Der eiserne Obelisk - The Napoleon Series

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Der eiserne Obelisk - The Napoleon Series
The Napoleon Series
Der eiserne Obelisk Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof von Nicolaus Drimmel Vorabdruck aus ADLER 4/2013 1 2 Nicolaus Drimmel Der eiserne Obelisk Ein sprechendes Grabmal am Penzinger Friedhof Mein Interesse an der Familie Kienmayer wurde durch zwei Hinweise in meiner Wohngegend genährt. In Breitensee gibt es eine Kienmayergasse, knapp einen Kilometer Luftlinie davon entfernt erinnert am Penzinger Friedhof ein wuchtiger eiserner Obelisk an den General der Kavallerie und Maria‐Theresienritter Michael Freiherr von Kienmayer. Aus einer ganz anderen Ecke aber kam ein weiteres Objekt, das, wie mir schien, in Zusammenhang mit dieser Familie Kienmayer zu bringen war. In der Dokumentation eines siebenbürgischen Familienbesitzes stieß ich nämlich auf den Namen Kynmair.1 Neben den abgelichteten Hochzeitsbechern, Silbergegenständen und Magnatenschmuck fand sich die Abbildung einer bestickten Amtstasche, die unzweifelhaft einem Hofrat aus Zeit Maria Theresias gehörte; mit der Aufschrift „A Monsieur / Mnr. le Bn. Kynmair / Chev. de l´Ordre de S. Etñe / Coñslr. Auliq. Juste / Bienfaisant et Ami Zelé“. Die Frage der Beziehung zwischen Gasse, Grabmal und Tasche war bald gelöst. Der Straßenzug erinnert an den 1754 geadelten bürgerlichen Handelsmann und Seidenfabrikanten Johann Michael Kienmayer, der auch die Herrschaft Breitensee erwarb. Beim auf der Tasche adressierten Hofrat und Ritter des königlich ungarischen St. Stephansordens handelt es sich um (Johann Michael) Franz Freiherr von Kienmayer.2 Er war Sohn des Erstgenannten und ein ausgezeichneter Hofbeamter, der Vater des späteren Generals. Alle drei Personen fanden am Friedhof von Penzing ihre letzte Ruhe, jedoch ist dort nur der eiserne Obelisk erhalten geblieben. Und obwohl die Ausführung des Grabmals in Eisen auf den Militär hinweist, findet man zumindest in der Wappenzeichnung Auskunft über die vorangegangenen Generationen jener Familie. So gibt der Obelisk noch immer eine leise Auskunft darüber, dass hier drei Generationen im Dienste des Kaisers bzw. Maria Theresias standen. Sie sind als Handelsmann, Hofrat und General geradezu exemplarisch für die wichtigsten Säulen des Modernisierungs‐ und Reformwerkes jener Epoche, die den Namen Maria Theresias trägt: die Förderung des Unternehmertums und der allgemeinen Wohlfahrt, die Verwaltungsreform sowie Mehrung der Bildung und Wissenschaft, und schließlich die Sicherung der Grenzen und Stütze des Staates durch ein zuverlässiges Militär. Das Grabmal des Generals Kienmayer wurde bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts vom Kapitel des Maria‐Theresien‐Ordens instandgehalten und gepflegt.3 Bevor dieses sprechende Denkmal durch Rost unkenntlich wird, sollten wir es zu Wort kommen lassen. Zuerst gilt unser Interesse aber der Lage des 1
Photodokumentation des Besitzes des Gábor Ugron von Ábránfalva, ehem. k.u. Innenminister und königl. Kommissar für Siebenbürgen, (ca. 1940 unveröffentlicht). 2
Immer wieder auch in abweichenden Schreibungen, etwa Kyenmayer, so u.a. Kayserlich‐ und Königlicher Staats‐ und Standes‐Calender, Wien 1760, S. 167 (google books) u.a. 3
Eine substanzerhaltende Pflege des Grabdenkmals ist jedoch immer dringender nötig. 3 Obelisken auf dem neuen Friedhof von Penzing, denn diese gibt nicht nur Auskunft über die Geschichte des Friedhofes, sondern auch über den Lebensmittelpunkt, den die Familie Kienmayer für etwa 70 Jahre lang in Breitensee hatte. Der alte Friedhof von Penzing war bis 1859 rund um die alte und bedeutende Pfarrkirche St. Jakob angeordnet. Der Pfarrsprengel erstreckte sich in seinen weitesten Ausmaßen von Meidling bis Ottakring, der Ort Breitensee gehörte daher bis vor etwa 110 Jahren auch zur Pfarre Penzing. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde auf einem oberhalb der Kirche liegenden Südhang halbwegs zwischen Penzing und Breitensee der heute noch bestehende neue Friedhof angelegt. Ab diesem Zeitpunkt wurden die alten Grabstellen rund um die Kirche sukzessive aufgelöst und zum Teil auf dem neuen Friedhof wieder errichtet. Dazu gehörte auch der eiserne Obelisk, der nach dem Tod des Generals Kienmayer im Jahr 1828 auf dem alten Friedhof errichtet und etwa drei Jahrzehnte später auf den neuen Friedhof von Penzing übersiedelt wurde. Unweit jener Rieden, in denen einmal die besten Weine Wiens gediehen und wo auch schon der Großvater des Generals mit Weingärten begütert war, konnte man nun vom neuen Friedhof über die Poststraße auf die Pfarrkirche und bis zum kaiserlichen Schloss Schönbrunn hinunterschauen. Beschreibung des Obelisken Auf einem eisernen Sockel mit quadratischem Grundriss, gebildet durch vier Rechtecke in einem Rahmen, der mit gußeisenen Füllungen verblendet ist, steht ein eiserner Obelisk; genauer eine steile Pyramide, deren Stumpf eine flachere Pyramide deckt. Die vier großen Pyramidenflächen sind wohl auf innenliegenden Eisenleisten mit quadratischem Profil verschraubt. Auf der vorderen Pyramidenfläche ist eine gußeisene Platte mit dem freiherrlichen Wappen der Familie Kienmayer aufgelegt, sie war ursprünglich wohl an drei Punkten angenietet. Um sich dieses Wappen in Farbe vorzustellen, kann unter Heranziehung des Gotha4 wie folgt blasoniert werden: Ein quadrierter Schild mit Herzschild: 1. und 4. Silber und Schwarz in fünf Querreihen zu je vier Plätzen geschacht, 2. und 3. in Rot zwei schräge rechte goldene Balken. Herzschild: goldener Schild mit blauem Schildhaupt. In letzterem schweben vier sechseckige goldene Sterne nebeneinander. Im goldenen Schild eine Figur, die auf grünem Grund in golden verschnürter, roter ungarischer Kleidung und gelben Csizmen mit silbern aufgestulpter links abhängender roter Zipfelmütze mit weiß gefüttertem und schwarz verbrämten Pelz steht, welche die Beine auseinanderspreizt, die Linke in die Hüfte stemmt und die rechte Hand vor sich ausgestreckt hält. Über dem Schild die Freiherrenkrone und drei gekrönte Helme: Auf dem ersten Helm mit schwarz‐silbernen Decken steht ein einwärts sehender schwarzer Adler, dessen Brust die Buchstaben M.T. in goldener Schrift trägt; der zweite Helm mit rechts rot‐goldener, links blau‐goldener Decke trägt einen offenen ledigen schwarzen Flug; der dritte Helm mit rotgoldenen Decken sechs abwechselnd silberne und rote Straußenfedern. 4
Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freiherrlichen Häuser, Gotha 1871, S. 336; Siebmacher (Siebenbürgen, S. 74 bzw. Tafel IV/12/32) weicht vom Gotha und der Darstellung am Grab ab, da dort im 2. und 3. Quadranten nur ein goldener Balken statt deren zwei erwähnt wird. 4 Die in der oben genannten Literatur und im Freiherrenakt 17755 erwähnten Windspiele als Schildhalter sind auf dem Grabmal nicht dargestellt, dafür ist das Wappen mit den Bändern und Kleinodien des Maria‐Theresien‐Ordens in der Mitte, des hessischen Ordens vom goldenen Löwen links, und des hessischen Militär‐
Verdienstordens (Ordre pour la Vertu Militaire) rechts ergänzt. Der untere Spitz der Wappenauflage, der das Kreuz des Maria Theresien‐Ordens trug, ist abgeschlagen und nicht mehr existent.6 Unterhalb des Wappens befindet sich folgende Inschrift: „Hier ruhet / Michael Freyherr / von / Kienmayer // K. k. wirklich geheimer / Rath, Großkreutz des / gold. Löwen, Commandeur / des milit. Maria Theresien / und Ritter des hess. / milit. Verdienst Ordens. General / der Cavallerie und Inhaber / des Hußaren Regiments No. 8. / Geboren am 17. Jäner 1756 / Gestorben am 28. October 1828“. Auf der rechten Pyramidenfläche befindet sich die Widmung: „Gattinn und Tochter / dem unvergeßlichen / Gatten und Vater“. Auf der vorderen Sockelfläche liest man die Worte: „Held Mensch“, jeweils umrankt von einem Palmzweig. Der „Rothe Ungar“ – Johann Michael (von) Kienmayer Um in der Chronologie zu bleiben, ist mit dem Herzschild des Wappens, mit dem roten Ungarn zu beginnen. Es wurde dem Johann Michael Kienmayer, also dem Großvater des Husarengenerals, 1754 als Adelswappen verliehen.7 Der rote Ungar dokumentiert den Erfolg und Aufstieg eines Mannes, der als Sohn eines Halblehners aus dem Waldviertel nach Wien kam und dort seine Geschäftstüchtigkeit mit Organisationstalent und Loyalität zum Kaiserhaus verband. Seinen Patriotismus und Eifer für das Kaiserhaus bewies er als Mitglied des Äußeren Stadtrates von Wien und vor allem als Stadthauptmann in den Zeiten der drohenden Belagerungsgefahr während des Österreichischen Erbfolgekrieges.8 Heute würden wir eine solche Person wohl als „Selfmademan“ bezeichnen. Damals aber ging das nicht ohne das Kaiserhaus, das den Aufsteiger zur Beförderung des Commerzes, aber auch zum eigenen Vorteil gerne mit Aufträgen bedachte. Johann Michael Kienmayer stammte aus Jagenbach im Waldviertel und wurde am 10. September 1695 in Rieggers als „Michl“, Sohn des Caspar und der Maria geb. Kolm getauft.9 Obwohl zur damaligen Zeit der Familienname Kienmayer im Waldviertel, und besonders in und um Jagenbach 5
AVA Adelsarchiv, Freiherrenstand, Michael Franz von Kienmayer, 30.9.1775. Auf einer Photographie von 1979 ist die Wappenauflage noch unversehrt. Österr. Bildarchiv: http://data.onb.ac.at/rec/baa13535942 7
AVA Adelsarchiv, Adelsstand des Johann Michael Kienmayer, 4.1.1754, fol. 4v. „… ein auf einem grünen Grund zur rechten stehender Hungar in völliger rother, weiß ausgefütterter Kleidung…“ 8
AVA, Adelsstand a.a.O., fol. 3; Constantin WURZBACH, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band XI (1864), S 250; Hanns JÄGER‐SUNSTENAU, Einige Familien des Briefadels in Wien, in: Zeitschrift „Adler“, Wien 1991, S. 98 f. 9
Taufbuch Pfarre Rieggers, www.matricula‐online.org; 6
5 recht häufig war, ist diese Herkunft durch die Eintragung des Todes der Mutter Johann Michael Kienmayers im Sterbebuch der Pfarre Penzing von 1747 abgesichert.10 Von einer ungarischen Herkunft ist daher keine Spur, die rote Figur im Adelsakt vom Jahr 1754 spielt vielmehr im Wirken Kienmayers als gut bestallter Händler und seiner Niederlassung in Altlerchenfeld eine Rolle, worauf noch zurückzukommen ist. Kienmayer heiratete am 30. April 172411 die bürgerliche Schlosserstochter Anna Maria Ziergibl12 bei den Schotten. Dabei wurde er bereits als bürgerlicher Handelsmann in Wien tituliert, schon im Jahr zuvor hatte er das Bürgerrecht der Stadt Wien erhalten.13 In den folgenden Jahren muss Kienmayer seine Geschäfte höchst erfolgreich entfaltet haben. So kaufte er 1736 das Schloss von Breitensee und wurde 1740 dort Grundherr.14 Aus dem Jahr 1740 ist ein Kaufvertrag über Textilien zwischen Kienmayer und der Hofkammer in einem Volumen von 7550 fl 20 x bekannt.15 1741 erwarb er Gründe am Rennweg zum Zweck der Errichtung einer Spinnfabrik.16 Hier ging Kienmayer wohl äußerst forsch vor. Es ist (noch) kein ausdrückliches Fabriksprivilegium für ihn bekannt,17 doch vielleicht konnte er sich eine vorauseilende Vorgangsweise nicht nur materiell, sondern auch im Verhältnis zu den Behörden aufgrund seiner schon damals anerkannten Stellung bei Hof leisten. Er war er nicht nur Hoflieferant, sondern nahm etwa neben seinen Ämtern als Stadthauptmann und Gemeinderat die Rolle eines Financiers bei öffentlichen Anlässen ein, heute würde man sagen als Sponsor, hatte er doch oft „bey Paradierungen den Aufzug aus eigenem Vermögen beygestellet“.18 Kienmayer legte also auf dem erworbenen Grund am Rennweg „zur Erhebung des Commerzes im Lande auf eigene Unkosten ein ansehnliches Gebäu und Seidenfabrique“ an, welche möglicherweise erst später mit einer Fortführungsbewilligung legalisiert wurde. Der Adelsakt gibt dazu eindeutigen Hinweis, da Kienmayer danach beflissen gewesen sei, „selbe (Seidenfabrique) mit allerhöchster Beauftragung bis anhero noch fortzuführen“.19 Auf Initiative des Weihbischofs Franz Anton Marxer widmete Kienmayer einen Teil des Grundes 1742 der Errichtung eines Waisenhauses. Die Kinder erhielten dabei Unterricht und Verpflegung, hatten aber auch für die Seidenfabrik zu arbeiten. Es ist hier festzustellen, dass die Beschäftigung von Waisenkindern in Arbeitshäusern ein für damalige Begriffe durchaus fortschrittliches Unterfangen war, welches aus der Idee der Armenfürsorge entwickelt wurde. Für die betroffenen Kinder stellte es bestimmt eine Verbesserung ihrer Lebenssituation dar.20 Jedoch hat Kienmayer diese Fabrik sicher nicht nur aus Altruismus und ganz ohne wirtschaftliche Hintergedanken geführt, was schon dadurch deutlich wird, dass Maria Theresia das Areal samt Fabrik von Kienmayer übernahm, als sie nicht mehr rentabel war, und es zusammen 10
Sterbebuch Pfarre Penzing I „Anno 1747 in Augusto (20) Domina Anna Maria Kienmayerin defuncti Domini Caspari Kienmayer vicini in Jagenbach relicta vidua mortua in Breitensee in Domo Filii sui D(omin)i Joannis Michaelis Kienmayer mercatoris Viennensis aet(atis). anno(rum) 76.“; abgedruckt in: Pfarre Jagenbach Hrsg., „100 Jahre Pfarre Jagenbach“, 2001. 11
Pfarre zu ULF Schotten, Trauungsmatrik 1724, 178. Die Trauungsmatrik der Dompfarre St Stephan 1724, Band XLI, 404 verweist ebenfalls auf den Ort der Eheschließung „copulatio a(pu)d Scotos“. 12
Auch Zierhübl, siehe JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 13
WStLA, Bürgerbuch 34 (5. Juli 1723) 14
Hans SCHINNER: Breitensee ‐ Vom Dorf zur Großstadtpfarre. Wiener Dom‐Verlag, Wien 1976, S. 39. Else SPIESBERGER, Herrschafts‐ und Schlossbesitzer in Breitensee, In: Penzinger Museumsblätter, Heft 8 (1965), S. 131. 15
AVA, FHKA, SUS, Alte Hofkammer, Kontrakte und Reverse. C‐1366, Contract vom 19. Jänner 1740; 16
SPIESBERGER, a.a.O. 17
Keine Hinweise bei Helene DEUTSCH, Die Entwicklung der Seidenindustrie in Österreich 1660‐1840, Wien 1909, ebf. keine Hinweise in Gustav OTRUBA, (Hrsg.) Österreichische Fabriksprivilegien vom 16. bis ins 18. Jahrhundert und ausgewählte verwandte Quellen zur Frühgeschichte der Industrialisierung. 18
AVA, Adelsstand, a.a.O. fol. 3v 19
AVA, Adelsstand, a.a.O. fol. 3v 20
Hannes STEKL, Österreichs Zucht‐ und Arbeitshäuser 1671‐1920, Wien 1978, S. 88 ff. 6 als Stiftung 1763 dem Waisenhaus zukommen ließ.21 Da sich die Zahl der Kinder stetig erhöhte, wurde dort 1743 auch eine Kapelle als Vorgängerin der heutigen Waisenhauskirche errichtet.22 Spätestens zur Errichtung des Waisenhauses war Kienmayer als „bürgerlicher Handelsmann zum rothen Ungarn“ bekannt,23 und zwar nach dem Hausnamen seiner Niederlassung in der Lerchenfelder Straße.24 Nach dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1760 heiratete Kienmayer die Johanna von Eberl (* 1722, + 4.3.1805).25 Er starb hochbetagt in Breitensee und wurde schließlich wie bereits erwähnt am Penzinger Friedhof bestattet.26 In die Zeit seines wirtschaftlichen Aufstiegs fiel die Geburt von fünf Kindern, drei Buben und zwei Mädchen, wobei ein Mädchen früh verstorben ist.27 Die vier Überlebenden finden sich vielleicht symbolisch in den vier goldenen Sternen im Schildhaupt des Adelswappens wieder: Antonius Ludovicus Johannes Nepomucenas * 16.12.1725,28 Für ihn war ursprünglich vorgesehen, die väterliche Firma zu übernehmen.29 Sein früher Tod nach 1760 hat das verhindert. Johann Michael Franciscus * 10.10.1727,30 +29.3. 1792, beschritt erfolgreich die Beamtenlaufbahn als Hofrat und Gerichtspräsident und erhielt den Freiherrnstand. Auch er wurde am Penzinger Friedhof begraben.31 Anna Maria Magdalena, getauft am 10.12.173232 ist früh verstorben.33 Anna Maria *18.2.173534 + 12.4.1804; verheiratete von Posch, Frau von Breitensee und Uttendorf. Josef Ignatius Andreas *1.7.173835 + 22.3.1808, Hofsekretär am Obersthofmarschallamt. Der steile gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufstieg der Familie nahm in der Generation der Kinder des Handelsmannes seine ungebremste Fortsetzung. Vor allem in Person des Johann M. Franz 21
Johann Nep. SAVAGERI, Chronologisch geschichtliche Sammlung aller bestehenden Stiftungen, Institute – öffentlichen Erziehungs‐ und Unterrichts‐Anstalten der k.k. österreichischen Monarchie, Bd. I, Brünn 1832, S. 9 ff. Georg RIEDER, Ignaz Parhamer´s und Franz Anton Marxer´s Leben und Wirken, Wien 1872, S. 3 ff. 22
RIEDER, a.a.O. 23
RIEDER, a.a.O. S. 468. 24
Heute Lerchenfelder Straße 129; siehe dazu: Wienerisches Mercantil Schema, Wien 1768, S. 132; Joseph HORMAYR zu Hortenburg II: Jg. IV Bd. 2. und 3. Heft, Wien 1825, S. 176; Anton ZIEGLER (Hrsg.) Häuser‐Schema der ks. königl. Haupt‐ und Residenzstadt Wien, Wien 1836. 25
JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 26
Pfarramt Penzing, Sterbebuch II (1772‐1784), 175. 27
JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. führt nur die drei Söhne an. 28
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXIII, 1724‐26, 267 (Vater Johann Michael Kiemair; b. Handelsmann: Paten Ludovicus Antonius Visconti et Anna Maria uxor; Antonius Matthias Kircher & Anna Rosina uxor.) 29
SPIESBERGER, a.a.O. 131, FN 21 (Mercantilprotokoll 1725‐1758, fol. 189 v.f.) 30
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXIV, 1726‐28, 311 (Paten: Ludwig Antonio Visconti & uxor, Anton Matthias Kircher per filium suum Josephum & uxor Antonii) 31
Friedrich SCHWEICKHARDT Ritter von Sickingen, Darstellung des Erzherzogthums Oesterreich unter der Ens, Band 4‐Viertel unter dem Wienerwald, Teil 2, von, Wien 1832 S. 238 ff.; insb 243 f. 32
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXVII, 63. 33
Dompfarramt St. Stephan, Sterbebuch XXI (1733‐1737), 115. 34
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXVIII, 193. 35
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch LXXI, 1738‐39, 73v. (Paten: Joh. Andreas König, Goldarbeiter & uxor Elisabeth); JÄGER‐SUNSTENAU a.a.O. nennt ihn Josef Andreas Franz. 7 Kienmayer und seiner Schwester Anna Maria, die im Juni 1750 den Johann Adam von Posch heiratete. Posch wurde später Regierungspräsident von Vorderösterreich, einer der Söhne dieses Paares war ein Taufkind Maria‐Theresias.36 Anna Maria war es, die die seit Jahrhunderten verworrenen Herrschaftsverhältnisse in Breitensee mit Beharrlichkeit konsolidierte. Als Frau von Breitensee und Uttendorf wurde auch sie mit ihrem Mann am Penzinger Friedhof begraben.37 Über den zweitgeborenen Johann Michael Franz von Kienmayer, den späteren Hofrat und Stephans‐
Ordens‐Ritter, wird als Begründer der freiherrlichen Linie nun im Folgenden die Rede sein. Quadrierter Schild und Freiherrenkrone – Franz (Freiherr von) Kienmayer d.Ä. Der quadrierte Schild mit der Freiherrenkrone auf dem Grabmal des Generals Kienmayer ist also auf das Jahr 1775 und die beeindruckende Beamtenkarriere seines Vaters Johann Michael Franz Kienmayer zurückzuführen. Die Freiherrenwürde ist also nicht die Folge der Verleihung des Maria‐
Theresien‐Ordens an den späteren General. Vielmehr ist sie verbunden mit der Verleihung des königlich ungarischen St. Stephans‐Ordens an dessen Vater, also an den besagten wirklichen Hofrat, im Diplomatenjargon „Conseiller Aulique Juste“. Nach dem Freiherrendiplom besteht das gebesserte Wappen aus „einem kreutzweis viergetheilt Schild, dessen vorne obere und hinten untere Feldung weiß und schwarz geschachtet (sic!), die hintere obere und vordere untere rothe Feldung aber mit zween goldenen rechts schräg liegenden Balken beleget ist. In der Mitte des Schilds ist ein mit einem blauen Schild‐Haupt und in solchen nebeneinander stehenden vier sechs‐eckicht goldenen Sternen gezieret Herzschildlein, in welchem ein mit Gold bordierter rother Ungar rechts gewendet steht, die rechte Hand von sich strecket, die Linke aber an die goldene Leibesbinde spreitzet. Den ganzen Schild decket die Freyherrenkrone…“38 Der Akt zur Verleihung des Freiherrenstandes enthält einen von J. M. Franz Kienmayer eigenhändig und gestochen scharf geschriebenen Lebenslauf, der im Folgenden passagenweise und ungekürzt kursiv zitiert wird: „Anno 1745 bin ich bey der Kayserwahl mit der Böhmischen Bottschaft als Gentil Homme nach Frankfurth gereiset, und habe mich bey der Wahl Bottschaft in der Kanzley unentgeldlich gebrauchen lassen, auch das Vertrauen genossen, mit den Literis Reversalibus zum Römischen König Francisci (sic). I. May.tis abgeschickt zu werden.“ Kienmayer besuchte die Universitäten von Wien und Leipzig. Er stand u.a. mit Christian Fürchtegott Gellert im Briefwechsel.39. „Nach geendigtem Studio practico wurde ich zu Regierung als Secretarius im Jahr 1749 angestellet.“ Seine juristischen Studien gipfelten in einer prozessrechtlichen Dissertation, der er eine umfangreiche Widmung an Maria Theresia voranstellte.40 36
Franz QUARTHAL, Die vier vorderösterreichischen Regierungspräsidenten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts; In: Saskia DURIAN‐RESS und Herbert SMOLINSKY (Hrsg.), Habsburg und der Oberrhein, Waldkirch 2002; S. 158 ff. mit Stammtafeln der Nachkommen; 37
Vincenz DARNAUT, Topographie des Erzherzogthums Österreich, II. Band, Darstellung von Schönbrunn und Umgegend, Wien 1820, S. 145 38
AVA Adelsarchiv, Freiherrenstand, Michael Franz von Kienmayer, 30.9.1775, unentgeltliche Ausfertigung des Diplomes taxfrei (placet gratis); in die Saalbücher eingetragen. 39
John F. REYNOLDS (Hrsg.), C. F. Gellerts Briefwechsel, Berlin New York 1983, Band 1, S. 35 ff., S. 299. 8 Über den Ausgang der Verteidigung seiner Dissertation ist nichts bekannt. Möglicherweise reichte es nicht zu einem Doktorat, jedenfalls aber für die „gelehrte Bank“ in der niederösterreichischen Regierung.41 „Anno 1753 (wurde ich) wirklicher Regierungsrath auf der gelehrten Bank und Assessor beym Judicio delegato in militaribus mixto. Schließlich wurde Kienmayer für Agenden der Verwaltungsorganisation und deren Neuordnung eingesetzt. 1763 kam es zu einer kleinen Verwaltungsreform, wobei die Kompetenzen des Obersthofmeisteramtes von der NÖ Regierung an das Obersthofmarschallamt zurückgestellt wurden. Dabei hatte Franz von Kienmayer die so genannte „Auseinandersetzung“ dieser Ämter durchzuführen, wofür er vorerst zum königlich und erzherzoglichen Hofrat befördert und zum Kanzleidirektor des Obersthofmarschallamtes bestellt wurde. Im selben Jahr folgte die Ernennung zum Direktor des Obersthofmarschallamtes. Da Kienmayer aber nun auch beim Reichsvizekanzler eingesetzt wurde, wurde er schließlich auch wirklicher kaiserlicher Hofrat. „Anno 1763 Da die obersthofmeisterliche Agenda von der n.ö. Regierung dem Obersthofmarschalle wiederum zurückgestellet worden, habe ich die diesfällige Auseinandersetzung abgearbeitet, und bin als königl. und erzherzogl. Hofrath, wie auch Kanzley‐Director bey dem Obersthofmarschallen‐Amt resolviert. Eodem Anno zu dem kayserl. Obersthofmarschallen‐Amte als Director und wirkl. kayserl Hofrath bey dem kayserl. Reichsvice‐Kanzler in das Jurament genommen.“ Einen Höhepunkt in der Karriere Kienmayers markiert die Verleihung des Kleinkreuzes des königlich ungarischen St. Stephans‐Orden am 5. November 1771. Damit war Kienmayer einer der frühen Ausgezeichneten dieser seltenen im Jahr 1764 gestifteten Auszeichnung. „Anno 1771 (wurde ich) zum Ritter des königl. St. Stephani‐Ordens, den 5. 9bris creiert und befördert.“ Fast gleichzeitig mit diesen protokollarischen Ehren wurden Kienmayers Aufgaben weiter vermehrt, da sich der kaiserliche Obersthofmeister Fürst Khevenhüller‐Metsch sich bei Maria Thersia sehr für die Nachbesetzung der Direktion des Obersthofmeisteramtes mit dem tüchtigen Kienmayer einsetzte.42 „Anno 1772 ist mir die Direction des ersten obersten Hofmeister‐Amtes nebst jener des obersthofmarschallischen Gerichts allergnädigst aufgetragen worden.“ Im Jahr 1773 betraute Maria Theresia das Oberst‐Hofmarschallamt überdies mit der Leitung (Jursisdiction) des Thersianums, was mit der Übernahme der gesamten Obsorge durch Kienmayer verbunden war.43 Mit der Verleihung des Freiherrenstandes im September 1775 war die Karriere des Beamten aber noch nicht zu Ende. Er wurde schließlich auch Vicepräsident des niederösterreichsichen Appellationsgerichtes44 sowie Präsident des Mercantil‐ und Wechselgerichtes.45 Franz Kienmayer muss aber neben seinen juristischen Kenntnissen auch gute protokollarische Fähigkeiten und diplomatisches bzw. organisatorisches Geschick bewiesen haben,46 40
Joannes Franciscus Michael KYENMAYER (sic): Tertium juris objectum, seu tractatus de actionibus . in universitate Viennensi publicae disquisitioni proponit. 1747 (Wien bei J.P.Ghelen). 41
Kayserlich und königlicher … Staats‐Calender bzw. Hof‐Schematismus 1760, S. 166 f. (google books) 42
Johann Josef Fürst KHEVENHÜLLER‐METSCH, Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller‐Metsch, kaiserl. Obersthofmeisters, 1742‐1776; Hrsg. Im Auftrag d. Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs (Band VII 1770‐1773, Wien‐Leipzig 1925); S. 111 f., 162. 43
KHEVENHÜLLER‐METSCH, Band VII. S. 183. 44
HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104). A. W. KÜNAST; Katalog (Catalog) der Portrait‐
Sammlung der k.u.k. General‐Intendanz der k.k. Hoftheater. Zugleich ein biographisches Hilfsbuch auf dem Gebiet von Theater und Musik, Wien 1892‐1894, Zweite Abt, Gruppe IV, lit. a (ltd. Personen). 45
Zumindest auch seit 1786, Ignaz DE LUCA; Wiens gegenwärtiger Zustand unter Josephs Regierung, Wien 1787; S. 192 46
„… wegen seiner bekannten Geschicklichkeit …“; KHEVENHÜLLER‐METSCH, Band VII. S. 111. 9 was auch durch Belobigungen Ihrer Majestät unterstrichen wurde.47 Zudem übernahm er im Sinne der Aufgaben des Obersthofmarschallamtes auch die Position des Vicedirektors des Hofburgtheaters (1776 bis 1783).48 In dieser letzten Position genoss er das volle Vertrauen Maria Theresias bzw. auch des Kaisers, zog sich dabei aber wohl auch die Kritik des Publikums zu, da er den allerhöchst geäußerten Ansichten mit zum Teil scharfer Zensur49 zum Durchbruch verhalf. Der spätere Regent Leopold II. sah diese Vorgangsweise sehr kritisch.50 Selbst über das Jahr 1783 hinaus soll Kienmayer besonders einflussreich gewesen sein, wenn es jene Stücke betraf, die aufgeführt werden sollten.51 Seiner Stellung gemäß veranstaltete Kienmayer in seinem Haus stadtbekannte Festlichkeiten, bei der die höhere Gesellschaft und Künstler wie Mozart ein und aus gingen.52 Noch als junger Regierungsrat heiratete J. M. Franz von Kienmayer am 1. Mai 1754 in der dem Hl. Laurentius geweihten Schlosskapelle53 von Breitensee und in Anwesenheit von Weihbischof Marxer54 die spanische Baronesse Maria Anna de Echeveria. Einer der Trauzeugen war Johann Adam von Posch, der Schwager des Bräutigams, von dem bereits die Rede war.55 Nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1783 heiratete J. M. Franz Freiherr von Kienmayer 1784 die Witwe nach Anton Edlem von Grasern, Josefa geb. Pingitzer von Dornfeld.56 J. M. Franz Freiherr von Kienmayer verstarb am 29.3.1792. Hier irrt Wurzbach,57 der das Sterbedatum wegen der Namensgleichheit mit jenem seines erstgeborenen Sohnes Franz Michael Joseph Kienmayer verwechselt.58 Aus der ersten Ehe stammen folgende sieben Kinder: Franciscus Michael Josephus Raymundus Ignatius, getauft 17.3.175559, + 30.5.180260. Michael Josephus Vincentius Herbrothus Anton Ignatius * 17.1.1756, getauft am 18.1.175661. Ihm ist der letzte Teil dieses Artikels gewidmet. Joseph, * 1761(?)62, + 5.7.1819. Theresia Josefa; sie heiratete Heinrich Sigismund Graf Stadl. 47
„(18. Sept.1775)… einen Ring mit ihrem Chifre garni en brillants für meinen Hof‐Rath Kienmayr …“; Johann Josef Fürst KHEVENHÜLLER‐METSCH, Aus der Zeit Maria Theresias. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller‐Metsch, kaiserl. Obersthofmeisters, 1742‐1776; Hrsg. Im Auftrag d. Komm. f. Neuere Geschichte Österreichs (Band VII 1770‐1773, Wien 1972); S. 103. 48
KÜNAST, a.a.O. 49
DIE THEATER WIENS. 2. Band, 2. Halbband, 1. Theil; Das Hofburgtheater; Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1903, S. 39 ff. 50
Adam WANDRUSZKA, Leopold II.; Band I, Wien 1963, S. 337 f. 51
Wolfgang RUF, Die Rezeption von Mozarts Le Nozze di Figaro bei den Zeitgenossen, In: Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft (Band XVI), Wiesbaden 1977, S. 46. Bruce Alan BROWN, W.A. Mozart: Così fan tutte, Cambridge 1995, S. 8. 52
Klemens DIEZ, Constanze – gewesene Witwe Mozart, Wien‐München 1982, S 41 f. 53
Die Schlosskapelle besteht seit 1905 nicht mehr; jedoch ist das aus Spanien stammende Gnadenbild der „Mutter der Verlassenen – Nuestra Senora de los Desamparados“ erhalten geblieben, Es befindet sich auf einem Seitenaltar der Pfarrkirche Breitensee. SCHINNER, a.a.O. 43 ff.; FESTSCHRIFT 100 JAHRE PFARRGEMEINDE BREITENSEE, Wien 1998, S. 20. 54
Pfarre Penzing, Trauungsmatriken, 1754, 188 (dort Echeverria) 55
Pfarre St. Michael, Trauungsmatriken, 1754, 609 56
JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. 57
Constantin WURZBACH, a.a.O. 58
HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104 ff.); 59
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch Band, 1755‐56, 155 60
Litterarische Blätter Nr. X vom 3. September 1803, Nürnberg, Band III, columna 147; ebenso Heinrich W. ROTERMUND, Fortsetzung und Ergänzungen zu Chr. G. JÖCHER'S Gelehrten‐Lexiko III, Delmenhorst 1810, columna 321; URL: http://reader.digitale‐sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10797896_00005.html 61
Dompfarramt St. Stephan, Taufbuch Band, 1755‐56, 339 62
Max von GEMELL‐FLISCHBACH, Album des kais. königl. Theresianums (1746‐1880), Wien‐Brünn 1913, S. 44. 10 Ignatia , * 1770, + 14.4.182263, heiratete 1790 den General‐Major Josef Sierakowski hr. Ogonczyk64 (* 1750, + 1817). Elisabeth. Maria * 1773, + 17.9.1820, heiratete Karl von Dier. Erfinderehre (Exkurs) – Franz (Freiherr) von Kienmayer d.J. Franz Michael Joseph von Kienmayer (Franz der Jüngere) war also der erstgeborene Sohn des damaligen Regierungsrates Johann Michael Franz (Franz der Ältere) von Kienmayer. Er wurde ebenso wie seine beiden Brüder Michael und Joseph Zögling der Theresianischen Akademie. Franz der Jüngere entwickelte eine naturwissenschaftliche Neigung, wurde jedoch ebenso wie sein namensgleicher Vater Jurist und folgte diesem sogar in die Stelle eines Kanzleidirektors des Obersthofmarschallamtes nach. Das führte dazu, dass der Historiker Constantin von Wurzbach in seinem dennoch ausgezeichneten biographischen Werk den Vater und den Sohn zu einer Person verschmolz, mit dem Geburtsdatum des Vaters und dem Todesdatum des Sohnes, und dem Vater damit auch die Verdienste seines Sohnes Franz als Erfinder zuschrieb. Tatsächlich folgte Franz Kienmayer der Jüngere unmittelbar nach dem Tod seines Vaters J. M. Franz diesem in das Amt des Kanzleidirektors beim Obersthofmarschallamt nach. In einem Vortrag von Graf Kaunitz an Kaiser Franz II. vom April 1792 berichtet der Staatskanzler, dass diese Stelle durch den Tod des N.Ö. Appellationsgerichts‐Vizepräsidenten Freiherr von Kienmayer erledigt sei. Diese könne nicht länger unbesetzt bleiben. Kaunitz selbst unterbreitet daher Seiner Majestät folgenden Vorschlag: „… ich wage es nun auch allenthalben E.M. jemand dazu in Vorschlag zu bringen, es ist der Sohn des verstorbenen N.Ö. Appellationsgerichts‐Vicepräsidenten, der Appellationsrath Freyh. von Kienmayer. Er ist seit 1775, mithin seit 17 Jahren Regierungs‐ und Appellationsrath.“ Nach Darstellung seiner entsprechenden Befähigung „glaubt“ Kaunitz, „Eure Majestät könnte ihm, da er nebst dem Kanzleydirectors‐, Secretärs und Kanzleydienste leisten muss, also er allein so zu sagen das ganze Amt ausmacht, zu primum Appellationsrathsgehalte noch 1500 fl. oder 1000 fl. allergnädigst zulegen.“ Franz Freiherr von Kienmayer wurde somit unmittelbar nach dem Tod seines Vaters zu dessen Nachfolger als Kanzleidirektor mit einer Zulage von 1000 fl. ernannt.65
Es war also Franz Kienmayer der Jüngere, der sich mit Naturwissenschaften beschäftigte. Neben seiner Mineraliensammlung66 fanden vor allem Kienmayers physikalische Experimente internationale Beachtung, vor allem, weil er sich mit dem Studium der Elektrizität beschäftigte. Er entwickelte das sogenannte „Kienmayer'sche Amalgam“ für Elektrisiermaschinen.67 Ein Brief an den Physikerkollegen Ingen Housz vom 15. Juli 1788 mit einer diesbezüglichen Beschreibung wurde sehr rasch im Journal de Physique abgedruckt und sorgte international für Aufsehen.68 Als Verfasser zeichnet 63
http://www.sejm‐wielki.pl/b/lu.27859 http://impereur.blogspot.co.at/2012/12/jozef‐sierakowski‐1750‐1817.html ; http://www.genealogia.okiem.pl/sierakowski.htm 65
HHStA, OMaA I/A, Karton 7 (1784‐1795), Nr. 20 (pag. 104 ff.) 66
Christian KEFERSTEIN, Verzeichniß der Mineraliensammlungen in Teutschland; In: Zeitung für Geognosie, Geologie und innere Naturgeschichte der Erde, Weimar 1826, II: Stück, S. 132. „S(ammlung). des verstorbenen Appellationsrathes Kienmayer.“ 67
W. Paul AURICH, „Kienmayer , Michael Franz von“, In: Allgemeine Deutsche Biographie 53 (1907), S. 767‐768 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche‐biographie.de/pnd137738471.html?anchor=adb 68
Journal de Physique, Band XXXVIII, Jänner 1791, S. 109 ff. insb Pkt IV f. 64
11 Kienmayer junior als „M. le Baron de Kienmayer, Conseiller aux Appels à Vienne en Autriche“.69 Die Verwendung des Titels Appellationsrat läßt keinen Zweifel zu, dass die Ehre des Erfinders in der Familie Kienmayer bei Franz Kienmayer dem Jüngeren zu verbleiben hat. Zu diesem Zeitpunkt war der Vater Franz der Ältere zwar noch am Leben, aber schon längst Hofrath und Gerichtspräsident. Schließlich wurde Franz der Jüngere von Kaiser Leopold II. dazu berufen, die von Josef II. aufgelöste Theresianische Ritterakademie wieder zu errichten.70 Franz Kienmayer der Jüngere starb zehn Jahre nach seinem Vater, am 30. Mai 1802 in Wien.71 Held und Mensch – Michael (Freiherr) von Kienmayer Über den General der Kavallerie Michael Freiherr von Kienmayer ist schon sehr viel geschrieben, aber auch abgeschrieben worden. Leider auch das Falsche, und das beginnt schon mit seiner Geburt. Auf dem eisernen Grabmal findet sich sein Geburtsdatum, der „17. Jäner 1756“, und das ist abgesehen von der antiquierten Schreibweise korrekt.72 Durch einen Fehler eines Zeitgenossen und vor allem bei Wurzbach hat sich leider in der gesamten wissenschaftlichen Kommune der 17. Jänner 1755 als Geburtsdatum eingeschlichen, damit wäre Michael aber um 2 Monate älter als sein älterer Bruder Franz gewesen. Lediglich in der Österreichischen Militärischen Zeitschrift habe ich noch ein korrektes Geburtsdatum 17. Jänner 1756, gefunden, allerdings stammt die Quelle auch aus dem Jahr 1835.73 Die vorliegende Abhandlung versteht sich als Arbeit zur Erhellung des genealogischen Konnexes und kann daher nicht alle Waffentaten eines Militärs mit einer reichen und illustren Karriere beschreiben. Es muss daher genügen, die Laufbahn des Offiziers zu skizzieren, dabei kann großzügig auf die einschlägige und reichhaltige Literatur des „Siebenjährigen Krieges“, der Türkenkriege und der Koalitionskriege, aber auch die konzise Zusammenfassung von Wurzbach74 verwiesen werden. Im Hinblick auf die Wappenzeichnung des Grabmales sollte hier aber auf die höchste österreichische Tapferkeitsauszeichnung, den kaiserlich österr. Militär Maria‐Theresien‐Orden und auf die beiden hessischen Orden eingegangen werden, die den krönenden Abschluss von Kienmayers kämpfender Karriere bilden.75 Ich werde dabei auch versuchen, auf jenen Teil der Inschrift auf dem Grabmal einzugehen, die sich dem Betrachter fast entzieht. Aber sie charakterisiert Michael Freiherr von Kienmayer über seine Titel und Ehren hinaus als „Held und Mensch“. Die erfolgreichen Karrieren, die sein Großvater als Handelsmann und sein Vater als Beamter durchliefen, setzte Michael von Kienmayer in unvermindertem Tempo als Militär fort. Wie sein Bruder Franz (der Jüngere) absolvierte Michael die theresianische Ritterakademie im Jahr 1774.76 Er war also 18 Jahre, als er seine Studien absolvierte und im November 1774 als Kadett in ein Infanterieregiment77 eintrat. Zwei Monate später wurde er als Leutnant zur Kavallerie assentiert, der 69
Observations du Physique, sur l´Histoire Naturelle et sur les Arts (Journal de Physique), Band XXXIII, August 1788, S. 96 ff; URL: http://archive.org/stream/journaldephysiq18unkngoog#page/n109/mode/2up 70
Ignaz DE LUCA, Vorlesungen über die österreichische Staatsverfassung, Wien 1792; S. 356 71
Litterarische Blätter Nr. X vom 3. September 1803, Nürnberg, Band III, columna 147; ebenso Heinrich W. ROTERMUND, Fortsetzung und Ergänzungen zu Chr. G. JÖCHER'S Gelehrten‐Lexiko III, Delmenhorst 1810, columna 321; URL: http://reader.digitale‐sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10797896_00005.html; Zu seinem Tod und zur Versorgung seiner Witwe und den unversorgten Kindern: HHStA, OMaA I/8, Karton 8 (1795‐1804), Nr. 130a (pag. 345ff.) 72
Siehe FN 56, 58. 73
GEBLER, Kriegsszenen aus dem Leben des k.k. Generalen, Michael Frh. von Kienmayer von 1779 bis 1794, mit einem ausführlichen Nekrolog, in: Österr. Militärische Zeitschrift Band IV. 1835, S. 286 ff. 74
Constantin WURZBACH, a.a.O., S 244 ff. 75
Literatur zu den Waffentaten M. Kienmayers wo nicht extra erwähnt: WURZBACH, a.a.O.; GEBLER, Kriegsszenen 1779 bis 1794, und Nekrolog, 1835, a.a.O.; GEBLER, Kriegsszenen aus dem Leben des k.k. Generalen, Michael Frh. von Kienmayer von 1794 bis 1809, In: Österr. Militärische Zeitschrift 1836, S. 281 ff.; Jaromir HIRTENFELD, Der Militär‐Maria‐Theresien‐Orden und seine Mitglieder, Wien 1857, Band II, S. 884.; 76
Max v. GEMMELL‐FISCHBACH, Album des kaiserl. königl. Theresianums (1746‐1880), Wien, Brünn 1913, S. 38. 77
Nr. 26 „Puebla di Portugalo“ 12 er dann bis zu seinem Tod treu blieb. Knapp 15 Jahre später, also mit nur 33 Jahren, war er schon Oberst und Befehlshaber eines Kavallerieregiments, und zudem Träger des Maria‐Theresien‐Ordens. Nach den überlieferten Relationen von den Kriegsschauplätzen dieser Zeit lassen sich Kienmayers militärischen Erfolge mit persönlicher Kühnheit,78 ausgezeichneter Reitkunst79 und Kriegstechnik,80 sowie mit dem richtigen Situationsbeurteilung81 und Motivationskraft82 charakterisieren. Anschaulich beschreibt diese Kriegstugenden der russische General Alexander Wassiljewitsch Suworow in einem Brief an den neu beförderten Oberst, dies wohl unter dem Eindruck der Schlacht am Putna‐Fluß und jener bei Fokschan: „Hochwohlgeborner Herr Oberst! Tapferer Mann, der mit dem blinkendem Säbel in der Hand in Haufen von rasenden Muselmännern eindrang und Tod und Schrecken nachließ, ‐ nehmen Sie die redlichsten Glückwünsche von einem Zeugen Ihres Muthes an, und genießen Sie die hohe Ehre Ihres neuen Ranges in aller Zufriedenheit. Dieß wünscht Ihnen aus russischem biederen Herzen Des Hochwohlgebornen Herrn Obersten ergebenster Diener Graf Alexander Suworow v. Rymnikskj.“83 Der endgültige Sieg der Alliierten gegen die Türken wurde schließlich in der Schlacht von Martinestie am 22. September 1789 errungen.84 Für Kienmayer selbst blieb das nicht ohne Folgen. Er wurde von General Friedrich Josias Prinz Coburg mit der entsprechenden Relation nach Wien geschickt, um dem Kaiser persönlich über den Sieg gegen die Türken zu berichten. Der Lohn der erfolgreichen Taten Kienmayers war nicht nur ein kostbarer Ring des Kaisers, sondern fand seinen Niederschlag in der oben erwähnten Beförderung zum Obersten am 21. November 1789 und der Verleihung des Ritterkreuzes des Militär‐
Maria‐Theresien‐Ordens am 21. Dezember 1789. Nach etwas ruhigeren Jahren wurde Kienmayer im Jahr 1793 auf besonders ehrenvolle Art ins Feld gerufen. Da sein Regiment nicht an der Mobilisierung in den Niederlanden beteiligt war, ersuchte Feldmarschall Prinz Coburg mehrfach persönlich um Übersetzung Kienmayers als Oberst zu seinem ehemaligen und im Felde stehenden Husaren‐Regiment „Barcó“. Er begründete dies gegenüber dem 78
12. November 1789: Gefangennahme des türkischen Raja von Gjurgevo Jussuf Pascha im Dorf Onyak mit einer Beute von 2000 Stück Schlachtvieh. 79
Kienmayersprung: Am 25. Mai 1799 springt Kienmayer von den Franzosen bedrängt mit seinem Pferd von einem hohen Felsen in die Thur und gelangt unverletzt ans andere Ufer. 80
31. Juli 1789, Schlacht am Putna‐Fluss, Kienmayer sichert 1500 zurückweichenden Kosaken und Arnauten des Generals Suworow gegen 3000 bestberittene Türken mit einer Attacke von 2 Eskadronen Husaren (300 Mann); Kienmayer nimmt vie Verfolgung auf und vertreibt weitere 4000 lagernde Türken; Am Abend dieses Tages zählt man einen toten und sechs verletzte Husaren. Dieses Gefecht bereitete den überwältigenden Sieg gegen die Türken am Folgetag in der Schlacht bei Fokschan vor. 81
8. Juni 1788, Rettung der gebrochenen Schiffsbrücke bei Malinovcze. 82
19. April 1788, Rettung eines Infanterie‐Pikets von 40 Mann samt einer Kanone auf der Höhe Bojana Losy mit 14 Husaren gegen 2000 Türken. 83
Zwei im Nachlass des Generals Kienmayer gefundene Briefe, In: ÖSTERREICHISCHE MILITÄRISCHE ZEITUNG, 1831, S. 323 f. 84
Am 22. September 1789 überspringt Kienmayer in der Schlacht von Martinesti als erster die feindlichen Gräben und erbeutet eine Artilleriefahne. 13 Hofkriegsratspräsidenten Graf Wallis, da dieses Husaren‐Regiment Barcó „wahre Wunder der Tapferkeit“ vollbrachte und sich, da es eine besondere Aufmerksamkeit verdient hätte, „an der Auswahl dieses Obersten erfreuen werde“.85 Kienmayer bestätigte das in ihn gesetzte Vertrauen und zeichnete sich im Ersten Koalitionskrieg mehrfach aus. Schon am Frühjahr 1794 wurde er außer der Tour zum Generalmajor ernannt. Auch im Zweiten Koalitionskrieg empfahl sich Kienmayer nach anfänglichen Erfolgen in Osterach und Stockach durch tapfere und umsichtige Führung gegen einen meist übermächtigen Gegner, etwa in Hettlingen und Andelfingen. Am 4 September 1799 wurde er zum Feldmarschall‐Leutnant befördert und mit dem Kommando einer eigenen Division betraut. In der kriegsentscheidenden Schlacht bei Hohenlinden befehligte Kienmayer die Kolonne des rechten Flügels in der Stärke von ca. 16.000 Mann,86 der die französischen Truppen rasch in ein Gefecht verwickeln sollte, um ihnen Stärke aus dem Zentrum abzuziehen. Dies erfolgte auch, der Flügel unter Kienmayer hatte das französische Korps Grenier engagiert und vorerst abgedrängt,87 jedoch konnte die Nachbarkolonne keine Unterstützung leisten,88 was den unter Kienmayer stehenden Divisionen Schwarzenberg und Erzherzog Carl einen hohen Blutzoll eintrug.89 Die Niederlage der Alliierten in dieser kriegsentscheidenden Schlacht wurde daher eher im Zentrum der Alliierten gesucht, wie aus einem Brief des Kaisers Franz II. an seinen Bruder Johann hervorgeht.90 Nach dem Frieden von Luneville wurde Kienmayer mit dem Militär‐Kommando in Troppau betraut und zum Inhaber des 8. Husaren‐Regimentes ernannt. Im Feldzug des Dritten Koalitionskrieges im Jahr 1805 befehligte Kienmayer am Lech ein selbstständiges Corps. In der Schlacht bei Austerlitz hatte Kienmayer als Avantgarde den linken Flügel und vor allem die erste Kolonne zu decken, die Tellnitz einnehmen sollte. Dies wurde auch erreicht, jedoch zum Preis hoher Verluste. Grund war die massive Gegenwehr der Franzosen91 und die langsame Unterstützung der russischen Kolonnen unter dem Flügel‐Kommandanten Buxhöwden. Nach der Einnahme von Tellnitz wurde Kienmayer in seinem Plan rasch weiter vorzustoßen von Buxhöwden zurückgehalten, wodurch sich der Feind wieder neu ordnen konnte.92 Nach Abschluss des Pressburger Friedens wurde Kienmayer zum Divisionär in Olmütz ernannt und später nach Fünfkirchen versetzt, wo er bis Ende 1808 verblieb. 1809 wurde Kienmayer mit der Führung des II. Reservekorps betraut und nahm unter Erzherzog Carl an den Schlachten und Gefechten in Süddeutschland teil. Der Vormarsch der Franzosen konnte etwa im Gefecht von Ebelsberg bei Linz nur etwas verzögert werden. Kienmayer deckte den Rückzug93 und hatte später die Ennslinie zu verteidigen, damit die Truppen des Erzherzog Carl, die über Böhmen nach Wien geführt wurden, neu gesammelt werden konnten.94 Kienmayer übernahm schließlich in der Schlacht bei Aspern das Kommando seiner Division im zusammengelegten Reservekorps unter Fürst Liechtenstein95 und wurde in deren Relation als einer der Ausgezeichneten genannt.96 85
Feldmarschall Friedrich Josias Prinz Coburg an den Hofkriegsratspräsidenten Graf Wallis am 2. Oktober 1793, abgedruckt in GEBLER, 1835, a.a.O. S. 310. 86
Günther SCHNEIDER, Hohenlinden 1800 – die vergessene Schlacht, S. 104. 87
Günther SCHNEIDER, a.a.O., S. 57 ff. 88
James R. ARNOLD, Marengo and Hohenlinden, Napoleon´s Rise to Power, 2005, S. 233 f. 89
Edward BAINES, History oft he Wars of the French Revolution, London 1818, S. 331. 90
Franz II. an seinen Bruder Erzherzog Johann, In: Günther SCHNEIDER, a.a.O., S. 92: „Ich erwarte nun die ausführliche Relation des geschehenen Unglücks, … indem bei der Kolonne in Centro, die geworfen worden, unverzeihliche Fehler müssen, wie es scheint, vorgegangen sein …“ 91
Ian CASTLE, Austerlitz 1805,Oxford 2003, The Fate of Empires, Oxford , S. 45 ff. 92
Todd FISHER, The Napoleonic Wars, The Rise oft he Emperor 1805 ‐1807, Oxford 2001; S. 40. Robert GOETZ, 1805: Austerlitz. Napoleon and the Destruction of the Third Coalition, 2005, S. 122 ff. 93
J. W. RIDLER, Das Treffen bei Ebelsberg; In: Archiv für Geographie, Historie, Staats‐ und Kriegskunst, IV. Jg. Wien 1813, Nr 128 f. S. 551 ff. 94
Albert Freiherr von PILLERSDORFF, Das 57. Infanterie‐Regiment Fürst Jablonowski und die Kriege seiner Zeit, Wien 1857, S. 306 ff. 95
Friedrich von HELLWALD, Der Krieg in Süddeutschland Band II; In: Österr. Militärische Zeitung, Separatum, IV. Abschnitt, S.4. 14 Relativ bald nach Aspern, am 18. Juni, erhielt Kienmayer den Oberbefehl über das XI. Armeekorps, um Böhmen gegen den Einfall zu sichern. Bisher war Böhmen von zwei kleineren unabhängigen Einheiten gedeckt. Das erste mit einer Stärke von ca. 4200 Mann unternahm unter General‐Major Paul von Radivojevich einen Streifzug nach Bayreuth, ein anderes stand mit ca. 5600 Mann unter General‐Major Karl Friedrich Am Ende stand in Sachsen. Durch die rasche Annäherung zweier Armeekorps des Königs Jérôme Bonaparte von Westfalen und des Generals Junot war Böhmen in ernste Gefahr geraten, in die kriegerischen Auseinandersetzungen hineingezogen zu werden. Gleich nachdem Kienmayer am 27. Juni den Oberbefehl über Radivojevich und Am Ende übernommen hatte, teilte er das Korps Am Ende und erteilte Letzterem den Befehl bis Dresden und bei einer weiteren Verfolgung bis an die böhmische Grenze zurückzugehen. Mit dem verbliebenen kleinen Truppenteil konnte Kienmayer am 28. Juni auf der Anhöhe zwischen Nossen und dem Celler Wald Position beziehen und einen Angriff des zahlenmäßig weit überlegenen Jérôme Bonaparte (14.000 Mann) so glücklich zurückschlagen, dass damit zumindest das weitere Vorrücken Jérômes nach Dresden verzögert wurde. Jérôme ging schließlich weiter nach Dresden, wovon Am Ende sich zurückzog. Kienmayer hingegen ging mit seinem Korps nach Westen über Zwickau und Plauen nach Hof, wo er am 5. Juli eintraf; er versuchte nun, sich General Junot, der mit rund 8000 Mann von Bamberg heranrückte, noch so entgegen zu stellen und aufzuhalten, um eine Vereinigung mit dem aus Dresden wieder zurückkommenden Jérôme zu verhindern. Radivojevich war schon zuvor von Bayreuth nach Berneck gegangen und hatte den Befehl, sich im Engpass von Berneck zu halten. Vom übermächtigen Gegner zurückgedrängt musste Radivojevich jedoch in der Nacht vom 7. zum 8. Juli nach Gefrees weichen. Kienmayer, der seinen Marsch über Helmbrechts und Münchberg fortsetzte, traf am 8. Juli gegen mittags rechtzeitig in Gefrees ein, sodass er dem bereits im Kampf engagierten Radivojevich zu Hilfe eilen konnte. Durch diese Verstärkung standen den rund 8000 und an Kavallerie und Geschütz überlegenen Franzosen und Bayern nunmehr 7500 Österreicher, Braunschweiger und Hessen gegenüber. Nach drei Stunden entschied Kienmayer den Kampf für sich. Die Schlacht bei Gefrees blieb die einzige auf diesem Kriegsschauplatz.97 Kienmayer hatte einen zahlenmäßig weit überlegenen Gegner getäuscht, auseinandergeführt und sogar einmal geschlagen, womit er seine taktische und strategische Führungskraft im Krieg ein letztes Mal unter Beweis stellen konnte. Der militärische Auftrag wurde erfolgreich erfüllt, Böhmen war gesichert, Bayreuth, die Lausitz, das Vogtland und ein Großteil Sachsens waren unter seiner Kontrolle. Jedoch wurde der Wert dieser gewonnenen Schlacht durch die Niederlage von Deutsch‐Wagram am 5. und 6. Juli wieder zunichte gemacht. Der am 12. Juli in Znaim abgeschlossenen Waffenstillstand sicherte Böhmen zwar weiterhin den Frieden, jedoch mussten die wieder belebten Hoffnungen einzelner deutscher Fürsten, vor allem Hessens, auf Wiedereinsetzung in ihre angestammten Länder auf gewisse Zeit begraben werden. In Anerkennung dieser Verdienste wurde Kienmayer schließlich am 31. Juli 1809 zum General der Kavallerie befördert, und vom Kurfürst von Hessen‐Kassel mit dem hessischen Goldenen‐Löwen‐Orden sowie dem hessischen Militär‐Verdienstorden ausgezeichnet. 96
Relation der Schlacht bei Aspern auf dem Marchfelde am 21. und 22. May 1809, S. 19; Zum Gefecht bei Nossen und zur Schlacht von Gefrees siehe auch: Franz Joseph Adolph SCHNEIDAWIND, Der Krieg Oesterreich's gegen Frankreich, dessen Alliierte und den Rheinbund, Schaffhausen 1842, Band II. S 183 ff. 97
15 Im Ordenskapitel vom Jahr 1810 wurde Kienmayer für seine wichtigen Leistungen im Feldzug 1809 das Kommandeurkreuz des Maria‐Theresien‐Ordens zuerkannt. Noch im Jahr 1809 wurde er zum Ad Latus des kommandierenden Generals in Ungarn bzw. als Inspekteur der Kavallerie in Ungarn ernannt. 1813 wurde er Interims‐Kommandierender in Galizien, 1814 schließlich kommandierender General in Siebenbürgen. 1816 erhielt Kienmayer die geheime Ratswürde. 1820 wurde er kommandierender General für Mähren und Schlesien in Brünn. Anlässlich seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums am 16. November 1824 stiftete das ihm unterstehende Offizierskorps eine seinen Namen führende Stiftung für wohlverdiente Soldaten seines Husarenregimentes. Aufgrund unheilbarer Leiden war Kienmayer Ende 1826 gezwungen, seine militärische Karriere zu beenden und in den Pensionsstand zu treten. Michael Kienmayer heiratete am 11. März.1801 in St. Augustin Katharina, die Tochter des Hofrates Auernhammer.98 Das Ehepaar hatte zwei Kinder: Katharina, * 8.2.1802 in Fünfkirchen, + 16.5.1859 in Klausenburg. Michael Johann Peter, * 4.9.1804, er starb allerdings bereits im 7. Lebensjahr. Möglicherweise ist im frühen Tod des einzigen Sohnes der Grund zu suchen, warum General Kienmayer trotz seiner Erfahrung und allseits geschätzten Fähigkeit seit dem Jahr 1809 nicht mehr im Felde stand. Zumindest ist es ein Erklärungsversuch, der auch schon 1835 im Nekrolog Kienmayers in der Österreichischen Militärischen Zeitung anklingt.99 Ein weiterer Grund, sich nicht mehr auf die Campagne einzulassen, mag auch die angegriffene Gesundheit Kienmayers gewesen sein. In seinem Testament ging Kienmayer ausdrücklich darauf ein und ersuchte seine Frau, die er mit seiner Tochter zu Universalerbinnen eingesetzt hatte, dass sein Leichnam nach dem Tode geöffnet werden sollte, vor allem wegen dem „Kehlkopf, weil meine Tochter die nämlichen Anstände öfter in ihrem Halse hat, die auch ich hatte, und durch die Untersuchung sich leichter eine Heilmethode wird finden lassen.“ Die Aufmerksamkeit des Vaters für seine Tochter wird noch von einem Postscriptum nach der Unterschrift deutlich, in der Kienmayer am Ende der Seite angefügt hatte: „meine Tochter und meinen Schwieger‐Sohn küsse ich beyde noch zum letzten Mahle.“100 Ehefrau und Tochter würdigten den Toten schließlich auch am Grabmal, als „Held“ und „Mensch“. Dies galt auch bei seinen Kameraden, wo er als tapferer Soldat und verwegener Reiterführer geachtet war. Wegen seiner Umsicht und väterlichen Zuwendung war er zudem besonders bei den einfachen Soldaten sehr beliebt. Am 28.10.1828 starb General der Kavallerie Freiherr von Kienmayer in Wien nach langer und unheilbarer Krankheit. General Kienmayer hat noch am 30.4.1821 in Brünn die Hochzeit seiner Tochter Katharina mit Leopold (Lipót) Graf Bethlen von Bethlen101 miterlebt. Nach dem Tod des Generals dürfte die Mutter ihrer Tochter Katharina nach Siebenbürgen gefolgt sein. Der Ehemann Katharinas, Leopold Graf Bethlen, * 8.1.1800 in Hermannstadt, + 14.4.1861 in Klausenburg, war k.k. Kämmerer und der Enkel des Hofkanzlers von Siebenbürgen Gabriel Graf Bethlen (gr. Bethlen Gábor), der nach seiner Konversion sogar 1765 in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen wurde und einen katholischen Zweig der Familie Bethlen gründete. Leopolds Vater Joseph Graf Bethlen (gr. Bethlen József) war als Schatzmeister ebenfalls mit einem wichtigen siebenbürgischen Hofamt bekleidet. 98
JÄGER‐SUNSTENAU, a.a.O. GEBLER, 1835, a.a.O. S. 289. 100
Testament Michael Frh. v. Kienmayer vom 23. Juli 1827, Kriegsarchiv, Sperrs‐Relation. 101
Zu diesem Zweig der Familie Bethlen und den Nachkommen Kienmayers dieses Namens siehe NAGY Iván, Band I., Pest 1857, S. 88 f.; MAGYAR NEMZETSÉGI ZSEBKÖNV, kiadja a Magyar Heraldikai és Genealógiai Társaság, Budapest 1888, I. rész, Főrangú családok, Grófok, bethleni Bethlen, B) Balázs ágazata, III. fő ág, első ág; http://genealogy.euweb.cz/hung/bethlen3.html 99
16 Aus der Ehe zwischen Katharina Kienmayer und Leopold Graf Bethlen entstammen die einzigen Enkel des Generals Kienmayer: Michael Graf Bethlen von Bethlen, * 1821. Von ihm ist bisher bekannt, dass er ehelos blieb und von 1869 bis 1873 das Schloss Kottingbrunn besaß.102 Leopoldina Gräfin Bethlen von Bethlen, * 21.9.1826 in Brünn, + 29.3.1913 in Wien. Sie heiratete zum ersten Mal am 20.8.1847 den entfernt verwandten Franz Graf Bethlen von Bethlen, Sohn des Franz Paul, Obergespan von Inner‐Szolnok, * 1824, +, 11.4.1893 in Klausenburg, von dem sie allerdings geschieden wurde. Leopoldinas zweiter Mann, den sie am 18.8.1867 heiratete, hatte ebenfalls eine gescheiterte Ehe hinter sich, es war ihr Cousin 1. Grades Gabriel Graf Bethlen von Bethlen, Obergespan von Zaránd, * 12.2.1821 in Klausenburg, + 20.9.1900 in Klausenburg. Beide Ehen blieben kinderlos. Placed on the Napoleon Series: January 2016
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MAGYAR NEMZETSÉGI ZSEBKÖNV, a.a.O.; Kurt JANETSCHEK, Kottingbrunn im Wandel der Zeit (Chronik zur Markterhebung 1974), S.63 17