch das Watt ab – unser schönster Fund war faustgroß. Mit den Kindern suchten wir auch die Stelle wieder auf, an der wir zu Verlegung der Wasserschläuche (wohl 1965) über die Insel. Seenelken wurden im Einmachglas gefüttert (1965). Als Ersatz für die zum Fangen zu flinken Krabben musste Beefsteakhack herhalten. meiner Kindheit die Seenelken gefunden hatten – und siehe da: es gab sie noch. Vorsichtig bauten wir im Einmachglas, was man heute ein Biotop nennen würde. Die Seenelken ließen sich dann mit einer Pinzette mit Beefsteakhack verwöhnen. Gern hätten wir ihnen ihre gewohnten Krabben ins Einmachglas gesetzt, aber die Krabben waren schneller als wir. Gleich hinter dem Deich gab es ein Gebäude mit den zugehörigen elektrischen Einrichtungen. Als die Insel in den 1960er Jahren an das Landstromnetz angeschlossen wurde, zog der Elektriker mit seiner Familie aufs Festland. Auch frisches Trinkwasser gab es erst ab 1968 auf Neuwerk. Von da an kam es per Leitung vom Festland. Also kam von Zeit zu Zeit ein Wasserschiff, vor allem nach längeren Trockenperioden. Überall wurden quer über die Insel dicke Schläuche verlegt, die das Wasser zu den Bewohnern transportierten. Es gab auch Tage, die Herzklopfen verursachten. So war ich einmal von ie Versorgung von Neuwerk steckte damals noch in den Kinderschuhen. Der Strom wurde durch ein Windkraftwerk erzeugt, das der Inselelektriker Rauschenbach betreute. Es stand dort, wo heute etwa der Radarturm ist. Fortsetzung bitte umblättern D Die Kinder hörten das Wasser in den Schläuchen gluckern. 12 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Die alte Scharhörnbake 1935. Wattwagen im großen Priel im Juli 1961. Sahlenburg zu Fuß unterwegs, als plötzlich Bodennebel aufkam. Ich bekam Panik und fing an zu laufen, aber der Weg war noch weit. Der Nebel lag dick und knietief auf dem Watt, die Priggen guckten gerade noch heraus. Zum Glück blieb es dabei, der Nebel blieb unten, und ich konnte heil die Insel erreichen. Ich erinnere mich auch noch an eine andere Geschichte. In einem der Nachkriegssommer war eine Gruppe von Leuten morgens nach Scharhörn gewandert. Als sie gegen Abend zurückkommen sollten, kam plötzlich dicker Nebel auf. Es dauerte nicht lange, da waren fast alle Inselbewohner am Turm versammelt. Ich frage mich, wie sie so schnell verständigt werden konn- ten. Es hieß: »Wenn sie an der Insel vorbeilaufen in Richtung Küste, holt die Flut sie ein!« Es wurde überlegt, was man machen könne. Schließlich gingen wir alle zum Hafen, hielten uns an den Händen und bildeten eine lange Kette übers Watt nach Süden. Wir waren alle froh, als die Scharhörnwanderer wohlbehalten wieder da waren. egenwolken überflogen häufig die Insel und regneten auf dem Festland ab. Sturm jedoch gab es aus erster Hand. So war es denn auch an einem eigentlich recht schönen Sommerwochenende im Juli 1962: plötzlicher Sturm kam auf, Wattwagen fuhren nicht, das Schiff kam nicht – was nun? Viele R Urlauber sollten am nächsten Tag schon wieder zur Arbeit. So wurde der Seenotrettungsdienst angerufen, der ein Boot schickte. In den In den 90er Jahren tummelte sich dann schon meine Hafen konnte er Enkelgeneration auf der Insel (1996). nicht, so fuhr er neben der Fahrrinne auf Sand und Rest der Leute. Frau Fock weinte die Wattwagen ihm entgegen. Per und sagte: »Ich weiß gar nicht, wie Leiter hievten sie erst die an Bord, ich meine Gäste jetzt alle verpflegen die unbedingt zur Arbeit mussten. soll.« Aber immerhin schaffte es der Mein Vater und mein Mann mit Seenotrettungsdienst, einen Hubdabei. Inzwischen wurden die Fah- schrauber zu schicken, der die Insel rer der Wattwagen unruhig: »Wir mit den nötigsten Lebensmitteln müssen weg, die Räder sacken aus der Luft versorgte. schon ein.« Also zurück mit dem Auch bei gewittrigem Wetter mieden die Wattwagen die Überfahrt, waren doch hierbei schon einmal die Pferde durchgegangen, und Herr Fock ums Leben gekommen. Aber auch bei ruhigem Wetter kam es vor, dass das Wasser sehr hoch stand. Dann fuhren die Wattwagen bis in die Mitte des großen Priels und trafen sich dort mit den Entgegenkommenden, tauschten ihre Fahrgäste aus und fuhren wieder zurück. it zwei beeindruckenden Erlebnissen möchte ich diese Erinnerungen beschließen. An einem warmen Sommertag, es muss kurz nach dem Krieg gewesen sein, gingen wir im Watt durch die Priele. Irgendwie schien das Wasser krümelig zu sein. Wir fischten die kleinen Kügelchen mit der Hand heraus: Meerleuchttierchen! Noctiluca miliaris! Natürlich war dann abends Schwimmen angesagt, und das war einfach märchenhaft! Alles glitzerte, und aus der hoch gestreckten Hand fiel es wie tausend Sterntaler herab ins Wasser. M Der Rettungskreuzer beim Abholen der Touristen im Sommer 1962. Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Meeresleuchten wird von Einzellern verursacht. Foto: Lovrenc Lipej Bei Sonnenuntergang hebt sich Helgoland mit dem Leuchtturm vor dem Horizont ab. 13 Ein anderes seltenes Schauspiel erlebte ich in den Sommerferien nach dem Kriege. Am frühen Nachmittag klönte ich mit dem Leuchtturmwärter, Herrn Sumfleth, der grade auf den Turm wollte. Er meinte: »Wenn das Wetter so klar bleibt, erleben wir heute etwas, das es nur zweimal im Jahr gibt: im Frühjahr und im Hochsommer. Wenn du Lust hast, kannst du dabei sein, melde dich mal gegen Abend bei meiner Frau Gesine, die nimmt dich mit nach oben.« Als die Sonne sich dem Horizont näherte, standen wir ganz oben auf dem Turm auf Höhe der Laterne. Wir schauten abwechselnd durchs Fernglas, und dann war es so weit: leuchtend rot ging die Sonne direkt hinter Helgoland unter, so dass die Insel als schwarze Silhouette auf ihr sichtbar wurde. In diesem Sommer erlebte mein Sohn Frank diesen wunderbaren Anblick, nachdem er Tag und Sonnenstand berechnet hatte. Und: dieses Foto findet sich nun auf dem Titel des Rundblicks. Wie schön! 14 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Die Neuwerker Birdracer: Martin Fichtler, Max Fader, Gerrit Holighaus, Mike Petersen, Thomas Grunwald und Harald Schwaiger (v.l.n.r.). Birdrace 2014: eit mehreren Jahren ist der erste Samstag im Mai bei einem Großteil der HobbyOrnithologen Deutschlands bereits weit im Voraus für das alljährliche und bundesweite Birdrace reserviert. S Während sich im ganzen Land, bereits mehrere Wochen vor dem Großereignis, Teams bilden und teils anstrengende Vorbereitungen die Tage vor dem Birdrace charakterisieren, ließ es das Neuwerker Team »Survival of the Fitis« (s.u.) wie üblich ruhig und gelassen, jedoch mit gewohnter Motivation angehen. Aber wozu denn eigentlich der ganze Aufwand? Und um was geht es beim Birdrace wirklich? Sowohl Einsteiger als auch erfahrene Vogelbeobachter bekommen die Möglichkeit sich miteinander zu 3 bis 5-köpfigen Gruppen zusammenzuschließen und einen ganzen Tag damit zu verbringen, möglichst viele Vogelarten zu sehen. Das Areal in dem sich die Gruppen den Tag über aufhalten, beschränkt sich meistens auf einen Landkreis, eine Stadt oder, wie in unserem Fall, eine Insel. Zählbar sind alle in Deutschland heimischen oder durchziehenden Vogelarten, vorausgesetzt sie werden in freier Wildbahn entdeckt und vom Großteil der Gruppe gesehen bzw. gehört und sicher bestimmt. Die Veranstaltung wurde bereits vor zehn Jahren vom DDA (Dachverband Deutscher Avifaunisten; www.ddaweb.de) ins Leben gerufen und erfreut sich seither immer wachsender Beliebtheit. Der DDA selbst bezeichnet das Event als »einen gemeinnützigen Einsatz für den Erhalt der Vogelwelt und das Schaffen großen öffentlichen Interesses, das für die Vermittlung von Themen des Natur- und Vogelschutzes unerlässlich ist«. Dies lässt bereits erahnen, dass sich hinter dem Birdrace mehr verbirgt als nur ein sportlicher Wettbewerb, bei dem einfaches Zählen von gesehenen oder gehörten Arten bereits das Ende der Fahnenstange darstellt. Dennoch ist genau dies das Mittel zum (guten) Zweck: Jedes der antretenden Teams sucht sich im Voraus Sponsoren, welche dieses entweder mit einem Festbetrag oder mit einer Spende pro gesehene/gehörte Art unterstützen. Was im Jahr 2004 mit bundesweit 41 Teams star- tete, ist heute als eine Groß-Veranstaltung anzusehen, bei dem dieses Jahr knapp 800 Personen, aufgeteilt in 214 Teams, teilnahmen. Umso größer wird also jedes Jahr der gemeinnützige Effekt des Birdrace. ie gesammelten Spenden kommen der stetigen Weiterentwicklung der InternetPlattform ornitho.de zugute, welche allen Hobby-Ornithologen und Vogelbeobachtern die Möglichkeit bietet, ihre Beobachtungsdaten einzutragen und zu sammeln. Durch ein gut durchdachtes System werden diese Daten teils ausgewertet und für alle Interessierte oder auch für Naturschutz-Fragen bereitgestellt und herangezogen. Für die Insel ging, wie jedes Jahr, ein Team für die OAG Neuwerk (Ornithologische Arbeitsgemeinschaft) unter dem Dach des Gemeinnützigen Förderverein Insel Neuwerk e.V. - an den Start. Unterstützt wird es von den Neuwerkern vor allem in Sachen »leibliches Wohl«, was die Gruppe für die anstrengenden und ausdauernden Streifzüge über die Insel bei Kräften hält. D ieses Jahr versprach das Birdrace auf Neuwerk zunächst sehr artenreich zu werden, müsste das anhaltend sonnige Wetter im April doch einigen Zugvögeln ermöglicht haben, ihre Brutgebiete früher als gewohnt zu erreichen. Durch die ansässigen Mitarbeiter des Verein Jordsand erfuhren wir, dass diesen Frühling tatsächlich schon einige Arten gesehen oder verhört wurden, D Nummer 14 / Juli 2014 15 Neuwerker Rundblick Zwei von 83: Goldregenpfeifer, Nilgans und Säbelschnäbler. Kleines Foto: Theo Schulte, einer der Neuwerker Birdrace Sponsoren Survival of the FITIS die uns normalerweise jedes Jahr aufs Neue Schwierigkeiten bereiten. Die Hoffnungen erfüllten sich leider nur bedingt: Kalter Wind erschwerte die Beobachtungsbedingungen, was sich vor allem beim Finden der Singvögel als klarer Anmerkung: »Survival of the Fittest« bedeutet im Sinne der Darwin’schen Evolutionstheorie das Überleben der am besten angepassten Individuen. Dieser Ausdruck wurde im Jahr 1864 durch den britischen Sozialphilosophen Herbert Spencer geprägt. Charles Darwin übernahm den Ausdruck ab der 5. englischsprachigen Auflage seines Werkes »Die Entstehung der Arten« von 1869 ergänzend zu seinem zum Fachterminus gewordenen Begriff Natural Selection. (Wikipedia) Nachteil herausstellte. Viele der Piepmätze sangen nicht, wie an den Tagen zuvor, ausdauernd, sondern versteckten sich lieber im Schutz der Gebüsche und somit musste um jede Art gekämpft werden. kord für die Ewigkeit? Man wird es sehen, bereits nächsten Mai stellen sich die Birdracer wieder der Herausforderung. Und wenn es nicht klappt ist dies halb so wild, schließ- m Laufe des Tages gelangen trotzdem Beobachtungen auf Neuwerk seltener Arten, wie zum Beispiel eines über die Insel ziehenden Seeadlers und einer im Herrengarten anwesenden Schwanzmeise. Das Endergebnis von 83 Arten fügt sich an das untere Ende der Ergebnisse der letzten Jahre an. Der Neuwerker Bestwert entstammt dem Jahr 2011 und umfasste 113 Arten. Bei einer Größe von knapp drei Quadratkilometern ist dies ein sehr beachtlicher Wert – vielleicht ein Re- Goldregenpfeifer. I von Max Fader lich verbringt man trotzdem einen Tag im Dienste des Naturschutzes, zusammen mit Gleichgesinnten auf einer wunderbaren Insel. 16 Nummer 14 / Juli 2014 Neuwerker Rundblick Doppeltes Jubiläum bei Jordsand e.V.: Ein hohes Lob dem Ehrenamt VON ECKART SCHREY m Wattenmeer vor Cuxhaven wird in diesem Jahr ein doppeltes Jubiläum gefeiert: seit 75 Jahren betreut der Verein Jordsand die Düneninsel Scharhörn und seit 25 Jahren das benachbarte, damals I neu aufgespülte Nigehörn. Beide Inseln liegen in der Kernzone des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer und gehören zu den bedeutendsten Brutgebieten unserer Küstenvögel. 75 Jahre Schutzgebiet bedeuten gleichzeitig auch 75 Jahre ehrenamtliche Betreuungsarbeit. Insgesamt sind es über 20 Reservate an Nordund Ostsee, die sich mittlerweile in der Obhut des Vereins Jordsand befinden. Seit den 1970er Jahren leisteten Zivildienstleistende, kurz Zivis genannt, hier ihren Ersatzdienst. Dieses Modell der Naturschutzarbeit durch junge Menschen machte Schule. Heute sind neben den langjährig aktiven Vereinsmitgliedern – den alten Hasen – FÖJler (freiwilliges ökologisches Jahr), Bufdis (BFD=Bundesfreiwilligendienst) und Praktikanten im Einsatz. ür ein kleines »Überlebensgeld« leisten sie seit Jahren unverzichtbare Arbeit. Hierzu gehören praktische Naturschutzarbeiten wie Pflegemaßnahmen und Reparaturen im Gelände und an der Unterkunft. Es gehört die Erfassung von Brut- und Rastvögeln dazu, was bereits ein spezielles Fachwissen und Gebietskenntnis erfordert. Oft sind weitere Monitoringaufgaben zu erledigen, z.B. die Erfassung von verölten Tieren und speziell auf den Seevogelinseln die Sisyphusarbeit des ständigen Einsammelns von Strandmüll. Ein Schwerpunkt in Gebieten mit Besucherverkehr sind öffentliche Führungen oder die Betreuung von Info-Zentren. Hier ist weiteres Fachwissen gefragt, eine gewisse pädagogische Begabung und auch der Mut, sich öffentlich zu präsentieren und sich den interessierten Fragen der Gäste zu stellen. Die Standardfrage auf einer einsamen Vogelinsel, die regelmäßig gestellt wird, ist natürlich: Was machen Sie hier eigentlich den ganzen Tag? Die Standardantwort: Naturschutz, Monitoring, Öffentlichkeitsarbeit und die Organisation des eigenen Tagesablaufs. Meistens sind diese Auskünfte zufriedenstellend. Aber neulich bekam eine junge Mitarbeiterin dann diese Antwort: Den ganzen Tag Vögel zählen? Dass der Staat hierfür Geld gibt. Unglaublich. – Im Nachgang dazu dann die Frage an mich: was antwortet man solchen Menschen? Hier kann man F wohl nur grundsätzlich argumentieren. Bei den Unterschieden im Ressourcenverbrauch zwischen Stadtwohnung und Vogelwärterhütte wird schon vieles deutlich. Der Einkauf ist hier draußen eben nicht in 10 Minuten per Auto erledigt und die Hütte wird auch erst dann warm, wenn der Ofen brennt, nachdem man am Strand Holz gesammelt, getrocknet, gesägt und gehackt hat. - Man ist dann sehr schnell beim Ressourcenverbrauch, beim Klimawandel und beim Thema Nachhaltigkeit bzw. beim weitgehend unverantwortlichen Handeln von uns normalen »Verbrauchern«. Als Maßstab für diese Veränderungen in der Umwelt sowie als Grundlage für Naturschutzmaßnahmen – und das ist die Antwort auf die Frage nach der Zählerei – dienen auch die Ergebnisse unseres Vogelmonitorings, definiert z.B. in der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung. Und weil es darüber hinaus auch eine Aufgabe im Rahmen zahlreicher internationaler Verpflichtungen und Abkommen ist, gibt es auch die staatliche Mitfinanzierung. utwillige Menschen erreicht man mit dieser Argumentation, hartleibige Ignoranten nicht. Bei ihnen stehen andere Lebensziele im Vordergrund, hier ist die tägliche DAX-Kurve wichtiger als die Populationskurve bedrohter Arten. Auf einer kleinen Vogelinsel verliert dieser tägliche Tanz um das Goldene Kalb jegliche Attraktivität. Es bleibt Zeit, das eigene Leben und das eigene Verhalten zu reflektieren. Der Respekt vor der Erfindung des Lebens in seiner immensen Vielfalt erfasst jeden, der draußen im Einsatz ist. Vielen unserer jungen Freiwilligen gelingt es, den einen oder anderen Besucher zum Nachdenken über eigene Verhaltensweisen und den Umgang mit gefährdeter Natur zu bewegen. Damit bleibt die Hoffnung, dass das eindrucksvolle Erlebnis der Seevogelkolonien an unseren Küsten dann auch unseren Kindern und Enkeln noch möglich sein wird. G Ehrenamtler Uwe Flegel und Werner Schöffel bei der mehrmals jährlichen Müllaktion auf Scharhörn.