Handelvertreter _commercial agent
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Handelvertreter _commercial agent
United Kingdom Der Handelsvertreter (commercial agent) in Grossbritannien Compiled by: Andrew Kaufman, Fladgate LLP (Business Law Firm, London) London, November 2008 1. Einleitung Ausländische Unternehmen bedienen sich bei dem Absatz ihrer Produkte in Grossbritannien häufig eines Handelsvertreters. Das britische Handelsvertreterrecht ist in den Commercial Agents (Council Directive) Regulations 1993 (im folgenden „Regulations“ genannt) geregelt. Die Regulations haben zum 1. Januar 1994 die EUHandelsvertreter-Richtlinie in britisches Recht umgesetzt. Zuvor gab es in Grossbritannien kein Gesetz, welches die Pflichten von Unternehmern und Handelsvertretern umfassend regelte, einzige Rechtsgrundlage war vielmehr das allgemeine englische Vertrags- und Richterrecht. Dementsprechend brachte die Umsetzung der Richtlinie erhebliche Veränderungen mit sich. Dies gilt insbesondere für die Regelung des nachvertraglichen Ausgleichs- und Entschädigungsanspruchs des Handelsvertreters in Art. 17 der Regulations. Ein derartiger Anspruch war dem britischen Recht bisher fremd. Zu den Regulations sind seit Umsetzung der EU-Richtlinie erst sehr wenige Entscheidungen englischer Gerichte ergangen, weshalb in Grossbritannien noch eine erhebliche Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem Handelsvertreterrecht und den Regulations besteht. Die klassische (Dreiecks-) Konstellation stellt sich wie folgt dar: Der Hersteller bzw. Unternehmer (in Grossbritannien principal genannt) schliesst mit dem Handelsvertreter (commercial agent) den Handelsvertretervertrag ab. Der Handelsvertreter stellt sodann den Kontakt zu dem Kunden (customer) her und bemüht sich um den Absatz der Ware des Herstellers in Grossbritannien. Hierbei kommen zwischen dem Handelsvertreter und dem Kunden selbst keine Vertragsbeziehungen zustande, der Handelsvertreter vermittelt nur das Zustandekommen eines Vertragsschlusses zwischen dem Hersteller und dem Kunden bzw. schliesst das Geschäft im Namen des Herstellers ab. 2. Anwendungsbereich der Regulations – Wer ist commercial agent? Nach der Definition in Reg. 2 (1) ist commercial agent, wer „als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für eine andere Person (den Unternehmer) den Verkauf oder den Ankauf von Waren zu vermitteln oder diese Geschäfte im Namen und auf Rechnung des Unternehmers (on behalf of and in the name of that principal) abzuschliessen“. In den bisher ergangenen Entscheidungen haben die englischen Gerichte den Begriff des commercial agent sehr weit interpretiert. Download: www.osec.ch 1/5 Im Gegensatz zu den Regelungen, die in der Mehrzahl der anderen Mitgliedsstaaten getroffen wurden, erfasst der Begriff des commercial agent nur den Warenvertreter. Dienstleistungsvertreter hingegen sind vom Anwendungsbereich der Regulations ausgeschlossen. Auch der Vertragshändler (distributor) fällt weder direkt noch analog unter den Anwendungsbereich der Vorschriften. Alle in Grossbritannien tätigen Handelsvertreter unterliegen zwingend den unabdingbaren Regelungen der Regulations, solange die Parteien nicht den Regulations entsprechende nationale Regelungen eines anderen EU-Mitgliedsstaates für anwendbar erklären. Dies gilt vor allem dann, wenn die Parteien den Vertrag im Übrigen dem Recht eines Nicht-EU-Landes (z.B. den USA) unterwerfen. 3. Das Vertragsverhältnis zwischen Handelsvertreter und Unternehmer Abschluss des Handelsvertretervertrages Hinsichtlich des Vertragsschlusses haben die Regulations zu keiner Änderung der Rechtslage nach dem britischen Common Law geführt. Demnach sind für den Abschluss eines Handelsvertretervertrages keine zwingenden Formalien einzuhalten. Der Wille, einen anderen als Handelsvertreter zu bevollmächtigen, kann grundsätzlich schriftlich, mündlich oder auch faktisch zum Ausdruck kommen. Von der in Art. 13 Abs. 2 der Handelsvertreter-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, für Handelsvertreterverträge die Schriftform vorzuschreiben, wurde bei der Umsetzung in Grossbritannien keinen Gebrauch gemacht. Neu ist das in Reg. 13 normierte Recht beider Parteien, von der jeweils anderen Seite eine unterschriebene schriftliche Niederlegung der vertraglichen Vereinbarung verlangen zu können. Da somit der Vertragsinhalt in jedem Fall schriftlich nachgewiesen werden muss, ist es empfehlenswert, den Handelsvertretervertrag von Anfang an schriftlich festzuhalten. Es ist wichtig, den Umfang der dem Handelsvertreter eingeräumten Vertretungsmacht genau festzulegen. Ebenfalls muss das Gebiet, in welchem der Handelsvertreter für den Unternehmer tätig wird, exakt eingegrenzt sowie bestimmt werden, ob der Handelsvertreter in diesem betreffenden Gebiet den Unternehmer exklusiv, d.h. unter Ausschluss anderer Handelsvertreter und auch des Unternehmers selbst, vertritt. Möglich ist es ebenfalls, dass in einem bestimmten Gebiet zwar nur ein einziger Handelsvertreter für den Unternehmer tätig ist, der Unternehmer selbst jedoch daneben die Ware auch im Wege des Direktverkaufs vertreiben kann (sogenannte sole agency). Schliesslich ist es auch möglich, dass in einem Gebiet mehrere Vertreter nebeneinander für den Unternehmer tätig werden. Die vertraglichen Pflichten der Parteien Ausgehend von der Befugnis des Handelsvertreters, rechtliche Verpflichtungen des Prinzipals begründen zu können, misst das Common Law dem Vertretungsverhältnis den Charakter eines Treueverhältnisses bei. Zu den Treuepflichten (fiduciary duties) gehören beispielsweise die Pflichten des Vertreters, alle aus seiner Vertretertätigkeit erlangten finanziellen Vorteile an den Unternehmer herauszugeben und Interessenkonflikte zu vermeiden. Neben diesen Treuepflichten muss der Handelsvertreter die Weisungen seines Prinzipals befolgen, im Rahmen seiner Vertretungsmacht handeln und seine Tätigkeit mit der im Rechtsverkehr üblichen Sorgfalt ausüben. Diese grundsätzlichen Pflichten des Handelsvertreters werden durch die Regulations insofern ergänzt, als nunmehr ausdrücklich normiert ist, dass der Handelsvertreter bei seiner Tätigkeit die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen sowie pflichtbewusst und dem Gebot von Treu und Glauben entsprechend zu handeln hat. Den Unternehmer treffen ebenfalls Informations- und Sorgfaltspflichten gegenüber dem Handelsvertreter. Insbesondere ist der Unternehmer verpflichtet, dem Handelsvertreter eine Abrechnung über die geschuldeten Download: www.osec.ch 2/5 Provisionen zu erteilen, welche alle für die Berechnung wesentlichen Angaben enthalten muss. Zum Zwecke der Nachprüfung dieser Abrechnung hat der Handelsvertreter das Recht, alle erforderlichen Auskünfte und Auszüge aus den Geschäftsbüchern des Unternehmers zu verlangen. Bislang sind hierzu noch keine Entscheidungen englischer Gerichte ergangen. Im Falle einer Pflichtverletzung gelten die Vorschriften des auf den Vertrag anzuwendenden Rechts. Die Folgen einer Pflichtverletzung bestimmen sich demnach zum einen nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, zum anderen nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts des Common Law, sofern der Vertrag nicht dem Rechtssystem eines anderen Landes unterworfen ist. Provisionsansprüche des Handelsvertreters Der Handelsvertreter hat einen Anspruch auf Provisionen für von ihm vermittelte oder abgeschlossene Geschäfte. Die Höhe dieser Provision bestimmt sich grundsätzlich nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen dem Handelsvertreter und dem Unternehmer. Haben die Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung über die zu zahlende Provision getroffen, hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf diejenige Vergütung, die einem Handelsvertreter üblicherweise für die vertriebenen Waren am Ort der Ausübung seiner Tätigkeit zugestanden wird. Ist eine solche Geschäftspraxis nicht festzustellen, hat der Handelsvertreter einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung, die alle mit dem Geschäft zusammenhängenden Faktoren berücksichtigt. Für das Entstehen des Provisionsanspruchs ist es erforderlich, dass der betreffende Geschäftsabschluss auf die Tätigkeit des Handelsvertreters zurückzuführen ist. 4. Die Beendigung des Handelsvertretervertrages Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages steht dem Handelsvertreter entweder ein Ausgleichsanspruch (indemnity) oder ein Entschädigungsanspruch (compensation) zu. Dies stellt die wohl bedeutsamste Regelung der Regulations dar. Beendigung des Vertreterverhältnisses Die Beendigung des Vertreterverhältnisses tritt dann ein, wenn entweder eine der Parteien das Vertragsverhältnis wirksam kündigt oder im Falle eines befristeten Vertretervertrages die Vertragslaufzeit abgelaufen ist. Die ordentliche Kündigungsfrist beträgt im ersten Vertragsjahr einen Monat, im zweiten Vertragsjahr zwei Monate und für das angefangene dritte Vertragsjahr sowie die folgenden Vertragsjahre drei Monate. Es ist nicht notwendig, dass die Kündigungsfrist am Ende eines Kalendermonats abläuft. Die Parteien können grundsätzlich vertraglich auch eine längere Kündigungsfrist vereinbaren, die Festlegung einer kürzeren Frist hingegen ist ihnen verwehrt. Eine unter Missachtung der Fristen ausgesprochene Kündigung wird erst mit Ablauf der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist wirksam, es sei denn, eine fristlose Kündigung ist berechtigt. Bis dahin haben die Parteien einen Anspruch auf Erfüllung des Vertretervertrages. Im Falle der Leistungsverweigerung der einen Seite steht der anderen Seite ein Schadensersatzanspruch zu. Ein Recht zur fristlosen Kündigung besteht insbesondere im Falle einer teilweisen oder vollständigen Nichterfüllung der wesentlichen vertraglichen Pflichten durch eine Partei. Ausgleichsanspruch oder Entschädigung Die europäische Richtlinie zum Handelsvertreterrecht beinhaltet zwei verschiedene Varianten der Abfindung zugunsten des Handelsvertreters. Zum einen die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung (indemnity), die im wesentlichen der Regelung des deutschen § 89b HGB entspricht, und die in dieser Form in den meisten EULändern übernommen wurde. Eine Ausnahme hiervon macht das französische Recht, welches eine andere Berechnungsmethode für die Höhe der Abfindung vorsieht. Diese französische Abfindung ist in England als compensation (Entschädigung) bekannt. Download: www.osec.ch 3/5 Die englische Regierung hat sich bei der Umsetzung der EU-Richtlinie in englisches Recht nicht endgültig für eine Variante der Abfindung entschieden, sondern vielmehr festgelegt, dass das französische System der Entschädigung (compensation) immer dann eingreift, wenn in dem Handelsvertretervertrag nicht ausdrücklich ein Ausgleichsanspruch (indemnity) vereinbart wurde. Als die den Ausgleichs- bzw. Entschädigungsanspruch auslösende Vertragsbeendigung gelten insbesondere die Kündigung des Handelsvertretervertrages durch den Prinzipal, die erzwungene Kündigung seitens des Handelsvertreters wegen Nichterfüllung wesentlicher Vertragspflichten des Prinzipals sowie schwerwiegende Krankheit oder der Tod des Handelsvertreters. Sowohl der Ausgleichs- als auch der Entschädigungsanspruch sind vom Handelsvertreter innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Vertretervertrages geltend zu machen. Entschädigung (compensation) Voraussetzung für einen Anspruch auf compensation ist nach Reg. 17 (6) neben der Beendigung des Vertreterverhältnisses, dass dem Handelsvertreter durch diese Beendigung ein Schaden entstanden ist. Ein solcher Schaden ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Handelsvertreter Provisionen verliert, die er bei ordnungsgemässer Ausführung des Vertrages erworben hätte und der Unternehmer aufgrund der Tätigkeit des Vertreters erhebliche Vorteile erhalten hätte. Ein Schaden ist auch dann anzunehmen, wenn der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertrages nicht in der Lage war, die Kosten und Ausgaben zu amortisieren, die er im Rahmen der Erfüllung des Vertretervertrages auf den Rat des Unternehmers hin auf sich genommen hat. Dieser Schadensersatzanspruch ist – anders als der Ausgleichsanspruch – der Höhe nach unbegrenzt. Das höchste Gericht in Grossbritannien – the House of Lords – hat im Frühjahr 2007 in dem Fall Lonsdale v Howard & Hallam Ltd entschieden, dass der Berechnung des Schadensersatzanspruchs nicht zwei durchschnittliche Jahresprovisionen zu Grunde gelegt werden können. Dies war bisher, in Anlehnung an französische Rechtsprechung, gängige Praxis der englischen Gerichte gewesen, auch wenn in neueren Entscheidungen eine Tendenz zu geringeren Entschädigungssummen erkennbar war. Nunmehr wurde die Berechnung der Entschädigungssumme nach „französischem Modell“ endgültig abgeschafft und durch eine Entschädigungssumme ersetzt, deren Höhe sich nach dem Wert des Handelsvertretergeschäfts zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bemisst. Mit anderen Worten: Der Handelsvertreter wird von nun an Beweis erbringen müssen, welchen Kaufpreis er hätte erzielen können, wenn er das Geschäft zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung verkauft hätte. In vielen Fällen wird dies die Bewertung durch einen Wirtschaftsprüfer oder sonstigen Experten erforderlich machen. Ausgleichsanspruch (indemnity) Voraussetzung für einen Anspruch auf indemnity ist zunächst eine vertragliche Vereinbarung darüber, dass dem Handelsvertreter im Falle der Beendigung des Vertragsverhältnisses ein Ausgleichsanspruch zustehen soll. Liegt eine solche Vereinbarung vor, müssen drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein: Der Handelsvertreter muss für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsbeziehungen mit vorhandenen Kunden erheblich erweitert haben; der Unternehmer muss aus den Geschäften mit diesen Kunden weiterhin erhebliche Vorteile ziehen, und die Ausgleichszahlung muss Billigkeitsgesichtspunkten entsprechen. Kriterien für die Billigkeit sind insbesondere die dem Handelsvertreter aus den Geschäften mit diesen Kunden entgangenen Provisionen, d.h. diejenigen Provisionen, die der Handelsvertreter verdient hätte, wenn das Vertragsverhältnis nicht beendet worden wäre. Erforderlich ist also eine Prognose über die hypothetische weitere Entwicklung des Vertragsverhältnisses. Weiter zu berücksichtigen sind beispielsweise auch die Unkosten, die dem Vertreter bei einer Fortsetzung seiner Tätigkeit entstanden wären. Download: www.osec.ch 4/5 Gemäss Reg 17 (4) darf der als indemnity zu zahlende Betrag eine Obergrenze in Höhe einer durchschnittlichen Jahresvergütung nicht überschreiten. Massstab hierfür sind die Vergütungen der letzten fünf Jahre. 5. Praktische Hinweise Bei der Beauftragung eines Handelsvertreters in Grossbritannien sollte stets ein detaillierter schriftlicher Vertrag aufgesetzt werden, in welchem der Umfang der Vertretungsmacht und das Gebiet, in dem der Handelsvertreter für den Unternehmer tätig sein soll, festgelegt werden. Zudem sollte bestimmt werden, ob der Vertreter in diesem Gebiet exklusiv, also unter Ausschluss anderer Handelsvertreter und des Unternehmers selbst tätig ist. Wenn der Handelsvertreter in Grossbritannien tätig ist und somit die Regulations Anwendung finden, sollte – wenn der Unternehmer Rechtssicherheit möchte – stets ein Ausgleichsanspruch (indemnity) vereinbart werden, da hier die Obergrenze von einer durchschnittlichen Jahresvergütung gilt. Auf der anderen Seite kann auf Grund der Lonsdale-Entscheidung, wenn der Unternehmer es für unwahrscheinlich hält, dass das Geschäft des Handelsvertreters zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung einen hohen Wert haben wird, auf eine Regelung des Ausgleichsanspruchs im Vertrag verzichtet werden, da dann automatisch der Anspruch des Handelsvertreters auf Entschädigung eingreift. Jedoch bedarf es schon hellseherischer Fähigkeiten, um den zukünftigen Wert eines Handelsvertretergeschäfts vorherzusagen. Gleichzeitig ist das Eingreifen des Entschädigungsanspruchs riskant, da für ihn, wie gesagt, keine Obergrenze gilt. Auch sollte ausdrücklich festgelegt werden, ob der Vertrag im Übrigen englischem oder ausländischem Recht unterliegt und welche Gerichte zuständig sind. Entwerfen sie einen Handelsvertretervertrag nicht selbst, sondern ziehen sie einen englischen Anwalt zurate. Wir beraten sie gerne! Date: November 2008 Author: Andrew Kaufman Author’s address: 25 North Row London W1K 6DJ England Tel: 0044-20-7323 4747 Fax: 0044-20-7629 4414 akaufman@fladgate.com Download: www.osec.ch 5/5