Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009

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Das Widerrufsrecht im Onlinehandel, 2009
Information und Recht
________
Band 74
Schriftenreihe
Information und Recht
Herausgegeben von
Prof. Dr. Thomas Hoeren
Prof. Dr. Gerald Spindler
Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M.
Prof. Dr. Georgios Gounalakis
PD Dr. Herbert Burkert
Prof. Dr. Thomas Dreier
Band 74
Verlag C.H. Beck München 2009
Das Widerrufsrecht
im Onlinehandel
von
Carsten Föhlisch
Verlag C.H. Beck München 2009
D6
Verlag C.H. Beck im Internet:
beck.de
ISBN 978 3 406 59641 4
© 2009 Verlag C.H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München
Druck: Nomos Verlagsgesellschaft
In den Lissen 12, 76547 Sinzheim
Satz: ES-Editionssupport, München
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier
(hergestellt aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff)
Vorwort
Vorwort
Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster als Dissertation angenommen. Sie entstand während meiner Tätigkeit als Justiziar der
Trusted Shops GmbH, die ein Gütesiegel für Online-Shops vergibt und
Transaktionen im Onlinehandel absichert. Rechtsprechung, Literatur
und laufende Rechtssetzungs- und Gesetzgebungsverfahren (VRRL-E,
Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen und Gesetz zur Neuordnung des Widerrufs- und Rückgaberechts) sind bis August 2009 berücksichtigt.
Nicht mehr einbezogen werden konnten die begrüßenswerten Vorschläge des Bundesjustizministeriums zur Überarbeitung des VRRL-E
und für eine europäische Muster-Widerrufsbelehrung.
Meinem verehrten Doktorvater Herrn Professor Dr. Thomas Hoeren
möchte ich für seine stets wertvollen Anregungen und die Ermöglichung
der Aufnahme in diese Schriftenreihe danken. Am Rande eines gemeinsamen Seminars zum Verbraucherschutz im E-Commerce ist die Idee zu
dieser Arbeit entstanden. Herr Professor Dr. Tobias Brönneke, den ich
seit Jahren als Gesprächspartner auf dem Gebiet des Fernabsatzrechts
sehr schätze, hat in kürzester Zeit das Zweitgutachten erstellt und so
eine rasche Veröffentlichung gewährleistet.
Besonderer Dank gebührt auch den Kollegen Rechtsanwälten Rolf
Becker, Jens Dohmgoergen und Dr. Felix Buchmann sowie dem Richter am Oberlandesgericht Dr. Helmut Hoffmann, mit denen ich in
zahlreiche Praxisprobleme des Fernabsatzrechts immer wieder diskutiert habe. Meiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Tanya Dyakova
habe ich unerlässliche Recherche- und Korrekturarbeiten zu verdanken.
Frau Madeleine Pilous erstellte das Stichwortverzeichnis.
Meine Eltern, Inge und Peter Föhlisch, haben mich während der gesamten Zeit meines Studiums uneingeschränkt unterstützt. Ohne die
großzügige Förderung der Geschäftsleitung der Trusted Shops GmbH,
Jean-Marc Noël, Ulrich Hafenbradl und Thomas Karst, wäre die Promotion ebenso wenig realisierbar gewesen wie ohne die Geduld und
Unterstützung meiner lieben Frau Melanie und meines Sohnes Ole.
Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.
Köln, im Juni 2009
Carsten Föhlisch
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht
Vorwort . . . . . . . . . . .
Inhaltsverzeichnis . . . .
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis . . .
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V
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IX
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XXIX
. XXXVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Teil 1 – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
A.
B.
C.
D.
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5
9
53
62
Teil 2 – Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
A.
B.
C.
D.
Begriffsbestimmungen .
Historische Entwicklung
Zwecke . . . . . . . . . . .
Systematik . . . . . . . . .
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Persönlicher Anwendungsbereich . . . . .
Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . .
Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . .
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291
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Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht . . . . . . . . . . . . . .
357
A. Information auf Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Belehrung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
389
420
Teil 6 – Verwendung eines Belehrungsmusters . . . . . . . . . . . . .
431
A. Entstehungsgeschichte und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Entwicklung der Belehrungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A.
B.
C.
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Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages . . . . .
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A. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Leistungsrückgewähr . . .
Gefahrtragung . . . . . . . .
Kostentragung . . . . . . . .
Wert- und Nutzungsersatz
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VIII
Inhaltsübersicht
C. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
448
Teil 7 – Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
451
A.
B.
C.
D.
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451
481
507
528
...............................
531
Ergebnisse . . . . . . . . . . .
Aktuelle Gesetzesvorhaben
Europäisches Recht . . . . .
Schlussbetrachtung . . . . .
Stichwortverzeichnis
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXIX
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXVII
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Teil 1 – Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
A. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Onlinehandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
5
8
B. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Vorläufer und Parallelvorschriften . . . . . . . .
1. Überrumpelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Längerfristige Belastung . . . . . . . . . . . . .
3. Distanz zu Unternehmer und Leistung . . .
4. Überraschungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Komplexität der Vertragsmaterie . . . . . . .
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Versandhandelsbranche . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Fernabsatzrichtlinie (FARL) . . . . . . . . . . . . .
1. Anfänge der FARL . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Schutz vor Gefahren des „Tele-Einkaufs“ .
3. Uneinigkeit bei den Richtlinienvorschlägen
4. Verkündung der FARL . . . . . . . . . . . . . .
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Fernabsatzgesetz (FernAbsG) . . . . . . . . . . . .
1. FernAbsG als Sondergesetz . . . . . . . . . . .
2. Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Versteigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Rücksendekosten . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Bedenken gegen das FernAbsG . . . . . . . . .
a) Rechtsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Opposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Verabschiedung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. BGB und BGB-InfoV . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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X
Inhaltsverzeichnis
1. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . .
a) Unübersichtliche Informationspflichten . . . . . .
b) Erweiterter Wertersatzanspruch . . . . . . . . . . . .
c) Zusätzliche Voraussetzungen für den Fristlauf .
2. OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz . . . . . . . . . . .
a) Unbefristetes Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . .
b) Muster-Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . .
c) Monatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Umsetzung der Finanzdienstleistungsrichtlinie
(FARLFDL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Ausufernde Informationspflichten . . . . . . . . . .
b) Noch kompliziertere 40-EUR-Regelung . . . . . .
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Bericht und Konsultation über die FARL . . . . . . . . .
1. Ernüchterndes Fazit zur FARL . . . . . . . . . . . . . . .
2. Geforderte Verbesserungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Unternehmerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Ausnahmen für bestimmte Geschäftszweige . . .
c) Ausnahme für Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . .
e) Umfang der Informationspflichten . . . . . . . . . .
f) Harmonisierung der Widerrufsfrist . . . . . . . . . .
g) Rücksendemodalitäten und -kosten . . . . . . . . .
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII. Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes . . .
1. Veröffentlichung des Grünbuchs . . . . . . . . . . . . .
2. Rechtszersplitterung durch Mindestharmonisierung
3. Vertikaler, horizontaler oder kombinierter Ansatz .
4. Streitpunkt Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . .
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VIII. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken . . . . . .
C. Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Allgemeines Verbraucherschutzrecht . . . . . . .
1. Konzepte des Verbraucherschutzes . . . . . . .
a) Der strukturell unterlegene Verbraucher .
b) Der situativ schutzbedürftige Verbraucher
c) Das Kombinationsmodell . . . . . . . . . . .
2. Anwendbarkeit im Fernabsatz . . . . . . . . . .
II. Fernabsatzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Förderung des EU-Binnenmarktes . . . . . . .
2. Stärkung des Verbrauchervertrauens . . . . .
a) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . .
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58
Inhaltsverzeichnis
XI
b) Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Schutz vor aggressiven Verkaufspraktiken . . . .
4. Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft
III. Widerrufsrecht im Online-Handel . . . . . . . . . . .
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Teil 2 – Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
A. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . .
I. Verbraucher, § 13 BGB . . . . . . . . . . . . . . .
1. Natürliche Person . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Gemeinnützige Vereine und Stiftungen
b) Gesellschaften bürgerlichen Rechts . . .
2. Privater Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) „Dual Use“ Produkte . . . . . . . . . . . .
b) Existenzgründung . . . . . . . . . . . . . . .
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Unternehmer, § 14 BGB . . . . . . . . . . . . . .
1. eBay-Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) „Powerseller“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Anzahl der Verkäufe . . . . . . . . . . . . .
c) Anzahl der Bewertungen . . . . . . . . . .
d) Art der verkauften Waren . . . . . . . . .
e) Marketing und Verwendung von AGB
f) Umsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Zahlungsart „PayPal“ . . . . . . . . . . . .
h) Angebotsformat „Sofort Kaufen“ . . . .
i) Gesamtwürdigung der Umstände . . . .
2. Onlineshops . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Nachweis des privaten Zwecks . . . . . . .
2. Nachweis der Unternehmereigenschaft . .
a) Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Informationspflichten und Widerrufsrecht . . . . . .
II. Zweistufigkeit der Widerrufsinformation . . . . . . .
1. Flüchtige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Belehrung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Vermischungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Systematisches Verhältnis §§ 312c Abs. 2, 355 BGB
1. Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . .
2. Inhalt der Widerrufsbelehrung . . . . . . . . . . . . .
IV. Günstigkeitsprinzip, § 312b Abs. 5 . . . . . . . . . . .
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XII
Inhaltsverzeichnis
b) Beweis ersten Anscheins . .
c) Indizienbeweis . . . . . . . . .
d) Keine Beweiserleichterungen
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . .
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B. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Vertrag über Waren oder Dienstleistungen . . . . . . . . . . .
1. Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Fernkommunikationsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Ausschließliche Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Kontakt bei der Vertragsanbahnung auf Initiative des
Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Kontakt bei der Vertragsanbahnung auf Initiative des
Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Einsatz von Vertretern und Boten des Unternehmers
bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Der Fall mobilcom AG und die Lösung des
BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Auffangfunktion des Haustürwiderrufsrechts . .
cc) Vertrag bereits früher zustande gekommen . . . .
dd) Schutzzweck der Fernabsatzvorschriften . . . . . .
ee) Umgehungsgeschäft, § 312f S. 2 BGB . . . . . . . .
d) Abholung der Ware im Ladenlokal durch den Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Vertrag bereits im Fernabsatz geschlossen . . . . .
bb) Lediglich unverbindliche Reservierung über das
Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Organisiertes Fernabsatzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Meinungsstand nach geltendem Recht . . . . . . . . . . . .
2. Onlineshops und Online-Plattformen . . . . . . . . . . . . .
3. Wegfall des Tatbestandsmerkmals nach dem VRRL-E .
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts . . . . . . . . . . . .
I. Entstehung und Entwicklung der Ausnahmetatbestände
1. Ausnahmetatbestände der FARL 1997 . . . . . . . . . .
2. Umsetzung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . .
3. Ausnahmetatbestände des VRRL-E 2008 . . . . . . . .
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
II. Weiterreichendes Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . .
1. Fernunterrichtsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Teilzeit-Wohnrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Grundstücks- und Immobiliengeschäfte . . . . . . . .
III. Unzumutbarkeit der Anwendung von Fernabsatzrecht
1. Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs . . . . .
2. Primär touristische Dienstleistungen . . . . . . . . . . .
a) Reiseleistungen und Pauschalreisen . . . . . . . . .
b) Beförderung und Autovermietung . . . . . . . . . .
c) Freizeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Warenautomaten und öffentliche Fernsprecher . . .
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Reihenvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
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D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Entstehung und Entwicklung der Ausnahmetatbestände . .
1. Ausnahmetatbestände der FARL 1997 . . . . . . . . . . . .
2. Umsetzung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Ausnahmetatbestände des VRRL-E 2008 . . . . . . . . . .
a) Stark abweichende Positionen der Interessenverbände
b) Weitgehend unveränderter Katalog der Ausnahmen .
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Nach Kundespezifikation angefertigte oder eindeutig personalisierte Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Abgrenzung der Fallvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Umsetzung in anderen europäischen Mitgliedsstaaten .
3. Eindeutige Fälle individualisierter Ware . . . . . . . . . . .
4. Eindeutige Fälle nicht individualisierter Ware . . . . . . .
5. Built-to-Order (BTO)-Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Baukasten-PCs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Notebook-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Gegenansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Kraftfahrzeuge und Fahrräder . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Möbel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Badezimmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Maßkleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
f) Waren mit Aufdrucken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignete Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Unklarer Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIV
Inhaltsverzeichnis
2. Inhalt des Ausnahmetatbestandes . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Wortsinn der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Bedeutungszusammenhang der Norm . . . . . . . . . . .
c) Historisch-teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . .
d) „Enge“ Auslegung von Ausnahmebestimmungen . . .
e) Objektiv-teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . .
f) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . .
g) Rechtsvergleichende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . .
h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Dogmatik der zur Rücksendung ungeeigneten Waren .
a) Typisierter unzumutbarer Nachteil . . . . . . . . . . . . .
b) Verbindung oder Vermischung . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Öffnung der Originalverpackung . . . . . . . . . . . . . .
aa) Transportverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Umverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Verkaufsverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Gleichartige Gefahrenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Verderblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Fehlende Verkehrsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Erheblicher Wertersatzanspruch . . . . . . . . . . . .
4. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Medizinprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Hygieneartikel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Kissen, Bettzeug, Schlafsäcke, Matratzen etc. . .
bb) Zahnbürsten, Nasenhaarschneider, Earphones
etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Erotikspielzeug, Verhütungsmittel, Intimschmuck
etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd) Strumpfhosen, Socken, Unterwäsche etc. . . . . .
ee) Crèmes, Lotionen, Deoroller, Parfum etc. . . . . .
ff) Friteusen, Eierkocher, Kaffeemaschinen, Saftpressen etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Verbrauchsmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Computerkomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
f) Batterien und Leuchtmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . .
g) Lebewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
h) Softwaredownloads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
i) Energielieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Schnell verderbliche Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Entsiegelte Datenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Entsiegelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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170
Inhaltsverzeichnis
XV
a) Physische Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Elektronische Siegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Treibersoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Downloads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte . . . . . . . . . . . . .
VII. Wett- und Lotterie-Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . .
VIII. Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Das eBay-Urteil des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Gegenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX. Produkte, deren Preis auf den Finanzmärkten Schwankungen unterliegt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Regelmäßige Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Beginn der regelmäßigen Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Eingang der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Eingang beim Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Annahme durch den „Nachbarn“ . . . . . . . . . . . . .
c) Hinterlegung beim Versender . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Lieferung von peius oder aliud . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Sukzessivlieferungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform . . . . .
a) Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . .
b) Brief, Fax . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Texte auf Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
e) Rechtslage nach dem VRRL-E . . . . . . . . . . . . . . . .
f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Mitteilung fernabsatzrechtlicher Informationen in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Integration in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Identität, Unternehmensregister, Registernummer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVI
Inhaltsverzeichnis
bb) Identität eines Vertreters im Mitgliedsstaat des
Verbrauchers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Ladungsfähige Anschriften, Vertretungsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd) Wesentliche Merkmale der Ware und Zustandekommen des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ee) Mindestlaufzeit bei Dauerschuldverhältnissen . .
ff) Leistungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
gg) Gesamtpreis, Preisbestandteile, Steuern, Berechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
hh) Liefer- und Versandkosten, weitere Steuern und
Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ii) Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und Lieferung oder Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
jj) Bestehen, Nichtbestehen, Einzelheiten und
Rechtsfolgen des Widerrufsrechts . . . . . . . . . . .
kk) Zusätzliche Kosten des Fernkommunikationsmittels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ll) Gültigkeitsdauer der Informationen . . . . . . . . .
mm)Kündigungsbedingungen bei Dauerschuldverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
nn) Kundendienst und Gewährleistungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
oo) Allgemeine Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . .
c) Belehrungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Frühester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Spätester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Unnötiger Umfang der Informationen . . . . . . . .
bb) Unklarer Inhalt der Informationen . . . . . . . . . .
cc) Bedingt sinnvoller Zeitpunkt der Mitteilung . . .
4. Erfüllung der Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Bereitstellung von Korrekturhilfen . . . . . . . . . . . . .
b) Informationserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Technische Schritte des Vertragsschlusses . . . . .
bb) Vertragstextspeicherung . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Korrekturhilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd) Vertragssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
ee) Verhaltenskodizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Zugangsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Speicherbarkeit der Vertragsbestimmungen . . . . . . .
e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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245
Inhaltsverzeichnis
XVII
III. Verlängerte Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Monatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Vertragsschluss in Onlineshops und bei eBay . . . . .
b) Belehrungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Vor Abgabe der Vertragserklärung . . . . . . . . . .
bb) Vor Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Bei Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd) Nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) § 312c Abs. 2 BGB lex specialis gegenüber §§ 355ff.
BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Teleologische Reduktion des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB
aa) Belehrung „alsbald nach Vertragsschluss“ . . . .
bb) Keine Unterbrechung des Geschehensablaufs . . .
cc) Belehrung innerhalb der regelmäßigen Lieferzeit
e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
dd) Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kauf auf Probe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Dreimonatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Nationale Regelungen in den EU-Mitgliedsstaaten . .
4. Sechsmonatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Verhältnis zur Nachbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Verhältnismäßigkeit der Sanktion . . . . . . . . . . . . .
c) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Unbefristetes Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Widerrufserklärung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Rücksendung der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Ausübungsform des Widerrufs . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Einräumung eines Rückgaberechtes, § 356 BGB . . . .
a) EU-Rechtskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Vereinbarung des Rückgaberechts . . . . . . . . . . . .
aa) Rückgabebelehrung im Verkaufsprospekt . . . .
bb) Kenntnisnahmemöglichkeit in Abwesenheit des
Unternehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Einräumung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Paketversandfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Deutsche Post AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII
Inhaltsverzeichnis
bb) Weitere private Versender . . . . . . . . . . . .
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Ausübung vor Erhalt der Lieferung . . . . . . . .
3. Rücksendung durch Nicht-Annahme der Lieferung
4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Ausübungsformen im Europäischen Recht . . . . . . .
1. Einschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Schriftform und Textform . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Formlos und durch Rücksendung der Sache . . . .
4. Ausübung nach dem VRRL-E . . . . . . . . . . . . . .
a) Standard-Widerrufsformular . . . . . . . . . . . . .
b) Widerruf über Website . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Rücksendefrist für den Verbraucher . . . . . . . .
5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Teilwiderruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VI. Rechtsmissbrauch, § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Ausnutzen von Versandkostenfreigrenzen . . . . . .
2. Offensichtliches „Ausleihen“ . . . . . . . . . . . . . . .
3. Wettlauf der Versender . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages . . . . .
291
A. Leistungsrückgewähr . . . . . . . . . . . . . .
I. Rücksendung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Kaufpreisrückerstattung . . . . . . . . . .
III. Rückgewähr Zug-um-Zug . . . . . . . . .
1. Rückerstattungspflicht des Händlers
2. Rücksendepflicht des Verbrauchers
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Erfüllungsort und Sachgefahr . . . . . . . .
II. Gegenleistungs- oder Preisgefahr . . . . .
1. Versand durch den Händler . . . . . . .
2. Rücksendung durch den Verbraucher
III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Rücksendekostenregelung in den EU-Mitgliedsstaaten
1. Verbraucher trägt die Kosten . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Unternehmer trägt die Kosten . . . . . . . . . . . . . . .
3. Kostentragung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . .
a) Die „40-EUR-Klausel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
b) Bewertung der Kostentragungsregelung . . .
II. Unmittelbare Kosten der Rücksendung . . . . . . . .
1. Versandkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Frankierung des Paketes . . . . . . . . . . . . . .
aa) Unfreie Rücksendungen . . . . . . . . . . . .
bb) Frankierbitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Verwendung von Retourenaufklebern . . . .
c) Wahl einer bestimmten Versandart . . . . . . .
aa) Günstigste Versandart . . . . . . . . . . . . .
bb) Expresszuschläge und Zusatzkosten . . .
cc) Versicherung des Paketes . . . . . . . . . . .
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Neuverpackungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Kosten des Versandes („Hinsendekosten“) . . . . .
1. Keine ausdrückliche Regelung . . . . . . . . . . . .
a) Rückgewährpflicht und Wertersatz . . . . . .
b) Teil des Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Nicht kompensationsfähige Vertragskosten .
2. Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . .
a) Verbot der Auferlegung der Hinsendekosten
b) Auferlegung der Hinsendekosten möglich . .
c) BGH-Vorlage an den EuGH . . . . . . . . . . .
d) Regelung in dem VRRL-E . . . . . . . . . . . . .
3. Eigene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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320
D. Wert- und Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Wertersatz nach allgemeinen Rücktrittsregeln . . . . .
1. Wertersatz für gezogene Nutzungen . . . . . . . . . .
a) Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Zeitanteilige lineare Wertminderung . . . . .
bb) Durchschnittliche Mietkosten . . . . . . . . .
b) Abnutzungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht . . . . . .
aa) EuGH-Vorlage durch das AG Lahr . . . . .
bb) Schlussanträge der EuGH-Generalanwältin
d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Wertersatz für Verbrauch etc. . . . . . . . . . . . . . .
3. Wertersatz für Verschlechterung oder Untergang .
a) Verschlechterung der Ware . . . . . . . . . . . . . .
b) Verschlechterung der „Originalverpackung“ . .
aa) Ware oder Verpackung . . . . . . . . . . . . . .
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XX
Inhaltsverzeichnis
bb) Primärverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Transportverpackung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Verhältnis zu Wertersatz für gezogene Nutzungen . .
4. Höhe des Wertersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Erleichterter Haftungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Wertersatz für Verschlechterungen infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . .
a) Verstoß gegen Art. 6 FARL . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Kein Verstoß gegen Art. 6 FARL . . . . . . . . . . . . . .
c) Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . .
2. Kein Wertersatz bei „Prüfung“ . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Abgrenzung zur Ingebrauchnahme . . . . . . . . . . . . .
aa) Angleichung an den stationären Handel . . . . . .
bb) Vergleich mit dem „Ladengeschäft“ . . . . . . . . .
cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Höhe des Wertersatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Belehrungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Spätestens mit Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Vor Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Vor Ingebrauchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Unverzüglich nach Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . .
5. Verhältnis zu den allgemeinen Wertersatzansprüchen .
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Verhältnis zum Ausschluss des Widerrufsrechtes . . . . . . .
IV. Weitergehende Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht . . . . . . . . . . . . . .
357
A. Information auf Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Hinweis auf Bestehen oder Nichtbestehen . . . . . . . .
aa) Erforderlicher Konkretisierungsgrad . . . . . . . . .
bb) Nennung nicht einschlägiger Ausnahmen . . . . .
cc) Rechtsfolge bei Nichtaufklärung über das Nichtbestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Geltendes Recht in den Mitgliedsstaaten . . . . . . . . .
b) Auswirkungen des VRRL-E . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XXI
3. Bewertung des Informationsumfangs . . . . . . . . . .
II. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Fernabsatzrechtliches Transparenzgebot . . . . . . . .
2. Klarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Grafiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) PlugIns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Scrollboxen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Erkennbarkeit und Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . .
a) Keine Zwangsführung über Informationstexte . .
b) Zwangsführung über „sprechende Links“ . . . . .
aa) Bezeichnung des Links . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Platzierung des Links . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Schritte bis zum Informationstext . . . . . . . .
4. Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Juristische Fachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Fremdsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Integration der Widerrufsinformation in AGB . . . .
a) Zulässigkeit des Verbundkonzeptes . . . . . . . . .
b) Sprechender Link auf die AGB-Passage . . . . . . .
c) Kein vorvertragliches Hervorhebungserfordernis
6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Frühester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Spätester Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Belehrung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Verbindung von Informations- und Belehrungspflicht
1. Pflichterfüllung in einem Akt . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Hervorhebung bei Integration in AGB . . . . . . . . .
II. Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Information nach § 312c Abs. 2 BGB . . . . . . . . . .
2. Belehrung nach § 355 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Bestehen oder Nichtbestehen . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Form der Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Länge und Beginn der Frist . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Beginn „am Tag nach“ . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Beginn „mit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Beginn „nach“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Voraussetzungen des Fristbeginns . . . . . . . . . .
aa) Vereinfachte Nennung der Voraussetzungen
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XXII
Inhaltsverzeichnis
bb) Nennung nur einiger Voraussetzungen
cc) Nennung sämtlicher Voraussetzungen
dd) Angabe des konkreten Fristendes . . .
d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Einzelheiten der Ausübung . . . . . . . . . . . .
a) Rechtzeitige Absendung genügt . . . . . . .
b) Widerrufsadressat . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Name . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Ladungsfähige Anschrift . . . . . . . . .
cc) E-Mail-Adresse und Telefaxnummer
dd) Telefonnummer . . . . . . . . . . . . . . .
c) Unzulässige Einschränkungen . . . . . . . .
4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Allgemeiner Wertersatzanspruch . . .
bb) Besonderer Wertersatzanspruch . . . .
b) Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Rücksendekosten . . . . . . . . . . . . . .
bb) Hinsendekosten . . . . . . . . . . . . . . .
c) Gefahrtragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Rechtslage nach dem BGB-RegE . . . . . . . .
a) Neufassung § 312c BGB-RegE . . . . . . . .
b) Neufassung §§ 355, 360 BGB-RegE . . . .
2. Rechtslage nach dem VRRL-E . . . . . . . . . .
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C. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. UKlaG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Rechtslage bis zum 11.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Bagatellverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Keine Bagatellverstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Rechtslage seit dem 12.12.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Keine Bagatellschwelle mehr . . . . . . . . . . . . . .
bb) Widerrufsbelehrung im Lauterkeitsrecht . . . . . .
b) Vorabinformation über das Bestehen eines Widerrufsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
aa) Erforderlichkeit eines höheren nationalen Schutzniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Kombination von Vorabinformation und Textformbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
XXIII
c) Bestätigung der Informationen nach Vertragsschluss
3. Rechtslage nach Inkrafttreten des UWG n.F. zum
30.12.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Vertragsrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 6 – Verwendung eines Belehrungsmusters . . . . . . . . . . . . .
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A. Entstehungsgeschichte und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Entwicklung der Belehrungsmuster . . . . . . . . . . . . . .
I. Fehlerhafte erste Fassung 2002 . . . . . . . . . . . . . .
1. Inhaltliche Schwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Unzureichende Neufassung 2004 . . . . . . . . . . . . .
1. Ungeeignetheit und Schwächen des Musters . . .
a) Ungeeignetheit zum Einsatz im Internethandel
b) Inhaltliche Schwächen . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Rechtsfolgen der Fehlerhaftigkeit des Musters . .
a) Gesetzes- oder Verordnungsrang . . . . . . . . .
b) Unwirksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Wettbewerbswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Teilkorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Amtshaftung für normatives Unrecht . . . . . . . .
III. Verbesserte Musterbelehrung 2008 . . . . . . . . . . .
1. Diskussionsentwurf v. 23.10.2007 . . . . . . . . . .
2. Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-InfoV
a) Belehrung über Verbraucherrechte . . . . . . . .
b) Belehrung über den Fristbeginn . . . . . . . . . .
c) Belehrung über die Rechtsfolgen . . . . . . . . .
3. Übergangsfrist, § 16 BGB-InfoV . . . . . . . . . . . .
IV. Geplante Musterbelehrung 2009 . . . . . . . . . . . . .
1. Gesetzesrang der Musterbelehrung . . . . . . . . . .
2. Kritik an der vorgesehenen Musterbelehrung . .
V. Keine europäische Muster-Widerrufsbelehrung . . .
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C. Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 7 – Ergebnisse und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Distanz zu Vertragspartner und Leistung als Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Veraltetes Leitbild „Tele-Einkauf“ der FARL . . . . . . .
3. Fernabsatzrecht als Spielball der Politik . . . . . . . . . . .
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XXIV
Inhaltsverzeichnis
4. Steigerung der Komplexität statt Transparenz . . . . . . .
5. Völlig unangemessene Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . .
6. FARL verfehlt ihre Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Schutz des Schwächeren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Starker Verbraucher gegen schwachen Händler . . . . . .
3. Fließende Grenzen des Verbraucherschutzrechts . . . . .
4. Umgehungsmöglichkeiten des Anwendungsbereichs . . .
III. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Willkürliche Annahme der Unzumutbarkeit . . . . . . . .
2. Lobbyismus statt Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Gesetzgeber trifft notwendige politische Entscheidungen
nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Kundenspezifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Typisierte Unzumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Zerlegung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand
c) Weiterverkäuflichkeit mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Zur Rücksendung nicht geeignet . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Unergiebige Wortsinn- und historisch-teleologische
Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Objektiv-teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . .
c) Wiederverkäuflichkeit als maßgebliches Kriterium . .
d) Ausnahme ist verbraucherfreundlicher als Wertersatz
e) Typisierte Unzumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Gleiche Gefährdungslage bei Auktionen . . . . . . . . . . .
IV. Widerrufsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Tatsächlicher Erhalt der Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Keine Mitteilung in Textform durch Internetseiten . . .
3. Zulässige Textform-Formate . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Ausufernde Informationspflichten als Fristlaufvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Irreführende Vertragsschlussinformationen . . . . . . .
b) Irreführende Informationspflichten über Leistungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Unpräziser Begriff der „Einzelheiten“ als Fristlaufvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Bedingt sinnvolle Belehrungszeitpunkte . . . . . . . . .
e) Multiple Verknüpfungen mit erhöhter Fehleranfälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Nie beabsichtigte Sanktionswirkung der Monatsfrist . .
a) Unternehmerschutz statt Verbraucherschutz . . . . . .
b) Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
c) Verbraucher nicht schutzbedürftig . . . . . . . . . . . . .
d) Gemeinschaftsrechtswidrige Regelung . . . . . . . . . .
V. Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Rückgaberecht als zulässige Ersetzungsform . . . . . . . .
2. Paketversandfähigkeit mit Privatversendern . . . . . . . .
3. Sinnvolle Ausübungsform des Widerrufs . . . . . . . . . . .
VI. Leistungsrückgewähr Zug-um-Zug . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII. Gefahr- und Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Fehlende einheitliche Gefahrtragungsregelung . . . . . . .
2. Zu komplizierte 40-EUR-Regelung . . . . . . . . . . . . . . .
3. Unangemessene Möglichkeit der unfreien Rücksendung
4. Schadensminderungspflicht des Verbrauchers . . . . . . .
5. Hinsendekosten sind keine kausalen Kosten i.S.d. FARL
VIII. Wert- und Nutzungsersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Kein Wertersatz für bloße Nutzungsmöglichkeit . . . . .
2. Wertersatz für Abnutzungsschaden . . . . . . . . . . . . . .
3. Richtlinienkonforme Auslegung der deutschen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4. Sich als Eigentümer gerierender Verbraucher nicht
schutzwürdig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Keine Kaufpreisrückerstattung für verbrauchte Waren .
6. Objektiver Verkehrswert für die Berechnung maßgeblich
7. Das Dilemma der Abgrenzung zwischen Prüfung und
Ingebrauchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8. Rechtsfolgenbelehrung vor Ingebrauchnahme ausreichend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX. Information auf Internetseiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Vertragsaufhebung bei Fehlaufklärung über das Nichtbestehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Unangemessener Umfang vorvertraglicher Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Information auch durch Grafiken und PDFs möglich . .
4. Zwangsführung über sprechende Links . . . . . . . . . . . .
5. Unumgänglichkeit der Verwendung juristischer Fachsprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Hinweis auf AGB-Passage zum Widerrufsrecht . . . . . .
7. Gezielte Sprachvermischung führt zur Intransparenz . .
8. Einzelfallprüfung der rechtzeitigen Information . . . . . .
X. Belehrung in Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Kein Zwang zur Erläuterung der gesetzlichen Textform
2. Frist beginnt mit oder nach Erhalt der Textform-Belehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Nennung alle Voraussetzungen oder Pauschalverweis .
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XXVI
Inhaltsverzeichnis
4. Postfachadresse, E-Mail und Faxnummer . . . . . . . . . .
5. Aufklärung über allgemeinen und besonderen Wertersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Aufklärung über Hin- und Rücksendekosten . . . . . . . .
7. Integration in AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI. Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . .
1. Bagatellverstöße nur nach altem Recht . . . . . . . . . . . .
2. Keine Pflicht zur Vorabinformation über Einzelheiten .
XII. Vor- und Nachteile eines Belehrungsmusters . . . . . . . . . .
1. Schlechtere Belehrungsqualität und Grenzen durch Standardisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Amtshaftungsansprüche wegen fehlerhafter Musterbelehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Rechtssichere aktuelle Musterbelehrung . . . . . . . . . . .
B. Aktuelle Gesetzesvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Gesetz zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Belehrungsmuster mit Gesetzesrang . . . . . . . . . . . . .
a) Erforderlichkeit der Gesetzesänderung . . . . . . . . .
b) Baldiger erneuter Änderungsbedarf . . . . . . . . . . .
c) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Gleichstellung von Online-Shops und Internet-Auktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Widerrufsfrist und Wertersatzpflicht . . . . . . . . . .
b) Begriff der „Unverzüglichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . .
c) Rückgaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Präzisierung des Gesetzeswortlauts . . . . . . . . . . . . . .
4. Verbleibende Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Verlängerte Widerrufsfristen . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Entwurf der Richtlinie über Rechte der Verbraucher
(VRRL-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Zusammenfassung von vier Richtlinien . . . . . . . . .
b) Problem: Rechtszersplitterung . . . . . . . . . . . . . . .
c) Lösung: Vollharmonisierung . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Regelungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Gewerbetreibender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Kein organisiertes Fernabsatzsystem . . . . . . . . . . .
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d) Ausnahme für touristische Dienstleistungen . . . .
4. Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Textform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Öffentliche Versteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Vermittler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5. Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Reduzierung des Informationsumfangs . . . . . . . .
aa) Weggefallene Informationen . . . . . . . . . . . .
bb) Erleichterungen bei Versandkostenangaben . .
cc) Keine Fristverlängerung bei Pflichtverletzung
b) Erleichterte Informationspflichten im Fernabsatz .
aa) Weniger Informationen . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Zweistufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) „Sprechende Links“ genügen . . . . . . . . . . . .
dd) Bestätigung in Textform . . . . . . . . . . . . . . .
6. Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
a) Dauer und Beginn der Widerrufsfrist . . . . . . . . .
b) Fristverlängerung bei Nichtaufklärung über das
Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
c) Ausübung des Widerrufsrechtes . . . . . . . . . . . . .
aa) Standard-Widerrufsformular . . . . . . . . . . . .
bb) Widerruf über Website . . . . . . . . . . . . . . . .
d) Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages . . .
aa) Unternehmer trägt Hinsendekosten . . . . . . .
bb) Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers . .
cc) Rücksendefrist für den Verbraucher . . . . . . .
dd) Verbraucher trägt Rücksendekosten . . . . . . .
ee) Verbraucher haftet für Wertverlust . . . . . . . .
e) Ausnahmen vom Widerrufsrecht . . . . . . . . . . . .
aa) Keine Regelung für Hygieneprodukte und
Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
bb) Streichung der Ausnahme „zur Rücksendung
nicht geeignet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
cc) Weitgehend unveränderter Ausnahmenkatalog
dd) Neues Lobbyistenwerk . . . . . . . . . . . . . . . .
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500
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502
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503
503
503
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..
504
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505
505
506
C. Europäisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Differenzierte Widerrufsbelehrung für alle EU-Mitgliedsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Belehrung auf dauerhaftem Datenträger, Art. 5 FARL
2. Vorherige Unterrichtung, Art. 4 FARL . . . . . . . . . . .
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507
508
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510
510
521
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
III. Europäische Widerrufsbelehrung auf dem höchsten Niveau
IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V. Europäische Widerrufsbelehrung nach VRRL-E . . . . . . .
522
525
526
D. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
528
Stichwortverzeichnis
531
...............................
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
a.A. . .
a.E. . .
a.F. . .
ABGB
ABlEG
Abs. .
AbzG
AcP . .
AfA . .
AfP . .
AG . .
AGB .
AGBG
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AgV . . . . . . . .
AktG . . . . . . . .
AMGrHdlBetrV
AnwBl . . . . . . .
ApoBetrO . . . .
ApoG . . . . . . .
AuslInvG . . . . .
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BB . . . . . . . . . . . .
BesVertG-RegE . . . .
beuc . . . . . . . . . . .
BGB . . . . . . . . . . .
BGB (NL) . . . . . . . .
BGB-InfoV . . . . . . .
BGB-RegE . . . . . . .
anderer Ansicht
am Ende
alte Fassung
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreich)
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Absatz
Abzahlungsgesetz
Archiv für die civilistische Praxis
Absetzung für Abnutzung
Archiv für Presserecht
Amtsgericht / Aktiengesellschaft
Allgemeine Geschäftsbedingungen
Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz)
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände
Aktiengesetz
Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe
Anwaltsblatt
Verordnung über den Betrieb von Apotheken
Gesetz über das Apothekenwesen
Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft
Betriebsberater
Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung
des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen;
BT-Drucks. 16/10734 v. 31.10.2008 (in Kraft getreten am
4.8.2009, BGBl. I 2009 v. 3.8.2009, S. 2413)
Bureau Européen des Unions de Consommateurs
Bürgerliches Gesetzbuch
7. Buch des Bürgerlichen Gesetzbuches der Niederlande;
Originatitel: Wet van 21.12.2000 tot aanpassing van Boek 7
van het Burgerlijk Wetboek aan richtlijn nr. 97/7/EG van het
Europees Parlement en de Raad van de Europese Unie van 20
mei 1997 betreffende de bescherming van de consument bij
op afstand gesloten overeenkomsten (PbEG L 144)
(21.12.2000), 1. Februar 2001; aufrufbar unter:
http://www.eu-consumer-law.org/legislation254.pdf (Stand:
4.4.2009)
Verordnung über Informationspflichten nach Bürgerlichem
Recht, BGBl I 2002, S. 3002.
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das
Widerrufs- und Rückgaberecht; BT-Drucks. 16/11643 v.
21.1.2009 (verkündet im BGBl. 2009, S. 2355)
XXX
Abkürzungsverzeichnis
BGH . . . .
BGHZ . . .
BMJ . . . .
BMJ-DiskE
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BR-Drucks. . . .
BReg . . . . . . .
bspw. . . . . . .
BT-Drucks. . . .
BTO-Produkte .
bvh . . . . . . . .
CDU . . . . . . .
CSU . . . . . . .
CPA . . . . . . .
CR . . . . . . . .
DB . . . . . . . .
d.h. . . . . . . . .
DIHK . . . . . .
DSRs . . . . . . .
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DZWiR . . . . . . . . .
e.K. . . . . . . . . . . . .
ECRL . . . . . . . . . .
EGBGB . . . . . . . . .
EGV . . . . . . . . . . .
EinzelhandelG (ES) . .
endg. . . . . . . . . . . .
EuGH . . . . . . . . . .
EuGVÜ . . . . . . . . .
EuZW
EWiR
EWSA
F.A.Z.
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Bundesgerichtshof
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen
Bundesministerium der Justiz
Diskussionsentwurf des BMJ für die Dritte Verordnung zur
Änderung der BGB-Informationspflichtenverordnung v.
23.10.2007, http://www.bmj.bund.de/files/-/2550/Änderung_
BGB-Informationspflichten-Verordnung.pdf (Stand:
4.4.2009)
Bundesratsdrucksache
Bundesregierung
beispielsweise
Bundestagsdrucksache
“Build to order”-Produkte
Bundesverband des Deutschen Versandhandels
Christlich Demokratische Union Deutschland
Christlich Soziale Union
Consumer Protection Act 1987
Computer und Recht
Der Betrieb
das heißt
Deutscher Industrie- und Handelskammertag
The Consumer Protection (Distance Selling) Regulations
2000 (SI 2000 No. 2334) as amended by The Consumer
Protection (Distance Selling) (Amendment) Regulations 2005
(SI 2005 No. 689), 31. Oktober 2000; abrufbar unter:
http://www.opsi.gov.uk/si/si2000/20002334.htm
(Stand: 4.4.2009)
Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
eingetragener Kaufmann / eingetragene Kauffrau
E-Commerce-Richtlinie, Richtlinie 2000/31/EG über den
elektronischen Geschäftsverkehr (ABl. EG L 178 v.
17.7.2000, S. 1).
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F.
24.12.2002, ABlEG 2002 Nr. C 325/33
Spanisches Gesetz Nr. 7/1996 vom 15 Januar über den
Einzelhandel; Originaltitel: Ley 47/2002, de 19 de diciembre,
de reforma de la Ley 7/1996, de 15 de enero, de Ordenación
del Comercio Minorista, para la transposición al
ordenamiento jurídico español de la Directiva 97/7/CE, en
materia de contratos a distancia, y para la adaptación de la
Ley a diversas Directivas comunitarias, 1. Januar 2003;
aufrufbar unter: http://www.eu-consumerlaw.org/legislation300.pdf (Stand: 4.4.2009)
endgültig
Europäischer Gerichtshof
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die
Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Entscheidungen im Wirtschaftsrecht
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Abkürzungsverzeichnis
XXXI
FARL . . . . . . . . . . Fernabsatzrichtlinie; Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG L
144 v. 4.6.1997, S. 19).
FARL-E . . . . . . . . . Entwurf der Richtlinie 97/7/EG v. 23.6.1992, ABl. EG Nr. C
156, S. 16.
FARLFDL . . . . . . . EU-Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen; Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlamentes
und des Rates über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie
90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und
98/27/EG, ABl. EG L 271 v. 9.10.2002, S. 16.
FDP . . . . . . . . . . . Freie Demokratische Partei
FernAbsÄG . . . . . . Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen, BGBl I 2004, S. 3102
FernabsatzG (CY) . . Gesetzes Nr. 14(I)/2000 zum Abschluss von Fernabsatzverträgen von Zypern; Originaltitel: Ο περί της Σύναψης
Καταναλωτικών Συμβάσεων εξ Αποστάσεως Νόμος του 2000
(Ν.14(Ι)/2000), 28. März 2000; abrufbar unter: http://www.
eu-consumer-law.org/legislation175.pdf; engl. Übersetzung
http://www.eu-consumer-law.org/legislation175_en.pdf
(Stand: 4.4.2009)
FernabsatzG (IE) . . . Fernabsatzgesetz Irlands; Originaltitel: European Communities (Protection of Consumers in Respect of Contracts made
by Means of Distance Communication) Regulations 2001
(S.I. 207 of 2001), 15. Mai 2001; abrufbar unter:
http://www.eu-consumer-law.org/legislation328.pdf
(Stand: 4.4.2009)
FernabsatzG (LU) . . Fernabsatzgesetz Luxemburgs; Originaltitel: Loi du 16 avril
2003 concernant la protection des consommateurs en matière
de contrats à distance et abrogeant l’article 7 de la loi modifiée du 25 août 1983 relative à la protection juridique du
consommateur, 11. Mai 2003.; abrufbar unter: http://www.
eu-consumer-law.org/legislation350.pdf (Stand: 4.4.2009).
FernabsatzVO (HU) . Verordnung Nr.17/1999 (II.5.) zu Fernabsatzverträgen von
Ungarn; Originaltitel: 1997. évi CLV. törvény a fogyasztóvé-
delemről17/1999. (II. 5.) Korm. rendelet a távollévők között
kötött szerződésekről; abrufbar unter http://www.euconsumer-law.org/legislation247.pdf; engl. Übersetzung unter
http://www.eu-consumer-law.org/legislation247_en.pdf
(Stand: 4.4.2009).
FernabsatzVO (LV) . . Verordnung Nr. 207 zu Fernabsatzverträgen von Litauen;
Originaltitel: Lietuvos Respublikos vartotojų teisių gynimo
įstatymo pakeitimo įstatymas Nr. VIII – 1946 (nauja redakcija)Lietuvos Respublikos ūkio ministro 2001 m. rugpjūčio 17
d. įsakymas Nr.258 „Dėl daiktų pardavimo ir paslaugų teikimo, kai sutartys sudaromos naudojant ryšio priemones, taisyklių patvirtinimo; abrufbar unter: http://www.eu-consumerlaw.org/legislation219.pdf; engl. Übersetzung: http://www.euconsumer-law.org/legislation219_en.pdf (Stand: 4.4.2009).
FernabsatzVO (MT) . Fernabsatzverordnung 2001 von Malta; Distance Selling
Regulations (LN186/01) Consumer Affairs Act (Chapter
378), 1. Januar 2002. FernabsatzVO (MT); abrufbar unter
http://www.eu-consumer-law.org/legislation234.pdf
(Stand: 4.4.2009).
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
FernabsatzVO (RU) . Verordnung Nr. 130 vom 31. August 2000 über Verbraucherschutz beim Abschluss und der Durchführung von Fernabsatzverträgen von Rumänien
FernAbsG . . . . . . . . Fernabsatzgesetz; Gesetz vom 27.06.2000, BGBl. I 2000
Nr.28 v. 29.06.2000, S.897 mit Berichtigung vom
21.07.2000, BGBl. I 2000 Nr.34 v. 27.07.2000, S.1139.
FernAbsÄG . . . . . . Fernabsatzänderungsgesetz
FernUSG . . . . . . . . Fernunterrichtsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1670), zuletzt
geändert durch Artikel 4 Nr. 3 des Gesetzes vom 23. März
2005 (BGBl. I S. 931)
Fn. . . . . . . . . . . . . Fußnote
FristenVO . . . . . . . Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.
Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten
und Termine; ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1–2; abrufbar
unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?
uri=CELEX:31971R1182:DE:HTML (Stand: 4.4.2009).
FS . . . . . . . . . . . . . Festschrift
GbR . . . . . . . . . . . Gesellschaft bürgerlichen Rechts
GenG . . . . . . . . . . Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften
GG . . . . . . . . . . . . Grundgesetz
ggf. . . . . . . . . . . . . gegebenenfalls
GHP . . . . . . . . . . . Gesetz über die Handelspraktiken sowie die Aufklärung und
den Schutz der Verbraucher Belgiens; Originaltitel: Loi du 14
juillet 1991 sur les pratiques du commerce et sur l’information et la protection du consommateur, modifiée par la loi
du 25 mai 1999 transposant la directive européenne concernant la protection des consommateurs en matière de contrats
à distance, 1. November 1999; abrufbar unter:
http://mineco.fgov.be/protection_consumer/trade_practices/tr
ade_law/law_on_protection_de_001.pdf (offizielle deutsche
Übersetzung: Belgisches Staatsblatt vom 19. Januar 1994;
(Stand: 4.4.2009)) oder Originaltext: http://www.euconsumer-law.org/legislation86.pdf (Stand: 4.4.2009).
GmbH . . . . . . . . . . Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG . . . . . . . . . Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GRUR . . . . . . . . . . Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
GRUR Int. . . . . . . . Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler
Teil
h.M. . . . . . . . . . . . herrschende Meinung
HGB . . . . . . . . . . . Handelsgesetzbuch
Hs. . . . . . . . . . . . . Halbsatz
HWiG . . . . . . . . . . Haustürwiderrufsgesetz; Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften, vom 16.1. 1986,
BGBl. 1986 I, S. 122; zum 1.1.2002 außer Kraft getreten.
HWiRL . . . . . . . . . Haustürwiderrufsrichtlinie; Richtlinie 85/577/EWG des Rates
vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz
im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen, EGABl. Nr. L 372 v. 31.12.1985 S. 31.
IPRax . . . . . . . . . . Praxis des internationalen Privat- und Verfahrensrechts
i.R.d. . . . . . . . . . . . im Rahmen der/des
JURA . . . . . . . . . . Juristische Ausbildung
Abkürzungsverzeichnis
JuS . .
JZ . . .
K&R .
KAGG
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KG . . . . . . . . . . . .
KOM . . . . . . . . . .
Komm. . . . . . . . . .
KSchG . . . . . . . . . .
KWG . .
LG . . . .
Ltd. . . . .
m.w.N. .
MarkenG
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MD . . . . . . . . .
MDR . . . . . . .
MMR . . . . . . .
MPG . . . . . . . .
n.F. . . . . . . . . .
NJW . . . . . . . .
NJW-RR . . . . .
OFT . . . . . . . .
OHG . . . . . . . .
OLG . . . . . . . .
OLGVertrÄndG
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PartGG . . . . . . . . .
PDS . . . . . . .
RefE . . . . . . .
RegE . . . . . . .
RIW . . . . . . .
RMA . . . . . . .
Rn . . . . . . . .
RVO 143/2001
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Schuldrechtsgesetz
(EE) . . . . . . . . . . .
XXXIII
Juristische Schulung
Juristen-Zeitung
Kommunikation & Recht
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften und der Gewerbeordnung (Zweiter
Teil des Gesetzes über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile, über die Besteuerung ihrer Erträge sowie zur
Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften)
Kommanditgesellschaft
Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Konsumentenschutzgesetz Österreich; Bundesgesetz, mit den
Bestimmungen über den Vertragsabschluss im Fernabsatz in
das Konsumentenschutzgesetz eingefügt und das Bundesgesetz
gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 sowie das Produkthaftungsgesetz geändert werden (Fernabsatz-Gesetz) BGBl. Nr.
185/1999, 1. Juni 2000. KSchG, aufrufbar unter http://www.
eu-consumer-law.org/legislation84.pdf (Stand: 4.4.2009).
Gesetz über das Kreditwesen
Landgericht
Limited Company
mit weiteren Nachweisen
Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen
Magazindienst
Monatsschrift für Deutsches Recht
Multimedia und Recht
Medizinproduktegesetz
neue Fassung
Neue Juristische Wochenschrift
Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report
Office of Fair Trading
Offene Handelsgesellschaft
Oberlandesgericht
Gesetz zur Änderung des Rechts der Vertretung der Rechtsanwälte vor den Oberlandesgerichten vom 23.7.2002, BGBl.
2002 I, S. 2850
Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier
Berufe
Partei des Demokratischen Sozialismus
Referentenentwurf
Regierungsentwurf
Recht der Internationalen Wirtschaft
Return Material / Merchandise Authorization
Randnummer
Rechtsverordnung Nr. 143/2001 vom 26. April Portugals;
Originaltitel: Decreto-Lei nº 143/2001 de 26 de Abril 2000,
25. Mai 2001; aufrufbar unter: http://www.eu-consumerlaw.org/legislation281.pdf (Stand: 4.4.2009).
Schuldrechtsgesetz Estlands; Originaltitel: Võlaõigusseadus
RT I 2004, 37, 255, 1. Mai 2004; abrufbar unter:
http://www.eu-consumer-law.org/legislation91.pdf
XXXIV
SMG . . . . . . . . . . .
sog. . . . . . . . . . . . .
SPD . . . . . . . . . . .
TDG . . . . . . . . . . .
Time-Sharing-RL . . .
TKG . . . . . . . . . . .
TMG . . . . . . . . . . .
TzWrG . . . . . . . . .
u.a. . . . . . . . . . . . .
UGPRL . . . . . . . . .
UWG . . . . . . . . . .
Var. . . . . . . . . . . .
VerbraucherGB
(FR) . . . . . . . . . . .
VerbraucherschutzG
(GR) . . . . . . . . . . .
Abkürzungsverzeichnis
(Stand: 4.4.2009); engl. Übersetzung: http://www.euconsumer-law.org/legislation91_en.pdf (Stand: 4.4.2009).
Schuldrechtsmodernisierungsgesetz; Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl I 2001,
S. 3138.
sogenannt
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
Gesetz über die Nutzung von Telediensten; 22. Juli 1997;
Stand: Zuletzt geändert durch Art. 1 und 4 Abs. 1 G v. 14.
Dezember 2001 I 3721, Umsetzung der EGRL 31/2000;
BGBl. I S. 1870. Außer Kraft getreten.
Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 26. Oktober 1994 zum Schutz der Erwerber im
Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den
Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien (ABl. EG
Nr. L 280 S. 82).
Telekommunikationsgesetz
Telemediengesetz
Teilzeitwohnrechtegesetz; Gesetz über die Veräußerung von
Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden; In der Fassung
der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000; Zuletzt geändert
durch Art. 6 Nr. 6 SchuldrechtsmodernisierungsG vom 26.
11. 2001; BGBl. I S. 957.
unter anderem
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken; Richtlinie
2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und
Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG
des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/
EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der
Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (Text von Bedeutung für den EWR); ABl. L 149
vom 11.6.2005, S. 22–39
Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004
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Einleitung
Einleitung
Einleitung
Diese Arbeit untersucht das Widerrufsrecht im Onlinehandel. Worin
findet dieses Recht seine Rechtfertigung? Gelten heute noch die gleichen
Rahmenbedingungen wie bei Entstehung der Fernabsatzrichtlinie? Die
historische Entwicklung wird daraufhin untersucht, ob sie Rückschlüsse
über den zentralen Begriff der „Unzumutbarkeit“ des Widerrufsrechtes
für den Unternehmer zulässt. Folgen die rechtlichen Bewertungen einer
gerechten Systematik? Oder sind sie mehr Schauplatz politischer Interessen? Wie kam es dazu, dass auch zwölf Jahre nach Verkündung der
FARL das Widerrufsrecht im Onlinehandel noch weit von Rechtssicherheit entfernt ist? Sind die Vorgaben überhaupt erfüllbar und die
Sanktionen bei Pflichtverstößen angemessen? Und hat die FARL ihre
selbst gesetzten Ziele erreicht?
Beleuchtet wird, für welche Personen das Recht auf Unternehmerund Verbraucherseite gilt. Wird wirklich immer die schwächere Partei
geschützt? Oder gibt es andere Machtgleichgewichte in der Realität des
Onlinehandels? Ist am Ende sogar der Händler häufig schwächer als
der Verbraucher? Anhand der von der Rechtsprechung entwickelten
Kriterien werden die Grenzen zwischen Verbrauchern und Unternehmern im elektronischen Geschäftsverkehr gezogen. Können die im
Fernabsatzrecht vorgesehenen Instrumentarien ihre Wirkung voll entfalten oder sind sie leicht umgehbar?
Eine zentrale Rolle spielen die Ausnahmen vom Anwendungsbereich
des Fernabsatz- und Widerrufsrechtes. Hier wird die „typisierte Unzumutbarkeit“ anhand der gesetzlich abschließend normierten Ausnahmetatbestände analysiert. Folgen die Ausnahmen einem schlüssigen Unzumutbarkeitskonzept oder sind sie ein willkürliches Ergebnis mehr oder
weniger erfolgreicher Lobbyarbeit, z.B. was den Ausschluss von Auktionen betrifft? Die Fallgruppen der Kundenspezifikation und der zur Rücksendung ungeeigneten Waren bereiten in der Praxis besonders große
Schwierigkeiten. Wann ist ein Entkonfigurationsaufwand wirtschaftlich
vertretbar? Und was sind erhebliche wirtschaftliche Einbußen bei einem
Weiterverkauf? Ist die historisch-teleologische Auslegung überhaupt geeignet, Licht ins Dunkel der Ausnahmetatbestände zu bringen? Die Wiederverkäuflichkeit könnte ein maßgebliches Kriterium einer Ausschlusslage sein. Möglicherweise sind der Ausschluss des Widerrufsrechtes infolge
Eingriffshandlungen des Verbrauchers und die Aufklärung hierüber
verbraucherfreundlicher als die Geltendmachung von Wertersatz.
2
Einleitung
Die Widerrufsfrist und die Voraussetzungen ihres Beginns sind Gegenstand der weiteren Untersuchung. Wann liegt ein Eingang der Ware
beim Verbraucher vor? Kann das Textformerfordernis durch Dokumente auf Websites gewahrt werden? Welche Formate sind zulässig?
Im deutschen Recht ist der Lauf der Widerrufsfrist von der Erfüllung
überschießend umgesetzter Informationspflichten abhängig. Zu welchen Problemen führt diese Verknüpfung? Sind die Informationspflichten überhaupt hinreichend klar, um für Pflichtverletzungen so
einschneidende Sanktionen wie ein endloses Widerrufsrecht zu verhängen? Ist die europarechtlich nicht gebotene Verknüpfung des Fristlaufs
mit der Erfüllung der Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
angemessen? Oder stellen diese Normen vor allem ein Einfallstor für
Fehler in der Belehrung dar? Auch wird untersucht, ob die vom Gesetz
angeordneten Belehrungszeitpunkte dem Verbraucher zu einem wirkungsvollen Schutz verhelfen.
Besonders strittig ist die im deutschen Recht verankerte Monatsfrist,
die das europäische Recht nicht kennt. Es besteht die Vermutung, dass
diese Frist gar nicht als Sanktionsfrist beabsichtigt war. Der Gesetzgeber beabsichtigt aktuell eine Korrektur der herrschenden Rechtsprechung. Doch ist die Monatsfrist für eBay-Verkäufer de lege lata geboten? Oder legen Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck des geltenden
Rechts ganz andere Schlüsse nahe? Auch das Rückgaberecht kann nach
einigen Ansichten nicht bei eBay-Verkäufen vereinbart werden, was
ebenfalls gesetzlich korrigiert wird. Doch wann ist eine Ware überhaupt
paketversandfähig? Ist der Widerruf durch Rücksendung, der in der
geplanten Verbraucherrechtsrichtlinie nicht mehr vorgesehen ist, eine
sinnvolle Ausübungsform?
Hinsichtlich der Rückabwicklung widerrufener Kaufverträge ist im
europäischen Recht noch Einiges ungeklärt. Die Kommission sieht im
Gegensatz zur Bundesregierung die 30-Tage-Frist der FARL im deutschen Recht nicht richtig umgesetzt. Doch hilft eine solche Frist überhaupt weiter, wenn im Gegenzug keine Frist für die Herausgabe durch
den Verbraucher festgelegt ist? Unausgewogen scheinen auch die Kostentragungsregelungen im deutschen Recht zu sein. Muss der Händler
– abgesehen von den Möglichkeiten im Rahmen der 40-EUR-Klausel
– wirklich immer die Kosten des Hin- und Rückversandes tragen,
auch wenn der Verbraucher unnötige Kosten, z.B. durch eine „unfreie“ Rücksendung generiert? Inwieweit greifen Schadensminderungspflichten und Pflichten zur Einhaltung bestimmter Retourenverfahren?
Sollte die Ansicht der slowenischen Generalanwältin in Sachen Wertersatz vom EuGH bestätigt werden, könnten Verbraucher das Internet
als ein globales Leihhaus missbrauchen. Sperrt die FARL tatsächlich
Einleitung
3
jeglichen Wertersatz für eine Nutzung? Oder können die deutschen
Rücktrittsregelungen insoweit richtlinienkonform interpretiert werden?
Muss der Verbraucher für die bloße Nutzungsmöglichkeit zahlen oder
nur für einen Abnutzungsschaden infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme? Darf ein Verbraucher im Fernabsatz gar eine Flasche
Wein erwerben, die Hälfte austrinken und den Rest dann wegen Nichtgefallens gegen volle Kaufpreisrückerstattung zurücksenden? Fraglich
ist, ob eine derartige Auslegung der FARL aus Verbraucherschutzgründen tatsächlich erforderlich ist. Ohnehin ist die Abgrenzung zwischen
Nutzung, Ingebrauchnahme und Prüfung oft eine juristische Grauzone.
Im Anschluss ist zu hinterfragen, wie konkret und wann genau eine
entsprechende Belehrung über den Wertersatz erfolgen muss. Eine weitere Frage ist, welcher Wert für die Berechnung etwaiger Wertersatzansprüche zugrunde zu legen ist.
Vorvertragliche Informationspflichten über das Widerrufsrecht sind
in Deutschland beispiellos umfangreich. Wie können diese Pflichten auf
Internetseiten erfüllt werden? Wann ist ein Link sprechend und dürfen
alle technisch möglichen Formate eingesetzt werden? Wird der
Verbraucher bei Fehlinformationen über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechtes vor dem unerwünschten Vertrag geschützt? Wann erfolgt
die Aufklärung über das Widerrufsrecht rechtzeitig genug? Kann der
Unternehmer überhaupt das Transparenzgebot einhalten oder führt die
komplizierte zu Grunde liegende Rechtslage zwangsläufig dazu, dass
alle Belehrungen ein zu hohes Maß an juristischer Fachterminologie
enthalten, um vom Verbraucher verstanden werden zu können? Welche
Besonderheiten sind bei mehrsprachigen Internetseiten und Integration
der Widerrufsbelehrung in AGB zu beachten?
Der genaue Inhalt der Belehrung der Textform ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Müssen dem Verbraucher sämtliche denkbaren Ausübungsformen angeboten und erläutert werden? Beginnt die Frist mit,
am Tag nach oder nach Erfüllung der Voraussetzungen für den Fristlauf? Und wie konkret sind diese Voraussetzungen zu benennen und
wie vertieft zu erläutern? Muss eine Postfachadresse oder ladungsfähige
Anschrift angegeben werden und ist die Nennung einer Telefonnummer
irreführend? Muss der Unternehmer hinsichtlich des allgemeinen und
besonderen Wertersatzes sowie Beanspruchung von Hin- und Rücksendekosten in der Belehrung „Farbe bekennen“?
Gibt es nach neuem UWG noch Bagatellverstöße, wenn gegen Belehrungspflichten verstoßen wird? Ändert sich die wettbewerbsrechtliche Relevanz der vorvertraglichen Aufklärung über die Einzelheiten
des Widerrufsrechtes? Möglicherweise ist die Verwendung eines nun
korrigierten Belehrungsmusters des BMJ trotz der wenig ruhmreichen
Vorgeschichte der Königsweg im Dickicht unklarer Regelungen und
4
Einleitung
drohender Wettbewerbsverstöße. Werden das Gesetz zur Neuordnung
der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht und der
Entwurf der Verbraucherrechtsrichtlinie die bestehenden Probleme
lösen?
Teil 1 – Grundlagen
Teil 1 – Grundlagen
Durch Umsetzung der europäischen Fernabsatzrichtlinie (FARL),
E-Commerce-Richtlinie (ECRL) und Finanzdienstleistungsrichtlinie
(FARLFDL) sind zahlreiche Verbraucherschutzregelungen für InternetGeschäfte, zu denen auch der Onlinehandel zählt, entstanden. Kernstück dieser Regelungen ist neben umfangreichen Informationspflichten
ein weit reichendes Widerrufsrecht des Verbrauchers.
A. Begriffsbestimmungen
A. Begriffsbestimmungen
I. Onlinehandel
Eine einheitliche Definition für den Begriff Onlinehandel existiert nicht.
Unter Onlinehandel, auch synonym mit Internethandel oder elektronischer Handel verwendet, wird nachfolgend der Abschluss eines Kauf1
vertrages über das Internet bezeichnet. Im weiteren Sinne umfasst der
Begriff jede einzelne Phase der geschäftlichen Transaktion, bei der die
Geschäftspartner im Rahmen von Leistungsanbahnung, -vereinbarung,
-erbringung oder nachvertraglichen Betreuung (z.B. Sendungsnachverfolgung) elektronische Kommunikationstechniken einsetzen.
Die sich ständig weiterentwickelnden technischen Möglichkeiten haben den Versandhandel und den Einzelhandel revolutioniert; Onlineund TV-Shopping ergänzen den Katalog seit Jahren und haben der
Branche neue Unternehmen, neue Kunden und steigende Umsätze beschert. Neben den klassischen Katalogversendern, die ihre Umsätze
durch das Internet zusätzlich ausweiten konnten und heute überwiegend als Multi-Channel-Versender auftreten, sind im Markt neue,
höchst dynamische Versandhandelsformen entstanden. Neben den
reinen Internetversendern, Teleshoppingversendern, eBay-Powersellern
und Versandapotheken sind hier vor allem auch die kleinen und mittelständischen stationären Handelsunternehmen zu nennen, die ihre Wa2
ren zusätzlich über das Internet direkt an den Endkunden verkaufen.
1
Ähnlich Bräutigam/Leupold/Meyer/Specht/Friemel, A I Rn. 4: „Form des Electronic Commerce, bei welcher der Vertragsschluss online, also unter Zuhilfenahme
des Internet bzw. anderer Online-Netzwerke durchgeführt wird“.
2
Die Handelsverbände sprechen Ende 2006 von schätzungsweise 50.000 kleinen
und mittelständischen stationären Handelsunternehmen und einem Versandhandelsumsatz von 26,3 Milliarden Euro (6,8 Prozent am gesamten deutschen Einzelhandelsumsatz) umgesetzt, rund 30 Prozent mehr als erwartet. bei ca. 51,8 Millionen
6
Teil 1 – Grundlagen
Der Onlinehandel ist somit ein Teil der gesamten Internet-Wirtschaft
(E-Commerce), aber auch ein Teil der traditionellen Versandhandelsbranche. Onlinehandel findet über Online-Portale (z.B. eBay), d.h. von
Dritten zur Verfügung gestellte Handelsplattformen, oder Online-Shops
(gleichbedeutend mit Web-Shop oder E-Shop verwendet), d.h. die eigene Internetpräsenz eines Händlers, statt. Ein Shopsystem ist eine Software mit einer Warenkorbfunktionalität, mittels derer ausgewählte
Produkte in einen virtuellen Warenkorb gelegt und bestellt werden
können. Auch die Anbahnung über Preisvergleichportale und Produktsuchmaschinen spielt eine wichtige Rolle. Zunehmend verschmelzen ECommerce und M-Commerce, also Mobile Commerce als spezielle
Ausprägung des E-Commerce und Verwendung mobiler elektronischer
Kommunikationstechniken, da das Internet mit modernen Mobiltelefonen problemlos genutzt werden kann.
Der Onlinehandel lässt sich nach Art der Teilnehmer kategorisieren.
Wichtige Formen sind C2C (Consumer-To-Consumer = Verbraucher an
Verbraucher), z.B. im Rahmen privater Auktionen über eBay, B2C
(Business-To-Consumer = Unternehmen an Verbraucher) z. B. gewerblicher Versandhandel wie Amazon, eBay Express, Otto etc. und B2B
(Business-To-Business = Unternehmen an Unternehmen), d.h. Handel
zwischen Unternehmen und Lieferanten. Gegenstand dieser Arbeit ist
1
der B2C-Onlinehandel.
2
Laut bvh sind 2008 mit 51 Prozent (Vorjahr: 48 Prozent) erstmal
mehr als die Hälfte aller Warenbestellungen der Versandhandelsbranche über das Internet eingegangen. Demnach haben die Bundesbürger
im Jahr 2008 rund 19,3 Milliarden Euro für Waren und Dienstleistungen im Internet ausgegeben, eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um
15 Prozent. Die Zahl der Online-Käufer stieg auf 31,44 Millionen (Vorjahr: 29,37 Millionen) und übersprang damit erstmals die 30Millionen-Marke. Insgesamt erwirtschafte der Versandhandel 46,9
Prozent (2007: 39,5 Prozent) seines Gesamtumsatzes von 28,6 Milliarden Euro über das Internet. Die Dominanz der Männer im Internet hat
sich den Angaben zufolge leicht verringert: Mittlerweile würden rund
Versandhauskäufern in Deutschland; Gemeinsame Stellungnahme von bvh, HDE
und BAG zur Umsetzung der FARL, S. 1.
1
Zu weiteren Kategorien, die nicht Gegenstand der Untersuchung sind, z.B. C2C,
C2B, C2A, B2A, A2C, A2B und A2A siehe Bräutigam/Leupold/Meyer/Specht/
Friemel, A I Rn. 8.
2
bvh-Pressemitteilung v. 5.11.2008. Für die bvh-Studie befragte das Forschungsinstitut TNS Infratest in diesem Jahr rund 30.000 Verbraucher. Eingeflossen sind
auch Ergebnisse der Allensbacher Computer- und Technik-Analyse (ACTA 2008) des
Instituts für Demoskopie Allensbach. http://www.versandhandel.org/News.80+
M591d0925687.0.html (Stand: 4.4.2009).
A. Begriffsbestimmungen
7
43 Prozent der weiblichen Kunden online bestellen. Bei den Männern
seien es weiterhin 65 Prozent der Kunden.
Die genannten Umsatzzahlen werden dabei klar vom Handel mit
Waren dominiert (13,4 Milliarden Euro), von dem auch das deutlichste
Wachstum (+23%) ausgeht. Im Waren-Bereich wurde 2008 der höchste
Umsatz mit Bekleidung, Textilien und Schuhen (4,63 Milliarden Euro,
plus 18,2 Prozent gegenüber 2007), Büchern, CDs und DVDs (1,94
Milliarden, minus 2,5 Prozent) sowie Unterhaltungselektronik und
Elektronikartikeln (1,28 Milliarden Euro, plus 5,6 Prozent) erzielt. Bei
den Dienstleistungen (insgesamt 5,9 Milliarden Euro Umsatz) geben die
1
Deutschen laut bvh besonders viel für Bahn- und Flugtickets (44 Prozent der Gesamterlöse) sowie für Urlaubsreisen (27 Prozent) aus.
9 Prozent gehen auf Entertainment-Ausgaben (etwa MP3-Dateien,
Klingeltöne, Spiele) zurück, 1 Prozent wird dem Kauf von Computer2
Software zugeschrieben.
Stark negativ dagegen verläuft die Entwicklung bei Versendern, die
über die Plattform eBay verkauften. Sie mussten Umsatzeinbußen von
16,9% auf 2,1 Milliarden Euro hinnehmen, was möglicherweise auch
damit zu tun hat, dass einige Powerseller sich von dieser Verkaufsplatt3
form aufgrund gestiegener Preise verabschieden.
Der Onlinehandel bietet sowohl Unternehmern als auch Verbrauchern einige Vorteile gegenüber dem stationären Handel. Der Unternehmer hat gegenüber dem Fachmarkt bzw. Fachhandel deutlich geringere Personal-, Raum- und Warenpräsentationskosten. Zudem werden
durch die grenzenlose Abrufbarkeit des Angebotes mehr Kunden erreicht, so dass sich auch kleine Nischen- und Spezialanbieter etablieren,
die allein mit einem stationären Geschäft nicht genügend Umsatz erzielen könnten. Auch bieten elektronische Medien gegenüber gedruckten
Katalogen erweiterte Warenpräsentations- und Recherchemöglichkeiten, d.h. mehr Markttransparenz. Der Verbraucher kann Produkte und
Preise komfortabel binnen Sekunden vergleichen und zu jeder Tagesund Nachtzeit Waren und Dienstleistungen bestellen, ohne sein Haus
4
verlassen zu müssen. Durch geringere Kosten kann der Onlinehändler
häufig günstigere Preise anbieten als stationäre Anbieter.
1
bvh-Pressemitteilung v. 5.11.2008.
http://www.heise.de/newsticker/Versandhandel-freut-sich-ueber-starkes-OnlineGeschaeft--/meldung/118467 (Stand: 4.4.2009).
3
http://www.intern.de/news/neue--meldungen/--200811064701.html (Stand: 4.4.
2009).
4
So nutzten der GfK „Online Shopping Survey 2006“ zufolge im Jahr 2005 27,4
Millionen Menschen das Internet, um sich online über Produkte zu informieren und
Preise zu vergleichen. Demgegenüber nutzen (nur) 26,9 Millionen die Möglichkeit des Online-Kaufs; GfK-Pressemeldung vom 10.4.2006; abrufbar unter: http://
2
8
Teil 1 – Grundlagen
Demgegenüber existieren auch eine Reihe internetspezifischer Risiken. Der Verbraucher läuft Gefahr, eine Ware zu erwerben, die nicht
seinen Vorstellungen entspricht, weil er sie vorher nicht in Augenschein
nehmen konnte. Weitere Risiken gehen von der im Internet-Geschäft
weit verbreiteten Zahlungsart Vorkasse aus, da der Verbraucher Gefahr
läuft, trotz Zahlung keine Leistung zu erhalten. Auch bei der Rückabwicklung eines widerrufenen Fernabsatzvertrages besteht bei Vorleistung das Risiko, dass der Unternehmer zumindest nicht den gesamten
Betrag zurück erstattet und der Verbraucher aufgrund der Distanz zum
Händler, Beweisschwierigkeiten und kleiner Gegenstandswerte einen
unverhältnismäßig hohen Aufwand treiben muss, um seine Rechte
durchzusetzen.
II. Widerrufsrecht
Kernstück der Verbraucherschutzregelungen im Onlinehandel ist neben
umfangreichen Informationspflichten ein weitreichendes Widerrufsrecht. Für den Bereich des Onlinehandels wurde dieses Recht erst im
Jahr 2000 in Deutschland eingeführt. Das Widerrufsrecht ist aber seit
jeher ein wichtiges Instrument des Verbraucherschutzrechts. Kennzeichnend für das Widerrufsrecht ist, dass dem Verbraucher nach dem
Vertragsschluss eine nachträgliche Bedenkzeit eingeräumt wird, binnen
derer er ohne Angabe von Gründen seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung widerrufen und sich dadurch von der Bindung des Vertrages lösen kann. Die Fragen, warum dem Verbraucher
ein Widerrufsrecht eingeräumt werden soll und wie die verbraucherschützenden Widerrufsrechte mit dem Vertragsfreiheitsgedanken des
BGB in Einklang zu bringen sind, haben immer schon deren Entwick1
lung geprägt.
Im deutschen Recht gab es im Laufe der Entwicklung zwei Grundty2
pen, nämlich die Gebundenheitsfassung und die Wirksamkeitsfassung.
Im ersten Fall ist der Verbraucher nur an seine Willenserklärung gebunden, wenn er sie nicht widerruft (so § 11 AuslInvG (1969), § 23
KAGG (1970), § 4 FernUSG (1976)), im zweiten Fall wird die Willenserklärung erst wirksam, wenn sie nicht widerrufen wird (so z.B. § 1b
AbzG (1974), § 1 HWiG (1986), § 7 VerbrKrG (1991) und § 5 TzWrG
(1997)). Allein im Versicherungsvertragsrecht gab es in § 8 Abs. 4 S. 1
VVG (1994) eine neutrale Formulierung, nach der der Versicherungsnehmer den Vertrag widerrufen kann. Im nun geltenden § 355 BGB
www.gfk.com/group/press_information/press_releases/00805/index.de.html (Stand: 4. 4.
2009).
1
Zhang, Widerrufsrecht, S. 73.
2
Thole, Widerrufsrecht, S. 46.
B. Historische Entwicklung
9
wurde die Gebundenheitsfassung übernommen. Das Widerrufsrecht in
Art. 6 FARL ist als Rücktrittsrecht ausgestaltet.
B. Historische Entwicklung
B. Historische Entwicklung
Die historische Entwicklung des Widerrufsrechts im Onlinehandel ist
verhältnismäßig jung, jedoch von zahlreichen strukturellen und inhaltlichen Änderungen geprägt. Es geht zurück auf die europäische Fernabsatzrichtlinie, die zunächst im Fernabsatzgesetz umgesetzt wurde, das
dann später in das BGB und die BGB-InfoV überführt und mehrfach
geändert wurde, unter anderem durch das OLG-Vertretungsänderungsgesetz und die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen. Zuvor gab es gesetzliche Widerrufsrechte in anderen Rechtsgebieten und vertragliche Lösungsrechte in der
Versandhandelsbranche. Die vom Bundesjustizministerium entwickelte
und im Jahr 2002 eingeführte Muster-Widerrufsbelehrung wurde mehrfach überarbeitet, zunächst im Jahr 2004 und dann noch einmal Ende
2007. Neben einer im Jahr 2006 abgeschlossenen öffentlichen Konsultation über die Fernabsatzrichtlinie sind auf europäischer Ebene die
Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und das Grünbuch zur
Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Verbraucherschutz als aktuelle Aktivitäten zur Überprüfung des Widerrufsrechtes zu
nennen. Diese mündeten in den im Oktober 2008 vorgelegten VRRL-E.
I. Vorläufer und Parallelvorschriften
1. Überrumpelung
Ein gesetzliches Widerrufsrecht gab es bereits in den sechziger Jahren.
In § 11 AuslInvG v. 28.7.1969 und § 23 KAGG v. 14.1.1970 wurde
ein Widerrufsrecht für diejenigen Privatpersonen begründet, die außerhalb der ständigen Geschäftsräume des Verkäufers oder Vermittlers
durch mündliche Verhandlungen zum Kauf von ausländischen Investmentanteilen oder von Anteilsscheinen bestimmt wurden. Regelungsanlass waren aggressive Verkaufsmethoden ausländischer Vertriebsgesellschaften, die Kunden unaufgefordert zu Verkaufsgesprächen in
1
Privatwohnungen aufsuchten. Diese Widerrufsrechte finden ihre Rechtfertigung darin, dass der Käufer wegen der unvorbereiteten Konfronta-
1
Zum historischen Hintergrund vgl. Thole, Widerrufsrecht, S. 31 m.w.N.
10
Teil 1 – Grundlagen
tion mit dem Vertreter des Unternehmers überrumpelt werden kann
1
und infolge dieser Überrumpelung unüberlegt den Vertrag eingeht.
2. Längerfristige Belastung
Auch vier Jahre später war der Regelungsanlass eine unseriöse Vertriebsmethode beim Teilzahlungskauf an der Haustür. Dabei nutzten
die Verkäufer aus, dass der Käufer zunächst nur geringe Zahlungsraten
gesagt und die finanzielle Gesamtbelastung des Abzahlungsgeschäfts
2
nicht genügend überlegte. 1974 wurde das Widerrufsrecht dann auch
in § 1b AbzG eingeführt. Dabei war der Anwendungsbereich jedoch
nicht auf eine Überrumpelungssituation beschränkt, sondern knüpfte
im Rahmen der so genannten „großen Lösung“ an den Vertragstypus
an und bezog alle Teilzahlungskäufer in den Schutzbereich ein, weshalb
die Einfügung in das Abzahlungsgesetz auch als „Meilenstein“ in der
3
Entwicklung des Widerrufsrechts bezeichnet wird. Hierbei stand die
Erwägung im Mittelpunkt, dass der Inhalt des Kreditvertrages üblicherweise sehr komplex ist, der Verbraucher normalerweise wenige
Fachkenntnisse besitzt und daher eine Entscheidung leicht unter der
Beeinflussung des Kreditgebers trifft, die zur längerfristigen Belastung
außerhalb seiner Leistungsfähigkeit führen kann. Das Widerrufsrecht
soll dem Verbraucher bei solchen Geschäften also davor bewahren,
deren finanzielle Tragweite ihm bei Vertragsschluss möglicherweise
4
nicht genügend klar wurde. Mit Einführung des Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) am 1.1.1991 wurde das Abzahlungsgesetz aufgehoben und das Widerrufsrecht auf sämtliche Verbraucherkreditverträge
(Darlehen, Waren- und Leistungskredit sowie ähnliche Finanzierungshilfen) ausgeweitet.
3. Distanz zu Unternehmer und Leistung
Als weiterer Vorläufer des Widerrufsrechts im Onlinehandel ist das
Widerrufsrecht in § 4 FernUSG zu nennen, bei dem es ebenfalls nicht
um eine Überrumpelung des Verbrauchers geht, sondern um ein spezifisches Risiko wegen des Vertragsgegenstandes. Ähnlich wie bei Fernabsatzgeschäften ist es bei einem Abschluss eines Fernunterrichtvertrages
1
Zhang, Widerrufsrecht, S. 77.
Bericht des Rechtsausschusses vom 11.12.1973, BT-Drucks. 7/1398, S. 2.
3
Lorenz, Unerwünschter Vertrag, S. 122 f. § 1b Abs. 1 AbzG, eingeführt mit Gesetz v. 15.5.1974, BGBl. I, S. 1169, lautete: „Die auf den Vertragsschluss gerichtete
Willenserklärung des Käufers wird erst wirksam, wenn der Käufer sie nicht dem
Verkäufer gegenüber binnen einer Frist von einer Woche schriftlich widerruft. …“
4
Vgl. BT-Drucks. 7/1398, S. 2 (Bericht des Rechtsausschusses).
2
B. Historische Entwicklung
11
normalerweise für den Verbraucher nicht möglich, den Unternehmer
beziehungsweise den Unterricht persönlich kennen zu lernen oder die
Leistung genau zu überprüfen, um die Qualität des Fernunterrichts
1
beurteilen zu können. Überdies wurden Mitte der siebziger Jahre in
diesem Wirtschaftszweig verbraucherfeindliche Vertragsbedingungen,
unzureichende Informationen, irreführende Werbung und aggressive
2
Vertriebsmethoden bemängelt. Auch das europäische Parlament forderte 1975 eine Gemeinschaftsregelung im Fernunterrichtwesen, wor3
aufhin die Kommission 1977 einen Richtlinienentwurf vorlegte, der
jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten scheiterte. Im gleichen Jahr
trat dann auf nationaler Ebene in Deutschland das FernUSG in Kraft.
Dem Teilnehmer eines Fernlehrgangs soll hierdurch ein Probestudium
ermöglicht werden, damit er feststellen kann, ob der Fernlehrgang seinen Erwartungen entspricht und ob er selbst den Anforderungen ge4
recht wird. Die rechtspolitische Rechtfertigung dieses Widerrufsrechtes
kommt der des Widerrufsrechtes im Onlinehandel am nächsten.
4. Überraschungsgefahr
Am 20.12.1985 wurde dann auf europäischer Ebene die HWiRL erlassen, die vor unlauteren Direktmarketingmethoden schützen soll. Auch
hier besteht eine Überraschungs- und Überrumpelungsgefahr, weil der
Verbraucher keine Möglichkeit hat, Informationen über Konkurrenz5
produkte zu überprüfen. Der Einführung dieses Widerrufsrechts vorausgegangen waren zahlreiche Diskussionen auf nationaler und europäischer Ebene über einen generellen Schutz vor ungewollten,
unüberlegten Geschäftsabschlüssen im Direktvertrieb. Das HWiG mit
dem in § 1 verankerten Widerrufsrecht trat schon vor dem Ablauf der
europäischen Umsetzungsfrist am 1.5.1986 in Kraft und stellt mithin
keine Umsetzung der Richtlinie, sondern ein parallel entwickeltes natio6
nales Gesetz dar. In einer Haustürsituation unterliegt der Verbraucher
in erhöhtem Maße der Gefahr, unter Ausnutzung des Überraschungseffektes oder einer besonderen psychologischen Situation zu einem an
sich nicht gewünschten Vertragsschluss veranlasst zu werden, wovor
7
das Widerrufsrecht schützt.
1
Mankowski, WM 2001, 793, 796f.
Begründung des FernUSG-RegE, BT-Drucks. 7/4245, S. 12.
3
ABl. 1977 C 208, S. 12.
4
Begründung FernUSG-RegE, BT-Drucks. 7/4245, S. 15.
5
Vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 6.
6
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312 Rn. 7.
7
Erman/Saenger, § 312 Rn. 2.
2
12
Teil 1 – Grundlagen
5. Komplexität der Vertragsmaterie
Weitere verbraucherschützende Lösungsrechte wurden in § 5 TzWrG,
§ 13a UWG und in § 8 Abs. 4 VVG 1991/1994 erlassen. Anlass für das
Widerrufsrecht bei Verträgen über Teilzeitwohnrechte war die europäische Timesharingrichtlinie vom 26.10.1994, die den unseriösen Methoden der Teilzeitwohnrechtanbieter entgegentreten wollte und zugleich
eine Reihe von Informationspflichten enthielt. Die nationale Regelung
trat zum 1.1.1997 in Kraft und wurde mit der Komplexität und schweren Durchschaubarkeit der Vertragsmaterie in diesem Geschäftszweig
1
begründet. § 13a UWG enthielt ein Rücktrittsrecht für den Fall, dass
der Abnehmer durch eine unwahre und zur Irreführung geeignete Werbeangabe zur Abnahme einer Leistung bestimmt worden ist. Abs. 3 der
Vorschrift enthielt eine Verweisung auf das HWiG. Die Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers beim Versicherungsvertrag ergibt sich ähnlich
wie beim Verbraucherkreditvertrag aus der komplexen Vertragsgestaltung und der lang andauernden finanziellen Bindung. Das frühere VVG
enthielt neben dem Widerrufsrecht in § 8 Abs. 4 auch ein Rücktrittsrecht in § 8 Abs. 5 und ein Widerspruchsrecht in § 5a.
6. Zwischenergebnis
Bereits an dieser Stelle wird deutlich, dass es ganz verschiedene Rechtfertigungsgründe für ein Widerrufsrecht gibt, nämlich die Überraschungs- und Überrumpelungsgefahr, die Komplexität der Vertragsmaterie, die langfristige Vertragsbindung des Verbrauchers, die
möglicherweise seine finanziellen Mittel übersteigt und schließlich die
Distanz zwischen den Vertragsparteien und die fehlende Möglichkeit,
die Leistung im Vorfeld zu begutachten. Daher bedürfen die verschiedenen Widerrufsrechte trotz eines vereinheitlichten Verbraucherschutzrechts jeweils differenzierter Auslegungen. Eine lediglich mit dem
„Verbraucherschutzgedanken“ begründete Erklärung führt nicht weiter
und erweckt leicht Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gebot des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3
2
Abs. 1 GG.
II. Versandhandelsbranche
Der Kauf nach Katalogen wurde spätestens in den 1950er und 1960er
Jahren zum Massenphänomen. Mit der kommerziellen Nutzung des
Internets hat der Versandhandel nochmals einen großen Aufschwung
1
2
Begründung TzWrG-RegE, BT-Drucks. 13/4185, S. 12.
Reiner, AcP 203 (2003), 1, 8; Zhang, Widerrufsrecht, S. 86.
B. Historische Entwicklung
13
erlebt. Doch eine spezielle gesetzliche Regelung zum Schutz der Versandhauskunden schuf der deutsche Gesetzgeber erst mit dem Fernabsatzgesetz im Jahr 2000. Bereits zuvor wurde dem Kunden jedoch von
vielen Versandhändlern freiwillig ein Widerrufsrecht eingeräumt bzw.
ein Kauf auf Probe vereinbart. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, dass
der Kunde eher bereit ist, eine nur aus Katalogen bekannte Ware zu
kaufen, wenn er sie im Zweifel zurückgeben kann. Seitens des Versandhandels wird daher oft ins Feld geführt, man habe das Widerrufsrecht
1
im Distanzhandel erfunden. Allerdings waren diese freiwilligen Rechte
bei weitem nicht so weitreichend ausgestaltet wie das heutige gesetzliche Widerrufsrecht. So konnten die Rückgabefristen, Bedingungen für
die Kostentragung bei Rücksendung oder den Wertersatz bei Prüfung
der Ware vertraglich frei festgelegt werden, was heute nicht mehr der
Fall ist. Gleichwohl haben diese freiwillig eingeräumten Rechte doch zu
einem beachtlichen wirtschaftlichen Erfolg zahlreicher Katalogversender beigetragen.
III. Fernabsatzrichtlinie (FARL)
Die §§ 312b–d BGB und 1 BGB-InfoV dienen der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie. Die Vorschriften über Fernabsatzverträge sind daher
2
im Lichte der Vorgaben dieser Richtlinie zu interpretieren. Richtlinienkonforme Auslegung bedeutet, dass unter mehreren möglichen Auslegungsvarianten des nationalen Rechts diejenige zu bevorzugen ist, die
sich mit dem einschlägigen europarechtlichen Richtlinienrecht am bes3
ten vereinbaren lässt. Dabei ist den Gerichten auch ein weiter Auslegungsspielraum zuzugestehen. Das nationale Recht kann so weit wie
möglich und unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums an
4
Wortlaut und Zweck der Richtlinie angepasst werden. Jedoch darf
auch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht die Grenzen der nationalen Methodenlehre, etwa durch eine Auslegung contra legem, über5
schreiten.
1
So z.B. der bis Dezember 2007 für den Bundesverband des deutschen Versandhandels e.V. (bvh) tätige Justiziar Jens Dohmgoergen in zahlreichen Gesprächen mit
dem Verfasser.
2
Roßnagel/Brönneke, Einleitung zu §§ 312b ff. Rn. 35.
3
Auer, NJW 2007, 1106 ff.
4
EuGH, NJW 1984, 2021.
5
EuGH, NJW 2006, 2465.
14
Teil 1 – Grundlagen
1. Anfänge der FARL
Die Entstehung der Fernabsatzrichtlinie war nicht etwa von einem einheitlichen Wunsch nach einem Widerrufsrecht, sondern von kontroversen Diskussionen geprägt. Nicht nur innerhalb der Kommission, sondern auch seitens der Mitgliedstaaten waren das Vorhaben im
Allgemeinen und das Widerrufsrecht im Besonderen von Beginn an
umstritten. Die Kommission ließ zwar umfangreiche Gutachten über
Möglichkeiten und Risiken des Einsatzes neuer Kommunikationstechnologien im Fernabsatz erstellen, in denen Verbraucherschutzlücken im Recht der Mitgliedsstaaten in Bezug auf den Direktvertrieb
festgestellt wurden. Auch die deutsche Bundesregierung gab ihre Be1
denken an dem Vorhaben aber erst Anfang 1992 auf.
Die Ausschüsse des deutschen Bundesrats erklärten in der von ihnen
ausgesprochenen Empfehlung, dass der Verbraucher im Bereich der
Fernabsatzgeschäfte zumindest nicht in dem Maße schutzbedürftig sei,
2
wie dies in dem Richtlinienentwurf dargelegt sei. Der Ansatz des Vorschlags diskriminiere Vertragsabschlüsse unter Abwesenden ohne
3
Grund gegenüber Vertragsabschlüssen im stationären Einzelhandel.
Auch zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen
Kommission gab es unterschiedliche Auffassungen über den notwendigen Richtlinieninhalt, so dass im Verlauf des Mitentscheidungsverfah4
rens der Vermittlungsausschuss angerufen wurde.
Die Differenzen haben zu einem häufig wechselnden Inhalt des Richt5
linienprojektes geführt. So sollte z.B. im ersten Entwurf weder die
Ausschließlichkeit der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln
noch ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- und Dienstleistungssystems Voraussetzung für den sachlichen Anwendungsbereich
sein, sondern ein Widerrufsrecht auch für solche Geschäfte gelten, bei
denen die Vertragsanbahnung unter körperlicher Abwesenheit beider
Parteien stattgefunden hat und lediglich die „Aufforderung zum Vertragsschluss“ oder die Bestellung unter Verwendung von „Telekommunikationstechniken“ vorgenommen wurde, was auch beim deutschen
Gesetzgeber auf heftige Kritik stieß.
1
Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 29, Fn. 120.
BR-Drucks. 445/1/92, S. 1.
3
BR-Drucks. 445/1/92, S. 2; Bodenstedt, Fernabsatzrichtline, S. 11.
4
Eine Übersicht des Verfahrensablaufs ist abrufbar unter: http://ec.europa.
eu/prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=20110 (Stand: 4.4.2009).
5
Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 29.
2
B. Historische Entwicklung
15
2. Schutz vor Gefahren des „Tele-Einkaufs“
Die Ursprünge der Fernabsatzrichtlinie reichen bis in die Mitte der
achtziger Jahre zurück, also eine Zeit, in der das Internet noch nicht
einmal in den Kinderschuhen steckte. Bereits 1985 kündigte die Europäische Kommission in einer Mitteilung an den Rat mit dem Titel
1
„Neuer Impuls für die Politik zum Schutz der Verbraucher“ an, Vorschläge zur Verwendung neuer Informationstechnologien zu unterbreiten, die es dem Verbraucher ermöglichen sollten, Bestellungen von zu
Hause aus zu tätigen. Unter Punkt 33 heißt es dort: „Die neue Informationstechnologie wird immer stärker für die Information der Verbraucher verwendet, zum Beispiel verbindet Videotext Computerdatenbanken über Telefonbanken mit den Fernsehgeräten in den privaten
Haushalten. Dieses sind Systeme, mit denen die Verbraucher von zu
Hause aus dem Lieferanten Aufträge erteilen können. Eine Anzahl von
Problemen, die sich dem Verbraucher stellen, sind auf das Videotextsystem an sich zurückzuführen.“ Der Rat begrüßte diese Initiative und
2
forderte in einer Entschließung die Kommission 1986 auf, entsprechende Vorschläge zu entwickeln und zu unterbreiten.
1989 forderte der Rat die Kommission in einer Entschließung noch
einmal zur Entwicklung eines Dreijahresplans auf, in dem die Verbraucherschutzziele der Europäischen Gemeinschaft konkretisiert werden
sollten. Eine der vom Rat vorgegebenen Prioritäten war dabei die „Untersuchung weiterer Möglichkeiten für Initiativen, insbesondere im Bereich
der Verbraucheraufklärung, der neuen Technologien, die den TeleEinkauf ermöglichen, der Garantie und des Kundendienstes sowie der
3
unlauteren Werbung.“ Der damals technisch mögliche „Tele-Einkauf“
war mit dem gegenwärtigen Onlinehandel bzw. technischen Möglichkeiten des Internet auch nicht annähernd vergleichbar. Ein Jahr später legte
4
die Kommission dann den vom Rat geforderten Dreijahresplan vor , in
dem die Verabschiedung einer Richtlinie über den Verbraucherschutz im
Fernabsatz vorgeschlagen wurde. Flankiert werden sollte die Richtlinie
5
durch Verhaltenskodizes und vertrauensbildende Systeme und Garantien.
1
KOM (85) 314 endg. vom 23.07.1985.
ABlEG Nr. C 167/01 v. 23.06.1986.
Nr. 5 des Anhangs der Entschließung des Rates vom 09.11.1989 über künftige
Prioritäten bei der Neubelebung der Verbraucherschutzpolitik, ABlEG Nr. C 294/01
v. 22.11.1989.
4
Dreijahresplan für die Verbraucherpolitik in der EWG (1990–1992), KOM (90)
98 vom 03.05.1990; Bodenstedt, Fernabsatzrichtlinie, S. 11.
5
Als solches ist z.B. Trusted Shops im Jahre 2001 von der Europäischen Kommission gefördert worden. http://ec.europa.eu/information_society/activities/eten/cf/
opdb/cf/project/index.cfm?mode=detail&project_ref=ETEN-26786
(Stand:
4.4.
2009).
2
3
16
Teil 1 – Grundlagen
3. Uneinigkeit bei den Richtlinienvorschlägen
1991 legte die Kommission den „Vorentwurf eines Vorschlags“ für eine
Richtlinie über den Verbraucherschutz im Distanzhandel vor, in dem
auch deutlich wurde, dass es nicht nur um den Verbraucherschutz,
sondern um die Verhinderung verschiedener Regelungen in den Mit1
gliedsstaaten ging. In diesem Vorentwurf tauchte eine erste Version des
Widerrufsrechtes auf. Nach Art. 12 Abs. 1 sollte der Verbraucher das
Recht haben, binnen 14 Kalendertagen den Vertrag „straffrei zu annullieren“. 1992 legte die Kommission eine Empfehlung über Verhaltens2
kodizes vor, in der den Branchenverbänden u.a. empfohlen wurde, zur
wirtschaftlichen Absicherung des Widerrufsrechtes „Vorkehrungen zur
Sicherung der Rückerstattung der vom Verbraucher bei der Bestellung
3
geleisteten Zahlungen“ zu treffen und „bei Inanspruchnahme des
Rücktrittsrechts von Seiten des Verbrauchers die Frist des Rückzahlungsanspruchs für schon geleistete Zahlungen“ zu nennen.
Am 21.05.1992 präsentierte die Kommission dann einen ersten
4
Richtlinienvorschlag. In der Begründung wurde der Vorschlag eines
Widerrufsrechtes für Fernabsatzgeschäfte damit gerechtfertigt, dass die
nationalen Rechtsordnungen teilweise schon eine Frist zum „Rücktritt“
5
von Fernabsatzverträgen vorsahen und es „im traditionellen Versandhandel gang und gäbe“ war. Auch in der finalen Fassung der FARL
6
wurde das Widerrufsrecht als Rücktrittsrecht ausgestaltet. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßte den Entwurf in seiner
7
Stellungnahme 1993 ebenso wie das Europäische Parlament, das aller8
dings 35 Änderungswünsche einbrachte, die auf eine weitere Erhöhung
des Verbraucherschutzniveaus abzielten. Daraufhin legte die Kommis9
sion im Oktober 1993 einen geänderten Richtlinienvorschlag vor, in
dem die Wünsche des Parlaments weitgehend berücksichtigt wurden.
1
ZIP 1991, A 132 Nr. 329; Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 30.
Empfehlung der Kommission vom 07.04.1992 über die Verhaltenskodizes zum
Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABlEG Nr. L 156/21 vom
10.06.1992.
3
Genau dies leistet Trusted Shops mit einer Garantie, die u.a. bei Nicht-Rückerstattung des Kaufpreises nach Ausübung des Widerrufsrechtes zum Tragen kommt
(http://www.trustedshops.de/info/garantiebedingungen/, Stand: 4.4.2009).
4
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, KOM (92) 11 endg. – SYN 411, ABlEG Nr. C
156/14 vom 23.06.1992.
5
So z.B. seinerzeit Art. L 121-16 bis 20 VerbraucherGB (FR).
6
Waldenberger, K&R 1999, 345, 349; Tonner, BB 2000, 1413, 1415.
7
EWSA-Stellungnahme v. 25.01.1993.
8
ABlEG Nr. C 176/95 vom 28.6.1993.
9
Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über den Verbraucherschutz
bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABlEG Nr. C 308/18 vom 15.11.1993.
2
B. Historische Entwicklung
17
Es folgten weitere umfangreiche Beratungen in Rat und Parlament
über die Frage, ob Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich
1
erfasst werden sollten oder nicht. Erst 1995 wurde ein gemeinsamer
2
Standpunkt veröffentlicht, der u.a. dem Wunsch des Europäischen
Parlaments Rechnung trug, das Widerrufsrecht nicht für Dienstleistungen vorzusehen, „bei denen Reservierungen vorgenommen werden“
(Begründung III 7 iii). Auf Initiative des Rates wurden in Anlehnung an
die Haustürwiderrufsrichtlinie eine Dreimonatsfrist, innerhalb derer
fehlende Informationen noch vorgelegt werden können, sowie eine Frist
von sieben Tagen eingeführt, innerhalb derer das eigentliche Widerrufsrecht ausgeübt werden kann. Zudem sprach sich der Rat für eine Reihe
von Ausnahmen aus, interessanterweise jedoch dagegen, „Erzeugnisse
3
der Körperpflege auszuschließen“ (Begründung III 7 vii). Im Erwägensgrund 12 wurde damals schon das Widerrufsrecht damit begründet, dass der Verbraucher in der Praxis keine Möglichkeit hat, „vor
Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften
der Dienstleistung im einzelnen zur Kenntnis zu nehmen.“
Der gemeinsame Standpunkt wurde ein Jahr später vom Europäi4
schen Parlament noch einmal geändert. Hierbei ging es u.a. um die
Frage, welche Kosten dem Verbraucher im Falle des Widerrufs auferlegt
werden dürfen. Als Erwägensgrund 12 schlug das Europäische Parlament folgende Formulierung vor: „Der Verbraucher hat in der Praxis
keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen
oder die Eigenschaften der Dienstleistung im einzelnen zur Kenntnis zu
nehmen. Es muss daher dem Verbraucher erlaubt sein, den Vertrag
nach Erhalt des Erzeugnisses oder der Dienstleistung zu widerrufen.
Schließlich ist es notwendig, bei der Anwendung dieses Rechts die vom
Verbraucher getragenen Ausgaben auf die Portokosten für die Rücksendung zu begrenzen, da dieses sonst ein bloß formales Recht bliebe.
1
Letztlich blieben Finanzdienstleistungen gem. Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II der
FARL ausgenommen. Die FARL wurde dann durch Art. 18 der FARLFDL erstmalig
dahingehend geändert, dass Finanzdienstleistungen nunmehr vom Anwendungsbereich der FARL ausgeschlossen sind und in der Folge auch der Anhang II der FARL
ersatzlos gestrichen wurde.
2
Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat v. 29.06.1995.
3
Diese Frage spielt im heutigen Onlinehandel eine große praktische Rolle. Das
LG Wuppertal, BeckRS 2008, 03864 meint, angebrochene Kosmetika seien nicht
mehr verkehrsfähig und gelten als verbraucht i.S.v. § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB, so dass
der Kunde Wertersatz i.H.v. 100% des Kaufpreises leisten muss bzw. keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises hat.
4
Beschluss betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf
den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den
Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (C4-0369/95 – 00/0411
(COD), ABlEG Nr. C 17/51 vom 22.01.1996. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/
LexUriServ.do?uri=CELEX:51995AP0297:DE:HTML (Stand: 4.4.2009).
18
Teil 1 – Grundlagen
…“ Auch Art. 6 der Richtlinie wurde um den Satz ergänzt: „Die einzigen Kosten, die ihm entstehen können, sind gegebenenfalls die unmittelbaren Rücksendungskosten.“ Eingefügt wurde auch die 30-tägige
Rückerstattungspflicht des Art. 6 Abs. 2 FARL.
4. Verkündung der FARL
Im Mai 1997 wurde dann die Richtlinie über den Verbraucherschutz
bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz verkündet. Das Widerrufsrecht
wird in Art. 6 der FARL geregelt. Gemäß Artikel 14 FARL können die
Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich der Richtlinie strengere Bestimmungen erlassen oder aufrechterhalten, wenn diese ein höheres
Schutzniveau für den Verbraucher sicherstellen und mit dem EGVertrag in Einklang stehen. Die Richtlinie sieht lediglich eine Mindestharmonisierung und keine vollständige Harmonisierung vor. Hiervon
hat der deutsche Gesetzgeber reichlich Gebrauch gemacht.
5. Zwischenergebnis
Bei der Auslegung der FARL, die zur Auslegung der deutschen Normen
zum Widerrufsrecht erforderlich ist, muss berücksichtigt werden, dass
zum Zeitpunkt des ersten Richtlinienentwurfs das Internet noch nicht in
der heutigen Form existierte. Der europäische Gesetzgeber hatte seinerzeit
ganz andere Vertriebsformen mit anderen Risiken vor Augen als den heutigen Onlinehandel. So gab es eine Reihe von Distanzhandelsformen, z.B.
Katalogversand oder den recht intransparenten „Tele-Einkauf“, bei denen
der Verbraucher Informationen über ein Produkt nur vom Verkäufer
erhielt und oft Waren kaufte, die es nur bei diesem Verkäufer – und nicht
auch im stationären Handel – gab. Heute hingegen kann der Verbraucher
im Internet über Preissuchmaschinen, Testberichte, Kundenbewertungen
und Gütesiegel gezielt nach Produkten suchen, von denen er im Vorfeld
Meinungen anderer, einen vertrauenswürdigen Verkäufer und den besten
Preis in Erfahrung bringen und eine finanziell abgesicherte Transaktion
tätigen kann. Vielfach wird in Internet-Shops und auf Auktionsplattformen auch Ware angeboten, die im stationären Handel zuvor ausgiebig
geprüft werden kann. Diese veränderten Umstände führen dazu, dass die
damalige Intention des europäischen Gesetzgebers nicht unkritisch auf den
1
Onlinehandel übertragen werden kann.
1
Vgl. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 2.
B. Historische Entwicklung
19
IV. Fernabsatzgesetz (FernAbsG)
In Deutschland wurde die FARL zunächst durch das Fernabsatzgesetz
(FernAbsG) umgesetzt, das als Sondergesetz zum HWiG und weiteren
Sondergesetzen hinzutrat. Die Schaffung neuer Sondergesetze wurde
1
seinerzeit zuweilen als Schaffung eines „Flickenteppichs“ im Verbraucherschutzrecht bezeichnet. Es wurde darüber diskutiert, ob nicht die
2
Schaffung eines Verbrauchervertriebsgesetzes Sinn mache, um die
Rechtsausübung für den Verbraucher zu erleichtern und die Verbraucherrechte zu systematisieren.
1. FernAbsG als Sondergesetz
Der Gesetzgeber ging im Jahr 2000 zunächst einen Mittelweg, indem
zwar das FernAbsG als weiteres Sondergesetz geschaffen, die wichtigen
Eckpfeiler des Verbrauchervertriebsrechts „Verbraucher“, „Unternehmer“ sowie „Widerrufs- und Rückgaberecht“ aber zugleich zentral im
Bürgerlichen Gesetzbuch als erster Schritt zu einem vereinheitlichten
3
Verbraucherschutzrecht geregelt wurden (§§ 13, 14, 361a, 361b BGB).
Mit der Einfügung der §§ 361a und b BGB greift die Bundesregierung
die Forderung der Verbraucherverbände nach Systematisierung und
Harmonisierung des Verbraucherrechts auf. Dies wurde immerhin als
einer der „integrativsten Gesetzgebungsakte zum Bereich des europäi4
schen Privatrechts“ begrüßt. Damit hat der deutsche Gesetzgeber zwei
Ziele zugleich verfolgt, nämlich neben einer richtlinienkonformen Umsetzung der FARL auch das Ziel einer Vereinheitlichung des Verbraucherrechts. Dies war – auch angesichts der relativ kurzen Umsetzungsfrist von nur drei Jahren – zwangsläufig mit Schönheitsfehlern
verbunden. Das Schrifttum hat sich mit ungewöhnlich deutlicher Kritik
5
nicht zurückgehalten.
1
Tonner, BB 2000, 1413.
Reich, EuZW 1997, 581, 587; Micklitz/Reich, BB 1999, 2093 ff.; Ausführlich
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, passim. Während der Schuldrechtsreform
wurde der Systematisierungsgedanke weiter verfolgt und die Frage aufgeworfen,
warum nur bestimmte Vertriebsformen in einem Gesetz geregelt und nicht gleich ein
einheitliches Verbraucherschutzgesetzbuch nach Vorbild des VerbraucherGB (FR)
geschaffen werden sollte. Für ein einheitliches Verbraucherschutzgesetz sprechen sich
Schulze/Schulte-Nölke/Dörner, S. 177, 181 sowie Roth, JZ 2001, 475, 482 f. und
Roßnagel/Brönneke, Einleitung vor §§ 312b ff., Rn. 11 aus.
3
Begründung zum FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658 v. 09. 02. 2000, S. 29.
http://dip.bundestag.de/btd/14/026/1402658.pdf (Stand: 4.4.2009).
4
Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 110; Riehm, Jura 2000, 505.
5
Flume, ZIP 2000, 1427, 1428 ff. fand es „schlechthin unerträglich“, dass man sich
erdreiste, durch eine solche Gesetzgebung das „Kulturdenkmal“ BGB zu verunstalten.
2
20
Teil 1 – Grundlagen
Die Vorgaben der Richtlinie wurden dabei weitgehend 1:1 umgesetzt,
jedoch ging der deutsche Gesetzgeber in entscheidenden und die Praxis
heute prägenden Bereichen der Kostentragung deutlich über die Richtlinie hinaus. Dies war von Beginn an zu Recht ein äußerst strittiger
Punkt, der zu langwierigen Verhandlungen bis hin zum Vermittlungsausschuss und verspäteter Umsetzung der Richtlinie geführt hat. Die
FDP und die PDS stimmten dem Gesetz auch nach Durchlaufen des
Vermittlungsverfahrens nicht zu. Während die FDP meinte, dass die
Regelungen „zu bürokratisch sind, dass sie der Vertragsfreiheit nicht
entsprechen.“, meinte die PDS, die mögliche Belastung des Verbrau1
chers bei Bestellungen bis 40 € sei sozial ungerecht.
2
Im ersten Referentenentwurf des FernAbsG vom 31.5.1999 war
noch vorgesehen, das Widerrufsrecht in diesem Gesetz selbst zu regeln.
§ 3 Abs. 1 RefE FernAbsG sah ebenso wie die in den Augen der Minis3
terialbeamten „bewährten Formulierungen“ der seinerzeit geltenden
§ 1 HWiG, § 7 VerbrKrG und § 5 TzWrG eine Wirksamkeitsfassung
des Widerrufsrechts vor und lautete: „Die auf den Abschluss eines
Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers wird
erst wirksam, wenn er sie nicht binnen einer Frist von 7 Werktagen
widerruft.“ Das Konzept der schwebenden Unwirksamkeit hat in der
4
Literatur heftige Kritik hervorgerufen. Zu Recht wurde eingewendet,
für die Möglichkeit des Verbrauchers, die Ware während der Wider5
rufsfrist zu prüfen, sei ein Erfüllungsanspruch Voraussetzung. Der
Fernabsatzvertrag muss – anders als im RefE vorgesehen – auch während der Widerrufsfrist wirksam sein, weil sonst kein Erfüllungsan6
spruch des Verbrauchers entsteht.
§ 2 Abs. 2 Nr. 8 RefE FernAbsG sah in enger Anlehnung an die
FARL lediglich eine Informationspflicht über das „Bestehen eines Widerrufsrechts“ vor, also deutlich weniger als der heutige § 1 Abs. 1
Nr. 10 BGB-InfoV. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 RefE FernAbsG musste der
Unternehmer lediglich sicher stellen, dass die „Informationen über die
Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufsrechts … sowie über den Ausschluss des Widerrufsrechts“ „alsbald
nach Vertragsschluss, bei Waren spätestens bei Lieferung an den Emp1
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 108. Sitzung v. 8.6.2000, Plenarprotokoll, S. 10174 f., http://dip.bundestag.de/btp/14/101/14108101.74.pdf (Stand: 4.4.
2009).
2
FernAbsG-RefE, http://www.jura.uni-rostock.de/gersdorf/medienrecht/BRD_BundesR/fernag-entwurf.pdf (Stand: 4.4.2009).
3
FernAbsG-RefE, S. 97.
4
Bülow, ZIP 1999, 1293 ff.; Waldenberger, K&R 1999, 345 ff.
5
Siehe nur Mankowski, WM 2001, 793, 797.
6
Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2051; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1280 f.; Waldenberger, K&R 1999, 345, 349 unter Berufung auf Art. 7 FARL.
B. Historische Entwicklung
21
fänger, auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung stehen“.
Diese später im FernAbsG und BGB übernommene klare Zweistufigkeit
wurde bedauerlicherweise im Dezember 2004 mit Umsetzung der
FARLFDL ohne Not aufgegeben.
2. Streitpunkte
a) Versteigerungen
Versteigerungen sollten in Anlehnung an die FARL ganz vom Anwen1
dungsbereich ausgenommen sein. In einer Stellungnahme der Arbeits2
gemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) zum Regierungsentwurf
wurde dies zu Recht kritisiert. In jüngster Zeit beschwerten sich
zunehmend mehr Verbraucher, die sich gegen „Internetauktionen“
richten, die regelmäßig wohl eher als Verkäufe gegen Höchstgebot zu
qualifizieren sein würden. Bemängelt werde vor allem die bei Internetauktionen festgestellte Intransparenz bzw. Irreführung bezüglich der
Rahmenbedingungen des Geschäftsabschlusses. Angesichts der Art und
Weise der Abwicklung der Geschäfte sei es insbesondere auch erforder3
lich, dass der eigentliche Verkäufer nicht anonym bleibt. Daraufhin
wurden Auktionen in den Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts
eingeschlossen und nur Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB gem. § 312d
Abs. 4 Nr. 5 BGB vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechtes ausgeschlossen. Interessanterweise wurde die geplante Möglichkeit, dem
Verbraucher die Kosten der Rücksendung aufzuerlegen, in der AgV4
Stellungnahme nicht kritisiert.
b) Widerrufsfrist
In § 3 RefE FernAbsG war noch eine Widerrufsfrist von sieben Werktagen (Abs. 1) und ein Erlöschen spätestens binnen drei Monaten ab
Wareneingang beim Verbraucher (Abs. 3 Nr. 1) vorgesehen. Mangels
vorhandener Regelung im BGB verwies § 4 Abs. 1 S. 1 RefE FernAbsG
für die Rückabwicklung auf die §§ 3, 4 HWiG. Da diese Vorschriften
einen Anspruch des Unternehmers auf Nutzungsersatz vorsahen, wurde
1
Mit der nichtssagenden Begründung: „Versteigerungen im Wege des Fernabsatzes (z.B. im Internet) würden unangemessen behindert, wenn der Verbraucher ein
gesetzliches Widerrufsrecht hätte.“, FernAbsG-RefE, S. 77.
2
AgV-Stellungnahme v. 15.3.2000.
3
AgV-Stellungnahme v. 15.3.2000, S. 2.
4
Ebenso betrachten es die Verbraucherorganisationen The Consumer Council of
Norway und Buereau Européen des Unions de Consommateurs (beuc) in ihren
Stellungnahmen zur Überprüfung der FARL Ende 2006 als „fair“, dass der Verbraucher die Rücksendekosten trägt; beuc, BEUC/X/085/2006 v. 1.12.2006, p. 9. The
Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 4
22
Teil 1 – Grundlagen
der Verweis teilweise als nicht mit Art. 6 Abs. 1 FARL vereinbar ange1
sehen. Die Widerrufsfrist wurde später auf zwei Wochen erhöht, um
der in der FARLFDL vorgesehenen Frist im Zuge weiterer Harmonisierungsbestrebungen vorzugreifen. An der Dreimonatsfrist im Falle der
Verletzung von Informationspflichten (§ 3 Abs. 1 S. 2, S. 3 Nr. 1 RegE
FernAbsG) änderte sich zunächst nichts. Auch Versteigerungen sollten
nach § 1 Abs. 3 Nr. 7 c) vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen bleiben.
c) Rücksendekosten
Während fast alle europäischen Mitgliedsstaaten von der Möglichkeit
des Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 FARL, dem Verbraucher bei Ausübung
seines Widerrufsrechts die unmittelbaren Kosten der Rücksendung
aufzuerlegen, Gebrauch gemacht haben, erwog man dies in Deutschland offenbar im BMJ zunächst nicht. Vielmehr zog man sich darauf
zurück, dass das höhere deutsche Niveau nach dem Mindestharmonierungsprinzip der FARL aufrecht erhalten werden durfte. Gemäß § 3
HaustürWG war der Erfüllungsort für die Rückabwicklung der Leistung, z.B. im Onlinehandel für die Rückgewähr der gelieferten Ware,
nach allgemeinen Grundsätzen (§ 269 Abs. 1 BGB) der Wohnsitz des
Verbrauchers bzw. der Belegenheitsort der Ware. „Der Verbraucher ist
demnach nach deutschem Recht nicht einmal zur Rücksendung der
Ware, sondern nur zur Herausgabe an den Unternehmer verpflichtet,
2
der diese gegebenenfalls abholen bzw. abholen lassen muss.“
Hingegen sollte nun der Verbraucher bei Vereinbarung mit dem Unternehmer die Kosten der Rücksendung unabhängig vom Bestellwert
3
tragen. Begründet wurde diese plötzliche Kehrtwende im Regierungsentwurf in keinster Weise, sondern lediglich ihr Anwendungsbereich in
einem kurzen Absatz erläutert. So heißt es auf S. 43 FernAbsG-RefE
lapidar: „Entsprechend Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 FARL lässt es Satz 4 zu,
dem Verbraucher durch Vertrag die Kosten der Rücksendung aufzuerlegen. Ohne eine solche vertragliche Regelung trägt der Unternehmer
die Kosten, wie dies bisher auch schon in Fällen des Rückgaberechts
vorgesehen war. Die Regelung kann nur für den Fall gelten, dass der
Unternehmer auch die vertragsgemäße Leistung erbracht und von einem eventuellen Ersetzungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat.“ Dem
1
Micklitz/Reich, BB 1999, 2093, 2095.
FernAbsG-RefE, S. 103.
§ 3 Abs. 1 S. 4 FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658 v. 09.02.2000, S. 5 lautete: „Der Verbraucher hat die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn dies im
Vertrag vorgesehen war, es sei denn, dass der Unternehmer nicht die versprochene,
sondern lediglich eine in Qualität und Preis gleichwertige Leistung erbracht hat.“
2
3
B. Historische Entwicklung
23
Regierungsentwurf vorausgegangen waren entsprechende Änderungsan1
träge der Länder Sachsen und Niedersachsen.
2
In seiner Stellungnahme zum RegE FernAbsG beantragte der Bundesrat dann, die vom BMJ ursprünglich avisierte Lösung wieder einzuführen, dass der Unternehmer die Kosten der Rücksendung in jedem
Fall trägt, wobei der Verbraucher – über den RefE 1999 hinaus – immerhin zur Rücksendung der Ware verpflichtet sein sollte. Hier tauchte
erstmals die Formulierung „Der Verbraucher ist zur Rücksendung auf
3
Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet“ auf. In der Begründung hieß es, bei der Rücksendung könnten je nach Gewicht und Größe
der Ware nicht unerhebliche Rücksendekosten anfallen. Wenn der
Verbraucher diese Kosten zu tragen hätte, könnte er sich gehindert
sehen, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Dadurch bestünde die Gefahr der Aushöhlung des Verbraucherschutzes in diesem
Bereich, zumal anzunehmen sei, dass eine Vielzahl von Unternehmern
eine Bestimmung über die Kostentragungspflicht des Verbrauchers in
4
ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnehmen würde. Die Bundesregierung entgegnete, sie könne sich dem Vorschlag, dass der
Verbraucher nicht die Kosten der Rücksendung trägt, in der Sache
grundsätzlich anschließen. Gleichzeitig plädierte sie dafür, die Rücksendepflicht als Regelfall in § 361a BGB festzulegen, von dem vertrag5
lich abgewichen werden kann.
d) Wertersatz
Im Regierungsentwurf vom 9.2.2000 wurde dem Zeitgeist und den
Bestrebungen auf europäischer Ebene hinsichtlich eines einheitlichen
Verbrauchervertriebsrechts Rechnung getragen und auch die Kritik aus
dem Schrifttum zum Referentenentwurf aufgegriffen. So enthielt § 3
keine eigenständige Regelung des Widerrufsrechtes mehr, sondern einen
Verweis auf die neu geschaffenen §§ 361a und 361b BGB. Auch das
Konzept der schwebenden Unwirksamkeit wurde unter Übernahme des
Konzeptes des FernUSG aufgegeben. § 361a RegE BGB enthielt nun
eine Gebundenheitsfassung: „Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein
Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf
den Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen
1
BR-Drucks. 25/2/00 und 25/3/00 v. 23.02.2000; BR-Drucks. 25/4/00 v. 24.02.
2000.
2
Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 14/2920.
3
BT-Drucks. 14/2920, S. 3. http://dip.bundestag.de/btd/14/029/1402920.pdf (Stand:
4.4.2009).
4
BT-Drucks. 14/2920, S. 3 f..
5
Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/2920, S. 13.
24
Teil 1 – Grundlagen
hat.“ § 361a Abs. 2 Satz 6 RegE BGB stellte zudem ausdrücklich klar,
dass bei Nutzung der Ware die durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eingetretene Wertminderung bei der Berechnung des Ersatzanspruchs aber außer Betracht zu bleiben habe.
3. Bedenken gegen das FernAbsG
a) Rechtsausschuss
1
In seiner Beschlussempfehlung an die Bundesregierung sprach sich der
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages für mehrere Änderungen
des Entwurfes aus. Mit Blick auf das Widerrufsrecht wurde empfohlen,
die Sanktionsfrist von drei auf vier Monate zu erhöhen. Die Regelung,
dass der Verbraucher die Kosten der Rücksendung bei vertraglicher
Vereinbarung zu tragen hat, sollte ersatzlos gestrichen werden. Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB sollten immerhin vom Widerrufsrecht ausge2
schlossen sein. Auf Empfehlung des Ausschusses wurden die §§ 13, 14
BGB und weitere Regelungen in Bezug auf den dauerhaften Datenträger
eingeführt. Dabei ging man hinsichtlich der Erhöhung der Sanktionsfrist auf die Kritik der Sachverständigen Micklitz und Brönneke ein, der
Entwurf berücksichtige insoweit Artikel 6 Abs. 1 letzter Satz der FARL
nicht hinreichend, wonach der Verbraucher sein Widerrufsrecht ungeschmälert behalte, wenn er die Informationen zwar nicht vor oder alsbald während der Erfüllung, aber vor Ablauf der Drei-Monats-Frist
erhält. Die Regelung über die Kostenpflicht sollte, so der Ausschuss
überdies, nicht im Fernabsatzgesetz, sondern verallgemeinernd in dem
neuen § 361a BGB erfolgen. Wie vom Bundesrat vorgeschlagen, solle
der Verbraucher vertraglich zwar zur Rücksendung, nicht aber zur
Kostentragung verpflichtet werden können. Dies entspreche weitgehend
der Praxis, die schon jetzt auf die Erhebung von Rücksendungskosten
verzichte. Soweit Händler dies anders handhaben, sei eine Mehrbelas3
tung zumutbar.
b) Opposition
Da das Thema Rücksendekosten weiter strittig blieb, stimmten
CDU/CSU und die FDP am 13.4.2000 in zweiter Beratung gegen den
Entwurf. Die SPD hielt den Entwurf hingegen für ein „gelungenes Gesetzeswerk“ und hatte kein Verständnis, wie man dieses Gesetz nur
wegen des strittigen Punktes der Kostentragungspflicht bei der Rück1
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/3195 v.
12.04.2000.
2
Alle drei Punkte auf S. 6 der BT-Drucks. 14/3195 v. 12.04.2000.
3
BT-Drucks. 14/3195 v. 12.04.2000, S. 31 f.
B. Historische Entwicklung
25
sendung der Ware ablehnen kann. Hier gehe es um „reine Fundamen1
talopposition, mehr nicht“. Die CDU/CSU nahm jedoch nicht fundamentalistisch, sondern fundiert zu den Bedenken gegen die geplante
Kostentragungsregelung Stellung. Durch das Widerrufsrecht werde dem
Verbraucher ein Vorteil zulasten eines Unternehmers eingeräumt, obwohl diesem als Vertragspartner kein missbilligendes Verhalten vorgeworfen werden könne. Es sei deshalb nicht ersichtlich, weshalb dem
Verbraucher, der sich von einem aus freier Willenserklärung abgeschlossenen Vertrag löst, nicht wenigstens die Kosten und die Gefahr
der Rücksendung auferlegt werden können. Die großen Versandhäuser
übernähmen ohnehin schon als besonderen Kundendienst freiwillig die
Rücksendekosten des Verbrauchers. Wenn nun alle Versandunternehmen verpflichtet würden, diese Rücksendekosten zu tragen, bestehe die
Gefahr, dass gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen
dies finanziell nicht verkraften können, bzw. wenn sie die Kosten der
Rücksendung durch eine Preisanhebung zu kompensieren versuchen,
2
nicht konkurrenzfähig blieben.
Weiterhin werde durch die Regelung, dass der Unternehmer die Kosten der Rücksendung zu tragen hat, dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, was nicht Sinn des Verbraucherschutzes sei. Dadurch, dass
durch die Neuregelung das Unternehmen die Kosten der Rücksendung
nicht vertraglich auf den Kunden übertragen kann, werde dieses Problem verstärkt auftreten. Falls aber der Verbraucher, der das Produkt
herkömmlich im Laden erworben hat, dieses zurückgeben bzw. umtauschen will, so habe er sich selbstverständlich auf seine Kosten zu dem
Geschäft zu begeben und dort die Rückabwicklung des Kaufvertrages
zu vollziehen. Sinnvoll sei es, die ursprüngliche Version des Gesetzentwurfes wieder aufleben zu lassen. Danach könnte das Unternehmen die
3
Kosten der Rücksendung vertraglich auf den Verbraucher übertragen.
Die FDP äußerte sich gar, die ursprüngliche Kostentragungsklausel sei
4
„aus ideologischen Gründen kaputtgemacht worden“, weshalb man
dem Gesetz nicht zustimmen könne. Obendrein sei man auch dagegen,
verbraucherspezifische Gesetze im BGB zu regeln.
1
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99. Sitzung. 13.04.2000, Plenarprotokolle, S. 9354 http://dip.bundestag.de/btp/14/093/14099093.54.pdf (Stand:
4.4.2009).
2
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99. Sitzung. 13.04.2000, Plenarprotokolle, S. 9355 f.
3
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99. Sitzung. 13.04.2000, Plenarprotokolle, S. 9356.
4
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 99. Sitzung. 13.04.2000, Plenarprotokolle, S. 9357.
26
Teil 1 – Grundlagen
4. Verabschiedung
Der Bundesrat beschloss am 19. Mai 2000, zu dem am 13. April 2000
gegen die Stimmen der CDU/CSU und FDP vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss einberufen wird. Begründung: Bei Büchern solle der Händler die Kosten der
Rücksendung nur bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung tragen, denn die Rücksendungsquote beim Buchhandel betrage zwischen 5
und 10 %. Bei einer weiteren Belastung mit den Rücksendekosten wäre
1
dies für den mittelständischen Buchhandel nicht verkraftbar. Der Vermittlungsausschuss empfahl dann schließlich, die als bürokratisches
Negativbeispiel bekannte 40-EUR-Klausel einzuführen, die in ihrer
ersten Fassung lautete: „Der Verbraucher ist vorbehaltlich abweichender Vorschriften zur Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers verpflichtet; dem Verbraucher dürfen bei einer Bestellung bis
zu einem Betrag von 40 Euro die regelmäßigen Kosten der Rücksendung vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware
2
nicht der bestellten entspricht.“ Am 30.6.2000 traten dann die wesentlichen Teile des Fernabsatzgesetzes (FernAbsG) in Kraft.
5. Zwischenergebnis
Das Ringen unterschiedlicher Interessen und Meinungen ist im Fernabsatzrecht seit jeher deutlich erkennbar. Die weit über das geforderte
Mindestmaß hinausgehende Umsetzung der FARL war von Beginn an
ein äußerst strittiger Punkt. Sollten anfangs noch Versteigerungen vom
Anwendungsbereich des FernAbsG ausgenommen sein, so sorgte die
berechtigte Kritik der AgV für deren Aufnahme. Dass die Kommission
im VRRL-E Internetauktionen wieder ausnehmen möchte, zeigt deutlich den Mangel an Geradlinigkeit im Fernabsatzrecht, der nationalen
Interessen zum Opfer fällt.
Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, dem Verbraucher –
anders als fast alle anderen Mitgliedsstaaten – nicht die Rücksendekosten im Falle des Widerrufs aufzuerlegen, sorgte nach langen Diskussionen und plötzlichen Kehrtwenden zu der Einführung der verunglückten
40-Euro-Klausel als bürokratisches Negativbeispiel, welcher nun auch
schon wieder die Abschaffung durch Art. 17 Abs. 1 VRRL-E droht, da
dieser vorsieht, dass der Verbraucher die Rücksendekosten zu tragen
hat. Konträre Meinungen und ständige Nachbesserungen sorgen seitdem für ein unübersichtliches Gesetzesgebilde. Unternehmer sehen sich
1
Unterrichtung durch den Bundesrat, BT-Drucks. 14/3452.
Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks.
http://dip.bundestag.de/btd/14/035/1403527.pdf (Stand: 4.4.2009).
2
14/3527.
B. Historische Entwicklung
27
einer Vielzahl von Regelungen gegenüber, deren sie kaum noch Herr
werden können. Besonders auch die Umsetzung der FARLFDL trug im
Folgenden zur weiteren Verwirrung bei.
V. BGB und BGB-InfoV
1. Schuldrechtsmodernisierungsgesetz
1
Im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (SMG) verfolgte
der Gesetzgeber das Ziel weiter, dass der zunehmenden Auslagerung
wichtiger Rechtsmaterien aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und der
damit einhergehenden Rechtszersplitterung entgegengewirkt und die
schuldrechtlichen Verbraucherschutzgesetze in das Bürgerliche Gesetz2
buch integriert werden müssen. In diesem Zuge wurde das heute noch
für das Widerrufsrecht im Onlinehandel geltende komplexe Normengefüge aus § 126b BGB, § 312b ff. BGB, § 312c BGB i.V.m. 1 Nr. 10
BGB-InfoV, § 312d BGB, §§ 355 ff. BGB, Art. 240, 241 EGBGB und
§§ 1, 3 BGB-InfoV geschaffen. Entscheidende inhaltliche Änderungen
waren hiermit jedoch kaum verbunden.
a) Unübersichtliche Informationspflichten
Das FernAbsG wurde mit wenigen Änderungen in die §§ 312b–d, 312f
BGB überführt. Das Bundesministerium der Justiz wurde in Art. 240,
241 EGBGB ermächtigt, festzulegen, welche Informationen dem Kunden im Fernabsatz und im elektronischen Geschäftsverkehr zu erteilen
sind. Die einzelnen Informationspflichten wurden in die BGB-InfoV
ausgelagert „um Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der Vorschriften zu
3
verbessern“, eine Begründung, die angesichts der Intransparenz der
BGB-InfoV nicht so recht zu überzeugen vermag. Allein die Verlagerung des Ortes der Regelungen schafft keine Transparenz. Auch scheint
die Auslagerung von Verbraucherschutzbestimmungen kontraproduktiv, wenn eigentlich das Ziel ist, solche Bestimmungen in das BGB zu
integrieren. Das eigentliche Problem dürfte die Anzahl, die unbestimmte
Formulierung und die schwache Systematik der Informationspflichten
selbst sein.
Mit gutem Grund kritisierte daher der Bundesverband des deutschen
Versandhandels (bvh) e.V. in seiner Stellungnahme zur Schuldrechts1
Ablauf dokumentiert unter: http://dip.bundestag.de/extrakt/14/019/14019646.
htm (Stand: 4.4.2009).
2
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/7052,
S. 2, http://dip.bundestag.de/btd/14/070/1407052.pdf (Stand: 4.4.2009).
3
So die Begründung des Gesetzgebers in SMG-RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 168.
28
Teil 1 – Grundlagen
modernisierung die Informationspflichten. Diese seien unübersichtlich
und in zahlreichen Einzelfragen inhaltlich unklar. Dies sei ein schwerwiegender Mangel, da die kleinste Informationspflichtverletzung durch
die Unternehmen zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist der Kunden
von vierzehn Tagen auf sechs Monate führen soll. Die Unübersichtlich1
keit benachteilige besonders kleine Unternehmen. Daher sei eine Reduzierung und inhaltliche Klarstellung der Informationspflichten durch
den Gesetzgeber unumgänglich.
Seit dem SMG findet sich das allgemeine Widerrufsrecht in § 355
BGB. Im Zuge der weiteren Vereinheitlichung der besonderen Wider2
rufsrechte wurde die Höchstfrist in § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf sechs
Monate verlängert. Auch dies wurde von den Handelsverbänden kritisiert, weil damit der europäische Standard erheblich überschritten wurde. Die damit verbundene übermäßige Schlechterstellung gegenüber
dem stationären Handel und Versandhändlern in anderen EU-Staaten
verstoße, soweit der Fernabsatz als E-Commerce erfolgt, gegen den
3
Zweck der E-Commerce-Richtlinie, die den E-Commerce fördern soll.
Es ist in der Tat problematisch, allein den Unternehmen das Risiko der
fehlerhaften Interpretation unklarer Informationspflichten des Gesetzes
dadurch zuzuweisen, dass bei fehlerhafter Information ein drastisch
verlängertes Widerrufsrecht besteht. Für den Fernabsatz von Waren ist
4
zu bedenken, dass diese nach sechs Monaten meist wertlos sind. Schon
damals wurde darauf hingewiesen, dass die erheblichen Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen nicht mit den Vollharmonisierungsbestrebungen der EU in Einklang stehen.
b) Erweiterter Wertersatzanspruch
In § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB n.F. wurde bestimmt, dass der Verbraucher
auch die durch eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache
entstandene Wertminderung zu ersetzen hat, wenn er vorher in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist. Strittig ist bis heute,
ob diese Regelung zur weiteren finanzielle Belastung des Verbrauchers
5
richtlinienkonform ist. Diese Zweifel werden aus Art. 6 Abs. 2 FARL
abgeleitet, wonach die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge
der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die
Kosten der unmittelbaren Rücksendung sind. Es geht bei dem Wertersatz infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme jedoch nicht um
Kosten, die „infolge des Widerrufs“ entstehen, sondern um die Rück1
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 3.
Ausführlich dazu: Rott, VuR 2001, 78 ff.
3
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 8 f.
4
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 20.
5
Dazu ausführlich Teil 4 D II 1.
2
B. Historische Entwicklung
29
abwicklung von Vorteilen und Schäden, die durch die vorhergehende
Benutzung entstehen. Diese Frage regelt die FARL nicht, sondern es ist
Sache der Mitgliedstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für
den Fall der Ausübung des Widerrufsrechts festzulegen (Art. 14
1
FARL).
Davon hat der deutsche Gesetzgeber mit § 357 Abs. 3 BGB
Gebrauch gemacht. Diese gegenüber dem Rücktrittsrecht zu Lasten des
widerrufenden Verbrauchers vorgesehene Haftungserschwerung rechtfertigt sich dadurch, dass das Widerrufs- oder Rückgaberecht dem
Verbraucher nicht von einer Vertragsverletzung des Unternehmers abhängt, sondern dem Verbraucher kraft Gesetzes in jedem Fall zusteht.
Der Unternehmer kann mithin gar nicht vermeiden, vom widerrufenden
Verbraucher die Sache „gebraucht“ zurücknehmen zu müssen, obwohl
2
er diese vertragsgemäß geliefert hatte. Das AG Lahr legte jedoch im
Jahr 2007 die Frage, ob die Wertersatzpflicht mit Art. 6 FARL konform
3
laufe, dem EuGH zur Entscheidung vor. In dem Schlussantrag der
Generalanwältin vom 18.2.2009 verneinte diese nun die Vereinbarkeit
4
mit dem EU-Recht.
c) Zusätzliche Voraussetzungen für den Fristlauf
Zusätzlich eingeführt wurde in Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie
(ECRL) die Vorschrift des § 312e BGB und damit verbunden die Verlängerung der Widerrufsfrist bei Verletzungen von Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e Abs. 3 S. 2 BGB). Diese Verknüpfung
ist europarechtlich nicht zwingend, sondern stellt ein erhöhtes nationales Verbraucherschutzniveau dar. Eine überzeugende Begründung für
diese Regelung ist dem dokumentierten Gesetzgebungsverfahren nicht
5
zu entnehmen. Im ersten Entwurf zum SMG aus dem Jahre 2001 heißt
es lediglich, diese Regelung entspreche der parallelen Bestimmung für
Fernabsatzverträge, geregelt in § 312d Abs. 2 BGB-RegE. Es sei kein
Grund ersichtlich, warum der Lauf der Widerrufsfrist bei einem im
1
BT-Drucksache 14/6040, S. 199.
BT-Drucksache 14/6040, S. 199.
3
AG Lahr, MMR 2008, 270 = BB 2008, 694.
4
Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trstenjak vom 18. Februar 2009,
Rechtssache C-489/07, Pia Messner gegen Firma Stefan Krüger (Vorabentscheidungsersuchen des Amtsgerichts Lahr), „Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im
Fernabsatz – Richtlinie 97/7/EG – Widerrufsrecht nach Art. 6 – 14. Erwägungsgrund
– Wertersatz für die Nutzung der gelieferten Ware im Fall des fristgerechten Widerrufs – Begriffe der ‚Strafzahlung’ und der ‚Kosten’“, abrufbar unter http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:62007C0489:DE:HTML
(Stand: 4.4.2009), im Folgenden: Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar
2009, Rechtssache C-489/07.
5
BT-Drucks. 14/6040, S. 173 f., http://dip.bundestag.de/btd/14/060/1406040.pdf
(Stand: 4.4.2009).
2
30
Teil 1 – Grundlagen
elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Fernabsatzvertrag nur
von der Erfüllung der Informationspflichten des § 312c Abs. 1 und 2
BGB-RegE, dagegen nicht von den in diesen Fällen gleichermaßen vom
Unternehmer zu beachtenden Pflichten des § 312e Abs. 1 BGB-RegE
abhängig sein sollte. Hier müsse den Unternehmer dieselbe Sanktion
1
des hinausgeschobenen Fristbeginns treffen.
Einen Grund, warum die Widerrufsfrist nicht pauschal von der Erfüllung sämtlicher Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr abhängen
sollte, liefert der Gesetzgeber gleich selbst. Die weiteren schuldrechtlichen Sanktionen bei Verstößen gegen die in § 312e Abs. 1 Satz 1 BGBRegE normierten Pflichten sollten nicht „statisch in dieser Vorschrift“
geregelt werden, weil „die in § 312e Abs. 1 Satz 1 RegE geregelten
Pflichten von derart unterschiedlicher Gewichtung und Art sind, dass
die Bestimmung ein und derselben Rechtsfolge wie zum Beispiel die
2
Einräumung eines Widerrufsrechts … nicht sachgerecht wäre.“ In der
Tat ist nicht ersichtlich, warum die eher unbedeutende Nichtaufklärung
über die Vertragstextspeicherung oder den Verhaltenskodex die gleiche
einschneidende Sanktion eines sechsmonatigen Widerrufsrechtes auslösen soll wie die viel schwerwiegendere Nichtbereitstellung von Korrekturhilfen oder Nichtaufklärung über die einzelnen Schritte des Vertragsschlusses.
2. OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz
a) Unbefristetes Widerrufsrecht
Da das vereinheitlichte Widerrufsrecht hinsichtlich der Höchstfrist von
sechs Monaten nach Ansicht des historischen Gesetzgebers nicht mit
3
den Vorgaben der Haustürwiderrufsrichtlinie (HWiRL) vereinbar war,
wurde § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in hastiger Umsetzung des Heininger4
Urteils durch das OLG-Vertretungs-Änderungsgesetz (OLGVertr5
ÄndG) dahingehend neu gefasst, dass das Widerrufsrecht überhaupt
nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein
Widerrufsrecht belehrt worden ist. Hiermit wurde das Mindestniveau
der FARL erneut erheblich überschritten, sieht doch die Richtlinie ein
Erlöschen des Widerrufsrechtes spätestens nach drei Monaten vor. Bei
dem OLGVertrÄndG handelt es sich um ein Artikelgesetz, das am Ende
1
BT-Drucks. 14/6040, S. 173 f.
BT-Drucksache 14/6040, S. 173.
3
Dass diese Ansicht europarechtliche nicht geboten war, entschied der EuGH,
NJW 2008, 1865.
4
EuGH, NJW 2002, 281 (Heininger ./. Hypo Vereinsbank).
5
Ablauf dokumentiert unter http://dip.bundestag.de/extrakt/14/019/14019887.
htm (Stand: 4.4.2009).
2
B. Historische Entwicklung
31
der 14. Legislaturperiode unter großem Zeitdruck zahlreiche Neuregelungen einführte. Der Name täuscht darüber hinweg, dass in Art. 25
dieses Gesetzes mit der unendlichen Widerrufsfrist für sämtliche
Verbraucherverträge bei fehlerhafter Belehrung einer der folgenreichsten Eingriffe in die Vertragsfreiheit des BGB vorgenommen wurde. Im
1
Regierungsentwurf vom April 2002 waren noch gar keine Änderungen
an § 355 BGB vorgesehen. Der Rechtsausschuss legte dann im Juni
Vorschläge vor, die der Heininger-Entscheidung Rechnung tragen sollten und eine endlose Frist bei fehlenden oder fehlerhaften Widerrufsbe2
lehrungen vorsahen. Um diesen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit zahlreicher Unternehmer, die ohne europarechtliche Notwendigkeit
gleichwohl mit einer unendlichen Frist belastet wurden, zu kompensieren, ergriff der Gesetzgeber im Laufe des Verfahrens zwei flankierende
3
Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmer.
b) Muster-Widerrufsbelehrung
Erstens war der Rechtsausschuss der Meinung, dass eine einheitliche
Lösung mit einer unendlichen Frist in § 355 BGB auch für Fernabsatzunternehmer zumutbar sei, wenn die Belehrung des Verbrauchers über
sein Widerrufsrecht leicht und sicher möglich ist. Das sei angesichts
einer Vielzahl von Informationspflichten mit unbestimmten Rechtsbegriffen jedoch nicht immer sichergestellt. Denn der Unternehmer müsse
den Verbraucher über die Einzelheiten des Widerrufsrechts belehren
und ihm seine Rechte im Einzelnen deutlich machen, ohne dass er dabei
auf ein Muster zurückgreifen kann. Dabei könnten auch dem – in jeder
Hinsicht rechtstreuen – Unternehmer Fehler unterlaufen. Er habe keine
Rechtssicherheit über die Frage, wie er die Belehrung vollständig und
richtig erteilen kann.
4
„Um dieser Unsicherheit zu begegnen“, führte der Gesetzgeber den
Art. 245 EGBGB ein, der das Bundesministerium der Justiz ermächtigt,
Inhalt und Gestaltung der Widerrufsbelehrung in einem Muster vorzugeben. Daraufhin wurde zum 1. September 2002 das bis 31.3.2008
im Wesentlichen unverändert geltende Belehrungsmuster des BMJ ein5
geführt, um den Unternehmer angesichts der komplizierten Beleh1
OLGVertrÄndG-RegE v. 11.4.2002 BT-Drucks. 14/8763. http://dip.bundestag.
de/btd/14/087/1408763.pdf (Stand: 4.4.2009).
2
Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucksache 14/9266,
S. 20 und 45 f.
3
Meinhof, NJW 2002, 2273, 2275 spricht von „misslichen Konsequenzen“, die
„relativiert werden“.
4
BT-Drucks. 14/9266, S. 45.
5
Zweite Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung
vom 1.8.2002, BGBl I 2002, 2958. http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl102
s2958.pdf (Stand: 4.4.2009).
32
Teil 1 – Grundlagen
rungssituation und den unverhältnismäßig einschneidenden Sanktionen
bei Fehlern mittels eines „Formblatts“ eine korrekte Belehrung zu ermöglichen. Die gesamte BGB-InfoV wurde kurz darauf samt Beleh1
rungsmustern noch einmal neu verkündet.
c) Monatsfrist
Zweitens wurde in § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB eine eigene Frist für die
nachträgliche Belehrung geschaffen, die einen Monat beträgt. Diese
Maßnahme diente vor allem dazu, den Sorgen der Banken vor einer
europarechtlich nicht gebotenen endlosen Frist bei Falschbelehrungen
zu begegnen. Vor allem die Opposition beklagte damals die hektische
Einführung der unendlichen Frist. Es habe noch nie eine Mehrheit im
Bundestag gegeben, „die an der Entparlamentarisierung der Gesetzge2
bung so mitgewirkt hat wie die … rot-grüne Mehrheit.“ Erst in der
dritten Beratung des SMG fand der Rechts- und Wirtschaftsausschuss
Gelegenheit, die Befürchtung zu formulieren, dass sich Banken noch
Jahre nach Vertragsschluss den Widerrufen von Verbrauchern ausgesetzt sähen, ohne dass dies mit einem EuGH-Urteil oder aus sonstigen
3
Verbraucherschutzerwägungen zu rechtfertigen sei. Erst im Vermittlungsausschuss wurde eine Regelung gefunden, die eine Nachbelehrung
überhaupt gestattete. Insbesondere der Bundesrat wollte diese Möglich4
keit ausdrücklich regeln.
Trotz Einführung der Muster-Widerrufsbelehrung des BMJ könne
eine Widerrufsbelehrung auch in Zukunft „aus verschiedenen Gründen
unterbleiben oder fehlerhaft erteilt worden sein, ohne dass dem Unternehmer ein erheblicher Vorwurf zu machen wäre. Dies führt nach dem
in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Recht aber dazu, dass das Geschäft, auch nachdem es vollkommen abgewickelt ist, dauerhaft widerrufbar bleibt, weil das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht keiner Ver5
jährung unterliegt.“ Wenn darauf verzichtet werden soll, überhaupt
zeitlich einen Schlusspunkt für die Möglichkeit des Widerrufs vorzusehen, sollte dem Unternehmer wenigstens die Möglichkeit eingeräumt
werden, die Belehrung effektiv nachzuholen, und die Widerrufsfrist in
1
Bekanntmachung der Neufassung der BGB-Informationspflichten-Verordnung,
BGBl. 2002 I Nr. 55 S. 3002, 8.8.2002. http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/
bgbl102s3002.pdf (Stand: 4.4.2009).
2
Dr. Norbert Röttgen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240. Sitzung,
7.06.2002, Plenarprotokolle, S. 24093.
3
Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses, BR-Drucks. 503/1/02, S. 6;
vgl. schon Dr. Norbert Röttgen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240.
Sitzung, 7. 06.2002, Plenarprotokolle, S. 24094.
4
BR-Drucks. 503/1/02, S. 5; vgl. Timmerbeil, NJW 2003, 569, 570, Fn. 10
5
Berichterstatter des Vermittlungsausschusses Reinhold Bocklet, Bundesrat – 778.
Sitzung – 12.06.2002, Protokolle, S. 403.
B. Historische Entwicklung
33
Lauf zu setzen. Dem Unternehmer müsse deshalb dauerhaft die Möglichkeit eröffnet werden, die Widerrufsbelehrung ohne die Form des
§ 355 Abs. 2 Satz 2 BGB nachzuholen. Im Zuge der Beratungen ist
dann die gesonderte Widerrufsfrist von einem Monat anstelle von ledig1
lich zwei Wochen für den Fall der Nachbelehrung herausgekommen.
Vieles spricht dafür, dass der Gesetzgeber das eigentliche Problem der
Belehrung nach Vertragsschluss bei Fernabsatzgeschäften gar nicht
2
gesehen hat.
3. Umsetzung der Finanzdienstleistungsrichtlinie (FARLFDL)
Im Zuge der weiteren Vereinheitlichung des Verbrauchervertriebsrechts
wurden auch die Vorgaben der Richtlinie über den Fernabsatz von
Finanzdienstleistungen an Verbraucher (FARLFDL) in die einheitlichen
Vorschriften der §§ 312b ff. BGB integriert. Bei der Auslegung ist zu
beachten, dass die FARLFDL im Gegensatz zur FARL eine Vollharmonisierung vorschreibt, d.h. die Mitgliedstaaten von ausdrücklich bestimmten Ausnahmen abgesehen, den Standard weder unterbieten noch
3
überschreiten dürfen. Aus diesem Grund ist z.B. die Monatsfrist des
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB zumindest bei bzgl. Finanzdienstleistungen EU4
rechtswidrig.
a) Ausufernde Informationspflichten
5
Durch das Fernabsatzänderungsgesetz (FernAbsÄG) wurde das Informationserfordernis des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV n.F. erheblich
ausgeweitet, wonach nun der Unternehmer den Verbraucher „vor Abgabe von dessen Vertragserklärung“ (§ 312c Abs. 1 BGB) nicht nur wie
bislang nur über das Bestehen, sondern bereits zu diesem Zeitpunkt
auch schon über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und
Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes informieren muss, was für Waren
nicht in der EU-Richtlinie vorgesehen war. Der Gesetzgeber hielt die
Ausweitung der Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) und d) FARLFDL
auf alle Fernabsatzverträge ohne nähere Begründung für „sachgerecht“.
Eine unbillige Belastung des Unternehmers werde „nicht zuletzt“ dadurch vermieden, dass dieser das Muster der Anlage 2 zur BGB-InfoV
1
Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks. 14/9633, S. 2.
Schirmbacher, CR 2006, 673, m.w.N.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 11.
4
Schirmbacher, CR 2006, 673, 676; Domke, BB 2006, 61, 62.
5
vgl. hierzu Erhardt-Rauch, VuR 2003, 341; Felke/Jordans, WM 2004, 166; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809; dies., DB 2003, 1777; dies., CR 2005, 48; Hoppmann, VersR 1999, 673; Knöfel, ZGS 2004, 182; Schneider, VersR 2004, 696, 699.
2
34
Teil 1 – Grundlagen
1
verwenden könne. Der Bundesrat war bis zum Schluss der Auffassung,
dass die Unternehmen durch die einheitlichen Verpflichtungen für alle
2
Fernabsatzverträge unangemessen belastet würden. Er forderte die
Bundesregierung auf, die betreffenden Regelungen (§ 312c BGB und
§ 1 Abs. 1, 2 und 3 BGB-InfoV) auf Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen zu beschränken, da die FARLFDL diese Verpflichtungen nicht für alle Fernabsatzverträge zwingend vorsieht.
3
Der Empfehlung des Rechts- und Wirtschaftsausschusses, § 1 Abs. 1
ist Nr. 10 BGB-InfoV so zu fassen, dass vorvertraglich wie bislang nur
über das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts zu informieren
ist, da die Einzelheiten des Widerrufs- und Rückgaberechtes für den
Konsumenten erst dann relevant würden, wenn er die Ware nach Erhalt
ggf. zurücksenden möchte, wurde leider nicht entsprochen. Die für
Finanzkonzerne konzipierten Regelungen wurden damit auch auf eBayPowerseller ausgedehnt, obwohl dies gemeinschaftsrechtlich nicht ge4
fordert war. Es entstand eine Norm, die im Vergleich zu der bereits
zuvor unübersichtlich gestalteten Vorschrift noch verworrener gewor5
den ist. In einem komplizierten Geflecht wird geregelt, wann, in welchem Umfang und in welcher Form der Verbraucher zu informieren
6
ist. So wurde es auch für den redlichen und sorgfältigen Unternehmer
noch schwieriger, seinen Belehrungspflichten vollständig und korrekt
nachzukommen.
Trotz dieser gravierenden strukturellen Änderungen blieb das Belehrungsmuster nahezu unverändert. Es wurde weder die Möglichkeit
genutzt, die bekannten Fehler zu beheben, noch wurde das Muster der
1
Begründung FernAbsÄG-RegE, BT-Drucks. 15/2946 v. 22.4.2004, S. 26.
Empfehlungen der Ausschüsse Recht und Wirtschaft, BR-Drucks. 644/1/04 v.
13.09.04, S. 4 f.
3
BR-Drucks. 644/1/04 v. 13.09.04, S. 2; ausführlich der Antrag des Freistaates
Bayern v. 22.9.2004, BR-Drucks, 644/2/04, der vorschlug, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGBInfoV wie folgt zu regeln: „10. das Bestehen eines Widerrufs oder Rückgaberechts;
bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen auch das Nichtbestehen eines
Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung,
insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu
erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe, einschließlich
Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Falle des Widerrufs oder der
Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die erbrachte
Dienstleistung zu zahlen hat.“ Die Unternehmen würden unbillig mit einer Fülle von
Informationspflichten belastet, die ausschließlich für das sensible Finanzgeschäft
gedacht waren. Auf einer normalen Bestellkarte für ein Zeitschriften- oder Zeitungsabonnement sei es nicht zu leisten, auf diese unterschiedlichen Möglichkeiten hinzuweisen.
4
Vgl. Antrag des Freistaates Bayern v. 22.9.2004, BR-Drucks, 644/2/04; Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 266 ff.; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377.
5
Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 4.
6
Föhlisch, MMR 2007, 139.
2
B. Historische Entwicklung
35
veränderten Struktur der Informationspflichten angepasst. Dass mehrere Formulierungen eine geschlechtsneutrale Neufassung erhalten haben,
ist von Masuch zutreffend als eine „bemerkenswerte Prioritätenset1
zung“ bezeichnet worden. Der Gesetzgeber war der Meinung, dass das
Muster lediglich „geringfügig zu ändern“ sei und es so „komplett zur
2
Verwendung in der Praxis zur Verfügung steht“. In § 1 Abs. 4 Satz 3
BGB-InfoV wird erstmals festgelegt, dass die Widerrufsbelehrung auch
durch Übermittlung von AGB erfolgen kann, wobei diese Information
dann hervorzuheben ist.
b) Noch kompliziertere 40-EUR-Regelung
Geändert wurde die „40-EUR-Regelung“, die nicht Gegenstand der
umzusetzenden Richtlinie war, sondern auf Initiative des Rechts- und
3
Wirtschaftsausschusses erneut in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt wurde. Die Ausschüsse empfahlen dem Bundesrat, den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel anzurufen, dass § 357 Abs. 2 S. 3 BGB
folgende Fassung erhält:
„Die Gefahr der Rücksendung trägt bei Widerruf der Unternehmer; die regelmäßigen Kosten der Rücksendung dürfen dem
Verbraucher vertraglich auferlegt werden, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.“
Die geltende Regelung habe sich als nicht sachgerecht erwiesen und
belaste den Versandhandel erheblich. Die Möglichkeit, im Versandhandel bestellte Waren bei einem Bestellwert von mehr als 40 Euro kostenfrei zurückzusenden, werde in stärkerem Maße als im Gesetzgebungsverfahren angenommen missbräuchlich ausgenutzt. Die vertragliche
Überwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher bei Ausübung
des Widerrufsrechts erscheine auch nicht unbillig, da der Verbraucher
auch beim Umtausch wegen Nichtgefallens im allgemeinen Handel
gewohnt sei, die Kosten des Rücktransports der Ware zum Händler zu
tragen. Dass auf Grund des intensiven Wettbewerbs im Versandhandel
und des Wettbewerbs zwischen Versandhandel und allgemeinem Handel die Rücksendekosten häufig freiwillig vom Versandhandel übernommen werden, sei lediglich Ausdruck des funktionierenden Marktes
und liefere keine Rechtfertigung, in den Markt einzugreifen. Die Zahl
der nicht ernsthaften Bestellungen und der Bestellungen einer Vielzahl
von Waren, von denen allenfalls eine gekauft wird, könne so erheblich
1
Masuch, BB 2005, 344, 347.
BR-Drucks. 84/04, S. 56.
3
Rechtsausschuss (federführend) und Wirtschaftsausschuss, BR-Drucks. 84/1/04
und BR-Drucks. 644/1/04.
2
36
Teil 1 – Grundlagen
reduziert werden. Die freiwillige Kostenübernahme für Rücksendungen
1
durch den Versandhandel könne dem Markt überlassen werden.
Dies ließ sich leider nicht durchsetzen. Heraus kam eine noch kom2
pliziertere Klausel als zuvor, die fortan lautet:
„Wenn ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 1 Satz 1 besteht,
dürfen dem Verbraucher die regelmäßigen Kosten der Rücksendung
vertraglich auferlegt werden, wenn der Preis der zurückzusendenden
Sache einen Betrag von 40 Euro nicht übersteigt oder wenn bei
einem höheren Preis der Sache der Verbraucher die Gegenleistung
oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht
erbracht hat, es sei denn, dass die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.“
4. Zwischenergebnis
Die mit der Integration des FernAbsG in das BGB und der Erweiterung
der Ermächtigung des BMJ aus dem EGBGB, Vorschriften über die
Informationspflichten des Unternehmers zu erlassen, bezweckte bessere
Übersichtlichkeit wurde nicht erreicht, u.a. auch, da eine Auslagerung
verbraucherrechtlicher Vorschriften selten zielführend ist, wenn eine
Integrierung des Verbraucherrechtes in das BGB bewirkt werden soll.
Selbst für redliche Unternehmer ist es derzeit schwer, diese komplexe,
juristische Materie zu durchblicken. Eine Reduzierung und inhaltliche
Klarstellung der Informationspflichten durch den Gesetzgeber ist un3
umgänglich und hat mit dem Entwurf zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht nun einen Anfang genommen.
Nicht gelungen ist weiterhin die Verlängerung der Widerrufsfrist bei
Verletzungen von Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e
Abs. 3 S. 2 BGB). Diese Verknüpfung ist europarechtlich nicht zwingend, sondern stellt ein erhöhtes nationales Verbraucherschutzniveau
dar. Es ist nicht ersichtlich, warum die eher unbedeutende Nichtaufklärung über die Vertragstextspeicherung oder den Verhaltenskodex die
gleiche einschneidende Sanktion eines sechsmonatigen Widerrufsrechtes
auslösen soll wie die viel schwerwiegendere Nichtbereitstellung von
Korrekturhilfen oder Nichtaufklärung über die einzelnen Schritte des
Vertragsschlusses. Dies überschreitet den europäischen Standard erheblich.
1
BR-Drucks. 644/1/04 v. 13.09.04, S. 1 f.
Gemäß der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT-Drucks.
15/4062.
3
BGB-RegE v. 5.11.2008, BT-Drucks. 16/11643 v. 21.1.2009 (verkündet am
3.8.2009, BGBl. I 2009, S. 2355).
2
B. Historische Entwicklung
37
Das Mindestniveau der FARL wurde auch mit dem unbefristeten
Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein
Widerrufsrecht belehrt worden ist, beachtlich überschritten. Dieser
schwere Eingriff in die Vertragsfreiheit konnte durch die Veröffentlichung von Musterbelehrungen und der Festlegung einer Monatsfrist für
nachträgliche Belehrungen nur teilweise abgefedert werden. Die Musterbelehrung beinhaltete schwere inhaltliche Fehler, die erstaunlicherweise durch die FernAbsÄG nicht beseitigt wurden, während die Monatsfrist sich als Sanktion für die nachträgliche Belehrung entwickelt
hat.
Durch eine überzogene Umsetzung der FARLFDL, welche eigentlich
nur für Finanzdienstleistungen gedacht war, hat die angestrebte Vereinheitlichung des Verbrauchervertriebsrechts ihr Ziel verfehlt. Zum einen
erweist sich die Monatsfrist des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB bei Finanzdienstleistungen als EU-rechtswidrig, zum anderen wurden OnlineHändlern erweiterte Informationspflichten auferlegt, die eine unangemessene Belastung darstellen. Es entstand eine Norm, die im Vergleich
zu der bereits zuvor unübersichtlich gestalteten Vorschrift noch verworrener geworden ist. Auch eine Initiative des Rechts- und Wirtschaftsausschusses im Rahmen der Umsetzung der FARLFDL zur
Abschaffung der 40-Euro-Klausel führte nur noch zu deren Verkomplizierung. Eine Belastung des Versandhandels durch Missbrauch des
Widerrufsrechts ließ der Gesetzgeber nicht gelten.
VI. Bericht und Konsultation über die FARL
Ende 2006 kam die Europäische Kommission ihrer Verpflichtung aus
Artikel 15 Abs. 4 FARL mit mehr als fünf Jahren Verspätung nach und
erstattete dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die
1
Anwendung der FARL in den Mitgliedsstaaten. Aufgrund der verspäteten Überführung der Richtlinie in das einzelstaatliche Recht verschiedener Mitgliedstaaten der EU 15 beschloss die Kommission, mit der Mitteilung bis zum Beitritt der 10 neuen Mitgliedstaaten zu warten, um
dann einen Bericht vorlegen zu können, der die Lage in allen 25 Mitgliedstaaten widerspiegeln sollte. Zugleich wurde eine öffentliche Konsultation der interessierten Kreise über die FARL eröffnet, auf die etwa
85 Stellungnahmen verschiedener Interessenvertreter, Mitgliedsstaaten
2
und Universitäten eingingen.
1
KOM (2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie 1997/
7/EG.
2
Abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/safe_shop/dist_sell/index
_de.htm (Stand: 4.4.2009).
38
Teil 1 – Grundlagen
Kurz darauf im Februar 2007 veröffentlichte die Kommission das
Grünbuch zur Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im
Verbraucherschutz, mit der acht Verbraucherschutzrichtlinien zugleich
auf den Prüfstand gestellt werden sollen und zu dem bislang 313 Stel1
lungnahmen eingingen. Obwohl die Kommission selbst eingestand und
bereits im Vorfeld der Konsultation über die FARL klar wurde, dass die
Richtlinie einer Überarbeitung bedarf, wollte die Kommission mit der
Überarbeitung zentraler Themenbereiche – vor allem auch des Widerrufsrechtes – noch warten, bis die Arbeiten im Zusammenhang mit dem
gemeinschaftlichen Acquis im Verbrauchervertragsrecht abgeschlossen
2
sind.
1. Ernüchterndes Fazit zur FARL
Hinsichtlich des Widerrufsrechtes stellt die Kommission in ihrer Mitteilung fest, dass es ein Paradebeispiel für die Zusammenhanglosigkeit der
gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und nationaler Disparitäten als
Folge der Inanspruchnahme der Mindestklausel ist. In einem Anhang
der Mitteilung werden dann auch die zwischen 7, 8, 10 und 14 Werktagen sowie 15 Tagen variierenden Fristen in den verschiedenen Mit3
gliedsstaaten aufgelistet. Unterschiede werden auch in Bezug auf den
Zeitpunkt des Beginns der Frist festgestellt, da der Eingang der Ware
unterschiedlich ausgelegt würde (z.B. Eingang einer PostBenachrichtigungskarte oder Abholung der Ware bei der Post). Zersplittert sind auch die Regelungen zur Umsetzung der Ausnahmen (Art.
6 Abs. 3 FARL) und Modalitäten zur Ausübung des Rücktrittsrechts,
z.B. Form des Widerrufs, Frist zur Rücksendung und Rückerstattung
des Kaufpreises, Sorgfaltspflichten während der Widerrufsfrist und
4
Kosten der Rücksendung. Die Europäische Kommission resümiert
schließlich recht ernüchternd, es könne „durchaus sein, dass die Richtlinie von ihrer Anwendung in der Praxis her sich möglicherweise nicht
bewährt hat. Den in der Richtlinie festgelegten Rechten und Pflichten
ordnungsgemäß nachzukommen, erscheint nicht immer ohne Weiteres
5
machbar.“
1
Abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/rights/responses_green_paper_
acquis_en.htm (Stand: 4.4.2009).
2
KOM (2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie
1997/7/EG, S. 4.
3
Anhang IV KOM (2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/EG, S. 22.
4
KOM (2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie
1997/7/EG, S. 12.
5
KOM (2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie
1997/7/EG, S. 14.
B. Historische Entwicklung
39
2. Geforderte Verbesserungen
Angesichts dessen forderte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in seiner Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommis1
sion, dass eine Überarbeitung der FARL gleichzeitig mit einer Überarbeitung der FARLFDL und der ECRL am besten sofort stattfinden
sollte, anstatt abzuwarten, bis die Arbeiten im Zusammenhang mit dem
gemeinschaftlichen Acquis im Verbrauchervertragsrecht abgeschlossen
sind. Der EWSA meint, die Widerrufsfristen, die Art ihrer Berechnung,
die finanziellen Auswirkungen und Wahrnehmung (Rückzahlung,
Rückgabe usw.) des Widerrufsrechtes sowie die Ausnahmeregelungen
sollten europaweit vereinheitlicht werden. Außerdem könne es ratsam
sein, das Widerrufsrecht im Wege einer Verordnung zu harmonisieren,
2
um die einheitliche Anwendung sicherzustellen.
Es bestehe die Notwendigkeit einer vollständigeren Charakterisierung, Kategorisierung und Definition der Rücktrittsfrist ("cool down")
in ihrer Doppelfunktion als Maßnahme zum Schutz des vertraglichen
Willens, um das volle Einverständnis des Verbrauchers zu garantieren,
und als Sanktion für die Nichteinhaltung der Formalitäten, die der
Anbieter erfüllen muss, um seiner Unterrichtungspflicht nachzukommen, im Gegensatz zu den ähnlichen, aber juristisch klar unterschiedenen Konzepten der „Bedenkzeit“ („warm up“), des Widerrufs- und
3
Kündigungsrechts. Schließlich bedürften die Regelungen des Risikos
des Verlusts oder der Beschädigung der Sache während der Rücktrittsfrist und während ihrer Beförderung zum Verbraucher und umgekehrt
einer Überprüfung.
Auch zahlreiche Interessenvertreter äußerten sich kritisch zu der bisherigen Richtlinie, jedoch mit recht unterschiedlichen Begründungen
4
und Forderungen.
a) Unternehmerbegriff
Verbraucherschutzorganisationen sprechen sich dafür aus, mit Blick auf
Gepflogenheiten bei Online-Auktionen den Unternehmerbegriff auf
5
„semi-professionals“ und „intermediaries“ auszuweiten. Vereinzelt
1
EWSA-Stellungnahme v. 27.07.2007, S. 0028 – 0033.
EWSA-Stellungnahme v. 27.07.2007, 3.1.7 und 3.2.8.3.
3
EWSA-Stellungnahme v. 27.07.2007, 3.2.2 e).
4
Vgl. zu den wesentlichen Diskussionspunkten: Working Document of the Commission, Responses to the Consultation on Distance Selling Directive 97/7/EC contained in Communication 2006/514/EC, Summary of Responses.
5
The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 1: “With regard to the term
“supplier”, the CCN proposes to widen the term to also include certain professional
intermediaries. The Norwegian distance selling act applies to suppliers not acting in a
2
40
Teil 1 – Grundlagen
wird gefordert, auch einige juristische Personen wie Idealvereine in den
1
Verbraucherbegriff einzuschließen. Dies würde zu einem weiteren persönlichen Anwendungsbereich des Widerrufsrechtes führen. Die Handelsverbände lehnen eine Ausweitung des Verbraucherbegriffes auf
kleine und mittelständische Unternehmen in Geschäften mit „Großunternehmen“ ab, wie sie zuweilen im Zusammenhang mit der Diskussion
über den einheitlichen Referenzrahmen für ein europäisches Vertrags2
recht vorgeschlagen wird. Ganz überwiegend hält die Wirtschaft die
Definition von Verbraucher und Lieferer für angemessen.
b) Ausnahmen für bestimmte Geschäftszweige
Sehr viel Rückmeldung erhielt die Kommission zu der Frage, ob die
gegenwärtigen Ausnahmen vom Fernabsatzrecht bzw. vom Widerrufsrecht überarbeitet, erweitert oder außer Kraft gesetzt werden sollen. Die
Auslegungen der mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen bereiten hier oft
Schwierigkeiten. Ein Mitgliedsstaat spricht sich daher für eine klarere
Informationspflicht darüber aus, ob der Lieferer den Vorschriften über
3
Fernabsatzverträge unterliegt oder nicht. Die Vorschläge der Wirtschafts- und Verbraucherverbände gehen in diesem Punkt sehr weit
auseinander. So spricht sich ein Wirtschaftsvertreter dafür aus, Verträge
im M-Commerce generell von der Richtlinie auszunehmen, einerseits
wegen der geringen Werte von direkt erbrachten Dienstleistungen (z.B.
Klingeltöne) und der Möglichkeit, den Dienst zu nutzen oder zu kopie4
ren. Die Verbraucherseite spricht sich energisch gegen eine Ausweitung
des Ausnahmekataloges aus und plädiert für eine Streichung der Ausnahmen für sämtliche touristischen Dienstleistungen. Weiterhin wird
5
unter Verweis auf die Heininger-Entscheidung des EuGH noch einmal
die Bedeutung des Gebotes der restriktiven Auslegung der Ausnahmebestimmungen betont.
commercial or professional capacity provided a professional intermediary is acting
on behalf of the supplier (section 1, paragraph 2).”
1
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 1.
2
Gemeinsame Stellungnahme von bvh, HDE und BAG zur Umsetzung der FARL,
S. 16.
3
Summary of Responses, p. 3 f.
4
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 4.
5
„when those terms (terms for which European legislation provides no definition)
appear…in a provision which constitutes a derogation from a principle or more
specifically, from Community rules for the protection of consumers, they must… be
interpreted restrictively”: ECJ case C-83/99 Commission v Spain (2001) ECR I-445,
paragraph 19, and case C-481/99 Heininger (2001) ECR I-9945 paragraph 31.
B. Historische Entwicklung
41
c) Ausnahme für Auktionen
Gegensätzlich sind auch die Meinungen zu der Frage, ob Auktionen
vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts bzw. Widerrufsrechtes
ausgenommen werden sollen. Verbraucherschützer sind sich einig, dass
Auktionen unter den Anwendungsbereich des Fernabsatzrechtes fallen
sollten, also anders, als dies derzeit nach Art. 3 Abs. 1 FARL der Fall
ist. Möglicherweise wird sich daher das europäische Recht im Sinne der
jetzigen deutschen Regelung entwickeln, wonach nur sog. „echte“ Versteigerungen vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Dies erschiene
sachgerecht, sind es doch häufig dieselben Verkäufer, die die gleichen
Waren über Online-Shops oder Auktionen veräußern, ohne dass in dem
einen Fall ein geringeres Verbraucherschutzbedürfnis bestünde als in
1
dem anderen.
Während dem etwa die deutsche Wettbewerbszentrale zustimmt, weil
nicht ersichtlich sei, weshalb Unternehmer, die eine InternetVersteigerungsplattform für den Warenabsatz verwenden, besser ge2
stellt werden sollen als Unternehmer, die einen Shop betreiben, schlagen Handelsverbände vor, Onlineauktionen zwar dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts zu unterstellen, jedoch vom Widerrufsrecht
3
auszunehmen. Andere Wirtschaftsvertreter gehen soweit, dass sie Auktionen wie bislang vom Anwendungsbereich insgesamt ausnehmen
wollen, weil die üblichen günstigen Preise bei solchen Geschäftsmodellen sonst nicht zu halten seien und es auch dem Geist der Auktionen
widersprechen würde, Name und Adresse des Warenlieferanten zu
nennen. Die Kommission betont, dass es sich bei dem Auktionsthema
um ein sehr komplexes handele, weil die Unterscheidung zwischen
traditionellen Auktionen und Online-Auktionsplattformen für die Frage, ob diese dem Fernabsatzrecht unterfallen, möglicherweise nicht
4
ausreichend ist, so dass noch weitere Arbeiten erforderlich seien.
d) Ausnahmen vom Widerrufsrecht
Besonders große und besonders gegensätzliche Resonanz hat die Europäische Kommission auf die Frage erhalten, ob die Ausnahmen vom
Widerrufsrecht überarbeitet, erweitert oder gestrichen werden sollen.
Viele Interessenvertreter der Wirtschaft sprechen sich dafür aus, dass
eine zusätzliche Ausnahme vom Widerrufsrecht für solche Artikel eingeführt wird, die aus Hygiene-, Gesundheits- oder Sicherheitsgründen
1
Vgl. The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 3.
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 4.
3
Gemeinsame Stellungnahme von bvh, HDE und BAG zur Umsetzung der FARL,
S. 4.
4
Summary of Responses, p. 6.
2
42
Teil 1 – Grundlagen
1
nach einer Nutzung nicht wieder verkauft werden können. Genannt
werden exemplarisch Unterwäsche und Badetextilien, Hygieneartikel,
angebrochene Parfümflaschen, Arzneimittel, Lebensmittel unabhängig
vom Haltbarkeitsdatum oder Piercingschmuck. Solche Produkte können derzeit nicht mit hinreichender Gewissheit unter die Ausnahme für
die Waren, die „aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung
geeignet“ sind, subsumiert werden. Denkbar wäre aus Sicht der Wirtschaft alternativ zu einer konkreten Erweiterung des Ausnahmekataloges auch die Einführung einer generellen Ausnahme in Art. 6 FARL für
solche Fälle, in denen die Ware aufgrund ihres Zustands zum Weiter2
verkauf ungeeignet ist. Vorgeschlagen wird zudem eine generelle Aus3
nahme für geringwertige Transaktionen.
Hingegen verlangen Verbraucherschützer eine Streichung der Ausnahme für Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt wurden, da
die Maßanfertigung nicht zu einer engeren Beziehung zwischen
4
Verbraucher und Lieferer führe. Auch entsiegelte Audio-, Video- oder
Software-Datenträger sollten nach dem Willen der Verbraucherschutzvertreter ebenso wie Downloads nicht vom Widerrufsrecht ausgenom5
men werden, während die Wirtschaft wegen der Möglichkeit der
Vervielfältigung und weiteren Nutzung nach Ausübung des Widerrufs6
rechtes die Einführung einer expliziten Ausnahme für Downloads oder
7
generell für sämtliche urheberrechtlich geschützten Waren fordert.
1
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 16; BRD-Stellungnahme v. 21.09.
2006, S. 7.
2
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 5 f.; bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 12.
3
Summary of Responses, p. 11.
4
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 9. So schon heute die Rechtslange in
Griechenland, Estland, Litauen und Schweden. Vgl. Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 588.
5
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 9; a.A. The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 4: “There are some practical difficulties connected with returning a file downloaded over the Internet. In some cases it might be possible to somehow make sure that the consumer deletes the file. However, this would imply some
sort of surveillance of consumer’s computers and this would not be desirable. Consequently, an exception from the right to with drawl with regard to files downloaded
does seem reasonable.”
6
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 12. Derzeit ist strittig, ob Downloads als
Dienstleistungen einzustufen sind, so dass das Widerrufsrecht erlischt (so z.B. das
Bundesjustizministerium in Gestaltungshinweis 9 der Muster-Widerrufsbelehrung)
oder ob Downloads Warenlieferungen sind, die nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen sind (so z.B. Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 260 m.w.N.)
7
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 15.
B. Historische Entwicklung
43
e) Umfang der Informationspflichten
Hinsichtlich der Frage, welche vorvertraglichen Informationen dem
Verbraucher zur Verfügung gestellt werden sollen, gehen die Meinungen auch auf Seiten des Verbraucherschutzes auseinander. Während
sogar von einigen Verbraucherschutzorganisationen darauf hingewiesen
wird, dass die Fülle der Informationspflichten im Onlinehandel vorvertraglich reduziert werden sollte, um den Verbraucher nicht durch eine
Informationsflut von den wirklich notwendigen Informationen abzu1
lenken, fordern andere Konsumentenvertreter ohne nähere Begründung
eine Ausweitung der vorvertraglichen Informationen um zahlreiche
2
weitere Punkte. Sinnvoll mag hiervon die (nach deutschen Recht schon
heute bestehende) Pflicht zum Hinweis auf das Nichtbestehen bzw.
Erlöschen des Widerrufsrechtes sein, weil viele Verbraucher mittlerweile meinen, jedes Internetgeschäft sei widerrufbar und eine Belehrung
über das Widerrufsrecht ohne Hinweis darauf, dass dieses in einigen
Fällen nicht besteht, den Verbraucher häufig im Vertrauen auf das
Widerrufsrecht irrig eine Bestellung zu tätigen. Die überwiegende
Mehrheit der Interessenvertreter auf der Wirtschaftsseite spricht sich
jedoch für eine Reduzierung der Informationspflichten und eine Präzisierung des Weges und des Zeitpunktes der vorvertraglichen Informationserteilung aus.
Die Wirtschaftsverbände kritisieren, dass die mit der Richtlinie angestrebte Mindestharmonisierung dazu geführt habe, dass einzelne Mitgliedsstaaten – insbesondere Deutschland – das ohnehin hohe Verbraucherschutzniveau in einer Weise angehoben und dabei zusätzliche
Regelungen eingeführt haben, die gerade von mittelständischen Unter3
nehmen kaum noch zu bewältigen sind. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl der praktischen Probleme aus der Umsetzung
4
der FARL in nationales Recht resultiert. Es erscheine unsachgemäß,
dass über die Rechtsfolgen der Ausübung des Widerrufs bereits vor
Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers informiert werden
muss. Dies führe in der Praxis zu einer Informationsflut bereits vor
1
The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 4: “For consumers ... it is
important that they are not subjected to more information than what is absolutely
necessary. A fundamental problem consumers are facing today, especially in connection with online shopping, is the amount of legal information they encounter.”
2
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 5 f. fordert nicht weniger als 10 zusätzliche Informationspflichten, u.a. einen Pflichthinweis auf das Nichtbestehen des
Widerrufsrechtes und einen Hinweis darauf, ob Vorkasse-Zahlungen im Fall des
Widerrufs durch eine finanzielle Garantie abgesichert sind (wie z.B. bei Trusted
Shops geprüften Händlern).
3
Gemeinsame Stellungnahme von bvh, HDE und BAG zur FARL, S. 2 und 6 f.
4
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 4.
44
Teil 1 – Grundlagen
Vertragsschluss. In der Werbung interessiere den Kunden nur die Information, ob überhaupt ein Widerrufs- oder Rückgaberecht besteht.
Die Einzelheiten würden erst dann relevant, wenn er die Ware tatsächlich zurückschicken will. Es sei daher ausreichend, wenn derartige
Einzelheiten – wie in Art. 5 Abs. 1 FARL vorgesehen – nach Vertragsschluss übermittelt würden. Sowohl für die unternehmerische Praxis als
auch für die Verbraucher sei es daher hilfreich, wenn die Ausuferung
der Informationspflichten durch eine bindende Beschränkung auf die
wesentlichen Informationen verhindert würde, auch wenn daraus
zwangsläufig eine Aufspaltung von Informationspflichten beim Fernabsatz von Finanzdienstleistungen und beim sonstigen Fernabsatz resultie1
re. Rechtsmittelbelehrungen bereits in der Werbung seien ein Fremdkörper und müssten auf das nötigste reduziert werden.
Sowohl Verbraucher- als auch Wirtschaftsseite sprechen sich für eine
klare Definition des dauerhaften Datenträgers aus, z.B. in Anlehnung
an die FARLFDL, wobei teilweise auch die Einführung einer Liste mit
2
entsprechenden Medien vorgeschlagen wird. Zu der Frage der Kommission, ob eine gemeinsame Regelung der vor- und nachvertraglichen
Informationen (Zusammenfassung von Art. 4 und 5 FARL) sinnvoll sei,
äußern sich selbst Verbraucherorganisationen kritisch. So wird darauf
hingewiesen, dass Verbraucher in den verschiedenen Phasen des Kauf3
prozesses auch verschiedene Informationsbedürfnisse hätten. Daher
sollten vor- und nachvertragliche Informationspflichten nicht dieselben
sein. Auch die Wirtschaftsverbände sprechen sich für eine Beibehaltung
4
der Trennung aus.
f) Harmonisierung der Widerrufsfrist
Sämtliche Interessenvertreter sprechen sich für eine europaweite Har5
monisierung der Widerrufsfrist im Fernabsatz aus. Dissens besteht
freilich in der Frage, wie lang diese Frist sein und ob sie in Werk- oder
Kalendertagen berechnet werden soll. Verbraucherverbände plädieren
6
für mindestens 14 Werktage, während Handelsverbände sich 7 Kalen7
dertage wünschen. Bisher muss der Unternehmer für jedes Land
1
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 5 f.; bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 6 f.
2
Summary of Responses, p. 8.
3
The Consumer Council of Norway, p. 4: “Consumers have different needs at
different stages of the purchasing process. Consequently, the information provided
prior to the conclusion of the contract should not be the same as the information
provided in the confirmation of a purchase.”
4
z.B. WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 7.
5
Summary of Responses, p. 9.
6
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 8.
7
Gemeinsame Stellungnahme von bvh, HDE und BAG zur FARL, S. 11.
B. Historische Entwicklung
45
bestimmen, welche Widerrufsfrist dem Verbraucher eingeräumt werden
muss. Da diese Frist derzeit in den Mitgliedsstaaten zwischen 15 Tagen
(Malta, Slowenien), zwei Wochen (Deutschland), 8, 10 und 7 Werktagen schwankt, kann zur Zeit nur (zu Gunsten der Verbraucher in anderen Mitgliedsstaaten) die strengste Regelung verwendet werden, wenn
die Waren in der gesamten EU angeboten werden sollen und auf eine
individuelle Festlegung der Widerrufsfrist je nach dem Wohnsitz des
Verbrauchers verzichtet werden soll. Eine einheitliche Widerrufsfrist
1
würde sich als unternehmer- und verbraucherfreundlicher darstellen.
Die Verbraucherseite spricht sich für eine Klarstellung des Fristbeginns aus. So solle die Frist bei Warenlieferungen erst dann zu laufen
beginnen, wenn der Konsument die Ware tatsächlich in den Händen
hält und nicht bereits dann, wenn Sie auf einem Postamt eingelagert
2
oder von einem Nachbarn in Empfang genommen wird.
g) Rücksendemodalitäten und -kosten
Zahlreiche Interessenvertreter wünschen sich eine präzisere Regelung
der Ausübung und der Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes. Interessenvertreter der Wirtschaft plädieren dafür, dass nur Waren in Original3
verpackung und mit Originalzubehör im Rahmen des Widerrufsrechtes
zurück gesendet werden dürfen. Befürwortet werden auch eine „duty of
care“ des Konsumenten während der Widerrufsfrist, wie sie etwa Art.
4
17 (2) (a) der englischen Distance Selling Regulations (DSRs) vorsieht,
und eine Pflicht zur Rücksendung der Ware als Bedingung für die Aus5
übung des Widerrufsrechtes. Überdies finden sich Forderungen nach
einer Entkoppelung des Laufs der Widerrufsfrist von der Erfüllung der
textformgebundenen Informationspflichten des Art. 5 FARL bzw.
6
§ 312c Abs. 2 BGB sowie der Festlegung einer EU-weit verbindlichen
Dreimonatsfrist als Obergrenze für das Widerrufsrecht, auch in Fällen,
in denen nicht korrekt über das Widerrufsrecht belehrt wurde und die
7
Frist derzeit gemäß § 355 Abs. 3 S. 3 BGB überhaupt nicht erlischt.
Auch die Frage der Kostentragung bei Ausübung des Widerrufsrechtes ist unter den Interessenvertretern umstritten. Erstaunlicherweise sind
zwar selbst die Verbrauchervertreter der Meinung, dass die Übernahme
1
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 5 f.; bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 7.
2
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 8.
3
So z.B. der Vorschlag in der WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 9 und die
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 12f.
4
abrufbar unter http://www.opsi.gov.uk/si/si2000/20002334.htm (Stand: 4.4.
2009).
5
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 12.
6
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 12.
7
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 8.
46
Teil 1 – Grundlagen
der Rücksendekosten durch den Verbraucher im Fall des Widerrufs,
wie sie in Art. 6 Abs. 2 FARL vorgesehen ist, eine angemessene und
1
faire Regelung darstellt. Dem stimmen die Wirtschaftsvertreter mit
dem Hinweis zu, dass der Verbraucher auch bei Rückgabe einer im
stationären Handel erworbenen Ware die Kosten für den Rücktransport tragen muss (z.B. Fahrtkosten, Parkgebühren etc.). Allein Deutschland und Finnland haben das Mindestniveau der FARL insoweit überschritten und zum Nachteil der Unternehmer bei Warenrücksendungen
mit einem Wert von mehr als 40 EUR bzw. generell eine Kostenübernahme durch den Unternehmer vorgesehen. Überdies wird seitens des
beuc jedoch eine Klarstellung in Art. 6 Abs. 2 FARL dahingehend verlangt, dass der Verbraucher – anders als dies derzeit in § 357 Abs. 3
BGB geregelt ist – bei Ausübung des Widerrufsrechtes keinerlei Wertersatz infolge der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme der Ware zu
leisten hat. Dies wird teilweise auch schon jetzt aus Art. 6 Abs. 2 FARL
2
abgeleitet. Wirtschaftsvertreter wünschen sich hingegen eine Klarstellung in Art 6. Abs. 2, dass dem Verbraucher neben den Rücksendekos3
ten auch die Hinsendekosten auferlegt werden können.
3. Zwischenergebnis
Hinsichtlich des Widerrufsrechtes stellt die Kommission in ihrem Bericht über die Anwendung der FARL in den Mitgliedsstaaten fest, dass
es ein Paradebeispiel für die Zusammenhanglosigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und nationaler Disparitäten als Folge
der Inanspruchnahme der Mindestklausel ist. Daraus hat sich die Forderung nach europaweiter Vereinheitlichung der Widerrufsfristen, der
1
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 9: “It is fair that the consumer pays the
costs of returning the goods when he/she withdraws from the contract for no specific
reason.” Ebenso The Consumer Council of Norway, p. 4: “The CCN considers it
fair that the consumer pays the transportation costs when making use of the right to
withdrawl.”
2
So etwa Micklitz/Reich, BB 1999, 2093, 2095; Tonner, BB 2000, 1413, 1416;
Rott, VuR 2001, 78, 81 sowie jüngst das AG Lahr MMR 2008, 270 = BB 2008,
694, das ein entsprechendes Verfahren ausgesetzt und dem EuGH nach Art. 234 EGVertrag die Frage vorgelegt hat: „Sind die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 20. Mai 1997 zu bestimmten Aspekten des Verbraucherschutzes bei
Vertragsabschlüssen im Fernabsatz dahin auszulegen, dass sie einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegenstehen, die besagt, dass der Verkäufer im Falle des
fristgerechten Widerrufes durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des
gelieferten Verbrauchsgutes verlangen kann?“
3
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 17 f.; WBZ-Stellungnahme v.
20.11.2006, S. 10 f. Dass dies derzeit im Lichte des Art. 6 Abs. 2 FARL möglich ist
bestreitet das OLG Karlsruhe (nicht rechtskräftig), K&R 2007, 586 = MMR 2008,
46 m. zustimmender Anm. Würdinger/Ringshandl.
B. Historische Entwicklung
47
Art ihrer Berechnung, der finanziellen Auswirkungen und Wahrnehmung (Rückzahlung, Rückgabe usw.) des Widerrufsrechtes sowie der
Ausnahmeregelungen entwickelt, die in dem VRRL-E ihren Ausdruck
findet. Nach wie vor bildeten die Frage nach der Anwendung des
Fernabsatzrechts auf Internetauktionen, der Umfang der Informationspflichten und der Wertersatz im Rahmen der Rückabwicklung des widerrufenen Geschäfts die strittigsten Diskussionspunkte. Selbst
Verbraucherverbände wiesen darauf hin, dass die Flut der zu erteilenden Informationen zu einem gegenteiligen Effekt, nämlich der Irreführung statt Orientierung führen kann. Einig waren sich Wirtschaftsverbände und Verbrauchervertreter hinsichtlich der kompletten
Übernahme der Rücksendekosten durch den Unternehmer entsprechend
der Konzeption des Art. 6 Abs. 2 FARL.
VII. Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstandes
1. Veröffentlichung des Grünbuchs
Die Europäische Kommission veröffentlichte am 8. Februar 2007 das
Grünbuch zur Überprüfung des Verbraucheracquis. Insgesamt acht
Richtlinien zum Verbraucherschutz waren von der Überprüfung betroffen (Richtlinie Haustürgeschäfte 85/577/EWG, Pauschalreisen 90/314/
EWG, Missbräuchliche Vertragsklauseln 93/13/EWG, Timesharing
94/47/EG, Fernabsatz 97/7/EG, Preisangabe 98/6/EG, Unterlassungsklagen 98/27/EG, Verbrauchsgüterkauf und Garantien 99/44/EG).
Die Verbraucher sollten sich nach den Zielvorstellungen der Kommission auf gleichwertige Rechte berufen und gleichwertige Möglichkeiten nutzen können, um im Problemfall zu ihrem Recht zu kommen,
1
ganz gleich was und wo sie kaufen. Die Kommission sieht die Modernisierung des Verbraucherbesitzstandes als notwendiges Mittel, um der
Rechtszersplitterung des bestehenden EG-Verbraucherrechts entgegenzutreten. Weiterhin soll aber auch sichergestellt werden, dass die Wirtschaft, vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen von einem
stärker vorausschaubaren Regelungsumfeld und unkomplizierteren EUVorschriften profitieren können, damit sie ihren Aufwand für die Einhaltung der EU-Vorgaben reduzieren können und generell in die Lage
versetzt werden, leichter als bisher EU-weit Handel zu betreiben, und
zwar unabhängig davon, wo sie ihren Sitz haben.
Im Zuge dessen wurde von Schulte-Nölke eine umfangreiche rechtsvergleichende Studie durchgeführt und die Unterschiede der Verbrau1
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 3f.
48
Teil 1 – Grundlagen
cherrechtsordnungen in den Mitgliedsstaaten in einem EG-Verbrau1
cherrechtskompendium und einer Datenbank zum EU-Verbrau2
cherrecht dargestellt. Sinn und Zweck des Grünbuchs ist es, die Meinungen der interessierten Kreise zu den möglichen politischen Optionen
für die Überprüfung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Verbraucherschutz und einzelnen spezifischen Fragestellungen einzuholen. Auf
diese umfangreiche Konsultation sind 313 Stellungnahmen eingegan3
gen. Als richtlinienübergreifende Themen spielen das Widerrufsrecht
ebenso wie die Definition der Begriffe Verbraucher und Unternehmer
im Rahmen der Konsultation eine große Rolle.
2. Rechtszersplitterung durch Mindestharmonisierung
Als zentrale Sachfragen benennt die Kommission u.a. die Auswirkungen
der neuen Entwicklungen am Markt und führt beispielhaft den Onlinehandel an. Die Fernabsatzrichtlinie stamme aus einer Zeit, in der der
elektronische Handel noch nicht derart stark verbreitet war und werde
den heutigen Anforderungen der sich rasch weiterentwickelnden Märk4
te nicht mehr gerecht. Überdies habe etwa die Möglichkeit der Mitgliedsstaaten, Online-Auktionen vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen, zu einer Rechtszersplitterung und einhergehenden
Verbraucherbeschwerden im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr
geführt. Diese sei zum einen in einer fehlenden Harmonisierung des
bestehenden Verbraucherschutzrechts zum anderen in einer uneinheitlichen Umsetzung der Verbraucherschutzrichtlinien aufgrund des Mindestharmonisierungsprinzips der Richtlinien begründet. Dies löse zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen aus, die z.B. unterschiedliche
Werbematerialien und Verträge verwenden müssten und führe letztlich
dazu, dass sich der grenzüberschreitende Handel nicht entwickeln kann.
Vor allem im Onlinehandel sei ein Mangel an Vertrauen festzustellen, weil viele Verbraucher meinten, ausländische Anbieter müssten
weniger Verbraucherschutzvorschriften einhalten oder es sei schwieri5
ger, im Problemfall Verbraucherrechte durchzusetzen. So sei beispielsweise die von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich lang bemessen Widerrufsfrist für grenzüberschreitende Geschäfte im
Fernabsatz für die Verbraucher verunsichernd. Gleiches gelte für die
1
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, http://ec.europa.eu/consumers/
cons_int/safe_shop/acquis/comp_analysis_de.pdf (Stand: 4.4.2009).
2
http://www.eu-consumer-law.org/index_de.cfm (Stand: 4.4.2009).
3
http://ec.europa.eu/consumers/rights/responses_green_paper_acquis_en.htm
(Stand: 4.4.2009).
4
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 6 f.
5
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 8.
B. Historische Entwicklung
49
praktischen Modalitäten zur Wahrnehmung des Rücktrittsrechts von
einem Kaufvertrag und in Bezug auf die Kosten für die Rücksendung
von Waren.
3. Vertikaler, horizontaler oder kombinierter Ansatz
Als mögliche Optionen zeigt die Kommission zwei Lösungswege auf,
nämlich einen vertikalen Ansatz, bei dem die gelten Richtlinien einzeln
überarbeitet würden, oder einen eher horizontalen Ansatz, basierend
auf einem oder mehreren Rahmeninstrumenten, um gemeinsame
Merkmale des Besitzstandes zu regeln, untermauert, wo nötig, durch
1
bereichsspezifische Regelungen. Das Horizontalinstrument könnte
entweder stets, nur bei grenzüberschreitenden Geschäften oder nur auf
(nationale und grenzüberschreitende) Fernabsatzverträge Anwendung
finden, d.h. an die Stelle der FARL treten, so die Kommission. Den
vertikalen Ansatz stuft die Kommission ihrerseits als aufwändiger ein,
weil im Verlauf einzelner Legislativverfahren die gleichen Sachfragen
immer wieder diskutiert werden müssten. Auch werde die Menge der
Rechtsakte nicht reduziert. Ein Vorteil sei jedoch, dass den Besonderheiten der einzelnen Regelungsbereiche besser Rechnung getragen werden könne.
Favorisiert wird daher ein kombinierter Ansatz, bei dem ein horizontales Instrument verwendet wird, und zwar in Kombination mit vertikalem Vorgehen, wo dies erforderlich erscheint. Als Beispiel wird hier die
Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken genannt, mit
der erstmals ein horizontaler Ansatz verfolgt wurde. Grundlegende
Gemeinsamkeiten aller Richtlinien wie die Definition von Verbraucher
und Unternehmer, die Dauer der Widerrufsfrist oder die Modalitäten
für die Ausübung des Rücktrittsrechts könnten horizontal geregelt wer2
den, so die Kommission. Auch der Kaufvertrag als Grundform des
Verbrauchervertrages könnte Bestandteil eines horizontalen Instrumentes sein. Nur im Einzelfall sollten sektorspezifische Regeln vertikal überarbeitet werden.
Inhaltlich spricht sich die Kommission für eine vollständige Harmonisierung aus, auch mit der Konsequenz, dass sich das Verbraucher3
schutzniveau in einigen Mitgliedsstaaten verändern könnte. Dies würde
bedeuten, dass die Mitgliedstaaten keine strengeren Bestimmungen als
die auf Gemeinschaftsebene festgelegten anwenden dürften, wie z.B.
derzeit die längere Widerrufsfrist und die Kostentragungspflicht bei
1
2
3
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 8 f.
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 10.
Grünbuch Verbraucheracquis, S. 12.
50
Teil 1 – Grundlagen
Rücksendungen durch den Unternehmer im deutschen Recht. Als weitere, wenngleich kompliziertere und die Rechtszersplitterung nicht beseitigende Möglichkeiten werden Kombinationen aus Mindestharmonisierung und gegenseitiger Anerkennung höherer nationaler Standards oder
aber des Herkunftslandprinzips aufgezeigt.
Im zweiten Fall könnten also die Mitgliedsstaaten wie bislang höhere
Schutzstandards erlassen, Unternehmen aus einem anderen Mitgliedsstaat müssten jedoch lediglich die nationalen Regelungen einhalten.
Dies würde z.B. dazu führen, dass ein Onlinehändler aus Österreich,
der an einen deutschen Verbraucher verkauft, diesem trotz der zweiwöchigen Widerrufsfrist nach §§ 312d, 355 BGB lediglich ein Widerrufs1
recht mit einer Frist von sieben Werktagen gemäß § 5e Abs. 2 KSchG
einräumen müsste, wobei die Frist auch noch früher zu laufen beginnt
als nach deutschem Recht, nämlich mit dem Tag des Eingangs der Waren und nicht erst – wie nach § 187 Abs. 1 BGB – am Tag danach.
Diese beiden Optionen brächten aus Sicht der Kommission allerdings
keine Lösung, die das vom EGV geforderte hohe gemeinschaftliche
Niveau an Verbraucherschutz sicherstellt.
4. Streitpunkt Vollharmonisierung
Die Forderungen der Interessenvertreter weichen ebenso wie die im
Rahmen der Konsultation über die FARL je nach Lager voneinander
ab. Die Stellungnahmen sind in punkto Widerrufsrecht weitgehend
deckungsgleich mit denen aus den Stellungnahmen zur Überarbeitung
2
der FARL. Glaubt man einem Zwischenbericht der Kommission,
spricht sich die überwiegende Mehrheit der Interessenvertreter für eine
Vollharmonisierung in wesentlichen Themen durch ein horizontales
Instrument aus, das sowohl national als auch grenzüberschreitend greift
und durch einzelne vertikale Maßnahmen in den einzelnen Sektoren
1
§ 5e des österreichischen KSchG lautet: „Die Rücktrittsfrist beträgt sieben Werktage, wobei der Samstag nicht als Werktag zählt. Sie beginnt bei Verträgen über die
Lieferung von Waren mit dem Tag ihres Eingangs beim Verbraucher, bei Verträgen
über die Erbringung von Dienstleistungen mit dem Tag des Vertragsabschlusses.“
2
Commission Staff Working Paper, Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis, abrufbar unter:
http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/safe_shop/acquis/acquis_working_doc.pdf
(Stand: 4.4.2009). Eine detaillierte Analyse der Stellungnahmen (Preparatory Work
for the Impact Assessment on the Review of the Consumer Acquis DG HEALTH
AND CONSUMER PROTECTION, Analytical Report on the Green Paper on the
Review of the Consumer Aquis submitted by the Consumer Policy Evaluation Consortium v. 06.11.2007) ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/consumers/rights/
detailed_analysis_en.pdf (Stand: 4.4.2009).
B. Historische Entwicklung
51
ergänzt wird. Auch eine Systematisierung der Verbraucherrechte (z.B.
des Widerrufsrechtes) werde überwiegend begrüßt.
Abgelehnt wird eine Vollharmonisierung allerdings von einigen Interessenvertretern der Verbraucherseite. So befürchtet z.B. die Verbrau1
cherkommission Baden-Württemberg in ihrer Stellungnahme, dass
Vollharmonisierung zu einem „Monopol des europäischen Gesetzgebers in Fragen des Verbraucherrechts führen“ werde. Es sei jedoch
nicht wünschenswert, dass nationale Parlamente aus der Verbraucherrechtspolitik ausgeschlossen werden. Die bisher durchgängige Regelungstechnik der Mindestharmonisierung entspreche dem Subsidiaritätsprinzip und biete zudem die notwendige Flexibilität, um auf
nationaler Ebene auch auf kurzfristig auftauchende Probleme reagieren
zu können. Eine pauschale Vollharmonisierung der zentralen Verbraucherschutzvorschriften werde zu einer nicht hinnehmbaren Versteinerung des Verbraucherrechts führen. Absehbar sei auch ein breiter Abbau von bisher bestehenden Verbraucherschutzstandards sowie Brüche
und Wertungswidersprüche gegenüber den nicht harmonisierten nationalen Zivilrechten der Mitgliedsstaaten. Sie sei daher abzulehnen.
Dem halten die Handelsverbände entgegen, dass die verschiedenen
nationalen Regelungen für den betroffenen Handel oftmals die Teilnahme an grenzüberschreitenden Verträgen erschwere, was für eine
2
volle Harmonisierung spreche. Auch die Verbraucherseite hält jedoch
eine Vollharmonisierung in Einzelfällen, z.B. einer „Eckwiderrufsfrist
(von sinnvollerweise 14 Tagen) und deren genaue Berechnung“ für
3
angezeigt. Die Handelsverbände versuchen in diesem Punkt, eine Frist
4
von 7 Tagen durchzusetzen. Jedenfalls spricht sich die Mehrheit der
Interessenvertreter für eine Harmonisierung der Widerrufsfrist und der
5
Widerrufsmodalitäten aus.
5. Zwischenergebnis
Das bestehende EG-Verbraucherrecht weist eine tiefe Rechtszersplitterung auf. Daher können vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen von einem stärker vorausschaubaren Regelungsumfeld und
unkomplizierteren EU-Vorschriften nicht profitieren. Die FARL hat
ihre Zwecke nicht erfüllt und passt mit ihrem Tele-Einkauf-Leitbild
1
VK-BW-Stellungnahme v. 11.05.2007, S. 5 f; ebenso Brönneke, Widerrufsrecht
und Belehrungspflichten, S. 84.
2
Stellungnahme von HDE, bvh und BAG v. v. 8.02.2007, S. 3.
3
VK-BW-Stellungnahme v. 11.05.2007, S. 6.
4
Stellungnahme von HDE, bvh und BAG v. v. 8.02.2007, S. 8.
5
Commission Staff Working Paper, Report on the Outcome of the Public Consultation on the Green Paper on the Review of the Consumer Acquis, p. 8 f.
52
Teil 1 – Grundlagen
nicht in die Realität des Onlinehandels. Es ist auch ein Mangel an Vertrauen seitens des Verbrauchers in ausländische Unternehmen festzustellen. Die durch den kombinierten Ansatz angestrebte Systematisierung der Verbraucherrechte und vollständige Harmonisierung ist zu
begrüßen, da sie durch eine Zusammenfassung des allgemeinen Teils
der einzelnen Richtlinien eine Reduzierung der Regelungen und damit
eine erhöhte Übersichtlichkeit zur Folge hätte. Die Befürchtung einer
„Versteinerung“ des Verbraucherschutzrechtes durch Vollharmonisierung ist unbegründet. Vielmehr erschweren die verschiedenen nationalen Regelungen die Teilnahme an grenzüberschreitenden Verträgen
nicht nur für den Unternehmer, sondern auch für den Verbraucher, da
dieser sich nicht darüber im Klaren ist, welches Recht auf seinen Vertrag anwendbar ist.
VIII. Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
Bei der Verletzung von Informations- und Belehrungspflichten zum
Widerrufsrecht und auch sonstigen Informationspflichten im Fernabsatz ist im Hinblick auf die Wettbewerbswidrigkeit auch die Umsetzung
der Vorschriften der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGPRL) zu berücksichtigen. Die am 11.05.2005 verabschiedete UGPRL war eigentlich von den Mitgliedsstaaten bis zum
12.12.2007 umzusetzen. Da dies in Deutschland jedoch mit einiger
Verspätung, nämlich erst zum 30.12.2008 mit einer Novellierung des
UWG geschah, war das zwischen dem 12.12.2007 und 29.12.2008
geltende UWG richtlinienkonform auszulegen. Insbesondere für die
Frage, ob ein Verstoß gegen Informationspflichten ein Bagatellverstoß
war, musste die Richtlinie herangezogen werden.
Nach Art. 7 Abs. 5 UGPRL werden als wesentlich alle Informationen
eingestuft, die das Gemeinschaftsrecht in Bezug auf die kommerzielle
Kommunikation vorsieht. Zu solchen Informationen gehören nach
Anhang II zu dieser Vorschrift auch die Pflichtangaben der Art. 4 und 5
der FARL, im deutschen Recht geregelt in § 312c Abs. 1 und 2 BGB.
Aufgrund der durch die Richtlinie eingeführten vollständigen Angleichung werden jedoch auch nur die nach dem Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Informationen als wesentlich für die Zwecke des Artikels
7 Absatz 5 dieser Richtlinie betrachtet (Erwägensgrund 15 der Richtlinie 2005/29/EG).
Weitergehende nationale Bestimmungen dürfen nach Art. 3 Abs. 5
der Richtlinie 2005/29/EG nur unter bestimmten Voraussetzungen
aufrecht erhalten werden. Demnach können die Mitgliedstaaten für
einen Übergangszeitraum von sechs Jahren ab dem 12. Juni 2007 in
dem durch die Richtlinie angeglichenen Bereich nationale Vorschriften
C. Zwecke
53
beibehalten, die restriktiver oder strenger sind als diese Richtlinie und
zur Umsetzung von Richtlinien erlassen wurden und die Klauseln über
eine Mindestangleichung enthalten. Diese Maßnahmen müssen jedoch
unbedingt erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher
auf geeignete Weise vor unlauteren Geschäftspraktiken geschützt werden und müssen zur Erreichung dieses Ziels verhältnismäßig sein.
1
Der deutsche Gesetzgeber ist nun der Meinung, dass die auf Art. 4, 5
und 6 der FARL zurückgehenden Informations- und Belehrungspflichten in § 312c BGB i.V.m. § 1 BGB-InfoV sowie in § 312d i.V.m. § 355
Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 5 der
Richtlinie 2005/29/EG führen. Diese Ansicht ist abzulehnen, da die
vorvertragliche Informationspflicht des § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1
Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV insoweit deutlich über die europäischen Vorgaben hinausgeht, als auch bei Fernabsatzverträgen, die nicht Finanzdienstleistungen zum Gegenstand haben, bereits über „Nichtbestehen
… sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung … und die
Rechtsfolgen des Widerrufs“ zu informieren ist. Art. 4 Abs. 1 f) der
FARL schreibt jedoch lediglich eine Information über das Bestehen des
Widerrufsrechtes vor. Auch Art. 7 Abs. 4 e) der Richtlinie 2005/29/EG
sieht lediglich die Information über das Bestehen des Widerrufsrechtes
als wesentlich an. Es ist fraglich, ob die überschießende deutsche Detailinformationspflicht unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist, um
ihren Fortbestand zu rechtfertigen.
C. Zwecke
C. Zwecke
Bei der Herausarbeitung des Schutzzwecks des Widerrufsrechtes im
Onlinehandel ist nicht nur der Schutzzweck der FARL zu ermitteln, in
dessen Lichte die deutschen Regelungen auszulegen sind. Denn gemäß
Art. 14 FARL legt diese lediglich ein Mindestniveau fest, über das der
deutsche Gesetzgeber hinausgehen kann, was auch in vielen Punkten
geschehen ist. Daher ist auch zu hinterfragen, inwieweit das Widerrufsrecht im allgemeinen Verbraucherschutzrecht und in den deutschen
Fernabsatzbestimmungen seine Rechtfertigung findet.
I. Allgemeines Verbraucherschutzrecht
Weder das europäische noch das deutsche Verbraucherschutzrecht in
den verschiedenen Bereichen basiert auf einem einheitlichen Grundkon1
RefE des BMJ v. 27. Juli 2007 (Referat III B 5), Erstes Gesetz zur Änderung des
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, S. 23.
54
Teil 1 – Grundlagen
1
zept. Das Verbraucherschutzrecht entsteht vielmehr eher unsystematisch aufgrund gehäufter Verbraucherbeschwerden über unseriöse Geschäftspraktiken. Auch die Rechtsprechung befasst sich bei der Auslegung des geltenden Rechts häufig nur unter dem Schlagwort „Schutz
2
des Schwächeren“. In der Literatur wurde jedoch versucht, das
Verbraucherschutzrecht zu systematisieren und so dessen Notwendigkeit zu begründen. Die Erklärungsmodelle schließen sich nicht etwa
gegenseitig aus, sondern stehen ergänzend nebeneinander.
Der Verbraucher ist als Marktakteur deshalb schutzwürdig, weil der
Wettbewerb, der in der Realität keinesfalls vollkommen ist, allein nicht
3
ausreicht, um seine Interessen zu wahren. Eine Durchbrechung des
Grundsatzes pacta sunt servanda ist dann gerechtfertigt, wenn nicht
beide Vertragsparteien gleichermaßen in der Lage sind, eine freie Entscheidung für oder gegen den Vertrag auszuüben, d.h. eine Störung der
Vertragsparität vorliegt. Die Entscheidung darüber, ob eine schwerwiegende Störung vorliegt, ist letztlich politischer Natur. Hat der Gesetzgeber, wie beim Widerrufsrecht im Onlinehandel, erst einmal die Entscheidung getroffen, dass eine Kompensation einer vermeintlichen
Ungleichgewichtslage notwendig ist, spielt die Frage, ob der Verbraucher wirtschaftlich schwach, rechtsunkundig, geschäftsungewandt oder
intellektuell unterlegen ist; auch der auf Verbraucherrecht spezialisierte,
versierte Rechtsanwalt ist Verbraucher, wenn er wegen seines privaten
4
Konsums rechtsgeschäftlich auftritt.
1. Konzepte des Verbraucherschutzes
a) Der strukturell unterlegene Verbraucher
Im Rahmen des Modells eines strukturell unterlegenen Verbrauchers ist
für die Qualifizierung einer Person als Verbraucher maßgeblich, ob sein
Verhalten gerade beim Abschluss eines Vertrages als privat angesehen
werden kann. Dieser rollensoziologisch definierte Verbraucher wird mit
5
dem strukturell unterlegenen Verbraucher gleichgesetzt. Die strukturelle Unterlegenheit wird ökonomisch als strukturelles Machtungleichge6
wicht gedeutet, das es seinerseits rechtfertige, gegen das Gleichheitsprinzip des BGB kompensatorisch einzugreifen, um die Parität der
1
Pützhoven, EWS 1999, 447, 450; Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht,
S. 120.
2
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 119.
3
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 121; Zhang, Widerrufsrecht, S. 26.
4
Bülow/Artz/Bülow, S. 6 Rn. 4.
5
MünchKommBGB/Micklitz, Vorbemerkung zu §§ 13, 14 Rn. 68 f.; Schulze/Schulte-Nölke/Pfeiffer, S. 25 f.
6
Vgl. AnwKomm/Hart,Vor § 116 Rn. 31 f. und 59 f.
C. Zwecke
55
1
Vertragsparteien wieder herzustellen. Maßgeblich sei dabei nicht die
konkrete Vertrags-, sondern die Verbraucher-Produzenten-Beziehung in
Allgemeinen. Unbeachtet bleibt dabei, ob in dem konkreten Einzelfall
2
ein Schutzbedürfnis anzuerkennen ist. Es handelt sich somit um einen
typisierten Begriff der Unterlegenheit, der konkretisierungsbedürftig ist.
Eine derartige Konkretisierung könnte sich an die Kernbestände des
Verbraucherrechts orientieren und an die rollenspezifische Unterlegenheit verknüpfen.
Das dargestellte Konzept wird allerdings vor allem im Hinblick auf
dessen Folgen kritisiert. Dessen Anwendung führe zu einer Entmündigung des Verbrauchers am Markt. Die Zwangseinräumung eines bestimmten Schutzniveaus beraube seine Rolle als autonom handelndes
Subjekt und sei mit dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft
3
nicht vereinbar. Auch die Gruppe der Verbraucher sei nicht homogen
4
und könne unterschiedliche Interessen haben. Trotz dieser Kritik hat
das BVerfG das Vorliegen einer strukturellen Unterlegenheit des
5
Verbrauchers Anfang der 90er Jahre bejaht. Auch der EuGH hat die
Ansicht vertreten, der Verbraucher befinde sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition und besitze
6
einen geringeren Informationsstand.
b) Der situativ schutzbedürftige Verbraucher
Ein abweichendes Modell ist die Konzeption eines situativ schutzbe7
dürftigen Verbrauchers. Hier werden gesetzgeberische Eingriffe zugunsten des Verbrauchers nicht ausgeschlossen, sie werden jedoch an
die situative Schutzbedürftigkeit gebunden, womit gleichzeitig die Ablehnung der Vorstellung verbunden ist, dass der Verbraucher generell
und grundsätzlich die strukturell unterlegene Vertragspartei ist. Der
Ausschluss der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers wird daran geknüpft, ob er während der Situation des Vertragsschlusses über die
Geschäftskompetenz eines Nichtverbrauchers verfügt. Befürworter
dieses Modells verweisen darauf, dass einer Verneinung der Verbrauchereigenschaft nach § 13 BGB, die Bewertung innewohne, die betreffende Person verfüge über hinreichende Geschäftskompetenz. Geboten
1
Bülow/Artz/Bülow, S. 8 Rn. 13.
MünchKommBGB/Micklitz, Vorbemerkung zu §§ 13, 14 Rn. 69 f.
3
MünchKommBGB/Micklitz, Vorbemerkung zu §§ 13, 14 Rn. 69 f; Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 125.
4
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 126.
5
BVerfG, NJW 1994, 36.
6
EuGH Rs. C-240/98 bis Rs. C-244/98, Slg. 2002, I-4941 ff. Rn. 25.
7
Schulze/Schulte-Nölke/Pfeiffer, S. 28 f.; kritisch dazu Wiedenmann, Verbraucherleitbilder, S. 76.
2
56
Teil 1 – Grundlagen
sei daher eine Analyse des Verbraucherbegriffs unter Berücksichtigung
1
der Geschäftskompetenz als Wertungsinstrumentarium.
c) Das Kombinationsmodell
Den unterschiedlichen Modellen werden unterschiedliche Verbraucher2
leitbilder zu Grunde gelegt. Diese beiden konträren Ansätze der situationsgebundenen und der personenbezogenen Anknüpfung lassen sich
miteinander kombinieren. Da sowohl der rein personale als auch der
rein situative Verbraucherbegriff oft unklar sind, ging man zu einer
gekoppelten Betrachtungsweise über. Das Kombinationsmodell geht
davon aus, dass der Verbraucher als Teilnehmer am Geschäftsverkehr
nicht per se schutzbedürftig ist sondern nur in Bezug auf konkrete Gefahren und Risiken in bestimmten Situationen. Der Verbraucherbegriff
aus dem situativen Ansatz wird negativ durch Elemente des Rollenkon3
zepts abgegrenzt. Hierbei steht der situative Begriff des Verbrauchers
4
als Konsument im Vordergrund.
2. Anwendbarkeit im Fernabsatz
Zweifelsohne gibt es im Onlinehandel Situationen, in denen das Vertragsgleichgewicht von Verbraucher und Unternehmer derart gestört
ist, dass ein schwacher Verbraucher einem starken Unternehmer gegenübersteht, etwa wenn es um so genannte Vertragsfallen geht, bei denen der Verbraucher – meist über ein Gewinnspiel angelockt – einen
vermeintlich kostenfreien Dienst in Anspruch nehmen will und erst
nach Registrierung bemerkt, dass er ein kostenpflichtiges Abonnement
abgeschlossen haben soll. Bemerkenswerterweise weist das Fernabsatz5
recht gerade in diesen Konstellationen erhebliche Schutzlücken auf.
Gerechtfertigt ist das Widerrufsrecht auch, wenn unbedarfte Verbraucher Produkte von zweifelhafter Qualität erwirbt, die es ausschließlich
im Distanzhandel zu erwerben gibt. Auch Anbieter solcher Waren entziehen sich bewusst dem Zugriff des Vertragspartners und agieren oft
an der Grenze zur Legalität.
1
Schulze/Schulte-Nölke /Pfeiffer, S. 30.
Staudinger/Weick, § 13 Rn. 6.
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 126.
4
Vgl. Denkinger, Der Verbraucherbegriff, S. 119 f.
5
Dies ist der Grund für das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei
besonderen Vertriebsformen, BT-Drucks. 16/10734 v. 31.10.2008. Das vom Bundestag am 26.3.2009 beschlossene Gesetz muss noch den Bundesrat passieren. Es ist
jedoch nicht zustimmungspflichtig. Das Gesetz wird am Tag nach der Verkündung in
Kraft treten. Nach Informationen des Bundesjustizministeriums könnte das Gesetz
am 15.5.2009 den Bundesrat passieren, so dass es voraussichtlich im Juni in Kraft
treten wird.
2
3
C. Zwecke
57
Allerdings stellt sich die Realität des Onlinehandels häufig auch so
dar, dass die Parteien gleichberechtigt sind oder der Verbraucher sogar
die überlegene Partei ist. Eine Vielzahl von Online-Shops wird nicht
von großen Unternehmen, sondern von Einzelgewerbetreibenden betrieben, die damit neben einem Angestelltenverhältnis etwas dazu verdienen, sich nach Arbeitslosigkeit eine Existenz aufbauen oder zusätzlich zu einem bestehenden stationären Handel in geringem Maße auch
online Umsätze erzielen. Zuweilen unterfallen auch Mütter von vier
Kindern, die über eine gewisse Dauer und in einem gewissen Umfang
nicht mehr passende Kinderkleidung über eBay verkaufen, dem Unter1
nehmerbegriff und sind völlig überrascht, wenn den Kunden ein Widerrufsrecht eingeräumt werden muss. So stehen Personen, die eigentlich dem Schutzbereich des Verbraucherschutzrechtes unterliegen, im
Onlinehandel plötzlich und unerwartet auf der Seite der vermeintlich
„starken“ Vertragspartei. Auf der anderen Seite ist der Onlinekäufer
häufig überdurchschnittlich gebildet und wirtschaftlich stark. Häufig
wird eine handelsübliche Ware, die bereits im stationären Handel ausgiebig begutachtet und getestet wurde, bei dem Onlinehändler bestellt,
der diese zu dem günstigsten Preis anbietet.
II. Fernabsatzrecht
Der Verbraucher im Fernabsatz soll vor Fehlbestellungen geschützt
werden, die zustande kommen, weil er die Waren vor Vertragsschluss
nicht sehen oder sonst wahrnehmen kann und somit keine mit dem
stationären Vertrieb vergleichbar informierte Entscheidung treffen
2
kann. Das Fernabsatzrecht will vermeintliche Informationsdefizite des
Verbrauchers ausgleichen, die sich im Vergleich zum herkömmlichen
Ladenhandel ergeben. Diese bestehen vor allem darin, dass beim Fernabsatzhandel der Verbraucher weder die Ware noch seinen Vertrags3
partner vor der Bestellung begutachten oder kennen lernen kann. Daher sind seine Möglichkeiten, sich über die Eigenschaften der Ware und
die Modalitäten der Geschäftsabwicklung oder die Person des Verkäu4
fers bzw. des Diensteanbieters zu erkundigen, deutlich eingeschränkt.
1
So LG Berlin, MMR 2007, 401 ff.
Vgl. Erwägensgrund 14 FARL; BT-Drucks. 14/2658, S. 15.
3
Martinek, NJW 1998, 207; PWW/Medicus § 312b Rn. 2.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, Vorbemerkung §§ 312b ff, Rn. 4; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 1, 3.
2
58
Teil 1 – Grundlagen
1. Förderung des EU-Binnenmarktes
Die Bedeutung des Fernabsatzes für den Binnenmarkt wird bereits in
der FARL (Erwägensgrund 3) erwähnt. Dort heißt es, dass es für das
reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts unabdingbar sei, dass der
Verbraucher sich an ein Unternehmen außerhalb seines Landes wenden
kann, auch wenn dieses Unternehmen über eine Filiale in dem Land
verfügt, in dem der Verbraucher lebt. Eine wirkliche Förderung erfolgt
jedoch erst mit dem VRRL-E, welcher eine Vollharmonisierung im
Bereich des Fernabsatzrechtes vorsieht. Das Mindestharmonisierungsprinzip der FARL hat nicht zur Förderung des EU-Binnenmarktes beigetragen, sondern sich im Gegenteil als Hemmnis grenzüberschreitenden Handels herausgestellt.
Bislang weisen die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem
Gebiet der Verbraucherverträge ausgeprägte Unterschiede auf, die zu
merklichen Wettbewerbsverzerrungen und Hindernissen für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts führen können (Erwägensgrund 6 VRRL-E). Deshalb sollen nun EU-weit einheitliche Vorgaben
Unternehmern und Verbrauchern gleichermaßen mehr Rechtsicherheit
bieten und zum grenzüberschreitenden Handel animieren. So heißt es in
Erwägensgrund 4 VRRL-E: „Die Harmonisierung bestimmter Aspekte
des Verbrauchervertragsrechts ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, auf dem ein möglichst
ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen [...] gewährleistet
ist.“
2. Stärkung des Verbrauchervertrauens
Die Verwirklichung eines funktionierenden Binnenmarkts ist nur durch
Stärkung des Vertrauens des Verbrauchers möglich. Dies setzt einheitli1
che Rahmen und ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes voraus.
Das hohe Verbraucherschutzniveau soll durch die Verpflichtung des
Unternehmers zu einer angemessenen Aufklärung über die dem
Verbraucher zustehenden Rechte und die Einräumung eines Widerrufs2
rechts gewährleistet werden.
a) Informationspflichten
Art. 4 und 5 FARL begründen ein subjektives Recht des Verbrauchers
3
auf Informationen. Die Auferlegung von Informationspflichten des
1
2
3
Begründung VRRL-E, S. 2.
Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427.
Micklitz/Reich/Micklitz, S. 584.
C. Zwecke
59
Unternehmers ist bereits von der Verbraucherkredit-RL, der TimeSharing-RL, der Pauschalreise-RL und der Produkthaftungs-RL bekannt. Bislang tendierte der europäische Gesetzgeber dazu, den Umfang
der Informationen, den ein Unternehmer zur Verfügung stellen muss,
beständig zu erhöhen. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass der Verbraucher in einer Informationsflut versinkt und durch die Menge an Infor1
mation nicht besser sondern schlechter informiert ist. Umso begrüßenswerter ist die geplante Reduzierung der Informationspflichten
durch den VRRL-E. So hält Erwägensgrund 17 fest: „Verbraucher
sollten Anspruch darauf haben, vor dem Abschluss eines Vertrags informiert zu werden. Gewerbetreibende sollten jedoch nicht zur Information über Umstände verpflichtet sein, die sich bereits aus dem Kontext ergeben.“
Die Informationspflichten der FARL wurden vom deutschen Gesetzgeber in der BGB-InfoV umgesetzt. Durch das Prinzip der Mindestharmonisierung konnten die einzelnen Mitgliedsstaaten strengere Regelungen erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat davon Gebrauch gemacht
und vor allem die vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers erheblich ausgeweitet, indem die Vorgaben der FARLFDL auf
alle Fernabsatzverträge „sachgerecht“ erstreckt wurden. Derzeit sind
dem deutschen Verbraucher eine Fülle an Informationen zur Verfügung
2
zu stellen, wie etwa die wesentlichen Merkmale eines Produkts, die
Identität des Unternehmers und die Modalitäten der Lieferung und der
3
Zahlung, oder auch die Möglichkeit eines Beschwerdeverfahrens. Besondere Bedeutung wird hierbei der Verständlichkeit der Informationen
4
für die Verbraucher beigemessen. Neben den Informationen zum Kaufentscheidung ist der Verbraucher auch über sein Widerrufsrecht aufzuklären. Der Verbraucher, der die Informationen zur Kenntnis nimmt,
soll in den Stand versetzt werden, eine privatautonome Entscheidung zu
5
treffen, so dass Vertragsparität hergestellt wird.
Die ausreichende Aufklärung des Vertragspartners ist Gegenstand
nicht nur der FARL, sondern auch des E-Commerce-Rechts. Verbraucherschutzgesetze i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UKlaG sind auch die Vorschriften zur Anbieterkennzeichnungspflicht nach § 5 TMG, die dem
Verbraucher die Rechtsverfolgung erleichtern sollen, sowie die zivilrechtlichen Informations- und Gestaltungspflichten im elektronischen
Geschäftsverkehr nach § 312e BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV. Diese Vorschriften entstanden in Umsetzung der Art. 5, 10 und 11 der ECRL. Die
1
Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S 50.
Siehe dazu auch Teil 3 A II 3 b).
3
Vgl. Erwägungsgründe 17, 19, 47 VRRL-E.
4
vgl. Erwägungsgründe 21, 47 VRRL-E.
5
Bülow/Artz/Bülow, S. 9 Rn. 15.
2
60
Teil 1 – Grundlagen
Vorschriften gelten für alle Kunden, d.h. nicht nur für Verbraucher und
haben demzufolge einen schwächer ausgeprägten Verbraucherschutzbezug. Ziel der ECRL ist in erster Linie die Verwirklichung eines grenzenlosen Binnenmarktes und die Herstellung von Vertrauen in den elektro1
nischen Geschäftsverkehr, da die Risiken, die im Fernabsatzgeschäft
bestehen, für den elektronischen Geschäftsverkehr im Allgemeinen
2
typisch sind.
b) Widerrufsrecht
Das Widerrufsrecht bildet das Kernstück der Verbraucherrechtsregelungen im Onlinehandel. Es stellt ein hinsichtlich des Grundsatzes der
Privatautonomie sowie des pacta-sunt-servanda-Grundsatzes nicht
3
unumstrittenes Verbraucherschutzinstrument dar. Das Widerrufsrecht
ist keine „Erfindung“ des Fernabsatzrechts, sondern ein typisches Instrument des Verbraucherschutzes, welches die Stärkung der Verbraucherposition in unterschiedlichen Konstellationen bezweckt.
3. Schutz vor aggressiven Verkaufspraktiken
Dem Verbraucher ist ein Recht auf den Schutz des Privatlebens,
insbesondere vor Belästigungen durch besonders aufdringliche Kommunikationstechniken, anzuerkennen. Da die Verwirklichung solcher
aggressiven Verkaufspraktiken nach dem heutigen Stand der Technologieentwicklung erheblich erleichtert ist, bedarf es einer genauen rechtli4
chen Reglementierung der Nutzung solcher Techniken. Darin sowie in
dem Schutz vor irreführenden Verkaufsmethoden liegt ein weiterer
5
Zweck des Fernabsatzrechts. So ist nach Art. 9 FARL (§ 241a BGB)
eine Zahlungsforderung eines Unternehmers für unbestellte Waren stets
unzulässig und die Werbung durch Telekommunikationsmittel erfordert eine Einwilligung des Verbrauchers, Art. 10 Abs. 2 FARL. Diese
letzte Anforderung wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht ausdrücklich umgesetzt, was sich mit der Regelung des § 7 UWG, die Werbeanrufe ohne Einwilligung bereits als eine unzumutbare Belästigung deklariert, und der einheitlichen Rechtsprechung zur Frage nach den
6
unzulässigen Methoden des Direktmarketings erklären lässt.
1
Erwägensgrund 7 ECRL.
MünchKommBGB/Wendehorst, Vorbemerkung §§ 312b ff, Rn. 5.
Vgl. Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 76.
4
Erwägensgrund 17 FARL.
5
Lorenz, JS 2000, 833, 839; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 4.
6
MünchKommBGB/Wendehorst, Vorbemerkung §§ 312b ff, Rn. 7.
2
3
C. Zwecke
61
4. Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft
Ein weiteres Ziel des Fernabsatzrechts ist es, die Weiterentwicklung der
Informationsgesellschaft durch Popularisierung des Online-Handels zu
fördern. Einen Beitrag hierzu soll die Steigerung des Vertrauens des
Verbrauchers durch die Einräumung des Widerrufsrechts und die Normierung von umfassenden Informationspflichten des Unternehmers
leisten. Darüber hinaus ist es aber auch erforderlich, die Schaffung der
rechtlichen Normen an der Technologieentwicklung zu orientieren und
an diese anzupassen. Mit der Einführung neuer Technologien erhalten
die Verbraucher einen immer besseren Überblick über das Angebot in
der ganzen EU und zahlreiche neue Möglichkeiten, Bestellungen zu
1
tätigen. Da der grenzüberschreitende Onlinehandel im Gegensatz zum
inländischen immer noch nur ein geringes Wachstum aufweisen kann,
geht die Weiterentwicklung der Informationsgesellschaft mit der Verwirklichung des Binnenmarktes Hand in Hand.
III. Widerrufsrecht im Online-Handel
Das Herz des Fernabsatzrechts bildet das Widerrufsrechts des Verbrauchers, geregelt in Art. 6 FARL und vom deutschen Gesetzgeber in
§ 312d i.V.m. §§ 355 ff. BGB umgesetzt. Das Widerrufsrecht im Fernabsatz soll die Nachteile gegenüber dem stationären Handel ausgleichen
und dem Verbraucher ermöglichen, die von ihm ohne Inaugenscheinnahme bestellte Ware einer „Prüfung“ zu unterziehen, um dann zu
2
entscheiden, ob er sie zurückgeben will. Bei Dienstleistungen kann sich
der Kunde auch im stationären Vertrieb vorher keinen Eindruck von
der Qualität verschaffen, hier gewährt das Widerrufsrecht dem
3
Verbraucher in erster Linie eine verlängerte Überlegensfrist. Dadurch
soll den besonderen Umständen des Fernabsatzhandels Rechnung getragen werden, die dem Verbraucher keine Gelegenheit bieten, die Ware
bzw. die Dienstleistung vor seiner verbindlichen Vertragserklärung
näher zu untersuchen.
Dieser Grundgedanke lässt sich aus dem Erwägensgrund 14 der
FARL entnehmen: „Der Verbraucher hat in der Praxis keine Möglichkeit, vor Abschluss des Vertrags das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung im einzelnen zur Kenntnis zu nehmen. Daher sollte ein Widerrufsrecht bestehen [...]“. Eine „Kenntnisnahme der
Eigenschaften“ der bestellten Ware könnte allerdings durch die um1
Erwägensgrund 4 FARL.
vgl. Erwägensgrund 14 FARL; Bülow, ZIP 1999, 1293, 1294; Mankowski, CR
2001, 767, 768.
3
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 3; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1280.
2
62
Teil 1 – Grundlagen
fangreiche Belehrung durch den Unternehmer nach § 312c BGB erfolgen. Die maßgebliche Klarstellung wird vom Erwägensgrund 22 des
VRRL-E gebracht: „Da der Verbraucher im Versandhandel die Ware
nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt, sollte ihm ein Widerrufsrecht zustehen, so dass er prüfen kann, welche Beschaffenheit
die Ware hat und wie sie funktioniert.“
Damit das Widerrufsrecht nicht nur ein formales Recht bleibt, hält
Erwägensgrund 14 FARL fest, dass die einzigen Kosten, die dem Käufer
im Zusammenhang mit der Ausübung des Widerrufsrechts auferlegt
werden dürfen, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung sein dürfen.
Dem Verbraucher darf die eingeräumte Entscheidungsmöglichkeit nicht
dadurch weggenommen werden, dass ihm infolge der Ausübung des
Widerrufs zusätzliche Kosten entstehen. Eine Einschränkung des Widerrufsrechtes soll lediglich bezüglich Waren hingenommen werden, bei
denen ein solches Recht nicht zugemutet werden kann und das Schutzbedürfnis des Verbrauchers dementsprechend zurücktritt oder völlig
1
entfällt.
D. Systematik
D. Systematik
I. Informationspflichten und Widerrufsrecht
Sowohl die Informationspflichten als auch das Widerrufsrecht sind
unerlässlich, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu gewährleisten,
eine freie und informierte Entscheidung zu treffen und seine Rechte
2
wahrzunehmen. Dementsprechend ist der Verbraucher im Vorfeld der
Abgabe seiner Vertragserklärung zu informieren und nach Vertragsabschluss ist ihm die Möglichkeit zu geben, sich vom Vertrag loszulösen,
3
falls die Ware seine Vorstellungen nicht erfüllt. Daher sind die Informationspflichten und das Widerrufsrechts nicht alternativ vorgesehen,
4
sondern stehen nebeneinander.
II. Zweistufigkeit der Widerrufsinformation
Nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB hat der Unternehmer den Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung über
sein Widerrufsrecht in flüchtiger Form zu informieren und ihm diese
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 1.
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 36.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 6.
4
Hoeren/Oberscheidt, VuR 1999, 371, 379; vgl. auch Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 149 ff.
2
D. Systematik
63
Informationen nach § 312c Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB in
Textform zu bestätigen. Dies ist die Zweistufigkeit des Informationssystems. Diese folgt bereits aus der FARL, die in Art. 4 eine flüchtige vorvertragliche Unterrichtung des Verbrauchers und in Art. 5 eine textformgebundene Belehrung vorsieht, ebenso § 312c BGB und Art. 11
VRRL-E. Der Sinn der zeitlichen Staffelung, die sich sowohl auf den
1
Inhalt, als auch auf die Form bezieht, besteht darin, die im Einzelnen
erforderlichen Informationen in dem Zeitpunkt zu übermitteln, in dem
sie benötigt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, einen Hinweis im
entscheidenden Moment unter allen vorhandenen Informationen nicht
zu finden oder noch nicht erhalten zu haben. Zugleich soll eine starke
Aufsplitterung der Informationen, die der Umgang mit diesen erschwe2
ren würde, vermieden werden.
1. Flüchtige Informationen
Durch die vorvertragliche Information soll es dem Verbraucher ermöglicht werden eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss zu
treffen. Dadurch, dass die Information formlos erfolgen kann, wird den
Besonderheiten des Fernabsatzes Rechnung getragen, dass die eingesetzten Fernkommunikationsmittel eine umfassende Belehrung, wie beim
3
Abschluss eines schriftlichen Vertrages, nicht ermöglichen. Zu den
Informationen, die der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung braucht, gehört jedenfalls die Information zum Bestehen oder
Nichtbestehen eines Widerrufsrechts. Ob er auch über die Einzelheiten
des Widerrufsrecht noch vor Vertragsschluss belehrt werden muss, wie
durch § 312c Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV abweichend
von Art. 4 FARL vorgesehen ist, ist fraglich. Nach Art. 11 Abs. 4, Art.
9 VRRL-E sollen keine vorvertraglichen Informationen über Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufsrecht zur Verfügung
zu stellen sein.
2. Belehrung in Textform
Nach § 312c Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV und auch
§ 355 BGB bedarf es einer Belehrung des Verbrauchers in Textform.
Dadurch soll dieser dauerhaft über die wesentlichen Informationen zum
Inhalt und Ausübung seines Widerrufsrechts verfügen und sich so seiner
Rechte „schwarz auf weiß“ vergewissern und sich bei Bedarf beraten
1
Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 429.
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 26 f.
3
Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 429; Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 516,
318.
2
64
Teil 1 – Grundlagen
1
lassen. Nicht zuletzt aus Beweisgründen ist die dauerhafte Verfügbar2
keit der Informationen essentiell. Die Belehrung in Textform hat spätestens bei Vertragsschluss zu erfolgen, ansonsten verlängert sich die
Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB auf einen Monat. Eine In3
ternetseite erfüllt die Voraussetzungen der Textform nicht.
3. Vermischungstendenzen
Zuweilen wird vertreten, eine Textformbelehrung sei bereits „vor Abgabe der Vertragserklärung“ erforderlich, damit die Zweiwochenfrist
gelte. Eine solche Ansicht findet im Gesetz keine Stütze; sie verkennt die
im Fernabsatzrecht verankerte Systematik der Zweistufigkeit der flüchtigen Widerrufsinformation einerseits und der textformgebundenen
Belehrung andererseits. Anders als bei Verträgen über Finanzdienstleistungen gem. § 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB sieht das Gesetz beim Versandhandel keine Information in Textform vor Abgabe der Vertragserklärung vor, sondern lediglich nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1
Nr. 10 BGB-InfoV eine nicht formgebundene Information über das
Widerrufsrecht. Nach § 355 Abs. 2 BGB verlängert sich die Zweiwochenfrist auf einen Monat nicht bereits im Falle der TextformMitteilung bei sondern nach Vertragsschluss. Vielmehr wäre eine Belehrung in Textform vor Abgabe der Vertragserklärung häufig sogar sinnlos, da eine Belehrung unwirksam ist, wenn es an einem hinreichenden
4
Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft fehlt .
Zu solchen Fehldeutungen trägt auch die verwirrende Systematik der
Regelungen zum Widerrufsrecht bei. Das Gesetz knüpft bei Verbraucherverträgen in gerade beispielloser Kompliziertheit verschiedene
Rechtsfolgen an die „Mitteilung“ bestimmter Informationen durch den
Unternehmer für den Verbraucher „in Textform“. Hierbei werden die
unterschiedlichsten Formulierungen zum maßgeblichen Zeitpunkt ver5
6
7
wendet: „rechtzeitig vor“, „spätestens bei“, „nach“, bezogen auf den
8
1
Vertragsschluss, die „Abgabe von dessen Vertragserklärung“, die
2
3
Erfüllung oder die Lieferung.
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 10; Brönneke, Widerrufsrecht
und Belehrungspflichten, S. 27.
2
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c Rn. 19; Härting, Internetrecht,
S. 120.
3
Teil 3 A II 2 d).
4
Vgl. BGH, NJW 2002, 3396, 3398; Palandt/Grüneberg, § 355 Rn. 19.
5
§ 312c Abs. 1 S. 1 BGB.
6
§§ 312d Abs. 2, 357 Abs. 3 S. 1 BGB.
7
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB.
8
§§ 355 Abs. 2 S. 2, 357 Abs. 3 S. 1 BGB.
D. Systematik
65
III. Systematisches Verhältnis §§ 312c Abs. 2, 355 BGB
§ 312d BGB regelt nicht den Inhalt und die Einzelheiten der Ausübung
des Widerrufsrechts, sondern verweist auf § 355 BGB. Dieser sieht –
zur Wahrung der zweiwöchigen Frist nicht nach Vertragsschluss – eine
Belehrung in Textform vor und bestimmt deren Inhalt. Um seinen vertraglichen Informationspflichten nachzukommen, muss der Unternehmer zugleich nach § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10
BGB-InfoV den Verbraucher „spätestens bis zur Lieferung“ über Bestehen oder Nichtbestehen, Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und
Rechtsfolgen des Widerrufsrechts belehren. Daher stellt sich die Frage
nach dem systematischen Verhältnis beider Regelungen, und zwar in
doppelter Hinsicht, zum einen im Hinblick auf den Inhalt und zum
anderen im Hinblick auf den Zeitpunkt der Belehrung in Textform.
1. Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung
Der Unternehmer muss dem Verbraucher gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 2
BGB i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB-InfoV die textformgebundenen Informationen zum Widerrufsrecht bei Warenlieferungen „alsbald
… spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher“ in Textform mitteilen. Die nachvertraglichen Informationen kann der Unternehmer dem
Verbraucher also auch schon vorvertraglich erteilen, soweit hierdurch
4
nicht die Appellfunktion verloren geht. § 355 BGB hingegen nennt
keinen genauen Zeitpunkt für die Widerrufsbelehrung in Textform. Der
Unternehmer kann grundsätzlich seine Belehrungspflicht jederzeit nach
Vertragsschluss erfüllen. Allerdings ist hinsichtlich der Widerrufsfrist
auch die Vorschrift des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zu beachten, wonach
sich die Frist bei einer Belehrung über das Widerrufsrecht nach Vertragsschluss verlängert, so dass eine rechtzeitige Widerrufsbelehrung
5
vom Unternehmer faktisch erzwungen wird, will er die Sanktion der
Fristverlängerung vermeiden.
Vereinzelt wird angenommen, dass die Regelung des § 312c Abs. 2
BGB als Spezialgesetz Vorrang vor dem allgemeinen § 355 Abs. 2 BGB
6
habe. § 355 Abs. 2 BGB wolle jene Fälle regeln, bei denen eine Belehrung in Textform vor oder bei Vertragsschluss faktisch möglich sei.
1
§ 312c Abs. 1 S. 1 BGB: Erste Belehrung ohne Textformerfordernis; § 312c
Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB betr. Finanzdienstleistungen mit Textformerfordernis.
2
Erfüllung der Informationspflichten: § 312d Abs. 2 BGB.
3
§ 355 Abs. 3 S. 2 BGB.
4
Siehe hierzu ausführlich Teil 3 A II 3 c) aa).
5
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 162.
6
OLG Hamburg, MMR 2007, 660 m. Anm. Solmecke; LG Flensburg, MMR
2006, 686, 687; LG Paderborn, MMR 2007, 191; Kaufmann, CR 2006, 764, 766.
66
Teil 1 – Grundlagen
Soweit Sachverhalte bestünden, bei denen dies nicht möglich ist (z.B.
bei eBay), greife als speziellere Norm § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB ein. Das
Spezialitätsverhältnis ergebe sich bereits aus der Systematik des Gesetzes. Diese Ansicht wird jedoch überwiegend zu Recht abgelehnt. § 312c
Abs. 2 i.V.m. § 1 BGB-InfoV und §§ 355 ff. BGB regeln völlig unter1
schiedliche Problemkreise.
Die Klärung dieser Frage ist insbesondere für Vertriebsformen wie
eBay von Bedeutung, bei denen eine Textformbelehrung bei Vertragsschluss aus technischen Gründen nicht möglich ist. Um eine Gleichbehandlung mit den herkömmlichen Online-Shops zu gewährleisten, wer2
den in der Literatur unterschiedliche Lösungen vorgeschlagen. Die
Frage würde sich allerdings mit dem Inkrafttreten des neuen BGB erledigen, da der Gesetzgeber der derzeit geltenden Ungleichbehandlung
Rechnung trägt. So soll eine unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilte Widerrufsbelehrung einer bei Vertragsschluss gleich3
stehen.
2. Inhalt der Widerrufsbelehrung
Beim Vergleich der inhaltlichen Anforderungen von § 312c Abs. 2
i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV an die textformgebundene Widerrufsbelehrung fällt auf, dass gewisse Diskrepanzen bestehen. Insbesondere bedarf es nach § 355 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB keiner Belehrung
über die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts. Daher stellt sich die Frage,
ob eine doppelte Widerrufsbelehrung erforderlich ist oder den beiden
Vorschriften durch eine Belehrung Genüge getan werden kann. Die
Pflichten aus §§ 312c Abs. 2, 355 BGB stehen zwar nebeneinander,
4
können aber durch einen einheitlichen Akt erfüllt werden. Dies hat zur
Folge, dass unabhängig davon, ob § 355 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 BGB eine
Belehrung über die Rechtsfolgen oder andere Modalitäten des Widerrufs vorsieht, im Rahmen des einheitlichen Widerrufsbelehrung in Textform, die auch den Anforderungen des § 312c Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 4
5
S. 1 Nr. 1 BGB-InfoV genügen muss, stets darüber zu belehren ist.
1
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; OLG Köln, MMR 2007, 713. Vgl. Teil
3 A III 1 c).
2
Dazu Teil 3 A III 1 e).
3
BGB-RegE, BT-Drucks. 16/11643 v. 21.01.2009.
4
Teil 5 B I 1.
5
MünchKommBGB/Wendehorst, § 1 BGB-InfoV Rn. 152.
D. Systematik
67
IV. Günstigkeitsprinzip, § 312b Abs. 5
Nach § 312b Abs. 5 BGB bleiben weitergehende Vorschriften zum
Schutz des Verbrauchers von den Vorschriften über Fernabsatzverträge
unberührt (sog. Günstigkeitsprinzip). Eine solche Regelung ist nach Art.
14 FARL möglich und war schon in § 1 Abs. 4 FernAbsG enthalten.
Diese Regelung wurde allerdings bei der Integration des FernAbsG in
das BGB zunächst aufgehoben, da der Gesetzgeber der Meinung war,
dass auch ohne diese Regelung sichergestellt ist, dass eine speziellere,
aber für den Verbraucher ungünstigere Regelung des nationalen Rechts
hinter allgemeinen Fernabsatzregelungen zurücktritt. Darüber hinaus
wurde die Regelung des § 312c Abs. 4 BGB als ausreichend angesehen.
§ 312b Abs. 5 BGB wurde erst bei der Umsetzung der FARLFDL eingeführt, um das Verhältnis der fernabsatzrechtlichen Vorschriften zu
1
kollidierenden Bestimmungen ausdrücklich festzulegen.
Nach der Regelung des § 312b Abs. 5 BGB haben die Fernabsatzvorschriften auch gegenüber spezielleren Vorschriften Vorrang, die dem
Verbraucher ein geringeres Schutzniveau bieten. Beim Vergleich der
konkurrierenden Vorschriften ist dabei stets auf die betroffenen Einzel2
vorschriften abzustellen. Im Hinblick auf die Spezialvorschriften des
§ 312c Abs. 4 BGB und des § 312d Abs. 5 BGB hat § 312b Abs. 5 BGB
3
wenig praktische Relevanz, sondern eher eine klarstellende Funktion.
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 105; Bamberger/Roth/SchmidtRäntsch, § 312b Rn. 62.
2
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 62.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 106 f.
Teil 2 – Anwendungsbereich
Teil 2 – Anwendungsbereich
Ein elektronisch über einen Online-Shop geschlossener Vertrag ist,
sofern der Verkäufer Unternehmer und der Kunde Verbraucher ist,
regelmäßig ein Fernabsatzvertrag gemäß § 312b BGB, da ausschließlich
Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden, so dass der Anwendungsbereich des Widerrufsrechtes im Fernabsatz eröffnet ist. Das gilt
auch für Verträge mit Anbietern, die auf einer durch einen Dritten betriebenen Verkaufsplattform (z.B. Internet-Auktion, Shopping-Portal)
ein gewerbliches Angebot einstellen, das von einem Verbraucher angenommen wird. Nachfolgend wird untersucht, wann persönlicher und
sachlicher Anwendungsbereich im Einzelnen eröffnet sind, wann bestimmte Verträge vom Fernabsatzrecht insgesamt oder vom Widerrufsrecht ausgenommen sind.
A. Persönlicher Anwendungsbereich
A. Persönlicher Anwendungsbereich
Die Vorschriften über Fernabsatzverträge (§ 312b ff. BGB) und das
Widerrufsrecht im Fernabsatz (§ 312d BGB) finden nur Anwendung
auf Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher
abgeschlossen werden. Im Bereich des Onlinehandels mussten die Gerichte sich bereits öfter mit der Frage befassen, ob auf Käufer- oder
Verkäuferseite ein Verbraucher oder Unternehmer gehandelt hat. So
wollen einerseits Freiberufler oder Arbeitnehmer, die sich für private
Zwecke gekaufte Waren an eine Firmenadresse schicken lassen, vom
Widerrufsrecht profitieren. Andererseits wollen Mütter von vier Kindern, die über die Plattform eBay gebrauchte oder nicht mehr passende
Kinderkleidung regelmäßig verkaufen, nicht von vermeintlichen Wettbewerbern abgemahnt werden, weil sie nicht die Vorschriften zum
Widerrufsrecht und den Informationspflichten im Fernabsatz einhal1
ten.
1
Das LG Berlin, MMR 2007, 401 = NJW 2007, 2647 stufte die Mutter als Unternehmerin ein, die wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung und Schadensersatz
verurteilt werden kann, wenn Sie nicht über das Widerrufsrecht belehrt.
70
Teil 2 – Anwendungsbereich
I. Verbraucher, § 13 BGB
Art. 2 Abs. 2 FARL definiert „Verbraucher“ als „jede natürliche Person, die … zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“ So heißt es mit einer
kleinen Ergänzung auch in Art. 2 Abs. 1 VRRL-E. Hier ist von “jede[r]
natürliche[n] Person, die … zu Zwecken handelt, die nicht ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können” die Rede. Nach dem mit der FARL eingeführten § 13
BGB können Verbraucher nur natürliche Personen sein, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließen, der weder ihrer gewerblichen
noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden
kann. Sollte sich das geplante Vollharmonisierungsprinzip des VRRL-E
durchsetzen, müsste die „selbständige berufliche“ Tätigkeit in die „berufliche“ geändert werden.
1. Natürliche Person
Der Verbraucherbegriff des § 13 BGB geht weiter als die europäische
Vorgabe. Nach dem deutschen Verbraucherbegriff können im Gegensatz zum europäischen auch Arbeitnehmer Verbraucher sein, wenn sie
z.B. im Rahmen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses Fortbildungsliteratur oder Berufskleidung kaufen. Dementsprechend hat das Bundesar1
beitsgericht entschieden, dass ein Arbeitnehmer als Verbraucher gilt.
Hingegen kann nach Art. 2 Nr. 2 FARL eine Person, die zu Zwecken
handelt, die jedweder beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden können,
kein Verbraucher sein.
Juristische Personen, also zum Beispiel eine GmbH oder AG, sind im
deutschen Recht keine Verbraucher. Gleiches gilt für die den juristischen Personen gleichgestellten rechtsfähigen Personengesellschaften
wie OHG, KG oder Partnerschaftsgesellschaft.
a) Gemeinnützige Vereine und Stiftungen
Strittig ist aber, ob im deutschen Recht eine analoge Anwendung des
§ 13 BGB auf gemeinnützige Vereine in Betracht kommt. So kaufen z.B.
Sportvereine in Onlineshops Sportgeräte für die Vereinsaktivitäten.
Fraglich ist, ob hier ein Widerrufsrecht besteht. Teilweise wird eine
2
analoge Anwendung bejaht. Der deutsche Gesetzgeber habe die Problematik offensichtlich übersehen und aus den Materialien ergebe sich
kein Hinweis darauf, dass mit der Novellierung des HaustürWG eine
1
BAG, NJW 2005, 3305.
MünchKommBGB/Micklitz, § 13, Rn. 11 ff.; HK-VertriebsR/Micklitz, § 312b,
Rn. 13.
2
A. Persönlicher Anwendungsbereich
71
Verschlechterung der bisherigen Rechtslage intendiert war. Die überwiegende Meinung orientiert sich am Wortlaut und lehnt eine Analogie
1
ab. Dies ist auch deshalb überzeugend, weil unwahrscheinlich ist, dass
der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtmodernisierung Vereine
und Stiftungen gänzlich übersehen hat.
Erstrebenswert wäre jedoch, wie z.B. in Österreich geschehen, eine
2
Klarstellung durch den deutschen Gesetzgeber. In Österreich können
Idealvereine jedenfalls dann als Verbraucher behandelt werden, wenn es
sich um Organisationen mit wenigen Mitgliedern ohne organisatori3
4
schen Apparat handelt. Auch in Belgien, der Tschechischen Republik,
5
Dänemark, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Irland, Polen und Spa6
nien können juristische Personen Verbraucher sein.
b) Gesellschaften bürgerlichen Rechts
Strittig ist ebenfalls, ob auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts
Verbraucher i.S.v. § 13 BGB sein können, soweit sie durch die Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründen und
insoweit teilrechtsfähig sind. Überwiegend wird angenommen, dass eine
Teilrechtsfähigkeit nicht zum Verlust der Verbrauchereigenschaft
7
führt. Rechtsfähige Personengesellschaften werden aber im Regelfall zu
gewerblichen oder selbständigen beruflichen Zwecken tätig werden und
8
deshalb nur in Ausnahmefällen Verbraucher sein. Anderseits wird die
Auffassung vertreten, dass wer als Außen-GbR auftritt, sich nicht mehr
1
z.B. Bräutigam/Leupold/Klein, B III 3, Rn. 388 m.w.N.
MünchKommBGB/Micklitz, § 13, Rn. 14.
3
§ 1 KSchG „(1) Dieses Hauptstück gilt für Rechtsgeschäfte, an denen 1. einerseits jemand, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens gehört, (im
folgenden kurz Unternehmer genannt) und 2. andererseits jemand, für den dies nicht
zutrifft, (im folgenden kurz Verbraucher genannt) beteiligt sind. (2) Unternehmen im
Sinn des Abs. 1 Z. 1 ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Juristische
Personen des öffentlichen Rechts gelten immer als Unternehmer.“
4
Art. 1 Nr. 7 GHP: „Verbraucher: jede natürliche oder juristische Person, die
vermarktete Waren oder Dienstleistungen ausschließlich zu nicht-beruflichen Zwecken erwirbt beziehungsweise verwendet.“
5
Zwar ist nach dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 des ZGB (PL) der Verbraucherbegriff nur auf natürliche Personen beschränkt, es wird jedoch vertreten, dass auch
juristische Personen als Verbraucher auftreten können, sofern sie außerhalb ihres
gewöhnlichen Geschäftsfeldes Verträge abschließen. Vgl. Andrzejewski, Die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in Deutschland und Polen, S. 61 m.w.N.
6
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 544.
7
BGHZ 149, 80, 83; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 2; Erman/Saenger, § 13 Rn. 6;
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 13 Rn. 6; Bülow/Artz/Artz, S. 21, 26; Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 37.
8
vgl. Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 13 Rn. 6.
2
72
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
auf die Verbrauchereigenschaft berufen kann. Dies überzeugt nicht, da
die Teilrechtsfähigkeit nichts daran ändert, dass es sich nicht um juristi2
sche Personen handelt und deshalb Verbraucher sein können.
2. Privater Zweck
Die Abgrenzung zwischen privatem und unternehmerischem Handeln
ist aus ex ante – Sicht vorzunehmen und hat anhand objektiver Kriterien und nicht aufgrund der subjektiven Vorstellungen des Verbrau3
chers zu erfolgen. Der Rechtsanwalt, der über das Internet Papier für
seine Kanzlei bestellt, handelt zu einem selbstständigen beruflichen
Zweck. Wenn er sich dagegen einen Satelliten-Empfänger zur privaten
4
Nutzung an seine Büroadresse liefern lässt, handelt er als Privatperson.
Der private oder selbstständig berufliche/gewerbliche Vertragszweck
der anderen Vertragspartei muss zumindest aus dem Vertragszweck
5
oder sonstigen Umständen erkennbar sein. Aufschluss geben können
z.B. die Art der Nutzung des Kaufgegenstandes und die Rechnungsstellung. Wird ein Nutzfahrzeug gekauft und Rechnungsstellung auf eine
6
Firma verlangt, handelt es sich nicht um einen privaten Zweck. Wird
die Bestellung unter der E-Mail Adresse eines Unternehmens vorgenommen, als Lieferanschrift die Anschrift des Geschäftes angegeben
und erfolgte die Zahlung vom Geschäftskonto, lässt dies den Schluss
zu, dass die Ware für die betriebliche Tätigkeit bestimmt war. Allein die
Tatsache, dass als Besteller lediglich der Name des Kunden selbst, nicht
jedoch der Name des Gewerbebetriebs aufgeführt war, führt zu keinem
7
anderen Schluss.
Insbesondere die Zahlung über ein Firmenkonto ist ein starkes Indiz
für gewerbliches Handeln. Weniger aussagekräftig ist allerdings die
8
Lieferung an eine Firmenadresse, denn dies kann auch deshalb gewünscht sein, weil an der Privatanschrift tagsüber niemand zu Hause
ist, um Pakete entgegen zu nehmen. Anders liegt der Fall, wenn ein
1
MünchKommBGB/Micklitz, § 13 Rn. 18; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b BGB Rn. 13; wohl auch Bräutigam/ Leupold/Klein, B III 3, Rn. 393;
Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1009; anders noch: HK-VertriebsR/Micklitz,
§ 312 b, Rn. 13.
2
BGHZ 149, 80, 84 = NJW 2002, 368; Pützhoven, Verbraucherschutz, S 37.
3
MünchKommBGB/Micklitz, § 13 Rn. 30; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn.
13f.
4
AG Siegburg, NJW-RR 2005, 1583; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher,
§ 312b BGB Rn. 13.
5
MünchKommBGB/Lorenz, § 474 Rn. 23; Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 4.
6
LG Coburg, Urteil v. 24.1.2007, 12 O 611/06.
7
AG Münster, Urteil v. 6.2.2007, 6 C 4090/06; AG Münster, Urteil v. 29.8.2008,
7 C 4311.
8
AG Hamburg-Wandsbek, MMR 2008, 844.
A. Persönlicher Anwendungsbereich
73
Billardtisch per Spedition an eine Büroanschrift geliefert wird, denn hier
wäre es sehr ungewöhnlich, wenn der Besteller diesen nach Hause
transportiert, um ihn dann doch privat zu nutzen. Auch die Art des
Produktes kann gegen eine private Nutzung sprechen, so z.B. bei medizinischen Geräten oder Musikanlagen, die nicht in Wohnzimmern,
sondern nur in Diskotheken eingesetzt werden können.
a) „Dual Use“ Produkte
Der private Zweck des Geschäfts ist besonders unklar, wenn Selbständige (Architekten, Anwälte, Handwerker etc.) unter ihrem Namen und
unter der Geschäftsadresse bestellen und es sich bei den Gegenständen
um sog. „Dual Use“ Produkte handelt, bei denen sowohl eine berufliche als auch private Nutzung denkbar ist. Bestellt etwa eine freiberufliche Designerin, die von ihrer Privatwohnung aus arbeitet, eine hochwertige Designerlampe, so lässt sich nicht eindeutig bestimmen, ob dies
zu privaten oder selbständigen beruflichen Zwecken erfolgt, sondern
die Ware wird sowohl privat als auch gewerblich genutzt.
Der EuGH hat in einer Entscheidung zum Verbrauchergerichtsstand
darauf abgestellt, ob der beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spiele. Sobald der gewerbliche Zweck keine ganz untergeordnete Rolle spielt, kann sich der Käufer
nicht auf die speziellen Zuständigkeitsvorschriften der Art. 13 bis 15
1
EuGVÜ berufen. Mit Blick auf die nicht identischen Zielrichtungen des
europäischen Zivilprozessrechts und des materiellen Verbraucherrechts
ist jedoch fraglich, ob sich dieser prozessuale Verbraucherbegriff uneingeschränkt auf das materielle Fernabsatz- oder Verbrauchsgüterkauf2
recht übertragen lässt.
Im deutschen Schrifttum ist umstritten, wann in solchen Fällen das
Verbraucherschutzrecht Anwendung findet. Teilweise wird als
Verbraucherhandeln auch das Handeln einer Person in Ausübung ihres
Gewerbes verstanden, soweit atypische oder branchenfremde Nebenge3
schäfte abgeschlossen werden. Nach einer zweiten Meinung soll in
solchen Fällen stets unternehmerisches Handeln anzunehmen sein. Der
ohnehin schon weite Verbraucherbegriff müsse am Schutzzweck gemessen und in Mischfällen eng ausgelegt und Fälle des dual use stets als
4
unternehmerisches Handeln qualifiziert werden. Überwiegend wird für
die Anwendbarkeit des materiellen Verbraucherbegriffs auf den
1
EuGH, NJW 2005, 653 = EuZW 2005, 241.
Ebers, VuR 2005, 361, 365.
3
MünchKommBGB/Micklitz, § 13 Rn. 61 ff.
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 13 Rn. 12. So auch zum Verbraucherbegriff der FARL: DRB-Stellungnahme v. 15.11.2006, S. 2.
2
74
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
Schwerpunkt der Nutzung abgestellt. Dies ist zutreffend. Lässt sich –
wie im Fall der Designerin – jedoch kein Schwerpunkt ausmachen, ist
im Zweifel nach dem Schutzzweck der FARL unternehmerisches Handeln anzunehmen.
2
3
Das AG Münster und das LG Hamburg haben auf den Empfängerhorizont des Unternehmers als Vertragspartner abgestellt. Über die
Zuordnung zum privaten oder unternehmerischen Bereich entscheide
nicht der innere Wille des Handelnden, sondern der durch Auslegung
zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die auch die Begleitumstände einzubeziehen seien. Dabei sei eine Beurteilung ex ante, also bei
4
Vertragsschluss maßgeblich. In der Praxis machen daher Checkboxen
im Bestellablauf Sinn, mit deren Hilfe der Kunde angibt, ob er als
5
Verbraucher oder zu gewerblichen Zwecken bestellt. Keine für die
Erwerber transparente und klare Beschränkung des Angebots liegt allerdings vor, wenn der Hinweis „Wir verkaufen ausschließlich an Gewerbetreibende, ein Widerrufsrecht wird deshalb ausgeschlossen.“ in
6
einer AGB-Klausel unter „Garantie“ versteckt ist.
b) Existenzgründung
Unternehmer- und nicht Verbraucherhandeln liegt schon dann vor, wenn
das betreffende Geschäft im Zuge der Aufnahme einer gewerblichen oder
selbständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) geschlossen
7.
wird Da es auf den objektiven Zweck des Rechtsgeschäfts ankommt, ist
es unerheblich, ob der Verbraucher subjektiv bereits fest zu einer Existenzgründung entschlossen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die getroffene Maßnahme noch nicht Bestandteil der Existenzgründung selbst gewe8
sen ist, sondern sich im Vorfeld einer solchen bewegte.
3. Zwischenergebnis
Der deutsche Verbraucherbegriff geht weiter als der europäische, da
nach der deutschen Definition auch Arbeitnehmer Verbraucher sein
können. Sollte sich das geplante Vollharmonisierungsprinzip des
1
AG Hamburg-Wandsbek, MMR 2008, 844; OLG Celle, NJW-RR 2004, 1645;
Palandt/Heinrichs, § 13 Rn. 4 m.w.N.; AnwKomm/Ring §§ 13, 14 Rn. 31; Erman/Saenger § 13 Rn. 17; Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 42; Roßnagel/Brönneke,
§ 312b, Rn. 39.
2
AG Münster, Urteil v. 29.8.2008, 7 C 4311.
3
LG Hamburg, Urteil v. 16.12.2008, 309 S 96/08.
4
AG Münster, Urteil v. 29.8.2008, 7 C 4311.
5
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377.
6
OLG Hamm, MMR 2008, 469.
7
BGHZ 162, 253, 256 f.
8
BGH, NJW 2008, 435.
A. Persönlicher Anwendungsbereich
75
VRRL-E durchsetzen, müsste die „selbständige berufliche“ Tätigkeit in
die „berufliche“ geändert werden. Juristische Personen und rechtsfähige
Personengesellschaften sind nach deutschem Recht immer Unternehmer, anders als in vielen anderen europäischen Ländern wie Frankreich,
Spanien oder Polen. Gleiches gilt für Vereine, während bei der GbR die
Teilrechtsfähigkeit nicht zu Verlust der Verbrauchereigenschaft führt.
Schwierig ist die Lage bei sog. „Dual Use“ Produkten, bei denen sich
nicht eindeutig bestimmen lässt, ob sie zu beruflichen oder zu privaten
Zwecken genutzt werden. Der EuGH stellt hierbei darauf ab, ob der
beruflich-gewerbliche Zweck derart nebensächlich ist, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielte. Zutreffend ist auf den Schwerpunkt der Nutzung
abzustellen. Lässt sich jedoch kein Schwerpunkt ausmachen, ist im
Zweifel nach dem Schutzzweck der FARL unternehmerisches Handeln
anzunehmen.
II. Unternehmer, § 14 BGB
Der Unternehmerbegriff des § 14 BGB setzt zum einen voraus, dass es
sich um eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige
Personengesellschaft handelt. Zum anderen muss der Abschluss des
Rechtsgeschäftes in Ausübung einer gewerblichen oder selbstständigen
beruflichen Tätigkeit geschehen. Der VRRL-E spricht in Art. 2 Abs. 2
nicht mehr von „Unternehmer“, sondern „Gewerbetreibender“ und
definiert diesen als „jede natürliche oder juristische Person, die … zu
Zwecken handelt, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sowie jede
Person, die im Namen oder im Auftrag eines Gewerbetreibenden handelt“.
Das personelle Element der Definition ist ohne Bedeutung. Erfasst
werden u.a. Kleingewerbetreibende, Einzelhandelskaufleute, Angehörige der freien Berufe, Künstler, Wissenschaftler, Bauunternehmer, Werbeagenturen oder Autovermieter. Da die Norm keine Legaldefinition
der gewerblichen Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift enthält, ist auf die
Definition des Gewerbebegriffs in § 1 Abs. 2 HGB zurückzugreifen und
1
die Kriterien dem jeweiligen Kontext anzupassen.
Gewerbliches Handeln ist jede planvolle, auf gewisse Dauer angelegte
Tätigkeit am Markt. Dies wiederum setzt einen gewissen organisatori2
schen Mindestaufwand voraus . Vor Inkrafttreten des neuen § 14 BGB
sah der BGH häufig noch das Erfordernis einer Gewinnerzielungsab1
2
MünchKommBGB/Micklitz, § 14 Rn. 18; Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007.
Rohlfing, MMR 2006, 271.
76
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
sicht. Auf eine solche wird es jedoch bei gemeinschaftskonformer Aus2
legung des Begriffes nicht ankommen. Dies bestätigt auch der BGH in
seiner aktuellen Rechtsprechung: Beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474
BGB) setzt das Vorliegen eines Gewerbes und damit die Unternehmerstellung des Verkäufers nicht voraus, dass dieser mit seiner Geschäftstä3
tigkeit die Absicht verfolgt, Gewinn zu erzielen. Anknüpfungspunkt ist
die Entgeltlichkeit des Geschäfts. Auch nebenberufliche Tätigkeiten
4
fallen daher unter den Unternehmerbegriff.
1. eBay-Anbieter
Im Zuge der Konsultation über die FARL sprechen sich Verbraucherschutzorganisationen dafür aus, mit Blick auf Gepflogenheiten bei Online-Auktionen den Unternehmerbegriff auf „semi-professionals“ und
5
„intermediaries“ auszuweiten. Dies umschreibt das Problem, dass die
Grenze zwischen Verbraucher und Unternehmer auf elektronischen
Marktplätzen fließend ist. Schon angesichts seiner Größe ist dabei häufig auch der Marktplatz eBay Absatzweg der Onlinehändler und damit
auch Gegenstand der Gerichtsentscheidungen gewesen. Eine Untersuchung von „Online-Auktionen“ als spezifisches Modell ist müßig, weil
6
es kein einheitliches Auktions-Geschäftsmodell im Internet gibt. Daher
wird nachfolgend eBay als bedeutsamstes Bespiel einer Auktionsplattform näher beleuchtet.
Die Einordnung eines auf Internetverkaufsplattformen wie eBay handelnden Verkäufers zur Gruppe der Unternehmer fällt häufig schwer.
Einerseits versuchen kleinere Händler das Widerrufsrecht durch Darstellung des Geschäfts als „Privatverkauf“ zu umgehen, was möglich
ist, weil Private und Gewerbliche gleichermaßen als Verkäufer auftreten
dürfen. Gewerbliches Handeln ist nicht deshalb abzulehnen, weil der
Verkäufer weder ein Gewerbe angemeldet hat noch für die Umsatzsteu1
BGHZ 83, 382, 387; so auch: Bräutigam/Leupold/Klein, B III, Rn. 391.
Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 8; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn.
11; Palandt/Heinrichs, § 14 Rn. 2.
3
BGHZ 167, 40 = NJW 2006, 2250.
4
LG Berlin, NJW 2007, 264.
5
The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 1: “With regard to the term
“supplier”, the CCN proposes to widen the term to also include certain professional
intermediaries. The Norwegian distance selling act applies to suppliers not acting in a
commercial or professional capacity provided a professional intermediary is acting
on behalf of the supplier (section 1, paragraph 2).”
6
So kommt der Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer auf der Plattform
hood.de gemäß § 4 der Nutzungsbedingungen (http://www.hood.de/nutzungsbedingungen.htm, Stand: 4.4.2009) ganz anders zustande als bei Nutzung der Plattform
eBay.de, so dass z.B. bei hood.de ohne Weiteres die zweiwöchige Widerrufsfrist
greift.
2
A. Persönlicher Anwendungsbereich
77
1
erbesteuerung bei seinem zuständigen Finanzamt geführt wird. Auch
eine falsche Selbsteinschätzung und Einstufung als Privatverkäufer
schaden der Annahme der Gewerblichkeit nicht. Die Einordnung, ob
unternehmerisches Handeln vorliegt, ist anhand bestimmter Indizien im
Rahmen einer Gesamtwürdigung zu bestimmen. Rechtsprechung und
Literatur haben hierzu einige Kriterien herausgearbeitet.
a) „Powerseller“
Ein eindeutiges Indiz für ein gewerbliches Handeln beim Verkauf von
Artikeln über die Internetplattform eBay ist darin zu sehen, dass der
2
Anbieter sich selbst als „Powerseller“ bezeichnet oder einen (eBay-)
Shop betreibt. Richtigerweise dürfte ein Powerseller stets als Unternehmer einzustufen sein. Wer durch eine Registrierung zu erkennen gibt,
dass er als professioneller Verkäufer bei eBay wahrgenommen werden
möchte, der muss auch die sich daraus ergebenden Konsequenzen vorbehaltlos akzeptieren. Es wird solchen Verkäufern nur in Ausnahmefällen gelingen, nachzuweisen, dass der Verkauf eines Artikels privater
Natur war. Durch die Registrierung als Powerseller erweckt ein Verkäufer bei eBay den Eindruck eines professionellen Engagements und
muss sich daher – selbst wenn er kein Unternehmer wäre – wie ein
Unternehmer behandeln lassen. Hierbei sind auch die Geschäftsbedingungen von eBay auf die Teilnahme am Powerseller-Programm zu berücksichtigen, wonach die als Voraussetzung für eine Registrierung
ohnehin die Anmeldung als gewerblicher Verkäufer erforderlich ist. Die
Registrierung als Powerseller ist damit für private Verkäufer auch von
3
eBay nicht vorgesehen.
Die (freiwillige) Registrierung als „Powerseller“ ist jedoch umgekehrt
keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer Internet4
Verkaufstätigkeit als unternehmerisch, ebenso wie die – dann gegen die
eBay-AGB verstoßende – Registrierung als Privatverkäufer die Anwen5
dung des Unternehmerbegriffs aus § 14 BGB nicht ausschließt. Seit
jeher versuchen Unternehmer das Widerrufsrecht und weitere Verbraucherschutzbestimmungen auf Auktionsplattformen durch eine Wid6
mung als „privat“ zu umgehen.
1
Fischer, WRP 2008, 193; vgl. LG Mainz, NJW 2006, 783.
AG Radolfzell, NJW 2004, 3342; Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 43.
3
Meyer, K&R 2007, 572.
4
OLG Frankfurt a. M., MMR 2007, 378.
5
OLG Zweibrücken, MMR 2008, 135 = K&R 2007, 480; OLG Frankfurt a. M,
NJW 2004, 3433 = GRUR 2004, 1043.
6
Vgl. AgV-Stellungnahme v. 15.3.2000, S. 2.
2
78
Teil 2 – Anwendungsbereich
b) Anzahl der Verkäufe
Ob die Verkaufstätigkeit nachhaltig ist, ist nicht in Bezug auf die einzelne Auktion zu beurteilen, sondern auf die Planmäßigkeit und Dauer1
haftigkeit der Auktionstätigkeit insgesamt. Je häufiger ein Anbieter als
Verkäufer auftritt und je mehr er verkauft, desto eher ist er planmäßig
und auf Dauer tätig und handelt umso eher gewerblich. Werden mehrere Auktionen gleichzeitig durchgeführt, erfordert dies einen nicht unerheblichen Organisationsaufwand, welcher eher für eine gewerbliche
2
Tätigkeit spricht. Wo die zahlenmäßigen Grenzen zwischen privater
und gewerblicher Verkaufstätigkeit liegen, hat die Rechtsprechung in
einer Reihe von Urteilen zu bestimmen versucht, wobei sich eine schematische Betrachtungsweise verbietet.
3
Das LG Wien-Neustadt entschied etwa zum österreichischen Recht
einzelfallbezogen, dass wer bei eBay als Verkäufer binnen zwei Monaten 7 Motorräder (inkl. Mini-Motorräder) und 12 Mal Motorradzubehör (Helme und Stiefel) verkauft und innerhalb einer Frist von ca. 4
Monaten mindestens 16 Motorräder und 4 Mal Motorradzubehör
kauft, prima facie als Unternehmer gelte. In der deutschen Rechtsprechung wird angenommen, dass mindestens 27 Verkäufe innerhalb eines
Monats, mindestens 168 Verkäufe innerhalb eines Jahres, 484 inner4
5
halb eines Jahres , oder auch 242 Verkäufe binnen 2 Jahren auf eine
6
Verkaufstätigkeit im geschäftlichen Verkehr hindeuten. Wegen des
hohen Handelsaufkommens dürfte in diesen Fällen zu vermuten sein,
dass eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, da mit einer derartigen
Menge an Transaktionen ein erheblicher zeitlicher, organisatorischer
7
und finanzieller Aufwand verbunden ist. Auch die Versteigerung von
40 neuen Büchern innerhalb sechs Wochen rechtfertige allein die An8
9
nahme eines „geschäftsmäßigen Handels“. Das OLG Zweibrücken
hat die Durchführung von 42 Auktionen in drei Wochen als ein Indiz
für eine unternehmerische Tätigkeit des Anbieters bewertet. Das LG
Berlin sah das Angebot von 100 Artikeln innerhalb eines Monats als
10
Indiz für ein gewerbliches Handeln des Verkäufers. Das LG Mainz
1
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 392.
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 392.
3
LG Wien-Neustadt, Beschluss v. 31.10.2006, 17 R 274/06z.
4
OLG Frankfurt a. M., MMR 2007, 378.
5
OLG Hamburg, WRP 2008, 522.
6
OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 3433 = GRUR 2004, 1043.
7
Meyer, K&R 2007, 572.
8
OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2098.
9
OLG Zweibrücken, MMR 2008, 135.
10
LG Berlin, NJW 2007, 2647.
2
A. Persönlicher Anwendungsbereich
79
wertet eine Anzahl von 252 Verkäufen im Zeitraum von zwei Jahren
1
und sieben Monaten als Indiz für ein planmäßiges Handeln.
Die Tatsache, dass eine natürliche Person eine Vielzahl von Geschäften über Internetauktionen tätigt, rechtfertigt aber noch nicht die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit, solange die planmäßige Ausrich2
tung des Tätigwerdens nicht dargetan ist, z.B. bei der Veräußerung von
rein privaten Artikeln, die aus einem Nachlass stammen oder im
3
Rahmen einer privaten Haushaltsauflösung bzw. bei der Auflösung
4
5
umfangreicher privater Sammlungen. Nach Ansicht des LG Hof ist die
Vielzahl der Rechtsgeschäfte nicht das alleinige Indiz für eine Unternehmereigenschaft des Anbieters, da grundsätzlich die Möglichkeit
bestehe, dass es sich nur um private Gelegenheitsgeschäfte handele. Zu
berücksichtigen sei oftmals auch das junge Alter der Verkäufer, da es in
Kreisen junger Menschen weit verbreitet sei, Rechtsgeschäfte über das
Internet zu tätigen.
Auch das AG Gemünden a. M. verneinte eine unternehmerische Tätigkeit bei einem Verkäufer mit 150 Bewertungen, da auch bei Privat6
personen umfangreiche Verkaufsgeschäfte denkbar seien. Ebenso hat
OLG Frankfurt a. M. ein Handeln im geschäftlichen Verkehr bei 68
7
Verkäufen im Zeitraum von April 2003 bis Dezember 2003 abgelehnt.
Dauer und Umfang dieser Verkaufstätigkeit bewegen sich in einem
Grenzbereich, in dem je nach den weiteren Begleitumständen sowohl
(noch) eine private als auch (schon) eine geschäftliche Betätigung denkbar seien. Wenn aber die Zahl der angebotenen Waren derart groß ist
(z.B. eine Stempelsammlung, die über 100.000 postgeschichtliche Belege umfasst und 6 Aktenschränke füllt), dass sie ohne Neukäufe des
Antragsgegners ohne weiteres die Grundlage für ein planmäßiges, auf
eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen dar8
stellt, ist auf eine unternehmerische Tätigkeit zu schließen.
Eine einheitliche Abgrenzung zwischen Unternehmern und privaten
Verkäufern auf der Grundlage der Anzahl der Transaktionen wird
9
wegen der unterschiedlichen Sachverhalte nicht möglich sein. Voreilig
wäre daher auch der Umkehrschluss, dass schon eine geringe Zahl von
Verkäufen in einem kurzen Zeitraum grundsätzlich gegen ein gewerbli1
LG Mainz, NJW 2006, 783 = BB 2005, 2264 = MMR 2006, 51 = CR 2006,
131.
2
LG Hof, JurPC Web-Dok. 41/2004.
3
OLG Frankfurt a. M., MMR 2007, 378.
4
OLG Hamburg, WRP 2008, 522 (Ls.) = MD 2008, 1059.
5
LG Hof, JurPC Web-Dok. 41/2004.
6
AG Gemünden a.M., JurPC Web-Dok. 95/2006.
7
OLG Frankfurt a. M., MMR 2005, 458
8
OLG Frankfurt a. M., MMR 2007, 378; LG Berlin, NJW 2007, 2647.
9
Meyer, K&R 2007, 572.
80
Teil 2 – Anwendungsbereich
ches Handeln spricht. So kann z.B. der Verkauf von drei neuwertigen
Kraftfahrzeugen über einen Zeitraum von zwei Monaten durchaus als
gewerbliche Tätigkeit angesehen werden. Hier rücken andere Indizien,
wie etwa die Gewinnspanne oder die Umsatzhöhe beim Verkauf weniger hochwertiger Produkte, in den Vordergrund. Die Abgrenzung zu
lediglich privaten Gelegenheitsverkäufen ist in diesen Fällen besonders
schwierig, so dass regelmäßig weitere Indizien hinzutreten müssen, um
1
eine gewerbliche Tätigkeit des Verkäufers zu begründen.
Die Zahl der aktuell oder in der Vergangenheit eingestellten Angebote ist auch nur bedingt aussagekräftig, da bei nicht erfolgreichen Angeboten diese möglicherweise später nochmals eingestellt werden und
daher die Zahl der tatsächlich verkauften Artikel deutlich geringer sein
kann als die der angebotenen Artikel. Außerdem werden die bereits
ausgelaufenen Angebote nicht dauerhaft archiviert, so dass sich Käufer
oder Wettbewerber nur einen Überblick über die letzten Angebote des
2
Verkäufers verschaffen können.
c) Anzahl der Bewertungen
Ein Indiz für die Unternehmereigenschaft kann auch darin zu sehen
sein, dass der Betreffende bei eBay bereits eine Vielzahl von Bewertun3
gen erhalten hat. Das AG Wernigerode hat die Unternehmereigen4
schaft bei 1.378 Bewertungen, das LG Kleve bei insgesamt 600 Bewer5
tungen und 81 Verkäufen innerhalb sieben Monate, das LG Berlin bei
39 Transaktionen (einschließlich Käufen) innerhalb fünf Monate als
gegeben angenommen. Es ist zu beachten, dass die Anzahl der erhaltenen Bewertungen nicht der Zahl der tatsächlich erfolgten Verkäufe
entsprechen muss. Anderseits ist es unzulässig, automatisch davon auszugehen, dass mehr Artikel verkauft werden, als sich dies aus der Zahl
der Bewertungen ergibt. Ein mögliches „Dunkelfeld“ kann weder allgemein, noch bezogen auf einen konkreten Verkäufer abgeschätzt oder
6
7
überprüft werden. So hat das LG Hanau 25 Bewertungen im Zeitraum vom 2.1.2006 bis 20.3.2006 als ausreichend für die Unternehmereigenschaft angesehen.
Ein Anstieg der Bewertungen von 205 auf 476 innerhalb neun Monaten, sowie die Tatsache, dass der Händler auch einen eigenen eBayShop betreibt, lassen mit hinreichender Sicherheit den Schluss auf eine
1
Fischer, WRP 2008, 193.
Meyer, K&R 2007, 572;
3
AG Wernigerode, MMR 2007, 402.
4
LG Kleve, 01.09.2004, 2 O 290/04, zitiert nach juris.
5
LG Berlin, CR 2002, 371.
6
Meyer, K&R 2007, 572.
7
LG Hanau, MMR 2007, 339.
2
A. Persönlicher Anwendungsbereich
81
1
planmäßige und auf Dauer angelegte geschäftliche Tätigkeit zu. Auch
154 Bewertungen innerhalb von zwei Jahren und 3 Monaten und ein
Umsatz von 3.000 Euro in den letzten drei Monaten, sollen die Unter2
3
nehmereigenschaft begründen. Demgegenüber hat das LG Coburg
diese bei einem Anbieter mit über 1.700 Mitgliederbewertungen mit der
Begründung verneint, dass er nicht die Kriterien eines „Powersellers“
erfülle.
d) Art der verkauften Waren
Für unternehmerisches Handels kann auch ein Verkauf gleichartiger
Ware sprechen. Werden eine Vielzahl von Kleidungsstücken eines Herstellers in verschiedenen Größen als Neuware angeboten, so kann dies
4
nicht mit einem „Aufräumen des Kleiderschrankes“ erklärt werden.
Gleiches gilt für den Verkauf von Waren, bei denen in der Regel eine
5
fachkundige Beratung erforderlich ist. Ein hoher Anteil veräußerter
Neuware ist im Privatbereich ungewöhnlich und spricht daher für eine
6
unternehmerische Tätigkeit. Allerdings stellt auch im privaten Bereich
die Veräußerung von neuen Waren keine Seltenheit dar (z.B. ein neues,
aber nicht benötigtes Handy, das man für die Vertragsverlängerung
erhält und dann weiterverkauft oder bei Geschenken, die dem Beschenkten nicht gefallen, und selbst erworbenen Gegenständen, deren
7
Anschaffung später bereut wird).
Wesentliches Kriterium für die Gewerblichkeit kann auch sein, dass
ein Anbieter die angebotenen Gegenstände zum Zwecke des Verkaufs
zunächst selbst erwirbt. Jedenfalls spricht dies dann für ein gewerbli8
ches Handeln, wenn es mit einer gewissen Regelmäßigkeit geschieht.
Da auf objektive Kriterien abzustellen ist, kommt es nicht darauf an,
mit welchem Ziel die Ware gekauft wurde. Wer tatsächlich regelmäßig
Waren erwirbt und diese anschließend selbst zum Verkauf anbietet,
wird die Vermutung der Gewerblichkeit im Regelfall nicht entkräften
können. Selbst die Erklärung, die Artikel habe es im Set oder in größerer Menge günstiger gegeben, dient regelmäßig nicht der Entlastung des
Verkäufers. Eine derartige Einlassung deutet vielmehr daraufhin, dass
von Beginn an beabsichtigt war, die erworbenen Produkte wieder zu
1
OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 3433 = GRUR 2004, 1043.
AG Bad Kissingen, NJW 2005, 2463.
3
LG Coburg, CR 2007, 191 = JurPC Web-Dok. 35/2007 = K&R 2007, 106 =
MMR 2007, 399.
4
LG Hannover, WRP 2005, 1194 (Ls.); ähnlich LG Leipzig, WRP 2006, 617.
5
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 393.
6
LG Berlin, NJW 2007, 2647; LG Frankfurt, Urteil v. 08.10.2007, 2/03 O
192/07.
7
Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586.
8
LG Hanau, MMR 2007, 339; LG Berlin, NJW 2007, 2647.
2
82
Teil 2 – Anwendungsbereich
verkaufen, so dass von einem planvollen Verhalten ausgegangen wer1
den muss. Jede auf Dauer angelegte Verkaufstätigkeit, bei der zahlreiche gleichartige Waren in kurzen Abständen an- und verkauft werden,
2
ist unternehmerisch.
Aussagekräftig kann auch die Art der angebotenen Ware selbst sein.
Es gibt bestimmte Produkte, für die praktisch kein privater Markt existiert und die nur von Unternehmern angeboten werden. Beispiel dafür
sind oft hochpreisige Artikel, die zumindest in größerer Stückzahl selten
3
von Privatpersonen zum Kauf offeriert werden. So deutet das gleich4
zeitige Anbieten von mehr als einem Kfz oder von mehreren gleichar5
tigen Navigationssystemen auf eine unternehmerische Tätigkeit. Wenn
aber die Ware typischerweise für den Eigengebrauch erworben wird, ist
das ein Indiz für ein privates Handeln, auch wenn eine größere Stück6
zahl angeboten wird. Werden Waren versteigert, die normalerweise
einer intensiven Beratung bedürfen (technische Geräte, Gesundheitsprodukte etc.) oder Dienstleistungen, die in der Regel von Gewerbetreibenden erbracht werden, so sind dies Indizien für eine gewerbliche
7
Auktionstätigkeit.
e) Marketing und Verwendung von AGB
Anhaltspunkte für die Unternehmereigenschaft können weiterhin die
8
Verwendung von Werbung, die einen professionellen Eindruck macht,
9
oder das Betreiben eines eBay-Shops sein. Der Verweis auf einen Internetauftritt mit weiteren Auktionen und eine umfassende Seite mit einer
Darstellung des Versenders und seiner Angebote (sog. "mich"-Seite)
können ebenso wie die Verwendung eines Firmennamens als Mitglieds10
name Indizien für gewerbliches Handeln sein. Die Verwendung einer
Widerrufsbelehrung ist ein starkes Indiz für unternehmerisches Handeln, da in diesem Fall der Verkäufer von sich aus den unternehmeri11
schen Pflichten genügen will.
1
Meyer, K&R 2007, 572; vgl. LG Berlin, NJW 2007, 2647.
LG Leipzig, WRP 2006, 617.
Meyer, K&R 2007, 572.
4
LG Mainz, NJW 2006, 783 = BB 2005, 2264 = MMR 2006, 51 = CR 2006, 131
m. Anm. Mankowski.
5
AG Radolfzell, NJW 2004, 3342.
6
Meyer, K&R 2007, 572;
7
Fischer, WRP 2008, 193.
8
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 392.
9
OLG Hamburg, WRP 2008, 522 (Ls.); OLG Zweibrücken, MMR 2008, 135 =
K&R 2007, 480.
10
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 392; Fischer, WRP 2008, 193.
11
Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007.
2
3
A. Persönlicher Anwendungsbereich
83
Nach Auffassung des AG Detmold soll ein regelmäßiges Anbieten
von Waren über eBay unter Verwendung von AGB keine unternehmeri1
sche Tätigkeit begründen. Dem ist entgegen zu halten, dass wer sich
die Mühe macht, für eine Vielzahl von Geschäften Bedingungen zu
formulieren, davon ausgeht, dass auch eine Vielzahl von Geschäften
abgewickelt werden wird. Im Verhältnis zu den übrigen Anhaltspunkten ist die Verwendung von AGB aber als ein schwaches Indiz für eine
2
unternehmerische Tätigkeit zu werten. Das LG Mainz hat dies anders
bewertet, wenn in den AGB Klauseln enthalten sind, die typischerweise
3
nur von Unternehmen genutzt werden.
f) Umsatz
Auch schon unterhalb der Powerseller-Kriterien (monatliches Handelsvolumen von 3.000 Euro) wird vorgeschlagen, einen Indizienbeweis
zuzulassen. Als Grenze könnte hier ein Verkaufsumsatz von mindestens
1.500 Euro monatlich in den letzten drei Monaten dienen. Auch hier
kann der Verkäufer dann im Einzelfall darlegen, warum er derart hohe
Umsätze erzielt hat, ohne Unternehmer zu sein. Dieser Zeitraum ist
zwar nicht unbedingt repräsentativ. Auf einen längeren Zeitraum abzustellen, würde dem Verbraucher aber wenig helfen; er könnte nicht
selbst feststellen, ob es sich bei seinem Gegenüber um einen Unterneh4
mer handelt, da die Artikel nur so lange für den Bieter einsehbar sind.
Es ist allerdings für einen Mitbewerber schwierig, den Umsatz eines
5
Konkurrenten nachzuweisen.
g) Zahlungsart „PayPal“
Ein Indiz für die Unternehmereigenschaft könnte in dem Angebot der
6
Zahlungsart PayPal gesehen werden. Diese Ansicht übersieht jedoch,
dass insbesondere bei weltweitem Versand über eBay oftmals keine
sichere und kostengünstige Alternative an Zahlungsmitteln zur Verfü7
gung steht. Außerdem bietet PayPal ihre Leistungen ausdrücklich so8
wohl gewerblichen als auch privaten Kunden an.
1
AG Detmold, CR 2004, 859; dagegen: Schmittmann, K&R 2005, 337, 338.
Meyer, K&R 2007, 572; vgl. OLG Frankfurt a. M., GRUR 2004, 1042.
3
LG Mainz, NJW 2006, 783 = BB 2005, 2264 = MMR 2006, 51 = CR 2006, 131
m. Anm. Mankowski.
4
Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586.
5
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 392.
6
Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2587, 2588.
7
Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007.
8
https://www.paypal.com/de (Stand: 5.4.2009).
2
84
Teil 2 – Anwendungsbereich
h) Angebotsformat „Sofort Kaufen“
Auch die Verwendung der "Sofort Kaufen"-Option durch den Verkäufer spricht vordergründig eher für einen Unternehmer als dagegen. Zutreffend dürfte hier allerdings eher auf das Angebot mehrerer gleichartiger Artikel abzustellen sein, die alternativ über mehrere Auktionen
angeboten werden könnten. Das Angebot eines einzelnen Artikels mit
1
einer "Sofort-Kaufen"-Option hat keine Indizwirkung.
i) Gesamtwürdigung der Umstände
Eine zu schematische Anwendung der oben genannten Indizien verbie2
tet sich. Die Anhaltspunkte für die unternehmerische Tätigkeit sind in
ihrer Gesamtheit zu würdigen. Bei einer Erfüllung einzelner Kriterien in
3
besonders hohem Maße können die übrigen außer Betracht bleiben.
Wer einen eigenen eBay Shop mit einer beträchtlichen Anzahl von eingestellten Artikeln unterhält und darüber kontinuierlich über einen
längeren Zeitraum hinweg und mit einem nicht nur geringfügigen Verkaufserfolg am Marktgeschehen teilnimmt, wobei er mit einer Vielzahl
von Angeboten für eine unüberschaubare Menge potentieller Interessenten ständig im Internet präsent ist, ist als Unternehmer zu qualifizie4
ren.
2. Onlineshops
Nach zutreffender Ansicht verdeutlicht schon die Bezeichnung „Shop“,
dass der Betreiber unternehmerisch Produkte anbieten will. Ein Onlineshop stellt nichts anderes dar als ein virtuelles Ladengeschäft. Auch
derjenige, der in einer Innenstadt ein Geschäft betreibt, kann sich nicht
darauf berufen, er sei kein Unternehmer. An seinem Erscheinungsbild
muss sich nach § 242 BGB auch der virtuelle Händler festhalten lassen,
selbst wenn er nach objektiver Rechtslage kein Unternehmer sein soll5
te. Für die unternehmerische Tätigkeit spricht auch, dass sich die Einrichtung und Gestaltung eines Shops nur bei einer langfristigen Tätig6
keit lohnt.
Da der Umsatz und das Handelsvolumen bei Onlineshops außerhalb
der Plattform eBay jedoch nicht ohne weiteres sichtbar sind und auch
nicht zwangsläufig Kundenbewertungen abgegeben werden, ist es auch
möglich, dass eine Unternehmereigenschaft durch Einrichten eines On1
Schubert, JurPC Web-Dok. 194/2007.
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 393; Fischer, WRP 2008, 193.
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 393.
4
OLG Frankfurt a. M, K&R 2007, 585.
5
Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586.
6
Meyer, K&R 2007, 572.
2
3
A. Persönlicher Anwendungsbereich
85
lineshops vorgespiegelt wird, um wettbewerbsrechtliche Abmahnungen
aussprechen zu können. Daher besteht im Fall der Einrichtung eines
auch Verbrauchern leicht zugänglichen Online-Shops keine Vermutung
zugunsten des Inhabers, dass er auch Gewerbetreibender und damit
hinsichtlich eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches
1
prozessführungsbefugt ist.
3. Zwischenergebnis
Besonders auf elektronischen Marktplätzen wie eBay sind die Grenzen
zwischen Verbrauchern und Unternehmern fließend. Einerseits versuchen kleine Händler durch die Darstellung als Privatperson das Widerrufsrecht zu umgehen, andererseits werden Mütter von vier Kindern,
die deren gebrauchte Kleidung verkaufen, als Unternehmer eingestuft.
Diese Grenzen zwischen privater und unternehmerischer Verkaufstätigkeit hat die Rechtsprechung in einer Reihe vor Entscheidungen zu
bestimmen versucht. Ein eindeutiges Indiz für gewerbliches Handeln ist,
dass der Anbieter sich selbst als „Powerseller“ bezeichnet oder einen
(eBay-) Shop betreibt. Umgekehrt ist die Registrierung als „Powerseller“ jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Bewertung einer
Internet-Verkaufstätigkeit als unternehmerisch.
Auch sind die Anzahl der Verkäufe, Anzahl der Bewertungen sowie
auch die Gewinnspanne und die Umsatzhöhe (was vor allem bei teuren
Gütern wie etwa Autos, von denen dann jedoch nur einige wenige im
Monat verkauft werden, wichtig ist) wichtige Indizien. Aber auch die
Art der verkauften Waren kann Aufschluss über die Unternehmereigenschaft geben: So wird der Verkauf gleichartiger Neuware in der Regel
dafür sprechen. Des Weiteren wird der Professionalität von Marketing
und Werbung sowie der Verwendung einer Widerrufsbelehrung oder
von AGB (eher schwaches Indiz) eine Indizwirkung beigemessen. Ob
auch die Verwendung der Zahlungsart PayPal auf einen Unternehmer
hindeutet, ist strittig und wird überwiegend verneint, da PayPal seine
Leistungen sowohl gewerblichen als auch privaten Kunden anbietet.
Die Anhaltspunkte für die unternehmerische Tätigkeit sind in ihrer
Gesamtheit zu würdigen.
Da bei Onlineshops der Umsatz und das Handelsvolumen nicht ohne
weiteres sichtbar sind, kann von einem Onlineshop nicht ohne weiteres
auf einen Unternehmer geschlossen werden. Daher besteht keine Vermutung zugunsten des Inhabers, dass er auch Gewerbetreibender und
damit hinsichtlich eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruches prozessführungsbefugt ist.
1
OLG Jena, MMR 2005, 184 = WRP 2005, 244.
86
Teil 2 – Anwendungsbereich
III. Beweislast
1. Nachweis des privaten Zwecks
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt im Streitfall derjenige die Darlegungs- und Beweislast, der sich auf den Tatbestand einer ihm günstigen
Rechtsnorm beruft. Deshalb muss grundsätzlich der Verbraucher darlegen und beweisen, dass die Verbraucherschutzvorschriften in seinem
1
Fall eingreifen. Häufig werden verschiedene Bestellplattformen für
Privatanwender, Unternehmen, Öffentliche Auftraggeber etc. zur Verfügung gestellt. In einer einfacheren Variante werden auf der Bestellseite einer einheitlichen Oberfläche Checkboxen verwendet, mittels derer
der Kunde erklären kann, er bestelle zu gewerblichen Zwecken.
Die Angabe einer gewerblich genutzten Lieferadresse schadet aber
dann nicht der Zuordnung einer Bestellung zu privaten Zwecken, wenn
die Voraussetzungen für die Nutzung des Kaufgegenstandes im Gewerbebetrieb nicht vorliegen und die mögliche Angabe eines Feldes „Ge2
3
werbetreibender“ nicht erfolgte. Der BGH entschied allerdings, dass
sich der Verbraucher nicht auf die Verbrauchereigenschaft berufen
könne, wenn er beim Abschluss des Kaufvertrags einen gewerblichen
Verwendungszweck der Kaufsache vortäuscht.
2. Nachweis der Unternehmereigenschaft
Die Beweislast für die Unternehmereigenschaft liegt zwar ebenfalls nach
den allgemeinen Regeln beim Verbraucher, weil dieser sich auf die für
4
ihn günstige Tatsache beruft. Das LG Mainz sieht bei einer hohen
Anzahl von Verkäufen (mindestens 252 im Zeitraum von 2 Jahren und
7 Monaten) und der Selbstbezeichnung als Powerseller jedoch einen
5
Beweis ersten Anscheins für die Unternehmereigenschaft.
a) Beweislastumkehr
Das Urteil wurde vom OLG Koblenz im Ergebnis bestätigt, das sogar
von einer Beweislastumkehr ausgeht: Wer im Internet-Auktionshaus
eBay als „Powerseller“ auftritt, müsse im Streit, ob ein Fernabsatzvertrag geschlossen wurde, beweisen, dass er kein Unternehmer i. S. v.
1
BGH, NJW 2007, 2619. MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 20;
Schmittmann, K&R 2004, 361, 362.
2
AG Siegburg, NJW-RR 2005, 1583.
3
BGH NJW 2005, 1045 = BB 2005, 626.
4
Härting, Internetrecht, Rn. 412.
5
LG Mainz, NJW 2006, 783 = BB 2005, 2264 = MMR 2006, 51 = CR 2006, 131
mit zustimm. Anm. Mankowski.
A. Persönlicher Anwendungsbereich
87
§ 14 BGB ist. Die Besonderheiten derartiger Geschäfte rechtfertigten
1
eine Beweislastumkehr zu Gunsten des Verbrauchers. Dieser Ansicht
2
haben sich weitere Gerichte angeschlossen. Dies scheint angesichts der
klaren gesetzlichen Beweislastverteilung jedoch zu weitgehend.
b) Beweis ersten Anscheins
Ein Anscheinsbeweis in Konstellationen wie die vom LG Mainz beurteilte ist hingegen sachgerecht. Powerselling setzt einen Mindestumsatz
voraus, den Privatpersonen kaum erzielen werden, so dass ein typischer
Geschehensablauf vorliegt. Da der Verbraucher kaum Einblick in die
Interna seines Vertragspartners hat, könnte anderenfalls der Verbrau3
cherschutz leer laufen. Anders als bei Einrichtung eines eigenen OnlineShops ist anhand einer einzelnen eBay-Artikelbeschreibung und einer
Bestätigungs-E-Mail von eBay nicht schon durch die äußere Geschäftseinrichtung und die Gestaltung der betrieblichen Abläufe einfach
feststellbar, dass der Verkäufer Unternehmer ist. Der Powerseller-Status
bedeutet hingegen per definitionem eine Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Betätigung, was stark gegen einen gelegentlichen Privatverkauf spricht.
Gleichwohl muss jedoch dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt
werden, darzulegen, dass er ausnahmsweise trotz des Umfangs seiner
Aktivitäten nicht gewerblich tätig ist. In dieser Konstellation dürfte es
angemessen sein, von einem Beweis des ersten Anscheins für eine unternehmerische Tätigkeit auszugehen und vom Verkäufer zu verlangen,
4
den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Der Verkäufer kann diesen Anscheinsbeweis erschüttern, er muss jedoch keinen Vollbeweis des Gegenteils führen. Denkbar wäre hier beispielsweise eine Erbschaft oder
die Auflösung einer Sammlung die zu einer einmaligen Häufung von
Verkäufen führt.
c) Indizienbeweis
Eine andere Ansicht stellt auf das Vorliegen eines Indizienbeweises ab.
Anhand des Indizes der Häufigkeit von Auktionen könne auf das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „gewerbliches Handeln“ nach § 14
BGB geschlossen werden. Der Indizienbeweis sei dem Anscheinsbeweis
1
OLG Koblenz, VuR 2006, 22 = MMR 2006, 236 m. Anm. Mankowski. Eine
Beweiserleichterung durch Übertragung des Rechtsgedankens aus § 344 HGB befürwortet Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 39.
2
OLG Frankfurt a .M., NJW 2005, 1438; OLG Karlsruhe, WRP 2006, 1038;
OLG Zweibrücken, MMR 2008, 135 = K&R 2007, 480 = WRP 2007, 1005 = CR
2007, 681 (Ls.).
3
Mankowski, MMR 2006, 236, 237.
4
Meyer, K&R 2007, 572.
88
Teil 2 – Anwendungsbereich
vorzuziehen und am besten geeignet, dem Verbraucher den Nachweis
der Unternehmereigenschaft zu erleichtern. Der Verkäufer kann diesen
Indizienbeweis jedoch durch substanziiertes Bestreiten erschüttern. In
diesen Fällen fehlt es an der für eine Unternehmertätigkeit erforderlichen Nachhaltigkeit. Liegen die Zahlen unter den üblichen Grenzen, so
kann sich in Zusammenschau mit anderen Indizien die Unternehmerei1
genschaft ebenfalls ergeben.
d) Keine Beweiserleichterungen
Eine letzte Meinung lehnt jegliche Beweiserleichterung für den
Verbraucher ab. Der Verbraucher werde regelmäßig in der Lage sein,
bestimmte Angaben über seinen Vertragspartner einzuholen, die sich
aus dem Internet bzw. dem eBay-Angebot selbst ergeben. Hier könne er
ablesen, ob sein Vertragspartner bereits als Powerseller registriert ist
oder wie viele Bewertungen dieser erhalten hat. All diese Tatsachen
lassen sich in den Prozess einführen, ohne dass damit Beweiserleichterungen oder Indizwirkungen verbunden sein müssen. Wenn die andere
Prozesspartei nun bestreiten sollte, Unternehmer zu sein, wird dies
sicherlich nur durch substanziierten Sachvortrag möglich sein, und
zwar dergestalt, dass der (vermeintliche) Unternehmer seiner ihm dann
obliegenden sekundären Behauptungslast genügt. Nach den Maßstäben
von Treu und Glauben würde einfaches Bestreiten nicht ausreichen,
stattdessen müsse die Partei im Einzelnen darlegen, die von ihr bestrit2
tene Behauptung sei unrichtig.
3. Zwischenergebnis
Nach allgemeinen Grundsätzen muss der Verbraucher darlegen und
beweisen, dass die Verbraucherschutzvorschriften in seinem Fall eingreifen, einschließlich der Tatsache, dass sein Vertragspartner Unternehmer ist. Bei einer hohen Anzahl von Verkäufen und der Selbstbezeichnung als Powerseller ist eine Beweiserleichterung zu Gunsten des
Verbrauchers sinnvoll. Ein Anscheinsbeweis ist in solchen Konstellationen sachgerecht. Powerselling setzt einen Mindestumsatz voraus, den
Privatpersonen kaum erzielen werden, so dass ein typischer Geschehensablauf vorliegt. Da der Verbraucher kaum Einblick in die Interna
seines Vertragspartners hat, könnte anderenfalls der Verbraucherschutz
leer laufen. Gleichwohl muss dem Verkäufer die Möglichkeit eingeräumt werden, darzulegen, dass er ausnahmsweise trotz des Umfangs
seiner Aktivitäten nicht gewerblich tätig ist.
1
2
Szczesny/Holthusen, NJW 2007, 2586; so auch Fischer, WRP 2008, 193.
Rohlfing, MMR 2006, 271.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
89
B. Sachlicher Anwendungsbereich
B. Sachlicher Anwendungsbereich
I. Vertrag über Waren oder Dienstleistungen
Gegenstand eines Fernabsatzvertrages muss die Lieferung von Waren
oder die Erbringung von Dienstleistungen sein.
1. Vertrag
Zunächst muss überhaupt ein Vertrag geschlossen werden. Allein die
Kostenfreiheit eines Angebotes ist kein ausreichendes Indiz dafür, dass
ein Vertrag nicht zustande kommt. Für die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechtes kommt es auf das Vorhandensein eines Rechtsbindungswil1
lens der Parteien an. Übersendet der Händler einen kostenlosen Katalog, wird hiermit ein Vertrag noch nicht zustande kommen; gleichwohl
gilt schon für die Anbahnungsphase das Fernabsatzrecht (Informati2
onspflichten). Übersendet der Händler eine kostenlose Ware, hat der
Verbraucher gleichwohl ein Interesse daran, die Identität des Unternehmers und die Eigenschaften der Ware zu kennen, etwa um im Falle
mangelbedingter Schäden gegen den Unternehmer vorzugehen, so dass
Rechtsbindungswille anzunehmen und auch nach dem Schutzzweck des
Gesetzes Fernabsatzrecht anwendbar ist.
2. Waren
Waren sind alle beweglichen Güter, die Gegenstand eines Handelsgeschäfts sein können, auch nicht verkörperte Gegenstände wie Strom,
3
Gas, Wasser oder Fernwärme, Nach einhelliger Meinung ist auch
4
Software auf einem Datenträger eine Ware. Umstritten ist hingegen die
Einordnung von Software, Musik, Videos, eBooks oder sonstigen Dateien, die im Wege des Downloads erworben werden. Überwiegend
wird auch der Download zutreffend als Warenlieferung eingestuft, weil
es keinen Unterschied macht, ob Dateien durch einen körperlichen
5
Datenträger oder über das Internet übertragen werden. Die Differen1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 27.
BGH, Bechluss v. 18.3.2009 – VIII ZR 149/08; Palandt/Grüneberg, § 312b Rn.
10; Buchmann/Hirschmann, N&R Beilage 1/2009, 1, 3 f.; a.A. MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312b Rn. 32.
3
So auch Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 39.
4
Härting, Fernabsatzgesetz, § 1 Rn. 53; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch,
§ 312b Rn. 8.
5
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 28; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b
Rn. 31; Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 16; Ende/Klein, Grundzüge des Vertriebs2
90
Teil 2 – Anwendungsbereich
zierung zwischen Waren und Dienstleistungen ist praktisch bedeutsam,
weil das Erlöschen bzw. Nichtbestehen des Widerrufsrechtes nach
§ 312d Abs. 3 und 4 BGB von der Einordnung abhängt. Das Bundesjustizministerium ordnet nun anders als früher Downloads im Gestaltungshinweis 9 der Muster-Widerrufsbelehrung nicht mehr als Dienst1
leistung ein.
3. Dienstleistungen
Dienstleistungen, die in dieser Arbeit nicht näher untersucht werden,
sind nach der Begründung zum Regierungsentwurf des FernAbsG
„Dienst-, Werk-, Geschäftsbesorgungsverträge aller Art … wenn sie in
2
der besonderen Form des Fernabsatzes vermarktet werden“. Der
Dienstleistungsbegriff ist gemeinschaftskonform weit auszulegen mit
dem Ergebnis, dass nicht etwa nur Verträge nach § 611 BGB oder nur
Dienst-, Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge, sondern sämtliche
nur denkbaren Services (z.B. Miet-, Makler-, Partnerschaftsvermittlungs-, Bürgschafts-, (Rechts-) Beratungs-, Mobilfunk-, Hosting-, Provider-, Datenbank-, Content-Nutzungs-, Lotterie-Vermittlungs-Verträge
etc.) Dienstleistungen sind. Der Begriff hat ebenso wie der Dienstleistungsbegriff aus Art. 50 EGV eine Auffangfunktion. Dienstleistungen
sind daher alle Arten von geldwerten Leistungen, die nicht in der Liefe3
rung einer Ware bestehen. Ein Anwalt, der via E-Mail kontrahiert, ist
ebenso zur Einhaltung der Informationspflichten und Beachtung des
4
Widerrufsrechtes verpflichtet wie der Anbieter von E-Mail-Accounts.
Nicht erforderlich ist, dass auch die Erbringung einer Dienstleistung
im Fernabsatz erfolgt, da Art. 2 Abs. 1 FARL auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses und nicht auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung
rechts im Internet, S. 133; Härting, Fernabsatzgesetz, § 1 Rn. 53f; Lorenz, JuS 2000,
833, 840. Dazu ausführlich Teil 2 D V 3.
1
Gestaltungshinweise zu Anlage 1 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV bzw. Art. 246
§ 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB-RegE: Fassung seit 1.4.2008: (9) Bei einem Widerrufsrecht
gemäß § 312d Abs. 1 BGB ist hier folgender Hinweis aufzunehmen: „Bei einer
Dienstleistung erlischt Ihr Widerrufsrecht vorzeitig, wenn Ihr Vertragspartner mit
der Ausführung der Dienstleistung mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vor Ende
der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie diese selbst veranlasst haben.“ Demgegenüber die Fassung bis 31.3.2008: (8) Bei einem Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 1
BGB ist hier folgender Hinweis aufzunehmen: „Ihr Widerrufsrecht erlischt vorzeitig,
wenn Ihr Vertragspartner mit der Ausführung der Dienstleistung mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung vor Ende der Widerrufsfrist begonnen hat oder Sie diese selbst
veranlasst haben (z. B. durch Download etc.).“
2
BT-Drucks. 14/2658, S. 30.
3
Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 18; Palandt/Grüneberg, § 312b Rn. 10c.
4
Ausführlich zur Anwaltsdienstleistung: Bürger, NJW 2002, 465.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
91
1
abstellt. Es soll der Verbraucher geschützt werden, der vor Abschluss
des Vertrages keine Möglichkeit hat, sich ein Bild von dem Unternehmer zu machen oder die Dienstleistung nicht im Einzelnen zur Kenntnis
2
nehmen kann. Dem Dienstleister steht es frei, den Verbraucher nicht
bereits über eine Internetbestellung zu binden, sondern den Vertrag mit
einer Internet-Werbung lediglich anzubahnen, aber vor Ort schließen.
Auch kann er mit der Leistungserbringung bis zu Ablauf der Widerrufsfrist warten oder das Einverständnis des Verbrauchers mit vorherigem
3
Beginn der Dienstleistung einholen, so dass das Widerrufsrecht erlischt.
II. Ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln
Voraussetzung für die Anwendung des Fernabsatzrechts ist nach
§ 312b Abs. 1 BGB, dass der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wird.
1. Fernkommunikationsmittel
Beim Onlinehandel werden regelmäßig ausschließlich oder in Kombination Telemediendienste, Telefonanrufe, Faxe, Briefe oder Paketsendungen eingesetzt. Alle Verträge, die ausschließlich über das Internet angebahnt und abgeschlossen werden, werden ohne weiteres von § 312b
BGB erfasst. Internet-Angebote mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit
(z.B. Online-Shops, eBay-Auktionen) waren als Teledienste i.S.v. § 2
4
Abs. 2 Nr. 5 TDG zu qualifizieren. Das Regelbeispiel sollte nach dem
Willen des Gesetzgebers das „breite Spektrum wirtschaftlicher Betätigung mittels der neuen Dienste“ erfassen, z.B. elektronische Bestell5
und Buchungskataloge, Beratungsdienste etc.
TDG und MStV wurden zum 1.3.2007 durch TMG und RStV ersetzt.
Telemedien sind nun in § 1 Abs. 1 S. 1 TMG legal definiert als „alle
elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie
nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der
Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen,
telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 RStV sind“. Der Gesetzgeber hat zwar die Begriffe „Teledienst“ und „Mediendienst“ in § 312b Abs. 2 BGB nicht durch „Tele1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 11; Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 48; Bürger, NJW 2002, 465, 466.
2
a.A. AG Wiesloch, JZ 2002, 671.
3
Änderung mit BesVert-RegE (BGBl. I 2009, S. 2413).
4
So auch Hoeren/Sieber/Holznagel/Kibele, Teil 5 Rn. 68, die Homepages sonst als
Mediendienste einordneten.
5
TDG-RegE, BT-Drucks. 13/7385, S. 19.
92
Teil 2 – Anwendungsbereich
mediendienste“ ersetzt, Telemediendienste sind aber selbstverständlich
ebenfalls Fernkommunikationsmittel i.S.v. § 312b Abs. 2 BGB.
Telemediendienste sind auch die im Onlinehandel vorkommenden Informationen über Waren- und Dienstleistungsangebote ohne automatische Bestellfunktion. Erfolgt der Vertragsschluss durch eine Kombination verschiedener Fernkommunikationsmittel, z.B. Katalogversand und
E-Mail-Bestellung, Werbung auf einer Website und Bestellung per Telefon, Ausdruck und Versand eines online ausgefüllten Faxformulars mit
Vertragsannahme durch Paketversand etc., liegt zweifellos ein Vertragsschluss im Fernabsatz vor.
2. Ausschließliche Verwendung
Fernabsatzverträge müssen unter ausschließlicher Verwendung von
Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden. Nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 1 BGB könnte auch ein Fernabsatzvertrag vorliegen, wenn vor dem Vertragsschluss Verhandlungen unter persönlicher
Anwesenheit der Parteien stattgefunden haben. In solchen Fällen ist der
Verbraucher jedoch nicht schutzfähig, weil er sich ein Bild vom Unternehmer machen konnte. Nach einhelliger Meinung sind daher die Regeln über Fernabsatzgeschäfte grundsätzlich nicht anwendbar, wenn im
Verlauf des Kontinuums von der Anbahnung des Vertrages bis zum
Vertragsschluss selbst ein direkter Kontakt zwischen den vor Ort
1
gleichzeitig körperlich anwesenden Vertragsparteien stattgefunden hat.
Von diesem Grundsatz muss aber in Einzelfällen abgewichen werden,
um dem Schutzzweck des Fernabsatzrechts gerecht zu werden.
a) Kontakt bei der Vertragsanbahnung auf Initiative des Verbrauchers
Die Verneinung der Anwendung von Fernabsatzrecht ist sachgemäß,
wenn sich ein Verbraucher umfassend über das Produkt (z.B. ein Notebook) im Ladenlokal des Unternehmers informiert und die Ware anschließend über dessen Online-Shop bestellt, etwa um Kosten zu sparen, weil das gleiche Produkt im Internet zuweilen günstiger verkauft
wird als im Ladenlokal. Wenn der Verbraucher die Ware vor Abgabe
seiner Vertragserklärung in Augenschein nehmen konnte, ist es unangemessen und entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Fernabsatzrechts, dem Unternehmer die Informationspflichten des § 312c BGB
aufzubürden und dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß § 312d
2
an die Hand zu geben. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Verbraucher
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 44; MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312 b, Rn. 46; Marx, WRP 2000, 1227, 1229; Reich, EuZW 1997,
581, 583.
2
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 44.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
93
den Unternehmer oder einen Vertreter persönlich kennen gelernt hat
oder ob Vertragsverhandlungen stattgefunden haben. Der Verbraucher
kann sich durch Besichtigung des Ladenlokals und der Ware einen
ebenso guten, wenn nicht besseren Eindruck von den potenziellen Risiken der Transaktion verschaffen.
b) Kontakt bei der Vertragsanbahnung auf Initiative des Unternehmers
Allerdings sind auch Vertriebsformen denkbar, bei denen das Schutzbedürfnis des Verbrauchers nicht entfällt, weil es an der Qualität des
persönlichen Kontakts im Vorfeld mangelt. Genannt wird der Fall eines
kurzen Vertreterbesuchs vor dem Distanzgeschäft, bei dem der
1
Verbraucher keine Möglichkeit hat, die Ware zu prüfen. Nach der
Interpretation, dass während des gesamten Kontinuums kein persönlicher Kontakt stattfinden darf, wäre bereits der geringste, auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Kontakt unter physischer Anwesenheit beider Vertragsparteien zum Ausschluss der Anwendbarkeit der
Fernabsatzvorschriften führen, obwohl das Informations- und Schutz2
bedürfnis des Kunden nicht zwingend entfallen ist. Daher wird dafür
plädiert, den Begriff der „Ausschließlichkeit“ in solchen Fällen teleolo3
gisch zu reduzieren.
Abgesehen davon, dass solche Fälle eher im Bereich der Haustürsituationen und nicht im Onlinehandel vorkommen dürften, kann jedoch
nicht mit hinreichender Sicherheit eine Grenze benannt werden, bei
deren Überschreitung das Fernabsatzrecht keine Anwendung mehr
4
findet. Solche Konstellationen können vielmehr über § 312f S. 2 BGB
gelöst werden, wonach ein Umgehungstatbestand vorliegt, wenn der
Unternehmer nur deshalb Kontakt aufnimmt, um die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten und das Widerrufsrecht zu umgehen. Daher
führt – abgesehen von Umgehungsfällen – jede Form des persönlichen
Kontakts im Zeitraum der Vertragsanbahnung dazu, dass ein Wider5
rufsrecht im Fernabsatz nicht besteht.
c) Einsatz von Vertretern und Boten des Unternehmers bei Vertragsschluss
Hat die Vertragsanbahnung ausschließlich über die Distanz und ohne
jeglichen persönlichen Kontakt stattgefunden, kann es vorkommen,
1
Ring, Fernabsatzgesetz, § 1 Rn. 25; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2054.
Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2054; krit. auch Micklitz/Reich, BB 1999, 2094.
3
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 46; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn.
62.
4
Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 40.
5
Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 40; Gößmann, MMR 1998, 88, 89; Grigoleit,
NJW 2002, 1151, 1152; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1275.
2
94
Teil 2 – Anwendungsbereich
dass bei Vertragsschluss Personen wie Vertreter oder Boten eingesetzt
werden. Zwar kann bei einer Kontaktaufnahme und persönlicher Verkaufsberatung durch einen Boten oder Stellvertreter, also schon im
Rahmen der Vertragsanbahnung, nicht von einem Vertragschluss ohne
1
gleichzeitige Anwesenheit der Parteien ausgegangen werden. An der
ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln fehlt es
auch bei Einschaltung eines Stellvertreters bzw. vertretungsberechtigten
2
Boten, der den bis dahin offenen Vertrag rechtsgültig schließt.
Fraglich ist jedoch, ob dies auch gilt, wenn die Person auf Seiten des
Unternehmers nur dazu eingesetzt wird, die Ware zu übergeben, Unterschriften einzuholen o.ä., ohne dass noch die Möglichkeit bestünde,
über Konditionen zu verhandeln oder den Vertragsschluss abzulehnen.
Denkbar wäre z.B., dass der Unternehmer den Zusteller im Rahmen der
Versandarten Nachnahme, Eigenhändig, Identitäts- und Altersprüfung
3
oder Abliefernachweis beauftragt, „Papiere“ unterschreiben zu lassen,
die dem Verbraucher unter Zeitdruck zusammen mit der Ware vorgelegt werden. Entpuppen sich diese Dokumente als Vertragsangebot
samt Widerrufsbelehrung des Unternehmers, vertreten durch den Zusteller, und nimmt der Verbraucher dieses Angebot vis-à-vis des Postboten an, könnte nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 1 BGB die Anwendung von Fernabsatzrecht ausgeschlossen sein, weil in der
Kontrahierungsphase ein persönlicher Kontakt der Parteien vorliegt.
Der Verbraucher hat hier allerdings weder Gelegenheit, die Ware zuvor oder im Moment der Begegnung mit dem Boten in Augenschein zu
nehmen noch den Unternehmer kennenzulernen, denn der Zusteller ist
nichts weiter als ein Überbringer von Waren und Papieren, jedoch kein
Repräsentant des Händlers, der weder in der Lage noch damit beauftragt ist, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere
Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung zu geben. Der
Schutzzweck des Fernabsatzrechts entfällt also nicht.
aa) Der Fall mobilcom AG und die Lösung des BGH
Die Rechsprechung hatte einen Fall zu entscheiden, in dem die mobilcom AG einen Mobilfunkvertrag unter Umgehung von Informationspflichten und Widerrufsrecht zustande kommen lassen wollte. Das
Unternehmen beauftragte die Deutsche Post AG mit der Einholung der
Unterschrift des Verbrauchers unter das vom Kunden über die Distanz
1
vgl. Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 67; Härting, Fernabsatzgesetz, § 1 Rn.
38.
2
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335.
Diese Zustellarten bietet z.B, DHL. DPD bietet z.B. Nachnahme, Austausch oder
ID-Check. Optionale Leistungen von GLS sind u.a. Pick&Return-Service,
Pick&Ship-Service, Cash-Service und Exchange-Service.
3
B. Sachlicher Anwendungsbereich
95
angeforderte Mobilfunk-Vertragsformular im Wege des – damals aktuellen – „Postident 2-Verfahrens“. Nach Ansicht des OLG Schleswig
kommt der Vertrag bei dieser Vorgehensweise schon dadurch zustande,
dass der Anbieter die Ware nach der Internet-Bestellung des Kunden
1
aussondert und auf den Weg zum Empfänger bringt.
2
Laut BGH liegt hingegen der Einsatz von Fernkommunikationsmitteln vor, so dass der Verbraucher durch ein Widerrufsrecht geschützt
ist. Der Schutzzweck der §§ 312b bis 312d BGB gebiete es, es als Einsatz von Fernkommunikationsmitteln zu bewerten, wenn bei Vertragsschluss oder -anbahnung ein Bote beauftragt wird, der zwar dem
Verbraucher in unmittelbarem persönlichen Kontakt gegenübertritt,
jedoch über den Vertragsinhalt und insbesondere über die Beschaffenheit der Vertragsleistung des Unternehmers keine näheren Auskünfte
geben kann und soll. Die Fernabsatzvorschriften sollten zwei für Distanzgeschäfte typische Defizite ausgleichen, nämlich dass der Verbraucher vor Abschluss des Vertrags die Ware oder die Dienstleistung nicht
prüfen und er sich an keine natürliche Person wenden kann, um weitere
3
Informationen zu erlangen.
Diese Defizite vermöge eine Person, deren Rolle sich auf die Botenfunktion in dem fallgegenständlichen engen Sinn beschränkt, trotz ihrer
körperlichen Anwesenheit nicht zu beheben. Der Verbraucher sei in
diesen Fällen ebenso schutzwürdig wie bei einem Vertragsschluss durch
den Austausch von Briefen, bei dem er dem Post- oder Kurierboten
nicht notwendig persönlich gegenübersteht. In diesen Fällen sehe das
Gesetz ausdrücklich die Anwendbarkeit der Schutzvorschriften des
4
Fernabsatzrechts vor.
Der BGH hat sich somit zu einer wertenden Ausfüllung des Begriffs
des „Fernkommunikationsmittels“ i.S.d. § 312c Abs. 1 S. 1, Abs. 2
5
BGB bekannt. Eine Qualifizierung des Postboten als ein Fernkommunikationsmittel i.S.d. Art. 2 Nr. 4 und Anhang I der Fernabsatzrichtlinie ist allerdings nicht unproblematisch. In Anhang I findet sich eine
beispielhafte Aufzählung von Fernkommunikationsmitteln, die ein
gemeinsames Merkmal haben: dem Verbraucher steht zu keinem Zeitpunkt eine natürliche Person, die auf der Seite des Unternehmens han1
OLG Schleswig, NJW 2004, 231; a. A. die Vorinstanz LG Flensburg, 16. 11.
2001 – 4 O 128/01.
2
BGH NJW 2004, 3699 = MMR 2005, 44 = CR 2005, 126 = BB 2004, 2599 mit
zustimmender Anm. Fischer; zustimmend ferner Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 55.
3
BGH NJW 2004, 3699, 3700; BGHZ 154, 239, 242f. = NJW 2003, 1665;
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 24.
4
BGH NJW 2004, 3699, 3700 unter Verweis auf die Begründung FernAbsGRegE v. 9. 2. 2000, BT-Dr 14/2658, S. 31 [zu § 1 II].
5
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 50.
96
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
delt, körperlich gegenüber. Es wird also nicht auf Qualität und Umfang der übermittelten Informationen oder Kompetenz und Befugnisse
des Kommunikationspartners abgestellt. Hier dürften sich in der Praxis
auch keine trennscharfen Linien ziehen lassen. Die Einschaltung von
Boten passt nicht zum spezifischen Schutzzweck des Fernabsatzrechts
2
bzw. der Fernabsatzrichtlinie.
Es stellt sich also die Frage, wie der Schutz des Verbrauchers durch
die fernabsatzrechtlichen Mechanismen gleichwohl aufrecht erhalten
werden kann, wenn der persönliche Kontakt nach der Internetbestellung des Kunden nur eingesetzt wird, um den Anwendungsbereich des
Fernabsatzrechts zu umgehen. Hier werden verschiedene Wege vorgeschlagen.
bb) Auffangfunktion des Haustürwiderrufsrechts
Die Überbringung von Ware, die nicht ausgepackt und begutachtet
werden kann, und Dokumenten, die ohne weitere Fragen unterschrieben werden müssen, weil der Postbote keine Auskunft geben kann und
zur Eile drängt, erinnert an die für das Haustürgeschäft typische Überrumpelungssituation, auch wenn sich der Kunde zuvor in einem Prospekt oder Online-Shop über die Ware und das Unternehmen informieren konnte.
Selbst wenn es also gelänge, einen Vertragsschluss erst an der Haustür zustande zu bringen, mit der Folge, dass weder Fernabsatzrecht
noch Haustürwiderrufsrecht Anwendung finden, muss die Konstellati3
on vom Verbraucherschutzrecht erfasst sein. Der Einsatz eines vertretungsberechtigten Boten führt nicht zum Wegfall des Widerrufs- oder
Rückgaberechts, wenn der Bote die Ware in die Privatwohnung oder an
den Arbeitsplatz des Verbrauchers liefert. Hier entsteht wegen des resultierenden Haustürgeschäfts ein Widerrufs- oder Rückgaberecht des
Verbrauchers aus § 312 Abs. 1 BGB, es sei denn, der Warenwert über4
steigt 40 Euro nicht, § 312 Abs. 3 Nr. 2 BGB. § 312 sollte grundsätzlich eine Auffangfunktion für derartige Fälle zukommen, in denen die
5
Fernabsatzregelungen nicht anwendbar sind.
1
Genannt sind dort: Drucksache ohne Anschrift, Drucksache mit Anschrift, vorgefertigter Standardbrief, Pressewerbung mit Bestellschein, Katalog, telefonische
Kommunikation mit Person als Gesprächspartner, telefonische Kommunikation mit
Automaten als Gesprächspartner (Voice-Mail-System, Audiotext), Hörfunk, Bildtelefon, Videotext (Mikrocomputer, Fernsehbildschirm) mit Tastatur oder Kontaktbildschirm, elektronische Post, Fernkopie (Telefax), Fernsehen (Teleshopping). Das
Internet wird noch nicht genannt.
2
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 50; Wendehorst, JZ 2005, 359;
3
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 48.
4
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335; Fischer, BB 2004, 2599.
5
HK-VertriebsR/Micklitz, § 312b, Rn. 55.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
97
cc) Vertrag bereits früher zustande gekommen
Ferner kann man in einigen Konstellationen annehmen, dass der Vertrag nicht mit der Unterschriftabholung des Verbrauchers durch den
Boten zustande kommt, sondern schon vorher bei dem Einsatz des
Fernkommunikationsmittels oder durch die Übermittlung einer vorgefertigten, schriftlichen Standarderklärung „durch die Post“ abgeschlos1
sen worden ist. Der Postbote übernimmt vielfach rein technische Mitwirkungshandlungen bei der Erfüllung, wie die Identifikation des
Empfängers, die Abholung seiner Unterschrift und die Aushändigung
von Unterlagen und Ware, die mit Blick auf den Vertragsschluss unbe2
achtlich sind.
Dem kann zwar in einigen Fällen entgegen stehen, dass die Erklärung
des Verbrauchers, eine über die Distanz beworbene Ware bestellen zu
wollen, aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht immer mit dem für
das Vorliegen eines Vertragsangebots (§ 145 BGB) erforderlichen
Rechtsbindungswillen abgegeben wird. Vielfach wird man aber objektiv
von einem bereits erfolgten Vertragsschluss ausgehen können. Hier
kommt es auf die Einzelfallgestaltung im Onlineshop an, d.h. die dortigen Informationen zum Vertragsschluss und die Texte im Bestellablauf.
Wird der Kunde etwa schon auf der sog. Check-Out-Seite zur Zahlung
aufgefordert oder zahlt bereits im Bestellablauf via PayPal oder giropay,
muss nach objektivem Empfängerhorizont von einer Bestellannahme
durch den Unternehmer schon in diesem Zeitpunkt ausgegangen wer3
den.
dd) Schutzzweck der Fernabsatzvorschriften
Weiterhin besteht die Möglichkeit, auf den Schutzzweck der §§ 312b –
312d BGB in Verbindung mit dem Gleichheitssatz abzustellen. Da die
spezifische Gefahr von Fernabsatzverträgen in der eingeschränkten
Sichtbarkeit von Leistung und Vertragspartner liegt, spielen der Umfang und die Qualität der vom Boten übermittelten Informationen eine
entscheidende Rolle. Hat die Einschaltung des Boten keinen nennenswerten Informationswert, ist das Geschäft wie ein Fernabsatzgeschäft
4
zu behandeln.
1
So das OLG Schleswig, CR 2004, 300 in einem parallel gelagerten Fall (Vertragsschluss durch Versendung der Ware). Zustimmend Schmittmann, K&R 2004,
361, 362 und Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 35.
2
Wendehorst, JZ 2005, 359.
3
Vgl. dazu Teil 3 A II 3 b) dd).
4
Wendehorst, JZ 2005, 359; Fischer, BB 2004, 2599.
98
Teil 2 – Anwendungsbereich
ee) Umgehungsgeschäft, § 312f S. 2 BGB
In Betracht kommt schließlich eine Subsumtion unter § 312f S. 2 BGB.
Dafür reicht ein objektiver Umgehungstatbestand aus. Dieser ist dann
gegeben, wenn das von den Beteiligten bei natürlich-wirtschaftlicher
Betrachtung intendierte Geschäft ein Fernabsatzgeschäft darstellt, sich
aber unter § 312b Abs. 1 BGB wegen formaler, zweckfremder Umstände nicht subsumieren lässt. In diesem Fall erfolgt eine teleologische
1
Extension der Vorschriften über Fernabsatzverträge.
d) Abholung der Ware im Ladenlokal durch den Verbraucher
Vielfach ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Onlinehändlern
zu lesen, es bestehe kein Widerrufsrecht, wenn die Ware im Ladenlokal
abgeholt wird. Nach dem Wortlaut des § 312b Abs. 1 BGB könnte eine
Abholung der Ware durch den Verbraucher im Ladenlokal des Unternehmers nach erfolgter Online-Bestellung schon nicht unter den Begriff
der „Lieferung“ fallen. Die Vorschrift ist aber weit auszulegen. Der
Gesetzgeber greift mit der gewählten Formulierung nur den normalen
Erfolgsort des Fernabsatzes auf, bei dem typischerweise eben eine Liefe2
rung an den Verbraucher vereinbart wird. Auch entspricht der in Art.
2 Nr. 3 FARL definierte Begriff des Lieferers dem deutschen Unternehmerbegriff des § 14 Abs. 1 BGB. Im Lichte der FARL muss somit auch
§ 312b Abs. 1 BGB weit ausgelegt und der Begriff „Lieferung von Waren“ als „Verschaffen der Verfügungsmacht über Waren“ verstanden
3
werden. Auf eine Übersendung von Waren kommt es nicht an. Somit
fallen auch Abholfälle unter den Wortlaut „Lieferung von Waren“.
Fraglich bleibt jedoch, ob der persönliche Kontakt zwischen Unternehmer und Verbraucher der Anwendung von Fernabsatzrecht entgegensteht. Hier sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden:
aa) Vertrag bereits im Fernabsatz geschlossen
Ist der Vertrag schon im Fernabsatz geschlossen oder hat der Verbraucher eine verbindliche Bestellung abgegeben, so steht eine Abholung im
Ladenlokal oder Lager, bei der die Möglichkeit einer Begutachtung der
Ware keinesfalls selbstverständlich ist, der Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts auch dann nicht entgegen, wenn dort auskunftsbereite Personen bereitstehen. Denn der Verbraucher hat dann keine Wahl, ob er
den Kaufvertrag schließen und die Ware abnehmen möchte. Er ist dazu
1
Wendehorst, JZ 2005, 359.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335.
3
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335. Auch die englische Fassung der FARL spricht
vom „supplier“, d.h. „Anbieter“ oder „Leistungserbringer“, u.a., aber nicht ausschließlich auch „Lieferer“.
2
B. Sachlicher Anwendungsbereich
99
verpflichtet, ohne dass er Produkt oder Unternehmer kennenlernen
konnte und deshalb durch das Widerrufsrecht schutzbedürftig und
schutzwürdig.
Anderenfalls könnte der Unternehmer die Fernabsatzvorschriften
auch gezielt umgehen, indem er Fernkommunikationsmittel für den
1
Vertragsschluss einsetzt und die Ware abholen lässt. Die häufig in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzufindende Klausel, dass ein
Widerrufsrecht bei Abholung der Ware nicht besteht, ist daher unwirksam, wenn hier nicht bei der Vertragsschlussregelung differenziert wird,
sondern die Bestellung des Kunden stets ein rechtlich verbindlicher
Vertragsantrag sein soll.
bb) Lediglich unverbindliche Reservierung über das Internet
Nur wenn in der Vertragsschlussregelung deutlich differenziert wird,
nämlich dass der Verbraucher Auswahl der Option „Lieferung“ bereits
online einen Vertragsantrag abgibt und dass ihm bei Auswahl der Option „Abholung“ lediglich eine einseitige Option auf den Kauf zu einem
bestimmten Preis zusteht, und wenn der Verbraucher dann bei Abholung der Ware ein Prüfungsrecht und die Möglichkeit hat, die Option
auf den Kauf nicht auszuüben, findet das Fernabsatzrecht keine Anwendung. Da bei Abholung sowohl der Unternehmer als auch die Ware
von dem Verbraucher wie im stationären Handel in Augenschein genommen werden können, fehlt es hier an einer Schutzbedürftigkeit des
2
Verbrauchers, welche die Anwendung der Fernabsatzvorschriften
rechtfertigt. Ein Fernabsatzvertrag liegt also lediglich dann nicht vor,
wenn der Vertragsschluss erst bei Abholung der Ware erfolgt. Eine
derartige vertragsrechtliche Konstruktion verstößt allerdings gegen die
3
AGB vieler Internet-Auktionsplattformen.
3. Zwischenergebnis
In Bereich des Onlinehandels sind zahlreiche Vertriebsmöglichkeiten
denkbar. Daher bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung der sachlichen Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts. Die Fernabsatzvorschriften
sind nicht anwendbar, wenn es während der Vertragsanbahnung zu
direktem Kontakt zwischen Unternehmer und Verbraucher kommt.
Dies ist nicht mehr sachgemäß, wenn sich ein Verbraucher umfassend
über ein Produkt im Ladenlokal des Unternehmers informiert und die
Ware anschließend über dessen Online-Shop bestellt. Hierbei ist es
1
2
3
Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 21.
Martinek, NJW 1998, 207.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335.
100
Teil 2 – Anwendungsbereich
irrelevant, ob Verbraucher den Unternehmer kennengelernt hat, oder
ob Vertragsverhandlungen stattgefunden haben.
Gleiches gilt, wenn es an der Qualität des persönlichen Kontakts im
Vorfeld mangelt. Ein kurzer Vertreterbesuch vor dem Distanzgeschäft
soll nicht zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit der Fernabsatzregeln
führen. Bei diesen bewussten Umgehungsversuchen greift § 312f S. 2
BGB. Dies ist dann gegeben, wenn das von den Beteiligten bei natürlich-wirtschaftlicher Betrachtung intendierte Geschäft ein Fernabsatzgeschäft darstellt, sich aber unter § 312b Abs. 1 BGB wegen formaler,
zweckfremder Umstände nicht subsumieren lässt. Auch die eigenhändige Übergabe durch einen Postboten führt nicht zu einem Ausschluss, da
der Zusteller nichts weiter als ein Überbringer von Waren und Papieren, jedoch kein Repräsentant des Händlers ist und weder in der Lage
noch damit beauftragt, dem Verbraucher in einem persönlichen Gespräch nähere Auskünfte über die angebotene Ware oder Dienstleistung
zu geben.
Ein Postbote kann also nicht zu einem direkten Kontakt zwischen
Händler und Verbraucher führen. Und selbst wenn es gelänge, einen
Vertragsschluss erst an der Haustür zustande zu bringen, so würde die
Auffangfunktion des Haustürwiderrufsrechtes greifen. Weiterhin besteht die Möglichkeit, auf den Schutzzweck der §§ 312b–312d BGB in
Verbindung mit dem Gleichheitssatz abzustellen. Da die spezifische
Gefahr von Fernabsatzverträgen in der eingeschränkten Sichtbarkeit
von Leistung und Vertragspartner liegt, spielen der Umfang und die
Qualität der vom Boten übermittelten Informationen eine entscheidende Rolle. In solchen Konstellationen ist es auch denkbar, dass der Vertrag bereits früher zustande gekommen ist. Anders ist es, wenn einer
Kontaktaufnahme und persönlicher Verkaufsberatung durch einen
Boten oder Stellvertreter, also schon im Rahmen der Vertragsanbahnung erfolgt. Dann kann nicht von einem Vertragschluss ohne gleichzeitige Anwesenheit der Parteien ausgegangen werden.
Erfolgt eine Abholung durch den Verbraucher im Ladengeschäft des
Verkäufers, so ist zu differenzieren, ob der Verbraucher vorher einen
Vertrag über Fernkommunikationsmittel geschlossen hat. In diesem Fall
konnte er die Ware vor dem Kauf nicht begutachten und ist somit
schutzwürdig. Erfolgt jedoch lediglich eine Reservierung über das Internet und kann der Kunde dann vor Ort einen Kaufvertrag abschließen, so greifen die Fernabsatzvorschriften nicht. Da bei Abholung sowohl der Unternehmer als auch die Ware von dem Verbraucher wie im
stationären Handel in Augenschein genommen werden können, fehlt es
hier an einer Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers.
B. Sachlicher Anwendungsbereich
101
III. Organisiertes Fernabsatzsystem
Der bloße Abschluss eines Distanzvertrages reicht für die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechtes nicht aus, der Vertrag muss auch im Rahmen
eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen worden sein. Der Unternehmer darf nicht nur zufällig und gelegentlich Fernkommunikationsmittel zum Vertragsschluss
einsetzen, sondern muss in personeller und sachlicher Ausstattung innerhalb seines Betriebes die Voraussetzungen geschaffen haben, die
1
notwendig sind, um regelmäßig Geschäfte im Fernabsatz zu tätigen.
1. Meinungsstand nach geltendem Recht
Zum Teil wird auf den Organisierungs- und Standardisierungsgrad von
2
Bestell- und Liefervorgängen abgestellt. Nach einer weiteren Meinung
soll es darauf ankommen, welche Kommunikationsmittel der Unter3
nehmer einsetzt und wie diese beworben werden. Überwiegend wird
zutreffend auf den Grad der unternehmensinternen Organisation und
4
wie diese sich für den Außenstehenden darstellt abgestellt. Hieran sind
keine hohen Anforderungen zu stellen. Ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem liegt nur dann nicht vor,
wenn ein Anbieter keinerlei organisatorische Maßnahmen für einen
Absatz im Wege von Fernabsatzgeschäften trifft, sondern allenfalls
gelegentlich im Rahmen seines Ladengeschäfts auf Wunsch des Kunden
per E-Mail Bestellungen annimmt und ausführt. Die Grenze ist immer
dann überschritten, wenn der Unternehmer systematisch mit dem Angebot einer Bestellung per Internet oder Telefon und anschließender
Zusendung der Waren wirbt.
2. Onlineshops und Online-Plattformen
Von einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebssystem ist jedenfalls auszugehen, wenn der Unternehmer einen eigenen Onlineshop
eingerichtet hat, d.h. eine spezielle Anwendung mit unmittelbarer elekt5
ronischer Bestellmöglichkeit einsetzt. Ist der Unternehmer einmal auf
Fernabsatz organisatorisch eingestellt, kommt es nicht darauf an, dass
er nur gelegentlich seinen Absatz über das Internet vornimmt. Wird ein
1
BT-Drucks. 14/2658, S. 30.
Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet , S. 69.
3
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b, Rn. 76.
4
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 51; Härting, Fernabsatzgesetz, § 1, Rn. 75; Ende/Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 137;
Reich, EuZW 1997, 581, 583.
5
Lorenz, JuS 2000, 833, 838; Kamanabrou, WM 2000, 1417, 1420.
2
102
Teil 2 – Anwendungsbereich
Absatz des Warensortiments auch durch eine Produktpräsentation auf
einer Internet-Verkaufsplattform vorgenommen, so sind die Regelungen
1
über Fernabsatzverträge uneingeschränkt anwendbar.
Das Vorliegen eines organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem wurde zutreffend auch für den Fall bejaht, dass pro Jahr ungefähr
10 bis 20 Kraftfahrzeuge auf der Plattform www.mobile.de inseriert
und nach einer anschließenden Bestellung per Fax verkauft wurden,
ohne dass der Vertragspartner die Kfz vor dem Vertragsabschluss be2
sichtigen konnte. Hier nutzt der Unternehmer zwar keinen eigenen
Onlineshop, jedoch ein organisiertes System, das von einem Drittanbieter – der Online-Plattform – betrieben wird. Entscheidend ist, wie der
Unternehmer sein Vertriebssystem nach außen darstellt. Hat der
Verbraucher den Eindruck, er könne systematisch online, telefonisch
oder sonst wie über die Distanz bestellen, greift der Schutz des Fernabsatzrechts. Auf eine besondere interne Organisationsstruktur, die speziell auf den Fernabsatz ausgerichtet ist, kommt es nicht an.
Ausreichend ist, dass der Unternehmer objektiv den Eindruck erweckt, er vertreibe seine Leistungen alltäglich im Wege des Fernabsatzes. Die Beweislast dafür, dass ein Vertrag nicht im Rahmen eines organisierten Fernabsatzsystems abgeschossen wurde, liegt anders als
nach der FARL im deutschen Recht beim Unternehmer. Es wird gesetzlich vermutet, dass der Vertrag im Fernabsatz zustande kam. Ein Ge3
genbeweis dürfte in der Praxis freilich schwer zu gelingen sein. Das AG
4
Minden hat aber ein organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem nach der substantiierten Darlegung des Unternehmers verneint,
dass er nur Ladenverkäufe durchführe und der Verbraucher die gekaufte Ware auch in dem Laden abgeholt hatte.
3. Wegfall des Tatbestandsmerkmals nach dem VRRL-E
Sollte sich der Entwurf der Kommission für eine Richtlinie über Rechte
der Verbraucher (VRRL-E) in diesem Punkt durchsetzen, ist ein organisiertes Fernabsatzsystem künftig kein Tatbestandsmerkmal des Fernabsatzgeschäfts mehr. Während Art. 2 Abs. 1 FARL „Vertragsabschluss
im Fernabsatz“ noch definiert als „jeden zwischen einem Lieferer und
einem Verbraucher geschlossenen, eine Ware oder eine Dienstleistung
betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Lieferers geschlossen
wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu dessen Abschluss einschließ1
LG Memmingen, MMR 2004, 769.
LG Stendal, BeckRS 2008, 11539.
3
Meents, CR 2000, 610, 611.
4
AG Minden v. 22.08.2006 – 21 C 50/06.
2
B. Sachlicher Anwendungsbereich
103
lich des Vertragsabschlusses selbst ausschließlich eine oder mehrere
Fernkommunikationstechniken verwendet“ heißt es in Art. 2 Abs. 6
VRRL-E nur noch „Fernabsatzvertrag <bezeichnet> jeden Kauf- oder
Dienstleistungsvertrag, im Hinblick auf dessen Abschluss der Gewerbetreibende ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel
verwendet“.
Die Kommission begründet die Aufhebung des Tatbestandsmerkmals
damit, dass die Rechtssicherheit im Vergleich zu der bestehenden Defi1
nition verbessert werden soll. Die Tatsache dass ein Händler nur ein
gelegentlicher Fernabsatzhändler ist, oder dass er ein organisiertes System einsetzt, das von einer dritten Partei, wie z.B. einer OnlinePlattform betrieben wird, solle den Verbraucher nicht von seinem
Schutz ausschließen. Offenbar hat die gegenwärtige Definition in anderen EU-Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Interpretationen geführt,
soweit der Händler keinen eigenen Onlineshop betreibt, sondern elektronische Plattformen Dritter nutzt. Auch für Händler solle die einfachere Definition des Fernabsatzvertrages die Rechtssicherheit verbessern
2
und sie vor unfairem Wettbewerb schützen.
4. Zwischenergebnis
An das Vorliegen eines organisierten Fernabsatzsystems werden keine
hohen Anforderungen gestellt, bereits das systematische Werben mit
dem Angebot einer Bestellung via Internet oder Telefon und anschließender Zusendung der Waren überschreitet die Grenze. Von einem für
den Fernabsatz organisierten Vertriebssystem ist auszugehen, wenn der
Unternehmer einen eigenen Onlineshop betreibt oder seine Produkte
auf einer Internet-Verkaufsplattform präsentiert. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob der Unternehmer nur gelegentlich seinen Absatz über das
Internet vornimmt. Hat der Verbraucher den Eindruck, er könne systematisch online, telefonisch oder sonst wie über die Distanz bestellen,
greift der Schutz des Fernabsatzrechts. Auf eine besondere interne Organisationsstruktur, die speziell auf den Fernabsatz ausgerichtet ist,
kommt es nicht an. Der geplante Wegfall dieses Tatbestandsmerkmals
im Rahmen des VRRL-E ist zu begrüßen, da dies mehr Klarheit sowohl
für Verbraucher als auch für Unternehmer bringen würde.
1
2
Erwägensgrund (12) VRRL-E.
Erwägensgrund (13) VRRL-E.
104
Teil 2 – Anwendungsbereich
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
§ 312b Abs. 3 BGB regelt eine Reihe von Ausnahmen vom Fernabsatzrecht, so dass in diesen Fällen auch kein Widerrufsrecht besteht. Die
acht Bereichsausnahmen lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zum
einen geht es um Verträge, bei denen der Verbraucher durch bestehende
Spezialgesetze ein in den Augen des Gesetzgebers gleichwertiges oder
höheres Schutzniveau genießt (Nr. 1, 2, 3, 4 und 6). Zum anderen werden ganz verschiedene Arten von Rechtsgeschäften vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, bei denen die Erfüllung von Informationspflichten und die Einräumung eines Widerrufsrechtes nach Auffassung des
Gesetzgebers wegen der Natur des Vertrages zu unzweckmäßigen Er1
gebnissen führen (Nr. 5, 6, 7a und 7b), d.h. die Anwendung des Fernabsatzrechts unzumutbar erscheint bzw. den Unternehmer „übermäßig
2
belasten“ würde.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gilt, dass Ausnahmen von
gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften eng auszulegen
3
sind.
I. Entstehung und Entwicklung der Ausnahmetatbestände
Ebenso wie die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind die Ausnahmen
vom Fernabsatzrecht auf europäischer und deutscher Ebene ein Ergebnis mehr oder weniger erfolgreicher Lobbyarbeit. Ein dogmatisch überzeugendes Konzept lässt sich nicht erkennen. Beispielsweise ist nicht
nachvollziehbar, warum eine zwei Wochen vor Antritt gebuchte LastMinute-Reise, die sich ohne weiteres noch kurz vor Abflug verkaufen
lässt, vom Widerruf ausgenommen ist, während sich eine gebrauchte
Zahnbürste, die ohne jeden Zweifel unverkäuflich ist, nicht ohne Weiteres unter die Ausnahmetatbestände subsumieren lässt. Es stellt sich
die Frage, wie es zu diesen Schieflagen kommen konnte und ob sich aus
1
BT-Drucks. 14/2658, S. 33. Begründung der Europäischen Kommission zum 1.
Entwurf der FARL, KOM (92) 11 endg. v. 20.5.1992, ABl. EG C 156 v. 23.6.1992,
S. 14; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 69.
2
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 65.
3
Der EuGH dazu:„when those terms (terms for which European legislation provides no definition) appear…in a provision which constitutes a derogation from a
principle or more specifically, from Community rules for the protection of consumers, they must… be interpreted restrictively”: ECJ case C-83/99 Commission v Spain
(2001) ECR I-445, paragraph 19, and case C-481/99 Heininger (2001) ECR I-9945
paragraph 31.
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
105
der Entstehungsgeschichte Erkenntnisse für die Auslegung der Ausnahmetatbestände gewinnen lassen.
1. Ausnahmetatbestände der FARL 1997
Die europäische FARL sieht in Art. 3 eine Reihe von Ausnahmen vom
sachlichen Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts vor. Schon das
fünf Jahre andauernde Gesetzgebungsverfahren der europäischen FARL
1
war von kontroversen und „teilweise polemisch geführten“ Auseinan2
dersetzungen über den Anwendungsbereich der Richtlinie geprägt.
Während die Verbraucherschützer sich für einen möglichst weiten Anwendungsbereich der Richtlinie aussprachen, sah die Unternehmerseite
vielfach keine Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Daran hat sich bis
heute nichts geändert.
Einigkeit bestand damals auf europäischer Ebene lediglich über die
Ausnahme von Verträgen, die unter Verwendung von Warenautomaten
oder automatisierten Geschäftsräumen geschlossen werden. Heftig
gestritten wurde hingegen von Beginn an um die Sonderbehandlung von
Tourismusdienstleistungen und Hotelreservierungen. Im ersten Richtli3
nienentwurf sollten in Art. 3 lediglich bestimmte Arten von Vertragstypen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden.
Die kontroversen Diskussionen haben schließlich zu einer immer feiner
4
ausdifferenzierten Ausgestaltung des Art. 3 FARL geführt.
Nach den Stellungnahmen des EWSA und des Europäischen Parlaments wurde die Liste der Ausnahmen in einem geänderten Richtlinien5
vorschlag der Kommission zunächst reduziert. Im Rahmen der politi6
schen Einigung auf einen gemeinsamen Standpunkt vom 29.6.1995
wurde eine Differenzierung zwischen Verträgen eingeführt, die generell
von der Richtlinie ausgenommen werden und solchen, für die u.a. die
Vorschriften über das Widerrufsrecht (Art. 6) und die Erfüllung des
7
Vertrages (Art. 7 Abs. 1) keine Anwendung finden sollten. In dem
Gemeinsamen Standpunkt wurde dann auch die Regelung eingeführt,
Fernabsatzgeschäfte, die bei Versteigerungen geschlossen werden, aus
dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszuklammern. Obwohl der
Verbraucher bei Versteigerungen mindestens ebenso schutzbedürftig ist
1
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 64.
Eine Übersicht des Verfahrensablaufs ist abrufbar unter: http://ec.europa.eu/
prelex/detail_dossier_real.cfm?CL=de&DosId=20110 (Stand: 5.4.2009).
3
KOM (92) 11 endg. v. 20.5.1992.
4
Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG, Rn. 19.
5
KOM (93) 396 endg. V. 7.10.1993, ABl. 1993 C 308/23 f.
6
ABl. 1995 C 288/3 f. abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/
LexUriServ.do?uri=CELEX:51995AG1030(01):DE:HTML (Stand: 5.4.2009).
7
Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG, Rn. 19.
2
106
Teil 2 – Anwendungsbereich
wie bei anderen Fernabsatzgeschäften, wird die Ausnahme vom Rat
nicht näher, sondern lediglich mit dem Hinweis auf die „praktischen
Einzelheiten“ einer Versteigerung begründet. Vermutlich war der Rat
schon damals in der Meinung, dass das Widerrufsrecht nicht mit dem
1
spekulativen Charakter von Versteigerungen vereinbar sei.
Im gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 29.6.1995 findet sich
auch erstmals die Ausnahme für Verträge über die Erbringung von
Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung, wenn sich
der Lieferer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu
einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen
Zeitraums zu erbringen (Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich FARL).
Inhaltlich geht diese Regelung jedoch auf den ersten Vorschlag für die
Fernabsatzrichtlinie vom 21.5.1992 zurück, in dessen Art. 3 in Verbindung mit Anhang II bereits vorgeschlagen wurde, „Dienstleistungen,
bei denen Reservierungen vorgenommen werden“ vom Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen. Zur Begründung hieß es seinerzeit im
ersten Richtlinienentwurf, dass der Anbieter bei solchen Verträgen
vorherige Dispositionen treffen muss, um zum vereinbarten Zeitpunkt
den Vertrag erfüllen zu können, so dass ihm ein Widerrufsrecht des
Verbrauchers nicht zuzumuten sei, da er sonst sämtliche aufgrund der
Reservierung vorgenommenen Maßnahmen rückgängig machen müss2
te.
Zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen
Kommission gab es auch nach der 2. Lesung weiterhin unterschiedliche
Auffassungen über den notwendigen Richtlinieninhalt, so dass im Verlauf des weiteren Verfahrens der Vermittlungsausschuss angerufen
3
wurde. Dieser wollte noch einen Schritt weiter gehen und schlug eine
dreifache Abstufung vor, indem die Vorschrift über die Verpflichtung
zur vorherigen Unterrichtung des Verbrauchers (Art. 4) auf Dienstleistungen in den Bereichen Unterbringung, Beförderung, Lieferung von
Speisen und Getränken sowie Freizeitgestaltung keine Anwendung
4
finden sollte. Die schließlich verabschiedete Fassung des Art. 3 enthielt
dann wieder die Zweistufigkeit des Gemeinsamen Standpunktes, nach
dem bestimmte Verträge vollständig vom Anwendungsbereich (Art. 3
Abs. 1 FARL) und andere von den Pflichten der Art. 4, 5 und 6 sowie
Artikel 7 Abs. 1 FARL (Art. 3 Abs. 1 FARL) ausgenommen werden.
1
Kritisch schon zur europäischen Regelung Meents, Verbraucherschutz bei
Rechtsgeschäften im Internet, S. 216 f.
2
KOM (92) 11 endg. v. 20.5.1992, S. 17.
3
KOM (96) 36 endg. COD. 411.
4
Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG, Rn. 20.
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
107
In den Erwägensgründen der finalen Fassung wird weder der Grund
für die Ausnahme bestimmter Verträge vom Anwendungsbereich noch
für die Ausnahme anderer Verträge von Informationspflichten, Widerrufsrecht und den Regelungen zur Erfüllung des Vertrages genannt.
2. Umsetzung im deutschen Recht
Auch im Zuge der Umsetzung der Ausnahmetatbestände durch den
deutschen Gesetzgeber wurde heftig über die Reichweite von Informationspflichten und Widerrufsrecht im Fernabsatz gestritten. Schon frühzeitig erklärten die Ausschüsse des deutschen Bundesrats in der von
ihnen ausgesprochenen Empfehlung, dass der Verbraucher im Bereich
der Fernabsatzgeschäfte zumindest nicht in dem Maße schutzbedürftig
1
sei, wie dies in dem Richtlinienentwurf dargelegt sei. Der Ansatz des
Vorschlags diskriminiere Vertragsabschlüsse unter Abwesenden ohne
2
Grund gegenüber Vertragsabschlüssen im stationären Einzelhandel.
Der deutsche Gesetzgeber hat letztlich den Ausnahmenkatalog des
Art. 3 FARL in § 312b Abs. 3 BGB nahezu wörtlich und ohne die Binnendifferenzierung, dass bestimmte Verträge vollständig, andere nur
teilweise ausgenommen werden, übernommen. Eine Begründung dafür,
warum gerade diese Verträge ausgenommen werden, liefert auch der
deutsche Gesetzgeber nicht. Lediglich in der Begründung zum heutigen
§ 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB heißt es lapidar: „Bei solchen Verträgen über
Hauslieferungen sind Informationen nicht nötig und ein Widerrufsrecht
3
meist nicht zweckmäßig.“
Der Wegfall der Binnendifferenzierung hat zu einer nicht unproble4
matischen Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 FARL geführt. Demnach
müsste eine Regelung im nationalen Recht existieren, nach der ein
Verbraucher ggf. davon zu unterrichten ist, dass die bestellte Ware oder
Dienstleistung nicht geliefert bzw. erbracht werden kann und der
Verbraucher die Möglichkeit haben muss, sich eventuell geleistete Zahlungen innerhalb von 30 Tagen erstatten zu lassen. Lediglich im Recht
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen regelt § 308 Nr. 8 BGB, dass
eventuelle Gegenleistungen des Verbrauchers „unverzüglich“ zu erstatten sind. Es muss bezweifelt werden, ob eine derartige Norm in den
Vorschriften des AGB-Rechts eine effektive Umsetzung von Art. 7
5
Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie darstellt.
1
BR-Drs. 445/1/92, S. 1.
BR-Drs. 445/1/92, S. 2; Bodenstedt, Fernabsatzrichtlinie, S. 11.
3
BT-Drucks. 14/2658, S. 33.
4
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 66f. und Artz, VuR 1999, 249.
5
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 67.
2
108
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
Im Referentenentwurf des FernAbsG war in Anlehnung an die FARL
noch vorgesehen, Versteigerungen vom Anwendungsbereich auszunehmen. Der deutsche Gesetzgeber entschied sich aber aufgrund der Kritik
2
der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) dann jedoch
bewusst, „echte“ Versteigerungen lediglich vom Widerrufsrecht auszunehmen. Somit hat sich der deutsche Gesetzgeber zumindest in diesem
Punkt zu einem höheren Verbraucherschutzniveau durch einen erweiterten Anwendungsbereich der Fernabsatzregelungen bekannt.
Im Übrigen ist die Umsetzung der Ausnahmetatbestände im deutschen Recht jedoch gänzlich unergiebig für die Beantwortung der Frage,
warum gerade in den Fällen der geregelten Ausnahmen die Anwendung
des Fernabsatzrechts „unzumutbar“ oder „unzweckmäßig“ sein soll.
3. Ausnahmetatbestände des VRRL-E 2008
Auch im Zuge der Konsultation über die Fernabsatzrichtlinie und der
Diskussion über den Verbraucheracquis wurde die Frage, ob die gegenwärtigen Ausnahmen vom Fernabsatzrecht überarbeitet, erweitert
oder außer Kraft gesetzt werden sollen, wieder kontrovers diskutiert.
Die Vorschläge der Wirtschafts- und Verbraucherverbände gingen in
diesem Punkt erneut sehr weit auseinander. So sprach sich ein Wirtschaftsvertreter dafür aus, Verträge im M-Commerce generell von der
Richtlinie auszunehmen, einerseits wegen der geringen Werte von direkt
erbrachten Dienstleistungen (z.B. Klingeltöne) und andererseits aufgrund der Möglichkeit, den Dienst zu nutzen oder zu kopieren. Die
3
Verbraucherseite sprach sich energisch gegen eine Ausweitung des
Ausnahmekataloges aus und plädierte für eine Streichung der Ausnahmen für sämtliche touristischen Dienstleistungen. Gegensätzlich sind
auch erneut die Meinungen zu der Frage, ob Auktionen vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts bzw. Widerrufsrechtes ausgenom4
men werden sollen.
Die Ausnahmetatbestände des Art. 3 FARL aus dem Jahr 1997 finden sich nun trotz umfangreicher weitergehender Wünsche der Lobbyisten im Wesentlichen in Art. 19 des VRRL-E aus dem Jahr 2008 wieder. Ein bedeutsamer Unterschied besteht darin, dass Auktionen nicht
mehr vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts, sondern nur noch
– wie derzeit im deutschen Recht – vom Anwendungsbereich des Widerrufsrechtes ausgeschlossen sein sollen (Art. 19 Abs. 1 h) VRRL-E).
Jedoch mit dem Unterschied, dass nach dem VRRL-E auch in „unech1
§ 1 Abs. 3 Nr. 7 c) FernAbsG-RefE, Referat I B 2 3420/12-4, S. 77.
AgV-Stellungnahme v. 15.3.2000.
3
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 4.
4
Vgl. dazu Teil 1 B IV 2 a).
2
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
109
ten“ Versteigerungen wie etwa über die Auktions-Plattform eBay kein
Widerrufsrecht mehr eingeräumt werden muss.
4. Zwischenergebnis
Die Rechtfertigung für die konkreten Ausnahmen ist bis heute strittig
und schwach begründet. Im Laufe der Gesetzgebungsverfahren auf
europäischer und deutscher Ebene wurden Argumente für und gegen
die Unzumutbarkeit beziehungsweise Unzweckmäßigkeit von Informationspflichten und Widerrufsrecht bei bestimmten Vertragstypen gleichermaßen vorgebracht und diskutiert. Dass es letztlich gerade zu den
bekannten Ausnahmen gekommen ist, beruht überwiegend darauf, dass
bestimmte Interessenvertreter bessere Arbeit geleistet haben als andere.
Inhaltlich ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum nicht entweder gar
keine oder sehr viel mehr Verträge ausgenommen werden.
II. Weiterreichendes Verbraucherschutzrecht
Sowohl FARL und VRRL-E als auch das deutsche Recht nehmen Bereiche von der Anwendung des Fernabsatzrechts aus, in denen aufgrund
anderer Gesetze ein ähnlicher oder weiterreichender Schutz des
Verbrauchers besteht. Die Gruppe dieser Ausnahmen ist noch am ehesten nachvollziehbar, weil es hier nicht darum geht, dem Verbraucher
die Schutzmechanismen Informationspflichten und Widerrufsrecht
gänzlich zu verwehren, sondern eine Abgrenzung zu spezielleren oder
weiterreichenden Normen zu gewährleisten.
1. Fernunterrichtsschutzgesetz
Ausgenommen vom Anwendungsbereich sind nach § 312b Abs. 3 Nr. 1
BGB Verträge nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG). Die
Ausnahme findet sich nicht in der FARL, sondern der nationale Gesetzgeber hat keine Notwendigkeit gesehen, diese Verträge dem Fernabsatzrecht zu unterwerfen. Im FernUSG existieren ähnliche Schutzmechanismen, nämlich Informationspflichten (§ 3 FernUSG), die denen in
§ 312c BGB entsprechen, und ein Widerrufsrecht (§ 4 FernUSG), das
über das des § 312d BGB hinausgeht. Letztlich enthält das FernUSG
1
eine Umsetzung der FARL.
Maßgeblich für den Anwendungsbereich ist, dass der Unterricht bei
ausschließlicher oder überwiegender räumlicher Trennung von Lehrendem und Lernenden erbracht wird, wobei der Lernerfolg von einem
1
Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 64.
110
Teil 2 – Anwendungsbereich
Lehrenden überprüft werden muss (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 FernUSG).
Nicht anwendbar ist das FernUSG daher, wenn der Verbraucher im
Internet angebotene Lernprogramme nutzt oder online einen Kaufvertrag über Lehrmaterialien (CD-Roms, Bücher etc.) schließt. Hier ist
1
Fernabsatzrecht anzuwenden.
2. Teilzeit-Wohnrechte
Nach § 312b Abs. 3 Nr. 2 BGB ausgenommen sind Verträge über die
Teilzeit-Wohnrechte, d.h. Verträge zwischen Unternehmer und
Verbraucher über die (Teil-)Nutzung eines Wohngebäudes zu Erholung- oder Wohnzwecken über einen Zeitraum von mindestens drei
Jahren. Die Vorschriften der §§ 481 ff. BGB dienen der Umsetzung der
Time-Sharing-Richtlinie, die ein höheres Verbraucherschutzniveau als
das der FARL vorsieht. Die Schriftform hat bei Teilzeit-WohnrechteVerträgen nicht lediglich Beweisfunktion, sondern auch Warnfunktion
2
und dient dem Schutz vor Übereilung, weshalb die Ersetzung durch die
elektronische Form des § 126a BGB nach § 481 Abs. 1 Satz 2 BGB
ausgeschlossen ist.
3. Versicherungen
Seit Umsetzung der FARLFDL nimmt § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB nur
noch Verträge über Versicherungen und deren Vermittlung vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts aus, obwohl diese als Finanzdienstleistung i.S.v. § 312b Abs. 1 BGB zu verstehen sind. Die Bereichsausnahme bleibt deshalb bestehen, weil das von der FARLFDL
geforderte Schutzniveau nicht notwendigerweise in den §§ 312b ff BGB
geschaffen werden muss. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, eigenständige und abgeschlossene Regelungen zunächst in die
mit „Fernabsatzverträge“ überschriebenen §§ 48a ff. VVG a.F. aufzunehmen. Seit 1.1.2008 ergeben sich die Informationspflichten des Unternehmers abschließend aus § 7 VVG i.V.m. der Verordnung über
Informationspflichten bei Versicherungsverträgen (VVG-InfoV) und das
Widerrufsrecht ist in den §§ 8 und 9 VVG geregelt. Teilweise wird
wegen der weitgehend deckungsgleichen Vorschriften für Versicherungsverträge bezweifelt, dass eine gesonderte Umsetzung tatsächlich
3
notwendig war. Diese Umsetzungstechnik hat jedoch den Vorteil, dass
durch den geschlossenen Regelungsstandort das VVG von sich aus
1
Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 63.
BT-Drucks. 14/2658, S. 32.
3
Finke, Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher, Rn. 403; Härting/Schirmbacher, DB 2003, 1777, 1778; Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 61.
2
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
111
verständlich wird, ohne dass seine Benutzer weitere Gesetzestexte he1
ranziehen müssten, um den Regelungsgehalt zu erfassen.
4. Grundstücks- und Immobiliengeschäfte
§ 312b Abs. 3 Nr. 4 BGB nimmt Grundstücksgeschäfte vom Anwendungsbereich aus. Da nach deutschem Recht der Online-Abschluss der
meisten Immobiliengeschäfte ohnehin an Formvorschriften wie z.B.
§§ 313, 873, 925 BGB scheitert bzw. zusätzliche Informationspflichten
und ein Widerrufsrecht entbehrlich macht, beschränkt sich die prakti2
sche Relevanz auf Bauverträge. Ein sinnvoller Grund für diese Aus3
nahme ist nicht ersichtlich. Trotz gleicher Interessenlage sollen Verträge über Errichtung von Bauwerken vom Anwendungsbereich der
§§ 312b ff. BGB ausgenommen werden, während Verträge über Arbei4
ten an einem Bauwerk nicht ausgenommen sind. Brönneke geht bei
Verträgen über Errichtung von Bauwerken sogar von einer erhöhten
Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers aus. Die Finanzierung von Im5
mobilien fällt nicht unter die Ausnahmevorschrift.
III. Unzumutbarkeit der Anwendung von Fernabsatzrecht
In einer zweiten Gruppe werden unterschiedlichste Sachverhalte vom
Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausgenommen, bei denen der
europäische und der deutsche Gesetzgeber der Ansicht waren, dass die
Anwendung der Fernabsatzbestimmungen für den Unternehmer unzumutbar wäre, weil hier die Lobbyisten erfolgreiche Arbeit geleistet haben.
1. Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs
§ 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB nimmt Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder sonstigen Haushaltsgegenständen des
täglichen Bedarfs, die am Wohnsitz, am Aufenthaltsort oder am Arbeitsplatz eines Verbrauchers von Unternehmern im Rahmen häufiger
und regelmäßiger Fahrten geliefert werden, vom Anwendungsbereich
1
In diesem Sinne Schneider, VersR 2004, 696.
Dilger, Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet, S. 121 ff; Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 80 f.
3
Erman/Saenger, § 312b Rn. 15; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn.
39; Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 79; Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 81.
4
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 81.
5
EuGH NJW 2002, 281 (Heininger).
2
112
Teil 2 – Anwendungsbereich
aus. Geschützt werden soll der in diesem Bereich agierende Kleinhan1
del. Der Gesetzgeber hat keinen Bedarf gesehen, die unbestimmten
2
Begriffe dieser so genannten „Pizza-Klausel“ zu präzisieren. Unproblematisch fallen die Lieferung von Speisen und Getränken darunter.
Würde man jedoch das gesamte Sortiment eines durchschnittlichen
3
Supermarktes darunter verstehen, würde dies zu einer uferlosen Anwendung des Ausnahmetatbestandes führen, weil durchschnittliche
Supermärkte heutzutage regelmäßig auch Kleidung, Fahrräder, Computer, DVD-Player, Faxgeräte und vieles mehr verkaufen. Eine solche
weite Auslegung der Norm würde einen breiten Weg aus dem Anwen4
dungsbereich des Fernabsatzrechts ebnen, die dem Schutzzweck zuwider liefe. Der Verbraucher muss zwar eine Pizza oder eine Milchflasche
nicht prüfen können, wird hingegen ein Fahrrad bestellt, muss die Möglichkeit bestehen, den Vertrag mangels vorheriger in Augenscheinname
5
wieder aufzulösen.
6
Zu eng wäre es hingegen, nur Verbrauchsgüter auszunehmen, da
auch kleinere Gebrauchsgüter wie Radiowecker oder Putzeimer der
häuslichen Lebensführung dienen. Bei solchen Gegenständen muss zum
einen von einer gewissen Vorinformation des Verbrauchers ausgegangen werden, und zum anderen wiegt es hier nicht so schwer, wenn die
Ware einmal nicht den Vorstellungen des Verbrauchers entspricht.
Erfasst sind danach beispielsweise Wasch- und Putzmittel, Hygienebe7
darf und Kosmetika oder einfache Schreib- und Bastelwaren. Das
Fernabsatzrecht bleibt hingegen anwendbar für langlebige Konsumgüter oder Luxusartikel. Eine Digitalkamera ist kein Haushaltsgegenstand
8
des täglichen Bedarfs. Nicht ausgenommen sind solche Güter, die nicht
häufig und regelmäßig nachgefragt werden, sondern deren Anschaffung
9
typischerweise eine gründliche Überlegung vorausgeht. Bei einer gemeinsamen Bestellung von Lebensmitteln bzw. Bedarfsgegenständen
und langlebigen Konsumgütern beschränkt sich die Anwendbarkeit des
10
Fernabsatzrechts gegebenenfalls auf einen Vertragsteil.
Bislang spielen „Local E-Commerce“-Modelle, bei denen der
Verbraucher über das Internet bei seinem lokalen Supermarkt Haus1
Pützhoven, Verbraucherschutz, S. 73.
Beratungsergebnis des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/3195, S. 30.
So Palandt/Grüneberg, § 312b Rn. 15.
4
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 65 f.
5
Ähnlich Roßnagel/Brönneke, § 312b, Rn. 61.
6
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 118; Härting, Internetrecht, Rn. 429.
7
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 79.
8
LG Kleve, MMR 2003, 424.
9
Roßnagel/Brönneke, § 312b Rn. 73; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn.
79; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 42.
10
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b Rn. 79.
2
3
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
113
haltsgegenstände des täglichen Bedarfs ordert, zumindest in Deutschland jedoch keine große praktische Rolle. Die bislang in § 312b Abs. 3
Nr. 5 verankerte „Pizza-Klausel“ findet sich im geplanten europäischen
Recht nun in Art. 19 Abs. 2 a) VRRL-E. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen
bei a) Verträgen über die Lieferung von Lebensmitteln, Getränken oder
sonstigen Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs, die der
Verbraucher zuvor unter Einsatz von Fernkommunikationsmittel ausgewählt hat und die der Gewerbetreibende, der solche Waren in der
Regel in seinen eigenen Geschäftsräumen verkauft, direkt dort abliefert,
wo der Verbraucher wohnt, sich aufhält oder arbeitet.
2. Primär touristische Dienstleistungen
Die Bereichsausnahmen des Art. 3 Abs. 2, 3. Spiegelstrich FARL für
terminierte primär touristische Dienstleistungen wurden in § 312d
Abs. 3 Nr. 6 BGB wörtlich übernommen. Unter die Lieferung von Speisen und Getränken i.S.v. § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB fallen solche gastronomischen Dienstleistungen (Catering, Pizza-Dienst), die nicht von
§ 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB erfasst werden, weil der Unternehmer diese
nicht regelmäßig und häufig ausliefert, sondern mittels eines organisierten Fernabsatzsystems vertreibt und zu einem bestimmten Zeitpunkt
liefert. Inhaltlich wird die Regelung für ihre willkürliche und zum Teil
1
nicht einleuchtende Differenzierung kritisiert.
Der Anteil der Online-Reisebucher hat in den vergangenen Jahren
stark zugenommen. Laut einer Erhebung des Verbandes Internet Reise2
vertrieb (VIR) gaben 2003 lediglich 6 Prozent der Deutschen mit Internetzugang an, Reiseleistungen online zu buchen – im Januar 2008
waren es bereits 38 Prozent. 15 Millionen Deutsche haben bereits eine
Reise oder einen Teil davon online gebucht – das ist jeder Vierte über
14 Jahre. Im Jahr 2007 haben 4,5 Millionen Deutsche eine Unterkunft
und 3 Millionen ein Flugticket über das Netz gebucht, 2,6 Millionen
Surfer buchten eine komplette Reise.
Daher überrascht es nicht, dass die Gerichte sich bereits häufiger mit
der Frage befassen mussten, ob bestimmte touristische Dienstleistungen
vom Fernabsatzrecht ausgenommen sind beziehungsweise ob die Ausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB nicht nur für die Erbringer, sondern auch Vermittler solcher Leistungen greift.
1
Vgl. Schmittmann, K&R 2008, 500, 501.
Pressemitteilung des VIR v. 18. März 2008, http://www.v-i-r.de/presse-pressemitteilungen-pressearchiv-2008.18032008---15-millionen-deutsche-buchen-ihren-urlaub-online.html?m=&s= (Stand: 5.4.2009).
2
114
Teil 2 – Anwendungsbereich
a) Reiseleistungen und Pauschalreisen
Den Schwerpunkt von § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB bilden die primär
touristischen Dienstleistungen. Die Vorschrift klammert Dienstleistungen im Bereich der Unterbringung aus, womit nur die vorübergehende
Beherbergung (Hotelzimmer, Urlaubs-Appartements, Ferienwohnungen
etc.) gemeint ist, nicht aber die ständige Überlassung von Wohnraum.
Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1, 4. Spiegelstrich FARL, nach der Immobiliengeschäfte mit Ausnahme der Vermietung vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen werden. Erfasst werden schließlich
1
Kombinationen touristischer Leistungen in Form von Pauschalreisen.
Fraglich ist, wie die Fälle zu behandeln sind, in denen die Reisedienstleistungen nicht beim Veranstalter direkt, sondern z. B. über eine
Buchungsplattform bestellt werden. Ohne jegliche Begründung geht das
2
LG Berlin davon aus, dass es sich beim bloßen Betreiber einer Buchungsplattform im Internet um einen Reisevermittler, nicht Reiseveranstalter handelt, die Regelungen über Fernabsatzverträge wegen
§ 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB jedoch keine Anwendung finden. Reiseveranstalter und auch Reisevermittler könnten gleichermaßen nicht darauf
verwiesen werden, einem zweiwöchigen Widerrufsrecht ausgesetzt zu
sein, so das Gericht.
Dies überzeugt nicht. Die Vorschrift des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB
greift schon dem Wortlaut nach nur dann, wenn der Unternehmer die
3
genannte Dienstleistung selbst erbringt. Das Reisebüro ist aber gerade
nicht Erbringer der Reisedienstleistung, sondern besorgt ein Geschäft.
Geschäftsbesorgungsverträge sind jedoch nicht vom Fernabsatzrecht
ausgenommen, zumal die Vermittlungsleistung auch nicht zu einem
bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu
erbringen ist. An anderer Stelle hat der Gesetzgeber ausdrücklich auch
Vermittler bestimmter Dienstleistungen ausgenommen, nämlich in
§ 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB Versicherungen „sowie deren Vermittlung“.
Auch bei weitester Auslegung sind Vermittler jedoch nicht Gegenstand
der Ausnahmeregelung des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB.
Von der im europäischen Gesetzgebungsverfahren äußerst strittigen
Ausnahme für primär touristische Dienstleistungen sollen nur die
Dienstleistungserbringer selbst profitieren, wie auch die Entstehungsge4
schichte zeigt. Denn während der erste Richtlinienentwurf in Art. 3 in
Verbindung mit Anhang II noch allgemein und weitgehend von
1
Palandt/Grüneberg, § 312b Rn. 16; Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601.
2
LG Berlin, Urteil v. 7.7.2004, 33 O 130/03, RRa 2005, 220.
3
So auch Roßnagel/Brönneke, § 312b Rn. 80; Erman/Saenger, § 312b Rn. 19 und
Ramming, ZGS 2003, 60, 61.
4
FARL-E v. 23.6.1992, ABl. EG Nr. C 156, S. 16.
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
115
„Dienstleistungen, bei denen Reservierungen vorgenommen werden“
sprach, wurde der Wortlaut später in „Verträge über die Erbringung
von Dienstleistungen in den Bereichen...“ geändert. Dem Vermittler
steht es frei, das Widerrufsrecht durch aktive Zustimmung des
Verbrauchers zum Erlöschen zu bringen oder den Ablauf technisch so
zu gestalten, dass der Verbraucher im letzten Bestellschritt direkt beim
Leistungserbringer bucht.
1
In diesem Sinne entschied auch schon das OLG Karlsruhe einen
Fall, bei dem es um die Frage ging, ob ein Vermittler von Lotteriediensten den Verbrauchern ein Widerrufsrecht einräumen muss. Das OLG
Karlsruhe bejahte dies. Zwar sei die Lotteriedienstleistung selbst nach
§ 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB vom Fernabsatzrecht ausgenommen, nicht
jedoch der Geschäftsbesorgungsvertrag des Vermittlers. Es seien auch
keine durchgreifenden sachlichen Gründe erkennbar, warum der
Verbraucher nicht widerrufen können soll, solange – bildlich gesprochen – der Lottoschein noch bei dem Vermittler liege und dieser sich
noch nicht auf den Weg zur Annahmestelle gemacht hat.
b) Beförderung und Autovermietung
2
Während bislang die h.M. davon ausgeht, dass mit „Beförderung“ nur
eine solche Form des organisierten Transports gemeint sei, bei dem der
Verbraucher nicht selbst am Steuer sitzt (z.B. Flugbuchungen, Busfahrten, Zugreisen, Fähren, öffentlicher Nahverkehr etc.), hat der EuGH
entschieden, dass darüber hinaus auch Automietverträge vom Anwendungsbereich der FARL ausgenommen sind. Art. 3 Abs. 2 der FARL ist
in dem Sinne auszulegen, dass der Begriff „Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen [im Bereich] Beförderung“ Automietverträge
3
umfasst. Zwar wurde die Ausnahmevorschrift wörtlich in das deutsche
Recht übernommen; deutsche Gerichte sind an die Auslegung des
EuGH bei der Interpretation des § 312d Abs. 3 Nr. 6 BGB jedoch nicht
gebunden, da die FARL nationale Abweichungen zugunsten der
4
Verbraucher ausdrücklich zulässt (Art. 14 FARL).
Der EuGH begründet diese Auslegung damit, dass der Begriff „Beförderung(en)“ im gewöhnlichen Sprachgebrauch nicht nur die
Verbringung von Personen oder Waren von einem Ort zu einem ande1
OLG Karlsruhe, CR 2002, 682 = GRUR 2002, 730 = NJW-RR 2002, 1127 =
MMR 2002, 618.
2
Siehe nur Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 47; Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 81; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312b Rn. 128; Härting,
Fernabsatzgesetz, § 1 Rn. 149.
3
EuGH, NJW 2005, 3055 = MMR 2005, 364 = CR 2005, 651 m. Anm. Junker
(easyCar UK Ltd vs. Office of Fair Trading).
4
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312b, Rn. 66.
116
Teil 2 – Anwendungsbereich
ren bezeichne, sondern auch die Arten des Transports und die für die
Verbringung dieser Personen und Waren eingesetzten Mittel. Dem
Verbraucher ein Beförderungsmittel zur Verfügung zu stellen, gehöre
demnach zu den Dienstleistungen, die in den Bereich der Beförderung
fallen. Der europäische Gesetzgeber habe weiterhin einen Schutz der
Interessen der Anbieter bestimmter Dienstleistungen einführen wollen,
damit diesen keine unverhältnismäßigen Nachteile durch die kostenlose
und ohne Angabe von Gründen erfolgende Stornierung von Bestellungen von Dienstleistungen entstehen.
1
Nach zutreffender Auffassung des AG Hamburg reicht für die Verpflichtung des Unternehmers, „die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu
erbringen“, jedoch nicht aus, dass der Anspruch auf einem Gutschein
(z.B. über die Anmietung eines Ferrari) mit zeitlich beschränkter Gültigkeitsdauer (Einlösungsfrist) von einem Jahr beruht. Der Gutscheinkaufvertrag ist also widerrufbar.
c) Freizeitgestaltung
Dienstleistungen im Bereich der Freizeitgestaltung sind insbesondere
Konzerte, Theaterveranstaltungen etc., bei denen der Unternehmer nach
Auffassung des Gesetzgebers die Veranstaltung nicht mit hinreichender
Planungssicherheit organisieren kann, wenn der Verbraucher ein Widerrufsrecht hätte. Umstritten ist, ob in der Konstellation, in der die
Eintrittskarten nicht vom Veranstalter direkt, sondern von einem Zwischenhändler gekauft werden, die Ausnahmeregelung von § 312b
2
Abs. 3 Nr. 6 BGB zur Geltung kommt. Das AG München entschied,
dass der Verkauf von Eintrittskarten durch einen Zwischenhändler
gemäß § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB vom Anwendungsbereich der Vorschriften über Fernabsatzverträge ausgenommen sei. Die Vermittlung
von Eintrittskarten stelle eine Erbringung von Dienstleistungen im Bereich Freizeitgestaltung dar. Es sei nicht nötig, dass der Vertragspartner
die „letztlich angestrebte Dienstleistung“, d.h. die Veranstaltung, selbst
erbringt. Ausreichend sei eine „Dienstleistung in Bezug auf diese
Dienstleistung.“
3
Diese Ansicht wird von Teilen der Literatur gestützt. Hinter dem
Verkauf von Eintrittskarten stehe die Verpflichtung gegenüber dem
Inhaber, eine Leistung zu erbringen, z.B. Zutritt zu Konzertstätte
zwecks Besuchs der Veranstaltung zu gewähren. Insofern gehe es „im
Kern“ also im die Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der
1
2
3
AG Hamburg, Urteil v. 07.06.2006 – 644 C 100/06.
AG München, MMR 2007, 743 = CR 2008, 260 (Ls.).
Schlömer/Dittrich, K&R 2008, 129 ff.
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
117
Freizeitgestaltung, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erbringen
1
sind. Von der Ausnahmeregelung erfasst würden bei richtlinienkonformer Auslegung die Gesamtheit der Verträge, die Dienstleistungen im
Bereich der Freizeitgestaltung regeln, einschließlich derjenigen, die eine
Tätigkeit betreffen, die darauf gerichtet ist, dem Verbraucher die Frei2
zeitgestaltung zu ermöglichen.
Die Regelungen in Art. 3 Abs. 2 FARL und § 312b Abs. 3 BGB seien
darauf gerichtet, die leistenden Unternehmen in bestimmten Tätigkeitssektoren auszunehmen, weil die Anforderungen der FARL diese Lieferer in unverhältnismäßiger Weise belasten könnten. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn eine Leistung bestellt wird und die Bestellung
kurz vor dem für die Erbringung der Leistung vorgesehenen Zeitpunkt
vom Verbraucher storniert wird. Es solle demnach nicht so sein, dass
sich ein Verbraucher Konzertkarten kauft, um noch kurz vor Veranstal3
tungsbeginn widerrufen zu können.
Diese Argumentation verfängt nicht. Es mag sein, dass auch Verkäufer von Tickets für Freizeitveranstaltungen Nachteile haben, wenn der
Verbraucher den Kaufvertrag widerruft. Dies ändert aber nichts daran,
dass– wie bei Reiseleistungen – die Ausnahmevorschrift des § 312b
Abs. 3 Nr. 6 BGB schon dem Wortlaut entsprechend nur dann gilt,
wenn der Unternehmer diese Dienstleistung selbst erbringt, nicht bei
einem Ticketzwischenhändler. Bei einem Ticketzwischenhändler, der im
eigenen Namen handelt, liegt zudem ein Kaufvertrag, kein Dienstleis4
tungsvertrag vor. Beim Widerruf von Kaufverträgen entstehen jedoch
stets wirtschaftliche Nachteile, meist von erheblichem Ausmaß, die der
Gesetzgeber dem Unternehmer aufgebürdet hat. Dies darf aber nicht zu
beliebigen Analogiebildungen führen, die vom Wortlaut der Ausnahmetatbestände nicht mehr gedeckt sind.
5
Das AG Wernigerode hat daher zutreffend entschieden, dass es sich
beim gewerblichen Weiterverkauf von Eintrittskarten im Wege des
Fernabsatzes um einen Kaufvertrag und damit nicht um eine Dienstleistung handelt, so dass die Ausnahme des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB für
den Verkäufer nicht gilt. Für diese Ansicht spricht überdies, dass dem
Sinn des § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB entsprechend Dienstleistern eine
gewisse Planungssicherheit eingeräumt werden soll, nicht jedoch die mit
6
Tickets spekulierenden Zwischenhändler geschützt werden sollen. Dem
1
Schlömer/Dittrich, K&R 2008, 129, 130.
Schlömer/Dittrich, K&R 2008, 129, 130.
3
Schlömer/Dittrich, K&R 2008, 129, 130.
4
AG Wernigerode, MMR 2007, 402f. mit zust. Anm. Faustmann, MMR 2007,
403f.; Roßnagel/Brönneke, § 312b Rn. 86.
5
AG Wenigerode, MMR 2007, 402.
6
Faustmann, MMR 2007, 403.
2
118
Teil 2 – Anwendungsbereich
europarechtlich eng auszulegenden Ausnahmetatbestand liegt die Überlegung zugrunde, dass es für Veranstalter häufig schwierig ist, ihre
Kapazitäten kurzfristigen Änderungen der Marktlage anzupassen. Ist
das Ticket jedoch einmal ausgestellt und im Vermittler-Vertrieb, kann
der Veranstalter ohnehin nicht mehr über Kapazitäten disponieren und
es besteht auch bis kurz vor der Veranstaltung noch ein Markt für Ticket-Verkäufe. Zuweilen sind kurz vor einer Veranstaltung sogar höhere Verkaufspreise zu erzielen als lange Zeit davor, so etwa bei der Fußball-WM oder Fußball-EM, bei denen Tickets zu einem Vielfachen des
Ausgangspreises bei eBay und über andere Internet-Portale gehandelt
wurden.
3. Warenautomaten und öffentliche Fernsprecher
Die Ausnahmen des § 312b Abs. 3 Nr. 7a und 7b BGB für Warenautomaten und öffentliche Fernsprecher haben für den Internetvertrieb
keine praktische Relevanz. Insbesondere ist das Bereitstellen eines Servers nicht mit dem Aufstellen eines Warenautomaten gleichzusetzen, da
sonst sämtliche über das Internet geschlossenen Verträge vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts ausgenommen wären. Providerverträge sind auch keine Verträge, die unter Verwendung automatisierter
Geschäftsräume geschlossen werden, selbst wenn die Freischaltung des
1
Netzzugangs nach Vertragsschluss automatisiert erfolgt.
4. Zwischenergebnis
Auch die in § 312b Abs. 3 Nr. 5-7 BGB geregelten Ausnahmen vom
Fernabsatzrecht beruhen auf einer erfolgreichen Lobbyarbeit und folgen
keiner durchdachten Unzumutbarkeitsbewertung. Wenig präzise ist die
Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB, der sog. „Pizza-Klausel“, da
Supermärkte auch Elektroartikel, Fahrräder oder Kleidung anbieten.
Geschützt werden soll der in diesem Bereich agierende Kleinhandel; das
Fernabsatzrecht soll für langlebige Konsumgüter oder Luxusartikel
anwendbar bleiben. Die Grenzziehung ist aber schwierig. Nicht ausgenommen sind solche Güter, die nicht häufig und regelmäßig nachgefragt werden, sondern deren Anschaffung typischerweise eine gründliche Überlegung vorausgeht.
Im Jahr 2005 entschied der EuGH, dass auch Automietverträge eine
Beförderungsdienstleistung und somit eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der FARL darstellen. 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB ist nach
richtiger Ansicht aber nicht auf Reisevermittler anwendbar. Geschäfts1
LG Hamburg, CR 2001, 475, 476.
C. Bereichsausnahmen des Fernabsatzrechts
119
besorgungsverträge, die von einem Reisebüro abgeschlossen werden,
sind nicht vom Fernabsatzrecht ausgenommen, zumal die Vermittlungsleistung auch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb
eines bestimmten Zeitraums zu erbringen ist. An anderer Stelle hat der
Gesetzgeber ausdrücklich auch Vermittler bestimmter Dienstleistungen
ausgenommen, nämlich in § 312b Abs. 3 Nr. 3 BGB Versicherungen
„sowie deren Vermittlung“.
Entsprechend den Reisevermittlungen ist auch der die Vermittlung
von Eintrittskarten durch einen Ticketzwischenhändler auszulegen. Bei
einem Ticketzwischenhändler, der im eigenen Namen handelt, liegt kein
Dienstleistungsvertrag, sondern ein Kaufvertrag vor. Beim Widerruf
von Kaufverträgen entstehen jedoch stets wirtschaftliche Nachteile,
meist von erheblichem Ausmaß, die der Gesetzgeber dem Unternehmer
aufgebürdet hat. Dies darf aber nicht zu beliebigen Analogiebildungen
führen, die vom Wortlaut der Ausnahmetatbestände nicht mehr gedeckt
sind.
IV. Reihenvorgänge
Die von der FARLFDL vorgesehenen Regelungen für Dauerschuldverhältnisse werden unter Verweis auf Erwägungsgrund 10 FARL auf
sämtliche Fernabsatzverträge ausgedehnt. Da im Erwägungsgrund 10
FARL auf den „Gesamtvorgang, der sukzessive und gleichartige Vorgänge umfasst“ abgestellt wird, dürfte die Ausweitung zwar gemein1
schaftsrechtlich zulässig sein, bei Waren und allgemeinen Dienstleistungen jedoch nur einen engen Anwendungsbereich haben. Wenn sich
wesentliche Eigenschaften der Ware oder Dienstleistung unterscheiden,
können keine gleichartigen Vorgänge vorliegen. Eine Rahmenvereinbarung eines Online-Händlers mit einem Kunden dürfte daher regelmäßig
2
ausscheiden. Diese Schlechterstellung des Verbrauchers im Onlinehandel durch Umsetzung der europäischen Vorschriften für Finanzdienstleistungen im gesamten Fernabsatzrecht müsste nach Umsetzung des
VRRL-E, sollte sich dieser so durchsetzen, aufgehoben werden, weil das
dort verankerte Vollharmonisierungsprinzip keine nationalen Spezialvorschriften für Reihenvorgänge im Nicht-Finanzdienstleistungsbereich
zulässt.
1
In der DAV-Stellungnahme vom August 2003 begrüßte der Deutsche Anwaltverein die Regelung, empfahl aber dem BMJ zu prüfen, ob eine Änderung der FARL zur
Vermeidung eines Verstoßes betrieben werden sollte.
2
Rott, BB 2005, 53, 55. Anders bei sukzessiven Teillieferungen gleichartiger Ware
(z.B. Sammeltassen).
120
Teil 2 – Anwendungsbereich
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
In § 312d Abs. 4 BGB nimmt der Gesetzgeber einige Verträge vom
Widerrufsrecht aus. Als Grund für die weiteren Ausschlüsse wird ebenso wie bei den Ausnahmen vom Fernabsatzrecht auch hier genannt,
dass bei den jeweiligen Verträgen der Widerruf für den Unternehmer
1
unzumutbar erscheint. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands ist
2
nach der Systematik des Gesetzes vom Unternehmer zu beweisen.
Das Kriterium der Unzumutbarkeit allein hilft jedoch bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände nicht weiter. Der europäische und der
deutsche Gesetzgeber sehen vielmehr das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich als für den Unternehmer zumutbar an,
obwohl eine Rücknahme der Ware für den Unternehmer fast immer mit
3
wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist. Überwiegend wird daher
angenommen, dass eine analoge Anwendung der Regelungen des
§ 312d Abs. 4 BGB zulasten des Verbrauchers daher auch nicht mit der
zu Grunde liegenden Begründung, ein Widerrufsrecht sei dem Unter4
nehmer nicht zumutbar, in Frage komme.
Auffällig ist allerdings, dass es sich bei den Ausnahmen in Abs. 4 einerseits um einzeln nummerierte konkrete Fallgruppen handelt, die auf
Aktivitäten der jeweiligen Branchenverbände zurückzuführen sind (z.B.
§ 312d Abs. 4 Nr. 2 und 3 BGB) und andererseits sehr unbestimmte
Fallgruppen in einer Nummer zusammengefasst werden (§ 312d Abs. 4
5
Nr. 1 BGB). Ein einheitliches Konzept ist nicht erkennbar.
I. Entstehung und Entwicklung der Ausnahmetatbestände
Wie bei den Ausnahmen vom Fernabsatzrecht stellt sich auch bei den
Ausnahmen vom Widerrufsrecht die Frage, inwieweit der Grundsatz
der engen Auslegung von Ausnahmetatbeständen durchbrochen werden
darf, um die Verfassungswidrigkeit der Ausnahmetatbestände zu vermeiden. Die Entstehungsgeschichte der Ausnahmetatbestimmungen
könnte sich für die Auslegung fruchtbar machen lassen.
1
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 44; vgl. auch Grigoleit NJW 2002,
1151, 1153.
2
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 33.
3
BGH, NJW 2003, 1665, 1666 = MMR 2003, 463.
4
Siehe nur Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 44; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d
Rn. 66.
5
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 9.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
121
1. Ausnahmetatbestände der FARL 1997
Die Ausnahmetatbestände des Art. 6 Abs. 3 FARL waren von Beginn an
genauso umstritten wie die Ausnahmen vom Anwendungsbereich der
Richtlinie. Während die Verbraucherschützer sich für möglichst wenige
Ausnahmen aussprachen, sah die Unternehmerseite vielfach keine
Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Daran hat sich ebenfalls bis heute
1
nichts geändert. Erst 1995 wurde ein Gemeinsamer Standpunkt veröffentlicht, der eine Differenzierung zwischen Verträgen einführte, die generell von der Richtlinie ausgenommen werden und solchen, für die u.a.
die Vorschriften über das Widerrufsrecht (Art. 6) und die Erfüllung des
2
Vertrages (Art. 7 Abs. 1) keine Anwendung finden sollten und u.a. dem
Wunsch des Europäischen Parlaments Rechnung trug, das Widerrufsrecht nicht für Dienstleistungen vorzusehen, „bei denen Reservierungen
vorgenommen werden“ (Begründung III 7 iii).
Interessanterweise hielt es der Rat dagegen „nicht für zweckmäßig,
Erzeugnisse der Körperpflege auszuschließen“ (Begründung III 7 vii).
Die Gründe hierfür bleiben im Dunkeln. Auch hier ließe sich argumentieren, dass der Unternehmer durch die Rücknahme solcher Produkte
unangemessen benachteiligt wird, weil er sie zumindest im Falle einer
„Prüfung“ durch den Verbraucher nicht weiterveräußern kann, da ein
Markt für gebrauchte Zahnbürsten, Deoroller oder Kosmetika zweifelsohne nicht besteht. In den Erwägensgründen der finalen Fassung
wird der Grund für die Ausnahme bestimmter Verträge vom Anwendungsbereich vom Widerrufsrecht nicht genannt. Dies ist auch plausibel, da bis zum Schluss Dissens darüber bestand, ob die „richtigen“
Verträge ausgenommen werden. Der europäische Gesetzgeber hatte
keinen Anlass, auch noch offen zu legen, dass kein überzeugendes Gesamtkonzept existiert, sondern sich einfach die hartnäckigsten Lobbyisten durchgesetzt haben.
2. Umsetzung im deutschen Recht
Im deutschen Recht wurden in § 312d Abs. 4 BGB die Ausnahmetatbestände des Art. 6 Abs. 3 FARL nahezu wörtlich umgesetzt. Lediglich
das Erlöschen des Widerrufsrechtes bei Dienstleistungen (Art. 6 Abs. 3,
erster Spiegelstrich FARL) ist an anderer Stelle in § 312d Abs. 3 BGB
3
geregelt und Auktionen sind – anders als im europäischen Recht nach
1
Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat v. 29.06.1995, http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:51995AG1030(01):DE:HTML
(Stand: 5.4.2009).
2
Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG, Rn. 19.
3
Änderung mit BesVertG-RegE, in Kraft ab 4.8.2009 (BGBl. I 2009, S. 2413).
122
Teil 2 – Anwendungsbereich
Art. 3 Abs. 1, fünfter Spiegelstrich FARL – nicht vom Anwendungsbereich insgesamt, sondern nur vom Widerrufsrecht ausgenommen, jedoch nur, soweit es sich um Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB handelt
(§ 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB).
Eine eigenständige Begründung, warum gerade die in Art. 6 Abs. 3
FARL genannten Verträge ausgenommen werden, liefert der deutsche
Gesetzgeber nicht. Er beschreibt lediglich, dass es sich um Verträge
handelt, denen ein spekulatives Element innewohnt (z. B. Lotterieverträge) oder in denen die Ware „nach Benutzung oder ansonsten wertlos
geworden und deshalb ein Widerrufsrecht für den Unternehmer nicht
1
zumutbar ist.“ Diese sehr allgemeine Begründung passt sowohl für die
in § 312d Abs. 4 BGB genannten Fälle, z.B. Anfertigungen nach Kundenspezifikationen, Waren, die nicht für eine Rücksendung geeignet
sind, entsiegelte Software-Datenträger, Zeitungen und Zeitschriften,
aber eben auch für eine Vielzahl anderer Fälle, z.B. all die Fälle, in denen der Kunde Waren anbricht, deren bestimmungsgemäßer Gebrauch
2
in ihrem Verbrauch liegt.
3. Ausnahmetatbestände des VRRL-E 2008
Im Zuge der Konsultation über die FARL wurde wieder intensiv über
die Sinnhaftigkeit der Ausnahmen vom Widerrufsrecht diskutiert. Wie
schon im Vorfeld des Erlasses der FARL driften die Positionen der Interessenverbände nach wie vor weit auseinander und die Argumente der
Handelslobby einerseits und der Verbraucherlobby andererseits sind im
Wesentlichen gleich geblieben.
a) Stark abweichende Positionen der Interessenverbände
Besonders große und besonders gegensätzliche Resonanz hat die Europäische Kommission auf die Frage erhalten, ob die Ausnahmen vom
3
Widerrufsrecht überarbeitet, erweitert oder gestrichen werden sollten.
1
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 44.
Beispiele von Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 237.
Summary Of Responses, p. 10: „Many businesses argue in favour of the introduction of an exclusion from the Directive on the grounds of hygiene and/or health
and safety. This is supported by a couple of Member States. A number of items such
as underwear, electrical goods, digital cameras, jewellery are mentioned on several
occasions. Some suggest the introduction of such an exemption. Others require a
clarification of the exemption for goods which because of their nature cannot be
returned (Article 6 (3) third indent) because of interpretation problems in some
Member States. An introduction of a duty of care on the consumer whilst goods are
in her or his possession has been often mentioned in the answers to this question. …
Goods made to the consumer specifications/personalised – The Commission has
received submissions asking for more clarity or a deletion of the exemption at Article
2
3
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
123
Viele Interessenvertreter der Wirtschaft sprechen sich dafür aus, dass
eine zusätzliche Ausnahme vom Widerrufsrecht für solche Artikel eingeführt wird, die aus Hygiene-, Gesundheits- oder Sicherheitsgründen
1
nach einer Nutzung nicht wieder verkauft werden können. Solche
Produkte können derzeit nicht mit hinreichender Gewissheit unter die
Ausnahme für die Waren, die „aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur
2
Rücksendung geeignet“ sind, subsumiert werden. Denkbar wäre aus
Sicht der Wirtschaft alternativ zu einer konkreten Erweiterung des
Ausnahmekataloges auch die Einführung einer generellen Ausnahme in
Art. 6 FARL für solche Fälle, in denen die Ware aufgrund ihres Zu3
stands zum Weiterverkauf ungeeignet ist. Vorgeschlagen wird zudem
4
eine generelle Ausnahme für geringwertige Transaktionen.
Hingegen verlangen Verbraucherschützer eine Streichung der Ausnahme für Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt wurden, da
die Maßanfertigung nicht zu einer engeren Beziehung zwischen
5
Verbraucher und Lieferer führe. Auch entsiegelte Audio-, Video- oder
Software-Datenträger sollten nach dem Willen der Verbraucherschutzvertreter ebenso wie Downloads nicht vom Widerrufsrecht ausgenom6
men werden, während die Wirtschaft wegen der Möglichkeit der Vervielfältigung und weiteren Nutzung nach Ausübung des
Widerrufsrechtes die Einführung einer expliziten Ausnahme für Down7
1
loads oder generell für sämtliche urheberrechtlich geschützten Waren
fordert.
6 (3) third indent.” http://ec.europa.eu/consumers/cons_int/safe_shop/dist_sell/sum_
responses_consultations_en.pdf, (Stand: 5.4.2009).
1
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 16; BRD-Stellungnahme v. 21.09.
2006, S. 7.
2
Ausführlich dazu: Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751ff.
3
WBZ- Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 5 f.; bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 12.
4
Summary of Responses, p. 11. So bereits Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 237, der vorschlägt, Verträge auszunehmen, bei denen die Leistung des
Verbrauchers 20 € nicht übersteigt.
5
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 9. So schon heute die Rechtslange in
Griechenland, Estland, Litauen und Schweden; Vgl. Schulte-Nölke, Kompendium,
S. 588f.
6
beuc, BEUC/X/085/2006, 1.12.2006, p. 9; a.A. The Consumer Council of Norway, 12.10.2006, p. 4: “There are some practical difficulties connected with returning a file downloaded over the Internet. In some cases it might be possible to somehow make sure that the consumer deletes the file. However, this would imply some
sort of surveillance of consumer’s computers and this would not be desirable. Consequently, an exception from the right to with drawl with regard to files downloaded
does seem reasonable.”
7
WBZ- Stellungnahme v. 20.11.2006; Derzeit ist strittig, ob Downloads als
Dienstleistungen einzustufen sind, so dass das Widerrufsrecht erlischt (so z.B. das
Bundesjustizministerium in Gestaltungshinweis 9 der Muster-Widerrufsbelehrung)
124
Teil 2 – Anwendungsbereich
b) Weitgehend unveränderter Katalog der Ausnahmen
Angesichts der lebhaften Diskussion um die Überarbeitung, Erweiterung oder Streichung der Ausnahmetatbestände hätte man von der
Europäischen Kommission erwartet, dass sie sich mit den einzelnen
Ausnahmen und deren Begründung noch einmal intensiv befasst und
ggf. eine überzeugendere Systematik als bislang einführt. Das ist jedoch
nicht der Fall, vielmehr plant die Kommission, den Ausnahmekatalog in
Art. 19 VRRL-E im Wesentlichen unverändert zu lassen.
Neu ist allerdings, dass Auktionen gemäß Art 19 Abs. 1 h) VRRL-E
nicht mehr wie bislang (Art. 3 Abs. 1, 5. Spiegelstrich FARL) vom Anwendungsbereich, sondern nur noch vom Widerrufsrecht ausgenommen
werden sollen und eine weitere Ausnahme in Art. 19 Abs. 1 d) VRRL-E
eingeführt wird, wenn Wein geliefert wird, dessen Preis beim Abschluss
des Kaufvertrags vereinbart wurde, dessen Lieferung aber erst nach
Ablauf der in Artikel 22 Absatz 1 genannten Frist erfolgen kann und
dessen aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf
die der Gewerbetreibende keinen Einfluss hat.
Eine wesentliche Änderung ist auch, dass die Ausnahme des Art. 6
Abs. 3, 3. Spiegelstrich FARL für Waren, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind, in Art. 19 Abs. 1 c)
VRRL-E nicht mehr vorkommt. Eine Begründung hierfür ist im VRRLE allerdings nicht enthalten. Auch aus dem Konsultationsverfahren
ergibt sich nur, dass eine Klarstellung, nicht jedoch eine Streichung
dieses Ausnahmetatbestandes verlangt wurde.
Die Europäische Kommission begründet die vorgeschlagenen Ausnahmen in den Erwägensgründen 33 und 34 VRRL-E noch mit zwei
Argumenten. Zum einen sei ein Widerrufsrecht bei bestimmten Produkten wegen deren Art unangemessen, z.B. wenn die Waren lange Zeit
nach Vertragsabschluss geliefert würden und ihr Wert von Marktpreis2
schwankungen abhängen würde wie z.B. bei „vin en primeur“. Zum
anderen sei es „unbillig“, wenn bei Fernabsatzverträgen über Dienstleistungen – z.B. Datendownloads – dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehen würde, nachdem der Dienst voll oder teilweise genutzt
wurde. Daher müsse der Verbraucher das Widerrufsrecht verlieren,
oder ob Downloads Warenlieferungen sind, die nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen sind (so z.B. Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 260 m.w.N.)
1
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 15.
2
Erwägensgrund 33 VRRL-E. „Es sollte bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht geben, etwa in Fällen, in denen ein Widerrufsrecht in Anbetracht der Eigenart
des Produkts nicht zweckmäßig wäre. Dies gilt beispielsweise für Verträge über
Wein, der erst lange nach Abschluss eines Vertrags spekulativer Art geliefert wird;
der Wert des Weins hängt dabei von den Schwankungen der Marktpreise ab (vin en
primeur).“
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
125
wenn der Leistungsbeginn mit seiner ausdrücklichen Zustimmung er1
folgt, so die Kommission.
4. Zwischenergebnis
Wie schon bei den Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts macht es die kontroverse Diskussion der Interessengruppen
über viele Jahre schwierig, den Willen des historischen Gesetzgebers zu
ermitteln und bei der Auslegung der Normen heranzuziehen. Aus der
Entstehungsgeschichte der Ausnahmeregelungen kann lediglich gefolgert werden, dass die Fernabsatzvorschriften einen möglichst weiten
Anwendungsbereich genießen sollen und lediglich wenige Verträge
ausgenommen sein sollen. Die Rechtfertigung für die konkreten Ausnahmen ist jedoch bis heute strittig und bleibt weitgehend im Dunkeln.
Im Laufe der Gesetzgebungsverfahren auf europäischer Ebene wurden
Argumente für und gegen die Unzumutbarkeit beziehungsweise Unzweckmäßigkeit des Widerrufsrechts bei bestimmten Vertragstypen
gleichermaßen vorgebracht und diskutiert. Dass es letztlich gerade zu
den bekannten Ausnahmen gekommen ist, beruht überwiegend darauf,
dass bestimmte Interessenvertreter bessere Arbeit geleistet haben als
andere. Inhaltlich ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum nicht entweder gar keine oder sehr viel mehr Verträge ausgenommen werden.
Nicht nachvollziehbar ist, warum die Kommission vorschlägt, künftig auf die Ausnahme für Verträge über aufgrund ihrer Beschaffenheit
nicht zur Rücksendung geeignete Waren zu verzichten, da diese unerlässlich ist, um evident unangemessene Ergebnisse, nämlich einen wirtschaftlichen Totalverlust des Unternehmers, bei der Rückgabe von
gebrauchter Unterwäsche, Hygieneartikeln, angebrochenen Kosmetika,
2
Arzneimitteln oder „getestetem“ Piercingschmuck zu vermeiden. Vordergründig sprechen die geplante Streichung der Ausnahme für Verträge über aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignete
Waren zwar für eine beabsichtigte Ausweitung des Verbraucherschutzes.
Auf der anderen Seite sollen Weinverkäufer begünstigt werden, die
Waren später als 30 Tage nach Bestellung liefern. Dies ist mit Blick auf
1
Erwägensgrund 34 VRRL-E: „Bei Fernabsatzverträgen über die Erbringung von
Dienstleistungen, deren Erfüllung bereits während der Widerrufsfrist beginnt (z. B.
Datensätze, die der Verbraucher in dieser Zeit herunterlädt), wäre es ebenfalls unbillig, wenn der Verbraucher den Vertrag widerrufen dürfte, nachdem er die Dienstleistung ganz oder teilweise in Anspruch genommen hat. Deshalb sollte der Verbraucher
sein Widerrufsrecht verlieren, wenn die Erfüllung mit seiner zuvor ausdrücklich
erteilten Zustimmung beginnt.“
2
Dazu sogleich Teil 2 D III 3 d).
126
Teil 2 – Anwendungsbereich
die Schnelllebigkeit des Internethandels und die Erwartungen des
Verbrauchers, dass eine Ware möglichst sofort geliefert werden sollte,
nicht zu rechtfertigen und spricht eher für eine beabsichtige Ausweitung
des Unternehmerschutzes. Ähnlich verhält es sich bei der Ausnahme der
eBay-Versteigerungen aus dem Widerrufsrecht. Diese lässt sich mit
keinem sachlichen Grund rechtfertigen, da hier die gleiche Gefähr1
dungslage wie bei Käufen über „normale“ Onlineshops besteht. Die
bereits gemachte Erfahrung zeigt, dass das Widerrufsrecht keine
nachteilige Auswirkung auf den Markt der Internetauktionen hat und
2
dieses Geschäftsfeld nicht gefährdet.
Dass die übrigen Ausnahmetatbestände nach wie vor umstritten sind
und gleichwohl so belassen wurden, lässt sich für die historischteleologische Auslegung nicht fruchtbar machen. Der europäische Gesetzgeber hat sich schlichtweg den Praxisproblemen nicht gestellt. Ein
überzeugendes Gesamtkonzept für die Ausnahmen ist nach wie vor
nicht erkennbar. Im Gegenteil: durch die Streichung einer seit dem Jahr
2000 gültigen Ausnahme, die mangelnde Überarbeitung der übrigen
bekannten Ausnahmen und die Einführung einer neuen, nicht zu rechtfertigenden Ausnahme wird weder der Internethandel florieren noch
der Verbraucherschutz funktionieren. Die Kommission war bedauerlicherweise nicht gewillt, sich der politischen Diskussion erneut zu stellen
und hat es im VRRL-E im Wesentlichen bei den aktuell geltenden Ausnahmetatbeständen belassen, obwohl aus der Praxis wichtige Vorschläge zur Erweiterung, Streichung oder Klarstellung des Ausnahmekataloges vorgebracht wurden. Der europäische Besitzstand wurde
weitgehend so belassen wie er ist.
II. Nach Kundenspezifikation angefertigte oder eindeutig
personalisierte Ware
Die Merkmale „nach Kundenspezifikation angefertigt“ und „eindeutig
auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten“ (§ 312d Abs. 4 Nr. 1,
3
1. u. 2. Var. BGB) sind in der Praxis schwer zu trennen. Die Ausnahmevorschrift geht auf Art. 6 Abs. 3, 3. Spiegelstrich FARL zurück, die
im deutschen Recht wörtlich umgesetzt wurde. Der deutsche Gesetzgeber begründet die Ausnahme sehr allgemein damit, dass die Ware infolge der Individualisierung wertlos geworden und deshalb ein Widerrufs-
1
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 12; Föhlisch, MMR 2009,
75, 79;
2
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 12.
3
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 99; Härting, Internetrecht,
Rn. 568.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
127
1
recht für den Unternehmer nicht zumutbar sei. Dem Unternehmer ist
nicht zumutbar, Waren zurück zu nehmen, die anderweitig nicht mehr
2
verwendbar sind und für die kein Markt besteht.
1. Abgrenzung der Fallvarianten
Teilweise wird angenommen, der Begriff des Zuschnitts auf die persönlichen Bedürfnisse sei weiter gefasst als jener der Kundenspezifikation.
Hierunter fielen Konstellationen, in denen der Kunde nicht selbst die
Spezifikation angegeben, sondern sich nach Gestaltungsmöglichkeiten
aus dem Angebot des Unternehmers eine individuelle Komposition
3
zusammengestellt hat. Überwiegend wird jedoch zu Recht davon ausgegangen, dass auch eine Personalisierung nur denkbar ist, wenn die
Waren nach den Vorgaben des Verbrauchers, also nach Kundenspezifi4
kation, hergestellt werden. Die Personalisierung ist also notwendiger5
weise ein Unterfall der Kundenspezifikation. Praktisch gelangen aber
beide Ansichten zu dem gleichen Ergebnis, weil auch die erste Auffassung davon ausgeht, dass die Ausnahme für personalisierte Waren eng
auszulegen ist. Ein persönlicher Zuschnitt könne erst dann angenommen werden, wenn die vom Kunden gewählte Komposition so speziell
ist, dass sich das hieraus entstandene Produkt bei anderen Kunden nur
unter großen Schwierigkeiten und mit erheblichem Wertverlust veräu6
ßern lässt.
2. Umsetzung in anderen europäischen Mitgliedsstaaten
Die meisten Mitgliedstaaten haben die Ausnahme des Art. 6 Abs. 3, 3.
7
Spiegelstrich ebenfalls wortgleich umgesetzt. Hingegen gibt es auch
einige Abweichungen. Griechenland hat in Anwendung des Mindestharmonisierungsprinzips überhaupt keine Vorschriften zur Umsetzung
dieser Ausnahmeregelung erlassen, d.h. hier können auch maßgefertigte, personalisierte, schnell verderbliche oder aufgrund ihrer Beschaffenheit zur Rücksendung nicht geeignete Waren zurückgegeben werden.
Auch nach dänischem und die schwedischem Fernabsatzrecht sind nach
Kundenspezifikation angefertigte Waren nicht vom Widerrufsrecht
1
BT-Drucks. 14/2658, S. 44.
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312d Rn. 27.
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 34.
4
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 13; MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312d Rn. 27; Erman/Saenger, § 312d, Rn. 22.
5
Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312d, Rn. 20.
6
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 34.
7
Vgl. zum Ganzen: Schulte-Nölke, Kompendium, S. 588 ff.
2
3
128
Teil 2 – Anwendungsbereich
ausgenommen. Allerdings können die Vertragsparteien in Dänemark
vereinbaren, dass der Lieferer mit der Herstellung der Waren vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnen kann, was zur Folge hat, dass mit
1
Beginn der Produktion das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt.
In Finnland, Lettland und Schweden sind Waren, die auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind, nicht vom Wi2
derrufsrecht ausgenommen.
3. Eindeutige Fälle individualisierter Ware
Eine Kundenspezifikation liegt eindeutig dann vor, wenn der Verbraucher individuelle Vorgaben für die Anfertigung des Produktes gegeben
3
hat. Für den Onlinehandel bedeutet dies, dass der Verbraucher in einem freien Textfeld Maße oder Texte eingegeben haben oder Dateien
mit Grafiken bzw. Fotos hochgeladen haben muss, die dann für die
Anfertigung der Ware verwendet werden. Hierunter fallen unproblematisch Waren, die eine eindeutige Individualisierung aufweisen wie Bekleidung oder Tassen mit vom Kunden übermittelten Fotos,
Schmuckstücke mit Namensgravuren, nach individuellen Maßeingaben
4
des Kunden zugeschnittene Maßkleidung oder nach den vom Kunden
frei eingegebenen Maßen gefertigten Duschkabinen.
Anwendbar sind die Ausnahmen weiterhin auf zugeschnittene Stoffe,
meterweise abgeschnittene Seile, Boxenkabel oder ähnliche Waren, die
nur mit erheblichem Aufwand weiterveräußert werden können. Nicht
nach Kundenspezifikation angefertigt ist allerdings eine als Paket verkaufte Sammlung mit zugeschnittenen Stoffresten oder ein Kabel einer
bestimmten Standard-Länge, wenn dieses herstellerseitig so ausgeliefert
5
wird. Ausgenommen vom Widerrufsrecht sind auch Leiterplatten, die
nicht lediglich nach Maßgabe von Standardbauteilen gefertigt werden,
6
so dass keine konfektionierte Ware geliefert wird.
4. Eindeutige Fälle nicht individualisierter Ware
Nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen ist hingegen Konfektionswa7
re, die speziell auf Kundenwunsch bestellt wird (sog. Streckengeschäft).
Es ist üblich, dass Onlinehändler kein eigenes Lager unterhalten und die
1
§ 18 Abs. 6 VerbVertG (DK).
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 589.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 34.
4
Erman/Saenger, § 312d Rn. 23.
5
Vgl. Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335.
6
LG Essen, JurPC Web-Dok. 312/2003.
7
LG Memmingen, JurPC Web-Dok. 116/2004.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
129
Ware erst auf Bestellung des Kunden vom Hersteller produziert wird.
Abgesehen davon, dass solche Ware schon vom Wortlaut nicht erfasst
wird, würde eine Ausnahme auch dem Zweck des Fernabsatzrechts
zuwider laufen, da dann praktisch jede Ware vom Widerrufsrecht ausgenommen werden könnte.
Die Vorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 1. u. 2. Var. BGB findet
nach dem Wortlaut auch keine Anwendung auf bloß selten nachgefragte, aber nicht weiter bearbeitete Serienartikel, auch wenn sich für den
Unternehmer vergleichbare Schwierigkeiten bei der Weiterveräußerung
1
ergeben. Vom Anwendungsbereich des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB ist
2
auch Standard-Software ausgeschlossen, hier kommt allenfalls ein
Ausschluss wegen Entsiegelung (Nr. 2) in Betracht.
Überdies wird vorgeschlagen, das Widerrufsrecht solle nicht für die
Fälle ausgeschlossen werden können, in denen der Unternehmer die
Ware selbst personalisiert und noch nicht mit der Anfertigung oder dem
Zuschnitt auf die persönlichen Bedürfnisse begonnen hat und der Kun3
de bereits in diesem frühen Stadium widerruft. Eine solche teleologische Reduktion der Ausnahmevorschrift ist sachgerecht, da der Unternehmer hier kein berechtigtes Interesse an einem Ausschluss hat.
Allerdings dürfte in der Praxis der Nachweis, dass mit der Personalisierung noch nicht begonnen wurde, nur schwer gelingen.
5. Built-to-Order (BTO)-Produkte
Schwieriger zu beurteilen ist, inwieweit sog. „Built-to-Order“(BTO)Produkte, d.h. modular aufgebaute Waren, die nach Kundenwunsch
kombiniert werden, auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten und
daher vom Widerrufsrecht ausgenommen sind. Dies könnte zu der
Annahme verleiten, dass sämtliche BTO-Produkte vom Widerrufsrecht
4
ausgenommen sind. Eine solche Auslegung würde aber dazu führen,
dass quasi jede Konfektionsware vom Widerrufsrecht ausgenommen
werden könnte, indem der Unternehmer stets eine interaktive Zusammenstellung der Einzelkomponenten anbietet, was bei Online-Shops
leicht möglich ist.
Die Frage, ob BTO-Produkte vom Widerruf ausgenommen sind,
wurde in einem Fall bereits vom BGH entschieden und spielt im Onlinehandel eine große praktische Rolle, weil hier dem Verbraucher häufig
ermöglicht wird, mit Hilfe von Online-Applikationen aus verschiedenen
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 23.
LG Memmingen, K&R 2004, 359.
3
Micklitz/Reich/Micklitz, S. 28; MünchKommBGB/Wendehorst Rn. 25.
4
Gaernter/Gierschmann, DB 2000, 1601, 1603.
2
130
Teil 2 – Anwendungsbereich
Komponenten, Farben, Größen etc. sein individuelles Produkt zusammenzustellen.
a) Baukasten-PCs
Besonders häufig kommt es vor, dass PCs vom Verbraucher individuell
konfiguriert werden können. So bietet etwa der Computerhersteller
Dell an, ein Notebook zusammenzustellen, wobei Farbe, Prozessor,
Speicher, Grafikkarte, Bildschirm, optische Laufwerke, Webcam sowie
Kommunikationsverbindungen aus einer vorgegebenen Auswahl ausgewählt werden können. Fraglich ist, ob solche Sachverhalte dem fernabsatzrechtlichen Widerrufsrecht unterliegen oder nicht.
aa) Notebook-Urteil des BGH
1
Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem es um ein Notebook
ging, das nach den Wünschen des Kunden aus vorgefertigten Standardbauteilen zusammengesetzt worden war. Der BGH verneinte einen
Ausschluss des Widerrufsrechtes gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB und
legte die Frage zur Auslegung der Vorschrift auch nicht dem EuGH
vor, obwohl § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB den Art. 6 Abs. 3 dritter Spiegelstrich der FARL wörtlich umsetzt. Allerdings gebietet der Richtliniengesetzgeber derzeit nur, den Mindeststandard zu wahren. Die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EG-Vertrag reicht jedoch nur soweit, wie
2
der Befehl des Richtliniengesetzgebers reicht. Dies entbindet den BGH
aus der Pflicht, in dieser Frage den EuGH anzurufen.
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers sei nur dann wegen Anfertigung der Ware „nach Kundenspezifikation“ ausgeschlossen, wenn der
Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware
erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet, die spezifisch damit zusammenhängen und dadurch entstehen, dass die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde,
3
so der BGH. Dafür müssten kumulativ zwei Voraussetzungen vorliegen.
Zunächst komme es darauf an, dass der Händler die vom Kunden
veranlasste Anfertigung der Ware nicht „ohne weiteres“ rückgängig
machen kann. Ist dies der Fall, komme auch ein Weiterverkauf der
Einzelteile bzw. eine Neuanfertigung nach den Spezifikationen eines
weiteren Kunden in Betracht und ein Widerrufsrecht sei gegeben, weil
es mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich sei, die Bestandteile der Ware wieder in den Zustand zu versetzen, den sie vor der Zu1
2
3
BGH MMR 2003, 463 = ZIP 2003, 851 = NJW 2003, 1665.
Schulte-Nölke, LMK 2003, 181.
BGH MMR 2003, 463, 464.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
131
sammenstellung des Produkts hatten. In einem solchen Fall erleide der
Unternehmer durch die Rücknahme auf Bestellung angefertigter Ware
keinen unzumutbaren Nachteil im Vergleich zu einem Fernabsatzver1
trag über die Lieferung der Bestandteile selbst. Diesbezüglich hat der
BGH im entschiedenen Fall festgelegt, dass der Aufwand und die wirtschaftlichen Einbußen für die Entkonfiguration dem Unternehmer zu2
zumuten sind, wenn diese weniger als 5% des Warenwerts ausmachen.
Zweitens müsse es dem Unternehmer – unabhängig von der „Zerlegbarkeit“ – wirtschaftlich betrachtet nicht zumutbar sein, die individuell
angefertigte Ware zurückzunehmen, weil er sie nicht mit verhältnismä3
ßigem Aufwand weiterverkaufen kann. Diese Frage konnte der BGH
offen lassen, weil er bereits davon ausging, dass die erste Voraussetzung
für die Bejahung des Ausschlusstatbestandes angesichts der Zerlegbarkeit mit vertretbarem Aufwand nicht erfüllt war.
bb) Gegenansicht
4
Kaufmann lehnt ein Widerrufsrecht bei Baukasten-PCs ab. Das Fernabsatzrecht solle die aus der Nutzung von Fernkommunikationsmitteln
spezifisch entstehenden Nachteile ausgleichen und den Verbraucher so
stellen, als kaufe er im ortsansässigen Geschäft. Bei dem Kauf von Baukasten-Computern sei es dem Käufer jedoch nicht nur bei einer OnlineBestellung, sondern auch bei einem Kauf im stationären Handel nicht
möglich, die Ware zu überprüfen. Vielmehr wisse der Kunde in beiden
Fällen sehr genau, welche Komponenten er haben wolle und habe damit seine Wahl gezielt getroffen. In beiden Fällen beruhe eine Fehleinschätzung nicht auf der fehlenden Option der Prüfmöglichkeit hinsichtlich der Eigenschaften der weiteren Komponenten. Dem stehe auch
nicht die Erwägung des fehlenden persönlichen Beratungsgespräches
5
beim Internet-Handel entgegen.
Zumindest solle neben der Arbeitszeit für die Demontage auch weitere zusätzliche Zeit- und Geldaufwendungen des Unternehmers bei der
Festsetzung des 5%-Schwellenwertes berücksichtigt werden, insbesondere solche für die Überprüfung von Spyware und des Zustands der
6
Ware. Denn hierbei handele es sich um einen erheblichen wirtschaftli1
So auch AG Hoyerswerda, VuR 2009, 70 m. Anm. Bücker; AG Schönebeck,
MMR 2008, 860.
2
Nach dem Urteil der Vorinstanz (OLG Frankfurt, CR 2002, 638) ist es im Einzelfall entscheidend, ob die Rücknahme der Ware für den Unternehmer zu einer
„quasi unzumutbaren Beeinträchtigung“ führen würde.
3
BGH MMR 2003, 463, 464.
4
Kaufmann, CR 2006, 764, 765.
5
Kaufmann, CR 2006, 764, 765.
6
Kaufmann, CR 2006, 764, 765.
132
Teil 2 – Anwendungsbereich
chen Nachteil, der allein durch die Kundenspezifikation entstanden sei,
so dass hier das Widerrufsrecht (typisiert) unzumutbar sei.
cc) Stellungnahme
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Zweck des Widerrufsrechts ist nicht nur, dem Verbraucher eine Inaugenscheinnahme des
Produkts zu ermöglichen, sondern auch, sich von Verträgen mit unseriösen Geschäftspartnern zu lösen, von dessen Zuverlässigkeit vorab kein
Eindruck gewonnen werden konnte. Allein durch die Personalisierung
des Produktes wird der Vertragspartner nicht seriöser und die Bindung
zum Verbraucher nicht enger. Insofern verfängt das teleologische Argument von Kaufmann nicht. Auch wenn der Kunde sich genau überlegt, welche Komponenten er wünscht, kann er gleichwohl an einen
Händler geraten, der nicht die beschriebene Qualität ausliefert oder
trotz Zahlung über einen langen Zeitraum gar nicht oder nur teilweise
liefert.
Zudem wäre bei anderer Betrachtungsweise quasi jede Konfektionsware vom Widerrufsrecht ausschlussfähig, weil das Widerrufsrecht
allein davon abhängig wäre, ob eine Ware vorrätig gehalten oder erst
1
auf Bestellung produziert wird. Der Verbraucherschutz im Fernabsatz
liefe leer, weil Händler, die das Widerrufsrecht umgehen wollen, standardisierte Massenware dann immer erst auf Bestellung produzieren
lassen würden. Der Kunde könnte dann etwa einen Standard-Fernseher
nicht mehr retournieren, wenn er ihn in Silber oder Anthrazit aussuchte, denn dies würde bereits für eine Personalisierung ausreichen, wenn
der Fernseher erst auf Bestellung des Kunden gefertigt würde, wie es im
Onlinehandel – insbesondere bei hochpreisiger Ware – durchaus üblich
ist.
Schließlich handelt es sich entgegen Kaufmann bei Kosten, die durch
die Überprüfung auf Virenfreiheit und andere Schädlinge entstehen,
nicht um typisiert unzumutbare Kosten. Denn solche Kosten entstehen
auch, wenn ein vorgefertigter Standard-PC ohne jede Kundenspezifikation zurückgegeben wird, und zwar unabhängig davon, ob er online
2
oder im stationären Handel erworben wird. Dieses allgemeine Risiko
hat der Gesetzgeber jedoch dem Unternehmer aufgebürdet, indem er
das Widerrufsrecht im Fernabsatz eingeführt hat. Diese Entscheidung
ist zu akzeptieren.
Maßgeblich kann also nicht sein, dass die Rücknahme der Ware
überhaupt wirtschaftliche Nachteile für den Unternehmer hat, sondern
dass gerade die Ausgestaltung der Ware nach den Wünschen des
1
2
jurisPK-BGB/Junker, § 312d, Rn. 38.
Vgl. OLG Dresden, MMR 2002, 172, 173.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
133
Verbrauchers die wirtschaftlichen Nachteile des Unternehmers in un1
zumutbarer Weise verschärft (typisierte Unzumutbarkeit). Die Grenzziehung zwischen typisierter Unzumutbarkeit und zumutbarem Widerrufsrisiko ist allerdings insbesondere bei der Ausübung des
Widerrufsrechts bei Computer-Hardware ein „Dauerproblem“ im
2
Fernabsatzrecht. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob Hardware aufgrund
3
ihrer Beschaffenheit zur Rücksendung nicht geeignet ist.
b) Kraftfahrzeuge und Fahrräder
Vom Kunden im Internet konfigurierte Kraftfahrzeuge lassen sich im
Regelfall ohne weiteres wieder demontieren. So können Aluminiumfelgen mit einem Aufwand, der innerhalb der Umsatzrendite liegt, ebenso
ausgetauscht werden wie elektrisch verstellbare Sitze oder beleuchtete
Schminkspiegel in der Beifahrer-Sonnenblende. Anders dürfte es mit
einer bestimmten Motorisierung und einer bestimmten Lackierung
aussehen. Diese Ausstattungsmerkmale lassen sich nicht „ohne weiteres“ rückgängig machen, sondern werden einen Aufwand erfordern, der
mehr als 5% des Kaufpreises bzw. deren Vorsteuermarge ausmacht.
In solchen Fällen ist jedoch in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob es
sich zwar um individuelle, aber doch Ausstattungsmerkmale handelt,
die durchaus häufiger vorkommen. Dann kann von einem Zuschnitt
auf persönliche Bedürfnisse nicht gesprochen werden, da es viele Kunden geben wird, die z.B. die von dem speziellen Kunden gewählte stär4
kere Motorausstattung auch akzeptieren können. Auch dies ist aber im
Einzelfall zu untersuchen. Ein gelber Ferrari wird schon wegen des
hohen Preises und damit einen kleineren infrage kommenden Käuferkreis weitaus schwieriger zu verkaufen sein als ein schwarzer VW Passat.
Eine Ware, für die das Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1,
Var. 1 BGB nicht gilt, wäre ein Kraftfahrzeug, das „eine ungewöhnliche
5
Häufung von sehr entlegenen Sonderwünschen“ aufweist, die in ihrer
konkreten Zusammenstellung kaum einen Abnehmer finden. Allerdings
dürfte man bei der Prüfung häufig gar nicht bis zu diesem Schritt kommen, da die meisten Ausstattungskomponenten mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand entkonfiguriert werden können. Ähnlich liegt es
z.B. auch bei speziell angefertigten Fahrrädern, wenn diese nicht zu sehr
von den üblichen Gestaltungsmöglichkeiten abweichen.
1
Vgl. Schulte-Nölke, LMK 2003, 181.
So Fischer, DB 2003, 1103, 1105.
3
Dazu sogleich Teil 2 D III 4 e).
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 34.
5
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 34.
2
134
Teil 2 – Anwendungsbereich
Insofern beschränken sich die „echten“ Sonderanfertigungen in der
1
Praxis weitgehend auf spezielle Lackierungen und sonstige Merkmale,
die nicht ohne weiteres rückgängig gemacht werden können. Häufig
werden solche Ausstattungsmerkmale nicht standardisiert über vorgegebene Optionen (Dropdown-Boxen), sondern durch individuelle Eingabe des Kunden in freie Textfelder erfasst werden.
c) Möbel
Bei selbst zusammengestellten Möbeln kommt der Ausschluss des Widerrufsrechts dagegen schon eher in Betracht, da es bei Möbeln in Anbetracht der Verkehrsanschauung stark auf die konkrete Individualisierung bezüglich Farbe, Form, Material etc. ankommt. Umso mehr
Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher hat und umso hochwertiger die
Ware ist, desto eher liegt eine Anfertigung nach Kundespezifikationen
dar, die zum Ausschluss des Widerrufsrechts führt.
Ein Designersessel für 7.000 €, bei dem sieben verschiedene Grundformen sowie 20 verschiedene edle Ledersorten jeweils nur für eine
Saison zum Bezug zur Auswahl stehen, wird sich nicht ohne Weiteres
zerlegen lassen, da – abgesehen vom nicht unerheblichen Arbeitsaufwand – der Bezug dann nicht mehr vollständig wieder verwertet werden
kann. Vielfach wird sich nicht ohne Weiteres ein Käufer finden, der
genau diesen Sessel akzeptiert, so dass die vom Kunden gewählte Komposition wegen ihrer Seltenheit trotz weniger Komponenten so speziell
ist, dass sich das hieraus entstandene Produkt bei anderen Kunden nur
unter großen Schwierigkeiten und mit erheblichem Wertverlust veräußern lässt.
Geht es hingegen um ein Ikea-Sofa für 100 €, bei dem alle Jahre wieder ein Stoffbezug in den Farben Rot, Blau und Beige zur Auswahl
steht, der auch separat nachgekauft und selbst vom Konsumenten gewaschen und aufgezogen werden kann, wird man nicht von einer Maßanfertigung ausgehen können. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts ist
aber auch zu verneinen, wenn bei hochpreisigen Designertischen beliebig viele Tischplatten und Füße kombiniert werden können, wenn es
ein Leichtes ist, diese Bestandteile ohne Substanzverletzung wieder zu
trennen, getrennt zu verkaufen oder neu konfiguriert zu verkaufen.
d) Badezimmer
Nicht selten werden Waschbecken, Toiletten, Duschkabinen, Badewan2
nen oder komplette Badezimmer über das Internet verkauft. Bei
1
So bietet etwas der Hersteller Audi im Internet neben 12 vorgegebenen Farben
die Option „Individuallackierung“.
2
So z.B. unter www.megabad.com (Stand: 5.4.2009).
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
135
Duschkabinen können häufig Größe, Form, Material und Farbe der
Duschwanne sowie auch Türen und weitere Accessoires individuell
konfiguriert und kombiniert werden. Hier kann ein Ausschluss des
Widerrufsrechts vorliegen, wenn diese auf die konkreten Räumlichkeiten zugeschnitten sind und eine Trennung der Komponenten nicht ohne
weiteres möglich ist.
Handelt es sich jedoch um Kabinen, die von Farbe, Form, Größe und
Material den üblichen Duschkabinen entsprechen und lassen sich die
individualisierten Kabinen problemlos in den üblichen Räumlichkeiten
einfügen, dürfte ein Ausschluss des Widerrufsrechts nicht gegeben sein.
Zudem werden einzelne Komponenten meist sogar getrennt angeliefert
und müssen erst vom Verbraucher beziehungsweise einem beauftragten
Handwerker zusammengesetzt werden. Es spricht also nichts dagegen,
auch selten bestellte Konfektionsware wieder in regulären Geschäftsbetrieb weiterzuveräußern.
Auch bei dieser Fallgruppe beschränkt sich die „echte“ Kundenspezifikationen daher auf Fälle, in denen der Verbraucher individuelle Maße
bzw. Material- oder Farbwünsche in freien Textfeldern eingibt. Soweit
die Komponenten, auch wenn es sich um eine Vielzahl verschiedener
handelt, mittels Dropdown-Boxen ausgewählt und nicht untrennbar
miteinander verbunden werden, greift die Ausnahme gemäß § 312d
Abs. 4 Nr. 1, 1. Var. BGB nicht ein.
e) Maßkleidung
Als häufigstes Beispiel für § 312d Abs. 4 Nr. 1, 1. Var. BGB wird die
Maßkleidung genannt. Auch hier ist aber zu differenzieren. Zwar
wird Kleidung in aller Regel nicht ohne Substanzverletzung und auch
nicht mit vertretbarem Aufwand in den Ursprungszustand (einzelne
Stoffteile) zurückversetzt werden können. Gleichwohl wird ein Anzug
aus 100% Schurwolle mit Standardschnitt in der Farbe Anthrazit und
in der Größe 52 mit für den Unternehmer zumutbaren Aufwand einen
neuen Abnehmer finden. Anders liegt der Fall, wenn ein gelber Seiden-Anzug mit violetten Knöpfen der Größe 112 bestellt wird. Auch
ein solcher Fall ist jedoch nicht unproblematisch, da man eben so
argumentieren könnte, dass es sich um nichts weiter als eine Konfektionsware handelt, die auf Bestellung des Kunden produziert wird, so
dass ein Ausschluss des Widerrufsrechts nicht vorliegt. Die Spezifikation der Größe ist letztlich nichts anderes als die Auswahl der Farbe
eines Fernsehers, sofern sie mittels vorgegebener Auswahlmöglichkeiten erfolgt.
Die in § 312d Abs. 4 Nr. 1, 1. Var. BGB typisierte Unzumutbarkeit
liegt klarer vor, wenn der Kunde selbst seine Maße frei eingibt, etwa die
Länge des Armes oder den Umfang des Bauches, wie dies auch im stati-
136
Teil 2 – Anwendungsbereich
onären Handel bei maßgefertigten Anzügen üblich ist. Mangels Teilbarkeit der Einzelkomponenten liegt eine eindeutige Personalisierung
auch dann vor, wenn ein Kleidungsstück sehr viele individuelle Merkmale aufweist, d.h. nicht nur Stoffe und Größe, sondern Material, dessen Farbe und Stärke, Nähte, Reißverschlüsse und deren Position,
Knöpfe, Schnitt, Öffnungen etc.
f) Waren mit Aufdrucken
Häufig über den Onlinehandel vertriebene Produkte sind schließlich die
T-Shirts, Tassen oder auch Poster mit individuell gewählten Aufdrucken. In allen Fällen lässt sich der Druck von dem Trägermedium nicht
mehr trennen, das heißt Entkonfiguration scheidet aus. Unproblematisch von einer Kundespezifikation im Sinne von § 312d Abs. 4 Nr. 1,
1. Var. BGB kann ausgegangen werden, wenn eigene, d.h. vom Kunden
hochgeladene Grafiken, Fotos oder Texte aufgedruckt werden.
Wird jedoch aus einer – meist sehr großen – Auswahl von vorgegebenen Motiven oder Texten ausgewählt, ist zu differenzieren. Handelt
es sich um wenige Individualisierungsmerkmale (z.B. nur ein Motiv)
und ein häufig nachgefragtes Trägermedium (z.B. weißes T-Shirt in
Größe L), wird sich ein anderer Abnehmer relativ leicht finden lassen.
Hingegen kann man bei mehreren Individualisierungsmerkmalen (z.B.
Motiv und Text) sowie eher seltenen Trägermedien (z.B. rosa Latexhemd in Größe XS) nicht davon ausgehen, dass die Ware in absehbarer
Zeit weiterveräußert werden kann. Trotz vorgegebener Optionen kann
daher durchaus ein Ausschluss des Widerrufsrechts vorliegen.
g) Zwischenergebnis
Die Frage, ob bei BTO-Produkten eine nach Kundenspezifikationen
oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnittene Ware
vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Viele Waren sind trotz individueller Zusammenstellung schon deshalb nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen, weil sie sich ohne weiteres mit vertretbarem Aufwand und
ohne Substanzverletzung wieder trennen lassen (z.B. PCs, Kraftfahrzeuge, Fahrräder, Duschkabinen). Maßgeblicher Schwellenwert für einen
zumutbaren Zerlegungsaufwand sollte die Umsatzrendite sein. In solchen Fällen kommt ein Ausschluss des Widerrufsrechts regelmäßig nur
in Betracht, wenn Komponenten vorhanden sind, die sich nicht rückgängig machen lassen, wie z.B. eine Sonderlackierung oder wenn der
Kunde völlig freie Gestaltungsmerkmale übermittelt, d.h. diese nicht
aus einer vorgegebenen Liste aussucht.
Weiterhin gibt es Warengruppen, bei denen eine Zerlegung ohne
Substanzverlust regelmäßig nicht in Betracht kommt (z.B. Möbel, Kleidung oder Waren mit Aufdrucken). Hier kommt das zweite vom BGH
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
137
herausgearbeitete Kriterium zum Tragen, wonach die Ware nicht oder
nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen wieder verkäuflich sein
darf. Über diese Erheblichkeitsschwelle wurde bislang nicht entschieden. Angesichts des Schutzzwecks des Fernabsatzrechts und der gesetzgeberischen Entscheidung, das wirtschaftliche Risiko, dass ein Kunde
mit der Ware nicht zufrieden ist und diese retourniert, dem Händler
aufzuerlegen, muss dieser Schwellenwert aber deutlich höher liegen als
der für den Zerlegungsaufwand maßgebliche. Von einer erheblichen
wirtschaftlichen Einbuße im Falle einer nicht zerlegbaren Massenfertigung kann daher nur die Rede sein, wenn der Preisabschlag denjenigen
übersteigt, der entstehen würde, wenn der Händler eine im Rahmen des
Widerrufsrechtes geprüfte Ware wieder veräußern will. Hier könnte ein
Abschlag von 20% des Kaufpreises in vielen Fällen als zumutbar betrachtet werden, der auch als Wertminderung infolge der Prüfung einer
Ware durchaus realistisch ist.
Kann eine individuell zusammengesetzte Sachgesamtheit nach Zerlegung in ihre Einzelteile oder auf sonstige Weise sinnvoll auf dem Markt
angeboten werden und ist der Aufwand für die Zerlegung mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich, greift die Ausnahmevor1
schrift nicht ein. Ob dem Unternehmer in BTO-Fällen auch mehr oder
weniger Aufwand für die Entkonfiguration zumutbar ist, lässt der BGH
2
offen. Die 5% sind aber ein „erster wichtiger Fingerzeig“. Abzustellen
ist allerdings nicht auf einen starren Prozentwert, sondern auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Umsatzrendite des
3
Unternehmers. Ist die Marge größer, darf auch ein höherer Aufwand
für die Zerlegung zugemutet werden, denn der Unternehmer macht
dann keinen Verlust, sondern eben nur keinen Gewinn.
Während sich Notebooks von DVD-Brennern oder Automobile von
Aluminiumfelgen möglicherweise leicht trennen lassen und im normalen Geschäftsgang weiterverwertbar sind, können ein per DropdownMenü konfiguriertes Hightech-Rennrad mit Sonderlackierung oder eine
luxuriöse Duschkabine schnell zum Ladenhüter werden, weil sie weder
in den Ursprungszustand zurück versetzt werden können noch andere
Kunden ein Interesse an solcher Ware haben. Jeder Einzelfall muss auf
Anzahl und wirtschaftliche Bedeutung der individuellen Merkmale
geprüft werden.
Zudem kommt es stets darauf an, ob dem Händler durch die Rücknahme der Ware erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen, weil
die Ware erst auf Bestellung des Kunden nach dessen besonderen Wün1
Erman/Saenger, § 312d Rn. 23; Hk-VertriebsR/Tonner Rn. 27; Wilmer/Hahn,
Fernabsatzrecht, Rn. 19.
2
Brönneke, MMR 2004, 127, 128.
3
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 47.
138
Teil 2 – Anwendungsbereich
schen angefertigt wurde. Daher kommt es insgesamt also auch auf den
Grad der Individualisierung an. Je mehr ein Produkt von den üblichen
Spezifikationen abweicht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit,
dass sich die übrigen Kunden des Händlers nicht mehr für dieses konkrete Produkt interessieren.
Jedoch kann z. B. beim Angebot von Notebooks mit zahlreichen
Dropdown-Boxen (Auswahl der Festplattengröße, der Größe des Arbeitsspeichers, des jeweiligen DVD- Laufwerks etc.) allein durch die
Individualisierbarkeit des Endgeräts das Widerrufsrecht nicht ausgeschlossen werden, da die Individualisierung hier für viele Kunden nicht
kaufentscheidend sein dürfte. Anders sieht es aus, wenn der Kunde eine
Farbe für das Notebook-Gehäuse wählt, die von anderen Kunden so
gut wie nie gewählt wird. Im konkreten Fall ist dies vom Händler, der
sich auf den Ausnahmetatbestand berufen will, darzulegen und zu beweisen.
III. Aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung
geeignete Ware
Gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB sind Verträge über solche
Waren vom Widerruf ausgenommen, die „aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet“ sind. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Ausnahme wörtlich aus Art. 6 Abs. 3, 3. Spiegelstrich
FARL übernommen, ohne den Tatbestand weiter zu konkretisieren,
obwohl dies dringend geboten gewesen wäre. Nach tschechischem
Recht sind auch Verträge über nicht zur Rücksendung geeignete Produkte widerrufbar, da die Ausnahmevorschrift nicht in nationales
1
Recht umgesetzt wurde. Trotz Forderungen der Handelsverbände, den
Anwendungsbereich dieser praktisch bedeutsamen Ausnahmevorschrift
zu konkretisieren, schlug die Kommission im VRRL-E vor, auf die
2
Regelung ganz zu verzichten. Dabei sind die meisten praktisch bedeutsamen Verträge, die vom Widerrufsrecht ausgenommen sind, unter
diese Variante zu subsumieren.
1. Unklarer Anwendungsbereich
Erhebliche Unklarheit herrscht über den Anwendungsbereich der Vor3
schrift. Nach der jetzigen Rechtslage ist streitig, ob beispielsweise getragene Unterwäsche oder Bademode, benutzter Piercingschmuck, eine
1
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 589.
Vgl. oben Teil 2 D I 3.
3
So schon zum europäischen Recht: Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG,
Rn. 95.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
139
geöffnete Parfümflasche, ein durchgelesenes Buch, angebrochene Lebensmittel (deren Haltbarkeitsdatum nicht abzulaufen droht und bei
denen keine Gefahr des Verderbs besteht) u. ä. grundsätzlich rückgabefähig sind. Klar ist lediglich, dass der Unternehmer Wertersatz geltend
machen kann, wenn der Wiederverkaufswert aufgrund der (bestim1
mungsgemäßen) Nutzung herabgesetzt ist. Allerdings werden Zweifel
geäußert, ob die Wertersatzregelung des § 357 Abs. 3 BGB mit Art. 6
2
Abs. 1 und 2 FARL vereinbar ist.
Der EuGH hat einerseits mehrfach den Grundsatz der engen Ausle3
gung von Ausnahmebestimmungen betont, andererseits in der Ent4
scheidung EasyCar klargestellt, dass auch bei der Auslegung der Ausnahmevorschriften vom Fernabsatzrecht in gewissem Umfang eine
Abwägung der Interessen der Verbraucher mit denen der Unternehmer
an einem Schutz vor unverhältnismäßigen Nachteilen der Ausübung
5
von Verbraucherrechten stattfinden darf. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkung diese Grundsätze für die Interpretation des § 312d
Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB haben und welche Fälle sich unter den Tatbestand konkret subsumieren lassen.
Die meisten Verbrauchsgüter verlieren bei Benutzung erheblich an
Wert oder werden faktisch unverkäuflich, so dass sie „auf Grund ihrer
Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet“ sein könnten.
Nimmt man den Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmetatbeständen ernst, darf der Verbraucher aber z. B. eine Friteuse oder einen
Rasenmäher in Gebrauch nehmen und den Kauf widerrufen. Hier ist
der Schaden zumindest sehr hoch, weil die Ware überprüft und gereinigt werden muss und nur noch mit erheblichen Abschlägen verkauft
werden kann. Auch darf bezweifelt werden, ob es einen entsprechenden
Secondhand-Markt gibt und der Unternehmer organisatorisch gewillt
6
und in der Lage ist, diesen zu bedienen.
Höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var.
BGB gibt es bislang nicht. Der BGH hat jedoch mit seiner Notebook7
Entscheidung für den Ausnahmetatbestand der Fertigung nach Kundenspezifikation entschieden, dass aufgrund des Ausnahmecharakters
dieser eben nicht generalklauselartigen, sondern typisierten Ausnahmen
1
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 11.
So AG Lahr, MMR 2008, 270; Brönneke, MMR 2004, 127, 132; dagegen:
Buchmann, K&R 2008, 505, 508f. Ausführlich dazu Teil 4 D II 1.
3
So vor allem in der Entscheidung EuGH, VuR 2002, 68.
4
EuGH, CR 2005, 651 = MMR 2005, 364 = NJW 2005, 3055 (easyCar UK
Ltd/Office of Fair Trading).
5
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1349.
6
vgl. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 101.
7
BGH, NJW 2003, 1665 = MMR 2003, 463 = ZIP 2003, 851; Kritisch hierzu
Kaufmann, CR 2006, 764.
2
140
Teil 2 – Anwendungsbereich
nicht jede Benachteiligung des Unternehmers ausreichen darf. Nicht in
Betracht zu ziehen sind nach dieser Rechtsprechung insbesondere jene
Nachteile, die „mit der Rücknahme bereits produzierter Ware stets
verbunden sind.“ Diese allgemeinen Nachteile bürdet der Gesetzgeber
dem Unternehmer auf. Nur „darüber hinausgehende besondere
Nachteile“, die gerade durch die typisierte Vertragslage bedingt sind,
können demnach zur Unzumutbarkeit des Widerrufsrechts für den
Unternehmer führen.
2. Inhalt des Ausnahmetatbestandes
Neben den klassischen Auslegungsmethoden sind bei der Auslegung
von Ausnahmebestimmungen bestimmte Sonderregeln zu beachten.
Nachfolgend wird geprüft, zu welchem Ergebnis die anzuwendenden
Methoden bei der Auslegung § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB führen.
a) Wortsinn der Norm
Nach dem Wortlaut des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB ist fraglich,
ob überhaupt ein Anwendungsbereich besteht, denn Waren, die zum
Verbraucher gesendet werden können, können von diesem auch zum
1
Unternehmer zurück gesendet werden. Der Tatbestand hat überhaupt
nur dann einen Anwendungsbereich, wenn die Ware nicht von vornherein zur Rücksendung ungeeignet sein muss, sondern ausreicht, wenn
2
dieser Zustand später eintritt, wie dies auch beim Erlöschen des Widerrufsrechtes (§ 312d Abs. 3 BGB) und bei der Entsiegelung (§ 312d
Abs. 4 Nr. 2 BGB) der Fall ist. So ist der Wortlaut zu verstehen. Meist
kommt der Ausnahmetatbestand daher zum Tragen, wenn die Ware
durch Handlungen des Verbrauchers für den Unternehmer unverkäuflich wird.
b) Bedeutungszusammenhang der Norm
Sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht wird die Variante
„zur Rücksendung nicht geeignet“ in einem Satz mit den Fallgruppen
Kundenspezifikation, Personalisierung, schnell verderblich und drohendes Verfallsdatum genannt. Allerdings gibt es keinen Oberbegriff für
diese Varianten, sondern es handelt sich um ein unhomogenes Sammelsurium an Fällen, in denen das Widerrufsrecht dem Gesetzgeber aus
irgendwelchen, nicht näher erläuterten Gründen „unzumutbar“ erscheint. Insgesamt ist der Bedeutungszusammenhang der einzelnen
Ausnahmetatbestimmungen des Art. 6 Abs. 3 FARL bzw. Art. 19
1
2
Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312d, Rn. 21.
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 49.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
141
Abs. 1 VRRL-E und des § 312d Abs. 4 BGB für die Auslegung nicht
ergiebig. Sowohl im europäischen als auch im deutschen Recht werden
bunte Mixturen von Ausnahmetatbeständen definiert, die nichts weiter
als Lobbyistenwerk sind. Die Systematik gibt keinen Aufschluss darüber, wie die Variante auszulegen ist.
Auch die weiteren Ausschlüsse Art. 6 Abs. 3, 3. Spiegelstrich FARL
bzw. § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB folgen allerdings allesamt der Überlegung, dass in diesen besonderen Vertragslagen die Ware wertlos wird
und für den Unternehmer gar nicht oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen wieder verkäuflich ist. Daraus lässt sich ableiten, dass
die Unverkäuflichkeit der Ware auch bei der Auslegung der 3. Variante
ein entscheidendes Kriterium ist.
c) Historisch-teleologische Auslegung
Der europäische Gesetzgeber begründet die Fallvariante nicht gesondert. Der deutsche Gesetzgeber stellt in der Begründung des § 312d
Abs. 4 Nr. 1 BGB insgesamt einerseits darauf ab, ob „die Ware nach
Benutzung oder ansonsten wertlos und deshalb ein Widerrufsrecht für
den Unternehmer nicht zumutbar ist“ und andererseits, ob die Ware
1
„rückstandslos“ zurückgegeben werden kann. Daraus wird geschlossen, entscheidend sei „die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit aus
2
rechtlichen Gründen.“ Nach diesem Verständnis könnte eine Vielzahl
von Waren vom Widerrufsrecht ausgenommen werden, etwa getragene
Unterwäsche oder angebrochene Cremedosen. Es stellt sich jedoch die
Frage, ob dies mit dem Ausnahmecharakter der Vorschrift vereinbar ist
oder gegen das Verbot von Analogiebildungen verstößt.
Wenig hilfreich ist hier das Heizöl-Beispiel des Gesetzgebers. Warum
Heizöl durch Vermischung „aufgrund seiner Beschaffenheit für eine
Rücksendung ungeeignet“ werden soll, bleibt unklar. Vielmehr ist es
durchaus zur Rücksendung geeignet, kann aber nicht wieder verkauft
werden, ebenso wie eine Cremedose, aus der der Verbraucher mit dem
Finger einen Teil entnommen hat oder ein Medikament, das aus gesetzlichen Gründen unabhängig von einem Gebrauch nicht wieder legal in
Verkehr gebracht werden darf. All diese vergleichbaren Fälle werden
aber von den bestehenden Ausnahmen nicht ausdrücklich erfasst.
d) „Enge“ Auslegung von Ausnahmebestimmungen
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung steht der Grundsatz der engen Auslegung von
Ausnahmebestimmungen in dem europäischen Sekundärrecht. Ganz
1
2
BT-Drucks. 14/2658, S. 44.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 26.
142
Teil 2 – Anwendungsbereich
generell gilt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH, dass Ausnahmen von gemeinschaftsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften eng
1
auszulegen sind. Auch nach Rechtsprechung des BGH sind Ausnahmevorschriften vom Fernabsatzrecht (§ 312b Abs. 3 BGB) ebenso wie
Ausnahmevorschriften vom Widerrufsrecht (§ 312d Abs. 4 BGB) eng
2
auszulegen. Der Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen führt zu einem weiten Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts. Regelmäßig soll für alle Verträge über Waren oder Dienstleistungen ein Widerrufsrecht gelten. Der allgemeine Hinweis darauf, dass
Widerrufsrecht und Informationspflichten für den Unternehmer unzumutbar seien, wie dies in vielen Fällen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Fall ist, verbietet sich und darf nicht dazu führen, dass
nach Belieben Verträge vom Anwendungsbereich ausgeklammert werden.
3
Auch die EasyCar-Entscheidung des EuGH bestätigt, dass die Ausnahmevorschriften grundsätzlich so auszulegen sind, dass ein weit reichender Verbraucherschutz gewährleistet ist. Zugleich entschied der
EuGH aber auch, dass der Zweck der Ausnahmetatbestände darin
besteht, den Unternehmer vor unverhältnismäßigen Nachteilen zu
4
schützen. Art. 3 Abs. 2 FARL sei darauf gerichtet, die Erbringer von
Dienstleistungen in bestimmten Tätigkeitssektoren deshalb auszunehmen, weil die Anforderungen der Richtlinie diese Lieferer in unverhältnismäßiger Weise belasten könnten, insbesondere in dem Fall, dass eine
Dienstleistung bestellt worden ist und diese Bestellung kurz vor dem für
die Erbringung der Dienstleistung vorgesehenen Zeitpunkt vom
5
Verbraucher storniert wird. Autovermieter hätten im Fall einer Stornierung die gleichen Nachteile wie die anderen Unternehmen, die im
Beförderungssektor oder in den anderen im genannten Artikel 3 Absatz 2 aufgezählten Sektoren tätig sind.
Der EuGH bestimmt mit dieser Rechtsprechung also einerseits den
Zweck der Ausnahmetatbestände, nämlich den Schutz der Unternehmer
vor unverhältnismäßigen Belastungen, und macht andererseits den Weg
frei für eine weniger enge Auslegung der Ausnahmetatbestände, die –
1
Der EuGH dazu:„when those terms (terms for which European legislation provides no definition) appear…in a provision which constitutes a derogation from a
principle or more specifically, from Community rules for the protection of consumers, they must… be interpreted restrictively”: ECJ case C-83/99 Commission v Spain
(2001) ECR I-445, paragraph 19, and case C-481/99 Heininger (2001) ECR I-9945
paragraph 31. Vgl. auch Roßnagel/Brönneke, § 312b Rn. 10, 68, 71, 76, 80, 96
2
BGH NJW 2003, 1665, 1666 (zur Auslegung des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB
„nach Kundenspezifikation angefertigt“).
3
EuGH, MMR 2005, 364 = NJW 2005, 3055
4
EuGH, MMR 2005, 364, 365.
5
EuGH, MMR 2005, 364, 365f.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
143
im Rahmen des möglichen Wortsinns – auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung fußt.
e) Objektiv-teleologische Auslegung
Die Unergiebigkeit der Wortsinn-, systematischen und historischteleologischen Auslegung führt dazu, dass bei der Auslegung auch auf
objekt-teleologische Kriterien zurückzugreifen ist. Der Ausnahmetatbestand des § 312b Abs. 3 Nr. 1, 3. Var. BGB ist an den der Rechtsordnung immanenten Rechtsprinzipien zu messen, insbesondere dem
Gleichbehandlungsgrundsatz. Hier hilft die Ansicht, Ausnahmetatbestände seien eng auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich, nur bedingt weiter. Der EuGH schlägt mit der EasyCar1
Entscheidung den richtigen Weg einer zweckorientierten Interpretation
ein, die sich jedoch nicht immer allein mit historisch-teleologischen
Argumenten, der Gesetzgeber habe den Unternehmer vor unzweckmäßigen Nachteilen schützen wollen, stützen lässt.
Die Regelung des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB ist an den der
Rechtsordnung immanenten Rechtsprinzipien zu messen, insbesondere
dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Es muss zwar vermieden werden,
dass durch eine allzu weite Auslegung oder durch eine analoge Anwendung die Regelungsabsicht des Gesetzgebers ins Gegenteil verkehrt
wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Ausnahmebestimmung so eng
wie möglich auszulegen oder eine Analogie in jedem Fall ausgeschlossen
2
ist. Selbst wenn sich bei einem einzelnen Ausnahmetatbestand die
Normvorstellungen der an der Gesetzgebung beteiligten Personen erkennen ließen, könnten weitere Fälle als die in den Ausnahmetatbeständen gruppierten in den Katalog einbezogen werden, wenn das Prinzip der Gleichbehandlung des Gleichsinnigen anderenfalls verletzt
würde.
f) Verfassungskonforme Auslegung
Wenn eine Auslegung möglich ist, die der Verfassung entspricht und die
Vorschrift auch bei dieser Auslegung noch sinnvoll bleibt, ist diese
3
Auslegung zu wählen. Die verfassungskonforme Auslegung dient daher
4
der Erhaltung einer ansonsten verfassungswidrigen Norm. Allerdings
darf die verfassungskonforme Auslegung den „eindeutigen gesetzgeberi5
schen Willen“ nicht überspielen oder das „gesetzgeberische Ziel in
1
EuGH, MMR 2005, 364.
Larenz, Methodenlehre, S. 244.
3
BVerfG v. 15. 5. 1984, BVerfGE 67, 70, 88 f.
4
Vgl. BVerfG v. 24. 4. 1972, BVerfGE 33, 52, 70.
5
BVerfG v. 9. 10. 1984, BVerfGE 67, 299, 329.
2
144
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen“. Ein eindeutiger
gesetzgeberischer Wille oder ein klares Ziel sind jedoch bei den Ausnahmebestimmungen häufig nicht zu ermitteln.
Beispielsweise wäre es schwer mit Art. 3 und 12 GG in Einklang zu
bringen, wenn Heizöl nach § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. und Nr. 6 BGB
vom Widerruf ausgenommen sein soll, aber unverkäufliche, angebrochene Kosmetika, „getestete“ Erotikspielzeuge oder Arzneimittel nicht.
Eine solche Sichtweise würde zur Verfassungswidrigkeit der Ausnahmebestimmung führen, weil bei gleicher Interessenlage ein Fernabsatzunternehmer infolge des Widerrufsrechtes einen wirtschaftlichen Totalverlust hinnehmen müsste, während ein anderer keinerlei Umsatzeinbußen zu verkraften hätte.
g) Rechtsvergleichende Auslegung
Im finnischen Recht findet sich bei der Ausnahme „Kundenspezifikation“, die in dem gleichen Spiegelstrich des Art. 6 Abs. 3 FARL gelistet
wird – interessanterweise ausdrücklich ein Hinweis auf die Wiederverkäuflichkeit und damit die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Unternehmer. Gemäß Kapitel 6, § 16 Abs. 3 des Verbraucherschutzgesetzes
2
(FN) ist der Ausnahmetatbestand „nach Kundenspezifikation angefertigt“ so ausgestaltet, dass ein Widerrufsrecht nicht bei Waren besteht,
„die dergestalt nach Kundenspezifikationen angefertigt wurden, dass sie
nicht ohne beträchtlichen Verlust oder überhaupt nicht weiterverkauft
3
werden können.“ Auf diesen zutreffenden Maßstab greift auch der
4
BGH in seiner Notebook-Entscheidung zurück.
h) Zwischenergebnis
Wortsinn und historisch-teleologische Auslegung sind wenig hilfreich.
Nach dem Wortlaut hat die Vorschrift entweder überhaupt keinen
Anwendungsbereich oder es fällt eine Vielzahl von Verträgen darunter.
Die kontroverse Diskussion der Interessengruppen über viele Jahre – sei
es bei Schaffung der FARL, der deutschen Regelungen oder des VRRLE – und Nachbesserungen sowohl zugunsten der Unternehmer als auch
der Verbraucher machen es so gut wie unmöglich, den Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln und bei der Auslegung der Normen
heranzuziehen.
1
BVerfG v. 11. 6. 1958, BVerfGE 8, 28, 34.
Englische Übersetzung: “the contract pertains to goods manufactured or customised to the consumer’s specifications so that they cannot be resold without incurring
considerable loss or that they cannot be resold at all.”
3
Deutsche Übersetzung nach Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium,
S. 589.
4
BGH MMR 2003, 463 = ZIP 2003, 851 = NJW 2003, 1665.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
145
Auch die Grundsätze der engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen und des Analogieverbotes helfen nur bedingt weiter. Vielmehr
sind häufig objektiv-teleologische Kriterien und die Verfassung als Auslegungsmaßstab heranzuziehen. Hier ist unter Beachtung der Art. 3 und
12 GG entscheidend, ob in gleichartigen Situationen ein Unternehmer
ohne sachliche Rechtfertigung mit dem Widerrufsrecht belastet wird
und der andere nicht. Der Blick auf die Umsetzungen in anderen Mitgliedsstaaten legt nahe, insbesondere das Kriterium der Wiederverkäuflichkeit bei der Interpretation zu berücksichtigen. Auch die Systematik
spricht dafür, dass die fehlende Wiederverkäuflichkeit zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts führt.
3. Dogmatik der zur Rücksendung ungeeigneten Waren
Die Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB ist also
kein Auffangtatbestand für alle Fälle, in denen eine Rücknahme wirtschaftlich unzumutbar erscheint, etwa bei verkörperten geistigen Leis1
tungen (z.B. Noten, Bauanleitungen, Strickmuster). Teilweise wird
ohne nähere Begründung behauptet, die Ausnahmevorschrift greife
immer dann ein, wenn die Ware „typischerweise bereits durch eine
schlichte Ingebrauchnahme oder auch nur durch Zeitablauf derart
entwertet wird, dass dem Verkäufer ein Weiterverkauf nicht zumutbar
2
ist.“ Eine solche Sichtweise ist zu pauschal und findet im Gesetz keine
Stütze. Es gibt viele Fälle, in denen die Rücknahme dem Unternehmer
wirtschaftlich unzumutbar ist, für die aber trotzdem kein Ausnahmetatbestand geschaffen wurde.
Wünschenswert wäre es daher, wenn der europäische Gesetzgeber
die nicht rückgabefähigen Waren weiter spezifizierte oder eine Ausnahme in Art. 6 FARL bzw. Art. 19 Abs. 1 VRRL-E einführte, die Unternehmern gestattet, das Widerrufsrecht in den Fällen auszuschließen,
in denen die Ware aufgrund ihres Zustands zum Weiterverkauf unge3
eignet ist. Zu erwägen ist auch, ob – de lege ferenda – die Nutzungsberechtigung vor Widerruf ausdrücklich so weit eingeschränkt werden
kann, wie es auch der Besichtigung und Prüfung der Ware im stationären Handel entspricht. Eine Nutzung, die über die angemessene Prüfung
4
der Ware hinausgeht, würde das Widerrufsrecht ausschließen. Die
1
So Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312d Rn. 22.
Mielke, c’t 2008, 154, 155.
3
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 11 und Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 237 der vorschlägt, dass kein Widerrufsrecht für Verträge besteht
„über Waren und Dienstleistungen, die für den Unternehmer nicht oder nur mit
erheblichem Preisabschlag erneut absetzbar sind, insbesondere …“
4
BITKOM-Stellungnahme v. 05.09.2006, S. 6.
2
146
Teil 2 – Anwendungsbereich
extensive Auslegung der Ausnahmevorschrift über den Wortlaut hinaus
ist jedoch nicht geeignet, einen gesetzlichen Missstand zu korrigieren.
Es sind aber auch nach geltendem Recht Auslegungen des Ausnahmetatbestandes möglich, die die Interessen des Unternehmers angemessen
berücksichtigen. Dabei können die Überlegungen des EuGH (EasyCar)
und des BGH (Notebook) auf sämtliche typisierten Ausnahmetatbestände angewendet und für die Ausfüllung des Tatbestandes des § 312
d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB, fruchtbar gemacht werden.
a) Typisierter unzumutbarer Nachteil
Nach § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB muss eine Ware „auf Grund
ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet“ sein. Der
Begriff der Beschaffenheit meint keine versandtechnische Eigenschaft
1
der Ware. Vielmehr muss eine Beschaffenheit der Ware verlangt werden, die bei Annahme des Widerrufsrechts die Rücksendungseignung
dergestalt berührt, dass sich unzumutbare Nachteile für den Unternehmer ergeben. In Ansehung der übrigen Ausschlussgründe ist die mangelnde Eignung zur Rücksendung aufgrund der Beschaffenheit der Ware dabei nicht statisch in dem Sinne zu verstehen, dass sie der Ware
bereits im Zeitpunkt der Versendung anhaften muss; denn grundsätzlich sind Waren, die zum Versender verschickt werden können, regelmäßig auch für eine Rücksendung „geeignet“. Vielmehr kann es ausreichen, wenn die Beschaffenheit der Ware gerade durch die einmalige
Versendung oder die Rücksendung oder einen Verbrauchereingriff
während der Widerrufsfrist verändert wird und dadurch für den Unternehmer für eine Weiterveräußerung ungeeignet wird.
2
Dass die Ware nicht „rückstandslos“ zurück gegeben werden kann,
ist eine Anwendungsmöglichkeit, z.B. bei Heizöl. Erfasst werden davon
aber nicht die Fälle, in denen keine Nutzung stattfindet, sondern eine
Gefährdungslage geschaffen wird, wie sie z.B. beim Öffnen der primären Blisterverpackung von Medizinprodukten oder Hygieneartikeln
3
entsteht. Das Merkmal der Ausnutzung der Leistung durch den
Verbraucher ist mit Blick auf die Feststellung der Unzumutbarkeit daher um einen der Situation des Unternehmers bzw. der Verkehrsfähigkeit der Ware anhaftenden Aspekt zu ergänzen. Letztlich soll die Gemeinsamkeit der Tatbestände in der evidenten Unzumutbarkeit des
Widerrufs dem Unternehmer gegenüber liegen, so dass der Wegfall des
4
Widerrufsrechts die einzig sinnvolle Möglichkeit darstellt. Auch Dritt1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 26.
BT-Dr 14/2658, S. 44.
3
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3752.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 19.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
147
interessen wie Gesundheitsaspekte können eine solche Unzumutbarkeit
1
für den Unternehmer begründen.
Hierbei ist allerdings im Rahmen der gebotenen engen Auslegung eine besonders hohe Anforderung an die Feststellung einer Widerrufsausschlusslage zu stellen. Nimmt man die übrigen Ausschlussgründe in
§ 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB zum Maßstab, so müsste die weitere Verkehrsfähigkeit der Ware sehr stark beeinträchtigt sein. Zwar reicht eine
solche Beeinträchtigung schon aus, dass bei einer Ware das Haltbarkeitsdatum abläuft oder bald abläuft (vgl. 312d Abs. 4 Nr. 1, 4. u. 5.
Var. BGB), ohne dass die Nutzungsfähigkeit damit gänzlich ausgeschlossen wäre. Nach der hier vertretenden Auffassung muss jedoch bei
der 3. Variante im Interesse der Rechtssicherheit verlangt werden, dass
die Beschaffenheitsänderung darüber hinaus zur Beseitigung der weiteren Verkehrsfähigkeit der Ware im Rahmen ihrer ursprünglichen
Zweckbestimmung führt.
Bloße Beeinträchtigungen der Verkehrsfähigkeit werden schließlich
über die dem Unternehmer zustehenden Wertersatzansprüche kompensiert. Allein in Fällen, in denen der gesetzestreu und redlich handelnde
Unternehmer die Ware nach einem Widerruf aufgrund ihrer sodann
bestehenden Beschaffenheit einem weiteren Kunden nicht mehr anbieten darf oder nach der Verkehrsauffassung dies nicht mehr kann, ist die
Widerrufssausschlusslage anzunehmen. Der typisierte erhebliche Nachteil der 3. Variante besteht also darin, dass die Ware deshalb, weil sie
einmal ausgeliefert wurde oder aufgrund eines Eingriffs des Verbrauchers nicht oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen wieder
verkäuflich ist.
Zur Abgrenzung von noch hinzunehmenden Nachteilen sind die Aspekte der (Aus-)Nutzung der Leistung durch den Verbraucher daher um
die Situation der Betroffenen bzw. der Ware betreffende Aspekte zu
ergänzen und in einem Abwägungsprozess zu bewerten. Vergleichsmaßstäbe zur Feststellung der Widerrufsausschlusslage sind die seitens des
Gesetzgebers vorgegebenen übrigen typisierten Tatbestände, da hierin
eine Gewichtung der Zumutbarkeit erkennbar wird und der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der den Abgleich mit
diesen als Widerrufsausschlusslage anerkannten Sachlagen fordert. Dies
widerspricht auch nicht dem Grundsatz der engen Auslegung oder dem
Analogieverbot, da im Rahmen des Wortsinns mangels konsequenter
Systematik und zuverlässigen Schlüssen aus der Entstehungsgeschichte
(Lobbyistenwerk) primär auf objektiv-teleologische Kriterien zurückzu-
1
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3752.
148
Teil 2 – Anwendungsbereich
greifen und die Norm an verfassungsimmanenten Prinzipien zu messen
1
ist.
b) Verbindung oder Vermischung
Die typisierte Unzumutbarkeitslage für den Unternehmer kann vorliegen, wenn die gelieferte Ware mit anderen Stoffen beim Verbraucher
verbunden oder vermischt wird, wie etwa im Fall des berühmten Heizöl-Beispiels des Gesetzgebers. Heizöl müsse den hierfür festgelegten
DIN-Normen entsprechen, um als Heizöl vertrieben werden zu können.
Durch die Vermischung mit im Tank des Kunden vorhandenem Heizöl
könne es – je nach dessen Zustand – die nach der DIN-Norm erforder2
lichen Eigenschaften verlieren, so der Gesetzgeber. Deshalb könne der
Widerrufsausschluss auch bei Heizöl greifen. Daraus lässt sich allerdings nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass Heizöl wegen seiner Beschaffenheit generell nicht zurückgegeben werden kann, sondern nur
dann, wenn die genannten Umstände im konkreten Einzelfall vorliegen,
3
d.h. die Befüllung des Tanks begonnen hat. Unanhängig davon wird
aber auch ein Ausschluss gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB angenom4
men.
c) Öffnung der Originalverpackung
Fraglich ist, ob auch ein Öffnen der Originalverpackung zum Aus5
schluss des Widerrufsrechtes führen kann. In der instanzgerichtlichen
Rechtsprechung gibt es eine Fülle von Entscheidungen, die einen generellen Ausschluss des Widerrufsrechtes bei Öffnen der Originalverpa6
ckung für unzulässig erklären. Auch die Literatur geht einhellig davon
aus, dass zwar ein berechtigtes Interesse des Unternehmers bestehe, die
versandten Waren möglichst vollständig und unbeschädigt zurückzuerhalten, eine diesbezügliche Beschränkung des Widerrufsrechts allerdings
7
verboten sei.
Die Ausübung des Widerrufsrechts unter die Bedingung zu stellen,
dass die Ware in Originalverpackung oder unbenutzt zurückgegeben
1
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3752.
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, 44.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 36.
4
LG Duisburg, MMR 2008, 356. Vgl. dazu unten Teil 2 D IX.
5
Dazu auch Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
6
LG Trier, BeckRS 2008, 22032; LG Düsseldorf, WRP 2006, 1270 = CR 2006,
858 = MMR 2006, 833; LG Frankfurt a. M., MMR 2006, 831 = CR 2007, 267; LG
Stuttgart, WRP 2006, 1156 (Ls.); LG Konstanz, WRP 2006, 1156 (Ls.); LG Coburg,
K&R 2006, 533 = CR 2007, 59; LG Frankfurt, WRP 2005, 922; OLG Hamm,
NJW-RR 2005, 1582; LG Arnsberg, WRP 2004, 792; LG Waldshut-Tiengen, JurPC
Web-Dok. 255/2003.
7
Vgl. Schlömer/Dittrich, BB 2007, 2129 m.w.N.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
149
wird oder eine Kopie der Rechnung und des Zahlungsnachweises vor1
gelegt wird, sei unzulässig, weil sie zu einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher führe. Selbst bei Formulierung als Bitte könne eine solche Klausel vom Verbraucher dahingehend verstanden
werden, dass er zur Zurücksendung in der Originalverpackung verpflichtet sei, anderenfalls das Widerrufs- bzw. Rückgaberecht nicht
2
bestehe. Der durchschnittliche Kunde erkenne nämlich nicht, dass hier
lediglich eine im eigenen Interesse des Verbrauchers liegende Obliegenheit ausgesprochen werde, zur Vermeidung rechtlicher Nachteile die
Ware zusammen mit der Originalverpackung zurückzusenden.
Bislang wird jedoch nicht in gebührender Weise zwischen den verschiedenen Verpackungsformen unterschieden. Der Begriff der Originalverpackung beschreibt aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise in der Regel nur undifferenziert alle Verpackungsebenen, die
einen werblichen bzw. die Ware beschreibenden Aufdruck aufweisen
oder sonst erkennbar zur Herstellerverpackung in Abgrenzung zur
sonstigen Verpackung (meist Versandverpackung) gehören. Aus der
Sicht des verständigen Verbrauchers vermag der Begriff der Originalverpackung allenfalls zu taugen, um zwischen der (meist neutralen)
Versandverpackung und der Verkaufsverpackung zu differenzieren. Ein
Verbraucher, der über den Ausschluss des Widerrufsrechts bei „Öffnen
der Originalverpackung“ unterrichtet wird, wird in sein Verständnis
einschließen, dass dieser Ausschluss regelmäßig nicht schon bei Öffnen
3
der Versandverpackung eingreifen soll.
Allerdings ist im Rahmen des zur Anwendung kommenden Prinzips
4
der kundenfeindlichsten Auslegung bei AGB-Klauseln zu konstatieren,
dass im Zweifel nach dem Verbraucherverständnis bereits bei Öffnung
der eine Weinflasche oder Zahnpastatube umhüllenden Pappverpackung mit werblichem Aufdruck das Widerrufsrecht entfallen soll. Ein
pauschaler Ausschluss des Widerrufsrechts bei „Öffnen der Originalverpackung“ kann daher nicht anerkannt werden, da es bei Öffnung
einer Versandverpackung oder Sekundärverpackung regelmäßig an
einer relevanten Beschaffenheitsveränderung und damit an der Widerrufsausschlusslage der Ware mangelt und gleichzeitig eine angemessene
Kompensation über die Schadensersatzregelung zur Verfügung steht.
5
Anders kann dies jedoch bei anderen Verpackungsebenen aussehen.
1
LG Stuttgart, WRP 2006, 1156; OLG Jena, GRUR-RR 2006, 283¸ LG Düsseldorf, CR 2006, 858.
2
LG Frankfurt a. M., WRP 2005, 922 = CR 2006, 210 (Ls.).
3
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
4
Siehe nur BGH NJW 1999, 276, 277.
5
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
150
Teil 2 – Anwendungsbereich
In der Verpackungsindustrie wird vor allem zwischen der sog. Primärverpackung und der Sekundärverpackung unterschieden. So differenziert auch das Duale System Deutschland AG in ihrer „Lizenzentgeltliste und Bemessungsgrundlagen“ zwischen „Primärverpackungen,
Sekundärverpackungen und weitere Verpackungsebenen“. Eine Primärverpackung ist danach eine Verpackung, die das Produkt unmittelbar
umgibt und mit ihm in Kontakt steht. Meist besitzt die Primärverpackung Barriereeigenschaften, die die Wechselwirkungen zwischen Produkt und Umwelt ausschließen oder eindämmen sollen (z.B. Blister,
Folien o.ä.), während die Sekundärverpackung und gegebenenfalls
weitere Verpackungsebenen eher die Verkaufs- und Logistikfunktion
unterstützen. § 3 Abs. 1 VerpackV n.F. unterscheidet drei Verpackungsebenen. Diese Differenzierungen lassen sich auch für die hier
diskutierten Fälle fruchtbar machen.
aa) Transportverpackung
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 VerpackV sind Transportverpackungen „Verpackungen, die den Transport von Waren erleichtern, die Waren auf
dem Transport vor Schäden bewahren oder die aus Gründen der Sicherheit des Transports verwendet werden und beim Vertreiber anfallen.“ Als Beispiele wurden hierfür in § 3 Abs. 1 S. 2 VerpackV a.F.
genannt: „Fässer, Kanister, Kisten, Säcke einschließlich Paletten, Kartonagen, geschäumte Schalen, Schrumpffolien und ähnliche Umhüllungen, die Bestandteile von Transportverpackungen sind und die dazu
dienen, Waren auf dem Weg vom Hersteller bis zum Vertreiber vor
Schäden zu bewahren, oder die aus Gründen der Sicherheit des Transportes verwendet werden.“
Die Transportverpackung kann ohne jeden Zweifel stets geöffnet
werden, ohne dass hierdurch das Widerrufsrecht ausgeschlossen oder
durch den Unternehmer Wertersatz geltend gemacht werden kann, weil
nur so der Verbraucher die im Fernabsatz erworbene Ware prüfen
kann.
bb) Umverpackung
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerpackV sind Umverpackungen „Verpackungen, die als zusätzliche Verpackungen zu Verkaufsverpackungen verwendet werden und nicht aus Gründen der Hygiene, der Haltbarkeit
oder des Schutzes der Ware vor Beschädigung oder Verschmutzung für
die Abgabe an den Endverbraucher erforderlich sind.“ Als Beispiele
wurden hierfür in § 3 Abs. 1 S. 2 VerpackV a.F. genannt „Blister, Folien, Kartonagen oder ähnliche Umhüllungen, die dazu bestimmt sind,
als zusätzliche Verpackung um Verkaufsverpackungen die Abgabe von
Waren im Wege der Selbstbedienung zu ermöglichen oder die Möglich-
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
151
keit des Diebstahls zu erschweren oder zu verhindern oder überwiegend
der Werbung zu dienen.“
Auch für das Öffnen der Umverpackung besteht oft ein triftiger
Grund. Meist können Verbraucher erst beim näheren Studium von
Angaben auf der Verkaufsverpackung – wie im Ladengeschäft – feststellen, dass bestimmte Inhaltsstoffe enthalten sind, die sie nicht vertragen. Oder aber es geht um die Konsistenz eines Lebensmittels, um seine
weitere Anmutung und Merkmale, die sich eben nur erschließen, wenn
man das Produkt (in der Primärverpackung) besichtigen oder tasten
kann. In all diesen Fällen beeinträchtigt ein Widerruf und die Rückabwicklung die Ware nicht mehr, als es bei Computerteilen der Fall ist.
Alle anderen Beeinträchtigungen und der Umstand, dass der Verkäufer in solchen Rücksendefällen die Ware nicht mehr so verkaufen kann
wie sie ist und/oder entsprechende Einbußen hinnehmen muss, weil er
eine neue Umverpackung einsetzen muss bzw. die Waren mit Abschlag
ohne solche Verpackungen veräußern muss („bulkware“), sind über
1
den dem Händler zustehenden Wertersatzanspruch zu lösen.
cc) Verkaufsverpackung
Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerpackV sind Verkaufsverpackungen „Verpackungen, die als eine Verkaufseinheit angeboten werden und beim
Endverbraucher anfallen.“ – als Beispiele wurden hierfür in § 3 Abs. 1
S. 2 VerpackV a.F. genannt: „Geschlossene oder offene Behältnisse und
Umhüllungen von Waren wie Becher, Beutel, Blister, Dosen, Eimer,
Fässer, Flaschen, Kanister, Kartonagen, Schachteln, Säcke, Schalen,
Tragetaschen oder ähnlich Umhüllungen, die vom Endverbraucher zum
Transport oder bis zum Verbrauch der Waren verwendet werden.“
Eine den Widerruf ausschließende Unzumutbarkeit der Rücknahme
kann allenfalls bei Öffnung der Verkaufsverpackung, d.h. der die Verpackung unmittelbar umgebenden Primärverpackung in Betracht kommen.
2
Das OLG Hamburg entschied daher zutreffend differenzierter als
die bisherige Rechtsprechung, dass zwischen der „Original(um)verpackung“ und einer die streitgegenständlichen Kontaktlinsen unmittelbar umhüllenden „Blisterverpackung“ zu unterscheiden sei. Bei der
Öffnung letzterer durch den Verbraucher sollten sich die Gefahren
realisieren können, die dem in § 4 Abs. 1 Medizinproduktegesetz
(MPG) enthaltenen Verbot des Inverkehrbringens von die Sicherheit
und Gesundheit gefährdender Medizinprodukte zugrunde liegen.
1
Zum Wertersatz bei Beschädigung oder Verlust der Umverpackung vgl. Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4. Rn. 293.
2
OLG Hamburg, JurPC Web-Dok. 124/2007 = WRP 2007, 1121 (Ls.)
152
Teil 2 – Anwendungsbereich
d) Gleichartige Gefahrenlagen
Ein Ausschluss des Widerrufsrechts nach Variante 3 wegen Öffnens der
Verpackung kann nur bei bestimmten Waren vorliegen, in denen eine
den anderen Ausschlusstatbeständen vergleichbare, typisierte Gefahrenlage vorliegt. Das Öffnen der Primärverpackung eines PC-Bildschirms
1
bringt z.B. per se keine derartigen Nachteile, wie sie der BGH mit
Recht zur Voraussetzung des eng auszulegenden Tatbestandes macht.
aa) Verderblichkeit
In erster Linie können daher Waren tatbestandsrelevant sein, die im
Sinne der weiteren Varianten der Nr. 1 „Verderblichkeit“ und des damit im Sinnzusammenhang stehenden Überschreitens des Verfalldatums
bei Öffnen der Primärverpackung und somit dem Verfallsprozess unterliegen, z.B. Lebensmittel, Medikamente, bestimmte (verderbliche oder
hygienisch relevante) Medizinprodukte und auch bestimmte Kosmetika.
bb) Fehlende Verkehrsfähigkeit
Unter Anwendung objektiv-teleologischer Kriterien und verfassungs2
konformer Auslegung sind aber auch Waren denkbar, die trotz Öffnung der Primärverpackung keinem Verfallsdatum oder unmittelbaren
für den Verkäufer unzumutbare Nachteile bergenden Verfallsprozess
unterliegen. So wird das Öffnen einer Zahnpastatube oder der Blisterverpackung besagter Kontaktlinsen nicht solche, sondern andere Gefahrenlagen schaffen, die es dem Unternehmer bei sozial- und rechtskonformen Verhalten nicht erlauben, eine solche Ware erneut anzubieten.
Das bulgarische Recht über Fernabsatzverträge ist aus eben diesem
Grund ausdrücklich nicht auf Verträge über die Lieferung von pharmazeutischen Produkten, Nahrungsergänzungsmitteln und anderen die
3
Heilung unterstützenden Produkten anwendbar. Zur weiteren Abgrenzung bietet der Hygieneaspekt als verkehrserhebliches Beschaffenheitsmerkmal bestimmter Waren bzw. der noch weitergehende Gesundheitsaspekt jenen Grund, der den Auslöser für ein rechtliches bzw. faktisches
4
Hindernis für das Inverkehrbringen dieser Waren darstellt.
cc) Erheblicher Wertersatzanspruch
In Anlehnung der BGH-Rechtsprechung zur Kundenspezifikation muss
daher die Einordnung mehrdimensional angegangen werden. Neben
einer Beschaffenheit der Ware, die zumindest bei Öffnen der Primär1
BGH NJW 2003, 1665.
Vgl. oben Teil 2 D III 2.
3
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 566.
4
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
153
verpackung Hygienefragen oder Gesundheitsaspekte berührt, muss ein
weiterer Nachteil feststellbar sein, der über die typischen Nachteile der
Rückgabe hinausgeht und sich spezifisch aus der Beschaffenheit der
Ware ergibt. Dabei muss der Nachteil zudem derart beschaffen sein,
dass er die Ausübung des Widerrufsrechts auch in Ansehung des Wertersatzanspruchs des Händlers unzumutbar macht.
Wenn die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zur Konsultation
1
über die FARL die Ansicht vertritt, es bestehe kein Bedarf, das Widerrufsrecht insoweit auszuschließen, als die Ware sich nicht mehr im
wiederverkaufsfähigen Zustand befindet, weil dieser Gefahr im deutschen Recht durch eine Nutzungsentschädigungsregelung zu Gunsten
des Unternehmers Rechnung getragen worden sei, überzeugt dies nicht.
Eine solche Sichtweise benachteiligt nicht nur den Unternehmer, sondern auch und vor allem den Verbraucher.
Wenn ein Wiederverkauf der Ware infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme des Verbrauchers überhaupt nicht mehr möglich ist,
dann kann der Wertverlust, der im Wege des Wertersatzes vom Unternehmer bei entsprechender Vereinbarung verlangt werden kann, 100 %
betragen. Damit wäre der Verbraucher aber schlechter gestellt, als
wenn er von vornherein darüber informiert worden wäre, dass ein bestimmter Nutzungsumfang zum Ausschluss des Widerrufsrechts führen
kann. Die Schlechterstellung ergibt sich aus der Tatsache, dass der
Verbraucher die Ware bei Kenntnis ggf. weiter verwendet hätte oder er
– wenn er die Ware an den Unternehmer zurückgesandt hätte und erst
dann erfährt, dass er den Kaufpreis nicht zurückerhält – eventuell einen
Anspruch auf Herausgabe des wertlos gewordenen Gegenstands geltend
2
machen muss.
Auch dies spricht dafür, das Widerrufsrecht in solchen Fällen auszuschließen und den Verbraucher klar darüber zu informieren, statt nur
eine allgemeine Information über den Wertersatz zu geben, die den
Verbraucher nicht in die Lage versetzt, den Nachteil einer Rücksendung
der vermeintlich dem Widerruf unterliegenden Ware zu erkennen. Die
vom BMJ für ausreichend erklärte Aufklärung in der Musterbelehrung
(Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV) „Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem
Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz
leisten.“ lässt den Verbraucher jedenfalls nicht erahnen, dass er im Falle
der Rücksendung einer angebrochenen Cremedose weder über den
Kaufpreis noch über die Ware verfügt. Wird er hingegen von vornherein aufgeklärt, dass eine solche Ware „auf Grund ihrer Beschaffenheit
1
2
BRD-Stellungnahme v. 21.09.2006, S. 7.
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 11.
154
Teil 2 – Anwendungsbereich
nicht zur Rücksendung geeignet“ und daher vom Widerruf ausgeschlossen ist, wird er sie entweder erst gar nicht anbrechen oder im Falle der
bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme von einem Widerruf absehen,
was für ihn wirtschaftlich erheblich günstiger ist, weil er dann wenigstens noch über die restliche, für ihn verwertbare Ware verfügt.
4. Fallgruppen
Ausgehend von der entwickelten Dogmatik lassen sich folgende praktisch bedeutsame Fallgruppen bilden, in denen die Ausnahme des
§ 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB zum Tragen kommt.
a) Arzneimittel
Rezepturarzneimittel, die ausschließlich nach Rezepturangabe für den
jeweiligen Patienten hergestellt werden und daher einen hohen Individualisierungsgrad aufweisen, fallen unter § 312d Abs. 4 Nr. 1, 1. Var.
1
BGB. Bestimmte Arzneimittel können auch verderblich sein und somit
unter die 4. Variante fallen. Meist scheidet eine Verderblichkeit von
Fertigarzneimitteln wegen des langen Haltbarkeitsdatums jedoch aus,
so dass sich die Frage stellt, ob Fertigarzneimittel aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind.
Dies hängt nach der vorstehend entwickelten Dogmatik davon ab, ob
Arzneimittel nach einer Rücksendung durch den Verbraucher aus
Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht ein zweites Mal in Verkehr
gebracht werden dürfen, so dass sie wirtschaftlich für den sich sozialund rechtskonform verhaltenden Unternehmer nicht mehr verwertbar
2
wären. Die Ausnahme des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB ist jedenfalls in den Fällen erfüllt, in denen sich gesetzlich ein Verbot eines wei3
teren Inverkehrbringens der Ware ergibt. Einem gesetzlichen Verbot
gleichzustellen ist ferner eine Beschaffenheit der Ware, die sich als Hindernis für ein erneutes Inverkehrbringen darstellt, wobei auf die Gepflogenheiten und der geschuldeten Beschaffenheit eines üblichen Angebots in Ansehung der Zweckbestimmung der Ware und dem
allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Verbraucherverlangens abzustellen ist.
Ein gesetzliches Verbot ergibt sich aus § 7b Abs. 2 S. 1 Betriebsverordnung für Arzneimittelgroßhandelsbetriebe (AMGrHdlBetrV), in
dem es heißt: „Handelt es sich bei den zurückgenommenen Arzneimitteln nach Angaben des Zurückgebenden um nicht verkehrsfähige Arz1
Mand/Könen, WRP 2007, 841.
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751,
3754.
3
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
155
neimittel oder macht er keine Angaben zur Verkehrsfähigkeit, so sind
diese als nicht verkehrsfähig kenntlich zu machen, abzusondern und der
Vernichtung zuzuführen.“ Erst recht sollte Entsprechendes auch für
Versandapotheken gelten, die an Verbraucher verkaufen. Denn bei
privaten Endverbrauchern sind die fachgerechte Lagerung und die Konstanz der qualitätsbestimmenden Faktoren (Arzneimittelstabilität) noch
weniger gewährleistet als im Großhandelsbereich durch Apotheken.
Insbesondere können sie keine verlässlichen Angaben zur Verkehrsfä1
higkeit der zurückgegebenen Arzneimittel machen.
Für einen Ausschluss des Widerrufsrechts bei Arzneimitteln werden
überdies von Mand noch weitere überzeugende Gründe angeführt. Eine
extensive Auslegung des Wortlauts erscheine demnach vor allem mit
Blick auf den Regelungszweck von § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB geboten.
Der Ausschlusstatbestand wurde eingefügt, weil das Widerrufsrecht
erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen und unbillige Härten für
den Verkäufer nach sich ziehen könne, falls die zurückgesandte Ware
2
für den Verkäufer praktisch nicht mehr verkäuflich ist.
Apothekenbetreiber unterliegen dem Kontrahierungszwang (§ 17
Abs. 4 ApoBetrO); im Versandhandel, der nach § 11a Satz 1 Nr. 1
ApoG sogar vorgeschrieben ist, führt dies dazu, dass sie auch diejenigen
Kunden beliefern müssen, die schon häufig oder sogar immer widerru3
fen haben, was eine unzumutbare Belastung darstellte. Weiterhin ist
der Verbraucher als Vertragspartner einer Versandapotheke nicht
schutzwürdiger als Vertragspartner einer ortsansässigen Apotheke.
Wegen des ärztlichen Verordnungsmonopols hat der Verbraucher kein
Auswahlermessen hinsichtlich des Wirkstoffs. Somit ist ein Irrtum hinsichtlich der georderten Ware, vor dem das Widerrufsrecht schützen
soll, nahezu ausgeschlossen. Einem möglichen Irrtum hinsichtlich der
4
Person des Vertragspartners kommt nur geringere Bedeutung zu.
Damit sind Arzneimittel nach hier vertretener Ansicht stets auf
5
Grund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet. Gleichwohl wäre es wünschenswert gewesen, wenn der europäische Gesetzgeber sich der Problematik gestellt und die Frage, ob Arzneimittel dem
6
Widerrufsrecht unterliegen, in Art. 19 VRRL-E ausdrücklich entschieden hätte.
1
Mand, NJW 2008, 190, 192; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
Mand, NJW 2008, 190, 191.
3
Mand/Könen, WRP 2007, 841, 845.
4
Mand/Könen, WRP 2007, 841, 845.
5
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755; vgl. auch Becker/Föhlisch, NJW 2005,
3377, 3379; Im Ergebnis gleich, aber mit abweichender Begründung: Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 54; Palandt/Grüneberg, § 312d Rn. 9 (Verderblichkeit); differenziert (nicht stets verderblich): Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 38.
6
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379.
2
156
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
Die abweichende Ansicht des AG Köln Medikamente – unabhängig
ob apothekenpflichtig oder nicht – seien zur Rücksendung geeignet und
unterlägen dem Widerrufsrecht, überzeugt nicht. Der Umstand, dass
der Händler das Medikament nicht mehr in Verkehr bringen darf, liegt
eben nicht allein in dessen Risikobereich, sondern ist gerade der Grund
2
dafür, warum die Ausnahme einschlägig ist. Anderenfalls könnten
Verbraucher durch Kontrahierungszwang und Widerrufsrecht einen
Apotheker geradezu ruinieren, indem laufend teure Medikamente geordert und retourniert würden, die der Apotheker stets entsorgen müsste,
wenn er sich rechtskonform verhält. Ob sich die fehlende Absetzbarkeit
aus der tatsächlichen Beschaffenheit des veräußerten Produkts oder aus
den spezifisch für das Produkt geltenden Vertriebsvorschriften ergibt,
3
ist insoweit unerheblich. Hier wie dort geht es nicht um ein allgemeines
unternehmerisches Risiko, sondern um ein auf die konkrete Ware bezogenes, typisiertes Absatzhindernis.
b) Medizinprodukte
Anders als Arzneimittel sind vom Verbraucher im Rahmen des Widerrufsrechtes retournierte Medizinprodukte nicht stets nicht mehr
verkehrsfähig und daher auch nicht stets vom Widerrufsrecht ausgenommen. Vielmehr muss nach Art des Produktes und ggf. der Ein4
griffshandlung des Verbrauchers differenziert entschieden werden.
Zwar ist es auch nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG verboten, Medizinprodukte in den Verkehr zu bringen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sie die Sicherheit und die Gesundheit der Patienten, der Anwender oder Dritter bei sachgemäßer Anwendung, Instandhaltung und
ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung über ein nach
den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaften vertretbares Maß
hinausgehend unmittelbar oder mittelbar gefährden. Diese abstrakt5
generellen Risiken bestehen aber nicht bei jedem Medizinprodukt.
So sind etwa Hyaluron-Natrium-Fertigspritzen, die zur Faltenbe6
handlung eingesetzt werden, als Medizinprodukt einzuordnen. Da bei
der Anwendung jedoch Arzneimittel im Körper freigesetzt werden,
können bei einer Rücksendung nach Auslieferung und zeitweiliger Aufbewahrung durch den Verbraucher die gleichen Risiken entstehen wie
7
bei der Lagerung von Arzneimitteln. Die typisierte Unzumutbarkeit für
1
AG Köln, NJW 2008, 236.
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
3
Mand, NJW 2008, 190, 191.
4
Vgl. Mand, WRP 2007, 1405, 1408.
5
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
6
OLG Frankfurt a.M., WRP 2007, 216.
7
Mand/Könen, WRP 2007, 1405, 1408.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
157
den Unternehmer ist gegeben, weil ein sich rechtskonform verhaltender
Unternehmer die Ware gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 MPG nicht mehr in
Verkehr bringen darf, und zwar unabhängig davon, ob die Primärverpackung oder weitere Verpackungsebenen geöffnet wurden oder das
Paket mit dem Produkt völlig unangetastet ist. Er kann z.B. nicht ausschließen, dass die Fertigspritzen in der Sonne gelegen haben und nicht
mehr ohne Gesundheitsgefährdung eingesetzt werden können.
Hingegen kann ein Rollstuhl, der ebenfalls ein Medizinprodukt ist,
auch wenn er vollständig ausgepackt oder auch in Gebrauch genommen
1
wurde, ohne weiteres wieder in Verkehr gebracht werden. Die Kosten
für eine etwaige Reinigung und Prüfung durch den Händler sind diesem
zumutbar. Wurde der Rollstuhl nicht nur in Gebrauch genommen,
sondern auch genutzt, ist dies über den Wertersatzanspruch des Unternehmers zu kompensieren.
Schließlich gibt es Medizinprodukte, bei denen erst eine bestimmte
Eingriffshandlung des Verbrauchers, insbesondere die Öffnung der
Primärverpackung, dazu führt, dass sie vom Widerrufsrecht ausge2
nommen sind. So entschied das OLG Hamburg zutreffend, dass Kontaktlinsen nicht bereits dann vom Widerrufsrecht ausgenommen sind,
wenn nicht die Blisterverpackung (= Verkaufsverpackung), sondern
lediglich in die Umverpackung vom Verbraucher geöffnet wurde. Denn
bei Öffnen der Umverpackungen der sich in Blistern befindlichen Kontaktlinsen bzw. in Flaschen befindlichen Kontaktlinsenpflegemittel
können die Produkte unter hygienischen Gesichtspunkten nicht beeinträchtigt werden. Diese Gefahrenlage kann erst dann entstehen, wenn
auch die Blister geöffnet und z.B. die Kontaktlinsen ausprobiert oder
die Kontaktlinsenpflege-Behältnisse geöffnet würden. Daher steht nun
auch § 4 MPG diesem Ergebnis nicht entgegen.
Allerdings kann der Unternehmer nach diesseitiger Auffassung Wertersatz verlangen, wenn die Umverpackung vollständig fehlt und von
ihm neu beschafft werden muss. Denn anders als die Versandverpackung, bei deren Verlust der Verbraucher keinen Wertersatz schuldet,
ist die Umverpackung Bestandteil der Ware, so dass sich ein Wertersatzanspruch bereits aus dem allgemeinen Rücktrittsrecht ergibt (teilweiser Verlust der empfangenen Leistung, § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB).
c) Hygieneartikel
Ein pauschaler Ausschluss von „Hygieneartikeln“ vom Widerrufsrecht,
wie er zuweilen in Versandhändler-AGB zu finden ist, ist schon deshalb
unwirksam, weil er gegen das Transparenzgebot verstößt. Denn es ist
1
2
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
OLG Hamburg, WRP 2007, 1121 = GRUR-RR 2007, 402.
158
Teil 2 – Anwendungsbereich
nicht klar, welche Produkte genau unter diesen Begriff fallen sollen.
Ähnlich wie bei einem Ausschluss von Waren, bei denen die „Originalverpackung“ geöffnet wurde, ist der Begriff des „Hygieneartikels“ zu
pauschal, um einen Ausschluss des Widerrufsrechtes zu begründen.
Gemeinhin werden darunter Waren verstanden, die unmittelbar mit der
menschlichen Haut oder Körperflüssigkeiten in Kontakt kommen, z.B.
Kissen, Bettzeug, Schlafsäcke, Matratzen, Zahnbürsten, Nasenhaarschneider, Earphones, Erotikspielzeug, Verhütungsmittel, Intimschmuck etc. Teilweise werden darunter aber auch Kleidungsstücke
(z.B. Unterwäsche, Strumpfhosen, Socken), Produkte der Körperpflege
(z.B. Cremes, Lotionen, Deoroller, Parfüm) oder auch solche Waren
verstanden, die mit Lebensmitteln (z.B. Friteusen, Eierkocher, Kaffeemaschinen oder Saftpressen) oder Tieren in Berührung kommen (z.B.
Hundebetten, Katzenkratzbäume, Mäusekäfige).
Die Beeinträchtigung der Hygiene bestimmter Warengruppen ist ähnlich wie die Gefährdung der Gesundheit ein die weitere Verkehrsfähigkeit ausschließendes Kriterium. Einer solchen Auslegung steht weder
ein Analogieverbot noch der Grundsatz enger Auslegung von Ausnahmetatbeständen entgegen, weil eine andere Sichtweise dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Berufsausübungsfreiheit widersprechen
würde. Angesichts der Heterogenität dieser Warengruppe ist allerdings
noch stärker zu differenzieren als bei Medizinprodukten und insbesondere auf das Öffnen verschiedener Verpackungsebenen abzustellen. Nur
als grobe Orientierung kann die Regel dienen, dass, wenn die Primärverpackung der Hygiene-Ware geöffnet und die Ware eindeutig in
Gebrauch genommen wurde, sie regelmäßig nicht mehr verkehrsfähig
und damit nicht mehr wiederverkäuflich ist, so dass dem Unternehmer
eine Rücknahme nicht zumutbar ist. Zur Rücksendung geeignet sind
meist jedoch solche Produkte, die in ihrer Verkaufsverpackung belassen
1
wurden und diese absolut unversehrt ist oder eindeutig festgestellt
werden kann, dass das Produkt mit Sicherheit nicht in Gebrauch ge2
nommen wurde. Dies gilt aber nicht für sämtliche Hygieneprodukte.
aa) Kissen, Bettzeug, Schlafsäcke, Matratzen etc.
Bettwaren wie Kissen, Bettzeug, Schlafsäcke oder Matratzen werden
regelmäßig in Plastikfolie eingeschweißt ausgeliefert. Das Öffnen dieser
Verkaufsverpackungen beziehungsweise weiterer Verpackungsebenen
führt für sich allein noch nicht dazu, dass die Ware nicht mehr verkehrsfähig ist. Denn nach der Verkehrsanschauung können auch Bettwaren ohne Abzug verkauft werden, wenn sie sich nicht mehr in der
1
2
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346.
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
159
Primärverpackung befinden oder einmal ausgepackt und wieder neu
1
verpackt wurden. Zudem lassen sich die Produkteigenschaften nur
zuverlässig durch in Augenscheinname oder Fühlen prüfen, wenn diese
Waren aus der Primärverpackung genommen werden. Eine Matratze
wird überdies auch im stationären Handel regelmäßig durch kurzes
Probeliegen überprüft. Auch das Probeschlafen über eine Nacht ist
denkbar und angesichts des hohen Preises qualitativ hochwertiger Matratzen zur Prüfung der über den Onlinehandel erworbenen Ware auch
nachvollziehbar, wenn die Matratze in der Primärverpackung belassen
oder gleichwertig (z.B. durch einen Matratzenschoner) geschützt wird.
Hingegen ist das Probeschlafen in ausgepackten Bettdecken und kissen nicht üblich und führt nach der Verkehrsanschauung dazu, dass
die Ware nicht mehr veräußert werden kann, weil hygienische Bedenken bestehen, auf Produkte zurückzugreifen, die nicht rückstandsfrei
von Schweiß oder anderen Körperflüssigkeiten eines vorherigen Käufers
sind. Eine Reinigung solcher Produkte ist den Händlern nur zumutbar,
wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Warenwert steht, was
insbesondere der Fall ist, wenn es sich um sehr hochpreisige Produkte,
wie zum Beispiel Outdoor-Schlafsäcke mit hoher Temperaturresistenz
handelt. Kann ein solcher Schlafsack im Wert von 400 € angesichts
einer „normalen“ Nutzungshandlung des Verbrauchers (z.B. eine Nacht
in freier Natur schlafen, nicht jedoch zwei Wochen auf einem feuchtfröhlichen Rockfestival) mit Kosten in Höhe von 20 € gereinigt werden,
dürfte dies unterhalb der Umsatzrendite des Händlers liegen und ist mit
der Entkonfiguration eines Built-to-Order-PC zu vergleichen, die der
2
Händler ebenfalls hinzunehmen hat. Im Gegensatz dazu wäre diese
Reinigung eines Kissens im Wert von 18 € weder für den Händler zumutbar noch für den Verbraucher wirtschaftlich sinnvoll, weil der
Wertersatzanspruch des Händlers den Kaufpreis übersteigen würde.
Bei dieser Warengruppe stellt sich jedoch stets die Frage, wie eine
Benutzung durch den Verbraucher festgestellt und ggf. nachgewiesen
werden kann. Sind äußerlich keine Gebrauchsspuren erkennbar, genügt
bei dieser Warengruppe nach der Verkehrsanschauung nicht allein die
abstrakte Möglichkeit, dass die Ware möglicherweise benutzt wurde,
um sie vom Widerrufsrecht auszunehmen. Der Händler hat daher im
Zweifel darzulegen und zu beweisen, dass eine Eingriffhandlung des
Verbrauchers vorlag, die zum Ausschluss der Ware vom Widerrufsrecht
berechtigt.
1
2
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
Vgl. dazu oben Teil 2 D II 5.
160
Teil 2 – Anwendungsbereich
bb) Zahnbürsten, Nasenhaarschneider, Earphones etc.
Als Hygieneprodukte im engeren Sinne dürften solche Produkte gelten,
die bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme in Körperöffnungen
wie Nase, Mund und Ohr eingeführt werden. Produkte wie Zahnbürsten, Nasenhaarschneider oder auch Earphones werden auch aus diesem
Grund meist in Blister-Verpackungen als Verkaufsverpackung ausgeliefert, so dass auch im stationären Handel keine Möglichkeit besteht, das
Produkt jenseits einer Inaugenscheinnahme in anderer Weise zu „tes1
ten“.
Die meisten dieser Produkte sind daher nach der Verkehrsanschauung bereits dann nicht mehr verkehrsfähig, wenn die Primärverpackung
(Blister) einmal geöffnet wurde. Denn es ist ausgeschlossen, eine Zahnbürste weiterzuveräußern, mit der sich vielleicht nicht tatsächlich, je2
doch möglicherweise ein Vorbesitzer bereits die Zähne geputzt hat.
Eine Ausnahme mag allein für besonders hochwertige Produkte wie
Hifi-Earphones gelten, die durch Auswechseln von Filzüberzügen in
einem verkaufsfähigen Zustand zurückversetzt werden können, wenn
der Verbraucher nachweist, dass keine intensive Nutzungshandlung
(z.B. Musikhören beim Jogging) vorlag, sondern die Ware nur kurz in
Gebrauch genommen wurde. Die hierdurch verursachten Beeinträchtigungen sind dem Händler zumutbar (z.B. neue Verpackung) oder über
den Wertersatzanspruch zu kompensieren (z.B. Auswechseln von Filz3
überzügen).
cc) Erotikspielzeug, Verhütungsmittel, Intimschmuck etc.
Eine recht häufig im Onlinehandel vorzufindende Warengruppe ist das
Sortiment von Erotikshops. Zu nennen sind hier etwa Liebespuppen,
Dildos, Analplugs, Cockrings, Penispumpen, Urinbeutel oder Rektaldu4
schen. Ebenso wie bei Kondomen oder Intimschmuck wird hier das
Öffnen der Primärverpackung ohne Weiteres eine Widerrufsausschlusslage im Sinne der 3. Variante schaffen. Denn ein sich sozialkonform
verhaltender Händler kann solche Waren allein wegen der abstrakten
Gefahr der Ansteckung mit ernsthaften Krankheiten nicht wieder in
Verkehr bringen. Hinzu kommt, dass solche Waren auch im einschlägigen stationären Handel lediglich durch den Augenscheinname der un5
versehrten Primärverpackung geprüft werden können.
1
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
4
Die Beispiele sind eine kleine Auswahl aus dem Sortiment des Händlers
http://www.venize.de (Stand: 5.4.2009).
5
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
2
3
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
161
dd) Strumpfhosen, Socken, Unterwäsche etc.
Ein Unterfall der „Hygieneartikel“ sind bestimmte Kleidungsstücke, die
direkt auf der Haut getragen werden, wie z.B. Strumpfhosen, Socken,
Unterwäsche, Bademoden oder (vor allem in Erotikshops vorzufindende) Latex-Catsuits. Kleidungsstücke können nicht generell vom Widerrufsrecht mit der Begründung ausgeschlossen werden, dass sie durch die
bestimmungsgemäße Benutzung, d.h. das Anprobieren der Kleidungsstücke, immer unverkäuflich werden. Ziel des Fernabsatzrechts ist es
gerade, dem Verbraucher durch die Einräumung eines Widerrufsrechts
die Möglichkeit verschaffen, die Ware zu testen. Insbesondere bei Kleidungsstücken ist die Anprobe wichtig, um die Kaufentscheidung treffen
1
zu können.
Gegen eine pauschale Ausnahme von auf der Haut getragener Wäsche vom Widerrufrecht lässt sich einwenden, dass auch im Einzelhandel üblicherweise eine Anprobe solcher Artikel möglich ist, solange sie
über anderer Unterwäsche oder Bekleidung erfolgt. Da dieses Verhalten
auch in einem Ladengeschäft nicht überprüft werden kann, muss erst
recht dem im Fernabsatz bestellenden Käufer eine entsprechende An2
probemöglichkeit zustehen. Das OLG Frankfurt a. M. hat daher den
pauschalen Ausschluss des Widerrufsrechts für Unterwäscheartikel zu
3
Recht für unzulässig erklärt. Diese können erst dann vom Widerruf
ausgenommen werden, wenn der Händler durch eindeutige Gebrauchsspuren ein Tragen der Kleidungsstücke nachweisen kann, so dass er
nach der Verkehrsanschauung die Ware nicht mehr weiterveräußern
könnte bzw. sein Wertersatzanspruch den Kaufpreisrückerstattungsanspruch des Verbrauchers übersteigt.
Auch das Öffnen der Primärverpackung bei solchen Produkten führt
nicht dazu, dass die Ware nicht mehr verkehrsfähig ist. Vielmehr werden sogar sehr häufig ausgepackte Wäschestücke im stationären Handel
zu reduzierten Preisen verkauft. Hingegen ist aber auch allein der Umstand, dass gebrauchte Unterwäsche offenbar Abnehmer finden kann,
die sogar zuweilen höhere Preise als für unbenutzte Unterwäsche zu
zahlen bereit sind, nach der hier vertretenen Auffassung kein anerkennenswerter Grund für die Versagung eines Widerrufsausschlusses für
den Fall der Nichteinhaltung zuvor erwähnter Anprobeanforderungen.
Denn dem Unternehmer kann nicht zugemutet werden, nur aufgrund
von Eingriffshandlungen des Verbrauchers während der Widerrufsfrist
1
jurisPK-BGB/Junker, § 312d, Rn. 40; Palandt/Grüneberg, § 312d Rn. 9; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.
2
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1349; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751,
3755.
3
OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2007, 56 = NJW-RR 2007, 482 = MMR
2007, 322 = CR 2007, 387.
162
Teil 2 – Anwendungsbereich
sich völlig andere Absatzkanäle zu erschließen, zumal viele Internethandelsplattformen den Verkauf benutzter Unterwäsche ausdrücklich
1
nicht gestatten.
ee) Crèmes, Lotionen, Deoroller, Parfum etc.
Angebrochene Kosmetika sind meist nach Benutzung unverkäuflich und
2
können nicht rückstandslos zurückgegeben werden. Dies gilt etwa für
Cremes, Lotionen oder Make-up, deren Primärverpackung geöffnet
wurde (Öffnen oder Abziehen von Schutzfolie), Rouge oder Puder, aus
dem mit Fingern oder Pinseln Teile entnommen wurden oder Mascaras,
Lippenstifte oder Deoroller, die zum Auftragen auf den Körper verwendet wurden. Solche Produkte kann ein seriöser Verkäufer keinem
weiteren Kunden mehr anbieten, zumal auch die Gefahr der Übertragung von Herpes-Viren o.ä. besteht. Weiterhin setzt bei einem Teil
dieser Produkte auch ein Prozess des Verderbens ein. Der Europäische
Rat sprach sich bei Schaffung der FARL zwar dagegen aus, „Erzeugnisse der Körperpflege“ vom Widerrufsrecht auszuschließen (Begründung
3
III 7 vii). Dies spricht aber nicht gegen die vorstehende Betrachtungsweise, weil es hier nicht um geöffnete oder benutzte, sondern unver4
sehrte Kosmetika ging.
Eine Ausnahme, d.h. kein Ausschluss des Widerrufsrechtes gilt allein
für solche Kosmetik-Produkte, die mit zumutbarem Aufwand wieder in
einen wiederverkaufsfähigen Zustand versetzt werden können oder für
die auch weiterhin nach der Verkehrsanschauung ein Markt besteht. So
kann ein Kajalstift, der nicht sichtbar verkürzt ist, sondern nur einmal
kurz getestet wurde, durch kurzes „Anspitzen“ in einen wiederverkaufsfähigen Zustand versetzt werden. Ein Parfüm-Flakon, aus dem
einige Male gesprüht wurde, kann entweder aufgefüllt oder auch als
5
Tester verkauft werden.
6
Das LG Wuppertal löst diese Fälle nicht über § 312d Abs. 4 Nr. 1
BGB, sondern meint, angebrochene Kosmetika seien nicht mehr ver1
So heißt es z.B. in den eBay-Bedingungen: „Gebrauchte Unterwäsche und Damenstrumpfhosen, auch gereinigt, dürfen auf eBay generell nicht angeboten werden.“, http://pages.ebay.de/help/policies/used-clothing.html (Stand: 5.4.2009).
2
Unklar Grabitz/Hilf/Micklitz, Richtlinie 97/7/EG, Rn. 95: „Als Ausnahmeregelung ist die Vorschrift eng auszulegen, weshalb Fernabsatzverträge über Kosmetika
der Richtlinie im vollen Umfang unterliegen.“
3
Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/95 vom Rat v. 29.06.1995.
4
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3756.
5
Eine Markenrechtsverletzung liegt beim Verkauf von Parfumtestern nicht vor,
weil Erschöpfung nach § 24 Abs. 1 MarkenG eingetreten ist, BGH GRUR 2007, 882
(anders noch: OLG Frankfurt, GRUR-RR 2007, 200, OLG Hamburg MMR 2007,
256 und OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.09.2006 – I-20 U 68/06).
6
LG Wuppertal, BeckRS 2008, 03864.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
163
kehrsfähig und gelten als verbraucht i.S.v. § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Nach dem Öffnungsvorgang eines jeden Behältnisses (Flaschen, Tuben,
Dosen), in dem sich Kosmetika oder Körperpflegemittel befinden, seien
diese Stoffe wie nicht mehr vorhanden (untergegangen) anzusehen, so
dass der Kunde Wertersatz i.H.v. 100% des Kaufpreises leisten muss
bzw. keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises habe. Eine
besondere Aufklärungspflicht des Kunden hierüber sieht das Gericht
nicht, weil der gänzliche oder teilweise Verbrauch immer diese Folge
habe und eine besondere Aufklärungspflicht über die Folgen des
Verbrauchs im Gegensatz zu den Folgen der Ingebrauchnahme im Gesetz nicht angeordnet sei. Diese Sichtweise überzeugt nicht, weil hierdurch der Verbraucher schlechter gestellt wäre als wenn das Widerrufs1
recht von vornherein ausgeschlossen wird.
ff) Friteusen, Eierkocher, Kaffeemaschinen, Saftpressen etc.
Küchenmaschinen oder Gartengeräte, die mit biologischem Material
bestimmungsgemäß in Berührung kommen, wie z.B. Friteusen, Eierkocher, Kaffeemaschinen, Saftpressen, Rasenmäher, beutellose Staubsauger o.ä. können zwar auch im stationären Handel regelmäßig nicht
genutzt, sondern nur in Augenschein genommen werden. Würde man
jedoch das Widerrufsrecht bereits deshalb ausschließen, weil solche
Waren einmal in Gebrauch genommen und gereinigt werden müssen,
wäre dies eine unangemessene Aushöhlung des Widerrufsrechtes, das
dem Verbraucher die Funktionsprüfung der vorher nicht gesehenen
Ware gerade ermöglichen soll. Eine Reinigung ist dem Händler zumutbar und führt nicht dazu, dass die Ware nicht mehr verkehrsfähig ist.
Solche Fälle sind daher über den Wertersatzanspruch zu lösen, der
freilich bei besonders intensiven Nutzungshandlungen bis zu 100% des
Kaufpreises ausmachen kann. Allerdings kann ein Ausschluss vom
Widerrufsrecht in solchen Fällen schon deshalb nicht erfolgen, weil
derartige Nutzungshandlungen nicht zuverlässig beschrieben werden
können.
Entsprechendes gilt für Hundebetten, Katzenkratzbäume, Mäusekäfige oder ähnliche Waren, die mit Tieren in Kontakt kommen. Auch
diese können – je nach Nutzungsintensität – in wiederverkaufsfähigen
Zustand gebracht werden bzw. mit Preisabschlägen verkauft werden,
die der Händler im Rahmen des Wertersatzanspruchs kompensieren
kann.
1
Vgl. dazu oben Teil 2 D III 3 d).
164
Teil 2 – Anwendungsbereich
d) Verbrauchsmaterialien
Angebrochene Verbrauchsmaterialien wie Tintenpatronen, Lasertoner,
Stempelkissen o.ä. zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch Berührung
mit der Luft einem Verderblichkeitsprozess ausgesetzt sind. Allein die
Entnahme aus der Primärverpackung (i.d.R. Folie) kann zwar noch
nicht zum Ausschluss des Widerrufsrechtes führen, da der Verbraucher
ein berechtigtes Interesse hat, durch Inaugenscheinnahme u.U. komplexer Produkte die Kompatibilität mit seinem Gerät zu prüfen. Wird die
Ware dann innerhalb der Widerrufsfrist zurück gesendet, kann sie wieder verpackt und weiterverkauft werden.
Wurden solche Materialien jedoch (z.B. nach Abziehen weiterer
Schutzstreifen, Entfernen von Versiegelungsfolien oder -kappen) in
Drucker eingesetzt oder sonst wie angebrochen, haben sie nur im Einzelfall noch einen Wiederverkaufswert (z. B. teure, noch zu 99% gefüllte Lasertoner-Patrone). Solche Artikel sind nur dann zur Rücksendung
geeignet, wenn sich üblicherweise ein Markt für diese (geöffneten) Ma1
terialien feststellen lässt und keine gesetzliche Regelung entgegensteht.
Der Verbraucher muss immer die Möglichkeit haben, solche Waren
ungeöffnet zurück zu schicken. Lässt sich mangels Versiegelung durch
den Hersteller nicht feststellen, ob die Ware ausgepackt, angebrochen,
benutzt oder ausgetauscht wurde, kann dies nicht zu Lasten des
Verbrauchers gehen.
e) Computerkomponenten
2
Das OLG Dresden hat noch unter Geltung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 FernAbsG zutreffend entschieden, dass RAM-Bausteine, Motherboards
und Speichermedien keine auf Grund ihrer Beschaffenheit für eine
Rücksendung nicht geeigneten Waren sind. Zwar könne die Ware infolge der Benutzung faktisch wertlos geworden sein. Da dieses Risiko
des Wertverlustes jedoch nicht auf einer Abnutzung, Vermischung oder
dergleichen, sondern darauf beruht, dass der Markt eine „abstrakte
Gefahr“ (z.B. Virenbefall) sehe, ist der Ausnahmetatbestand nicht anwendbar. Das in § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. typisierte Risiko muss
aber gerade auf einer Beschaffenheit der Sache beruhen, die diese infolge der Eingriffshandlung des Verbrauchers aufweist. Einmal vom
Verbraucher während der Widerrufsfrist eingebaute, d.h. benutzte
Computerkomponenten können jedoch nach der Verkehrsanschauung
auch ein weiteres Mal separat veräußert oder in Gesamtsysteme eingebaut werden, wenn sie einem vorherigen Test unterzogen wurden.
1
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379.
OLG Dresden, MMR 2002, 172. So auch LG Frankfurt, JurPC Web-Dok.
298/2003.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
165
Zu beachten ist allerdings, dass auch in einem stationären Ladengeschäft solche Komponenten nicht durch Einbau in den eigenen Computer – etwa auf Kompatibilität – „getestet“, sondern nur in der Verkaufsverpackung in Augenschein genommen werden können. Ein
Einbau ist daher keine Prüfung, sondern eine Ingebrauchnahme der
1
Ware, die Wertersatzansprüche auslösen kann.
f) Batterien und Leuchtmittel
Teilweise wird ohne nähere Begründung behauptet, genutzte Batterien
oder Leuchtmittel seien nicht zur Rücksendung geeignet und daher vom
2
Widerrufsrecht ausgeschlossen. Jeder Begründungsansatz ist aber tautologisch. Diese Produkte sollen gerade deshalb vom Widerrufsrecht
ausgeschlossen sein, weil die Gefahr der Nutzung besteht und eine Nutzung nicht oder so gut wie nicht nachweisbar ist. Es ist z.B. technisch
nicht möglich, eine teure Aquarienlampe mit begrenzter Lebensdauer
daraufhin zu testen, ob sie während der Widerrufsfrist in Betrieb war.
Möglich wäre es allenfalls, bereits deutlich entleerte Batterien durchzumessen, die dann auch nicht mehr verkauft werden können und vom
Widerrufsrecht ausgenommen sind bzw. bei denen der Händler 100%
Wertersatz verlangen könnte. Allein die einmalige Nutzung oder das
Auspacken aus der Verkaufsverpackung mit der Folge, dass eine Nutzung möglicherweise stattgefunden hat, führt jedoch nicht zur Verkehrsunfähigkeit der Ware, so dass der Ausschluss der 3. Variante nicht
greift.
g) Lebewesen
Fraglich ist, ob lebende Pflanzen und Tiere auf Grund ihrer Beschaffenheit ungeeignet für eine Rücksendung sind. Dies wird mit der Begründung verneint, dass es sich bei im Fernabsatz angebotenen lebenden
Pflanzen und Tieren offensichtlich (sonst könnten Sie nicht im Fernabsatz vertrieben werden) gerade um Lebewesen handelt, die für eine
3
Versendung geeignet sind. Auch besteht durchaus ein Schutzbedürfnis
des Verbrauchers, der z.B. einen als friedlich beschriebenen Hund von
einem Tierschutzverein aus Griechenland über das Internet „bestellt“,
der sich später als bissig herausstellen könnte. Hier entsprach das Produkt nicht der Beschreibung und konnte erst durch Inaugenscheinnahme getestet werden. Es spricht nichts dagegen, den Kaufvertrag über ein
solches Tier zu widerrufen und den Hund – natürlich artgerecht in einer
1
2
3
Hierzu ausführlich unten Teil 4 D II 2.
Mielke, c’t 2008, 154, 155.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1349.
166
Teil 2 – Anwendungsbereich
entsprechenden Transportbox, die auch bei der Hinsendung verwendet
wurde – zurückzusenden.
Eine Ausnahme vom Widerrufsrecht ist daher nur für die Fälle geboten, in denen sehr kurzlebige Lebewesen (z. B. Eintagsfliegen) angeboten werden, die noch während oder kurz nach der Widerrufsfrist einge1
hen werden, oder wenn es um Lebewesen geht, bei denen ähnlich wie
bei Arzneimitteln keine Lagerung auf dem Transportweg oder beim
Verbraucher sichergestellt werden kann, die eine Aufrechterhaltung der
Verkehrsfähigkeit garantiert (z.B. Nützlinge oder Teichpflanzen). Beim
Kauf von lebenden Bonsai-Pflanzen, Einsiedlerkrebsen oder Bananen2
stauden erfolgt hingegen kein Ausschluss aus dem Widerrufsrecht.
h) Softwaredownloads
Die Gesetzesmaterialien verweisen weiterhin auf Softwaredownloads
3
als nicht zur Rücksendung geeignete Waren. Auch nach der h.M. in
der Literatur ist hier das Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3.
Var. ausgeschlossen, weil die Software wegen der Möglichkeit der
Weiterbenutzung nicht „rückstandslos“ zurückgegeben werden könne.
4
Der Verbraucher könne nur eine Kopie der Datei zurücksenden. Zutreffend wird Software also überwiegend als Ware und nicht als Dienstleistung eingeordnet.
Nicht überzeugend ist allerdings die Ausnahme vom Widerrufsrecht,
da die Software durchaus zurückgegeben oder gelöscht werden kann
und durch DRM-Systeme wie Testversionen, Lizenzcodes oder Registrierungen ausgeschlossen werden kann, dass der Verbraucher weiterhin
5
von der Software profitiert. Es bleibt dem Unternehmer unbenommen,
für eine nachweisbare Nutzung der Software während der Widerrufsfrist Wertersatz zu verlangen. Eine Ausnahme von Downloads vom
Widerrufsrecht im Rahmen des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB würde allerdings zu einer Umgehung des speziell für Software geschaffenen
Ausnahmetatbestandes der Entsiegelung (§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB)
6
führen. Eine andere Auslegung ist mit dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmetatbeständen nicht vereinbar.
1
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1349.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1349.
3
BT-Drucks 14/2658, S. 44.
4
AnwKomm/Ring, § 312d Rn. 43, 44; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d
Rn. 27 f; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 36; Palandt/Grüneberg,
§ 312d Rn. 9; Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 50; Lorenz, JuS 2000, 833, 839;
Meents, CR 2000, 610, 613; Schmitt, CR 2001, 838, 844; Pauly, MMR 2005, 811,
814.
5
Vgl. Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 260.
6
Erman/Saenger, § 312d Rn. 24; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
167
i) Energielieferung
Bezüglich homogener leitungsgebundener Güter lässt sich die Meinung
vertreten, dass das Widerrufsrecht hier bereits aus teleologischen Grün1
2
den nicht anzuwenden ist. Der BGH hat die Ansicht vertreten, dass es
sich bei Energielieferverträgen um Fernabsatzverträge über Waren handelt, so dass dem Kläger ein Widerrufsrecht zusteht, wenn es nicht
durch § 312d Abs. 4 Nr. 1 Fall 3 BGB ausgeschlossen ist. Ob ein Ausnahme vorliegt oder nicht, hat der BGH jedoch offen gelassen und die
Frage dem EuGH vorgelegt. Eine Wertersatzpflicht, wie sie nach § 346
BGB besteht, könnte mit Art. 6 FARL unvereinbar sein. Da aber ohne
eine solche der Widerruf für den Unternehmer unzumutbar wäre, könnte dies dafür sprechen, dass bei zum Verbrauch bestimmten und tatsächlich verbrauchten Waren das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 3
3
Spiegelstrich 3 Fall 3 FARL ausgeschlossen ist, so der BGH.
5. Zwischenergebnis
Der Anwendungsbereich der Vorschrift bereitet für die betroffenen
Unternehmer große Schwierigkeiten. Europäischer und deutscher Gesetzgeber haben es versäumt, eine Konkretisierung der praktisch bedeutsamen Variante vorzunehmen, obwohl zahlreiche Handelsverbände
dies gefordert hatten. Dies ist umso bedauerlicher, als die meisten Fälle,
in denen die Rücknahme der Ware dem Unternehmer unzumutbar ist,
unter diesen Tatbestand zu subsumieren sind. Die Unergiebigkeit der
Wortsinn-, systematischen und historisch-teleologischen Auslegung
führt dazu, dass bei der Auslegung primär auf objekt-teleologische
Kriterien zurückzugreifen ist. Hier ist unter Beachtung der Art. 3 und
12 GG entscheidend, ob in gleichartigen Situationen ein Unternehmer
ohne sachliche Rechtfertigung mit dem Widerrufsrecht belastet wird
und der andere nicht. Der Blick auf die Umsetzungen in anderen Mitgliedsstaaten legt nahe, insbesondere das Kriterium der Wiederverkäuflichkeit bei der Interpretation zu berücksichtigen. Auch die Systematik
spricht dafür, dass die fehlende Wiederverkäuflichkeit zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts führt.
Die extensive Auslegung der Ausnahmevorschrift über den Wortlaut
hinaus ist jedoch nicht geeignet, einen gesetzlichen Missstand zu korrigieren. Die Ausnahmevorschrift des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB
ist kein Auffangtatbestand für alle Fälle, in denen eine Rücknahme
wirtschaftlich unzumutbar erscheint, etwa bei verkörperten geistigen
1
2
3
Buchmann/Hirschmann, N&R Beilage 1/2009, 1, 3 ff.
BGH, Beschluss v. 18.3.2009 – VIII ZR 149/08.
BGH-Pressemitteilung 59/09 v. 18.3.2009.
168
Teil 2 – Anwendungsbereich
Leistungen. Andererseits kann es ausreichen, wenn die Beschaffenheit
der Ware gerade durch die einmalige Versendung oder die Rücksendung oder einen Verbrauchereingriff während der Widerrufsfrist verändert wird und dadurch für den Unternehmer für eine Weiterveräußerung ungeeignet wird. Hierbei ist allerdings im Rahmen der gebotenen
engen Auslegung eine besonders hohe Anforderung an die Feststellung
einer Widerrufsausschlusslage zu stellen. Nach der hier vertretenden
Auffassung muss jedoch bei der 3. Variante im Interesse der Rechtssicherheit verlangt werden, dass die Beschaffenheitsänderung zur Beseitigung der weiteren Verkehrsfähigkeit der Ware im Rahmen ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung führt. Bloße Beeinträchtigungen der
Verkehrsfähigkeit werden schließlich über die dem Unternehmer zustehenden Wertersatzansprüche kompensiert.
Die typisierte Unzumutbarkeitslage für den Unternehmer kann vorliegen, wenn die gelieferte Ware mit anderen Stoffen beim Verbraucher
verbunden oder vermischt wird. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts
nach Variante 3 wegen Öffnens der Verpackung kann nur bei bestimmten Waren vorliegen, in denen eine den anderen Ausschlusstatbeständen
vergleichbare, typisierte Gefahrenlage vorliegt, insbesondere auch bei
erheblichen Wertersatzansprüchen. Erreicht der Wertverlust, der im
Wege des Wertersatzes vom Unternehmer bei entsprechender Vereinbarung verlangt werden kann, nahezu die Höhe des Warenwertes, wäre
der Verbraucher bei Geltendmachung des Wertersatzanspruchs schlechter gestellt, als wenn er von vornherein darüber informiert worden
wäre, dass ein bestimmter Nutzungsumfang zum Ausschluss des Widerrufsrechts führen kann.
Anders als Arzneimittel sind vom Verbraucher im Rahmen des Widerrufsrechtes retournierte Medizinprodukte nicht stets nicht mehr
verkehrsfähig. In diesem Fall bedarf es einer differenzierten Betrachtung, ähnlich wie im Fall von Verbrauchsmaterialien, Computerkomponenten, Batterien, Leuchtmittel und Lebewesen. Eine Ausnahme, d.h.
kein Ausschluss des Widerrufsrechtes gilt allein für solche KosmetikProdukte, die mit zumutbarem Aufwand wieder in einen wiederverkaufsfähigen Zustand versetzt werden können oder für die auch weiterhin nach der Verkehrsanschauung ein Markt besteht. Nicht überzeugend ist allerdings die Ausnahme vom Widerrufsrecht für Downloads,
da die Software durchaus zurückgegeben oder gelöscht werden kann
und durch DRM-Systeme ausgeschlossen werden kann, dass der
Verbraucher weiterhin von der Software profitiert.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
169
IV. Schnell verderbliche Waren
Unter schnell verderbliche Waren i.S.v. § 312d Abs. 4 Nr. 1, 4. Var.
BGB fallen frische Lebensmittel wie Frischmilch (nicht H-Milch), Obst
oder Wurst, sofern diese nicht ohnehin nach § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB
vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechtes ausgenommen sind,
sowie frische Pflanzen, z.B. Schnittblumen, wobei das Vorliegen dieses
1
Merkmals aus ex ante-Perspektive zu beurteilen ist. Ebenso wie bei
Waren, deren Verfallsdatum zu überschreiten droht, ist unter Berücksichtigung der üblichen Warenumschlagszeiten darauf abzustellen, ob
im Falle eines erneuten Verkaufs der Ware eine Schlechterfüllung vorlä2
ge. Waren, deren Haltbarkeitsdatum überschritten würde, können von
Konsumenten mit Sitz in Polen und der Slowakei gleichwohl retourniert
3
werden, da es hier keine entsprechende Ausnahme gibt.
Zutreffend weist Schmidt-Räntsch darauf hin, dass die abstrakte Gefahr, auf der Ware „sitzen zu bleiben“ nur das Motiv der Ausnahme ist.
4
Entscheidend ist die objektiv bestehende Verderblichkeit der Ware.
Diese ist bei Lebensmitteln sehr unterschiedlich und bei den meisten
5
Arzneimitteln nicht gegeben. Für die Feststellung der Verderblichkeit
bedarf es einer Festsetzung des Verfalls nach anerkannten technischen
6
Normen, d.h. der Unternehmer kann das Widerrufsrecht nicht dadurch
umgehen, dass er z.B. Pralinen, die objektiv 3 Monate haltbar sind mit
einem Haltbarkeitsdatum von 1 Woche willkürlich kennzeichnet.
Nicht ohne weiteres erfasst werden z.B. Tee, Konservendosen, Wein
7
oder Bonsai-Pflanzen. Zum belgischen Recht hat das Cour d’appel
Brüssel entschieden, dass Obstbäume und ähnliche Produkte nicht als
8
schnell verderbliche Produkte gelten. Der Verbraucher haftet aber bei
fehlerhafter Lagerung oder Verwendung einer ungeeigneten Rücktransportverpackung auf Schadensersatz. Wenn nur die abstrakte Gefahr
besteht, dass die Ware aufgrund nicht fachgerechter Lagerung oder
Behandlung durch den Verbraucher an Verwendbarkeit eingebüßt hat
und daher nicht mehr an andere Verbraucher abgegeben werden kann
1
Erman/Saenger, § 312d, Rn. 25.
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 106.
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 589.
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 38.
5
Unzutreffend daher Palandt/Grüneberg, § 312d Rn. 9; Staudinger/Thüsing,
§ 312d Rn. 56 und Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 18, die
Arzneimittel pauschal unter diese Fallgruppe subsumieren.
6
Erman/Saenger, § 312d, Rn. 25.
7
Vgl. Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346.
8
CA Brüssel, Urteil v. 21.1.1999 – P. Bakker Hillegom ./. Ets. Gonthier. In Belgien gab es bereits vor Umsetzung der FARL ein entsprechendes Widerrufsrecht im
Gesetz über Handelspraktiken v. 14.7.1991. Vgl. Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 590.
2
3
170
Teil 2 – Anwendungsbereich
oder sogar nicht mehr abgegeben werden darf, liegt ein Ausschluss des
Widerrufsrechts nach der 3. Variante („zur Rücksendung nicht geeig1
net“) vor. Die Ware ist dann nicht mehr verkehrsfähig, auch wenn sie
objektiv noch haltbar ist und mithin vom Wortlaut der 4. Variante
nicht erfasst wird.
V. Entsiegelte Datenträger
Gelieferte Software, Audio- und Videoaufzeichnungen sind nach
§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen, sofern
die Datenträger entsiegelt worden sind, z. B. durch Öffnen der Cello2
phanhülle einer CD, Durchtrennen eines Aufklebers an einer DVD etc.
Wenn von vornherein kein Siegel vorhanden ist, wie z.B. bei einigen
Musik-CDs, muss der Unternehmer also auch unversiegelte Ware zurücknehmen.
Die Ausnahme geht zurück auf Art. 6 Abs. 3, 4. Spiegelstrich FARL
3
und wurde von Estland und Griechenland nicht übernommen. Der
Passus aus der FARL „die vom Verbraucher entsiegelt worden sind“ ist
in den übrigen Mitgliedsstaaten nicht überall einheitlich umgesetzt
4
5
6
worden. Lettland und Polen stellen auf das Öffnen, Tschechien auf
das Beschädigen der Originalverpackung der Software ab. In Portugal
7
erlischt das Widerrufsrecht nur beim Bruch bestimmter Siegel. In Lu8
9
xemburg und Spanien finden sich ausdrückliche Ausnahmen auch für
Software-Downloads. Die EU-Rechtskonformität dieser Umsetzungen
10
wird allerdings bezweifelt.
1. Entsiegelung
§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB setzt voraus, dass eine zum Schutze des Urheberrechts verwendete Sperre überwunden wird. Das Widerrufsrecht
1
A.A. für Arzneimittel und Lebensmittel: MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d
Rn. 32.
2
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312d Rn. 32.
3
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 590.
4
Art. 15 Abs. 4 FernabsatzVO (LV): „wenn der Verbraucher die Verpackung geöffnet hat“.
5
Art. 10 Abs. 3 Nr. 2 VerbraucherschutzG (PL): „wenn der Verbraucher die Originalverpackung entfernt hat“.
6
§ 53 Abs. 7 (d) ZGB (CZ): „wenn der Verkäufer die Originalverpackung beschädigt“.
7
Art. 7 (d) der portugiesischen RVO Nr. 143/2001: „selo de garantia de inviolabilidade”.
8
Art. 5 Abs. 4 (d) FernabsatzG (LU).
9
Art. 45 (c) EinzelhandelG (ES).
10
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 591.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
171
ist also nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern erlischt, sobald
der Verbraucher den Datenträger entsiegelt. Systematisch ist die Vor1
schrift also dem § 312d Abs. 3 ähnlich. Ebenso wie in den Fällen des
§ 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. führt eine Eingriffshandlung des Verbrauchers zum Wegfall des Widerrufsrechts. Die Entsiegelung muss vom
Verbraucher vorgenommen werden. Kein Wegfall des Widerrufsrechts
liegt dann vor, wenn der Händler im Auftrag des Verbrauchers Soft2
ware auf dem gekauften PC aufgespielt hat.
Teilweise wird vorgeschlagen, bei Lieferung von Software auch ein
Widerrufsrecht einzuführen mit der Maßgabe, dass sich der Verbraucher verpflichtet, etwaige bis dahin erstellte Installationen der Software
3
auf seiner Hardware zu löschen. Hintergrund sei, dass häufig erst nach
der Erstinstallation für den Verbraucher erkennbar ist, ob er die bestellte Software nutzen kann bzw. ob sie mit der bestellten Software übereinstimmt. Dieser Vorschlag ist angesichts des Schutzzwecks des Fernabsatzrechts nachvollziehbar, da der Kunde die Möglichkeit haben soll,
die Ware zu testen. Allerdings besteht auch bei einem Kauf im Ladengeschäft keine Möglichkeit, Software vorher auf Kompatibilität zu überprüfen. Zudem ist es schwer zu kontrollieren, ob der Kunde die Software tatsächlich gelöscht hat.
a) Physische Siegel
Kein Siegel i.S.d. § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB ist ein Tesafilmstreifen, der
nur verhindern soll, dass die CD bzw. DVD während des Versandes
4
nicht aus der Hülle fällt und zerstört wird. Ein Tesafilmstreifen wird
vom Verbraucher nicht als Siegel angesehen, das die Rücksendung der
Ware ausschließt. Im Handel mit CDs und DVDs ist der Kunde vielmehr eine andere Art der Versiegelung gewohnt, die regelmäßig für ihn
einen Warnhinweis darstellt, dass er beim Öffnen der Ware, diese möglicherweise werde behalten müssen. Ein Siegel ist weiterhin eine besondere Form der Sicherstellung der Unversehrtheit von Gegenständen
oder Behältnissen. Ein solches Siegel kann vom Kunden nach der Öffnung der Ware auch nicht ohne weiteres ersetzt werden. Diese Voraussetzungen erfüllt der Tesafilmstreifen nicht.
Weiterhin reicht für die Annahme einer Ausnahme vom Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB nicht aus, dass die Entsiegelung
1
Kamanabrou, WM 2000, 1425.
AG Hoyerswerda, VuR 2009, 70 m. Anm. Bücker.
3
BStMdJ-Stellungnahme, S. 5.
4
LG Dortmund, JurPC Web-Dok. 44/2007, zustimmend Schlömer/Dittrich, BB
2007, 2129.
2
172
Teil 2 – Anwendungsbereich
1
vom Kunden oder von einem Dritten vorgenommen wurde. Der Gesetzeswortlaut ist unmissverständlich, so dass das Widerrufsrecht lediglich
dann entfällt, wenn der Datenträger vom Verbraucher selbst entsiegelt
worden ist. Ist kein Siegel vorhanden, kommt auch keine Entsiegelung
in Betracht. Dies stellt Art. 19 Abs. 1 e) VRRL-E noch einmal ausdrücklich klar, wenn es dort – anders als in der FARL – heißt, dass
versiegelte („sealed“) Datenträger entsiegelt werden müssen.
b) Elektronische Siegel
Eine Entsiegelung ist nicht gegeben, wenn das Kennwort der zur
2
Hauptplatine gehörigen Software (BIOS) bekannt gegeben wird, da die
BIOS-Software als der Hardware zugehörige Grundausstattung zwingend bereits bei den Konfigurierungsarbeiten des Unternehmers oder
Herstellers benutzt werden muss und somit bereits entsiegelt ist. Fraglich ist auch, ob BIOS-Software überhaupt urheberrechtlich geschützt
ist, so dass der Schutzzweck der Norm tangiert wäre. Eine solche elektronische Entsiegelung ohne weitere Urheberrechtssperren wird vom
3
§ 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB nicht erfasst. Der Fall ist vergleichbar mit
dem, dass eine uneingeschweißte CD geliefert wird.
Der Begriff der Entsiegelung ist allerdings nicht darauf beschränkt,
dass die Audio- oder Videoaufzeichnung oder auch die Software phy4
sisch entsiegelt wird. Bei der Entsiegelung kommt es immer nach dem
Schutzzweck der Norm darauf an, dass eine erkennbar zur Wahrung
5
eines Urheberrechts geschaffene Sperre überwunden wird, was auch
durch Eingabe eines Lizenzcodes geschehen kann. Möglich ist also auch
eine elektronische Versiegelung, wenn die Software ihre volle Funktionalität bzw. zeitlich uneingeschränkte Nutzbarkeit erst durch Eingabe
6
eines Codes erhält.
2. Treibersoftware
Die Ausnahme des § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB ist nicht einschlägig, sofern lediglich Datenträger mit frei verfügbarer Treibersoftware entsiegelt werden, die ebenso von der Herstellerseite im Internet geladen
werden könnte. Werden solche Treiber-CDs entsiegelt, können die
1
LG Hamburg, Urteil v. 14.10.2005 – 406 O 166/05, zitiert nach juris, abrufbar unter: http://lrha.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=
ha&nr=1907 (Stand: 5.4.2009).
2
LG Frankfurt, CR 2003, 412 = ITRB 2003, 170.
3
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312d Rn. 32.
4
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312d Rn. 33.
5
LG Frankfurt, CR 2003, 412 = ITRB 2003, 170.
6
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 40.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
173
Software und die zugehörige Hardware ebenfalls zurückgegeben werden. Denn hier sind Urheberrechte nicht gefährdet und nur durch In1
stallieren des Gerätetreibers kann die Hardware geprüft werden. Sinn
und Zweck der Regelung ist es vor allem, illegale Kopien und daher
eine die Aneignung des wirtschaftlichen Werts des Produkts zu verhin2
dern. Aus diesem Gesichtspunkt scheint eine teleologische Reduktion
der Regelung geboten, so dass gelieferte Software, die aber auch frei
3
verfügbar ist, nicht vom Anwendungsbereich erfasst ist.
3. Downloads
Überwiegend wird auch der Download von Musik, Fotos, Videos, eBooks oder Software zutreffend als Warenlieferung eingestuft, weil es
keinen Unterschied macht, ob Dateien durch einen körperlichen Daten4
träger oder über das Internet übertragen werden. Teilweise wird angenommen, auch online übertragene Dateien könnten versiegelt werden,
5
z.B. durch Datenkomprimierung. Da die Versiegelung nicht physischer
Natur sein muss, können in der Tat Programme auch durch Lizenzcodes versiegelt werden.
Downloads ohne solche Codes unterfallen aber schon dem Wortlaut
nach nicht dem Ausnahmetatbestand der Entsiegelung und auch nicht
dem des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB. Wünschenswert wäre die
6
Aufnahme eines ausdrücklichen Ausnahmetatbestandes in das Gesetz.
Eine analoge Anwendung der Ausnahmevorschriften scheidet jedoch
7
aus. Daher gibt es, was sachgerecht ist, auch keine Bevorzugung der
elektronischen Vertriebsformen gegenüber anderen Formen des Fernabsatzes. Wird ein Buch in Dateiform per Download als eBook vermarktet, scheidet ein Widerrufsrecht ebenso wenig aus, wie wenn es als
8
Printmedium vertrieben wird.
1
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 259. So auch Staudinger/Thüsing, § 312d
Rn. 60; Brönneke, MMR 2004, 127, 28; Junker, NJW 2005, 2829, 2832f.
2
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d, Rn. 63.
3
Junker, NJW 2005, 2829, 2832f..
4
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 28; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312b
Rn. 31; Staudinger/Thüsing, § 312b Rn. 16; Ende/Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 133; Härting, Fernabsatzgesetz, § 1 Rn. 53f; Lorenz, JuS 2000,
833, 84; Bunz, ZGS 2009, 111, 113.
5
Schmitt, CR 2001, 838, 844; Bunz, ZGS 2009, 111, 113.
6
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 237 schlägt de lege ferenda vor,
dass kein Widerrufsrecht für Verträge besteht, „deren wesentliche Leistung in der
Überlassung elektronischer Daten an Verbraucher besteht.“
7
Wie hier: Hoeren, Internetrecht, 03/2009, S. 376; a.A. die h.M., vgl. oben Teil 2
D III 4 h).
8
A.A. Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 36.
174
Teil 2 – Anwendungsbereich
VI. Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte
Nach § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB sind Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierte vom Widerrufsrecht ausgenommen. Der Gesetzgeber liefert
keine differenzierte Begründung für diese Ausnahme, sondern meint
nur, ein Widerrufsrecht sei für den Unternehmer – wie bei den anderen
1
Ausnahmen – „nicht zumutbar“. Der Grund wird in der Literatur
darin gesehen, dass eine Zeitung schon am nächsten Tag veraltet und
2
damit letztlich unverkäuflich sei. Wie schon diese Begründung zeigt,
gilt dies aber nur für Zeitungen und längst nicht für alle Zeitschriften
und Illustrierte. Eine wissenschaftliche Fachzeitschrift, der SPIEGEL
oder ein GEO-Heft von 1984 haben zuweilen sogar einen höheren
Marktwert als die aktuelle Ausgabe der gleichen Reihe. Zudem sind die
Verbraucher bei diesen Warengruppen durch das Widerrufsrecht besonders schutzbedürftig, weil gerade Zeitschriftenabonnements besonders häufig mit unlauteren, aggressiven Vertriebsmethoden verkauft
3
werden.
Es gibt also nur einen Grund für die Ausnahme: die Zeitschriftenlobby hat auf europäischer Ebene besonders gute Arbeit geleistet. Mit
Blick auf den Gleichheitsgrundsatz und die Berufsausübungsfreiheit ist
die Ausnahme höchst bedenklich. Unklar ist insbesondere, warum Bü4
cher mangels hinreichender Relevanz der Aktualität nicht ausgenommen sind, kann doch der Wert eines Reiseführers oder eines aktuellen
Bestsellers nach Benutzung deutlich stärker vermindert sein als der von
5
wissenschaftlichen Periodika. Weil die Buchhändlerlobby dies zu spät
erkannt hat, wurde ihr seinerzeit im Vermittlungsverfahren die missra6
tene 40-EUR-Klausel spendiert. Auch einem Händler von RAMBausteinen wird man schwer vermitteln können, warum sein Produkt,
das viel schneller veraltet und im Preis verfällt als eine Zeitschrift, vom
Widerrufsrecht nicht ausgenommen ist, wenn Zeitschriften aus dem
Jahr 1969 es wären.
Die Ausnahmevorschrift ist also mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Bedenken besonders eng auszulegen. Erfasst werden nach dem
eindeutigen Wortlaut zunächst nur Druckerzeugnisse und nicht elektronische Publikationen, die man als „Dateien“ hätte bezeichnen müs-
1
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 44.
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 41.
3
Dies war Anlass für den BesVetrG-RegE v. 21.07.2008, BT-Drucks. 16/10734 v.
31.10.2008.
4
So Erman/Saenger, § 312d, Rn. 27.
5
Vgl. Staudinger/Thüsing, § 312d Rn 62; Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312d Rn. 34.
6
Siehe dazu oben Teil 1 B IV 4.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
175
1
sen. Weiterhin sind auch nur periodisch erscheinende Druckwerke
ausgenommen, die mit einer gewissen Häufigkeit veröffentlicht werden,
2
also nicht etwa ein jährlich erscheinender Kalender. Nach der hier
vertretenden Ansicht sind mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz überdies nur solche Zeitschriften und Illustrierte ausgenommen, die vergleichbar aktuell sind wie Zeitungen, d.h. jeweils nur die zum Zeitpunkt der Bestellung aktuelle Ausgabe der Zeitschrift. Verträge über
alle anderen Zeitschriften können widerrufen werden.
§ 312d Abs. 4 BGB schließt zwar die Anwendung anderweitiger Be3
stimmungen über das Bestehen eines Widerrufsrechts nicht aus. So
kann im Fall eines Abonnementvertrags unter den Voraussetzungen
§§ 505 Abs. 1 S. 2 und 3, 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein Widerrufsrecht
4
nach § 505 Abs. 1 S. 1 BGB bestehen. Meist liegen die Werte der Zeitschriftenabonnements jedoch (bewusst) unter dem Grenzwert von
200 €. Mit Änderung des § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB im Rahmen des
Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbes5
serung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen sollen
Verbraucher vor besonders häufig vorkommenden unlauteren Telefonvertriebsmethoden im Zeitschriftenhandel besser geschützt werden, so
dass das Widerrufsrecht hier bei telefonischem Vertrieb nicht entfällt.
VII. Wett- und Lotterie-Dienstleistungen
Das Widerrufsrecht ist nach § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB bei Verträgen
über die Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen ausgeschlossen. Wesentliches Merkmal und Grund für die Ausnahme ist hier
6
das spekulative Element. Während es bei Wettdienstleistungen um die
Richtigkeit einer bestimmten Behauptung geht, handelt es sich bei Lotteriedienstleistungen um reine Glücksspiele, bei denen aus der Zahl der
Teilnehmer aufgrund eines bestimmten Systems Gewinner ermittelt
7
werden. Ist hingegen das rein spekulative Element nicht gegeben, wie
z.B. bei Geschicklichkeitsspielen im Internet, bei denen eine Einfluss-
1
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 62; Härting, Fernabsatzgesetz, § 3 Rn. 86; a.A.
Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312d Rn. 32; Meents, Verbraucherschutz im Internet, S. 223; Waldenberger, K&R 1999, 345, 351;.
2
OLG Hamburg, NJW 2004, 1114.
3
Erman/Saenger, § 312d Rn. 21.
4
Erman/Saenger, § 312d Rn. 27.
5
BesVetrG-RegE, BT-Drucks. 16/10734 v. 31.10.2008 (in Kraft getreten am 4.8.
2009, BGBl. I 2009, S. 2413).
6
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 42.
7
Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 312d, Rn. 33.
176
Teil 2 – Anwendungsbereich
möglichkeit des Verbrauchers auf den Spielverlauf besteht, liegt kein
1
Fall des § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB vor.
Strittig ist, ob nur staatlich genehmigte Wett- und Lotteriedienstleis2
tungen erfasst sind oder darunter alle Dienstleistungen mit einem spekulativen oder aleatorischen Element zu verstehen sind. Das OLG
3
Karlsruhe ist der Ansicht, dass die Auffassung zu weit gehe, hierunter
fielen nur staatlich genehmigte und nach § 763 BGB rechtsverbindliche
Wetten, da § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB der Umsetzung von Art. 6 Abs. 3
Spiegelstrich 6 FARL diene und deshalb nicht nach den Begriffen des
deutschen Zivilrechts, sondern im Lichte der Richtlinie auszulegen sei.
Da nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber in diesem Punkt über das
europäische Mindestniveau hinausgehen wollte, ist diese Auslegung
zutreffend.
Die bloße Weiterleitung von online abgegebenen Lottotipps an eine
Lottogesellschaft ist kein gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB vom Wider4
rufsrecht ausgenommener Vertrag. Abgesehen davon, dass der Wortlaut nur die Wett- und Lotteriedienstleistungen selbst und nicht deren
5
Vermittlung erfasst, hat die Ausnahme ihren Grund in der besonderen
Struktur von Wettgeschäften, die auf den Eintritt eines ungewissen
zukünftigen Ereignisses abstellen und bei denen üblicherweise die
Chancen zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Wettpartnern eingeschätzt werden. Von solchen Ungewissheiten, Spekulationen und aleatorischen Reizen ist hingegen die Geschäftsbesorgung durch den Vermittler nicht betroffen. Es sind keine Gründe erkennbar, warum der
6
Verbraucher nicht widerrufen können soll.
Mit Änderung des § 312d Abs. 4 Nr. 4 BGB im Rahmen des Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung
7
des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen entfällt das
Widerrufsrecht bei telefonischem Vertrieb von Wett- und Lotteriedienstleistungen nicht mehr. Hintergrund ist, dass solche Leistungen
besonders häufig unter Missachtung lauterkeitsrechtlicher Vorschriften
vertrieben wurden. Zudem soll das Widerrufsrecht – wie bei Finanzdienstleistungen – nur noch dann erlöschen, wenn der Vertrag von
beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfüllt ist,
1
Erman/Saenger, § 312d, Rn. 28.
So die Rechtslage in Frankreich, Article L121-20-2 VerbraucherGB (FR): «Le
droit de rétractation ne peut être exercé, sauf si les parties en sont convenues autrement, pour les contrats: ... 6. De service de paris ou de loteries autorisés.»
3
OLG Karlsruhe, MMR 2002, 618, 619.
4
OLG Karlsruhe, MMR 2002, 618, 619.
5
Vgl. oben Teil 2 D VII.
6
OLG Karlsruhe, MMR 2002, 618, 619.
7
BesVetrG-RegE, BT-Drucks. 16/10734 v. 31.10.2008 (in Kraft getreten am 4.8.
2009, BGBl. I 2009, S. 2413).
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
177
bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausgeübt hat (§ 312d Abs. 3
BGB-E).
VIII. Auktionen
Gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB sind solche Verträge vom Widerrufsrecht ausgenommen, die in Form von Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB
geschlossen werden. Im Unterschied zu Art. 3 Abs. 1, 5. Spiegelstrich
der europäischen FARL nimmt das deutsche Recht Versteigerungen nur
vom Widerrufsrecht und nicht insgesamt vom Anwendungsbereich des
Fernabsatzrechts aus. Nach Art. 19 Abs. 1 h) VRRL-E sollen Auktionen künftig vom Widerrufsrecht ausgenommen sein. Über Jahre wurde
in Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert, ob InternetAuktionen nach § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind oder nicht. Hierbei kommt es auf die Frage an, ob das
konkrete Geschäftsmodell tatsächlich eine Auktion im Sinne der
Ausnahmevorschrift ist. Die Rechtsprechung hat überwiegend angenommen, dass Verkäufe gegen Höchstgebot über die derzeit größte
Auktionsplattform eBay keine Versteigerungen im Sinne der Ausnah1
mevorschrift sind.
1. Das eBay-Urteil des BGH
2
Der BGH hat die Frage eindeutig beantwortet und entschieden, dass
bei Kaufverträgen zwischen einem gewerblichen Anbieter und einem
Verbraucher, die im Rahmen von Internet-Auktionen, wie sie von eBay,
hood und anderen Anbietern angeboten werden, durch Angebot und
Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB und nicht durch einen Zuschlag nach
§ 156 BGB zustande kommen. Kaufverträge im Rahmen der InternetAuktionen von eBay würden nicht in der Form einer Versteigerung
i.S.d. § 156 BGB geschlossen. Nach § 156 S. 1 BGB komme bei einer
Versteigerung der Vertrag erst durch den Zuschlag zu Stande. Der Zuschlag sei die Willenserklärung des Auktionators, mit der dieser das
3
Gebot eines Bieters annimmt. An einem solchen Zuschlag fehle es bei
der von eBay durchgeführten Internet-Auktionen, die damit keine Ver1
LG Hof, CR 2002, 844 = MMR 2002, 760; LG Memmingen, MMR 2004, 769
= CR 2004, 850; AG Itzehoe, MMR 2004, 637 = CR 2004, 705; AG OsterholzScharmbeck, ITRB 2003, 239 mit Anm. Günther; LG Hof, ITRB 2002, 288 = JurPC
Web-Dok. 368/2002; AG Kehl, JurPC Web-Dok. 243/2003; a.A. AG Bad Hersfeld,
MMR 2004, 500 = CR 2004, 625.
2
BGH NJW 2005, 53 = BB 2005, 235 = MMR 2005, 37 m. Anm. Spindler = CR
2005, 53 mit Anm. Wiebe.
3
BGHZ 138, 339, 342 = NJW 1998, 2350.
178
Teil 2 – Anwendungsbereich
steigerungen i.S.d. § 156 BGB darstellten. In den Bestimmungen über
den Vertragsschluss in § 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von
eBay, denen die Parteien vor der Teilnahme an Internet-Auktionen
zustimmen, sei ein Zuschlag i.S.d. § 156 BGB nicht vorgesehen und
würde auch von eBay nicht erteilt. Das Widerrufsrecht des Verbrau1
chers sei daher nicht nach § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB ausgeschlossen.
Dies ergibt sich nach Auffassung des BGH zunächst aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. In der Vorschrift wird ausdrücklich auf
§ 156 BGB Bezug genommen. Auch aus der auf die Art des Zustandekommens des Vertrags abstellende Formulierung, nach welcher der
Fernabsatzvertrag „in der Form“ von Versteigerungen nach § 156 BGB
geschlossen worden sein muss, ergebe sich keine andere Bewertung.
Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf Versteigerungen, bei denen der Fernabsatzvertrag nicht in der Form des § 156
BGB geschlossen wird, sei aus dem Gesetzeswortlaut deshalb nicht
2
herzuleiten.
Auch aus der Systematik des Gesetzes folge das Erfordernis einer restriktiven Auslegung des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB. Die Stellung der
Norm als Ausnahme von dem gesetzlichen Grundsatz spreche für eine
restriktive Handhabung der Vorschrift und damit gegen eine erweiternde Auslegung, nach der auch Internet-Auktionen, bei denen der Vertrag
nicht in der Form des § 156 BGB geschlossen wird, von der Ausnahmeregelung erfasst würden.
Weiterhin ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialien keine andere
Wertung. Aus der FARL, die Versteigerungen vom Anwendungsbereich
des Fernabsatzrechts ganz ausnimmt, könne für eine erweiternde Auslegung des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB nichts hergeleitet werden, da die
Richtlinie im Hinblick auf die Verwirklichung des bezweckten
Verbraucherschutzes nur Mindestvorgaben für die Mitgliedstaaten
enthält. Auf Grund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses
wurde – so der BGH weiter – der Verbraucherschutz im deutschen
Recht bei den im Rahmen von Versteigerungen geschlossenen Kaufverträgen gegenüber dem Regierungsentwurf und der FARL in zweifacher
Hinsicht verstärkt. Erstens sei der Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes (§ 1 FernAbsG) bewusst auf Versteigerungen ausgedehnt worden, um dem Verbraucher auch hier die vom Unternehmer nach § 2
3
FernAbsG zu erbringenden Informationen zuteil werden zu lassen.
Zweitens habe der dafür nach der Beschlussempfehlung in § 3 Abs. 2
Nr. 5 FernAbsG vorgesehene Ausnahmetatbestand gegenüber § 1
1
2
3
BGH NJW 2005, 53.
BGH NJW 2005, 53.
Begründung des Rechtsausschusses zu § 1 FernAbsG, BT-Dr 14/3195, S. 30.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
179
Abs. 3 Nr. 7 c des Regierungsentwurfs eine im Wortlaut bewusst engere
Fassung erhalten, indem zur Konkretisierung des Versteigerungsbegriffs
1
ausdrücklich auf § 156 BGB Bezug genommen wurde.
2. Gegenansichten
Die überwiegende Ansicht in der Literatur teilt die Argumentation des
2
BGH. Zum gleichen Ergebnis kommt mit anderer Begründung eine
Auffassung, die Onlineauktionen zwar unter § 156 BGB subsumieren
will, jedoch eine Umgehung der Pflichten aus dem Fernabsatzrecht
sieht. Deswegen sei auch in diesem Fall ein Widerrufsrecht des
3
Verbrauchers zu bejahen.
4
Die Entscheidung ist aber auch auf Kritik gestoßen. Demnach bestünden keine erheblichen Unterschiede zwischen klassischen, „echten“
Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB und den typischerweise bei Onlineauktionen praktizierten Verkaufsvorgängen. In beiden Fällen sei die
Situation durch die Ungewissheit über den Ausgang des Wettbewerbs
zwischen den verschiedenen Bietern und durch den besonderen Preisbildungsmechanismus gekennzeichnet. In beiden Fällen bestehe nicht
nur das schützenswerte Bedürfnis des Anbieters nach Transparenz des
Versteigerungsmechanismus, sondern vor allem nach Rechtssicherheit
bezüglich der Frage, ob der Vertrag unmittelbar mit Abgabe des
5
Höchstgebots zu Stande gekommen sei.
Ein Widerrufsrecht des Höchstbietenden liefe aber gerade diesem
schutzwürdigen Bedürfnis nach Rechtssicherheit zuwider. Unerheblich
sei, dass bei der Onlineauktion der Zuschlag durch einen bestimmten
Vertragsschlussautomatismus ersetzt werde, denn auch hier sei die
Endgültigkeit des Warenerwerbs Wesensvoraussetzung einer funktionierenden Versteigerung. Eine unterschiedliche Behandlung von klassischen Versteigerungen und Onlineauktionen lasse sich auch im Hin1
BGH NJW 2005, 53.
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312d, Rn. 36; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d,
Rn. 47; Erman/Saenger, § 312d, Rn. 27; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d, Rn. 90 ff.;
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 110; Reich/Nordhausen,
Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr, Rn. 66; Brönneke,
Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 11; Kamanabrou, WM 2000, 1417,
1424; Lorenz, JuS 2000, 833, 840; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1347; a.A.
schon vor der BGH-Entscheidung: Lettl, JuS 2002, 219, 222; Meents, CR 2000, 610,
614.
3
Heiderhoff, MMR 2001, 640, 642.
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 33; Spindler/Wiebe/Wiebe, S. 53 ff.;
Leible/Sosnitza/Hoffmann, Rn. 242 ff.; Spindler, MMR 2005, 40; Borges, DB 2005,
319, 323; Obergfell, MMR 2005, 495.
5
Obergfell, MMR 2005, 495; ebenso Hoeren/Müglich/Nielsen/Bruns/Träger,
S. 149 f.; Braun, JZ 2008, 330, 334.
2
180
Teil 2 – Anwendungsbereich
blick auf die Schutzwürdigkeit des Verbrauchers nicht rechtfertigen, da
sich für ihn durch die Vertragsgestaltung i.S.d. §§ 145 ff. BGB keine
größeren Gefahren ergäben als bei einem erst nach Höchstgebot erteilten Zuschlag i.S.v. § 156 BGB, da er in beiden Fällen an sein Gebot
1
gebunden sei. Aus § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB ergebe sich weiterhin,
dass der Gesetzgeber den Schutz der Vertriebsform „Versteigerung“
höher als den des Verbrauchers stellt. Nicht zuletzt sei der Widerruf für
den Unternehmer besonders nachteilig, weil die übrigen Gebote ihre
Wirksamkeit verloren haben und er die Auktion von vornherein wieder
2
organisieren muss.
Außerdem handele es sich bei § 156 BGB keineswegs um eine definitorische Vorschrift, die den Begriff „Versteigerung“ als Rechtsbegriff
3
unverrückbar festlegte. Der Wille des Gesetzgebers sei es, alle Auktionen, die bestimmungsgemäß mit einem Vertragsschluss enden, aus dem
Anwendungsbereich des Widerrufsrechts auszuschließen. Eine Abweichung sei nur bei solchen Versteigerungen zulässig, bei denen sich der
4
Unternehmer vorerst nicht binden wollte. Weiterhin sei auf den Normzweck der Vorschrift und auf den Begriff der Versteigerung abzustellen.
Der Verbraucher sei nicht als schützwürdiger anzusehen, als bei der
Teilnahme an einer „Live-Internetauktion“. Auch in einem solchen Fall
sei er nicht in der Lage, die Ware vor Ersteigerung zu besichtigen und
zu prüfen. Demgegenüber entgingen dem Verkäufer im Falle des Scheiterns der Vertragsabwicklung alle anderen Vertragsschlusschancen.
Maßgebliche Zwecksetzung der Ausnahmevorschrift für Versteigerungen könne damit nur sein, die Funktionsfähigkeit von Versteigerungen
5
aufrechtzuerhalten.
Unter den Begriff der Versteigerungen nach Art 3 Abs 1, 5. Spiegelstrich FARL sollten alle echten Versteigerungen fallen, die nach Ansicht
des damaligen Gesetzgebers zwei kennzeichnende Elemente aufwiesen,
nämlich die „Maßgeblichkeit allein des höchsten Gebots“ und „das
Fehlen eines Annahmespielraums des Einlieferers und des Versteige6
rers.“ Diese Voraussetzungen erfüllten aber sowohl die Versteigerungen mit einem Zuschlag als auch die Online-Versteigerungen, bei denen
in den Bedingungen festgelegt werde, dass die Feststellung des Höchstgebots ähnlich wie der Zuschlag als Annahme dieses Höchstgebots zu
1
Obergfell, MMR 2005, 495.
Braun, JZ 2008, 330, 332, 334.
3
Obergfell, MMR 2005, 495.
4
Braun, JZ 2008, 330, 334 unter Berufung auf BT-Drucks. 14/2658, S. 33 und
BT-Drucks. 14/3195, S. 6, 30.
5
Obergfell, MMR 2005, 495.
6
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 45.
2
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
181
1
bewerten sei. Schließlich sei aufgrund der BGH-Rechtsprechung im
Fall eBay die Missbrauchsgefahr im Hinblick auf das Widerrufsrecht
2
enorm gestiegen.
3. Stellungnahme
Dem BGH ist darin zuzustimmen, dass eBay-Versteigerungen nicht
gem. § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen
3
sind. Der deutsche Gesetzgeber hatte seinerzeit einmal mehr das europäische Niveau zugunsten des Verbrauchers bewusst überschritten,
indem er sich entschied, Versteigerungen nicht generell vom Anwendungsbereich des Fernabsatzrechtes auszunehmen und nur Versteigerungen i.S.d. § 156 BGB vom Widerrufsrecht auszunehmen. Darauf
4
wurde seitens der Verbraucherverbände bewusst hingewirkt. Der
Verbraucher ist auch schutzbedürftig, da mindestens ebenso viele unseriöse Unternehmer über Auktionsplattformen handeln wie über OnlineShops unter eigenen Domains.
Die teleologischen Argumente, es werde unsachgemäß in den Preis5
findungsmechanismus eingegriffen oder das Widerrufsrecht werde auf
6
spekulative Geschäfte erweitert, überzeugen nicht. Denn dies gilt letztlich für alle Internet-Geschäfte über Verkaufsportale und Online-Shops.
Einer der Hauptgründe der Verbraucher, im Internet Waren zu bestellen, ist der, dass die Ware meist günstiger ist. Jeder InternetUnternehmer muss gleichwohl das weit reichende Widerrufsrecht
beachten und die Kosten einiger Missbrauchsfälle auf alle Kunden umlegen. Einer Nutzung des Widerrufsrechts in nachweisbarer Schädigungsabsicht muss aber bei allen Internet-Vertriebsformen unter Ver7
wirkungsgesichtspunkten entgegengetreten werden können.
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312d Rn. 45.
Obergfell, MMR 2005, 495; Braun, JZ 2008, 330, 332 f.
3
Hoeren/Müller, NJW 2005, 948, 949; a.A. Wiebe, CR 2005, 56; Spindler,
MMR 2005, 40; Borges, DB 2005, 319, 323.
4
So heißt es in der AgV-Stellungnahme v. 15.3.2000 auf S. 2: „Durch §1 Abs. 3
Ziffer 7c <FernAbsG> sollen Auktionen vom Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes ausgenommen werden. Dabei sollen nur Auktionen im Sinne von §34b GewO
erfasst werden, während „Verkäufe gegen Höchstgebot“ weiterhin in den Anwendungsbereich des Fernabsatzgesetzes fallen sollen. Das ist dem Wortlaut nicht zu
entnehmen, der entsprechend klar gefasst werden sollte. Uns erreichen in jüngster
zeit zunehmend mehr Beschwerden, die sich gegen Internet“auktionen“ richten, die
regelmäßig wohl eher als Verkäufe gegen Höchstgebot zu qualifizieren sein werden.“
5
Borges, DB 2005, 319, 321.
6
Obergfell, MMR 2005, 495, 499.
7
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3379.
2
182
Teil 2 – Anwendungsbereich
IX. Produkte, deren Preis auf den Finanzmärkten
Schwankungen unterliegt
Gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB sind Verträge über Waren und Finanzdienstleistungen vom Widerrufsrecht ausgenommen, deren Preis
auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten
können. Diese Ausnahme geht nicht auf die FARL zurück, sondern auf
Art. 6 Abs. 2 a) FARLFDL. Die Erstreckung dieser Ausnahme auch auf
Waren ist vor dem Hintergrund der FARL gemeinschaftsrechtlich nicht
unbedenklich, da hierdurch zusätzliche Warengruppen ausgenommen
werden, die der Europäische Gesetzgeber in der FARL nicht ausgenommen hat. Fraglich ist also, ob der vom Europäischen Gesetzgeber
vorgeschriebene Mindeststandard eingehalten oder zu Ungunsten des
1
Verbrauchers unterschritten ist.
Diese Bedenken können durch gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der Vorschrift ausgeräumt werden. Erfasst werden demnach nur
solche Waren, die unmittelbar auf Finanzmärkten gehandelt werden
und nicht etwa Produkte, die nur mittelbar von den Entwicklungen auf
den Finanzmärkten abhängen. Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher nur vor übereilter Entscheidung schützen, ihm jedoch nicht Gelegenheit zu Spekulationen geben, z.B. durch Widerruf einer Wertpapier2
order, nachdem das Wertpapier an Wert verloren hat. Aufgrund der
Preisschwankungen bei volatilen Finanzinstrumenten und dem überragenden Bestandsinteresse des Unternehmers muss das Schutzbedürfnis
des Verbrauchers zurücktreten. Daher sind solche Verträge nach
§ 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen. Häufig
wird es sich um Einzelanschaffungen bei einem bestehenden Depotvertrag handeln, die bereits nach § 312b Abs. 4 Satz 1 BGB von den Fernabsatzvorschriften ausgenommen sind. Die neue Ausnahme findet sich
nun aber auch in Art. 19 Abs. 1 b) VRRL-E.
Das Argument, dass der Verbraucher mit dem Widerrufsrecht nicht
spekulieren soll, gilt gleichermaßen auch für Waren, die auf Finanzmärkten gehandelt werden, wie zum Beispiel Anlagegold. Anderenfalls
würde das Preis- bzw. Kursrisiko in unangemessener Weise auf den
3
4
Unternehmer verlagert. Das LG Duisburg ist überdies der Ansicht,
dass auch Heizöl unter § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB falle und somit generell vom Widerruf ausgeschlossen sei, unabhängig davon, ob die Befül1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 33; Härting/Schirmbacher,
DB 2003, 1777, 1781.
2
Finke, Der Fernabsatz von Finanzdienstleistungen, S. 71 f.
3
BT-Drucks. 15/2946, S. 22.
4
LG Duisburg, MMR 2008, 356.
D. Ausnahmen vom Widerrufsrecht
183
lung des Kundentanks schon begonnen hat oder nicht. Die Aufzählung
der Finanzdienstleistungen in der Ausnahmevorschrift sei nicht abschließend. Das Widerrufsrecht sei bei Heizöllieferungen nach § 312d
Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen, weil Gegenstand des Vertrages Heizöl und damit eine Ware ist, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die
innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können. Zu den in der Vorschrift
genannten Waren gehörten auch die an den Börsen gehandelten Rohstoffe. Der Ausschluss des Widerrufsrechts rechtfertige sich daraus, dass
dem Unternehmer dieses Risiko nicht einseitig aufgebürdet werden
solle.
Problematisch ist bei Waren die genaue Grenzziehung. So wird Rohöl an den Börsen gehandelt, nicht jedoch sämtliche Veredelungsprodukte. Soweit es sich um einen unmittelbar an der Börse gehandelten Rohstoff handelt, greift die Ausnahme ihrem Sinn und Zweck nach ein.
Nicht vom Widerrufsrecht gemäß § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgenommen sind jedoch RAM-Bausteine oder weitere Produkte, die starken Preisschwankungen unterliegen. Denn hierbei handelt es sich nicht
um Schwankungen auf den Finanzmärkten, sondern auf den Handelsmärkten allgemein. Eine derart weite Auslegung ist schon vom Wortlaut nicht gedeckt und würde auch dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmetatbeständen widersprechen.
X. Zwischenergebnis
Die bunt gemischten Ausnahmetatbestände stellen sich ebenso wie die
Ausnahme von Fernabsatzrecht in erster Linie als Resultat eines intensiven Lobbyismus und weniger als sachgerechte Vorschriften dar, die
konsistent die Zumutbarkeit einer Rückabwicklung für den Unternehmer berücksichtigen. Nicht nachvollziehbar ist etwa, warum Heizöl
oder Zeitschriften ohne weiteres vom Widerrufsrecht ausgenommen
sind, während benutzte Friteusen, getragene Unterwäsche, vom
Verbraucher „geprüfter“ Piercingschmuck oder Erotikspielzeug sich
nicht ohne weiteres unter die Ausnahmetatbestände subsumieren lassen,
auch wenn solche Waren nach Rückgabe im Rahmen des Widerrufsrechtes unverkäuflich sind.
Angesichts dieser nicht marktgerechten Risikoverteilung wurde daher
schon frühzeitig gefordert, mehr Verträge in den Ausnahmekatalog
1
aufzunehmen bzw. diesen zu präzisieren. In letzter Zeit schlug Schirmbacher vor, die Ausnahmetatbestände genereller zu fassen, indem ein
Widerrufsrecht nicht für Verträge bestehen soll, „über Waren und
1
Arnold, CR 1997, 526, 531.
184
Teil 2 – Anwendungsbereich
Dienstleistungen, die für den Unternehmer nicht oder nur mit erhebli1
chen Preisabschlag erneut absetzbar sind, insbesondere…“
Die jahrelange, kontroverse Diskussion der einzelnen Interessengruppen macht es schwierig, den historischen Willen des Gesetzgebers zu
ermitteln. Aus der Entstehungsgeschichte kann lediglich das Ziel einer
engen Auslegung der Ausnahmen gefolgert werden und die einzelnen
Ausnahmen wirken eher wie das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit als
wie die Umsetzungen eines fundierten Konzeptes. Auch Wortsinn und
historisch-teleologische Auslegung sind bei der Ergründung der Norm
wenig hilfreich und die Grundsätze der engen Auslegung von Ausnahmebestimmungen und des Analogieverbotes helfen nur bedingt weiter.
Vielmehr sind häufig objektiv-teleologische Kriterien und die Verfassung als Auslegungsmaßstab heranzuziehen
Bezüglich BTO-Produkten hielt der BGH zwei Abgrenzungskriterien
fest; nämlich wenn sich einerseits die verbundenen Komponenten nicht
mehr rückgängig machen lassen oder wenn die Ware andererseits nicht
oder nur mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen wieder verkäuflich
ist. Völlig unklar ist jedoch, welche Artikel nach §312 Abs. 4 Nr. 1, 3.
Alt. BGB „aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung
geeignet sind“. Die deshalb dringend geforderte Klarstellung durch den
europäischen Gesetzgeber blieb jedoch bislang aus. Stattdessen entzieht
dieser sich der Diskussion, indem er im VRRL-E vorsieht, diese zentrale
Ausnahme zu streichen.
1
Schirmbacher, Verbrauchervertriebsrecht, S. 237 f.
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
A. Widerrufsfrist
A. Widerrufsfrist
I. Regelmäßige Widerrufsfrist
Die regulären Widerrufsfristen unterscheiden sich in den EUMitgliedsstaaten. Art. 6 Abs. 1 FARL gibt eine Fristlänge von mindestens sieben Werktagen vor, diese wurde aber längst nicht in allen Staaten umgesetzt. Vielmehr variieren die Fristen in den verschiedenen Mitgliedsstaaten zwischen 7 Werktagen, 8, 10, 14 und 15 Tagen. Die
Europäische Kommission stellt daher in ihrem Bericht über die Anwen1
dung der FARL in den Mitgliedsstaaten fest, dass gerade die unterschiedlichen Widerrufsfristen ein Paradebeispiel für die Zusammenhanglosigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und nationale Disparitäten als Folge der Inanspruchnahme der Mindestklausel
2
seien.
7 Werktage beträgt die Fristlänge für Verbraucher mit Sitz in Öster3
4
5
6
7
reich, Belgien, Bulgarien, Frankreich („jours francs“), Irland, Litau8
9
10
11
12
en, Luxemburg, Niederlande, Slowakei, Spanien und im Vereinig13
ten Königreich.
14
8 Werktage Widerrufsfrist sieht das ungarische Recht vor. 10 Tage
15
16
17
gelten für polnische Konsumenten, in Griechenland, Italien und
Rumänien gelten 10 Werktage.
1
KOM(2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie
1997/7/EG.
2
Für Verbraucher aus der Schweiz gibt es z. Zt. Gar kein gesetzliches Widerrufsrecht im Fernabsatz.
3
§ 5e Abs. 2 S. 1 KSchG.
4
Art. 79 § 1 Nr. 2 GHP.
5
Art. 55 Abs. 1 Verbraucherschutzgesetz (BG).
6
Art. L121-20 VerbraucherGB (FR).
7
Art. 6 Abs. 1 (a) FernabsatzG (IE).
8
Art. 18 Abs. 1 VerbraucherschutzG (LT).
9
Art. 5 Abs. 1 Art. 6 FernabsatzG (LU).
10
Art. 46d Abs. 1 S. 1 BGB (NL).
11
§ 12 Abs. 1 S. 1 VerbraucherschutzG (SK).
12
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 596.
13
Art. 11 Abs. 2 DSRs.
14
Art. 4 Abs. 2 FernabsatzVO (HU).
15
Art. 7 Abs. 1 S. 1 VerbraucherschutzG (PL).
16
Art. 4 Abs. 9 VerbraucherschutzG (GR).
17
Art. 64 Abs. 1 VerbraucherGB (IT).
186
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
14 Tage beträgt die Widerrufsfrist in Zypern, der Tschechischen
2
3
4
5
Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland („Zwei
6
7
8
Wochen“), Portugal, Schweden und Lettland.
9
10
Malta und Slowenien gewähren Verbrauchern 15 Tage Widerrufsrecht.
Wegen dieser Zersplitterung und den damit einhergehenden Schwierigkeiten für Onlinehändler, in andere Mitgliedsstaaten zu liefern und
für Verbraucher, in anderen Mitgliedsstaaten einzukaufen, schlug die
Kommission in Art. 12 Abs. 1 VRRL-E ein Widerrufsrecht mit einer
11
europaweit einheitlichen Frist von 14 Tagen vor.
II. Beginn der regelmäßigen Frist
Die ordnungsgemäße Belehrung über das Widerrufsrecht und die Erfüllung der fernabsatzrechtlichen Mitteilungspflichten nach § 312c Abs. 2
BGB sind ebenso wie die Erfüllung aller Pflichten im elektronischen
Geschäftsverkehr nach § 312e Abs. 1 S. 1 BGB Voraussetzung für den
Beginn der Widerrufsfrist. Bei Warenlieferung wie im Onlinehandel ist
für den Fristbeginn zudem der Eingang der Ware beim Verbraucher
erforderlich (§§ 312d Abs. 2 S. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB).
1. Eingang der Ware
Die Widerrufsfrist beginnt gemäß § 312d Abs. 2 S. 1 BGB abweichend
von § 355 Abs. 2 S. 1 BGB bei der Lieferung von Waren nicht vor dem
Tage ihres Eingangs beim Empfänger.
1
Art. 7 FernabsatzG (CY).
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 597.
3
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 597.
4
§ 56 Abs. 1 Schuldrechtsgesetz (EE).
5
Kapitel 6, § 15 Abs. 1 a.E. Verbraucherschutzgesetz (FI).
6
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 596.
7
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.596.
8
Art. 9 FernabsatzVO (LV).
9
Art. 6 Abs. 1 S. 1 FernabsatzVO (MT).
10
Art. 43c Abs. 1 S. 1 VerbraucherschutzG (SI)..
11
Malta unterstützt zwar eine solche Harmonisierung, tut sich aber schwer, den
hohen Standard aufzugeben: „Malta supports the harmonisation of the cooling off
period across Member States; since it would simplify matters for both consumers and
traders alike. Malta has one of the longest cooling-off periods across the EU, and
does not want to reduce it.”, Malta’s Replies to the Questions for Public Consultation on the Communication from the Commission to the Council, the European
Parliament and the European Economic and Social Committee on the implementation of Directive 1997/7/EC of the European Parliament and of the Council of 20
May 1997 on the Protection of Consumers in respect of Distance Contracts, 20
November 2006, p. 3:
2
A. Widerrufsfrist
187
a) Eingang beim Verbraucher
Der Begriff des „Eingangs“ ist ebenso zu interpretieren wie der Begriff
der „Ablieferung“ bei § 438 Abs. 2 BGB. Demnach muss die Ware
dergestalt in den Machtbereich des Verbrauchers gelangen, dass dieser
1
die Möglichkeit hat, die Sache zu untersuchen. Dies bedeutet bei der in
Fernabsatzrecht meist vereinbarten Schickschuld, dass der Empfänger
die Sache in Empfang genommen haben muss und der Empfang auch
nicht fingiert werden kann, wenn sich der Verbraucher in Annahmever2
zug befindet. Ohnehin ist fraglich, ob die Nichtannahme der Ware
durch den Verbraucher immer als Annahmeverzug zu werten ist, da der
Widerruf auch durch Rücksendung der Ware erklärt werden kann und
die Nichtannahme im Regelfall eine Rücksendung der Ware auslöst,
wenn sie nicht beim Versender abgeholt wird, so dass dies auch als
3
konkludenter Widerruf gewertet werden kann.
b) Annahme durch den „Nachbarn“
4
In den AGB nahezu aller Paketversender sind Klauseln enthalten, wonach der Versender angeblich seine Pflichten gegenüber dem Absender
erfüllt, wenn an einen „Nachbarn“ zugestellt wird. Im Verhältnis von
Unternehmer und Verbraucher zählt jedoch die tatsächliche Ablieferung
an den Kunden selbst und nicht an irgendeinen Nachbarn sowohl für
den kaufrechtlichen Gefahrübergang (vgl. § 474 Abs. 2 BGB) als auch
für den Lauf der fernabsatzrechtlichen Widerrufsfrist. Nimmt ein Dritter die Ware in Empfang, läuft die Frist also nur, wenn dieser vom
Verbraucher zuvor als Empfänger benannt wurde.
Daher stellt sich die Frage, ob solche Klauseln überhaupt wirksam
5
sind. Das OLG Düsseldorf entschied zutreffend, dass solche Klauseln
unwirksam sind, weil sie intransparent seien und die Interessen des
Absenders in unzulässiger Weise missachten. Wer genau unter die
1
BGH NJW 2000, 1415 zu § 438 Abs. 2 BGB; Mankowski, Beseitigungsrechte,
S. 796.
2
Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 796.
3
Vgl. dazu Teil 3 B II 3.
4
z.B. § 4 Abs. 3 DHL-AGB; „DHL darf Sendungen… einem Ersatzempfänger
aushändigen… Ersatzempfänger sind… 2. andere, in den Räumen des Empfängers
anwesende Personen, sowie dessen Hausbewohner und Nachbarn, sofern den Umständen nach angenommen werden kann, dass sie zur Annahme der Sendungen
berechtigt sind…“, oder § 2.4 Hermes-Logistik-AGB: „Der absendende Auftraggeber
ist damit einverstanden, dass die Übergabe auch an eine andere Person erfolgen darf,
von der den Umständen nach angenommen werden kann, dass sie zur Annahme der
Sendung berechtigt ist. Hierzu zählen insbesondere in den Räumen des Adressaten
(Empfänger) anwesende Mitglieder und Angestellte des Haushaltes des Empfängers
sowie unmittelbare Nachbarn des Adressaten. …“
5
OLG Düsseldorf, BeckRS 2007, 05065.
188
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
„Nachbarn“ im Sinne solcher Klauseln fallen soll, ist meist nicht erkennbar. Zudem sei auch der Nachbar im engsten Sinne, d.h. der Bewohner des angrenzenden Einfamilienhausgrundstücks oder der neben
der eigenen gelegenen Miet- bzw. Eigentumswohnung, ein Dritter, den
der frachtbriefmäßige Empfänger sich nicht aussuchen konnte und mit
dem ihn keineswegs zwingend eine persönliche Beziehung oder ein
besonderes Vertrauensverhältnis verbindet. Vielmehr sei es allgemein
bekannt, dass Nachbarn untereinander nicht selten gleichgültig oder
sogar verfeindet sind. Nach Wahl des Frachtführers an einen solchen
Dritten statt an den Empfänger zuzustellen, missachte die berechtigten
Interessen des Vertragspartners in grober Weise.
Demnach könnte der Absender gemäß § 425 HGB gegen den Versender wegen eines Transportverlustes vorgehen, es besteht aber auch
die Möglichkeit, dass der Empfänger die Absenderrechte geltend macht
(§ 421 Abs. 1 S. 2 HGB). Die erste Möglichkeit wird meist beim Versand der Ware zum Verbraucher zum Zuge kommen, die zweite bei der
Rücksendung im Rahmen des Widerrufsrechts durch den Verbraucher,
da der Unternehmer in beiden Fällen die Transportgefahr trägt (§ 474
Abs. 2, 357 Abs. 2 S. 2 BGB), so dass der Verbraucher auch bei Rücksendung keine Motivation hat, dem Verlust nachzugehen.
c) Hinterlegung beim Versender
Durch die Hinterlegung auf dem „Postamt“ oder beim Spediteur hat
der Verbraucher noch keine Möglichkeit, die Ware zu untersuchen, so
1
dass dies nicht genügen kann, von einem Eingang auszugehen. Die
FARL definiert dem in Art. 6 Abs. 1 genannten Begriff des „Eingangs“
der Ware nicht. Daher wird von einzelnen Mitgliedstaaten derzeit die
Frage, ob bei Zustellung eines Pakets in Abwesenheit des Verbrauchers
der Tag, an dem der Postbote die Unzustellbarkeitsbenachrichtigung im
Postkasten des Empfängers hinterlässt, oder der Tag, an dem der Empfänger das Paket im Postamt abholt, als Tag des Eingangs beim
2
Verbraucher zählt, unterschiedlich beantwortet. Art. 12 Abs. 2 VRRLE stellt aber nun auch auf europäischer Ebene klar, dass die Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen über Waren an dem Tag zu laufen beginnt, an dem der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter
Dritter, der nicht der Beförderer ist, in den Besitz der einzelnen bestellten Waren gelangt.
Durch Hinterlegung auf dem „Postamt“ bzw. bei einem privaten Logistik-Unternehmen erlangt der Verbraucher also noch keinen Besitz an
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 88; Bamberger/Roth/SchmidtRäntsch, § 312d Rn. 18 f.
2
KOM(2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie 1997/7/
EG, S. 11.
A. Widerrufsfrist
189
der Ware. Dies ergibt sich auch im Umkehrschluss aus Erwägensgrund
38 VRRL-E, wonach die eingeführte Bestimmung über den kaufvertraglichen Risikoübergang (Art. 23 Abs. 2 VRRL-E) nicht gelten soll, wenn
der Verbraucher die Inbesitznahme der Waren pflichtwidrig hinauszögert „z.B., wenn er die Waren nicht innerhalb der von der Post angegebenen Frist beim Postamt abholt“. Damit wird klargestellt, dass die
Hinterlegung bei der Post unter Geltung des VRRL-E dem Verbraucher
noch nicht Besitz verschafft, d.h. nicht von einem Eingang auszugehen
ist.
Nichts anderes kann auch dann gelten, wenn der Verbraucher sich
die Ware an eine DHL Packstation liefern lässt. Auch in diesem Fall hat
er bis zur Abholung keine Gelegenheit, die Ware zu prüfen. Letztlich ist
die Nutzung der Packstation nichts anderes als die Nutzung der Abholmöglichkeit bei der Post, auch wenn der Verbraucher hier quasi
durch Lieferung an die Packstation die Widerrufsfrist selbst herauszögern kann, indem er die Sendung nicht sofort abholt. Die Deutsche Post
befördert an den Kunden unter einer Packstation-Adresse gerichtete
Sendungen Dritter zum vereinbarten Ort und legt sie dort in den Automaten ein. Ist die Kapazität eines Automaten erschöpft, wird die Sendung entweder in einen anderen Paketautomaten eingelegt oder in eine
Postfiliale transportiert und dort zur Abholung bereitgehalten (§ 4
1
Abs. 2 Packstation AGB ). Die Annahmeverweigerung ist nach dem
Öffnen des Paketautomaten ausgeschlossen (§ 5 Abs. 3 Packstation
AGB), d.h. zuvor kann durchaus die Annahme verweigert und so konkludent der Widerruf erklärt werden, indem das Paket nicht abgeholt
wird. In den Paketautomaten wird die Lieferung bis zu neun Kalendertage für den Verbraucher aufbewahrt, danach geht sie automatisch an
2
den Absender zurück. Die Lagerzeit kann nicht verlängert werden.
d) Lieferung von peius oder aliud
Die Lieferung mangelhafter Sachen hat keinen Einfluss auf den Beginn
3
der Widerrufsfrist. Mit Blick auf den Schutzzweck des Fernabsatzrechts macht es keinen Unterschied, ob die Ware mangelhaft ist oder
dem Verbraucher aus anderen Gründen nicht gefällt. In beiden Fällen
hat er eine Prüfungsmöglichkeit, so dass er entweder vom Widerrufsrecht Gebrauch machen oder Gewährleistungsansprüche ausüben kann.
Wünscht der Verbraucher Neulieferung oder Reparatur, verlängert sich
1
Abrufbar unter: http://www.dhl.de//mlm.nf/dhl/images/download/dhl_de/agb/
agb_packstation_k_070101.pdf (Stand: 5.4.2009).
2
Siehe FAQ „Bis wann muss ich meine Sendung an der Packstation abgeholt haben“ unter http://www.dhl.de (Stand: 5.4.2009).
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 90; MünchKommBGB/Masuch,
§ 355 Rn. 60; Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 22.
190
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
die Widerrufsfrist allerdings nicht um die Liefer- bzw. Reparaturzeit, da
durch den Nacherfüllungswunsch nicht das Widerrufs-, sondern das
Gewährleistungsrecht ausgeübt wurde.
Strittig ist, ob eine aliud-Lieferung die Frist in Gang setzt. Dafür wird
die neue Regelung in § 434 Abs. 3 BGB angeführt, die aliud und peius
ausdrücklich gleich stellt. Ebenso spreche für diese Auffassung, dass der
Verbraucher gegen willkürliche Zusendung anderer Waren durch
1
§ 241a BGB hinreichend geschützt werde. Dagegen wird zutreffend
vorgebracht, dass der Verbraucher sich bei Lieferung einer anderen
Ware gerade kein Bild von der bestellten Ware machen kann. Um über
die Ausübung des Widerrufsrechtes entscheiden zu können, müsse der
Verbraucher zumindest in Möglichkeit bekommen, die Ware zu prüfen,
sei sie auch mangelhaft. Bei einem aliud sei dies aber gerade nicht möglich. Zudem könnte der Unternehmer das Widerrufsrecht so auch um2
gehen, indem er dem Verbraucher zunächst eine andere Ware liefert.
Daher setzt die aliud-Lieferung anders als die Lieferung einer mangelhaften Ware keine Widerrufsfrist in Gang.
e) Sukzessivlieferungen
Die Widerrufsfrist beginnt gemäß § 312d Abs. 2 S. 1 BGB abweichend
von § 355 Abs. 2 S. 1 BGB bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor dem Tage des Eingangs der ersten Teillieferung.
Art. 6 Abs. 1 FARL sieht eine solche Differenzierung nicht vor. Daher
wird in der deutschen Regelung teilweise eine Abweichung von der
FARL zulasten des Verbrauchers gesehen, die vom Mindestharmonisierungsprinzip (Art. 14 FARL) nicht gedeckt sei. Im Wege der richtlinienkonformen Auslegung sei daher auch bei Sukzessivlieferungsverträ3
gen § 312d Abs. 2, 2. Var. BGB anzuwenden. In der Tat ist unklar, ob
Erwägensgrund 10 FARL, wonach „den Bestimmungen der Richtlinie
zumindest zu dem Zeitpunkt nachgekommen werden muss, zu dem der
erste einer Reihe von sukzessiven Vorgängen oder der erste einer Reihe
von getrennten Vorgängen erfolgt“ sich auf Informationspflichten bezieht oder auch den Beginn der Widerrufsfrist meint.
Diesen Bedenken kann aber durch eine gemeinschaftskonforme enge
Auslegung der deutschen Vorschrift Rechnung getragen werden. Nur
bei Lieferung gleichartiger Waren (z.B. mehrbändiges Lexikon) beginnt
die Frist mit Eingang der ersten Teillieferung. Der Verbraucher muss
also schon aus der ersten Teillieferung auf die Eigenschaften der restlichen Lieferungen schließen können, damit er entscheiden kann, ob er
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 90.
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 22; MünchKommBGB/Masuch, § 355 Rn. 60;
Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 796.
3
Hk-VertriebsR/Tonner, § 312b Rn. 10; Mankowski, Beseitigungsrechte, S. 798.
2
A. Widerrufsfrist
191
1
am Vertrag festhalten will oder nicht. Auch die regelmäßige Lieferung
unterschiedlicher Bücher führt daher nicht dazu, dass dem Verbraucher
für jede einzelne Teillieferung ein Widerrufsrecht zusteht, für das die
14tägige Frist jeweils mit Eingang der einzelnen Ware zu laufen be2
ginnt. Gerade bei solchen im Fernabsatz geschlossenen Dauerschuldverhältnissen, die häufig durch unlautere Vertriebsmethoden oder so
genannte Vertragsfallen zu Stande kommen, ist der Verbraucher besonders schutzbedürftig. Daher ist für die Berechnung der Widerrufsfrist
3
auf den vollständigen Eingang aller Waren abzustellen. Dies führt auch
nicht zu unbilligen Ergebnissen, weil es dem Unternehmer unbenommen bleibt, für eine Nutzung der Ware Wertersatz zu verlangen.
Erst Recht bei zusammengehörigen, aber nicht gleichartigen Waren
(z.B. Kamera mit Tasche, Notebook mit Zubehör oder Software) be4
ginnt die Frist nicht vor Ablieferung des letzten Teils. Bei solchen einheitlichen Verträgen wird der Schutzzweck des Fernabsatzrechts nur
erreicht, wenn der Verbraucher auch noch nach der letzten Teilliefe5
rung den gesamten Vertrag widerrufen kann. Es ist nur möglich, den
Vertragsgegenstand zu beurteilen, wenn alle Teile eingetroffen sind.
Zudem sind die Teillieferungen häufig gar nicht vom Verbraucher erwünscht, sondern werden vom Unternehmer so festgelegt, weil er bestimmte Teile nicht auf Lager hat. Es wäre sogar möglich, das Widerrufsrecht absichtlich zu umgehen, indem die Lieferung bestimmter Teile
bewusst verzögert wird. Der Verbraucher wird hingegen nicht sein
Widerrufsrecht bzgl. der ersten Lieferung ausüben, wenn er noch auf
ein zusammengehöriges Teil wartet, denn dann müsste er bei Lieferung
des zweiten Teils das erste Teil noch einmal bestellen. Diese aufwendige
6
Vorgehensweise ist nicht sachgerecht.
Unklar ist, ob sich die Rechtslage mit Inkrafttreten des VRRL-E ändern wird. Nach Art. 12 Abs. 2 VRRL-E beginnt die Widerrufsfrist bei
Warenlieferungen im Fernabsatz an dem Tag zu laufen, an dem der
Verbraucher in den Besitz „der einzelnen bestellten Waren“ gelangt.
Dies spricht zunächst dafür, dass die Widerrufsfrist auch bei Teillieferungen jeweils bei Eingang des einzelnen Teils zu laufen beginnt. Erwägensgrund 26 VRRL-E führt jedoch dazu aus, dass wenn der Verbrau1
Vgl. FernAbsG- RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 43.
So aber Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 28; MünchKommBGB/Wendehorst,
§ 312d Rn. 92; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d Rn. 40.
3
Palandt/Grüneberg, § 312d Rn. 4; Erman/Saenger § 312d Rn. 12; Mankowski,
Beseitigungsrechte, S. 797; Tonner, BB 2000, 1413, 1417; Roth, JZ 2000, 1013,
1018;
4
OLG Frankfurt, CR 2002, 638, 639 m. Anm. Schirmbacher.
5
Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 28.
6
a.A. MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 92 f; Lütcke, Fernabsatzrecht,
§ 312d Rn. 30.
2
192
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
cher mehr als eine Ware bei demselben Gewerbetreibenden bestellt, er
berechtigt sein soll, das Widerrufsrecht in Bezug auf jede einzelne bestellte Ware auszuüben. Werden die Waren getrennt geliefert, so soll die
Widerrufsfrist zu laufen beginnen, wenn der Verbraucher den Besitz an
jeder einzelnen Ware erlangt. Wird eine Ware in verschiedenen Teilen
geliefert, so sollte die Widerrufsfrist zu laufen beginnen, wenn der
Verbraucher den Besitz an dem letzten Teil erlangt. Der Entwurf unterscheidet also zwischen „getrennt gelieferten“ und „in verschiedenen
Teilen“ gelieferten Waren. Auf die Gleichartigkeit der Waren soll es
nicht ankommen.
Somit wird künftig entscheidend sein, ob von vornherein ein Sukzessivlieferungsvertrag geschlossen wird, der die Lieferung mehrerer Waren zu bestimmten Zeitpunkten vorsieht, zum Beispiel die Lieferung
eines mehrbändigen Lexikons oder auch die Lieferung verschiedener
Bücher über einen bestimmten Zeitraum. Werden hingegen mehrere
Waren auf einmal bestellt und können diese nur deswegen nicht zusammen geliefert werden, weil der Unternehmer ein bestimmtes Teil
nicht auf Lager hat (z.B. Digitalkamera mit Tasche), soll die Widerrufs1
frist erst bei Eingang des letzten Teils beginnen.
f) Zwischenergebnis
Für den Eingang der Ware beim Verbraucher muss sie dergestalt in
seinen Machtbereich gelangen, dass dieser die Möglichkeit hat, die
Sache zu untersuchen. Daraus folgt, dass die tatsächliche Ablieferung
an den Kunden selbst sowohl für den kaufrechtlichen Gefahrübergang
(vgl. § 474 Abs. 2 BGB) als auch für den Lauf der fernabsatzrechtlichen
Widerrufsfrist maßgeblich ist. Nimmt ein Dritter die Ware in Empfang,
läuft die Frist also nur, wenn dieser vom Verbraucher zuvor als Empfänger benannt wurde. Unzulässig sind daher hiervon abweichende
Klauseln. Durch die Hinterlegung auf dem „Postamt“ oder beim Spediteur hat der Verbraucher noch keine Möglichkeit, die Ware zu untersuchen, so dass dies nicht genügen kann, um von einem Eingang auszugehen. Nichts anderes kann auch dann gelten, wenn der Verbraucher sich
die Ware an eine DHL Packstation liefern lässt. Anders als die Lieferung mangelhafter Sachen kann die Lieferung eines aliud keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist haben. Bei Teillieferungen muss
der Verbraucher schon aus der ersten Teillieferung auf die Eigenschaften der restlichen Lieferungen schließen können, damit er entscheiden
kann, ob er am Vertrag festhalten will oder nicht. Ist dies nicht möglich, läuft die Frist erst mit Eingang aller Lieferungen.
1
Diese Ansicht vertritt Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 28 im Ergebnis schon zum
geltenden Recht.
A. Widerrufsfrist
193
2. Mitteilung der Widerrufsbelehrung in Textform
Die Frist beginnt gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB mit dem Zeitpunkt, zu
dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten
Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mit1
geteilt worden ist. Dieser Tag wird bei der Fristberechnung nicht mitgerechnet (§ 187 Abs. 1 BGB) und es müssen die weiteren Voraussetzungen erfüllt sein.
Gemäß § 126b BGB muss die Widerrufsbelehrung in einer Urkunde
oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete
Weise abgegeben werden. Auch nach § 312c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1
Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV muss der Unternehmer dem Verbraucher die
erforderlichen Informationen zum Widerrufsrecht „mitteilen“, da anderenfalls die Frist nicht zu laufen beginnt (§ 312d Abs. 2 S. 1 BGB). Die
Mitteilung der fernabsatzrechtlichen Informationen in Textform hat
den Zweck, dem Verbraucher die Rechtsverfolgung zu erleichtern,
indem er seine Rechte nach Vertragsschluss schwarz auf weiß nach2
schlagen kann.
a) Richtlinienkonforme Auslegung
Der Textformbegriff des § 126b BGB wird in der FARL nicht verwendet. Daher gibt es unterschiedliche Ansätze, diesen Begriff auszulegen.
Zum Teil werden einerseits die Maßstäbe des § 126b BGB als zu streng
empfunden, da die Nennung der Person des Erklärenden und die
Kenntlichmachung des Erklärungsabschlusses hier im Hinblick auf
§ 312c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV nicht
erforderlich seien, so dass die Vorschrift insoweit teleologisch zu redu3
zieren sei. Zum anderen wichen nach dieser Ansicht die Gesetzesanforderungen unzulässig von den Maßstäben der FARL ab, da die Textform
nach § 126b BGB eine dauerhafte Verfügbarkeit der Informationen in
Schriftform nicht gewährleisten könne, da diese nicht wie der Begriff
des „dauerhaften Datenträgers“ auf den Zugang beim Verbraucher
abstelle. Das Erfordernis der „Mitteilung“, wodurch der nationale
Gesetzgeber diese Abweichung zu kompensieren versuche, könne Richtlinienkonformität nicht mit hinreichender Klarheit herstellen. Es bedür4
fe sich daher der Korrektur im Wege richtlinienkonformer Auslegung.
Nach überwiegender Auffassung sind die §§ 126b, 130 BGB inhaltlich deckungsgleich mit den Anforderungen des Begriffs des dauerhaf1
Zum Inhalt der korrekten Widerrufsbelehrung siehe unten Teil 5 B IV.
Vgl. Mankowski, CR 2001, 767, 769; D. Arnold, CR 1997, 526, 530.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 105.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 106.
2
194
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
ten Datenträgers. Eine hiervon abweichende Auslegung sei mit dem
Ziel des nationalen Gesetzgebers, die speziell für den elektronischen
Geschäftsverkehr entwickelte neue Form in der Rechtspraxis zu etablieren, nicht vereinbar. Dazu käme, dass der in der FARL verwendete
Begriff des dauerhaften Datenträgers von dieser nicht näher definiert
wird. Eine Definition sei in Art 2 lit. f FARLFDL zu finden. Diese sei
aufgrund des Vorschlags des damaligen deutschen Vertreters auf
§ 361a Abs. 3 BGB a.F. zurückzuführen, so dass keine inhaltlichen
Unterschiede zwischen den beiden Begriffen „Textform“ und „dauer2
hafter Datenträger“ bestünden.
Um eine richtlinienkonforme Auslegung des Textformerfordernisses
zu gewährleisten, muss es sich nach beiden Ansichten bei der Mitteilungsform aus § 312c Abs. 2 BGB um ein Medium handeln, das geeignet ist, die Informationen für eine deren Zweck entsprechenden Dauer
3
zu speichern und unverändert wiederzugeben. Erforderlich ist also,
dass für den Unternehmer keinerlei Möglichkeit besteht, die Informationen nachträglich zu verändern. Eine Speicherung der Informationen
4
auf der Festplatte des Verbrauchers ist hingegen nicht erforderlich.
Richtigerweise ist davon auszugehen, dass die Schriftzeichen neben der
Widerrufsfrist auch die Garantie- und Gewährleistungsfrist überdauern
5
müssen.
Mit dem Erfordernis der „Mitteilung“ in Textform erfolgt zudem eine Anpassung der nationalen Regelungen an die Voraussetzungen des
Art. 5 Abs. 1 FARL. Das Mitteilen verlangt den Zugang der Informati6
onen beim Verbraucher. Dieser ist nach den allgemeinen Regeln zu
bestimmen. Das Erfordernis eines Zugangs beim Verbraucher macht
zugleich deutlich, dass dieser in der Lage versetzt werden muss, die
7
Informationen ohne größeren technischen Aufwand zu lesen. Darüber
hinaus muss stets gewährleistet sein, dass die Wiedergabe der gespeicherten Daten durch die gebräuchlichen Betriebssysteme und Program8
me ausgeführt werden kann.
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 29; AnwKomm/Ring, Rn 89 f;
Felke/Jordans, WM 2004, 166, 169;
2
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 29.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 108, 112.
4
So aber noch Hoeren/Müglich/Nielsen/Bruns/Träger, S. 147 f.
5
Roßnagen/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 165 (im Erscheinen).
6
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 31; Roßnagel/Brönneke/ZanderHayat, § 312c Rn. 163 (im Erscheinen); MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn.
112.
7
Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 163 (im Erscheinen).
8
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 110; vgl. auch Roßnagel/Brönneke/
Zander-Hayat, § 312c Rn. 163 (im Erscheinen).
A. Widerrufsfrist
195
b) Brief, Fax
Möglich und aus Beweisgründen am sichersten ist es, dem Verbraucher
die Belehrung auf konventionellem Weg, nämlich in Papierform zur
Verfügung zu stellen. Häufige Orte sind die Rechnungsrückseite oder
ein zusätzliches Informationsblatt mit der Lieferung. Da im Onlinehandel stets Ware übersendet wird, kann mit dieser auch die Belehrung
verschickt werden. Die Belehrung per Fax dürfte eher selten sein, da
viele Verbraucher kein Fax haben und die Kosten (Organisation, Telekommunikationskosten) für den Unternehmer zu hoch sind.
c) E-Mail
Der Unternehmer kann dem Verbraucher zur Wahrung der Textform
1
die Belehrung auch per E-Mail übersenden, wenn die Informationen
durch Schriftzeichen wiedergegeben werden, die ohne ein zusätzliches
Programm gelesen werden können und der Nachweis des Zugangs
gelingt. Möglich ist demnach z.B. die Verwendung der Formate HTML
und TXT. Unzulässig sind hingegen die Formate DOC oder RTF, weil
durch das Öffnen solcher Dateien erhebliche Sicherheitsrisiken entstehen (z.B. Makro-Viren) und zudem kostenpflichtige Programme installiert sein müssen. Die Textform ist ferner nicht gewahrt, wenn der
Verbraucher die Informationen aus einer ZIP-Datei zunächst auspacken
2
muss, da die entsprechenden Programme zum Entpacken noch längst
nicht auf allen Rechnern installiert sind und viele Verbraucher überhaupt nicht wissen, wie sie ein ZIP-File lesen können.
Zulässig ist hingegen das Bereitstellen von PDF-Files, da dieses Format als weitgehend sicher anzusehen und der kostenfreie Acrobat Rea3
der mittlerweile standardmäßig auf jedem Computer installiert ist. Bei
Verwendung eines sicheren Dateiformats ist ein Zugang beim Verbraucher auch dann anzunehmen, wenn die Mail in seiner Mailbox ist,
4
unabhängig davon, ob er die Datei öffnet oder nicht. Denn der
Verbraucher, der aktiv am E-Commerce teilnimmt, signalisiert damit
auch, dass er sichere Dokumente in elektronischer Form akzeptiert.
Die Mitteilung in Textform durch Zusendung der Belehrung per EMail dürfte der praktisch häufigste Weg sein. Der Unternehmer versendet zusammen mit der Bestätigung des Zugangs (§ 312e Abs. 1 Nr. 3
1
BT-Drucks. 14/2658, S. 40; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049, 2055; Härting, Internetrecht, Rn. 493; Mankowski, CR 2001, 767, 772.
2
Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 163 (im Erscheinen).
3
A.A. noch Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 216 und Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 163 (im Erscheinen).
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 114; Bülow/Artz, NJW 2000, 2049,
2055; Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601, 1602; Kamanabrou, WM 2000,
1417, 1423.
196
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
BGB) oder zusammen mit der Annahme der Bestellung die Widerrufsbelehrung per E-Mail. Die Übersendung von Datenträgern (z.B. CDs,
DVDs, Disketten) ist problematisch, weil nicht davon ausgegangen
werden kann, dass jeder Verbraucher die technischen Möglichkeiten
besitzt, diese Trägermedien lesen zu können. So enthalten z.B. aktuelle
Notebooks i.d.R. kein Diskettenlaufwerk mehr, ältere Modelle verfügen häufig nicht über ein DVD-Laufwerk. Eine solche Mitteilungsform
dürfte aber auch eher ein theoretischer Fall sein.
d) Texte auf Internetseiten
Die Frage, ob eine Information über das Widerrufsrecht auf einer Internetseite bereits eine „Mitteilung im Textform“ i.S.d. §§ 355, 126b BGB
und somit eine den Fristlauf auslösende Widerrufsbelehrung sein kann,
ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
aa) Rechtsprechung
1
Die überwiegende Rechtsprechung lehnt dies mit unterschiedlicher
Begründung ab. Ein Internetauftritt erfülle die von § 126b BGB gefor2
derte Perpetuierungsfunktion BGB nicht. Der Text verbleibe nur dann
dauerhaft beim Verbraucher, wenn dieser ihn aufgrund eines eigenen
zusätzlichen Willensentschlusses ausdruckt oder abspeichert, wovon in
3
der Regel jedoch nicht ausgegangen werden könne. Außerdem habe
nicht der Empfänger der Widerrufsbelehrung die Erfüllung der die
Textform bestimmenden Merkmale zu leisten, sondern der Unterneh4
mer habe die Belehrung in Textform mitzuteilen. Schließlich würde in
einem solchen Fall die Länge der Widerrufsfrist vom Zufall abhängen,
was auf Unternehmerseite zu unaufklärbarer Unsicherheit führen wür5
de.
6
Anders haben hierzu – soweit ersichtlich – nur das LG Flensburg
1
und das LG Paderborn entschieden. Demnach sei der Textform i.S.d.
1
Vgl. LG Dortmund, Beschluss v. 19.7.2007 – 10 O 113/07; KG Berlin, MMR
2007, 185; KG Berlin, MMR 2008, 339; LG Berlin, JurPC Web-Dok. 102/2008;
OLG Naumburg, CR 2008, 247 = NJW-RR 2008, 776 = MMR 2008, 548; OLG
Jena, WRP 2007, 1008; OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; LG Kleve, MMR
2007, 332; OLG Hamburg, BB 2006, 2327 = MMR 2006, 675 (m. Anm. Hoffmann); LG Heilbronn, MMR 2007, 536 = CR 2008, 129; LG Hanau, Urteil v.
12.6.2007 – 5 O 34/07; OLG Köln, MMR 2007, 713.
2
OLG Naumburg, CR 2008, 247 = NJW-RR 2008, 776 = MMR 2008, 548;
OLG Jena, WRP 2007, 1008; OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; LG Kleve,
MMR 2007, 332.
3
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; AG Wuppertal, JurPC Web-Dok.
24/2009
4
LG Kleve, MMR 2007, 332; OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 08624.
5
LG Kleve, MMR 2007, 332; LG Hanau, Urteil v. 12.6.2007 – 5 O 34/07.
6
LG Flensburg, MMR 2006, 686 = JurPC Web-Dok. 116/2006 = CR 2007, 112.
A. Widerrufsfrist
197
§ 126b BGB genüge getan, wenn für den Verbraucher eine Speicherungs- und Ausdrucksmöglichkeit besteht. Eine dauerhafte Verfügbarkeit der Widerrufsbelehrung werde bei der Auktionsplattform eBay
dadurch gewährleistet, dass sie bei einem Zuschlag zusammen mit dem
Angebot noch 90 Tage im Log-In-Bereich des Kunden gespeichert und
für diesen abrufbar bleibe.
2
Dem hält das OLG Hamburg entgegen, dass es technisch möglich
sei, diese Speicherung wieder aufzuheben. Außerdem sei sie nicht geeignet, den Gesetzeszweck zu erfüllen. Werde der Verbraucher nicht durch
eine an ihn gerichtete Mitteilung des Verkäufers über das Widerrufsrecht aufmerksam gemacht, könne ihm dieses nicht dadurch hinreichend deutlich vor Augen geführt werden, dass eBay einen mit „Mein
eBay“ überschriebenen Dienst anbietet, in dem das gesamte Angebot
mit seinen sämtlichen Einzelheiten allein für den Erwerber weiterhin
3
aufbewahrt wird.
4
Nach Auffassung des LG Heilbronn hingegen genüge zwar die Speicherung eines Textes auf einer Internetseite für sich gesehen durchaus
den Anforderungen an die Textform i.S.d. § 126 b BGB. Denn der
entsprechende Text sei vorbehaltlich einer Abänderung oder Löschung
durch die zugriffsbefugte Person zunächst einmal perpetuiert. Eine
„Mitteilung“ in Textform i.S.d. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB an den Verbraucher setzte jedoch begrifflich voraus, dass diesem „ein Exemplar der
Belehrung verbleiben muss“ d.h. im Falle eines Internettextes eine hinreichende Perpetuierung im Zugriffsbereich des Verbrauchers eingetreten ist. Eine Zwischenspeicherung beim Verbraucher reiche hierfür
nicht aus, da diese bei Erreichen der Speicherkapazitäten vom Betriebssystem gelöscht werden und durch erneuten Aufruf der Internetseite
eine zwischenzeitlich erfolgte Aktualisierung übernommen werden
5
könne. Eine Speicherung im sog. Cache des Rechners des Verbrauchers
sei auch nicht zwingend, vielmehr gebe es Browser, die auf eine Zwischenspeicherung des Textes auf der lokalen Festplatte des Verbrau6
chers verzichten. Es sei auch zweifelhaft, ob eine mögliche Zwischenspeicherung im Cache des Rechners des Verbrauchers bereits als
„Mitteilung“ im erforderlichen Sinne angesehen werden kann.
1
LG Paderborn, MMR 2007, 191 = CR 2007, 465.
OLG Hamburg, MMR 2006, 675 (m. Anm. Hoffmann) = K&R 2006, 526 =
CR 2006, 854 = MD 2007, 332 = GRUR-RR 2007, 174 = NJW-RR 2007, 839.
3
OLG Hamburg, MMR 2007, 320 = CR 2007, 753; OLG Jena, WRP 2007,
1008; OLG Köln, MMR 2007, 713.
4
LG Heilbronn, MMR 2007, 536 = CR 2008, 129.
5
LG Hanau, Urteil v. 12.6.2007 – 5 O 34/07.
6
So auch LG Karlsruhe, JurPC Web-Dok. 85/2008; OLG Jena, WRP 2007,
1008.
2
198
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
bb) Literatur
Im Schrifttum wird teilweise angenommen, die Voraussetzungen des
§ 126b BGB seien erfüllt, sofern die Internetseite heruntergeladen wer1
den kann und damit beim Empfänger dauerhaft abrufbar ist. Erforderlich sei, dass der Empfänger die Informationen ohne weiteres am Bildschirm lesen kann, so lange nur sichergestellt ist, dass er den Inhalt der
Datei (z.B. durch Ausdruck oder elektronische Speicherung) zu seiner
dauerhaften Verwendung konservieren kann. Darauf, ob er von dieser
Möglichkeit tatsächlich Gebrauch macht, solle es hingegen nicht an2
kommen. Der Inhalt einer E-Mail sei nachträglich veränderbar, eine
Information auf der eBay-Angebotsseite könne der Verkäufer hingegen
nicht ändern, sofern das Angebot und das erste Gebot abgegeben sind
oder weniger als zwölf Stunden bis zum Angebotsende verbleiben. Daher sei die Möglichkeit des Verbrauchers, die Bedingungen des Widerrufsrechts auch nach Vertragsschluss in unveränderter Form aufzurufen
3
und nachzulesen, gewährleistet. Weiterhin obliege es dem Verbraucher,
seine E-Mails abzurufen und/oder auszudrucken, so dass hinsichtlich
des Zugangs keine Unterschiede zu der Internetbelehrung bestünden.
Außerdem würden die E-Mails auf dem Server des Anbieters und nicht
auf dem eigenen Rechner gespeichert.
Dieser Ansicht wird jedoch entgegengehalten, dass es nicht darauf
ankomme, ob der Verbraucher seine E-Mail tatsächlich abruft oder
nicht. Entscheidend sei, dass die Erklärung dem Verbraucher so zugehe,
dass dieser sie zur Kenntnis nehmen könne und sie dem Zugriff des
4
Unternehmers entzogen ist. Die bloße Möglichkeit der Speicherung
erfülle das Textformerfordernis daher nicht. Eine aufgerufene Internetseite sei nicht geeignet, von dem Verbraucher dauerhaft wiederhergestellt zu werden, weil es hierzu vielmehr eines wesentlichen und von
dem Verbraucher eigenhändig zu veranlassenden Zwischenschritts – die
Speicherung des Internetseiteninhalts – bedürfe. Es sei allerdings nicht
Aufgabe des Verbrauchers, die Eignung zur dauerhaften Wiedergabe
5
der die Informationen enthaltenden Datei selbst erst herbeizuführen.
Eine aufgerufene Internetseite sei außerdem erst dann zur dauerhaften Wiedergabe geeignet, wenn es zu einer lokalen Speicherung ihres
Inhalts durch den Verbraucher kommt, sonst wäre es durchaus möglich, dass die Dateien bei erneutem Aufruf der Internetseite durch eine
1
MünchKommBGB/Einsele, 5. Aufl., § 126b, Rn. 9; Steins, WM 2002, 53, 59;
Gaertner/Gierschmann, DB 2000, 1601, 1062; Waldenberger, K&R 1999, 345, 348.
2
Bamberger/Roth/Wendtland, 9. Edition, § 126b, Rn. 5.
3
Dietrich/Hofmann, CR 2007, 318, 320.
4
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 62.
5
Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3170; so auch Woitkewitsch/Pfitzer, MDR
2007, 61, 62.
A. Widerrufsfrist
199
in der Zwischenzeit veränderte Onlineversion aktualisiert und auf diese
1
Weise ersetzt worden sind. Der Verbraucher habe zudem auch keinerlei Einfluss darauf, ob die Erklärung tatsächlich auch in der Zukunft
2
abrufbar ist. Selbst wenn man annehme, die auf der Angebotsseite
aufgenommenen Informationen könnten vom Verkäufer nicht mehr
verändert werden, müsse der Unternehmer beweisen, dass der Verbrau3
cher die Seite tatsächlich heruntergeladen hat. Denkbar seien aber auch
Fälle, in denen der Verbraucher keine Möglichkeit zur Speicherung
oder Ausdruck der Vertragsbestimmungen hat, wenn z.B. der Vertrag
4
ohne einen PC, sondern durch ein mobiles Endgerät zustande kommt.
Diese Ansicht werde auch durch den Willen des historischen Gesetzgebers gestützt, der eine dauerhafte Wiedergabe nur annehme, wenn
der Verbraucher die Informationen tatsächlich abspeichert oder aus5
druckt und sie so dem Zugriff des Unternehmers entzieht. Deshalb
erfolge eine dauerhafte Speicherung auch nicht im Arbeitsspeicher oder
durch etwaige automatische Speicherungen auf der Festplatte des Nutzers. Wenn eine Zwischenspeicherung überhaupt erfolge, handele es
sich um eine flüchtige Speicherung, die für den Nutzer nicht ohne wei6
teres reproduzierbar sei. Schließlich sei es die Pflicht des Verkäufers,
dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung mitzuteilen. Es bedürfe also
einer individuellen Mitteilung, die bei einer an die Allgemeinheit gerichteten Information nicht gewahrt sei. Somit fehle es am Zugang der
7
Belehrung im Einzelfall. Diese werde nicht erreicht, wenn der Verbraucher auf eine bloße Download- bzw. Ausdruckmöglichkeit verwiesen
8
wird.
cc) Stellungnahme
Zur Mitteilung in Textform kann das Bereithalten einer abrufbaren
Widerrufsbelehrung daher allenfalls durch das Herunterladen oder
Ausdrucken der Belehrung durch den Verbraucher führen. Dies wird
der Unternehmer in aller Regel weder substantiiert vortragen noch
9
beweisen können . Ob insoweit die Rechtsprechung über eine einge-
1
Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3170; so auch Woitkewitsch/Pfitzer, MDR
2007, 61, 62;
2
Schirmbacher, CR 2006, 673, 677; so auch Buchmann, K&R, 2007, 14, 16.
3
Kaestner/Tews, WRP 2004, 509, 512.
4
Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 377.
5
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 62; so auch Schlömer/Dittrich, K&R,
2006, 373, 377.
6
Schirmbacher, CR 2006, 673, 677.
7
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 62.
8
Schirmbacher, CR 2006, 673, 677.
9
Staudinger/Kaiser, § 355 Rn. 42.
200
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
schränkte Darlegungslast des Beweisführers und eine sekundäre Darlegungslast des Beweisgegners anwendbar ist, muss im Ergebnis verneint
werden. Denn die für diese Fallgruppe typische Situation einer unverschuldeten Beweisnot liegt hier nicht vor: Der Unternehmer kann die
Beweisnot in zumutbarer Weise vermeiden durch Erfüllung der Textform per Mailübersendung.
Der Gesetzgeber hat den aus Art. 5 Abs. 1 FARL und Art. 2 f)
FARLFDL stammenden Begriff des „dauerhaften Datenträgers“, der
noch in § 2 Abs. 3 FernAbsG enthalten war und in § 361a Abs. 3 BGB
a.F. näher definiert wurde, wieder aufgegeben. Im Zuge der Schuldrechtsreform wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses und zur
Vereinheitlichung der Rechtssprache ein Verweis auf den Begriff der
Textform gemäß § 126b BGB eingeführt. Demnach ist ausreichend,
wenn die Erklärung in einer Weise abgegeben wird, die zur dauerhaften
Wiedergabe in Schriftzeichen geeignet ist, sofern die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung erkennbar gemacht
wird. Diese Änderung wurde in der Literatur z.T. als nicht gemein2
schaftskonform kritisiert. Nach anderer Auffassung genügen die An3
forderungen der Textform den Vorgaben der Richtlinie.
Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 126b BGB führt dazu,
4
dass den Vorgaben des europäischen Rechts entsprochen wird. Hier
sind zwei Korrekturen erforderlich. Einerseits sind die Nennung der
Person des Erklärenden und die Kenntlichmachung des Abschlusses der
Erklärung anders als bei Willenserklärungen im Kontext von § 312c
BGB unnötig, so dass die Vorschrift insoweit teleologisch zu reduzieren
5
ist. Ausreichend ist, dass für den Verbraucher aus dem Informationsdokument selbst erkennbar ist, von wem die Informationen stammen
und wo das Dokument endet. Andererseits kommt es nach Art. 5
Abs. 1 FARL anders als bei § 126b BGB auf den tatsächlichen Zugang
der Information beim Verbraucher i.S.d. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB an, so
dass der Begriff des „Mitteilens“ gemeinschaftskonform so auszulegen
6
ist.
Wenn der Gesetzgeber also fordert, dass dem Verbraucher eine Belehrung in Textform „mitgeteilt“ wird, so bringt er damit – wie auch
1
Vgl. zuletzt: BGH, NJW-RR 2008, 1136 = MMR 2008, 531.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 104 ff.; Finke, Der Fernabsatz von
Finanzdienstleistungen an Verbraucher, S. 140, 183; zweifelnd Roßnagel/Brönneke/
Zander-Hayat, § 312c Rn. 21
3
Felke/Jordans, WM 2004, 166, 169.
4
Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 38.
5
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 105.
6
BT-Drucks. 14/7052, S. 191; Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 57; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 21; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c
Rn. 106.
2
A. Widerrufsfrist
201
1
die Entstehungsgeschichte deutlich zeigt – eindeutig zum Ausdruck,
dass die Widerrufsbelehrung nicht nur in der vorgeschriebenen Textform erstellt sein, sondern in dieser dem Verbraucher auch zugehen
2
muss, denn es ist zwischen Einhaltung der Textform und Zugang der
3
Belehrung zu unterscheiden. Bei einer bloßen Kenntnisnahme der Veröffentlichung der Belehrung auf der eBay-Seite fehlt es aber an einer
„Mitteilung“ in Textform, also dem Zugang einer entsprechend perpetuierten Erklärung, denn die Belehrung muss dem Verbraucher in einer
zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Form auch
zugehen und dieser muss auf die unveränderte Erklärung zugreifen
4
können, wann es ihm beliebt.
Es trifft daher nicht zu, wenn die Ansicht vertreten wird, es bestünde
kein Unterschied zwischen der (dauernden) Abrufbarkeit auf einer Internetseite und der Übersendung einer E-Mail, da der Absender so oder
5
so keinen Einfluss auf die Wahrnehmung durch den Empfänger habe.
Dem Gesetzgeber kam es aus Gründen des Verbraucherschutzes und im
Hinblick auf die Dokumentationsfunktion der Textform darauf an,
dass die Belehrung in hinreichend (i.S.v. § 126b BGB) perpetuierter
6
Form in den Herrschaftsbereich des Verbrauchers gelangt. Dass der
Verbraucher auch eine in diesem Sinne zugegangene Erklärung (etwa
eine E-Mail) u.U. tatsächlich nicht zur Kenntnis nimmt, rechtfertigt es
nicht, die bloße Möglichkeit zum Speichern oder Ausdrucken der abrufbereit gehaltenen Internetseite der zugegangenen Erklärung gleichzu7
stellen.
Es ist deshalb unerheblich, dass eBay die flüchtige Information zum
8
Widerrufsrecht noch 90 Tage nach Vertragsschluss bereithält. Zudem
ist eBay dem Verbraucher gegenüber auch nicht zu deren Speicherung
verpflichtet, d.h. der Verbraucher hat auf die Speicherung und die dauernde künftige Abrufbarkeit der Erklärung keinen Einfluss, sie kann
9
vielmehr jederzeit aufgehoben werden. Das Bereithalten einer abrufbaren Widerrufsbelehrung kann daher allenfalls erst dadurch zur Mitteilung in Textform führen, wenn der Verbraucher die Belehrung tatsächlich herunterlädt oder ausdruckt, was regelmäßig nicht nachweisbar
1
OLG Köln, MMR 2007, 713, 715; Buchmann, MMR 2007, 347, 349.
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617.
Staudinger/Kaiser, § 355 Rn. 41; Andrzejewski, Die Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in Deutschland und Polen, S. 43; Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat,
§ 312c Rn. 167.
4
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; Buchmann, K&R, 2007, 14, 16.
5
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175
6
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617.
7
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617.
8
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175; Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 64.
9
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617.
2
3
202
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
ist. Die temporäre Zwischenspeicherung während des Aufrufs der Seite
2
genügt hierfür nicht.
e) Rechtslage nach dem VRRL-E
Art. 2 Abs. 10 VRRL-E definiert „dauerhafter Datenträger“ künftig als
„jedes Instrument, das es dem Verbraucher oder dem Gewerbetreibenden gestattet, an ihn persönlich gerichtete Informationen derart zu
speichern, dass er sie in der Folge für eine für die Zwecke der Informationen angemessene Dauer einsehen kann, und das die unveränderte
Wiedergabe der gespeicherten Informationen ermöglicht.“ Erwägensgrund 16 konkretisiert die Begriffsbestimmung und nennt insbesondere
bestimmte Unterlagen auf Papier, USB-Sticks, CD-ROMs, DVDs, Speicherkarten und das Festplattenlaufwerk des Computers, auf dem EMails oder PDF-Files gespeichert werden. Gemäß Art. 11 Abs. 4 solle
der Gewerbetreibende verpflichtet sein, die Informationen, u.a. zum
Widerrufsrecht „auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen, …
es sei denn, der Verbraucher hat die Informationen bereits vor dem
Abschluss des Fernabsatzvertrags auf einem dauerhaften Datenträger
erhalten.“ In Art. 5 Abs. 1 FARL heißt es, dass der Verbraucher eine
Bestätigung der Informationen schriftlich oder auf einem anderen für
ihn verfügbaren dauerhaften Datenträger erhalten muss, „soweit ihm
diese Informationen nicht bereits vor Vertragsabschluß schriftlich oder
auf einem anderen für ihn verfügbaren dauerhaften Datenträger erteilt
wurden.“
Der Verzicht auf die Formulierung „erteilt wurden“ spricht vordergründig dafür, dass der europäische Gesetzgeber es künftig für die
Wahrung des Textformerfordernisses auch genügen lassen will, wenn
der Verbraucher entsprechende Informationen aus dem Internet herunterlädt. Allerdings setzt die neue Definition des dauerhaften Datenträgers eindeutig voraus, dass die Informationen an den Verbraucher „persönlich gerichtet“ sind. Websites sind aber gerade an die Allgemeinheit
und nicht an eine bestimmte Person gerichtet. Auch wird ein InternetServer, auf dem Websites abgelegt sind, nicht in den Beispielen des
Erwägensgrundes 16 genannt. Allerdings können bestimmte Websites
auch an den Verbraucher persönlich gerichtet sein, zum Beispiel die
aktuell diskutierten LogIn-Bereiche bei eBay, auf die nur der Verbraucher Zugriff hat und in denen die Widerrufsbelehrung eine bestimmte
Zeit lang gespeichert wird. Diese können auch für eine „angemessene
Dauer“ eingesehen werden, wie es die neue Definition verlangt. Es muss
1
Staudinger/Kaiser, § 355 Rn. 42; Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169,
3170; Schirmbacher, CR 2006, 673, 677.
2
A. Widerrufsfrist
203
dem Verbraucher auch lediglich „gestattet“ sein, die Informationen zu
speichern. Dies spricht dafür, dass der europäische Gesetzgeber z.B.
PDF-Download-Möglichkeiten in LogIn-Bereichen für die Form des
dauerhaften Datenträgers genügen lassen will.
f) Zwischenergebnis
Der Textformbegriff des § 126b BGB wird in der FARL nicht verwendet, dieser bedarf daher einer richtlinienkonformen Auslegung. Dafür
muss es sich bei der Mitteilungsform aus § 312c Abs. 2 BGB um ein
Medium handeln, das geeignet ist, die Informationen für eine deren
Zweck entsprechenden Dauer zu speichern und unverändert wiederzugeben, wozu die Bereitstellung auf einer Internetseite nicht genügt.
Das Erfordernis eines Zugangs beim Verbraucher macht zugleich deutlich, dass dieser in der Lage versetzt werden muss, die Informationen
ohne größeren technischen Aufwand zu lesen.
Die Mitteilung in Textform ist durch die Übersendung von Brief, Fax
oder E-Mail möglich. Im letzten Fall ist die Verwendung der Formate
HTML, TXT oder PDF-Files, nicht jedoch von DOC oder RTF oder
ZIP-Datei zulässig, weil durch das Öffnen solcher Dateien erhebliche
Sicherheitsrisiken entstehen (z.B. Makro-Viren) und zudem kostenpflichtige Programme installiert sein müssen. Dem Textformerfordernis
genügen auch Informationen auf der Internetseite nicht, insbesondere
fehlt es hier an der Dauerhaftigkeit und dem Zugang bei Verbraucher.
Zur Mitteilung in Textform kann das Bereithalten einer abrufbaren
Widerrufsbelehrung nur durch das Herunterladen oder Ausdrucken
durch den Verbraucher führen. Dies wird der Unternehmer in aller
Regel weder substantiiert vortragen noch beweisen können. Dies könnte sich in Zukunft nur dahingehend ändern, dass nach dem VRRL-E
Download-Möglichkeiten in personalisierten LogIn-Bereichen für die
Form des dauerhaften Datenträgers als ausreichend angesehen werden,
nicht jedoch auf allgemein zugänglichen Websites.
3. Mitteilung fernabsatzrechtlicher Informationen in Textform
Die Widerrufsfrist beginnt gemäß § 312d Abs. 2 BGB abweichend von
§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB nicht vor Erfüllung der Informationspflichten
gemäß § 312c Abs. 2 BGB. Der Unternehmer muss dem Verbraucher
gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGBInfoV spätestens bis zur vollständigen Erfüllung bzw. Warenlieferung
alle vorvertraglichen Informationen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 12 BGBInfoV und weitere Informationen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BGB-InfoV)
in Textform mitteilen.
204
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
a) Form
Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn die fernabsatzrechtlichen Pflichtinformationen formgerecht mitgeteilt werden. Die Informationen müssen ebenso wie die Widerrufsbelehrung in Textform mitgeteilt werden,
1
d.h. die Bereitstellung auf einer Internetseite genügt nicht.
aa) Transparenzgebot
Anders als in § 312c Abs. 1 BGB („klar und verständlich“) ist weder in
§ 312c Abs. 2 noch in § 1 Abs. 4 BGB-InfoV ausdrücklich ein Transparenzgebot verankert. In § 1 Abs. 4 BGB-InfoV wird zwar auf den Inhalt
der Informationen gemäß § 1 Abs. 1 BGB-InfoV Bezug genommen,
nicht jedoch auf das Transparenzgebot. Auch die FARL und der VRRLE enthalten keine Aussagen zu einem nachvertraglichen Transparenzgebot. Art. 4 Abs. 2 FARL („klar und verständlich“) erfasst nur die vorvertragliche Information und Art. 5 FARL enthält kein gesondertes
Transparenzgebot. Art. 11 Abs. 1 VRRL-E verzichtet hinsichtlich der
vorvertraglichen Informationen sogar auf das Erfordernis der klaren
und verständlichen Mitteilung, sondern schreibt nur vor, dass die Informationen in „einfacher und verständlicher Sprache abgefasst und
lesbar sein“ müssen. Art. 11 Abs. 4 VRRL-E, der die Bestätigung auf
einem dauerhaften Datenträger regelt, enthält hingegen überhaupt kein
Transparenzgebot.
Gleichwohl wird zu Recht darauf hingewiesen, dass das in § 312c
Abs. 1 niedergelegte Transparenzgebot auf die nachvertraglichen In2
formationen „ausstrahlt“. Auch die nachvertraglichen Informationen
müssen klar und verständlich sein, d.h. sie müssen in einer für einen
Laien verständlichen Sprache abgefasst sein und dürfen nicht unter
3
einer Vielzahl anderer Angaben „versteckt“ werden. Es wäre widersinnig, wenn der Unternehmer seiner Pflicht nach § 312c Abs. 2 BGB
durch eine schwer verständliche, aber hervorzuhebende Information
4
nachkommen könnte. Die Verankerung eines gesonderten Transparenzgebotes in § 312c Abs. 2 BGB ist aber auch nicht notwendig. Die
Informationen müssen schon deshalb in einer klaren Sprache gefasst
sein, weil es sich um dieselben Informationen handelt, für die § 312c
Abs. 1 BGB die inhaltliche Transparenz anordnet. Würden diese Angaben in einer Flut von weiteren Klauseln versteckt, dürfte stets der Anwendungsbereich der Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingun1
Vgl. oben Teil 3 A II 2 d).
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 48; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c, Rn. 164; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 115; Härting,
Fernabsatzgesetz, § 2 Rn. 196.
3
Vgl. zum vorvertraglichen Transparenzgebot ausführlich Teil 5 A II 1.
4
Härting, Fernabsatzgesetz, § 2 Rn. 196.
2
A. Widerrufsfrist
205
gen eröffnet sein, so dass der Verbraucher durch das identische („klar
und verständlich“) Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB geschützt ist.
bb) Integration in AGB
Früher wurde vereinzelt vertreten, fernabsatzrechtliche Informationen
könnten nicht in Allgemeine Geschäftsbedingungen integriert werden,
da es sich um subjektive Rechte im Sinne des Gemeinschaftsrechts han1
delt. Schon der deutsche Gesetzgeber des FernAbsG vertrat jedoch zu
Recht die Auffassung, dass die Integration von Pflichtinformationen in
2
AGB grundsätzlich möglich ist. Auch das Bundesjustizministerium als
Verordnungsgeber geht in § 1 Abs. 4 Satz 3 BGB-InfoV ausdrücklich
davon aus, dass die textformgebundenen Informationen auch in AGB
mitgeteilt werden können. Einige Pflichtinformationen wie die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BGBInfoV) und der Gesamtpreis (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV) können
natürlich nicht in AGB integriert werden, da es sich um produktspezifische Informationen handelt.
Der Verbraucher ist durch eine Zusammenfassung von Pflichtinformationen und AGB auch nicht schlechter gestellt. Im Gegenteil: Neben
dem Transparenzgebot aus § 312c Abs. 1 BGB, das auf die nachvertraglichen Informationspflichten ausstrahlt, ist er zusätzlich durch jenes
in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geschützt. Es dient dem Verbraucherschutz,
wenn möglichst viele Pflichtinformationen auf einer Seite gebündelt und
nicht über verschiedene Seiten verstreut werden. Der Unternehmer kann
daher die textformgebundenen fernabsatzrechtlichen Informationen
3
auch in AGB erteilen.
Werden Informationen in AGB integriert, müssen die Informationen
zu ladungsfähiger Anschrift und Vertretungsberechtigtem (§ 1 Abs. 1
Nr. 3 BGB-InfoV), zum Widerrufsrecht, zu eventuellen Kündigungsbedingungen und Vertragsstrafen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 BGB-InfoV) sowie zu
Kundendienst, Gewährleistungs- und Garantiebedingungen (§ 1 Abs. 4
Satz 1 Nr. 3 b) BGB-InfoV) in einer „hervorgehobenen und deutlich
gestalteten Form“ erteilt werden, z.B. durch ein auffälliges Druckbild,
räumliche Trennung vom Vertragstext, Fett- oder Farbdruck, Einrahmungen oder durchgezogenen Trennlinien. Bei einer Hervorhebung von
gleich sieben Informationen kann die Formatierung – gerade bei vor-
1
So aber Reich, EuZW 1997, 581, 584.
Begründung FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 12/2658, S. 38.
3
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 35; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c
Rn. 86, 115f.; Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 32; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1278.
2
206
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
bildlich kurzen AGB – freilich nicht die gleiche Signalwirkung erzielen
1
wie bei der Hervorhebung nur des Widerrufsrechtes.
Angesichts der umfangreichen Hervorhebungserfordernisse, die eher
zur Unübersichtlichkeit kurzer AGB führen, ist eine vereinzelt geforder2
te optische Trennung von Informationspflichten und sonstigen AGB
nicht sachgerecht und findet im Gesetz keine Stütze. Sie ist überdies
auch gar nicht möglich, denn bei vielen Informationen aus § 1 Abs. 1
BGB-InfoV handelt es sich thematisch nicht um reine Informationen,
3
sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen, da Vereinbarungen mit
dem Verbraucher erforderlich sind, so z.B. bei den Versandkosten (§ 1
Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV) der Mindestlaufzeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 8 BGBInfoV) der Vereinbarung der Tragung von Rücksendekosten bei Ausübung des Widerrufsrechtes („40-EUR-Klausel“, § 357 Abs. 2 Satz 3)
oder die Ersetzung des Widerrufsrechtes durch ein Rückgaberecht
(§ 356 BGB). Würde man diese Klauseln einmal als Informationspflicht
und einmal als Geschäftsbedingung darstellen müssen, führte dies zu
einer verwirrenden Dopplung mit Inkonsistenzen, die das Gegenteil von
Transparenz erreicht.
b) Inhalt
In § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 12 und § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BGB-InfoV wird
der Unternehmer in einem verschachtelten Regelungssystem zur Mitteilung einer Vielzahl von Informationen verpflichtet, die im Wesentlichen
unverändert aus der FARL übernommen wurden. Zudem wurden für
alle Fernabsatzverträge Informationspflichten aus der FARLFDL unkritisch integriert, was zu inhaltlichen Unklarheiten führt und den
Verbraucherschutz nicht erhöht. Überschneidungen gibt es mit handelsund gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen (§§ 37a Abs. 1, 125a Abs. 1, 177a HGB, 35a GmbHG,
80 AktG, 25a GenG, 7 PartGG); seit Anfang 2007 gelten diese Pflichten auch ausdrücklich für E-Mails. Weiterhin enthält § 5 TMG teilidentische Pflichten zur Anbieterkennzeichnung in flüchtiger Form auf der
Website. Zu Recht wird daher darauf hingewiesen, dass es für den
4
Unternehmer sehr schwierig ist, alle Erfordernisse zu beachten.
In dem VRRL-E wurde die Zahl der Informationen nach Art. 5
Abs. 1 und 9 VRRL-E erfreulicherweise deutlich reduziert. So soll im
Vergleich zu § 1 Abs. 1 BGB-InfoV keine Pflicht mehr bestehen, zu
informieren: über Unternehmensregister und –nummer (Nr. 1), Vertreter in anderen Mitgliedsstaaten (Nr. 2), über die „ladungsfähige“ An1
Vgl. Palandt/Grüneberg, § 1 BGB-InfoV, Rn. 23.
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 36.
3
Boente/Riehm, Jura 2002, 222, 225.
4
PWW/Medicus, § 355, Rn. 13.
2
A. Widerrufsfrist
207
schrift (Nr. 3), darüber, wie der Vertrag zustande kommt (Nr. 4), über
Leistungsvorbehalte, die nach deutschem Recht ohnehin nur sehr einge1
schränkt möglich sind (Nr. 6), über das „Nichtbestehen“ des Widerrufsrechts (Nr. 10), über die die Kosten des Fernkommunikationsmittels (Nr. 11) sowie über die Gültigkeitsbefristung (Nr. 12).
aa) Identität, Unternehmensregister, Registernummer
Gemäß § 312c Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV ist der
Verbraucher über die Identität des Unternehmers zu informieren. Art. 5
Abs. 1 b) VRRL-E spricht von der „Identität des Gewerbetreibenden,
2
wie sein Handelsname“. Auch nach geltendem Recht ist unter Identität
die Bezeichnung einer Person oder eines Unternehmens in einer Weise
zu verstehen, die geeignet ist, sie von anderen Personen oder Unterneh3
men zu unterscheiden. Im Hinblick auf die Angabe des Namens bzw.
der Firma sind die Anforderungen mit denen in § 5 TMG – nicht bezüglich der Erreichbarkeit, aber bezüglich des Inhalts – identisch, so
dass die Rechtsprechung und Literatur zu dieser Norm und der Vorgängervorschrift § 6 TDG insoweit herangezogen werden kann. Zu
nennen ist der korrekte (Firmen-) Name. Bei natürlichen Personen gemäß § 12 BGB ist nicht nur ein Nachname, sondern auch ein Vorname
4
anzugeben. Gleiches gilt für nicht rechtsfähige BGB-Gesellschaften.
Die Angabe eines Künstlernamens oder Pseudonyms kann ausrei5
chen, wenn die Person unter diesem zweifelsfrei zu identifizieren ist.
Bezeichnet sich ein Verkäufer lediglich als "fachhandel 1a", erfüllt er
6
die Pflicht zur Angabe der Identität hingegen nicht. Bei einer GbR
reicht im Namen die Angabe eines Gesellschafters aus, da es hier lediglich um die Unterscheidungskraft der Bezeichnung der GbR geht. Es
können aber auch mehrere oder alle Gesellschafter genannt werden.
Daher werden auch Sachbezeichnungen bzw. Kombinationen aus Sachund Personenbezeichnung für zulässig erachtet. Der Zusatz „GbR“ darf
zur Gewährleistung der Unterscheidungskraft jedoch nicht fehlen.
Firmen, gleich ob eingetragene Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften oder Kapitalgesellschaften, müssen nach §§ 18 ff. HGB den
vollständigen Firmennamen einschließlich des Rechtsformzusatzes (z.B.
1
Vgl. BGH, NJW 2005, 3567.
Nach § 5 Nr. 1 TMG muss der Diensteanbieter seinen „Namen“ bereit halten,
was inhaltlich mit der Identität identisch ist.
3
Roßnagel/Brönneke, § 312c BGB Rn. 83.
4
LG Berlin, MMR 2003, 202 = CR 2003, 139; KG Berlin, MMR 2007, 440 =
NJW-RR 2007, 1050 = GRUR-RR 2007, 328; Stickelbrock, GRUR 2004, 111, 113.
5
Bräutigam/Leupold/Pelz, B I Rn. 21; Bettinger/Leistner/Bettinger, Teil 3 A Rn.
37; Hoeren, WM 2004, 2461, 2462; a.A. Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1
BGB-InfoV, Rn. 7.
6
So zutreffend das OLG Naumburg, CR 2006, 779 zu § 6 TDG.
2
208
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
„e.K.“, „Ltd.“, „GmbH & Co. KG“) nennen. Häufig bezeichnen sich
Einzelgewerbetreibende als „Firma“ unter einer Fantasiebezeichnung
und benennen sich selbst als „Geschäftsführer“. Der Systematik des
HGB nach kann aber nur ein eingetragener Kaufmann oder eine Handelsgesellschaft eine Firma i.S.d. § 17 HGB führen. Daher ist beim nicht
eingetragenen Einzelgewerbetreibenden der Zusatz „Firma“ keine korrekte Erfüllung der fernabsatzrechtlichen Informationspflicht und überdies irreführend i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG. Es wird der Eindruck erweckt, es handele sich um eine im Register eingetragene Firma. Deshalb
darf der Einzelgewerbetreibende stets nur mit Vor- und Zunamen und
einer Geschäfts- bzw. Branchenbezeichnung auftreten.
Der Zusatz „Geschäftsführer“ ist als Irreführung über die Unternehmensgröße ebenfalls wettbewerbswidrig i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG und
stellt eine Verletzung der Informationspflicht des § 312c BGB dar. Im
Unternehmen des Einzelgewerbetreibenden gibt es nämlich nicht wie
bei der GmbH einen Geschäftsführer im technischen Sinne. Daher handelt es sich bei diesem Zusatz (sogar beim eingetragenen Kaufmann)
um eine Irreführung über die Größe des Unternehmens. Zulässig ist
jedoch die Angabe „Geschäftsführung“, da dieser Zusatz nicht auf
einen echten Geschäftsführer i.S.d. § 35 GmbHG hindeutet, sondern
nur klarstellt, wer tatsächlich die Geschäfte führt. Im Fall eines Konzerns muss das genaue Unternehmen, das Vertragspartei wird, angegeben werden. Nicht ausreichend ist dafür, wenn unter Rubriken wie
„Konzern“ oder „Unternehmen“ die Leistungsverteilung im Konzern
1
ersichtlich wird.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV ist bei entsprechender Eintragung
über das Unternehmensregister sowie die Registernummer oder eine
gleichwertige Kennung zu informieren. Darunter versteht der Gesetzge2
ber neben dem Handelsregister „alle denkbaren weiteren Register“,
z.B. auch – bei wirtschaftlich tätigen Vereinen – das Vereinsregister
sowie – bei Einzelgewerbetreibenden ohne Handelsregistereintrag – das
Gewerberegister. Dies wird mit Blick auf Art. 5 ECRL („vergleichbare
öffentliche Register“) in richtlinienkonformer Auslegung bereits für § 5
Nr. 4 TMG gefordert, da diese Angaben privaten Personen und Ver3
bänden die Rechtsdurchsetzung erleichtern. Bei Vorhandensein mehrerer Register ist jedoch nur das statusrelevante Register bzw. das Register anzugeben, aus dem sich Identität und Rechtsform des
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 6.
BT-Drucks. 15/2946, S. 25.
3
Spindler/Schuster/Micklitz, § 5 TMG, Rn. 54; Roßnagel/Brönneke, § 5 TMG,
Rn. 66; zustimmend zur Vorgängervorschrift Spindler/Schmitz/Geis/Spindler, § 6
TDG, Rn. 31.
2
A. Widerrufsfrist
209
1
Unternehmers ergibt, zumal nicht alle Gemeinden Gewerberegister2
nummern vergeben. Sind ausländische Gesellschaften mit deutscher
Niederlassung nicht in einem deutschen Register eingetragen, müssen
das ausländische Register und die Registernummer offen gelegt wer3
den. Art. 5 und 9 VRRL-E kennen keine Pflicht zur Angabe von Unternehmensregister oder Registernummer, so dass diese Angaben nicht
mehr nach Art. 11 Abs. 4 VRRL-E in Textform zu bestätigen wären.
Die Mitgliedsstaaten dürfen wegen des Vollharmonisierungsprinzips
eine Regelung wie in § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV daher für allgemeine
Fernabsatzgeschäfte nicht aufrecht erhalten (vgl. auch Art. 11 Abs. 5
VRRL-E), sondern es bliebe nur bei der flüchtigen Informationspflicht
nach Art. 5 ECRL.
Die Angaben zur Identität, zum Unternehmensregister und zur Registernummer können klar und verständlich in der ZugangsbestätigungsE-Mail, der Bestellannahme-E-Mail, auf der Rechnung oder auch in mit
der Ware gelieferten AGB alternativ oder kumulativ mitgeteilt werden.
An diesen Stellen können auch die (zugehörigen) unternehmerbezogenen Pflichtangaben des § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BGB-InfoV mitgeteilt
werden.
bb) Identität eines Vertreters im Mitgliedsstaat des Verbrauchers
Unternehmer im Fernabsatz müssen seit 8.12.2004 gemäß § 1 Abs. 2
Nr. 2 BGB-InfoV zusätzlich „die Identität eines Vertreters des Unternehmers in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz
hat, wenn es einen solchen Vertreter gibt, oder die Identität einer anderen gewerblich tätigen Person als dem Anbieter, wenn der Verbraucher
mit dieser geschäftlich zu tun hat, und die Eigenschaft, in der diese
Person gegenüber dem Verbraucher tätig wird“ informieren. Diese
Pflicht stammt aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 b und c FARLFDL, dem Gesetzgeber erschien angesichts des Verhältnisses von Aufwand und Informa4
tionswert jedoch eine Ausdehnung auf alle Fernabsatzverträge sinnvoll.
Da sie im VRRL-E nicht mehr enthalten ist, dürfte diese Pflicht für
allgemeine Fernabsatzgeschäfte nicht aufrecht erhalten werden können.
Die derzeitige Vorschrift bezweckt, den Verbraucher bei grenzüberschreitenden Geschäften zusätzlich über einen einbezogenen Vertreter
oder Ansprechpartner zu informieren, der näher am Wohnsitz des
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 8.
So kennt z.B. das Bezirksamt Spandau von Berlin, Abt. Personal, Wirtschaft und
Ordnungsamtsangelegenheiten – Fachbereich Gewerbe- und Ordnungsangelegenheiten – die Gewerberegisternummer nicht.
3
LG Frankfurt, JurPC Web-Dok. 153/2003 = MMR 2003, 597; Staudinger/Thüsing § 312c BGB Rn. 56.
4
BT-Drucks. 15/2946, S. 25.
2
210
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Verbrauchers ist und an den sich der Verbraucher daher aus sprachli1
chen und örtlichen Gründen leichter wenden kann. Der sog. Auslandsvertreter soll es dem Verbraucher bei Unternehmen mit internationaler
Reichweite erleichtern, einen Kontakt zum Unternehmen herzustellen.
Daher ist der Begriff des Auslandsvertreters i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2, 3
BGB-InfoV möglichst weit zu fassen.
Etwas dunkel ist, wer bei allgemeinen Fernabsatzverträgen zum Personenkreis der „anderen gewerblich tätigen“ Personen zählt, mit denen
der Verbraucher „geschäftlich zu tun hat“. Erfasst sind alle Personen,
die im Auftrag des Unternehmers im Mitgliedsstaat des Verbrauchers
tätig werden, und die am Vertragsschluss mit dem Verbraucher beteiligt
2
sind. Gemeint sind in erster Linie die im Vertrieb von Finanzprodukten
typischerweise eingesetzten selbständigen Vertreter, Makler oder andere
3
Finanzvermittler. Wegen der gebotenen weiten Auslegung ist auch bei
allgemeinen Fernabsatzgeschäften eine Niederlassung im Rechtssinne
nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass das Unternehmen sich im
jeweiligen Mitgliedsstaat einer Einrichtung bedient, um die unternehmerischen Angelegenheiten über diese Einrichtung vor Ort zu erledigen.
Daher handelt es sich z.B. bei einer bloßen Beschwerdestelle des Unternehmens schon um einen Auslandsvertreter. In Betracht kommen ferner
auch Servicestellen, die ggf. nicht als Niederlassung im Rechtssinne zu
qualifizieren sind, solange sie nur die Belange des ausländischen Unternehmens wahrnehmen. In den wenigsten Fällen wird der Unternehmer
dem Verbraucher all diese Stellen in Textform mitteilen.
Umgekehrt dürfen nicht immer alle Auslandsgesellschaften genannt
werden. Häufig gründen Onlinehändler z.B. eine englische Limited, um
weniger Kapital zu binden und gleichzeitig das Haftungsrisiko zu begrenzen. Hierbei handelt es sich oft aber lediglich um Briefkastenfir4
men, deren Gründung völlig legal auch kommerziell angeboten wird,
das tatsächliche Geschäft wird aber zu keinem Zeitpunkt vom Vereinigten Königreich aus betrieben. Wird das Geschäft dann tatsächlich ausschließlich von Deutschland aus betrieben, dürfte die Angabe einer UKNiederlassung auch vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BGBInfoV irreführend sein, da dies auf einen (weiteren) Sitz der Firma in
UK hindeutet und so auch über die Unternehmensgröße (bzw. die internationale Betätigung des Unternehmens) täuscht. Ferner könnte der
Kunde veranlasst sein, sich bei Problemen direkt an die „Hauptadresse“
1
Kaestner/Tews, WRP 2005, 379, 381.
Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 57.
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV Rn. 26; Härting/Schirmbacher, CR 2002, 809, 811.
4
So kann z.B. unter http://www.go-limited.de/ eine englische Ltd. für 260 € einfach „bestellt“ werden. (Stand: 6.4.2009)
2
3
A. Widerrufsfrist
211
zu wenden, weshalb auch aus diesem Grund eine „Scheinadresse“ in
England nicht genannt werden sollte, ohne darauf hinzuweisen, dass es
sich bloß um eine der Registrierung dienende Anschrift handelt. Wird
die Ltd. jedoch tatsächlich in UK betrieben, ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2
BGB-InfoV eine etwaige Zweigniederlassung in Deutschland unbedingt
aufzuführen.
cc) Ladungsfähige Anschriften, Vertretungsberechtigter
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV fordert seit dem OLGVertrÄndG explizit
die Angabe der „ladungsfähigen Anschrift“ und geht insoweit zugunsten des Verbrauchers über Art. 4 Abs. 1 a) FARL hinaus, da der
Verbraucher auch in Fällen, in denen keine Vorauszahlung verlangt
1
wird, seine Rechte durchsetzen können soll. Gemeint ist die ladungsfähige Anschrift i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mit Straße, Hausnummer,
Postleitzahl und Ort, die dem Nutzer eine effektive Rechtsverfolgung
ermöglicht. Die Angabe einer Postfachanschrift genügt den Anforde2
rungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV nicht. Ladungsfähig ist auch
die Anschrift einer im Handelsregister eingetragenen Niederlassung,
wobei bei mehreren Niederlassungen diejenige anzugeben ist, die das
Internet-Angebot betreibt.
Art. 5 Abs. 1 b) VRRL-E spricht zwar – wie die FARL – nur noch
von „Anschrift … des Gewerbetreibenden … und gegebenenfalls Anschrift … des Gewerbetreibenden, für den er handelt.“ Ob dies im Zuge
der Vollharmonisierung dazu führen wird, dass künftig wieder die An3
gabe einer Postfach-Anschrift genügt, ist aber zweifelhaft. Denn die
Nennung nur der Postfachadresse erwies sich in der Praxis als unbefriedigend. Bei seriösen Firmen ist zwar eine Postfachadresse durchaus
ausreichend, weil sie ihren Zweck, eine Kommunikation aufzunehmen,
4
erfüllt. Zu berücksichtigen war aber, dass gerade Postfachadressen von
unseriösen Unternehmen missbraucht werden. Viele Verbraucher haben
keine Möglichkeit, die hinter einer Postfachadresse stehende wirkliche
5
Adresse des Postfachinhabers in Erfahrung zu bringen.
Sinn der Nennung der Anschrift ist vor allem, dass der Verbraucher
rechtliche Ansprüche gegen den Unternehmer geltend machen können
soll. Dies erfordert im Falle der Klageerhebung die Kenntnis der ladungsfähigen Anschrift im Sinne von § 253 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 130
Nr. 1 ZPO. Da Klagen und Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügun1
vgl. BT-Drucks. 14/2658, S. 38.
OLG Hamburg, NJW 2004, 1114, 1115; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1
BGB-InfoV, Rn. 10.
3
So BGH NJW 2002, 2391, 2392 zu § 355 Abs. 2 S. 1 BGB.
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 10.
5
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 10.
2
212
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
gen nicht an Postfach-Adressen zugestellt werden können, reicht allein
1
die Information über das Postfach nicht aus. Die Möglichkeit einer
(fingierten) Zustellung nach §182 ZPO in derartigen Fällen ist nicht
ausreichend, da dabei die Gefahr eines erheblichen Zeitverlustes und
letztlich auch eines ins Leere Laufen der Klage und etwaiger nachfolgender Vollstreckungsversuche zu befürchten sind. Daher ist auch künftig unter „Anschrift“ die ladungsfähige Anschrift zu verstehen.
Korrespondierend mit der Pflicht zur Angabe der Identität eines Vertreters im Mitgliedsstaat des Verbrauchers sind Unternehmer im Fernabsatz seit Umsetzung der FARLFDL nach § 1 Abs. 1 Nr. auch verpflichtet, über „jede andere Anschrift, die für die Geschäftsbeziehung
zwischen [dem Unternehmer], seinem Vertreter oder einer anderen
gewerblich tätigen Person gemäß Nummer 2 und dem Verbraucher
maßgeblich ist“ zu informieren. Dem Zweck der Vorschrift entsprechend sind nur solche Anschriften gemeint, an die der Verbraucher
auch Klageschriften adressieren könnte.
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV verlangt schließlich (anders als der
VRRL-E) bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder –
gruppen die Information über den Namen „eines“ Vertretungsberechtigten. Sofern nur ein Vertretungsberechtigter existiert, ist die Benennung unproblematisch. Strittig ist hingegen, ob bei einer Gesamtvertretungsbefugnis die Nennung eines Vertretungsberechtigten ausreicht.
Dafür wird vorgebracht, dass nach § 171 Abs. 3 ZPO a.F. eine Klageschrift an einen Vertreter zugestellt werden könnte, und nach § 171
ZPO n.F. nunmehr jeder rechtsgeschäftlich hierfür bestellte Vertreter
2
geeignete Person ist. Da aber die effektive Rechtsverfolgung sichergestellt werden soll und nach § 130 Nr. 1 ZPO in Klageschriften die Benennung der nötigen Anzahl der Vertretungsberechtigten erfordert, sind
3
diese zu benennen.
Aus dem gleichen Grund genügt es auch nicht, nur einen gewillkürten Vertretungsberechtigten (Prokurist, Handlungsbevollmächtigter
4
oder sonst rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte) zu benennen. Auch ist
nicht ausreichend, wenn anstelle des gesetzlichen Vertreters lediglich
5
Personen angeführt werden, die „für den Inhalt verantwortlich“ sind.
Der oder die Vertretungsberechtigten sind mit Vor- und Zunamen zu
1
Vgl. Roßnagel/Brönneke, § 5 TMG Rn. 55.
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 9; Aigner/Hofmann,
Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 371; Hoenike/Hülsdunk, MMR 2002, 415, 418.
3
Roßnagel/Brönneke, § 5 TMG Rn. 57; Spindler/Schmitz/Geis/Spindler, § 6 TDG,
Rn. 24.
4
Roßnagel/Brönneke, § 5 TMG Rn. 56; Spindler/Schmitz/Geis/Spindler, § 6 TDG,
Rn. 24; Kaestner/Tews, WRP 2002, 1011, 1013.
5
OLG München, CR 2002, 55.
2
A. Widerrufsfrist
213
1
benennen. Nicht erforderlich ist jedoch die Benennung aller gesetzlich
Alleinvertretungsberechtigten, da die Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 3
BGB-InfoV nicht bezweckt, sämtliche potenziellen Haftungsadressaten
2
(z.B. nach § 64 Abs. 2 GmbHG) zu benennen.
Die GmbH & Co. KG wird als Kommanditgesellschaft durch die
GmbH als Komplementärin vertreten. Daher reicht nicht die bloße
Angabe der GmbH selbst. Vielmehr müssen im Impressum weitere
Angaben zur GmbH folgen, damit der Rechtsverkehr nicht nur über die
Haftungsbeschränkung der Komplementärin, sondern auch über die
Identität derselben informiert ist. Bezüglich der GmbH sind also zusätzlich Firma, Registergericht und Registernummer, sowie Vor- und Zunamen der Geschäftsführer zu benennen. Bei der AG ist der Vorstand
vertretungsberechtigt. Jedoch reicht auch hier nicht die bloße Angabe
„vertreten durch den Vorstand“. Vielmehr müssen der Vorstand (inkl.
Angabe des Vorsitzenden) und auch der Vorsitzende des Aufsichtsrates
mit vollem Namen genannt werden.
dd) Wesentliche Merkmale der Ware und Zustandekommen des Vertrages
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV muss der Unternehmer dem
Verbraucher Informationen über „wesentliche Merkmale der Ware“
zur Verfügung stellen. Diese Pflicht ergibt sich auch aus Art. 5 Abs. 1 a)
VRRL-E („die wesentlichen Merkmale des Produkts in dem für den
Träger und das Produkt angemessenen Umfang“). Art. 7 Abs. 4 a)
UGP-Richtlinie stuft das Weglassen der „wesentlichen Merkmale des
Produkts in dem für das Medium und das Produkt angemessenen Umfang“ als irreführend ein. Art. 6 Abs. 1 b) UGP-Richtlinie nennt beispielhaft als potenziell zur Irreführung geeignete wesentliche Merkmale
„Verfügbarkeit, Vorteile, Risiken, Ausführung, Zusammensetzung,
Zubehör, Kundendienst und Beschwerdeverfahren, Verfahren und
Zeitpunkt der Herstellung oder Erbringung, Lieferung, Zwecktauglichkeit, Verwendung, Menge, Beschaffenheit, geografische oder kommerzielle Herkunft oder die von der Verwendung zu erwartenden Ergebnisse oder die Ergebnisse und wesentlichen Merkmale von Tests oder
Untersuchungen, denen das Produkt unterzogen wurde“. Dies wird zu
einer erheblichen Ausweitung der lauterkeitsrechtlichen Informationspflicht führen, so etwa zu der Pflicht, auf negative Testergebnisse (z.B.
Stiftung Warentest „mangelhaft“) ausdrücklich hinzuweisen.
1
LG Berlin, WRP 2004, 1198.
Bräutigam/Leupold/Pelz, B I Rn. 23; a.A. Roßnagel/Brönneke, § 5 TMG Rn. 57;
Bizer/Trosch, DuD 1999, 621, 622.
2
214
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Nach Auffassung des deutschen Gesetzgebers müssen zur Erfüllung
der fernabsatzrechtlichen Informationspflicht jedoch nicht alle Einzelheiten aufgezählt werden, sondern der Verbraucher soll nur in die Lage
versetzt werden, das Leistungsangebot des Unternehmers für die Zwecke des konkreten Vertragsschlusses zu bewerten und mit anderen An1
geboten zu vergleichen. Es muss sich um solche Merkmale handeln,
ohne deren Kenntnis ein verständiger Durchschnittsverbraucher, der
sich einen Marktüberblick verschafft hat, den Vertrag nicht schließen
2
würde. Die deskriptiven Angaben begründen nicht automatisch eine
3
Garantiehaftung nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB. Je preiserheblicher ein
4
Merkmal ist, umso eher ist es anzugeben.
Hierzu gehören zunächst die Produktbezeichnung und Produktabbildung. Zu informieren ist vor allem über Qualitätsmerkmale, die das
Produkt charakterisieren. Anzugeben sind auch Fehler, die den Wert
5
der angebotenen Ware mindern (z.B. Gebrauchtware, Retourenware).
Bei technischen Geräten sind z.B. Hersteller, Typenbezeichnung und
wichtige technische Daten zu nennen. Einige Produktinformationen
können auch verallgemeinert in AGB enthalten sein. Da diese im Gegensatz zu transparenten Leistungsbeschreibungen der Inhaltskontrolle
unterliegen, ist eine Platzierung dort jedoch nicht immer sinnvoll. Regelungen zu Leistung und Gegenleistung, welche getrennt von der eigentlichen Leistungsbestimmung in AGB formuliert sind, können allein aus
6
diesem Grund intransparent und unwirksam sein. Typischerweise sind
die wesentlichen Merkmale der Ware in Textform daher getrennt von
AGB in E-Mails und zusätzlich in Warenbegleitpapieren (wie z.B. auch
Bedienungsanleitungen) enthalten.
Der Verbraucher muss gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV darüber
informiert werden, „wie der Vertrag zustande kommt“. Der Gesetzgeber hielt die Aufnahme dieser Pflicht, die in der FARL nicht vorgesehen
ist, insbesondere mit Blick auf Internetversteigerungen für erforderlich,
die teilweise so gestaltet sind, dass der Vertrag direkt mit Höchstgebot
des Verbrauchers zustande kommt, teilweise so, dass noch eine An7
nahme des Höchstgebotes erforderlich ist. Da die Pflicht in dem
VRRL-E nicht mehr enthalten ist, darf künftig keine derartige Informationspflicht mehr aufrecht erhalten bleiben (Art. 4 VRRL-E). Ihrem
1
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 38.
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 11; MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312c Rn. 22; Härting, Internetrecht, Rn. 469.
3
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 38 f.; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c
Rn. 17.
4
Staudinger/Thüsing, Art. 240 EGBGB Rn. 9
5
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 398.
6
Lapp, ITRB 2004, 187.
7
BT-Drucks. 14/3195, S. 31.
2
A. Widerrufsfrist
215
Wortlaut nach gilt die derzeit gültige Norm allerdings auch für Verträge, die über Onlineshops abgeschlossen werden. Eine teleologische
Reduktion ist nicht geboten, da der Verbraucher im Regelfall über den
Vertragsabschluss nicht im Klaren ist und eine Aufklärung hierüber
1
nicht dem Willen des Gesetzgebers widerspricht.
Viele Verbraucher werden beispielsweise bereits das Warenangebot
im Onlineshop für ein verbindliches Vertragsangebot halten und der
Meinung sein, dass der Vertrag bereits mit ihrer Bestellung zustande
kommt, was im Regelfall nicht zutrifft, da es sich bei dem Angebot
i.d.R. um eine invitatio ad offerendum handelt und der Verbraucher
erst das Vertragsangebot abgibt. Der Unternehmer muss also stets dar2
über informieren, wann der Vertragsschluss erfolgt. Dies entspricht
auch dem Schutzzweck der Norm, dem Verbraucher eine informierte
Entscheidung zu ermöglichen, da z.B. die Information, dass der Unternehmer sich vorbehält, die Bestellung binnen 14 Tagen durch Auslieferung der Ware anzunehmen, den Verbraucher von seiner Bestellung
abhalten kann, wenn er die Ware früher benötigt.
Hingegen kann die Information, dass die Annahme der Bestellung
unmittelbar nach Absenden derselben durch eine E-Mail zustande
kommt, den Verbraucher motivieren, bei diesem und nicht einem anderen Unternehmer zu kaufen. Der Unternehmer muss dem Verbraucher
aber nur die Handlung benennen, die nach seiner Rechtsansicht den
Vertrag zustande bringt, ohne dass sich dadurch an der objektiven
3
Rechtslage etwas ändert. Häufig wird die Vertragsschlussinformation
jedoch nicht mit der objektiven Rechtslage übereinstimmen, etwa wenn
der Unternehmer den Vertrag erst mit Auslieferung zustande kommen
lassen will, dem Verbraucher jedoch unmittelbar nach dessen Bestellung
eine Rechnung mit Zahlungsaufforderung zukommen lässt, die dieser
nach dem objektiven Empfängerhorizont nur als Vertragsannahme
verstehen kann.
Strittig ist, ob ein eBay-Händler selbst über das Zustandekommen
des Vertrags aufklären muss. So wird angenommen, auch bei Verkäufen über die Plattform eBay müsse der Unternehmer selbst gemäß § 1
Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV darüber informieren, welche Erklärungen des
Käufers eine vertragliche Bindung herbeiführen und durch welche
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 14 f.
LG Magdeburg, NJW-RR 2003, 409; AnwKomm/Ring, § 1 BGB-InfoV Rn. 25;
Staudinger/Thüsing, Art 240 EGBGB Rn. 10; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn.
18; a.A. Härting, Fernabsatzgesetz, § 2 Rn. 91. § 2 Abs. 2 Nr. 2 FernAbsG enthielt
die Verpflichtung zu informieren „wann der Vertrag zustande kommt“.
3
BT-Drucks. 14/7052, S. 209; AnwKomm/Ring, § 1 BGB-InfoV, Rn. 27.
2
216
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
Handlung der Vertrag zustande kommt. Dem wird entgegengehalten,
dass die Pflicht bei einem Verkaufsangebot über die Plattform eBay
bereits dadurch eingehalten ist, dass der Verkauf über diese Plattform
abgewickelt wird und die entsprechenden Fragen in den AGB von eBay
2
konkret geregelt sind. Zudem werden auch im Bestellablauf durch den
Portal-Betreiber entsprechende Informationen erteilt und verlinkt. Eige3
ne Informationen des Verkäufers seien dann nicht erforderlich. Diese
zweite Ansicht ist vorzugswürdig, jedoch mit der Maßgabe, dass der
Unternehmer dann auf seiner eigenen Internetseite durch „sprechende
4
Links“ wie z.B. „Vertragsschluss“ auf die eBay-AGB verweisen muss.
Hinsichtlich der nachvertraglichen Informationspflicht, die für den
Fristlauf maßgeblich ist, reicht es aus, wenn die Information zum Vertragsschluss – unter Wahrung des Transparenzgebotes – in den eBayAGB enthalten ist, weil der Kunde dort solche Informationen regelmäßig erwartet. Allerdings ist nicht sichergestellt, dass der Verbraucher
diese auch spätestens mit der Lieferung in Textform erhält, wie es nach
§ 312c Abs. 2 BGB erforderlich ist.
ee) Mindestlaufzeit bei Dauerschuldverhältnissen
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 BGB-InfoV ist bei Verträgen, die dauernde oder
regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben (z.B. Zeitschriftenabonnements), die Mindestlaufzeit anzugeben, d.h. der Zeitraum, der als unterste Grenze für das Bestehen der vertraglichen Bindung bis zur Beendigung durch Zeitablauf oder ordentliche Kündigung
5
vereinbart ist. Wird die Mindestlaufzeit nicht in einer E-Mail oder
einem individuellen Kundenanschreiben mitgeteilt, sondern in AGB
geregelt, gelten die Beschränkungen des § 309 Nr. 9 BGB. Da bei Ratenlieferungsverträgen der Umfang der Leistungspflicht schon bei Vertragsschluss feststeht, fallen diese nicht unter Nr. 5, sondern unter
6
Nr. 9. Sofern zur Beendigung des Vertrages die Einhaltung einer Kün7
digungsfrist erforderlich ist, muss auch diese mitgeteilt werden.
ff) Leistungsvorbehalte
Der Unternehmer ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 BGB-InfoV verpflichtet,
dem Verbraucher Informationen über „einen Vorbehalt, eine in Quali1
LG Lübeck, Urteil v. 11.03.2008, 8 O 5/08; LG Leipzig, Beschluss v.
03.03.2008, 04 HK 0 597/08.
2
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 3978.
3
LG Frankenthal, JurPC Web-Dok. 117/2008.
4
Vgl. LG Lübeck, MMR 2008, 554 = K&R 2008, 483; zum vorvertraglichen
fernabsatzrechtlichen Transparenzgebot ausführlich Teil 5 A II 1.
5
Erman/Saenger, § 312c Rn. 9.
6
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 24.
7
Palandt/Grüneberg, § 1 BGB-InfoV Rn. 4.
A. Widerrufsfrist
217
tät und Preis gleichwertige Leistung (Ware oder Dienstleistung) zu
erbringen, und einen Vorbehalt, die versprochene Leistung im Fall ihrer
Nichtverfügbarkeit nicht zu erbringen“ zur Verfügung zu stellen. Diese
Informationspflicht geht nicht auf Art. 4, sondern auf Art. 7 Abs. 3
Satz 2 FARL zurück. Der VRRL-E enthält keine entsprechende Informationspflicht mehr. Die Informationspflicht der FARL und der BGBInfoV führt freilich nicht dazu, dass Austausch- und Leistungsvorbehalte allgemein zulässig sind. Vielmehr setzen § 308 Nr. 3 und Nr. 4 BGB
dem Unternehmer enge Grenzen, wenn solche Vorbehalte in AGB enthalten sind. Keinesfalls kann einfach der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 6
BGB-InfoV in AGB wiedergegeben werden, um einen wirksamen Austauschvorbehalt zu begründen. Die Informationspflicht hat einen sehr
eingeschränkten Anwendungsbereich. Die meisten Konsumgüter (z.B.
Mobiltelefone, Kleidung) können nicht einfach ohne Einverständnis des
Verbrauchers einseitig ausgetauscht werden. Zulässig ist eine Gestal1
tung, bei der bereits die Leistungsbeschreibung offen formuliert wird.
Auch ein Vorbehalt, die versprochene Leistung im Fall ihrer Nichtverfügbarkeit nicht zu erbringen, kann bei standardisierten InternetGeschäften nur in wenigen Fällen vereinbart werden. Denkbar sind
einerseits die Beschränkung einer Gattungsschuld auf den Vorrat („Solange der Vorrat reicht“) und andererseits der (transparente) Ausschluss
der Lieferung bei unverschuldetem Ausbleiben der Selbstbelieferung
trotz Abschluss eines kongruenten Deckungsgeschäfts (Selbstbeliefe2
rungsvorbehalt). Der BGH geht allerdings offenbar davon aus, dass die
Vereinbarung einer beschränkten Vorratsschuld bei Internet-Geschäften
überhaupt nicht möglich ist, da der Verbraucher davon ausgehe, dass
die bestellbaren Produkte auch lieferbar sind und der Unternehmer
3
anderenfalls den Online-Katalog aktualisiert. In beiden Fällen muss
darüber hinaus § 308 Nr. 8 BGB beachtet werden, wonach der Unternehmer sich im Falle eines Leistungsvorbehalts zugleich verpflichten
muss, den Verbraucher unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) über die
Nichtverfügbarkeit zu informieren und Gegenleistungen des Verbrauchers unverzüglich zu erstatten.
Vor diesem Hintergrund wurden bereits einige Klauseln im Onlinehandel, mit denen der Unternehmer über Leistungsvorbehalte informieren wollte, für unwirksam erklärt. Die Klausel „Sollte ein vom Kunden
bestelltes Produkt wider Erwarten trotz rechtzeitiger Disposition aus
von uns nicht zu vertretenden Gründen nicht verfügbar sein, sind wir
1
Vgl. MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 30. z.B. Speicherkarte MicroSD-HC / Transflash 4GB, Hersteller: Sandisk, Kingston, Maxflash je nach Lieferbarkeit.
2
zu den Voraussetzungen: BGH, NJW 1985, 855, 857.
3
BGH, MMR 2005, 531, 532 (Internet-Versandhandel). Vgl. oben Rn. 140.
218
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
berechtigt, anstatt des bestellten Produktes ein in Qualität und Preis
gleichwertiges Produkt zu liefern“ berücksichtigt nicht das Interesse der
Kunden an bestimmten Funktions- und Nutzungsmerkmalen oder einem bestimmten Design. Sie genügt nicht den Anforderungen an die
Wirksamkeit eines Änderungsvorbehalts nach § 308 Nr. 4 BGB und ist
1
daher unwirksam. Die Klausel „Sollte ein bestimmter Artikel nicht
lieferbar sein, senden wir Ihnen in Einzelfällen einen qualitativ und
preislich gleichwertigen Artikel (Ersatzartikel) zu.“ ist unter Berücksichtigung der sich daran anschließenden Sätze „Auch diesen können
Sie bei Nichtgefallen innerhalb von 14 Tagen zurückgeben. Sollte ein
bestellter Artikel oder Ersatzartikel nicht lieferbar sein, sind wir berechtigt, uns von der Vertragspflicht zur Lieferung zu lösen; ...“ gemäß
2
§§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Auch eine Klausel, die dem
Verkäufer ermöglicht, einen qualitativ hochwertigen Ersatzartikel zu
schicken, wenn der bestellte Artikel nicht mehr lieferbar ist, verstößt
3
gegen § 475 Abs. 1 BGB sowie gegen §§ 307 Abs. 1, 308 Nr. 4 BGB.
Ebenso unwirksam ist wegen Verstoßes gegen das Klauselverbot in
§ 309 Nr. 2a BGB die Klausel „Teillieferungen und Teilabrechnungen
4
sind zulässig“. Bei eBay-Angeboten stellt ein Leistungsvorbehalt ein
nicht zu berücksichtigendes widersprüchliches Verhalten i.S.v. § 242
5
BGB dar.
gg) Gesamtpreis, Preisbestandteile, Steuern, Berechnungsgrundlage
Seit Umsetzung der FARLFDL ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV
n.F. zu informieren über den „Gesamtpreis der Ware oder Dienstleistung einschließlich aller damit verbundenen Preisbestandteile sowie alle
über den Unternehmer abgeführten Steuern oder, wenn kein genauer
Preis angegeben werden kann, über die Grundlage für seine Berechnung, die dem Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht“.
Der Begriff ist identisch mit dem Begriff des Endpreises i.S.v. § 1
6
PAngV. Die Ansicht, dass bei „zusammengesetzten Gesamtpreisen“
7
über die einzelnen Bestandteile zu informieren sei, ergibt sich weder
1
OLG Frankfurt, CR 2006, 195 = MMR 2006, 325.
BGH, NJW 2005, 3567 = BB 2005, 2487 = MMR 2005, 833 = CR 2006, 74
(Ls.); kritisch dazu: Dohmgoergen, K&R 2006, 27.
3
LG Hamburg, CR 2004, 136 m. Anm. Föhlisch = MMR 2004, 190 = VuR
2004, 27.
4
KG Berlin, BB 2008, 341 (Ls.) = WRP 2008, 383 (Ls.) = MD 2008, 351 =
GRUR-RR 2008, 308.
5
Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 3979.
6
LG Bonn, VuR 2002, 257, 258; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGBInfoV, Rn. 16; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c BGB Rn. 35; Palandt/Grüneberg, § 1 BGB-InfoV Rn. 5; Kaestner/Tews, WRP 2004, 391, 398.
7
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c BGB Rn. 87.
2
A. Widerrufsfrist
219
aus dem Gesetzeswortlaut noch ist sie vom Schutzzweck geboten, da
allein der zu zahlende Endpreis für den Verbraucher von Interesse ist.
Art. 5 Abs. 1 c) VRRL-E, der den Inhalt der derzeit geltenden § 1
Abs. 1 Nr. 7 und 8 BGB-InfoV bzw. Art. 4 Abs. 1 c) und d) FARL
zusammenfasst, verpflichtet den Gewerbetreibenden insoweit zur Information über den „Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben
oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des
Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann,
die Art der Preisberechnung.“
Die über den Unternehmer abgeführte Steuer ist die Mehrwertsteuer,
so dass diese in den Preis einzurechnen ist. Ein Unternehmer, der in
verschiedene Länder liefert und den jeweiligen Schwellenwert überschreitet, muss die landesübliche Umsatzsteuer berechnen, die erst eingerechnet werden kann, wenn der Kunde sein Lieferland eingegeben
hat. Zu des „sonstigen Preisbestandteilen“ i.S.v. § 1 Abs. 1 PAngV und
mithin zu den „damit verbundenen Preisbestandteilen“ gehören z.B. im
Kfz-Handel auch die Überführungskosten, jedenfalls dann, wenn sie
1
obligatorisch anfallen. Sonstige weitere Preisbestandteile sind z.B. vom
Unternehmer erhobene Kosten für das ausgewählte Zahlverfahren.
Aufschläge von z.B. 3% oder einem Fixbetrag pro Kreditkartentransaktion sind durchaus üblich und seit 2007 ist laut AGB der Kreditkartenunternehmen die Auferlegung auf den Verbraucher auch erlaubt.
Während die einzelnen Preisbestandteile auf der Internetseite vor Absenden der Bestellung des Verbrauchers von Faktoren abhängen können, die sich erst im Verlauf der Bestellung ergeben, wie z.B. Liefermenge, Bestellwert, Liefergebiet oder Zahlungsart, steht der Endpreis
nach Abgabe der Vertragserklärung fest, so dass der Endpreis an einer
Stelle und nicht verteilt auf mehrere Seiten zu nennen ist. Undenkbar ist
auch, dass im Rahmen der formgebundenen Information nach § 312c
Abs. 2 BGB kein genauer Preis angegeben werden kann, so dass der
Unternehmer nur über die Grundlage für die Preisberechnung, die dem
Verbraucher eine Überprüfung des Preises ermöglicht, informieren
müsste. Denn bei Lieferung wird anders als vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers der genaue zu zahlende Preis bereits deshalb
feststehen, weil er dem Verbraucher zu diesem Zeitpunkt in Rechnung
gestellt wird.
2
Wie der BGH ausdrücklich auch für Internet-Geschäfte klar stellte,
sind Versandkosten keine Bestandteile des Gesamtpreises i.S.v. § 1
Abs. Nr. 7 BGB-InfoV. Das ergibt sich schon daraus, dass sie in § 1
1
LG Krefeld, MMR 2008, 125; OLG Schleswig, MD 2007, 505; LG Wuppertal,
MD 2008, 336.
2
BGH, NJW 2006, 211, 212 im Anschluss an BGH GRUR 1997, 479 („Münzangebot“).
220
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV als mögliche zusätzliche Kosten aufgeführt sind.
Diese Differenzierung entspricht der Unterscheidung zwischen dem die
Umsatzsteuer und sonstige Preisbestandteile einschließenden Endpreis
i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV und zusätzlich anfallenden Liefer- und
Versandkosten gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 PAngV. Die Trennung von
Warenpreis und Versandkosten beruht darauf, dass beim Vertrieb im
Wege des Versandhandels regelmäßig Preisaufschläge für Versandkosten
anfallen, die zumeist eine variable, mit wachsendem Umfang der Bestellung – bezogen auf das einzelne Stück – abnehmende Belastung darstellen
und dass dies dem Verbraucher auch allgemein bekannt ist.
hh) Liefer- und Versandkosten, weitere Steuern und Kosten
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 BGB-InfoV muss der Unternehmer den Verbraucher informieren über „gegebenenfalls zusätzlich anfallende Liefer- und
Versandkosten sowie einen Hinweis auf mögliche weitere Steuern oder
Kosten, die nicht über den Unternehmer abgeführt oder von ihm in Rechnung gestellt werden“. Diese Pflicht fasst Art. 5 Abs. 1 c) VRRL-E mit der
Informationspflicht des derzeit geltenden § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV
bzw. Art. 4 Abs. 1 c) FARL zusammen und ermöglicht auch bei Versandkostenangaben anders als nach geltendem Recht ausdrücklich die Nennung einer Berechnungsgrundlage oder aber des schlichten Hinweises,
dass solche Kosten anfallen können. Demnach ist der Gewerbetreibende
verpflichtet, den Verbraucher zu informieren über „gegebenenfalls alle
zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in
denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden
können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können“.
Dies dürfte in der Praxis insbesondere bei einem grenzüberschreitenden Versand und bei Angeboten einer Vielzahl von Waren mit unterschiedlichen Gewichten oder Größen eine Rolle spielen, da es hier für
Onlinehändler häufig sehr aufwändig ist, die genauen Lieferkosten
abschließend zu ermitteln. Vorvertraglich hat die Pflicht zur Nennung
der Versandkosten häufig Darstellungsschwierigkeiten bereitet, wenn
sich ein Onlinehändler gezielt an Verbraucher aus verschiedenen Ländern richtet; die Nichtnennung aller Versandkosten ist hier bei nennenswertem Auslandsumsatz oder generell als wettbewerbswidrig ein1
gestuft worden. Wie bei dem Gesamtpreis spielt aber auch bei den
Versandkosten die Option, eine Berechnungsgrundlage zu nennen,
hinsichtlich der textformgebundenen Information deshalb keine Rolle,
1
Vgl. OLG Hamm, MMR 2007, 663 = CR 2008, 197 (Ls.); LG Berlin, Urteil v.
24.06.2008 – 16 O 894/07; KG Berlin, K&R 2007, 530 = MD 2007, 1146 = GRUR
2008, 87 = MMR 2008, 45 = WRP 2007, 1380 (Ls.) = NJW-RR 2008, 352; KG
Berlin, MMR 2007, 532.
A. Widerrufsfrist
221
weil bei der Lieferung diese Kosten feststehen müssen, damit sie in
Rechnung gestellt werden können.
Nach geltendem Recht sind die Versandkosten der Höhe nach zu bezif1
fern. Durch Neufassung des § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV ermöglicht der
deutsche Gesetzgeber dem Unternehmer seit 2004 die Angabe einer Berechnungsgrundlage hinsichtlich des Gesamtpreises. Unklar ist, warum
nicht auch bei den Versandkosten die Angabe einer Berechnungsgrundla2
ge ausreichen soll, wie dies nach § 1 Abs. 2 S. 3 PAngV möglich ist, der
im Gesetzgebungsverfahren nicht verändert wurde. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Änderung des § 1 Abs. 1
Nr. 8 BGB-InfoV schlichtweg vergessen hat. Auch hinsichtlich der Versandkosten ist daher die Angabe der Berechnungsgrundlage ausreichend,
3
wenn auf diese eindeutig hingewiesen wird. Anderenfalls wäre es z.B.
unmöglich, einen Katalog für mehrere Länder zu drucken. Der Verbraucher muss die Kosten aber immer leicht berechnen können. Werden die
Versandkosten z.B. in Abhängigkeit vom Gewicht erhoben, muss auch
das Gewicht jeder angebotenen Ware genannt werden.
Der Unternehmer muss nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV über mögliche weitere Steuern oder Kosten informieren, die nicht über ihn abgeführt
oder von ihm in Rechnung gestellt werden. Hierunter fallen z.B. Nachnahmekosten (auch Inkassogebühr oder Übermittlungsentgelt genannt)
4
und Zölle. Unklar ist, ob die Zölle vorvertraglich je nach Lieferland und
Artikel explizit genannt werden müssen oder ausreicht, dass auf eine allgemeine Informationsseite der Zollverwaltung verlinkt wird. Der pauschale Hinweis darauf, dass Zölle anfallen, dürfte nicht ausreichen, da der
Verbraucher hiermit wenig anfangen kann und so im Unklaren über den
zu zahlenden Betrag bleibt. Daher sollten die Zollgebühren so genau wie
möglich beziffert werden oder ein Hinweis auf die ihnen zugrunde liegenden Zollregelungen erfolgen. Nachvertraglich wird der Kunde stets –
wenn nicht durch den Unternehmer, dann durch den Logistiker bzw. die
Zollverwaltung – über die Zusatzkosten in Textform informiert werden.
Eine klare und verständliche Information des Verbrauchers über zusätzlich zum Warenpreis anfallende Liefer- und Versandkosten kann
5
laut BGH auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfolgen. Eine
gesonderte Ausweisung in der Bestätigungs-E-Mail ist also nicht erfor1
LG Frankfurt a.M., WRP 2002, 1309;
Härting/Schirmbacher, CR 2005, 48, 50.
So auch OLG Hamm, MMR 2007, 663 = CR 2008, 197 (Ls.); Kaestner/Tews,
WRP 2005, 379, 381.
4
So zutreffend Schmittmann/Görris, Steuerliche Aspekte des Fernabsatzrechts,
S. 172 f.
5
BGH NJW 2006, 211 = CR 2006, 120 = MMR 2006, 101, 120. Ebenso die
Vorinstanz OLG Frankfurt Urteil v. 28.10.2004 – 1 U 21/04.
2
3
222
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
derlich, der Unternehmer muss diesen Posten aber ohnehin deutlich in
der Rechnung aufführen, so dass der Verbraucher Transparenz bezüglich dieser Kosten hat.
ii) Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und Lieferung oder Erfüllung
Der Unternehmer muss den Verbraucher nach § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGBInfoV über die „Einzelheiten hinsichtlich der Zahlung und der Lieferung oder Erfüllung“ informieren. Der Begriff „Einzelheiten“ ist in den
europäischen Richtlinien nicht näher definiert. Auch die verschiedenen
Sprachfassungen der FARL unterscheiden sich, so dass Unsicherheit
1
über den genauen Inhalt besteht. Art. 9 (a) VRRL-E spricht nun von
„Modalitäten der Zahlung, Lieferung und Erfüllung“. Zweck der
FARL ist es, den Verbraucher nicht durch vage Angaben über die verschiedenen Liefer- und Zahlungsmöglichkeiten im Unklaren zu lassen.
Allerdings ist auch die Pflicht vage formuliert. Es sind demnach auch
solche Angaben zu machen, die über das typischerweise bei Vertrags2
verhandlungen mit Verbrauchern zur Sprache kommende hinausgehen.
Ähnlich wie die Pflichten zur Information über Gesamtpreis und Versandkosten (vorher: Berechnungsgrundlage, nachher: konkrete Kosten)
unterscheidet sich die Pflicht zur Information über die Einzelheiten der
Zahlung vor- und nachvertraglich. Während der Unternehmer vorver3
traglich über sämtliche von ihm angebotenen, zur Auswahl stehenden
Zahlungsarten informieren muss, macht diese allgemeine Information
nach Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers keinen Sinn
mehr. Vielmehr ist es hier erforderlich, die konkret ausgewählte Zahlungsart in Textform mitzuteilen. Die vorvertragliche Information soll
den Verbraucher in die Lage versetzen, die für ihn günstigste, sicherste
oder aus sonstigen Gründen bevorzugte Zahlungsart auszuwählen,
wohingegen die nachvertragliche der Dokumentation der individuellen
vertraglichen Konditionen dient. Schon wegen § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGBInfoV ist aber in beiden Fällen ein Hinweis erforderlich, ob eine Zahlungsart mit besonderen Gebühren belegt ist (z.B. 3% Aufschlag bei
Kreditkartenzahlung). Dass die Gewährung von Skonto oder Rabatten
bei bestimmten Zahlungsarten (z.B. 3% Rabatt bei Vorkasse) eine Vergünstigung für den Verbraucher darstellt, enthebt den Unternehmer
4
nicht davon, hierauf hinzuweisen.
1
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312 Rn. 90. Die deutsche Formulierung „Einzelheiten“ reicht weiter als die englische und französische, in der es heißt „arrangements“
und französisch „modalités“.
2
Erman/Saenger, § 312c Rn. 13.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 17.
4
Staudinger/Thüsing, Art 240 EGBGB Rn. 17; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch,
§ 1 BGB-InfoV, Rn. 17; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 40; a.A. Härting,
Fernabsatzgesetz, § 2 Rn. 128.
A. Widerrufsfrist
223
Nach richtiger Auffassung kann der Unternehmer im Rahmen der Privatautonomie die zulässigen Zahlungsmittel frei beschränken, d.h. insbesondere – bei fragwürdiger oder unbekannter Kreditwürdigkeit des
1
Verbrauchers – auf Vorauszahlung bestehen. Dies stellt bei InternetGeschäften keine nach § 309 Nr. 2 a) BGB unzulässige Einschränkung
des Leistungsverweigerungsrechts dar, da der Unternehmer mindestens in
gleichem Maße wie der Verbraucher Gefahr läuft, dass der unbekannte
Vertragspartner zahlungsunfähig ist oder wird und die bereits gelieferte
Ware nicht mehr zurückgeholt und verwertet werden kann.
Der Unternehmer muss den Verbraucher neben der Zahlungsart auch
über den Zeitpunkt der Zahlung informieren, auch wenn dieser nicht
2
von der gesetzlichen Regelung des § 271 Abs. 1 BGB abweicht, z.B. die
Fälligkeit bei Lieferung auf offene Rechnung, aber auch der Abbuchungszeitpunkt bei Zahlung per Kreditkarte oder Lastschrift. Für die
Vertragsentscheidung des Verbrauchers ist es von entscheidender Bedeutung, ob der Kaufpreis für eine Ware, die erst in drei Wochen geliefert werden kann, schon bei Bestellung, mit Auslieferung oder erst einige Tage nach Erhalt der Ware abgebucht wird. Die nachvertragliche
Informationspflicht dient dann der Dokumentation der konkreten vertraglichen Vereinbarung. Über die rechtlichen Folgen von Versäumnissen bei Zahlung oder Lieferung muss der Unternehmer gemäß Nr. 9
3
hingegen nicht informieren. Hierbei handelt es sich nicht um Einzelheiten der Zahlung oder Erfüllung, sondern um Folgen aus der Nichterfüllung, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften eintreten. Es würde die
Informationspflichten des Unternehmers überspannen, wenn er den
Verbraucher nicht nur über dessen primäre Leistungspflichten, sondern
auch über die Rechtsfolgen einer Vertragsverletzung aufzuklären hätte.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV ist der Unternehmer verpflichtet,
dem Verbraucher Informationen über die „Einzelheiten hinsichtlich …
der Lieferung oder Erfüllung“ zur Verfügung zu stellen. Hier sind alle
Informationen zu nennen, auf die ein vernünftiger Verbraucher unter
4
Berücksichtigung der Verkehrsanschauung Wert legt, insbesondere zur
Verfügung stehende Lieferarten (z.B. Express-Versand, Einsatz von
PostIdent-Verfahren, Speditionslieferung nach Terminabsprache,
5
Selbstabholung, ggf. Mitwirkungsleistungen des Verbrauchers etc.)
1
OLG Hamburg, NJW 2007, 2264 = GRUR-RR 2007, 287; Staudinger/Thüsing,
§ 312c Rn. 68.
2
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 37.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 17; Staudinger/Thüsing
Art 240 EGBGB Rn. 17; Härting § 2 FernAbsG Rn. 127; Lütcke, Fernabsatzrecht,
§ 312c BGB Rn. 42.
4
Siehe nur Palandt/Grüneberg, § 1 BGB-InfoV Rn. 6; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 38.
5
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 17.
224
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
sowie Zeitpunkt und Ort der Leistungserbringung. Während bei der
vorvertraglichen Information sämtliche zur Auswahl stehenden Lieferarten zu nennen sind, beschränkt sich die nachvertragliche Information
auf die konkret ausgewählte Versandart. Werden optional sowohl ein
„versicherter“ als auch „unversicherter“ Versand angeboten, ist vor
dem Hintergrund des § 474 Abs. 2 BGB zur Vermeidung einer Irreführung darauf hinzuweisen, dass der Unternehmer in jedem Fall die Ver1
sandgefahr trägt. Auch bei Geschäften im Versandhandel übernimmt
der Verkäufer grundsätzlich keine Bringschuld, sondern eine Schick2
schuld. Leistungsort bei eBay-Auktionen ist der Wohnsitz des Verkäufers. Der Käufer ist daher mangels ausdrücklicher anderweitiger Vereinbarung berechtigt, die Ware dort unter Wegfall der Portokosten
3
abzuholen. Gleiches gilt vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarung
auch im Onlinehandel über Online-Shops.
Art. 7 Abs. 1 FARL sieht zwar vor, dass der Lieferer die Bestellung
spätestens binnen 30 Tagen nach Bestellung des Verbrauchers ausführen muss. Der deutsche Gesetzgeber hielt eine Umsetzung des Art. 7
Abs. 1 FARL jedoch nicht für notwendig, da die deutsche Regelung in
§ 271 Abs. 1 BGB, wonach vertragliche Verpflichtungen im Zweifel
sofort zu erfüllen sind, den Verbraucher besser stelle als die europäische
4
Vorgabe. Diese Nichtumsetzung ist problematisch, da im deutschen
Recht hinsichtlich der Lieferung – anders als bei Zahlungsansprüchen
gemäß § 357 Abs. 1 S. 2 BGB – bei Lieferansprüchen kein automati5
scher Verzug eintritt. Gemäß Art. 22 Abs. 1 VRRL-E muss der Gewerbetreibende die Waren künftig binnen höchstens dreißig Tagen nach
Abschluss des Vertrags liefern, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbart haben, so dass im Zuge der Vollharmonisierung eine
Umsetzungsvorschrift erforderlich wird. Wird die Leistung bei allen
angebotenen Produkten sofort erbracht, kann hierüber in AGB oder –
im Rahmen des § 312c Abs. 2 BGB – z.B. in einer nach der Bestellung
versendeten Bestätigungs-E-Mail wiederholt werden; eine TextformInformation erst zusammen mit der Lieferung der Ware über die Lieferzeit, wie sie nach dem Wortlaut der Vorschrift möglich wäre, ist für den
6
Verbraucher hingegen sinnlos.
1
LG Saarbrücken, WRP 2007, 578; LG Hamburg, Beschluss v. 6.11.2007 – 315
O 888/07; a.A. LG Hamburg, MMR 2007, 461.
2
BGH, CR 2004, 51 = NJW 2003, 3341.
3
AG Koblenz, MMR 2007, 270.
4
BT-Drucks. 14/2658, S. 18.
5
Artz, VuR 1999, 249, 250 und Bodewig, DZWir 1997, 447, 454. Vgl. auch Teil
4 A III 1.
6
Siehe dazu unten Teil 3 A II 3 d) cc).
A. Widerrufsfrist
225
Häufig sind jedoch nicht alle angebotenen Produkte sofort lieferbar,
sondern müssen erst bei Lieferanten bestellt oder vom Hersteller produziert werden. Der BGH geht aber davon aus, dass der von der Werbung
eines Internet-Versandhauses angesprochene Durchschnittsverbraucher
in der Regel erwartet, dass die beworbene Ware unverzüglich versandt
werden kann, wenn nicht auf das Bestehen einer abweichenden Liefer1
frist unmissverständlich hingewiesen wird. Wird also auf der Produkt2
seite im Online-Shop und anschließend in Textform keine Lieferzeit
genannt, muss die Ware sofort lieferbar sein. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Angabe von „voraussichtlichen“ Lieferzeiten.
So ist die Klausel „Die Lieferzeit ergibt sich aus dem elektronischen
Katalog. Angaben über die Lieferfristen sind unverbindlich, soweit
nicht ausnahmsweise der Liefertermin verbindlich und schriftlich zuge3
sagt wurde“ unzulässig, da die Lieferzeit offen gehalten wird. Der
Fristbeginn der Lieferzeit darf auch nicht von einem Ereignis im Bereich
4
des Verwenders abhängig sein.
Auch ist nach der Rechtsprechung eine Klausel „Eine Übergabe an
den Paketdienst erfolgt in der Regel 1-2 Tage nach Zahlungseingang...
Bitte beachten sie bei der Bestellung, dass die Lieferzeiten der Post
5
meist bis zu 10 Tagen dauern können. ...“ unzulässig, die Angabe
„Angaben über die Lieferfrist verstehen sich als voraussichtliche Liefer6
zeiten.“ allerdings nicht. Es kommt stets darauf an, ob der Durchschnittskunde ohne Schwierigkeiten und ohne rechtliche Beratung in
der Lage ist, die vorgegebene Lieferfrist selbst zu erkennen und zu berechnen. Die Informationen über die Lieferzeit müssen gemäß § 1
Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV so genau wie möglich angegeben werden. Die
exakte Lieferzeitangabe ist jedoch wegen der regelmäßig erfolgenden
Weitergabe der Ware an ein Transportunternehmen meist gar nicht
möglich. Daher reichen ungefähre Angaben (z.B.: 2 bis 5 Tage). Auch
7
die Angabe einer Ca.-Lieferzeit ist grundsätzlich möglich. Das KG
hatte die betreffende Klausel (in den dortigen AGB) ihrem Gesamteindruck nach so eingestuft, dass die Lieferzeit in das Belieben des Händlers gestellt gewesen sei. Dies ist jedoch bei der bloßen Angabe einer
näher umgrenzten Ca.-Lieferzeit auf der Produktseite und in der E-Mail
nicht der Fall, da der Händler sich bei Überschreiten der ungefähren
1
BGH, MMR 2005, 531, 532 (Internet-Versandhandel).
LG Koblenz, WRP 2006, 1037.
OLG Frankfurt, WRP 2005, 922.
4
KG Berlin, NJW 2007, 2266 = GRUR-RR 2007, 291; LG Frankfurt, MMR
2008, 857.
5
KG Berlin, NJW 2007, 2266 = GRUR-RR 2007, 291.
6
LG Frankfurt, MMR 2008, 857.
7
KG Berlin, NJW 2007, 2266 = GRUR-RR 2007, 291.
2
3
226
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Lieferzeit an der Angabe festhalten lassen muss und im Gegensatz zum
Fall des KG die Lieferzeit gerade nicht in sein Belieben gestellt ist.
jj) Bestehen, Nichtbestehen, Einzelheiten und Rechtsfolgen des Widerrufsrechts
Im Zuge der Umsetzung der FARLFDL wurde die Pflicht des Unternehmers, den Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung über das
Widerrufs- bzw. Rückgaberecht zu informieren, im allgemeinen Fernabsatzrecht ganz erheblich ausgeweitet. Während vor Umsetzung der
FARLFDL lediglich über das Bestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechtes informiert werden musste, ist seit 8.12.2004 schon vorvertraglich
über das Bestehen, Nichtbestehen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe zu informieren, einschließlich
Informationen über den Betrag, den der Verbraucher zu entrichten hat,
wenn er vor Ablauf der Widerrufsfrist von seinem Widerrufsrecht
Gebrauch gemacht und der Unternehmer mit Ausführung einer Dienstleistung bereits begonnen hat. Es ist zu bezweifeln, ob eine derart ausführliche
1
Widerrufsbelehrung schon vor Vertragsschluss sachdienlich ist.
Die Ausweitung der Informationspflicht führt in der Praxis dazu,
dass dem Verbraucher die vollständige Widerrufsbelehrung bereits vor
seiner Vertragserklärung informationshalber zur Verfügung gestellt
2
werden muss. Soweit es um die für den Fristablauf relevante texformgebundene Informationspflicht nach § 312c Abs. 2 BGB geht, steht
diese zwar neben der Pflicht zur Belehrung nach § 355 Abs 1 BGB, wie
sich auch aus § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV ergibt. Inhaltlich stimmen
Informations- und Belehrungspflicht jedoch weitgehend überein, mit
der Besonderheit, dass gemäß § 312c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1
Nr. 10 BGB-InfoV auch in Textform über das Nichtbestehen zu informieren ist, was sich aus dem Wortlaut des § 355 Abs. 1 BGB nicht
ergibt. Beide Pflichten können also gleichzeitig durch eine korrekte
3
Widerrufsbelehrung in Textform erfüllt werden, sofern ergänzend noch
4
über das Nichtbestehen in Textform informiert wird.
Eine Information über das Nichtbestehen darf jedoch nur dann erfolgen, wenn das Widerrufsrecht tatsächlich nicht besteht, da der
Verbraucher anderenfalls in die Irre geführt werden kann. Sieht ein
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c, Rn. 125; Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 267.
2
Kaestner/Tews, WRP 2005, 379, 381; Pauly, MMR 2005, 811, 813.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312b Rn. 8; Aigner/Hofmann, MMR Beilage 8/2001, 30, 34; Mankowski CR 2001, 767, 773.
4
Ausführlich zur vorvertraglichen Informationspflicht nach § 312c Abs. 1 BGB
i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV: Teil 5 A; ausführlich zur Belehrungspflicht
nach § 355 Abs. 1 BGB: Teil 5 B.
A. Widerrufsfrist
227
Verkäufer in der Widerrufsbelehrung bei seinen Verkäufen auf der
Verkaufsplattform eBay vor, dass das Widerrufsrecht nicht für Verstei1
gerungen gelten soll, so ist dies zur Irreführung geeignet. Der Begriff
Versteigerung wird im Allgemeinen Sprachgebrauch auch für Verkäufe
gegen Höchstgebot verwendet. Ohne Erläuterung, um welche Art von
Versteigerung es sich handelt, ist der Begriff mehrdeutig und irreführend.
Weiterhin dürfen die gesetzlich abschließend normierten Ausschlussgründe auch nicht erweitert werden bzw. durch offene Formulierungen
der Eindruck erweckt werden, dass es noch weitere Ausschlussgründe
gebe. Eine AGB-Klausel über das Nichtbestehen, die mit den Wendungen „entsprechend“ und „unter anderem“ unter Nennung von § 312d
Abs. 4 BGB einzelne Ausschlussfälle aufzählt, lässt den Verbraucher
darüber im Unklaren, ob lediglich die Fälle des § 312d Abs. 4 BGB
2
gemeint sind oder auch andere Fälle. Die Klausel „Das Rückgaberecht
besteht entsprechend § 312d Abs. 4 BGB u.a. nicht bei Verträgen
<Auflistung einzelnen Tatbestände des § 312d Abs. 4 BGB>“ verstößt
3
daher gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Transparenzgebot).
Art. 5 Abs. 1 e) und Art. 9 (b) VRRL-E sehen eine Pflicht zur Aufklärung über das Nichtbestehen nicht mehr vor. Demnach ist nur noch
„gegebenenfalls [über] das Bestehen eines Widerrufsrechts“ (Art. 5
Abs. 1 e) VRRL-E) bzw. „sofern ein Widerrufsrecht besteht“ (Art. 9 (b)
VRRL-E) zu informieren, so dass die strengere deutsche Norm insoweit
nicht aufrecht erhalten bleiben dürfte.
kk) Zusätzliche Kosten des Fernkommunikationsmittels
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 11 BGB-InfoV ist der Verbraucher über unübliche
Kosten für die Benutzung des Fernkommunikationsmittels zu informieren, sofern diese über den Unternehmer in Rechnung gestellt werden.
Besonders zu informieren ist der Verbraucher immer dann, wenn für
das Fernkommunikationsmittel Preise anfallen, die die üblichen Sätze
4
übersteigen, wie z.B. bei Dialern oder 0190-, 0900- oder 0180Rufnummern. Nicht erfasst von der Vorschrift werden die üblichen
Kosten der Internetverbindung oder Download-Kosten. Laut LG Saarbrücken braucht bei Werbung im Internet unter Angabe einer 0700Nummer nicht darauf hingewiesen zu werden, dass die Nummer entgeltpflichtig ist und in welcher Höhe ein Entgelt pro Anruf zu zahlen
5
ist. Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 11 BGB-InfoV wurde in Umset1
OLG München, WRP 2008, 1396 (Ls.).
OLG München, MMR 2008, 677.
3
OLG München, MMR 2008, 677.
4
AnwKomm/Ring, § 1 BGB-InfoV Rn. 49.
5
LG Saarbrücken, JurPC Web-Dok. 169/2004.
2
228
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
zung von Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 g) FARLFDL geringfügig geändert. Dem
Schutzzweck der Norm entsprechend muss die Information gleich zu
Beginn der Internetnutzung bzw. in unmittelbarer Nähe genannter
Rufnummern erteilt werden. Eine Mitteilung in Textform nach erfolg1
ter Nutzung macht hingegen wenig Sinn. Art. 5 Abs. 1 FARL sieht
daher auch keine Bestätigung in Textform vor. Art. 5 und 9 VRRL-E
sehen weder vor- noch nachvertragliche Informationen zu zusätzlichen
Kosten des Fernkommunikationsmittels mehr vor.
ll) Gültigkeitsdauer der Informationen
Während § 1 Abs. 1 Nr. 11 BGB-InfoV a.F. vor Umsetzung der
FARLFDL ausschließlich eine Information über die Gültigkeitsdauer
befristeter Angebote verlangte, ist nach geltendem Recht allgemein über
die „Gültigkeitsdauer der zur Verfügung gestellten Informationen“ zu
informieren. Damit hat der Gesetzgeber die in Art. 3 Abs. 2 e)
FARLFDL vorgesehene Informationspflicht auf alle Fernabsatzverträge
ausgeweitet. Die alte Rechtslage ging zurück auf Art. 4 Abs. 1 h) FARL,
Art. 5 Abs. 1 FARL sah allerdings zu keinem Zeitpunkt eine Bestätigung in Textform vor. Bei Internet-Geschäften ist die Befristung des
Angebots auf der Website der häufigste Anwendungsfall dieser Infor2
mationspflicht. Der Unternehmer muss die Zeitspanne nennen, innerhalb derer er seine Leistung unter normalen Umständen allen Verbrauchern als invitatio ad offerendum oder als Angebot i.S.v. §§ 145 ff.
3
BGB zum Erwerb anträgt. Bei interaktiven Internet-Angeboten erwartet der Verbraucher aber ohnehin, dass das Angebot mit Ablauf der
Befristung aktualisiert wird oder weiterhin gilt. Eine Mitteilung in Textform nach einer Bestellung im Onlinehandel macht hingegen wenig
4
Sinn. Denn wenn der Kunde das Produkt erworben und die zugehörigen Informationen mitgeteilt bekommen hat, interessiert ihn nicht, ob
das Angebot künftig noch gilt oder nicht. Art. 5 und 9 VRRL-E sehen
künftig auch keinerlei Informationen zur Gültigkeitsdauer mehr vor.
mm) Kündigungsbedingungen bei Dauerschuldverhältnissen
Nach § 1 Abs. 4 Nr. 3 a), Abs. 2 Nr. 3 BGB-InfoV ist der Unternehmer
verpflichtet, bei Dauerschuldverhältnissen, die für eine längere Zeit als
ein Jahr oder auf unbestimmte Zeit geschlossen wurden, oder die eine
kürzere Laufzeit haben, sich aber ohne Kündigung auf unbestimmte
1
Dazu sogleich Teil 3 A II 3 d) cc).
Vgl. BT-Drucks. 15/2946, S. 26. Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 73 nennt als
weiteres Beispiel, dass sich die ladungsfähige Anschrift des Unternehmers in näherer
Zeit ändert, so dass schon die neue Anschrift zu nennen sei.
3
AnwKomm/Ring, § 1 BGB-InfoV Rn. 50; Erman/Saenger, § 312c Rn. 16.
4
Dazu sogleich Teil 3 A II 3 d) cc).
2
A. Widerrufsfrist
229
1
Zeit verlängern, die vertraglichen Kündigungsbestimmungen einschließlich etwaiger Vertragsstrafen spätestens mit Lieferung in Textform mitzuteilen. Vertragliche Kündigungsbestimmungen werden ohnehin nur Vertragsbestandteil, wenn sie wirksam einbezogen wurden,
so dass auf diese schon nach § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor Vertragsschluss hingewiesen werden muss. Nach Art. 5 f) VRRL-E ist künftig
ausdrücklich bereits vorab zu informieren über „gegebenenfalls … die
Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge.“ Wie derzeit im
deutschen Recht sind nach Art. 5 Abs. 1, 4. Spiegelstrich FARL lediglich auf einem dauerhaften Datenträger „die Kündigungsbedingungen
bei unbestimmter Vertragsdauer bzw. einer mehr als einjährigen Vertragsdauer.“ zu bestätigen. Der VRRL-E bringt somit eine Verbesserung für den Verbraucher.
nn) Kundendienst und Gewährleistungsbestimmungen
Der Unternehmer genügt der Pflicht zur Information über den Kundendienst i.S.v. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 b) BGB-InfoV, wenn er eine Ansprechstelle benennt und über deren Erreichbarkeit informiert (z.B.
2
Service-Hotline). Die Serviceleistungen (z.B. Schulung-, Wartungs-,
Reparatur-Dienste) müssen nicht im Einzelnen erläutert werden, wenn
nicht der Unternehmer vertraglich zur Erbringung dieser Dienste ver3
pflichtet ist. Wenn spezielle Dienstleistungen Gegenstand des Fernabsatzvertrages sind (z.B. Wartungsvertrag), muss der Unternehmer über
diese schon nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV informieren. Steht hingegen dem Verbraucher kein Kundendienst zur Verfügung, ist auch kein
4
Hinweis hierauf erforderlich. Dies stellt nun Art. 5 Abs. 1 f) VRRL-E
klar, wonach „gegebenenfalls <auf> das Bestehen und die Bedingungen
von Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien“ hingewiesen
werden muss. Das „gegebenenfalls“ fehlt in der FARL, die in Art. 5
Abs. 1, 3. Spiegelstrich „Informationen über Kundendienst und geltende Garantiebedingungen“ nur nachvertraglich verlangt.
Fraglich ist, ob derzeit aus § 1 Abs. 1 Abs. 4 Nr. 3 b) BGB-InfoV eine Pflicht des Unternehmers abzuleiten ist, den Verbraucher über die
Gewährleistungs- und Garantiebedingungen aufzuklären. Weicht der
Unternehmer zu Ungunsten des Verbrauchers vom Gesetz ab, muss der
Verbraucher nach allgemeiner Meinung darauf aufmerksam gemacht
5
werden. Zu informieren ist nach richtiger Auffassung auch über dar1
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 97.
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 92.
Härting, Internetrecht, Rn. 501.
4
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 52.
5
AnwKomm/Ring, § 1 BGB-InfoV, Rn. 74; Härting, Fernabsatzgesetz, § 2 Rn.
174 ff.
2
3
230
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
über hinaus vereinbarte Garantien oder Herstellergarantien. Teilweise
wird in der Literatur angenommen, dass auch die gesetzlichen Gewähr2
3
leistungsvorschriften erklärt werden müssten. Dem hat der BGH zu
Recht widersprochen, der annimmt, ein Unternehmer müsse bei Nichtabweichung von den gesetzlichen Bestimmungen noch nicht einmal auf
deren Geltung hinweisen.
Es entspricht nicht dem Schutzzweck des Fernabsatzrechts und kann
nicht Aufgabe des Unternehmers sein, in verbrauchergerechter Sprache
4
die Bestimmungen der §§ 434 ff. BGB aufzuklären. Der Verbraucher
ist auch bei dem Hinweis „Es gelten die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen“ in der Lage, von seinen Rechten Gebrauch zu machen,
ohne dass er einer Rechtsberatung durch den Unternehmer bedarf. Die
Gegenansicht verkennt, dass in Art. 5 Abs. 1, 3. Spiegelstrich FARL
zwar kein „gegebenenfalls“ steht, jedoch nicht von gesetzlichen Gewährleistungsbedingungen, sondern „Garantiebedingungen“ die Rede
5
ist. Daher genügt bei Geltung des Gesetzes auch ein Hinweis auf dieses.
Anderenfalls müsste der Gesetzeswortlaut vollständig wiederholt werden, um nicht den Eindruck eingeschränkter Rechte zu erwecken und
zudem allgemeinverständlich erklärt werden, um nicht gegen das
Transparenzgebot zu verstoßen. Eine solche Pflicht haben weder der
europäische noch deutsche Gesetzgeber beabsichtigt. Vielmehr besteht –
auch unter Berücksichtigung des spezifischen Charakters von Fernabsatzgeschäften – kein besonderes Interesse des Verbrauchers an einer
Information über die gesetzlichen Gewährleistungsbestimmungen.
oo) Allgemeine Geschäftsbedingungen
Der Unternehmer muss dem Verbraucher seit 8.12.2004 nach § 312c
Abs. 2 BGB die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB (sofern
verwendet) auch bei allgemeinen Fernabsatzgeschäften in Textform
mitteilen. Diese Verpflichtung ist in der FARL nicht vorgesehen und
besteht nach den europäischen Vorgaben nur bei Finanzdienstleistungen. Auch der VRRL-E sieht eine vergleichbare Pflicht nicht vor. Derzeit ist ein bloßer Hinweis auf die elektronische Abrufbarkeit der Ver1
Staudinger/Thüsing, § 312c Rn. 121; Palandt/Grüneberg, § 1 BGB-InfoV, Rn.
13; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 13.
2
Erman/Saenger, § 312c Rn. 33; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 66;
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 105f; Wilmer/Hahn, Fernabsatzrecht, § 1 BGBInfoV Rn. 33.
3
BGH, NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 = GRUR 2008, 532 = CR 2008, 446
m. Anm. Schirmbacher = MMR 2008, 461 = MD 2008, 631
4
BGH, NJW 2008, 1595 = K&R 2008, 372 = GRUR 2008, 532 = CR 2008, 446
m. Anm. Schirmbacher = MMR 2008, 461 = MD 2008, 631; Härting, Internetrecht,
Rn. 499; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV, Rn. 52.
5
A.A. MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 67.
A. Widerrufsfrist
231
tragsbestimmungen im Onlinehandel jedoch nicht gesetzeskonform,
sondern führt zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist auf sechs Monate. Die AGB müssen also z.B. per E-Mail oder mit der Lieferung in
Textform vollständig mitgeteilt werden, was häufig nicht geschieht,
zumal auch viele Standardregelungen in Onlineshops, die nicht gebündelt in einem Dokument „AGB“ enthalten sind, gleichwohl als solche
zu qualifizieren sind.
c) Belehrungszeitpunkt
Der Unternehmer muss dem Verbraucher gemäß § 312c Abs. 2 Nr. 2
BGB i.V.m. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB-InfoV die fernabsatzrechtlichen Informationen „alsbald … spätestens bis zur Lieferung an den
Verbraucher“ in Textform mitteilen. Die Formulierung entspricht im
Wesentlichen Art. 5 Abs. 1 FARL, wobei das Wort „alsbald“ vom
deutschen Gesetzgeber stammt. Nach Art. 11 Abs. 4 VRRL-E sind dem
Verbraucher künftig die textformgebundenen Informationen „innerhalb
einer angemessenen Frist nach dem Abschluss eines Fernabsatzvertrags
auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen, und zwar spätestens
bei der Lieferung der Waren …, es sei denn, der Verbraucher hat die
Informationen bereits vor dem Abschluss des Fernabsatzvertrags auf
einem dauerhaften Datenträger erhalten.“
aa) Frühester Zeitpunkt
Schon die Formulierung der FARL legt nahe, dass dem Verbraucher die
Informationen bereits vor Vertragsschluss in Textform mitgeteilt werden können. Dies wird auch im deutschen Recht mit dem Wort „spätes1
tens“ zum Ausdruck gebracht. Nach Ansicht einiger Gerichte ist eine
Widerrufsbelehrung vor Vertragsschluss sogar erforderlich, um eine
2
verlängerte Frist nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zu verhindern. Die nachvertraglichen Informationen kann der Unternehmer dem Verbraucher
also auch schon vorvertraglich erteilen. Damit kann er sowohl die vorals auch die nachvertragliche Informationspflicht erfüllen, wenn er
dabei auch die Textform einhält. Dafür spricht auch § 312c Abs. 2 S 1
Nr. 1 BGB, wonach bei Finanzdienstleistungen die TextformInformationen bereits vor Abgabe der Vertragserklärung mitgeteilt
werden müssen. Was bei Finanzdienstleistungen gesetzlich vorgeschrieben ist, kann bei anderen Dienstleistungen und Warenlieferungen nicht
3
unzulässig sein.
1
2
3
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 39; AnwKomm/Ring Rn. 78.
Vgl. dazu sogleich Teil 3 A III 1 b) bb).
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 27.
232
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Teilweise wird allerdings die Ansicht vertreten, dass eine zu frühe Informationserteilung weit vor Abgabe der Vertragserklärung problematisch ist, weil die Appellfunktion verloren gehe. Es sei denkbar, dass die
Informationen dem Verbraucher schon so früh übermittelt werden, dass
nicht zu erwarten sei, dass er sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
noch vor Augen hat, z.B. durch einen Werbe-Flyer in seinem Briefkasten mit den notwendigen Informationen, wenn der Vertragsschluss
1
Monate später im Internet erfolgt. Insbesondere bei langwierigen Entscheidungsprozessen oder nach Einholung vieler Angebote sei nicht
gesichert, dass der Verbraucher die einmal erteilten Informationen bis
zum Vertragsschluss aufbewahrt hat. Daher dürften die textformgebundenen Informationen frühestens erteilt werden, wenn die Bestellung
2
des Verbrauchers offenkundig unmittelbar bevorsteht.
Dagegen wird vorgebracht, weder § 312c noch § 1 Abs. 3 BGB3
InfoV gäben eine Grundlage für diese Sichtweise. Der Verbraucher
werde vielmehr besser informiert, weil er vor Vertragsschluss bereits die
Details kenne und auch der Zweck der Informationspflichten werde so
erreicht. Die Informationen sollen den Verbraucher allerdings in die
Lage versetzen, eine informierte Entscheidung über den Vertragsschluss
zu treffen. Dies ist nicht gewährleistet, wenn er die Informationen zwar
irgendwann im Vorfeld erhalten, aber bei Vertragsschluss überhaupt
4
nicht mehr vor Augen hat. Der BGH hat aus diesem Grund zutreffend
entschieden, dass sich die Widerrufsbelehrung auf eine konkrete Ver5
tragserklärung des Verbrauchers beziehen muss. Diese Überlegungen
lassen sich auch auf weitere Informationen wie Zahlungsbedingungen,
Versandkosten oder Lieferzeiten übertragen.
Der Streit hat allerdings aus zwei Gründen wenig Bedeutung. Erstens
ist es im Onlinehandel aus technischen Gründen so gut wie unmöglich,
die textformgebundenen Informationen vor Abgabe der Vertragserklärung des Kunden zu übermitteln, weil der Kunde und seine Kommunikationsdaten häufig erst im Moment der Abgabe seiner Vertragserklärung bekannt werden. Zweitens ist es lange Zeit vor Abgabe der
Vertragserklärung des Kunden auch inhaltlich meist nicht möglich,
sämtliche Informationen in Textform mitzuteilen, da sich die konkreten
Informationen erst im Verlauf der Bestellung ergeben, etwa, welche
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c, Rn. 73 zu Informationen vor
Vertragsschluss allgemein.
2
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c Rn. 98 zu den textformgebundenen Informationen.
3
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 312c Rn. 27; Härting, Fernabsatzgesetz,
§ 2 Rn. 197; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312c Rn. 102 f; Grigoleit, NJW 2002, 1152,
1157.
4
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c, Rn. 74.
5
BGH, NJW 2002, 3398 = WRP 2002, 1263. Vgl. auch Teil 3 A III 1 e).
A. Widerrufsfrist
233
Zahlungsarten dem konkreten Kunden in Abhängigkeit von seiner
Bonität zur Verfügung stehen oder was ihn – abhängig vom Wohnort
und der Bestellmenge – der Versand der Ware genau kostet.
bb) Spätester Zeitpunkt
Bei Warenlieferungen sind dem Verbraucher die Informationspflichten
spätestens „bis zur Lieferung“ in Textform mitzuteilen. Mit Lieferung
1
ist der Eingang der Ware i.S.v. § 312d Abs. 2 S. 1 BGB gemeint, d.h.
der Händler kann die Informationen auf den Warenbegleitpapieren
mitteilen, zeitgleich eine E-Mail versenden o.ä. Hinsichtlich der Widerrufsfrist ist auch die Vorschrift des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zu beachten,
wonach sich die Frist bei einer Belehrung über das Widerrufsrecht nach
Vertragsschluss verlängert.
Allerdings ist die Mitteilung der Lieferzeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BGBInfoV) für den Verbraucher mit Lieferung der Ware zu spät und nicht
mehr von Interesse. Denn diese Angabe dient der Dokumentation der
vereinbarten Lieferzeit vor der Lieferung, um im Streitfall die Lieferung
einklagen zu können. Daher kann man die Vorschrift nur so sinnvoll
zugunsten des Verbraucherschutzes auslegen, dass die voraussichtliche
Lieferzeit bereits vorher genannt werden muss, weil die Pflichtangabe
dem Verbraucher sonst nichts nützt. Insofern ist davon auszugehen,
dass die Textform-Angabe dieser Informationen im Onlinehandel spätestens in der Bestätigungsmail zu erfolgen hat, um der Pflicht zur Mitteilungspflicht „alsbald“ zu genügen.
d) Zwischenergebnis
Die textformgebundenen Informationspflichten im Fernabsatz sind
unnötig umfangreich, zu unpräzise und machen mit Blick auf den angeordneten Belehrungszeitpunkt für den Verbraucher vielfach nur bedingt
Sinn.
aa) Unnötiger Umfang der Informationen
Zweifelhaft ist, welchen Zweck die Informationspflicht in Textform aus
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BGB-InfoV für den Verbraucher im allgemeinen Fernabsatzrecht genau hat und welcher Mehrwert damit genau verbunden
ist. Unter die Vorschrift fällt nahezu jeder Auslands-Kooperationspartner, der irgendwie mit dem Unternehmer zu tun hat. Gleichwohl
nützt die Möglichkeit der Kommunikation mit diesem dem Verbraucher wenig, wenn der Auslandsvertreter keinerlei Einfluss auf die Erfüllung oder Auflösung des Vertrages hat. Hierdurch droht nahezu jedem
Unternehmer, der irgendwie auf Auslandsmärkten aktiv ist, eine Ver1
Siehe dazu oben Teil 3 A II 1.
234
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
längerung der Widerrufsfrist oder die Abmahnung durch einen Konkurrenten, wenn er etwa seinen lokalen Erfüllungsgehilfen nicht dezidiert
benennt. Dies hat mit dem Ziel, dem Verbraucher eine informierte
Entscheidung über den Kauf einer vorher nicht gesehenen Ware zu
ermöglichen und die Informationen hierüber beweiskräftig zu dokumentieren, nicht viel zu tun, sondern schießt über dieses Ziel hinaus.
Sinnvoll ist zwar die Information über das Nichtbestehen des Widerrufsrechtes, die nach richtiger Auffassung ohnehin schon vor Umset1
zung der FARLFDL zu erteilen war. Im Übrigen wird der Durchschnittsverbraucher die Detail-Informationen zum Widerrufsrecht in
seine Verkaufentscheidung jedoch nicht mit einbeziehen, so dass die
Ausweitung keinen nennenswerten Verbraucherschutzeffekt hat.
Bis zur Umsetzung der FARLFDL waren die Informationen über Angebotsbefristungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 BGB-InfoV n.F.) und Kosten für
Fernkommunikationsmittel (§ 1 Abs. 1 Nr. 12 BGB-InfoV n.F.) nicht
noch einmal in Textform mitzuteilen, was Sinn machte, da Befristungen
zu diesem Zeitpunkt keine Rolle mehr spielen können und Kosten oh2
nehin angefallen sind. Bei der Umstrukturierung zum 8.12.2004 ist die
Übernahme dieser Regelung vermutlich wegen eines Redaktionsversehens vergessen worden, so dass vieles dafür spricht, dass die Angaben –
in teleologischer Reduktion der Norm – nach wie vor nicht in Textform
3
mitgeteilt werden müssen.
Der Weg des VRRL-E, die Anzahl der Informationen zu reduzieren,
ist richtig. Ein Großteil der Probleme ist jedoch schon derzeit vom deutschen Gesetzgeber gemacht, indem für Finanzdienstleistungen konzipierte Informationspflichten mit allgemeinen Informationspflichten
vermischt wurden. Es wäre begrüßenswert, wenn sich insoweit das
Vollharmonisierungsprinzip des VRRL-E durchsetzt und eine sinnlose
Ausweitung durch nationale Vorschriften nicht mehr möglich wäre.
bb) Unklarer Inhalt der Informationen
Die Pflicht, über das Zustandekommen des Vertrages zu informieren
(§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV), ist zwar von der Intention her sinnvoll,
tatsächlich ist der Unternehmer hiermit jedoch häufig überfordert, weil
er nicht weiß, wie der Vertrag zustande kommt oder verschiedene
Rechtsmeinungen darüber bestehen. Dies führt dazu, dass der Verbraucher zwar informiert wird, die Information jedoch häufig falsch und
sogar irreführend ist. Es stellt sich die Frage, ob der Verbraucher nicht
besser gestellt wäre, wenn er nicht durch dem Unternehmer abgenötigte
1
2
3
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 94; Mankowski, CR 2001, 767, 769f.
Härting, Fernabsatzgesetz, § 2 Rn. 158.
Härting, Internetrecht, Rn. 495.
A. Widerrufsfrist
235
fragwürdige Rechtsansichten verwirrt wäre, sondern sich im Konfliktfall einfach über die objektive Rechtslage beraten lassen würde.
Die Pflicht gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 BGB-InfoV, dem Verbraucher Informationen „einen Vorbehalt, eine in Qualität und Preis gleichwertige
Leistung (Ware oder Dienstleistung) zu erbringen, und einen Vorbehalt,
die versprochene Leistung im Fall ihrer Nichtverfügbarkeit nicht zu
erbringen“ mitzuteilen, überfordert den Unternehmer regelmäßig. Vielfach wird angenommen, dass solche Vorbehalte wirksam vereinbart
werden können, weil darüber zu informieren ist. Nur die wenigsten
solcher Klauseln halten jedoch einer inhaltlichen Kontrolle stand.
Wenig präzise ist der Begriff der „Einzelheiten“ der Zahlung und
Lieferung oder Erfüllung (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 BGB-InfoV). Nach richtiger
Ansicht fallen hierunter insbesondere auch der Zahlungszeitpunkt und
die genaue Lieferzeit. Dies ergibt sich aber nicht zweifelsfrei aus dem
Wortlaut und ist nicht abschließend geklärt. Wichtige Fragen wie der
Lauf der Widerrufsfrist, die Richtigkeit der Widerrufsbelehrung oder
die Wettbewerbswidrigkeit des Angebots hängen entscheidend von
höchst unbestimmten Rechtsbegriffen ab.
Auch in diesen Punkten geht der VRRL-E in die richtige Richtung, da
auf die kritisierten Pflichten ganz verzichtet wird und auch der deutsche
Gesetzgeber gezwungen wäre, das insoweit vermeintlich höhere
Verbraucherschutzniveau aufzugeben.
cc) Bedingt sinnvoller Zeitpunkt der Mitteilung
Nicht nur für die Information zur Lieferzeit, sondern auch bei anderen
Informationen stellt sich die Frage, ob eine Mitteilungspflicht spätestens
mit der Lieferung ausreicht, um dem Zweck der Vorschrift gerecht zu
werden. Eines der häufigsten Probleme im Onlinehandel ist, dass be1
zahlte Ware überhaupt nicht geliefert wird. Die textformgebundenen
Informationen, die dem Verbraucher den Beweis des Vertrages und
dessen Konditionen ermöglichen sollen, erreichen diesen dann erst gar
nicht und können mithin auch ihren Zweck nicht ansatzweise erfüllen.
Würde die Ware zwar theoretisch geliefert, jedoch unter erheblicher
Überschreitung der vereinbarten Lieferfrist oder zu einem anderen als
dem vereinbarten Preis, hat der Verbraucher ebenfalls bereits vor Lieferung ein Interesse daran, sein Widerrufsrecht auszuüben, was erschwert
wird, wenn er nicht über die nötigen Informationen in Textform verfügt.
1
Siehe z.B. Dirk Kunde, Warum online Einkaufen sich lohnt: „In den meisten Fällen geht es darum, dass bezahlt wurde, aber keine Ware ankommt“, schildert Edda
Castelló, Leiterin der Abteilung Geld und Recht in der Verbraucherzentrale Hamburg ihre Erfahrung mit Streitigkeiten im Online-Handel.
236
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Bereits Art. 5 Abs. 1 FARL löst durch die dort gewählte Formulierung, die der deutsche Gesetzgeber ergänzt um ein „alsbald“ so übernommen hat, diese Problematik nicht. Abzuwarten bleibt, ob Art. 11
Abs. 4 VRRL-E, wonach der Gewerbetreibende die Informationen
„innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Abschluss eines Fernabsatzvertrags auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen <hat>,
und zwar spätestens bei der Lieferung der Waren.“ hier Abhilfe schaffen wird. Gerichte könnten zu dem Ergebnis kommen, dass eine Mitteilung zusammen mit der Lieferung binnen angemessener Frist nur erfolgt, wenn diese Lieferung 3-5 Werktage nach der Bestellung erfolgt,
anderenfalls zumindest die wichtigsten Informationen zur Rechtsverfolgung wie wesentliche Produktmerkmale und Gesamtpreis (vgl. Art. 11
Abs. 3 VRRL-E) sowie auch Identität des Gewerbetreibenden, vereinbarte Lieferzeit und Widerrufsbelehrung vor der Lieferung per E-Mail
oder sonst wie in Textform mitgeteilt werden müssen.
Vorzugswürdig wäre allerdings eine Regelung, wie sie der deutsche
Gesetzgeber im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und
1
Rückgaberecht für die Mitteilung der Widerrufsbelehrung vorsieht,
wonach die Informationen „unverzüglich nach Vertragsschluss in Text2
form“ mitgeteilt werden müssen (vgl. § 357 Abs. 3 S. 2 BGB-E).
4. Erfüllung der Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr
Die vierte Voraussetzung für den Lauf der Widerrufsfrist ist nach
§ 312e Abs. 3 S. 2 BGB die Erfüllung aller Pflichten im elektronischen
Geschäftsverkehr gemäß § 312e Abs. 1 S. 1 BGB. Diese Verknüpfung
ist – soweit ersichtlich – europaweit einmalig und verkompliziert die
Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist ungemein. § 312e BGB
bezweckt nicht allein den Schutz des Verbrauchers, sondern von Kunden des Unternehmers, d.h. allen Personen, mit denen unter Verwendung von Telemediendiensten Verträge geschlossen werden.
Zweifellos findet § 312e BGB Anwendung, wenn sich der Unternehmer eines Online-Shops oder einer elektronischen Bestellplattform, d.h.
eines elektronischen Informations- und Kommunikationsdienstes mit
interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit i.S.v. § 1
Abs. 1 S. 1 TMG bedient. Nach dem Gesetzeszweck ist nicht relevant,
ob der Kunde aufgrund einer invitatio ad offerendum des Unternehmers
1
BGB-RegE, BT-Drucks. 16/11643 v. 21.1.2009 (Gesetz verkündet am 3.8.2009,
BGBl. I 2009, 2355).
2
Dazu Teil 7 B I 2 b).
A. Widerrufsfrist
237
ein elektronisches Angebot (so z.B. in einem gewöhnlichen OnlineShop) abgibt oder eine offerte ad incertas personas elektronisch annimmt (so z.B. bei über die Plattform eBay geschlossenen Kaufverträ1
gen). Entscheidend ist, dass der Nutzer ohne Medienbruch seine Bestellung abgeben kann, z.B. durch Klick auf einen Hyperlink, einen
2
Bestellbutton etc. Irrelevant ist, ob die Erfüllung des Vertrages auf
elektronischem Weg erfolgt, da § 312e BGB allein auf das Verpflich3
tungsgeschäft abstellt. Nach § 312e Abs. 2 Satz 1 BGB sind die Pflichten des § 312e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 BGB verzichtbar, wenn der
Vertrag ausschließlich durch individuelle Kommunikation (z.B. per EMail) geschlossen wird. Solche Vertragsschlüsse ähneln eher solchen
per Brief oder Telefon und weisen nicht die Besonderheiten des Online4
Kaufs auf.
a) Bereitstellung von Korrekturhilfen
Eine technische Bereitstellungspflicht findet sich in § 312e Abs. 1 Nr. 1
BGB. Demnach hat der Unternehmer dem Kunden angemessene, wirksame und zugängliche Mittel zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe
der Kunde Eingabefehler vor Abgabe seiner Bestellung erkennen und
berichtigen kann. Diese Pflicht muss der Unternehmer zum Zeitpunkt
5
der Eröffnung der Bestellmöglichkeit erfüllt haben. Der Ablauf des
Vertragsschlusses soll transparent ausgestaltet werden, um das Vertrau6
en in den Internet-Handel zu fördern. Die Vorschrift schützt den Kunden auch vor solchen Eingabefehlern, die auf einem technischen Verse7
hen bei der Handhabung des elektronischen Programms beruhen. Im
Lichte des Gemeinschaftsrechts ist unerheblich, ob der Irrtum des Kun8
den zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB berechtigt. Der Kunde ist
bei einem Irrtum infolge eines vom Unternehmer zu verantwortenden
intransparenten elektronischen Bestellprozesses auch nicht zum Ersatz
9
des Vertrauensschadens nach § 122 BGB verpflichtet.
Welche Korrekturhilfen bereitzustellen sind, hängt von der Komplexität des Bestellprozesses ab. Die Korrekturmöglichkeit hat sich an den
1
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 24; Wilmer/Hahn/Hahn, § 312e, Rn. 18;
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 41; Bamberger/Roth/Masuch, § 312e
BGB, Rn. 21; Boente/Riehm, Jura 2002, 222, 226; a.A. Hk-VertriebsR/Micklitz,
§ 312e Rn. 40.
2
OLG Hamm, MMR 2003, 410, 411 (zu § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG).
3
Meub, DB 2002, 359, 362.
4
Begründung SMG-RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 172.
5
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 30.
6
Boente/Riehm, Jura 2002, 222, 225.
7
Wilmer/Hahn/Hahn, § 312e, Rn. 13; Grigoleit, WM 2001, 597, 601.
8
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312e Rn. 57.
9
Hoeren, MMR 1999, 192, 199.
238
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
durchschnittlichen Kunden zu richten und darf keine besondere Sach1
kunde oder Fertigkeiten erfordern. Wird die Vertragserklärung des
Kunden – wie in den meisten Fällen – über verschiedene Einzelseiten
und in mehreren Einzelschritten (Hinzufügen der Produkte zum Warenkorb, Eingabe der persönlichen Daten, Auswahl der Zahlungsart,
Eingabe der Zahlungsdaten, Eingabe von Gutscheincodes etc.) erstellt,
müssen alle Eingaben (z.B. Produkt, Anzahl, Lieferanschrift, Bankverbindung etc.) noch einmal auf einer zusammenfassenden Seite wiederholt werden, damit der Kunde mögliche Fehler erkennen kann. Bei
einfachen Bestellformularen die – ähnlich wie gedrucktes Formular –
auf einer überschaubaren einzelnen Seite alle Bestellschritte vereinen, ist
hingegen keine zusammenfassende Seite erforderlich. Bei solchen Formularen genügt auch ein einzelner Button namens „Eingaben löschen“,
2
um den Vorgaben des § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB zu entsprechen.
Hingegen sind die Korrekturhilfen nicht angemessen, wenn der Kunde bei mehrschrittigen Bestellprozessen zwar seine Erklärung nochmals
insgesamt am Bildschirm sieht, er danach aber nur vor die Wahl gestellt
wird, sie entweder unverändert zu übermitteln oder den gesamten Be3
stellablauf abzubrechen und zu wiederholen. In diesem Fall muss der
Kunde einzelne Seiten des Bestellablaufs (z.B. Eingabe der Lieferanschrift) durch Betätigung der „Zurück“-Buttons des Browsers oder (bei
besonders langen Bestellabläufen) durch gezielte Links auf der Zusammenfassungsseite (z.B. „Bankverbindung korrigieren“) erreichen und
danach die Bestellung unter Aufrechterhaltung der übrigen Eingaben
abschließen können. Die an die Angemessenheit anzulegenden Stan4
dards richten sich nach der „best practice“ im E-Commerce.
Nutzt der Unternehmer eine elektronische Plattform wie z.B. eBay,
hat er auf den technischen Ablauf des Bestellprozesses keinen Einfluss.
Daher schuldet der Plattformbetreiber dem Unternehmer regelmäßig die
Ausgestaltung seiner technischen Infrastruktur gemäß den Vorgaben
des § 312e BGB. Wird der Plattformbetreiber den gestalterischen Vorgaben nicht gerecht oder informiert nicht ausreichend über den Bestellablauf, geht dies nach § 278 BGB zu Lasten des Anbieters der Waren
5
oder Dienstleistungen.
b) Informationserteilung
Nach § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 BGB-InfoV muss der Unternehmer den Verbraucher über den Bestellablauf informieren. Dies kann
1
Bamberger/Roth/Masuch, § 312e BGB, Rn. 21.
Woitke, BB 2003, 2469, 2472.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 66; Klimke, CR 2005, 582, 583.
4
Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt/Spindler, S. 459, 469.
5
Leible/Sosnitz/Hoffmann, Rn. 251.
2
A. Widerrufsfrist
239
durch deutliche Hinweise auf den einzelnen Seiten und aussagekräftige
Beschriftungen der Schaltflächen (z.B. „Weiter zur Dateneingabe“,
„Jetzt bestellen“) erfolgen, aber auch mittels sprechender Links (z.B.
„Bestellablauf“, „Hilfe“), die aus dem Bestellprozess auf separate In1
formationsseiten zum Bestellsystem verweisen.
§ 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB verpflichtet den Unternehmer, den Kunden
„rechtzeitig vor Abgabe von dessen Bestellung“ zu informieren. Der
Begriff der „Bestellung“ wird zutreffend weiter als der Begriff „Vertragserklärung“ ausgelegt, da die Informationspflichten gerade dazu dienen,
für den Kunden erkennbar zu machen, ob er eine unverbindliche Anfrage
stellt oder eine verbindliche Vertragserklärung abgibt. „Bestellung“ bedeutet daher jede Art der Kontaktaufnahme, die dem Vertragsschluss
2
vorgelagert ist, z.B. eine Anfrage nach der Verfügbarkeit.
Keine Bestellung stellt hingegen die bloße Zwischenspeicherung ohne
Datenübermittlung dar, etwa durch Klicken auf einen Button „In den
3
Warenkorb“. Auch im Bereich der invitatio ad offerendum bedarf es
keines Schutzes vor voreilig abgegebenen Erklärungen durch Bereitstellung von Korrekturhilfen, da der Kunde hier noch keine vertragliche
4
Bindung zu befürchten hat. Sofern es sich nicht um eine Vertragserklärung des Kunden handelt, wird diese auch regelmäßig im Wege der
Individualkommunikation (z.B. E-Mail-Anfrage) und nicht über ein
automatisches Bestellsystem erfolgen, so dass der Ausnahmetatbestand
des § 312e Abs. 2 BGB erfüllt ist. Der Begriff der Rechtzeitigkeit in
5
§ 312e BGB ist in gleicher Weise auszulegen wie in § 312c BGB.
aa) Technische Schritte des Vertragsschlusses
Nach § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 1 BGB-InfoV muss der
Unternehmer den Kunden über den Vertragsschluss informieren. Für
Verbraucher findet sich diese Vorschrift zusätzlich mit geringfügig abweichendem Wortlaut in § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4
BGB-InfoV. Die Informationspflichten im Fernabsatz und E-Commerce
sind diesbezüglich nicht aufeinander abgestimmt, sondern verlangen
6
„unverbunden nebeneinander“ eine Information über „die einzelnen
technischen Schritte, die zu einem Vertragsschluss führen“ (§ 3 Satz 1
Nr. 1 BGB-InfoV) und „darüber, wie der Vertrag zustande kommt“
1
2
Vgl. hierzu MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 75 ff.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 63; Staudinger/Thüsing, § 312e Rn.
38.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 64.
Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt/Spindler, S. 459, 466.
Vgl. oben Teil 3 A II 3 c) und Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312e Rn. 75, der allerdings eine Übermittlung im Zeitpunkt oder kurz vor Abgabe der Bestellung für nicht
mit dem Gesetz vereinbar hält.
6
Schulze/Schulte-Nölke/Micklitz, S. 189, 204.
4
5
240
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
(§ 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-InfoV). Im Onlinehandel muss aber zur klaren
und verständlichen Information des Verbrauchers normenübergreifend
über den Ablauf der Bestellung informiert werden.
§ 3 Nr. 1 BGB-InfoV verpflichtet den Unternehmer als Betreiber eines Online-Shops, dem Kunden zu erklären, wie das Bestellsystem funk1
tioniert. Dies erfolgt meist durch Anzeige einer Statusleiste auf jeder
einzelnen Seite des Bestellablaufs, die dem Kunden Auskunft darüber
gibt, welche Bestellschritte es gibt und welcher Schritt gerade durchlaufen wird. Möglich sind aber auch andere Gestaltungen, z.B. Informationen über eine zentrale Hilfeseite, die aus dem Bestellverlauf heraus
verlinkt wird. Besonders wichtig für den Kunden ist es zu erfahren, mit
2
welchem Klick er eine verbindliche Vertragserklärung abgibt. Diese
wichtige Information kann dem Kunden nicht in AGB mitgeteilt werden, sondern muss in unmittelbarer Nähe des Bestell-Buttons und/oder
durch Beschriftung desselben erteilt werden (z.B. „Jetzt bestellen“,
„Bestellung absenden“ etc.)
Umstritten ist die Frage, ob ein Händler, der das Portal eBay für den
Verkauf nutzt, auf dem der Bestellablauf an zentraler Stelle sowie im
Kaufprozess durch den Portalbetreiber erklärt wird, gleichwohl selbst
Informationen zu den technischen Schritte des Vertragsschlusses zu
erteilen hat. Dagegen wird vorgebracht, dass der Verbraucher durch die
eBay-AGB, die auch für ihn als eBay-Mitglied gelten, bereits Kenntnis
3
von den Informationen erlangt habe. Andere Gerichte gehen davon
aus, dass der Unternehmer ungeachtet der Information durch den
Portalbetreiber seine Kunden immer selbst zusätzlich informieren müs4
se.
In der Tat ist fraglich, ob sämtliche Informationen in „AGB“ untergebracht werden können, weil der Verbraucher bestimmte Informationen zum Bestellablauf nicht unter dieser Bezeichnung erwartet. Richtigerweise sind aber Kombinationen aus eigenen und Verlinkungen auf
fremde Informationen möglich. Der Unternehmer kommt seinen Pflich5
ten nach, indem er auf seiner Angebotsseite durch sprechende Links,
die auf eigene, aber auch auf Informationsseiten oder AGB des Portal6
betreibers verweisen können, die Pflichtinformationen erteilt. Bei eBay
sind viele dieser Informationen aber nicht nur in den Portal-AGB ent1
Ebenso Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 35.
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 76; Bamberger/Roth/Masuch, § 3 BGBInfoV, Rn. 4; Härting, Internetrecht, Rn. 470.
3
LG Frankenthal, JurPC Web-Dok. 117/2008.
4
LG Lübeck, Urteil v. 11.03.2008, 8 O 5/08; LG Leipzig, Beschluss v. 03.03.
2008, 04 HK 0 597/08.
5
Siehe dazu ausführlich unten Teil 5 A II 3 b).
6
Ähnlich insoweit LG Lübeck, MMR 2008, 554 = K&R 2008, 483.
2
A. Widerrufsfrist
241
halten, sondern finden sich bereits direkt im Bestellablauf (z.B. der
Hinweis „Ihr Kauf ist bindend“ auf der letzen Gebotsseite), so dass
insoweit keine gesonderte Information durch den Unternehmer selbst
erforderlich ist.
bb) Vertragstextspeicherung
Nach § 312e Abs. 1 i.V.m. § 3 Nr. 2 BGB-InfoV ist der Verbraucher
darüber zu informieren, ob der Vertragstext nach dem Vertragsschluss
vom Unternehmer gespeichert wird und ob er dem Kunden zugänglich
ist. Es handelt sich insoweit zwar nicht um „Förmelei und wettbe1
werbsbehindernde Überregulierung“. Allerdings ist fraglich, ob diese
Information für den Kunden tatsächlich von Interesse ist. Lebensfremd
wäre die Annahme, eine Fehlvorstellung über die nachträgliche Verfügbarkeit des Vertragstextes würde die vorvertragliche Willensbildung des
2
Kunden wesentlich beeinflussen.
Eine Information über die Vertragstextspeicherung erwartet der
Kunde am ehesten in der Datenschutzerklärung, möglich ist aber auch
eine Platzierung in AGB oder auf einer Informationsseite zum Bestellablauf. In den seltensten Fällen ist der vollständige „Vertragstext“ für den
Kunden nach Vertragsschluss abrufbar. Einige Shop-Systeme ermöglichen registrierten Kunden zwar, den Bestellstatus online in einem LogIn-Bereich nachzuvollziehen; hier sind aber meist nicht alle essentialia
negotii, sondern nur Teile des Vertragstextes verfügbar (z.B. bestellte
Ware und voraussichtliches Lieferdatum) und dies auch nicht dergestalt, dass die Angaben von dem Verbraucher einfach abgespeichert
werden könnten. Der Unternehmer ist auch nicht verpflichtet, die Vertragsbestimmungen elektronisch zu speichern oder für den Kunden
3
zugänglich zu machen. Es genügt, wenn er diesen (z.B. per E-Mail nach
der Bestellung) dem Kunden „bei Vertragsschluss“ in speicherbarer
Form zur Verfügung stellt (§ 312e Abs. 1 Nr. 4 BGB).
cc) Korrekturhilfen
Die Pflicht zur Bereitstellung von Korrekturhilfen wird ergänzt durch
die Pflicht nach § 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 3 BGB-InfoV,
nach der über die bereitgestellten Korrekturhilfen zu informieren ist. Ist
durch eine transparente Gestaltung des Bestellprozesses dieser aus sich
heraus verständlich, kommt der Informationspflicht gegenüber der
Pflicht aus § 312e Abs. 1 Nr. 1 BGB keine große Bedeutung zu. Sie ist
1
LG Stuttgart, NJW-RR 2004, 911, 912.
Grigoleit, WM 2001, 597, 602.
3
Bamberger/Roth/Masuch, § 3 BGB-InfoV, Rn. 6; Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt/
Spindler, S. 459, 471; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1157.
2
242
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
aber nicht überflüssig. Fehlt z.B. bei Angabe des Textes „Überprüfen
Sie bitte Ihre eingegebenen Daten“ jeglicher Hinweis, mit welchen
technischen Mitteln diese Prüfung erfolgen kann und insbesondere, wie
erforderlichenfalls eine Korrektur vorzunehmen ist, liegt ein Verstoß
gegen § 312e BGB vor. Die Informationspflicht nach § 312e Abs. 1 S. 1
Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 3 BGB-InfoV stellt keinen Formalismus oder
einen Hinweis auf Selbstverständlichkeiten dar, weil sich der Unternehmer nicht auf die entsprechenden Computerkenntnisse und die Eigeninitiative des Verbrauchers verlassen darf, sondern ihn klar und
2
verständlich auf die technischen Mittel hinweisen muss.
dd) Vertragssprachen
Wenngleich der Verbraucher über die für den Vertragsschluss zur Verfügung stehenden Sprachen nach § 312e Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 3 Nr. 4
BGB-InfoV erst unmittelbar vor Abschluss eines Vertrages im elektronischen Geschäftsverkehr informiert werden muss, wird es im Interesse
des Unternehmers sein, den Kunden möglichst deutlich und frühzeitig
auf sein mehrsprachiges Angebot hinzuweisen. Üblich ist z.B. durch
verlinkte Flaggensymbole, mittels derer der Kunde zu der gewünschten
Sprachversion wechseln kann, auf allen Seiten über bereit gestellte
Sprachversionen zu informieren. Es existiert jedoch keine Verpflich3
tung, den Vertragsschluss in mehreren Sprachen anzubieten. Steht nur
eine Sprache zur Verfügung, bedarf es nach überwiegender Ansicht
4
keiner Information darüber.
ee) Verhaltenskodizes
Sofern der Unternehmer Verträge im elektronischen Geschäftsverkehr
schließt, hat er nach 312e Abs. 1 Nr. 2 BGB i.V.m. § 3 Nr. 5 BGBInfoV über sämtliche einschlägigen Verhaltenskodizes, denen er sich
unterwirft, sowie die Möglichkeit eines elektronischen Zugangs zu
diesen Regelwerken zu informieren. Da es sich um eine anbieterbezogene Information handelt, erwartet der Kunde diese im Impressum oder
in den AGB. Im Regelfall wird der Unternehmer auch schon auf der
Startseite oder sogar auf allen Seiten über Verhaltenskodizes informieren, da er sich zu werblichen Zwecken solchen unterwirft und diese
Information dementsprechend werblich nutzen will. Die Unterwerfung
unter einen Verhaltenskodex trägt maßgeblich zur Einhaltung der einschlägigen gesetzlichen Vorgaben bei, was angesichts der Fülle und
1
a.A. Palandt/Grüneberg, § 3 BGB-InfoV, Rn. 4.
LG Berlin, Urteil v. 17.6.2003 – 16 O 743/02.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 85.
4
LG Frankenthal, JurPC Web-Dok. 117/2008; Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312e
Rn. 93; a.A. MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 87.
2
A. Widerrufsfrist
243
Unübersichtlichkeit der Informations- und Aufklärungspflichten ein
1
nicht zu unterschätzender Aspekt ist. Zudem werden die Unternehmer
im Rahmen der Kodizes regelmäßig in ein besonderes Beschwerde- und
Sanktionssystem eingebunden, das vertrauensbildend wirkt und dem
2
Verbraucher die Rechtsverfolgung erleichtert. Hat sich der Unternehmer keinem Verhaltenskodex unterworfen, bedarf es keiner Fehlanzei3
ge. Auch Anhang I Nrn. 1 und 3 der UGPRL enthält nun Regelungen
zu Verhaltenskodizes.
c) Zugangsbestätigung
Aus § 312e Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGB ergeben sich technische Gestaltungspflichten, die das Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehr auch nach der Bestellung des Kunden gewährleisten sollen. Nach
§ 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB muss der Unternehmer dem Kunden den
Bestellzugang „unverzüglich“ bestätigen, d.h. der Unternehmer muss
den Zugang „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB)
4
bestätigen. Der Unternehmer hat auch keinen Grund zu zögern, da er
durch die Bestätigung noch keine Willenserklärung abgibt. Die Zugangsbestätigung erfolgt im E-Commerce meist automatisch per AutoReply des Servers, der die Bestellung entgegennimmt. Diese Zugangsbestätigung stellt eine geschäftsähnliche Handlung und damit keine auf
den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung dar. Häufig werden
Eingangsbestätigungen jedoch versehentlich so formuliert, dass sie un5
gewollt als Vertragserklärung aufgefasst werden. Maßgeblich für die
Einordnung ist der objektive Empfängerhorizont. Die Gerichte urteilen
höchst unterschiedlich über identische Formulierungen.
Nach einem Urteil des LG Köln stellt eine automatisch generierte EMail-Bestätigung mit dem Inhalt „Wir werden Ihren Auftrag umgehend
6
bearbeiten“ eine verbindliche Bestellannahme dar. Die Formulierung
„Wir senden Ihre Bestellung an die bei dem jeweiligen Artikel angegebene Adresse“ spricht nach AG Hamburg-Barmbeck für eine Annahme
7
der Kundenbestellung, während das LG Hamburg darin lediglich eine
1
Vander, K&R 2003, 339, 342.
ausführlich zu diesem Aspekt Föhlisch, DuD 2004, 74 ff.
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 41; Palandt/Grüneberg, § 3 BGB-InfoV,
Rn. 6.
4
Vgl. ausführlich hierzu Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 49 ff.
5
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312e, Rn. 46; Bodenstedt, MMR 2004, 719 ff.;
Stockmar/Wittwer, CR 2005, 118, 119.
6
LG Köln, MMR 2003, 481 = CR 2003, 613; a.A. AG Frankfurt, CR 2002, 765
= VuR 2003, 34.
7
AG Hamburg-Barmbeck, MMR 2004, 772; ähnlich AG Hamburg-Barmbeck,
NJW-RR 2004, 412.
2
3
244
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
Bestellbestätigung und noch keine Annahmeerklärung sieht. Dieses
Gericht sieht auch in den Worten „Wir haben Ihre Bestellung wie folgt
2
aufgenommen“ keine Annahmeerklärung. Laut AG Wolfenbüttel stellt
hingegen eine E-Mail, in der zum Ausdruck kommt, dass eine Vertragsbestätigung nachfolgen wird, noch keine Annahme des Vertragsange3
bots, sondern eine Zugangsbestätigung dar.
Nach LG Gießen bedeutet die in einer E-Mail enthaltene Erklärung
„...wir wünschen Ihnen viel Freude mit der Sie in Kürze erreichenden
Bestellung“ dann keine bindende Annahme eines Vertragsangebots,
wenn die E-Mail unverzüglich und automatisiert mit dem Zusatz „kei4
ne Auftragsbestätigung“ gekennzeichnet verschickt wird. Weder die EMail-Betreffzeile „Eingangsbestätigung“ noch eine anders lautende
Vertragsschlussklausel ändern laut zutreffender Ansicht des AG Dieburg aber den Vertragsschlusszeitpunkt, wenn in der E-Mail der Satz
enthalten ist „Die Lieferung erfolgt nach Zahlungseingang. Bitte überweisen Sie den Rechnungsbetrag auf folgendes Konto…“ Durch Zusage
der Lieferung und Aufforderung zur Zahlung wird nach dem Empfän5
gerhorizont bereits die Annahme der Bestellung erklärt. Gleiches gilt,
wenn eine Zahlungsaufforderung am Bildschirm erscheint. Sobald diese
Erklärung die Schnittstelle zum Verbraucher passiert, ist der Vertrag
geschlossen.
Der Unternehmer muss den Zugang der Bestellung „auf elektronischem Wege“ bestätigen. Damit ist gemeint, dass der Unternehmer sich
6
zur Bestätigung eines Telemediendienstes bedienen muss. Dies wird
häufig eine E-Mail sein, es reicht aber auch aus, wenn dem Verbraucher
nach der Bestellung am Bildschirm angezeigt wird, dass seine Bestellung
zugegangen ist. Denn auch diese Kommunikationsform stellt als letzter
Programmschritt eines interaktiven Warenkataloges einen Telemediendienst i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 TMG dar. So kann der Unternehmer seine
Pflicht auch gegenüber solchen Kunden erfüllen, die über keine E-MailAdresse verfügen oder diese aus Datenschutzgründen nicht preisgeben
wollen. Der Regelfall wird freilich die E-Mail sein, weil mit dieser
zugleich die Pflichten nach § 312c Abs. 2 BGB (teilweise) erfüllt werden
können.
1
LG Hamburg, MMR 2005, 121 = CR 2005, 605.
LG Hamburg, NJW-RR 2004, 1568 = CR 2005, 227; ebenso LG Essen, NJWRR 2003, 1207.
3
AG Wolfenbüttel, CR 2003, 622 = MMR 2003, 492.
4
LG Gießen, CR 2003, 856 = NJW-RR 2003, 1206.
5
AG Dieburg, Urteil v. 17.2.2005 – 22 C 425/04.
6
Vgl. Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312e Rn. 101.
2
A. Widerrufsfrist
245
d) Speicherbarkeit der Vertragsbestimmungen
Nach § 312e Abs. 1 Nr. 4 BGB muss der Unternehmer dem Kunden die
Möglichkeit verschaffen, die Vertragsbestimmungen einschließlich der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen „bei Vertragsschluss“ abzurufen
und in wiedergabefähiger Form zu speichern. Abrufen ist inhaltlich
gleichzusetzen mit der Möglichkeit, die letzte Seite vor Abgabe der
Bestellung und die AGB ausdrucken zu können, was sich bereits aus
1
§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB herleiten lässt. Mit wiedergabefähiger Form
ist die elektronische Form gemeint, d.h. der Kunde muss Dateien auf
2
einem Datenträger speichern können. Sofern sämtliche essentialia negotii noch einmal auf der Bestellseite aufgelistet sind, lassen sich diese
vor Abgabe der Bestellung in der Regel zwar ausdrucken, aber technisch häufig nicht ohne weiteres abspeichern (z.B. einfache ausgefüllte
Formulare), sondern werden meist mit der Zugangsbestätigung oder
Bestellannahme per E-Mail an den Kunden geschickt.
Das ist ausreichend, da der Kunde vor Abgabe seiner Vertragserklärung schon durch § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB geschützt ist, der über das
Kriterium der Zumutbarkeit eine Speicherbarkeit, zumindest aber
Druckbarkeit der AGB sicherstellt. Es genügt daher auch, wenn der
vollständige Vertragstext erst nach Abgabe der Vertragserklärung des
Kunden, spätestens bis zur vollständigen Vertragserfüllung speicherbar
3
ist. Die Vorschrift will nicht die §§ 305 ff. BGB verschärfen, die den
4
Verbraucher vorvertraglich ausreichend schützen. Die Pflicht ist auch
erfüllt, wenn dem Kunden ein Link auf die Online-AGB und Vertrags5
text zur Verfügung gestellt wird. Die Zusendung per E-Mail ist aber
empfehlenswert, weil bei Fernabsatzverträgen die Vertragsbestimmungen immer auch in Textform mitgeteilt werden müssen. Nicht erforderlich ist, dass die Speicherungsmöglichkeit über dasselbe elektronische
Medium gewährleistet wird, mit Hilfe dessen der Vertrag zustande
6
gekommen ist.
e) Zwischenergebnis
Die Verknüpfung des Widerrufsfristbeginns mit der Erfüllung aller
Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr ist – soweit ersichtlich –
1
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312e Rn. 105.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 107; Glatt, ZUM 2001, 390, 391.
3
So auch MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 108 und Grigoleit, NJW
2002, 1151, 1157; a.A. Hk-VertriebsR/ Micklitz, § 312e Rn. 105.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 102 f.; Lütcke, Fernabsatzrecht,
§ 312e Rn. 57 ff; Boente/Riehm, Jura 2002, 222, 228; vgl. auch BT-Drucks.
14/6040, S. 172.
5
Wilmer/Hahn/Hahn, § 312e, Rn. 16; Staudinger/Thüsing, § 312e Rn. 58.
6
Wilmer/Hahn/Hahn, § 312e, Rn. 16.
2
246
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
europaweit einmalig und verkompliziert die Belehrung über den Beginn
der Widerrufsfrist unnötig. Zudem ist durch die Vielzahl der Voraussetzungen auf die Anzahl möglicher Fehlerquellen bei der Belehrung
unnötig hoch. Zu begrüßen ist, dass diese durch den VRRL-E abgeschafft wird, was zu einer Vereinfachung der deutschen Vorschriften
führen würde. Da der Händler keinen Einfluss auf den technischen
Geschehensablauf bei Internetplattformen wie eBay hat, schuldet der
Plattformbetreiber dem Unternehmer regelmäßig die Ausgestaltung
seiner technischen Infrastruktur gemäß den Vorgaben des § 312e BGB.
Der Unternehmer ist allenfalls für die Informationserteilung verantwortlich, auch wenn diese in eBay-AGB enthalten sind. Der Verbraucher erwartet bestimmte Informationen z.B. über den Bestellablauf
nicht unter dieser Bezeichnung. Richtigerweise sind aber Kombinationen aus eigenen und Verlinkungen auf fremde Informationen möglich.
III. Verlängerte Fristen
Das europäische und das deutsche Recht kennen verschiedene verlängerte Fristen, die jedoch nicht alle Sanktionscharakter haben. Wird erst
nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich
die Widerrufsfrist von 14 Tagen auf einen Monat (§ 355 Abs. 2 Satz 2
BGB). Wird gar nicht oder fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt,
verlängert sich die Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit (§ 355 Abs. 3
Satz 3 BGB). Bei Verletzung von Pflichten aus § 312c Abs. 2 oder
§ 312e Abs. 1 Satz 1 BGB verlängert sich die Widerrufsfrist auf sechs
Monate (§ 355 Abs. 3 Satz 1 BGB).
1. Monatsfrist
Wird erst nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen auf einen Monat (§ 355
Abs. 2 Satz 2 BGB). Die Monatsfrist hatte ursprünglich allerdings keinen Sanktionscharakter, sondern war zur Entlastung vor allem der
Finanzdienstleister gedacht, die seit Umsetzung der HeinigerEntscheidung bei fehlerhaften Belehrungen einem unbefristeten Widerrufsrecht ausgesetzt sind, obwohl dies europarechtlich nicht zwingend
ist. Entscheidend für die Länge der Widerrufsfrist ist also der Zeitpunkt
des Vertragsschlusses und der formgerechten Belehrung. Hier bestehen
zwischen „normalen“ Onlineshops und Auktionsplattformen wie eBay
wesentliche Unterschiede.
A. Widerrufsfrist
247
a) Vertragsschluss in Onlineshops und bei eBay
In einem Onlineshop kann der Vertragsschluss verschieden gestaltet
werden. In der Regel handelt es sich bei dem Warenangebot noch nicht
um ein verbindliches Vertragsangebot, sondern um eine sogenannte
1
invitatio ad offerendum. In diesem Fall unterbreitet der Kunde mit
seiner Bestellung ein verbindliches Vertragsangebot. Der Händler kann
dieses dann annehmen oder nicht und erst in diesem Moment ist der
Vertrag geschlossen. Die Annahme erfolgt regelmäßig per E-Mail, kann
aber auch durch Aussonderung oder Auslieferung erfolgen. Wird eine
E-Mail versendet, kann diese eine bloße Bestätigung des Zugangs der
Bestellung i.S.v. § 312e Abs. 1 Nr. 3 BGB oder die Annahme der Bestellung darstellen. Die Erklärungen in der E-Mail des Unternehmers sind
nach dem objektiven Empfängerhorizont zu beurteilen. Wird der Kunde
z.B. zur Zahlung per Vorkasse aufgefordert oder hat die E-Mail bereits
die Form einer Rechnung, kann der Verbraucher diese nur als Annahme
seiner Bestellung verstehen, auch wenn in der E-Mail an anderer Stelle
2
erklärt wird, ein Vertrag sei noch nicht zustande gekommen.
Im Fall von eBay ist hingegen bereits das Warenangebot ein verbindliches Vertragsangebot, das durch die Bestellung (Höchstgebot) des
Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag
geschlossen ist (bei der „Sofort-Kaufen“-Option) oder mit Zeitablauf
3
der Auktion zustande kommt (bei der „Auktion“-Option). Bis zu diesem Zeitpunkt besteht für den Unternehmer keine Möglichkeit, die
Identität oder Kontaktdaten des Bieters zu erfahren, so dass eine Widerrufsbelehrung in Textform, d.h. per Brief, Fax oder E-Mail zwingend erst eine „juristische Sekunde“ nach Annahme des Angebots
4
durch den Verbraucher erfolgen kann.
b) Belehrungszeitpunkt
Wird erst nach Vertragsschluss über das Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist nach dem Wortlaut des § 355 Abs. 2
Satz 2 BGB von zwei Wochen auf einen Monat. Nicht ausdrücklich
geregelt ist jedoch, wann genau die Textformbelehrung erfolgen muss,
damit die reguläre Zweiwochenfrist zur Anwendung kommt.
1
So z.B. auch bei Angeboten auf dem amazon-marketplace, vgl. LG Berlin, MMR
2007, 734 = CR 2008, 198 (Ls.) = ITRB 2008, 82; LG Stralsund, Urteil v.
07.11.2008, 7 O 310/07.
2
AG Dieburg, Urteil v. 14.2.2005, 22 C 425/04.
3
Vgl. § 10 eBay AGB; OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; OLG Jena, WRP
2007, 1008; OLG Köln, MMR 2007, 713; dazu auch Woitkewitsch/Pfitzer, MDR
2007, 61, 63.
4
Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 3171.
248
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
aa) Vor Abgabe der Vertragserklärung
Zuweilen wird vertreten, eine Textformbelehrung sei bereits „vor Abgabe der Vertragserklärung“ erforderlich, damit eine Zweiwochenfrist
zur Anwendung komme. Eine solche Ansicht verkennt jedoch die im
Fernabsatzrecht verankerte Systematik der Zweistufigkeit der flüchtigen
Widerrufsinformation und textformgebundenen Belehrung und findet
im Gesetz keine Stütze. Anders als etwa bei Verträgen über Finanzdienstleistungen in § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt ist für die Anwendung der Zweiwochenfrist keine Information vor Abgabe der Vertragserklärung erforderlich, sondern eine Belehrung nicht nach
Vertragsschluss. Vor Abgabe der Vertragserklärung ist nach § 312c
Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV lediglich eine nicht
formgebundene Information über das Widerrufsrecht erforderlich.
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB lässt nicht den Rückschluss zu, dass wenn eine
Belehrung nach Vertragsschluss zu einer Monatsfrist führt, eine Belehrung vor Vertragsschluss zur Anwendung der Zweiwochenfrist erfor1
derlich sei.
Vielmehr wäre eine Belehrung in Textform vor Abgabe der Vertragserklärung sogar sinnlos, da eine solche Belehrung mangels hinreichen2
den Bezugs auf das konkrete Rechtsgeschäft unwirksam ist. Die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluss entspricht nicht den
gesetzlichen Erfordernissen. Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es, dass seine
gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende Recht
zum Widerruf seiner auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärung bereits vor deren Abgabe erteilt wird.
Die Belehrung soll dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und
deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel wird aber nur dann erreicht,
wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des
Verbrauchers bezieht. Das setzt voraus, dass der Verbraucher eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich
mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht
ihm eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nach3
träglichen Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll. Dagegen ist
eine Widerrufsbelehrung, die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe
der Vertragserklärung erteilt worden ist, von vornherein mit dem mit
zunehmendem zeitlichen Abstand immer größer werdenden Risiko
behaftet, dass dieser sie zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend vermag die dem
1
2
3
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
Vgl. BGH, NJW 2002, 3396, 3398 = WRP 2002, 1263, 1265.
BGH, NJW 2002, 3396, 3398 = WRP 2002, 1263, 1265.
A. Widerrufsfrist
249
Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser Voraussetzung ihren
1
Sinn nicht zu erfüllen.
bb) Vor Vertragsschluss
Möglich ist (bei Onlineshops) eine Belehrung nach Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers aber vor der Annahmeerklärung des
Unternehmers, etwa zusammen mit der Bestätigung des Zugangs der
Bestellung nach § 312e Abs. 2 Nr. 3 BGB, also „vor Vertragsschluss“,
aber nicht vor Abgabe der Vertragserklärung. Dies ist derzeit sicherlich
die sicherste Methode, um die Zweiwochenfrist bei Onlineshops zur
2
Anwendung zu bringen. Erforderlich ist diese Methode jedoch nicht.
cc) Bei Vertragsschluss
Vielmehr ergibt sich im Umkehrschluss aus dem Wortlaut des § 355
Abs. 2 S. 2 BGB, dass der Verkäufer den Verbraucher über das zweiwöchige Widerrufsrecht auch in Textform belehren kann, indem er die
Widerrufsbelehrung „bei“ Vertragsschluss, und zwar im Sinne von
3
„zeitgleich mit der Annahmeerklärung“ übermittelt. Eine Belehrung zu
diesem Zeitpunkt ist jedoch bei eBay-Verkäufen anders als bei Online4
shops nicht möglich.
dd) Nach Vertragsschluss
Die aus Verbrauchersicht vergleichbaren Fälle des Vertragsabschlusses
über „normale“ Onlineshops einerseits oder über die Plattform eBay
andererseits unterscheiden sich also aus juristischer Sicht. Während im
ersten Fall für den Unternehmer ohne Weiteres die Möglichkeit besteht,
durch Übersendung der Widerrufsbelehrung vor oder zeitgleich mit
seiner Annahmeerklärung die zweiwöchige Widerrufsfrist zur Anwendung zu bringen, ist dies für einen eBay-Händler nach h.M. nicht möglich. Der eBay-Händler wäre also benachteiligt. Das ist umso verwunderlicher, als das eBay-Vertragsschlussmodell verbraucherfreundlicher
ist, da der Verbraucher mit seiner Bestellung in jedem Fall einen Erfüllungsanspruch und nicht noch die Ungewissheit hat, ob der Unternehmer seine Bestellung annimmt oder nicht.
Die Rechtsprechung nimmt dieses zweifelhafte Ergebnis bislang hin,
indem die h.M. zur Textform zugrunde gelegt und auf den Wortlaut des
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB abgestellt wird. Eine nähere Analyse von Syste1
BGH, NJW 2002, 3396, 3398 = WRP 2002, 1263, 1265.
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
LG Berlin, MMR 2007, 734 = CR 2008, 198 (Ls.) = ITRB 2008, 82; LG München I, Beschluss v. 1.12.2006, 7 O 21380/06; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377,
3378; Buchmann, K&R, 2007, 14, 17.
4
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175
2
3
250
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
matik, Historie und Zweck der Norm findet nur vereinzelt statt. Demgegenüber plädieren zahlreiche Stimmen in der Literatur für eine Fristlänge von zwei Wochen auch bei eBay. Hierfür werden unterschiedliche
Argumente vorgebracht.
c) § 312c Abs. 2 BGB lex specialis gegenüber §§ 355ff. BGB
Vereinzelt wird angenommen, dass die Regelung des § 312c Abs. 2
BGB als Spezialgesetz Vorrang vor dem allgemeinen § 355 Abs. 2 BGB
2
habe. § 355 Abs. 2 BGB wolle jene Fälle regeln, bei denen eine Belehrung in Textform vor oder bei Vertragsschluss faktisch möglich sei.
Soweit Sachverhalte bestünden, wie der Fall bei eBay, bei denen dies
nicht möglich sei, greife als speziellere Norm § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB
ein. Das Spezialitätsverhältnis ergebe sich bereits aus der Systematik des
Gesetzes. § 312c Abs. 2 Nr. 2 BGB regele die Belehrungspflicht in Textform für Warenlieferungen und § 312c Abs. 2 Nr. 1 BGB stelle wiederum eine Sonderregelung für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen dar, wonach nur dort eine Belehrung in Textform vor
Vertragsschluss zu erfolgen habe. Für Online-Versteigerungen reiche es
demnach aus, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht, welche u.a. die Widerrufsbelehrung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV
umfasst, „alsbald, spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages“ nachkomme.
Die überwiegende Rechtsprechung lehnt einen Vorrang des § 312c
3
Abs. 2 BGB gegenüber den § 355 ff. BGB jedoch ab. § 312c Abs. 2
i.V.m. § 1 BGB-InfoV und §§ 355 ff. BGB regelten völlig unterschiedliche Problemkreise. Auch habe der Gesetzgeber in § 312d Abs. 6 BGB
ausdrücklich bestimmt, dass sich für bestimmte Fernabsatzverträge die
Wertersatzpflicht abweichend von § 357 Abs. 1 BGB bestimme. Diese
Vorschrift mache keinen Sinn, wenn §§ 355 ff., insbesondere § 357
4
BGB, bei Fernabsatzverträgen gar nicht gelten sollten.
d) Teleologische Reduktion des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB
Eine weit verbreitete Ansicht kommt im Wege der teleologischen Reduktion des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB zu dem Ergebnis, dass auch bei
eBay-Verkäufen eine zweiwöchige Frist Anwendung finden kann. Hierbei werden verschiedene Zeitspannen angenommen, binnen derer die
formgerechte Belehrung noch erfolgen darf.
1
So z.B. vom OLG Köln, MMR 2007, 713, 716.
OLG Hamburg, MMR 2007, 660 m. Anm. Solmecke; LG Flensburg, MMR
2006, 686, 687; LG Paderborn, MMR 2007, 191; Kaufmann, CR 2006, 764, 766.
3
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617; OLG Köln, MMR 2007, 713 m.w.N.
4
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617;
2
A. Widerrufsfrist
251
aa) Belehrung „alsbald nach Vertragsschluss“
So wird argumentiert, die Einführung des § 355 Abs. 2 S. 2 sei mit
1
einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers zu erklären. Die Norm sei
so zu lesen, dass „nach Vertragsschluss“ in Bezug auf Fernabsatzge2
schäfte ersetzt werde durch „nicht alsbald nach Vertragsschluss.“
Hiergegen wird allerdings eingewendet, dass der Gesetzgeber bei dem
Erlass des Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen (2004) die Regelung des § 355 BGB
3
unverändert gelassen hat. Außerdem widerspreche die vorgeschlagene
4
Deutung des Norminhalts dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift.
Gegen dieses Gegenargument lässt sich jedoch anführen, dass der Gesetzgeber auch trotz Kenntnis gravierender Mängel der Musterwider5
rufsbelehrung diese im Jahr 2004 ebenfalls nicht korrigiert hat und im
Jahr 2008 sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Monatsfrist für eBay-Verkäufer für nicht sachgerecht hält und diese mithin
6
nie beabsichtigt hat.
bb) Keine Unterbrechung des Geschehensablaufs
Weiterhin wird vertreten, von einer nachträglichen Belehrung im Sinne
der Vorschrift sei nicht schon dann auszugehen, wenn die Widerrufsbelehrung im Anschluss an die zum Vertragsschluss führenden Erklärungen beider Parteien mitgeteilt wird. Erforderlich sei vielmehr, dass zwischen Vertragsschluss und Widerrufsbelehrung eine Unterbrechung des
Geschehensablaufes liegt, weil es andernfalls auf den oftmals zufälligen
Umstand ankäme, ob der Verbraucher zuerst das Vertragsformular
unterzeichnet und dann die Widerrufsbelehrung ausgehändigt bekommt
7
oder ob dies umgekehrt der Fall ist. Daher sei die herrschende Rechtsprechung zur Monatsfrist in denjenigen Fällen problematisch, in denen
der Verbraucher nach Ablauf der Auktion in einem automatisierten
Vorgang quasi sofort die notwendigen Informationen per E-Mail übersandt erhält. Unter dieser Voraussetzung könne noch von einer Infor8
mation „bei“ statt „nach“ Vertragsschluss gesprochen werden.
1
Kaestner/Tews, WRP 2004, 509, 513.
Kaestner/Tews, WRP 2004, 509, 513; so auch Becker/Föhlisch, NJW 2005,
3377, 3378.
3
Schlömer/Dittrich, K&R 2006, 373, 377.
4
Buchmann, K&R, 2007, 14, 18 m.w.N; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169,
3172.
5
Diese wurden frühzeitig aufgezeigt von Masuch, NJW 2002, 2931.
6
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175; Dazu sogleich unter Teil 3 A III 1 e) bb).
7
MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 355, Rn. 53; MünchKommBGB/Masuch,
5. Aufl., § 355, Rn. 54; Martis/Meinhof, MDR 2004, 4, 6; Hoffmann, MMR 2006,
676, 677.
8
Hoffmann, NJW 2007, 2594, 2595.
2
252
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
cc) Belehrung innerhalb der regelmäßigen Lieferzeit
Schließlich wird vertreten, der Anwendungsbereich des § 355 Abs. 2
S. 2 BGB sei um die Fälle zu reduzieren, in denen zwischen Vertragsschluss und Widerrufsbelehrung nur die normale Lieferfrist der Ware
1
liegt. Die Konsequenz, dass die Norm zu einer Verlängerung der Frist
bei eBay-Händlern führen könne, habe der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 355 Abs. 2 ersichtlich nicht bedacht. Neben der Gesetzgebungsgeschichte spreche auch der systematische Zusammenhang gegen
eine Anwendung von § 355 Abs. 2 auf Fälle, in denen die Belehrung in
Textform dem Vertragsschluss unmittelbar folgt, hebele diese Regelung
doch das Gefüge von vorvertraglichen formfreien und nachvertraglichen formgebundenen Informationen komplett aus. Auch der Zweck
der Norm und die Betrachtung der Folgen einer eng am Wortlaut orientierten Auslegung sprächen für eine teleologische Reduktion der Vorschrift. Daher sei die Norm einschränkend auszulegen und nur auf
solche Fälle anzuwenden, in denen zwischen Vertragsschluss und Widerrufsbelehrung deutlich mehr Zeit als die regelmäßige Lieferfrist
2
liegt.
e) Stellungnahme
Der h.M. ist zuzustimmen, dass § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB für
Fernabsatzverträge keine den §§ 355 ff. BGB vorgehende Spezialregelung enthält. Ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Vorschriften besteht teilweise eher umgekehrt, da sich § 312c Abs. 2 Satz 1 BGB auf
die bei jedem Fernabsatzgeschäft vorzunehmenden Pflichtangaben bezieht, während z.B. § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB eine keineswegs verpflichtende Abbedingung von §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3,
3
2. Hs. BGB betrifft. Insgesamt geht es bei § 312c BGB um Informationspflichten und deren Erfüllung, bei den §§ 355 ff. BGB darum, welche Rechtsfolgen aus einer zu einem bestimmten Zeitpunkt erteilten
4
oder eben nicht erteilten Information erwachsen.
Zutreffend ist jedoch schon nach jetziger Rechtslage entgegen der
überwiegenden Rechtsprechung von einer zweiwöchigen Widerrufsfrist
bei eBay-Verkäufen auch dann auszugehen, wenn die Belehrung unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird, z.B. durch
5
Versand einer E-Mail unmittelbar nach Abschluss der Auktion. Zwar
1
Schirmbacher, CR 2006, 673, 677.
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 68.
3
OLG Köln, GRUR-RR 2008, 88, 91; OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617;
OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 08624; Mankowski, jurisPR-ITR 10/2006 Anm. 3;
Roggenkamp, jurisPR-ITR 7/2007 Anm. 3.
4
OLG Stuttgart, MMR 2008, 616, 617 zu § 357 Abs. 3 BGB.
5
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
2
A. Widerrufsfrist
253
ist der Gegenansicht insoweit zuzustimmen, als die Tatsache, dass Anbieter wie z.B. eBay keine technischen Möglichkeiten vorsehen, die
Belehrung zusammen mit der Annahmeerklärung zu versenden, nicht
als Argument dafür dienen kann, die Anforderungen an die Textform
1
herabzusenken. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ist jedoch aus anderen Gründen geboten.
aa) Systematik
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB führt die Differenzierung des § 312c Abs. 2
Nr. 1 und Nr. 2 und die Zweistufigkeit des Fernabsatzrechts aus vorvertraglicher flüchtiger Information einerseits und Textformbelehrung
2
andererseits zwar nicht ad absurdum. Denn auch § 355 Abs. 2 S. 2
BGB fordert nicht eine zwingende Belehrung in Textform vor Vertrags3
schluss für alle Arten von Fernabsatzgeschäften, sondern eine Belehrung bei Vertragsschluss, also nach Abgabe der Vertragserklärung und
4
zusammen mit der Annahmeerklärung. Für den Fernabsatz von NichtFinanzdienstleistungen gelten daher weniger strenge Regeln.
Gleichwohl ist die Knüpfung einer vermeintlichen Sanktion an die
Belehrung in Textform noch vor dem Zeitpunkt, den Art. 5 Abs. 1
FARL („spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung“) vorsieht, ein Fremdkörper in der Systematik des Fernabsatzrechts. Die FARL kennt eine
dreimonatige Sanktionsfrist nur für den Fall, dass die textformgebundenen Informationspflichten überhaupt nicht erfüllt werden. Werden
die Pflichten nachgeholt, beginnt nach Art. 6 Abs. 1 FARL die reguläre
Frist zu laufen. Die deutsche Monatsfrist stellt sich also als ein nationales höheres Verbraucherschutzniveau dar, das nach dem Mindestharmonisierungsprinzip der FARL zwar möglich ist, nach dem geplanten
Vollharmonisierungsprinzip des VRRL-E, in dem ebenfalls keine Monatsfrist verankert ist, jedoch einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht
5
darstellen würde.
bb) Entstehungsgeschichte
Eindeutig gegen die Anwendung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB im Warenfernabsatz als Sanktion für eBay-Händler spricht die Entstehungsgeschichte der Norm. Am 30.6.2000 traten die wesentlichen Teile des
FernAbsG in Kraft. Damals gab es keine Monatsfrist, sondern nur eine
Viermonatsfrist für den Fall, dass textformgebundene Informations1
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 13; Woitkewitsch/Pfitzer,
MDR 2007, 61, 62; Bonke/Gellmann, NJW 2006, 3169, 172.
2
So aber Schirmbacher, CR 2006, 673, 675.
3
So Schirmbacher, CR 2006, 673, 675.
4
Vgl. oben Teil II 2.
5
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
254
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
pflichten nicht erfüllt werden (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 FernAbsG). Seit dem
SMG findet sich das allgemeine Widerrufsrecht in § 355 BGB. Im Zuge
1
der weiteren Vereinheitlichung der besonderen Widerrufsrechte wurde
die Höchstfrist in § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf sechs Monate verlängert. Die Monatsfrist gab es jedoch auch zu diesem Zeitpunkt noch
2
nicht.
Da das vereinheitlichte Widerrufsrecht hinsichtlich der Höchstfrist
3
von sechs Monaten nach Ansicht des historischen Gesetzgebers nicht
mit den Vorgaben der Haustürwiderrufsrichtlinie vereinbar war, wurde
4
§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in hastiger Umsetzung des Heininger-Urteils
durch das OLGVertrÄndG dahingehend neu gefasst, dass das Widerrufsrecht überhaupt nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Hiermit wurde das Mindestniveau der FARL erneut erheblich überschritten, sieht
doch die Richtlinie ein Erlöschen des Widerrufsrechtes spätestens nach
5
drei Monaten vor.
Bei dem OLGVertrÄndG handelt es sich um ein Artikelgesetz, das
am Ende der 14. Legislaturperiode unter großem Zeitdruck zahlreiche
Neuregelungen einführte. Der Name täuscht darüber hinweg, dass in
Art. 25 dieses Gesetzes mit der unendlichen Widerrufsfrist für sämtliche
Verbraucherverträge bei fehlerhafter Belehrung einer der folgenreichsten Eingriffe in die Vertragsfreiheit des BGB vorgenommen wurde. Im
6
Regierungsentwurf vom April 2002 waren noch gar keine Änderungen
an § 355 BGB vorgesehen. Erst der Rechtsausschuss legte dann im Juni
Vorschläge vor, die der Heininger-Entscheidung Rechnung tragen sollten und eine endlose Frist bei fehlenden oder fehlerhaften Widerrufsbe7
lehrungen vorsahen.
Um diesen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit zahlreicher Unternehmer, die ohne europarechtliche Notwendigkeit gleichwohl mit
einer unendlichen Frist belastet wurden, zu kompensieren, ergriff der
Gesetzgeber im Laufe des Verfahrens zwei flankierende Maßnahmen
8
zur Entlastung der Unternehmer. Erstens wurde die erste Version der
Musterbelehrung eingeführt, um den Unternehmer angesichts der kom1
Ausführlich dazu: Rott, VuR 2001, 78 ff.
Teil 1 B V 1.
Ob diese Ansicht zutreffend war, ist nach einer aktuellen EuGH-Entscheidung
zweifelhaft. Vgl. EuGH, Urteil v. 10.4.2008 – C-412/06, NJW 2008, 1865.
4
EuGH NJW 2002, 281 (Heininger ./. Hypo Vereinsbank).
5
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
6
Gesetzentwurf Bundesregierung v. 11.04.2002 BT-Drucks. 14/8763.
7
Beschlussempfehlung und Bericht Rechtsausschuss, BT-Drucksache 14/9266,
S. 20 und 45 f.
8
Meinhof, NJW 2002, 2273, 2275 spricht von „misslichen Konsequenzen“, die
„relativiert werden“.
2
3
A. Widerrufsfrist
255
plizierten Belehrungssituation und den unverhältnismäßig einschneidenden Sanktionen bei Fehlern mittels eines „Formblatts“ eine korrekte
1
Belehrung zu ermöglichen. Zweitens wurde in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB
eine eigene Frist für die nachträgliche Belehrung geschaffen, die einen
2
Monat beträgt.
Diese zweite Maßnahme diente vor allem dazu, den Sorgen der Banken vor einer europarechtlich nicht gebotenen endlosen Frist bei
Falschbelehrungen zu begegnen. In der dritten Beratung des SMG formulierte der Rechts- und Wirtschaftsausschuss die Befürchtung, dass
sich Banken noch Jahre nach Vertragsschluss den Widerrufen von
Verbrauchern ausgesetzt sähen, ohne dass dies mit einem EuGH-Urteil
3
oder aus sonstigen Verbraucherschutzerwägungen zu rechtfertigen sei.
Erst im Vermittlungsausschuss wurde eine Regelung gefunden, die eine
Nachbelehrung überhaupt gestattete. Insbesondere der Bundesrat woll4
te diese Möglichkeit ausdrücklich regeln. Die eher als verbraucherdenn als bankenfreundlich bekannte Abgeordnete Höhn sprach sich
hingegen energisch gegen die Einführung der Monatsfrist aus, da die
Verbraucher hierdurch gehindert würden, bei nicht rechtzeitiger formgerechter Belehrung unbefristet widerrufen zu können, etwa wenn ihm
eine „Schrottimmobilie“ verkauft worden sei und er sich vom verbun5
denen Kreditvertrag lösen wolle. Genau vor diesem endlosen Wider6
rufsrecht sollte dann die Monatsfrist die Unternehmer schützen.
Vieles spricht mithin dafür, dass der Gesetzgeber das Problem der
Fristverlängerung (statt Fristbegrenzung) bei Belehrung nach Vertrags7
schluss bei Fernabsatzgeschäften überhaupt nicht gesehen hat. Zumindest hatte die Monatsfrist ganz eindeutig keinen Sanktionscharakter,
8
sondern Entlastungscharakter für Unternehmer. Die nur auf der rechtlichen Konstruktion des Vertragsschlusses basierende Ungleichbehandlung der eBay-Händler gegenüber sonstigen Händlern im Fernabsatz
durch die gegenwärtig überwiegende Rechtsprechung soll durch eine
9
ausdrückliche Gesetzesänderung zum 31.10.2009 abgeschafft werden.
1
Diese gut gemeinte Aktion erwies sich später allerdings als Bärendienst. Dazu
Föhlisch, MMR 2007, 139 ff.
2
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
3
Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses, BR-Drucks. 503/1/02, S. 6;
vgl. schon Dr. Norbert Röttgen, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 240.
Sitzung, 7.06.2002, Plenarprotokolle, S. 24094.
4
Timmerbeil, NJW 2003, 569, 570, Fn. 10.
5
Höhn, Plenarprotokoll 777 des Bundesrates vom 21.6.2002, S. 374, 375.
6
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
7
Schirmbacher, CR 2006, 673, 675.
8
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
9
BGB-RegE, BT-Drucks. 16/11643 v. 21.1.2009; Inkrafttreten nach Art. 11 geplant zum 31.10.2009. Dazu Teil 7 B I.
256
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Auch dies zeigt, dass der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung nie
beabsichtigt hat. Eine Belehrung in Textform „unverzüglich nach Vertragsschluss“ soll demnach der Belehrung bei Vertragsschluss gleichgestellt werden.
cc) Sinn und Zweck
§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB hat also die Zielrichtung, dass der Unternehmer
durch Nachholen der Belehrung in Textform verhindern können soll,
1
dass dem Verbraucher ein unbefristetes Widerrufsrecht verbleibt. Die
ebenso häufig behauptete Zielrichtung, der Unternehmer solle durch die
vermeintliche Sanktion der Fristverlängerung angehalten werden, die
formgerechte Belehrung möglichst schon bei Vertragsschluss zu erteilen,
ist historisch nicht belegt. Die Norm ist also keine Verbraucherschutz-,
sondern eine Unternehmerschutzvorschrift.
Es besteht auch kein Schutzbedürfnis des Verbrauchers, der eine EMail nicht zusammen mit der Bestellannahme, sondern direkt nach
Zustandekommen des Onlinegeschäfts erhält. Der Verbraucher ist gemäß § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV bereits
zuvor über sämtliche Einzelheiten und Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes in flüchtiger Form zu informieren. Eine Anwendung des § 355
Abs. 2 S. 2 BGB ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn zwischen dem
Vertragsschluss und der Belehrung so viel Zeit liegt, dass der Verbraucher sich an den Inhalt des Vertrages kaum noch erinnern kann und
somit mehr Zeit braucht, um zu überlegen, ob er daran festhalten will
2
oder nicht. Einer Verlängerung bedarf es jedoch nicht, wenn der Vertragsschluss und die Widerrufsbelehrung in Textform in so kurzer zeitlicher Folge liegen, dass es keine Rolle spielt, was zuerst erfolgt. Der
Verbraucher hat dann ausreichend Zeit, sich seiner Rechte ohne Veränderungsmöglichkeit durch den Unternehmer „schwarz auf weiß“ Gewahr zu werden und ggf. von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu ma3
chen.
dd) Gemeinschaftsrecht
Angesichts des nicht vorhandenen Sanktionscharakters des § 355
Abs. 2 S. 2 BGB wollte der Gesetzgeber zwar nicht das Mindestniveau
der FARL durch Einführung einer zusätzlichen Sanktionsfrist bewusst
überschreiten; die Norm ist jedoch von der FARL gedeckt, die insoweit
nur Mindestvorgaben macht. Allerdings ist § 355 Abs. 2 S. 2 BGB in
seiner allgemeinen Geltung für alle Verbraucherverträge zumindest mit
1
MünchKommBGB/Masuch, 5. Aufl., § 355 Rn. 54; Hoffmann, MMR 2006,
676, 677.
2
Schirmbacher, CR 2006, 673, 675.
3
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175.
A. Widerrufsfrist
257
Blick auf Finanzdienstleistungen gemeinschaftsrechtwidrig, weil die
dem Vollharmonisierungsprinzip folgende FARLFDL eine Monatsfrist
1
nicht vorsieht. Bei nachträglicher Erfüllung der Informationspflicht aus
Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) FARLFDL, die mit der in der Nachbelehrung
i.S.d. § 355 Abs. 2 S. 2 BGB erfolgt, wird vielmehr gemäß Art. 6 Abs. 1
S. 3, 2. Spiegelstrich FARLFDL der Lauf der regulären Widerrufsfrist
von 14 Kalendertagen in Gang gesetzt, nicht eine Monatsfrist. Wegen
des Vollharmonisierungsprinzips darf der deutsche Gesetzgeber hiervon
nicht abweichen. Auch der VRRL-E sieht keine Monatsfrist bei späterer
Belehrung vor, sondern nur eine dreimonatige Frist bei fehlender Belehrung über das Widerrufsrecht (Art. 13 VRRL-E).
Überdies wird die Ansicht vertreten, der EuGH habe mit Blick auf
Haustürgeschäfte in der Heininger-Entscheidung dem Unternehmer
2
generell die Möglichkeit genommen, die Belehrung nachzuholen. Auch
aus diesem Grund könnte die Regelung des § 355 Abs. 2 S. 2 in ihrer
Geltung für alle Verbrauchergeschäfte – u.a. auch Haustürgeschäfte –
gemeinschaftsrechtswidrig sein. Angesichts dieser Bedenken wäre der
Gesetzgeber also gut beraten, die Vorschrift des § 355 Abs. 2 S. 2 er3
satzlos zu streichen, oder zumindest eine differenzierte Regelung einzuführen, die den europäischen Vorgaben zu den verschiedenen Direktvertriebsformen genügt.
2. Kauf auf Probe
Die Widerrufsfrist des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechtes kann
4
nach zutreffender Auffassung des BGH nicht durch die Billigungsfrist
des Kaufs auf Probe (§ 454 BGB) ersetzt werden. Bei einem Kauf auf
Probe kommt ein Kaufvertrag im Zweifel unter der aufschiebenden
Bedingung der Billigung der Ware durch den Käufer zu Stande. Da erst
die Billigung des Käufers den zunächst auf Probe abgeschlossenen
Kaufvertrag voll wirksam macht und den Käufer vertraglich bindet, ist
die Billigung der maßgebliche Zeitpunkt, von dem an die Widerrufsfrist
für die auf den Abschluss des Verbrauchervertrags gerichtete Willenserklärung des Käufers zu laufen beginnt.
Die mit der Billigungsfrist des § 455 BGB einerseits und des Widerrufsrechts nach § 312d BGB andererseits verfolgten Zwecke sind unterschiedlich. Während mit der Übergabe der Sache beim Kauf auf Probe
der mit der Billigungsfrist verfolgte Zweck in erster Linie darin besteht,
dem Käufer Gelegenheit zur Prüfung der Tauglichkeit der Sache zu
1
So auch Schirmbacher, CR 2006, 673, 676 und Domke, BB 2006, 61, 62.
Hk-VertriebsR/Tonner, § 355 Rn. 42.
3
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 66.
4
BGH, NJW-RR 2004, 1058 = MDR 2004, 929 = NJW 2005, 283 (Ls.).
2
258
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
geben, will das Fernabsatzrecht vor den spezifischen Gefahren von
Verträgen schützen, bei denen der Verbraucher regelmäßig die Ware
oder Dienstleistung sowie die Person seines Geschäftspartners vor Ver1
tragsschluss nicht zu sehen bekommt. Damit stehen die Zwecke nebeneinander, so dass dem Käufer die genannten Fristen auch in vollem
Umfang erhalten bleiben müssen.
2
Die Gegenansicht, wonach die Fristen parallel laufen könnten, weil
Kauf auf Probe und Widerrufsrecht keine unterschiedlichen Zwecke
verfolgten, überzeugt nicht. Der Gesetzgeber hat nach zahlreicher Kritik
an dem Referentenentwurf des FernAbsG, der zunächst eine schweben3
de Unwirksamkeit des Vertrages vorsah (sog. „Wirksamkeitsfas4
sung“ ), in § 361a BGB a.F. die sog. „Gebundenheitsfassung“ eingeführt, die auch heute in § 355 BGB verankert ist, wonach der
Verbraucher an seine auf den Abschluss eines Vertrages mit einem Unternehmer gerichtete Willenserklärung „nicht mehr gebunden“ ist,
wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Damit sollte sichergestellt werden, dass der Verbraucher einen Erfüllungsanspruch gegen den Unter5
nehmer hat. Genau diesen Anspruch hat er bei einem Kauf auf Probe
jedoch nicht, da noch kein Vertrag geschlossen ist. Logische Voraussetzung dafür, dass die reguläre fernabsatzrechtliche Widerrufsfrist in
Gang gesetzt wird, ist damit das Wirksamwerden des Vertrags und
6
nicht bloß die Übergabe der Ware.
Eine Kombination beider Rechte führt demnach zu einer Kumulation
der Fristen. Dieser BGH-Rechtsprechung trägt auch Gestaltungshinweis
3 d) der Musterwiderrufsbelehrung (Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3
BGB-InfoV) Rechnung, wonach die Belehrung über den Fristbeginn um
einen Hinweis zu ergänzen ist, dass die Frist nicht zu laufen beginnt,
bevor der Kaufvertrag durch Billigung des gekauften Gegenstandes für
den Verbraucher bindend geworden ist.
1
BGH, NJW-RR 2004, 1058, 1059.
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 96; Härting, Internetrecht,
Rn. 545; kritisch auch Staudinger/Thüsing, § 312d Rn. 25.
3
FernAbsG-RefE v. 31. Mai 1999 abrufbar unter http://www.jura.unirostock.de/gersdorf/medienrecht/BRD_BundesR/fernag-entwurf.pdf
(Stand:
6.4.2009), S. 7: „§ 3 Widerrufsrecht (1) Die auf den Abschluss eines Fernabsatzvertrags gerichtete Willenserklärung des Verbrauchers wird erst wirksam, wenn er sie
nicht binnen einer Frist von 7 Werktagen widerruft.“
4
Vgl. Thole, Widerrufsrecht, S. 53 f.
5
Vgl. die Kritik von Waldenberger, K&R 1999, 345, 349f.
6
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 85.
2
A. Widerrufsfrist
259
3. Dreimonatsfrist
a) Europäisches Recht
Art. 6 Abs. 1 S. 4 FARL sieht vor, dass sich die Widerrufsfrist auf drei
Monate verlängert, falls der Lieferer die in Art. 5 FARL geregelten
textformgebundenen Informationspflichten im Fernabsatz nicht erfüllt
1
hat. Die gleiche Sanktion sieht Art. 13 VRRL-E vor, jedoch nur bei
einer Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht, nicht bei Verletzung
2
sonstiger Informationspflichten. Eine Verlängerung der Frist bei Verletzung von Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, wie dies im
deutschen Recht vorgesehen ist, kennt das europäische Recht seit jeher
nicht. Auch Art. 6 VRRL-E, der die Rechtsfolgen bei Verletzungen von
Informationspflichten regelt, knüpft anders als derzeit der deutsche
§ 312d Abs. 2 S. 1 BGB keine Verlängerung der Widerrufsfrist an eine
Verletzung der Informationspflichten, sondern schreibt in Abs. 1 nur
fest, dass Zusatzkosten wie Versandkosten nicht verlangt werden können, wenn der Gewerbetreibende hierüber nicht informiert.
Allerdings enthält Art. 6 Abs. 2 VRRL-E eine Öffnungsklausel, wonach sich die Folgen von Verstößen gegen die in Artikel 5 geregelten
Informationspflichten nach dem geltenden innerstaatlichen Recht
bestimmen. Für den Fall eines Verstoßes gegen Artikel 5 sehen die Mitgliedstaaten in ihrem innerstaatlichen Recht wirksame vertragsrechtliche Rechtsbehelfe vor, heißt es dort. Daher könnten trotz Vollharmonisierung die deutschen Regelungen zur Fristverlängerung bei Verstößen
gegen Informationspflichten im Fernabsatz und elektronischen Geschäftsverkehr evtl. aufrecht erhalten werden.
Nach Erwägensgrund 27 VRRL-E will der europäische Gesetzgeber
jedoch auch in zeitlicher Hinsicht Rechtssicherheit gewährleisten, so
dass eine Begrenzung der Frist auf drei Monate in Fällen eingeführt
wird, in denen der Gewerbetreibende seine vertraglichen Pflichten in
vollem Umfang erfüllt hat. Es soll demnach davon ausgegangen werden, dass der Gewerbetreibende seinen Pflichten in vollem Umfang
nachgekommen ist, wenn er die vom Verbraucher bestellten Waren
geliefert oder die bestellten Dienstleistungen vollständig erbracht hat, so
der europäische Gesetzgeber. Dies spricht dagegen, dass die nationalen
Rechte längere Fristen aufrecht erhalten können. Wegen des Vollhar1
Lettland, Italien und Rumänien sehen eine (nicht ganz richtlinienkonforme) Verlängerung auf nur 90 Tage vor. Vgl. Schulte-Nölke, Kompendium, S. 582f.
2
Art. 13 VRRL-E: „Hat der Gewerbetreibende den Verbraucher unter Verstoß
gegen die Artikel 9 Buchstabe b, 10 Absatz 1 und 11 Absatz 4 nicht über sein Widerrufsrecht aufgeklärt, so läuft die Widerrufsfrist drei Monate nach dem Tag ab, an
dem der Gewerbetreibende seinen anderen vertraglichen Verpflichtungen in vollem
Umfang nachgekommen ist.“
260
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
monisierungsgrundsatzes dürften die in Deutschland derzeit geregelten
Fristverlängerungen auf einen Monat (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB), sechs
Monate (§ 312e Abs. 3 S. 2 bzw. § 312d Abs. 2 S. 1 i.V.m. 355 Abs. 3
S. 1 BGB) oder auf unbestimmte Zeit (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB) ab Inkrafttreten der Richtlinie nicht aufrecht erhalten werden.
b) Nationale Regelungen in den EU-Mitgliedsstaaten
Werden die Informationspflichten nicht erfüllt, verlängert sich die Wi1
2
3
4
5
derrufsfrist in Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Irland,
6
7
8
9
10
Luxemburg, Malta, Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, in
11
12
13
der Slowakei, in Slowenien, Spanien und Ungarn bei Waren auf
drei Monate mit dem Tag ihres Eingangs bei dem Verbraucher, bei
Dienstleistungen mit dem Tag des Vertragsschlusses.
14
In Belgien verlängert sich die Widerrufsfrist auf drei Monate beginnend mit dem Tag nach ihrer Lieferung, bei Dienstleistungen mit dem
Tag nach dem Vertragsabschluss. Darüber hinaus wird das Produkt als
unverlangt zugesandte Ware bzw. unverlangt erbrachte Dienstleistung
betrachtet, mit der Folge, dass der Verbraucher das Produkt weder
bezahlen noch zurücksenden muss, wenn der Händler ihm nicht eine im
Gesetz wörtlich vorgegebene, fettgedruckte Belehrung über das Widerrufsrecht, die sich auf der ersten Seite der Vertragsurkunde befinden
muss, übermittelt hat.
15
In Finnland verlängert sich die Widerrufsfrist zunächst auf 3 Monate. Wenn der Händler die Informationen innerhalb dieser 3 Monate
übermittelt, beginnt die 14-Tage-Frist ab diesem Zeitpunkt zu laufen.
Werden die Informationspflichten durch den Unternehmer gänzlich
nicht erfüllt, ist der Vertrag für den Verbraucher nicht bindend. Er ist
allerdings verpflichtet, dem Unternehmer innerhalb eines Jahres mitzuteilen, ob er sich auf die fehlende Verbindlichkeit berufen will. Lässt der
Unternehmer dem Verbraucher die Bestätigung zukommen, bevor er
1
Art. 55 Abs. 4 Verbraucherschutzgesetz (BG).
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.583.
3
§ 56 Abs. 1 Schuldrechtsgesetz (EE)
4
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.583.
5
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.583.
6
Art. 5 Abs. 2 FernabsatzG (LU).
7
Art. 6 Abs. 2 FernabsatzVO (MT).
8
Art. 46d Abs. 1 S. 2 BGB (NL).
9
§ 5e Abs. 3 S. 1 KSchG.
10
Art. 10 Abs. 2 S. 1 VerbraucherschutzG (PL).
11
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.583.
12
Art. 43c Abs. 4 VerbraucherschutzG (SI).
13
Art. 4 FernabsatzVO (HU).
14
Art. 80 § 2 GHP.
15
Kapitel 6, § 15 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 20
2
A. Widerrufsfrist
261
sich auf die fehlende Verbindlichkeit des Vertrages berufen hat, beginnt
die allgemeine (vierzehntägige) Widerrufsfrist zu laufen.
1
In Schweden beträgt die Widerrufsfrist ein Jahr bei nicht vollständiger Übermittlung der schriftlich zu bestätigenden Informationen. Werden vorvertragliche Informationen nicht oder nicht vollständig übermittelt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf 3 Monate.
2
3
In Lettland, Italien und Rumänien verlängert sich die Frist auf 90
Kalendertage.
4
In Griechenland wird der Vertrag in einem solchen Fall anfechtbar.
5
In Litauen beginnt die dreimonatige Widerrufsfrist am Tag des Ver6
tragsschlusses, in der Tschechischen Republik mit Erhalt der vertrag7
8
lich vereinbarten Leistung und in Zypern und Großbritannien beginnt
die verlängerte Frist am Tag nach dem Tag des Vertragsschlusses.
4. Sechsmonatsfrist
Das Widerrufsrecht erlischt nach deutschem Recht gemäß § 312e
Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 355 Abs. 3 S. 1 BGB erst nach sechs Monaten, wenn dem Kunden keine angemessenen Korrekturhilfen zur Verfügung gestellt wurden oder er sonstige Pflichten aus § 312e Abs. 1 Satz 1
BGB verletzt hat. Gleiches gilt gemäß § 312d Abs. 2 S. 1 BGB, wenn
die textformgebundenen fernabsatzrechtlichen Informationspflichten
gemäß § 312c Abs. 2 BGB nicht erfüllt wurden.
a) Verhältnis zur Nachbelehrung
Das Gesetz trifft keine Aussage darüber, ob die Sechsmonatsfrist auch
im Falle der Nachbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 gilt. Dies würde
dazu führen, dass bei einer Nachbelehrung kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist eine Frist liefe, die deutlich kürzer als zwei Wochen ist. Mit
Rücksicht auf den Normzweck des § 355 BGB wird daher vorgeschlagen, § 355 Abs. 3 S. 1 BGB dahin gehend teleologisch zu reduzieren,
dass die Regelung im Fall einer nachträglichen Belehrung nach § 355
9
Abs. 2 S. 2 BGB nicht anwendbar ist. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber, in der Nachbelehrung des § 355 Abs. 2 S. 2 keine „ordnungsgemäße“ Widerrufsbelehrung i.S.d. § 355 Abs. 3 Satz 3 zu sehen. In
1
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 583.
Art. 11 FernabsatzVO (LV)
3
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 582.
4
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.583.
5
Art. 18 Abs. 1 VerbraucherschutzG (LT).
6
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 584.
7
Art. 7 Abs. 2 FernabsatzG (CY).
8
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 584.
9
Timmerbeil, NJW 2003, 569, 570.
2
262
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
diesem Fall greift die Erlöschensfrist des § 355 Abs. 3 S. 1 nicht, so dass
die Widerrufsfrist im Falle der Nachbelehrung frühestens nach Ablauf
1
der Monatsfrist endet.
Nach richtiger Auffassung ist auch eine nachträgliche Erfüllung der
2
Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr möglich, indem dem
Kunden seine Bestelldaten und alle sonstigen Informationen mitgeteilt
werden und er über sein Widerrufsrecht in Textform belehrt wird. Eine
pauschale Verlängerung der Widerrufsfrist auf sechs Monate wäre in
diesem Fall nicht vom Zweck der Vorschrift gedeckt und eine unver3
hältnismäßige Sanktion.
b) Verhältnismäßigkeit der Sanktion
Die Verknüpfung der Verlängerung der Widerrufsfrist bei Verletzungen
von Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr (§ 312e Abs. 3 S. 2
BGB) ist europarechtlich nicht zwingend, sondern stellt ein erhöhtes
nationales Verbraucherschutzniveau dar. Eine überzeugende Begründung für diese Regelung ist dem dokumentierten Gesetzgebungsverfah4
ren nicht zu entnehmen. Im ersten Entwurf zum SMG heißt es lediglich, diese Regelung entspreche der parallelen Bestimmung des § 312d
Abs. 2 RegE für Fernabsatzverträge. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Lauf der Widerrufsfrist bei einem im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Fernabsatzvertrag nur von der Erfüllung der
Informationspflichten des § 312c Abs. 1 und 2 RegE, dagegen nicht
von den in diesen Fällen gleichermaßen vom Unternehmer zu beachtenden Pflichten des § 312e Abs. 1 RegE abhängig sein sollte. Hier müsse
den Unternehmer dieselbe Sanktion des hinausgeschobenen Fristbeginns
5
treffen.
Einen Grund, warum die Widerrufsfrist nicht pauschal von der Erfüllung sämtlicher Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr abhängen
sollte, liefert der Gesetzgeber gleich selbst. Die weiteren schuldrechtlichen Sanktionen bei Verstößen gegen die in § 312e Abs. 1 Satz 1 RegE
normierten Pflichten sollten nicht „statisch in dieser Vorschrift“ geregelt werden, weil „die in § 312e Abs. 1 Satz 1 RegE geregelten Pflichten von derart unterschiedlicher Gewichtung und Art sind, dass die
Bestimmung ein und derselben Rechtsfolge wie zum Beispiel die Einräumung eines Widerrufsrechts … nicht sachgerecht wäre.“ In der Tat
ist nicht ersichtlich, warum die eher unbedeutende Nichtaufklärung
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 71.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312e Rn. 117; Bamberger/Roth/Masuch,
§ 312e Rn. 38.
3
Klimke, CR 2005, 582, 585.
4
Begründung SMG-RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 173 f.
5
Begründung SMG-RegE, BT-Drucks. 14/6040, S. 173 f.
2
A. Widerrufsfrist
263
über die Vertragstextspeicherung oder den Verhaltenskodex die gleiche
einschneidende Sanktion eines sechsmonatigen Widerrufsrechtes auslösen soll wie die viel schwerwiegendere Nichtbereitstellung von Korrekturhilfen oder Nichtaufklärung über die einzelnen Schritte des Vertragsschlusses.
c) Teleologische Reduktion
§ 312e Abs. 3 Satz 2 BGB muss daher seinem Zweck entsprechend so
ausgelegt werden, dass sich die Frist nur verlängert, wenn der Unternehmer eine Pflicht verletzt, die für die Ausübung des Widerrufsrechtes
von Bedeutung ist. Unbedeutende Verstöße gegen die Pflicht zur Information über alle Verhaltenskodizes oder die Vertragstextspeicherung
führen bei teleologischer Reduktion der Vorschrift nicht zur Verlänge1
rung des Widerrufsrechtes, da eine solche Rechtsfolge völlig unangemessen wäre und nicht dem Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehr dient.
5. Unbefristetes Widerrufsrecht
Wird gar nicht oder fehlerhaft über das Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist auf unbestimmte Zeit (§ 355 Abs. 3 Satz 3
BGB). Die Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft, wenn sie nicht den Erfordernissen des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB entspricht. Der Haftungsmaßstab des Verbrauchers beschränkt sich nach §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346
Abs. 3 Nr. 3 BGB auf die diligentia quam in suis.
Fraglich ist, ob auch bei allgemeinen Fernabsatzverträgen bei einer
Fehlinformation über das Nichtbestehen des Widerrufsrechtes die Wi2
derrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Diese Pflicht ergibt sich nicht aus
§ 355 BGB, sondern aus § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV. Die Informationen zu „Bestehen oder Nichtbestehen“, „die Bedingungen“ und „Einzelheiten der Ausübung“, insbesondere „die Rechtsfolgen des Widerrufs
oder der Rückgabe“ sind auf Grund ihrer Verankerung in der BGBInfoV kein Bestandteil der Widerrufsbelehrung nach § 355 Abs. 2
3
BGB. In diesem Fall verlängert sich die Widerrufsfrist wegen Verletzung von § 312c Abs. 2 BGB also „nur“ auf sechs Monate (§ 355
Abs. 3 Satz 1 BGB). Bei nachweisbarer Kausalität besteht aber ein
Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gerichtet
auf Änderung oder Aufhebung des Vertrages.
1
2
3
Staudinger/Thüsing, § 312e Rn. 62; Palandt/Grüneberg, § 312e Rn. 11.
So Rott, BB 2005, 53, 56.
Masuch, NJW 2002, 2931, 2932; Meinhof, NJW 2002, 2273, 2274.
264
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Zwingend ist diese Sanktion entgegen der Meinung des historischen
1
Gesetzgebers indes nicht. Der EuGH hat vielmehr einige Jahre nach
dem OLGVertrÄndG entschieden, dass die Richtlinie 85/577/EWG, die
damals Anlass für die Heininger-Entscheidung war, die wiederum den
deutschen Gesetzgeber zur Aufhebung jeglicher Befristung des Widerrufsrechts bei Falschbelehrungen war, dahin auszulegen ist, dass der
nationale Gesetzgeber für den Fall einer fehlerhaften Belehrung des
Verbrauchers über die Modalitäten der Ausübung des mit Art. 5 Abs. 1
HWiRL eingeführten Widerrufsrechts vorsehen kann, dass dieses Recht
nicht später als einen Monat nach vollständiger Erbringung der Leistungen aus einem langfristigen Darlehensvertrag durch die Vertragsparteien ausgeübt werden kann.
6. Zwischenergebnis
Das deutsche Recht kennt im Gegensatz zum europäischen viele unterschiedlich lange Fristen des Widerrufsrechts, welche von zwei Wochen
über einen Monat, sechs Monate bis hin zu einer unbefristeten Widerrufsmöglichkeit reichen. Nicht alle Fristverlängerungen haben jedoch
Sanktionscharakter. So wurde die Monatsfrist des § 355 Abs. 2 S. 2
BGB eigentlich zum Schutz der Unternehmer vor einem unbefristeten
Widerrufsrecht erlassen. Die Regelung bedarf der teleologischen Reduktion dahingehend, dass eine Belehrung unmittelbar nach Vertragsschluss genügt, um die regelmäßige Frist auszulösen. Dies ist aus systematischen, historischen, teleologischen und gemeinschaftsrechtlichen
Überlegungen geboten. Dabei lässt sich der Zeitpunkt einer ausreichenden Belehrung hinreichend klar bestimmen: Die Belehrung ist rechtzeitig, wenn sie unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Bei
Online-Geschäften wird dies i.d.R. direkt, d.h. wenige Minuten nach
der Vertragsannahme der Fall sein, weil die Bestellung und auch der EMail-Versand meist vollständig automatisiert erfolgt. Auf diesem Wege
lässt sich die nicht sachgerechte Ungleichbehandlung von eBayHändlern und Online-Shops beseitigen.
Nach dem VRRL-E wäre neben der regelmäßigen Zweiwochenfrist
nur noch eine Verlängerung der Frist auf drei Monate möglich, wenn
über das Widerrufsrecht fehlerhaft oder nicht belehrt wird. Eine Verknüpfung des Fristlaufs mit der Erfüllung sämtlicher textformgebundener Informationspflichten ist nicht mehr vorgesehen. Dies würde die
Belehrung über den Fristbeginn stark vereinfachen und stellt eine angemessene Regelung dar. Unverhältnismäßig ist hingegen die geltende
Regelung des § 312e Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 355 Abs. 3 S. 1 BGB.
1
EuGH, NJW 2008, 1865.
B. Ausübung
265
Während eine Fristverlängerung bei Verletzung von Informationspflichten im Fernabsatz noch nachvollziehbar ist, gibt es keinen Grund, den
Unternehmer mit einer sechsmonatigen Frist zu belasten, wenn er nicht
über die Speicherung des Vertragstextes informiert. § 312e Abs. 3 Satz
2 BGB muss daher seinem Zweck entsprechend so ausgelegt werden,
dass sich die Frist nur verlängert, wenn der Unternehmer eine Pflicht
verletzt, die für die Ausübung des Widerrufsrechtes von Bedeutung ist.
Im Hinblick auf den Vollharmonisierungsgrundsatz des VRRL-E dürften die in Deutschland derzeit geregelten Fristverlängerungen auf einen
Monat (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB), sechs Monate (§ 312e Abs. 3 S. 2 bzw.
§ 312d Abs. 2 S. 1 i.V.m. 355 Abs. 3 S. 1 BGB) oder auf unbestimmte
Zeit (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB) ab Inkrafttreten der Richtlinie nicht aufrecht erhalten werden.
B. Ausübung
B. Ausübung
1
Das Widerrufsrecht ist als einseitiges Gestaltungsrecht des Verbrauchers bedingungsfeindlich, d.h. einmal ausgeübt nach seinem Wirk2
samwerden selbst unwiderruflich. Zur Wahrung der Widerrufsfrist
genügt nach § 355 Abs. 1 S. 2, Halbs. 2 BGB die rechtzeitige Absendung der Widerrufserklärung oder der Sache. Da der Widerruf gemäß
§ 349 BGB gegenüber dem anderen Teil, also dem Unternehmer zu
erklären ist, handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Für die Wirksamkeit der Widerrufserklärung bedarf es also nach
3
§ 130 Abs. 1 BGB des Zugangs beim Unternehmer, der aber nicht
4
innerhalb der Widerrufsfrist erfolgen muss.
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 85; Wilmer/Hahn/Hahn,
§ 355, Rn. 4; MünchKommBGB/Masuch, § 355, Rn. 34; Härting, Internetrecht,
S. 164, Rn. 657; Bülow/Artz/Bülow, S. 74 Rn. 11; Hk-VertriebsR/Tonner, § 355,
Rn. 27; Thole, Widerrufsrecht, S. 111; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 196.
2
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 85; Wilmer/Hahn/Hahn,
§ 355, Rn. 4; MünchKommBGB/Masuch, § 355, Rn. 34; jurisPK-BGB/Wildemann,
§ 355, Rn. 19; Erman/Saenger, § 355, Rn. 7; Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn.
12; Härting, Internetrecht, S. 164, Rn. 657; Bülow/Artz/Bülow, S. 74 Rn. 11; Thole,
Widerrufsrecht, S. 111; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 196.
3
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 86; MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312d, Rn. 74¸ Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn. 13; HK-VertriebsR/Tonner, § 355, Rn. 30.
4
Ebenso Hk-VertriebsR/Tonner, § 355, Rn. 30; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 196.
266
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Der Widerruf kann nach zutreffender Ansicht auch schon vor Erhalt
1
der Ware ausgeübt werden. Auch zwischen Bestellung und Lieferung
können begründete Zweifel an der Rationalität des Geschäfts aufkommen, z.B. wenn der Anbieter seine textformgebundenen Pflichten nach
§ 312c Abs. 2 BGB nicht einhält. Hier ist es legitim und spart Kosten,
wenn der Verbraucher von seiner Bestellung Abstand nimmt, bevor der
Unternehmer die Ware auf den Versandweg bringt.
I. Widerrufserklärung in Textform
Das Widerrufsrecht kann nach § 355 Abs. 1 S. 2, 1. Var. BGB durch
Erklärung in Textform (§ 126b BGB) ausgeübt werden, d.h. z.B. per
Brief, Fax oder E-Mail. Aus Gestaltungshinweis 4 der Anlage 2 zu § 14
Abs. 1 und 3 (Muster für die Widerrufsbelehrung) bzgl. des Widerrufsadressaten: „Zusätzlich können angegeben werden … und/oder, wenn
der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung an den
Unternehmer erhält, auch eine Internet-Adresse.“ ergibt sich, dass der
Verordnungsgeber auch den Widerruf über ein Website-Formular für
2
formgerecht hält. Hier kann für den Verbraucher der Nachweis des
Zugangs des Widerrufs schwerer fallen als bei anderen Textformen, je
nachdem, ob und wenn ja wann er eine Bestätigung des Unternehmers
erhält und welchen Inhalt diese hat. Durch eine formlose mündliche
Erklärung kann der Widerruf nicht ausgeübt werden, auch wenn diese
3
dauerhaft gespeichert und wiedergegeben werden kann. Damit be4
zweckt der deutsche Gesetzgeber eine Beweiserleichterung.
Inhaltlich müssen der widerrufene Vertrag und die widerrufende Per5
son identifizierbar sein. Weiterhin muss aus dem Inhalt der Erklärung
deutlich werden, dass der Verbraucher an den Vertrag nicht mehr gebunden sein will. Häufig ist die Abgrenzung zur Gewährleistung
schwierig, wenn der Verbraucher der irrigen Ansicht ist, ein Mangel
führe zu einem direkten Kaufpreisrückerstattungsanspruch. Entscheidend ist das Anspruchsziel des Verbrauchers (Kaufpreisrückerstattung),
nicht eine etwaige Begründung des Widerrufs. Des Gebrauchs des Beg-
1
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 86; Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 15 und MMR 2004, 127, 130.
2
Ebenso Zhang, Widerrufsrecht, S. 124.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn. 12; ebenso MünchKommBGB/Wendehorst,
§ 312d, Rn. 78; jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn. 22.
4
Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn. 12; BT-Drucks 14/2658 S 47; Lorenz; JuS
2000, 833, 837.
5
MünchKommBGB/Masuch, § 355, Rn. 34 f.; Bamberger/Roth/Grothe, § 355,
Rn. 12; jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn. 24; Erman/Saenger, § 355, Rn. 7;
AnwKomm/Ring Rn. 45; Zhang, Widerrufsrecht, S. 124.
B. Ausübung
267
1
riffs „Widerruf“ bedarf es jedoch nicht. Vielen Verbrauchern ist dieser
Begriff gar nicht geläufig oder es wird umgangssprachlich von Rückgabe oder Umtausch gesprochen, so dass das Verbraucherschutzrecht
seinen Schutzzweck nur entfalten kann, wenn auch solche umgangssprachlichen Äußerungen als Widerruf gedeutet werden, wenn der
Verbraucher die Kaufpreisrückerstattung begehrt.
Aus Verbraucherschutzgründen steht auch die Verwendung einer falschen juristischen Terminologie (z.B. „Rücktritt“, „Kündigung“) der
2
Ausübung des Widerrufs nicht entgegen. Gleiches gilt für eine Begründung des Widerrufs mit Irrtum, Täuschung oder mangelhafter Leis3
tung. Anders ist liegt allerdings der Fall, wenn der Verbraucher die
Rücksendung mit einem Mangel der Ware begründet und durch Verlangen einer Neulieferung oder Kaufpreisreduzierung zum Ausdruck
bringt, dass er am Vertrag festhalten und kaufvertragliche Nacherfüllungsansprüche geltend machen will. Kein Widerruf liegt weiterhin vor,
wenn der Verbraucher erklärt, er habe „eine Rücksendung“, ohne die
Ware zurückzusenden oder den Grund der Rücksendung zu nennen.
Hierin ist – im Gegensatz zur tatsächlichen kommentarlosen Rücksen4
dung – keine wirksame Widerrufserklärung zu sehen.
Nach § 355 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1 BGB bedarf die Widerrufserklärung
keiner Begründung, da der Verbraucher seinen Widerruf in keiner Wei5
se rechtfertigen müssen soll. Daher ist auch jede Forderung des Händlers, den Rücksendegrund zu nennen, wie dies häufig auf Retourenscheinen geschieht, unzulässig. Bei der Gestaltung entsprechender Bitten
ist unbedingt darauf zu achten, dass klargestellt wird, dass die Nennung
eines Grundes rein freiwillig ist und die Ausübung des Widerrufsrechtes
nicht beeinträchtigt. Zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung und
zur Wettbewerbswidrigkeit der Geschäftspraktik führen regelmäßig
Verlangen nach vorheriger Ankündigung des Widerrufs oder der Rücksendung, Verwendung eines Retourscheines, Freimachung des Paketes,
Beifügen der Rechnung oder einer Rechnungskopie oder sonstige Be6
dingungen, an die die Ausübung des Widerrufsrechts geknüpft wird.
1
Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn. 12; MünchKommBGB/Masuch, § 355, Rn.
34; Härting, Internetrecht, S. 164, Rn. 657; Bülow/Artz/Bülow, S. 74 Rn. 11; Zhang,
Widerrufsrecht, S. 124.
2
AG Wuppertal, JurPC Web-Dok. 24/2009; Erman/Saenger, § 355, Rn. 7;
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d, Rn. 75; Zhang, Widerrufsrecht, S. 124.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d, Rn. 75.
4
AG Schopfheim, MMR 2008, 427.
5
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 87; Erman/Saenger, § 355,
Rn. 7; Lütcke, Fernabsatzrecht, § 312d, Rn. 23.
6
Vgl. jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn. 24.
268
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
II. Rücksendung der Sache
Nach § 355 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. BGB kann der Widerruf auch durch
Rücksendung der Sache erklärt werden. Häufig bleibt bei dieser Ausübungsform unklar, ob der Verbraucher mit bloßer Rücksendung des
Paketes eine Rückabwicklung des Vertrages oder Nacherfüllung des
Kaufvertrages begehrt, insbesondere, wenn defekte Ware ohne weitere
Erklärung oder nur mit der Erklärung, die Ware sei defekt, zurückgeschickt wird. Hier wird der Unternehmer im Zweifel von der für den
Verbraucher vorteilhafteren konkludenten Erklärung ausgehen müssen.
Hat der Verbraucher die Ware zu einem besonders günstigen Preis
erworben, begehrt er aber möglicherweise Nacherfüllung durch Neulieferung, die für ihn günstiger ist als die Rückabwicklung des Vertrages.
1. Ausübungsform des Widerrufs
Der Widerruf durch Rücksendung bedeutet eine gewisse Erschwernis
für den Verbraucher, weil dieser gezwungen wird, innerhalb der Widerrufsfrist ein Postamt aufzusuchen und die Ware aus seinem Besitz zu
geben, ohne die Gewissheit zu haben, dass der Händler auch den (vollen) Kaufpreis rückerstattet. Andererseits hat der Verbraucher den Vorteil, dass er mit dem Ablieferlieferbeleg, der bei einem Paketversand
zum Leistungsumfang des Transportunternehmens gehört, zugleich
einen Zugangsnachweis für seinen Widerruf hat.
Ein weiterer entscheidender Vorteil für den Verbraucher besteht darin, dass der Unternehmer im Fernabsatz gemäß § 357 Abs. 2 S. 2 BGB
die Gefahr der Rücksendung trägt. Obwohl die Rücksendung also ebenso wie die Widerrufserklärung eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Verbrauchers ist, kommt es entgegen § 130 Abs. 1 Satz 1
BGB für deren Wirksamkeit nicht auf den Zugang beim Unternehmer
1
an. Vielmehr wird der Zugang fingiert. Der Widerruf durch Rücksendung ist also bereits mit Absendung der Ware (§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB)
wirksam ausgeübt.
Geht die Sache unter, muss der Unternehmer freilich gleichwohl im
Nachhinein Kenntnis von der Ausübung des Widerrufs durch Rücksendung erlangen, damit die Kaufpreisrückerstattung fällig ist. Dies kann
dadurch geschehen, dass der Verbraucher die Absendung der Sache
während der Widerrufsfrist nachweist. Insofern ist der in der MusterWiderrufsbelehrung des BMJ vorgesehene Passus „Verpflichtungen zur
Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklä1
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 26; jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn.
22; Erman/Saenger, § 356, Rn. 8.
B. Ausübung
269
rung oder der Sache, für uns mit deren Empfang.“ nicht falsch, da auch
bei Untergang einer Sache, mit deren Rücksendung der Widerruf ausgeübt wurde, die 30-Tage-Frist für den Unternehmer erst ab Zugang
eines (dann durch Übersendung des Absendebelegs erklärten) wiederholten Widerrufs laufen kann. Anderenfalls könnte der Unternehmer in
Verzug geraten, ohne dass er je von der Ausübung des Widerrufs und
damit seiner Rückerstattungspflicht erfahren hat.
2. Einräumung eines Rückgaberechtes, § 356 BGB
Durch Rücksendung der bestellten Ware und ohne weitere Erklärung
an den Unternehmer wird auch das Rückgaberecht nach § 356 BGB
ausgeübt. Der Unternehmer kann gemäß § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB
dem Verbraucher bei Warenlieferungen anstelle des Widerrufsrechtes –
1
auch bei Internetangeboten – ein Rückgaberecht nach § 356 BGB einräumen. Dies bezweckt die Sicherung des Interesses des Anbieters am
2
Rückerhalt der gelieferten Waren. Während es beim Widerrufsrecht
vorkommen kann, dass der Unternehmer der Ware „hinterher klagen“
muss, weil der Verbraucher diese nicht sofort zurückschickt, sondern
nur den Widerruf erklärt, ist der Unternehmer beim Rückgaberecht
3
sicher, die Ware zeitnah zurück zu erhalten. Denn der Verbraucher
kann sich, soweit die Ware paketversandfähig ist, nur durch Rücksendung der Ware vom Vertrag lösen. Wenn der Kunde den Kaufpreis
schon gezahlt hat, wird der Unternehmer diesen aber auch bei Erklärung des Widerrufs regelmäßig solange zurückhalten, bis auch die Ware
unversehrt wieder eingetroffen ist.
Hingegen muss der Unternehmer beim Rückgaberecht stets die Rücksendekosten tragen, die beim Widerrufsrecht dem Verbraucher in bestimmten Fällen durch Vereinbarung auferlegt werden können. Auch
muss der Verbraucher wegen der Regelung der Transportgefahr (§ 357
Abs. 2 S. 2 BGB) nicht den Zugang der Ware, sondern nur deren Absendung nachweisen.
1
Vgl. Waldenberger, BB 1996, 2365, 2369 f.
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 1.
3
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 101; Wilmer/Hahn/Hahn,
§ 356 Rn. 1; MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 12; Erman/Saenger, § 356, Rn.
1; jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 6; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im
Internet, Rn. 227; Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 18; Härting, Internetrecht, S. 169, Rn. 674; Schmittmann, K&R 2003, 385, 391.
2
270
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
a) EU-Rechtskonformität
Die Regelung des § 312d Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 356 BGB beruht
1
ebenso wie das Widerrufsrecht auf der Umsetzung der FARL. Es
handelt es sich um eine Bedingung und Einzelheit der Ausübung des
Widerrufsrechts, die die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 14 der
2
Richtlinie treffen können. Obwohl die Richtlinie selbst keine Ersetzungsmöglichkeiten für den Widerruf vorsieht, bestehen gegen die Vereinbarkeit der Regelung mit EG-Recht keine Bedenken. Nach Art. 249
Abs. 3 EGV i.V.m. Art. 14 FARL sind die Mitgliedstaaten berechtigt,
einen über den in der Richtlinie vorgesehenen Mindestmaßstab hinausgehenden Verbraucherschutz zu gewährleisten. Im Rahmen des eingeräumten Rückgaberechts genießt der Verbraucher eine gegenüber der
Mindestvorgabe der FARL verlängerte Rückgabefrist von zwei Wochen
sowie den Ausschluss einer Auferlegung der Rücksendekosten. Überdies
ist das Recht bereits wirksam ausgeübt, wenn die Ware abgeschickt
wird, nicht erst wenn sie zugeht. Diese Vorteile für den Verbraucher
reichen für den Ausgleich der gewissen Erschwerung der Ausübung des
3
Rückgaberechts aus.
b) Vereinbarung des Rückgaberechts
Nach § 356 Abs. 1 S. 1 BGB kann das Widerrufsrecht durch ein „uneingeschränktes“ Rückgaberecht ersetzt werden. Ebenso wie das Widerrufsrecht darf selbstverständlich auch das Rückgaberecht nicht unzulässig eingeschränkt werden, etwa durch Klauseln, die den Kunden
zur Ankündigung der Rücksendung, Frankierung des Paketes, Verwendung der Originalverpackung o.ä. verpflichten. Stellt der Unternehmer
die Vereinbarung des Rückgaberechts unter solche Bedingungen, findet
keine wirksame Ersetzung statt, so dass dem Verbraucher das gesetzliche (uneingeschränkte) Widerrufsrecht zusteht. § 356 BGB trifft keine
weiteren Vorschriften über den Inhalt der Belehrung. Aus systematischen Gründen sind daher die Bestimmungen des § 355 Abs. 2 Satz 1
4
BGB entsprechend anzuwenden. Die wirksame Vereinbarung ist an
eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft.
1
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 5; a.A. jurisPK-BGB/Wildemann, § 356,
Rn. 3.
2
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 44 (zu § 361b BGB a.F.).
3
FernAbsG-RegE, BT-Drucks. 14/2658, S. 44 (zu § 361b BGB a.F.); MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 5; Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 4; AnwKomm/Ring, § 356 Rn. 5.
4
jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 18.
B. Ausübung
271
aa) Rückgabebelehrung im Verkaufsprospekt
Für die Ersetzung des Widerrufsrechtes durch ein Rückgaberecht ist
nach § 356 Abs. 1 S. 1 BGB erforderlich, dass dieses „beim Vertragsschluss auf Grund eines Verkaufsprospektes“ eingeräumt wird. § 356
Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB bestimmt, dass im Verkaufsprospekt eine deutlich gestaltete Belehrung enthalten sein muss. Mit dem Begriff des Verkaufsprospekts sind zwar primär Druckerzeugnisse gemeint. Nach
einhelliger Meinung reicht sind aber auch elektronische Präsentationen
in lesbarer Form, z.B. CD-ROMs oder Internet-Shops vom Begriff um1
fasst, die Produktbeschreibungen und Konditionen enthalten. Die
Flüchtigkeit von Internetpräsentationen nimmt der Gesetzgeber in
§ 356 BGB ausdrücklich hin, da dort nur für die Rückgabebelehrung
(Nr. 3), nicht aber für den Verkaufsprospekt (Nr. 1) das Textformer2
3
fordernis gilt. Die Belehrung muss deutlich gestaltet sein, damit das
Widerrufsrecht wirksam ersetzt wird, so dass bei Einräumung eines
Rückgaberechts ein besonders hohes Maß an Transparenz (z.B. durch
einen Link namens „Rückgaberecht“ in der Menüleiste auf jeder Seite)
4
empfehlenswert ist.
Für die nach § 356 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Kausalität zwischen Verkaufsprospekt und Vertragserklärung des Verbrauchers
(„aufgrund eines Verkaufsprospekts“) gilt der Beweis des ersten Anscheins, da die Vermutung besteht, dass der Prospekt zumindest mitur5
sächlich für die Kaufentscheidung des Verbrauchers war. Die Belehrung kann aufgrund von § 355 Abs. 2 S 2 BGB auch nachgeholt
6
werden.
1
So schon FernAbsG-RegE, BT-Drucks 14/2658, S. 6, 48; Rechtsausschuss, BTDrucks 14/3195, S. 33; Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 2; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 103; MünchKommBGB/Masuch, § 356
Rn. 9; Staudinger/Kaiser, § 356 Rn. 12; AnwKomm/Ring, § 356 Rn. 12; Meents,
Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, S. 65 ff; Härting, Internetrecht,
S. 168, Rn. 672.; Bülow/Artz/Bülow, S. 93 Rn. 73; Rünz, Verbraucherschutz im
Fernabsatz; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1285; Lorenz, JuS 2000, 833, 838.
2
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 105; Hk-VertriebsR/Tonner, § 356, Rn. 6; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 232.
3
Wilmer/Hahn/Hahn, § 356 Rn. 9; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 231; Bülow/Artz/Bülow, S. 94 Rn. 77; zum Transparenzerfordernis Teil 5 A
II.
4
Vgl. MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 19.
5
jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 12; Bülow/Artz/Bülow, S. 93 Rn. 74.
6
Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 2; Erman/Saenger, § 356, Rn. 5; MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 24; a.A. nur jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn.
17.
272
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
bb) Kenntnisnahmemöglichkeit in Abwesenheit des Unternehmers
Für die wirksame Einräumung eines Rückgaberechts ist es weiterhin
erforderlich, dass der Verbraucher vom Verkaufsprospektinhalt in Abwesenheit des Unternehmers Kenntnis nehmen kann (§ 356 Abs. 1 S. 2
Nr. 2 BGB). Es bedarf also nur der Möglichkeit, nicht der tatsächlichen
1
Kenntnisnahme. Ziel der Vorschrift ist es, dem Verbraucher Gelegenheit zu geben, unter Abwägung der entsprechenden Risiken eine infor2
mierte, vom Unternehmer unbeeinflusste Entscheidung zu treffen. Überwiegend wird zutreffend vertreten, eine zeitliche Beschränkung auf
eine bestimmte Zeitspanne sei unzulässig, da im Einzellfall unterschiedliche Faktoren in Betracht zu ziehen sind und eine solchen Beschränkung gegen Wortlaut und Zweck des § 356 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB
3
verstößt.
Vielmehr ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme nur dann zu verneinen, wenn der Verbraucher binnen einer unangemessen kurzen Frist
gezwungen wird, sich auf Grundlage des Verkaufsprospektes für oder
gegen das Geschäft zu entscheiden. In Onlineshops ist die Möglichkeit
der eingehenden Kenntnisnahme gegeben, wenn der Verbraucher die
Ware ohne zeitliche Beschränkung bestellen kann und lediglich durch
die Erschöpfung des Lagerbestandes limitiert wird. Anders kann der
Fall liegen, wenn ein knapper Lagerbestand gezielt für Marketingaktionen genutzt wird (z.B. Rabattaktionen, „Live Shopping“) und der
Verbraucher so zu übereilten Entscheidungen ohne Kenntnisnahme der
4
Konditionen gedrängt wird. Dies gilt umso mehr, wenn das Rückgaberecht nicht permanent in der Navigation des Shops, sondern erst auf
der Bestellseite verlinkt wird. Solche Modelle sind allerdings eher im
TV- als im Online-Shopping vorzufinden („Nur noch X Stück – rufen
Sie jetzt an!“).
cc) Einräumung in Textform
Schließlich ist Voraussetzung der wirksamen Ersetzung des Widerrufs5
durch das Rückgaberecht, dass dieses in Textform i.S.v. § 126b BGB
eingeräumt wird (§ 356 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB). Die Belehrung in Text-
1
Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 2; Erman/Saenger, § 356, Rn. 6; Staudinger/Kaiser, § 356 Rn 21; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 234.
2
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 25.
3
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 21; Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn.
2; Erman/Saenger, § 356, Rn. 6; AnwKomm/Ring, § 356 Rn. 18; Palandt/Grüneberg,
§ 356 Rn. 6; Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 234.
4
Vgl. jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 19.
5
Vgl. zur Textform ausführlich Teil 3 A II 2.
B. Ausübung
273
form muss die gleichen Angaben enthalten wie die Belehrung im Pros1
pekt und muss auch genau so deutlich gestaltet werden.
Fraglich ist, wann die Einräumung in Textform erfolgen muss. § 356
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB enthält keine Vorgaben über den maßgeblichen Zeitpunkt. Allerdings wird vereinzelt aus § 356 Abs. 1 Satz 1 BGB
(„beim Vertragsschluss“) gefolgert, dass die Vorschrift Angaben zum
2
3
Zeitpunkt enthält. So waren das LG Leipzig und das LG Berlin der
Ansicht, dass bei Verkäufen über die Plattform eBay dem Verbraucher
nicht anstelle des Widerrufsrechtes ein Rückgaberecht eingeräumt werden könne, weil dieses nach § 356 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB in Textform
4
vor Vertragsschluss einzuräumen sei. Auch im Schrifttum wird vereinzelt vertreten, aus dem Wortlaut könne man bei restriktiver Auslegung
schließen, dass die Einräumung des Rückgaberechts spätestens bei Vertragsschluss in Textform erfolgen müsse, da in § 356 Abs. 1 S. 2 BGB
von Voraussetzung die Rede sei, was sich wiederum auf § 356 Abs. 1
S. 1 BGB beziehe, in dem es „bei Vertragsschluss“ heiße. Hingegen
5
meint das LG Düsseldorf zutreffend, das Widerrufsrecht könne auch
beim Handel über die Auktionsplattform eBay durch ein Rückgaberecht ersetzt werden. Auf das Rückgaberecht müsse nach § 356 Abs. 1
BGB nicht vor Vertragsschluss in Textform hingewiesen werden. Wie
das Widerrufsrecht hänge das Rückgaberecht in seinem Bestand nicht
von der Textform der Belehrung ab, diese sei lediglich für die Fristsetzung von Bedeutung.
Abgesehen davon, dass es in § 356 Abs. 1 S. 1 BGB nicht „bei“, sondern „beim“ heißt und dies keinesfalls gleichbedeutend mit „vor“ ist,
6
sondern auch „unmittelbar nach“ Vertragsschluss sein kann, bezieht
sich diese Angabe nach zutreffender Ansicht schon vom Wortlaut nicht
auf den Zeitpunkt der Einräumung in Textform. Zwar verlangt das
Gesetz in § 356 Abs. 1 S. 1 BGB, dass das Widerrufsrecht schon im
Vertrag ersetzt wird, um dem Verbraucher frühzeitig Gewissheit darüber zu geben, ob ihm ein Widerrufs- oder Rückgaberecht zusteht;
allerdings erfordert § 356 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB nicht, dass bereits zu
diesem Zeitpunkt das Rückgaberecht in Textform mitgeteilt worden ist,
7
denn dort findet sich überhaupt keine Angabe zum Zeitpunkt. Auch
1
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 23; jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn.
21.
2
LG Leipzig, Beschluss v. 27.6.2007 – 05 HK O 2050/07.
LG Berlin, Beschluss v. 7.5.2007 – 103 O 91/07.
Woitkewtisch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 63; ebenso Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 229.
5
LG Düsseldorf, Beschluss v. 20.11.2008 – 38 O 61/08; ebenso: LG Mainz, Beschluss v. 30.9.2008 – 10 HK O 63/08; Schlömer/Dittrich, K&R 2009, 145, 150.
6
Dazu Teil 3 A III 1 f).
7
Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 437.
3
4
274
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
systematisch macht die Gegenauffassung keinen Sinn, denn würde man
verlangen, dass dem Verbraucher das Rückgaberecht schon bei Vertragsschluss in Textform mitgeteilt wird, so wäre § 356 Abs. 1 S. 2
Nr. 1 BGB überflüssig.
Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 356 BGB ergibt sich, dass
das Rückgaberecht mit Blick auf das Internet gerade nicht davon abhängig sein sollte, dass dem Verbraucher der Verkaufsprospekt, in dem
eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht enthalten
sein muss, auf einem dauerhaften Datenträger beziehungsweise in Text1
form zur Verfügung steht. Die im Gesetzentwurf zunächst vorgesehene
Formulierung der Vorschrift wurde aufgrund der Beschlüsse des
2
Rechtsausschusses nochmals angepasst und abgeändert. Auch in Gestaltungshinweis Nummer 1 der Anlage 3 zu § 14 Abs. 2 und 3 BGBInfoV (Muster für die Rückgabebelehrung) wird ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass die Rückgabefrist „einen Monat“ beträgt, wenn diese
Belehrung in Textform erst nach Vertragsschluss mitgeteilt wird, so
dass diese Möglichkeit bestehen muss.
Es ist also davon auszugehen, dass die Einräumung des Rückgabe3
rechts auch nach Vertragsschluss erfolgen kann. Da allerdings die
Einräumung des Rückgaberechts nach Vertragsschluss eine Vertragsänderung darstellt, bleibt die Vereinbarung der Ersetzung des Widerrufsrechts bis zum Einverständnis des Verbrauchers schwebend unwirksam.
In diesem Zeitraum finden die Vorschriften des § 355 BGB Anwen4
dung. Für den Fristbeginn ist dann die Nachholung der Einräumung
der maßgebliche Zeitpunkt und die Rückgabefrist verlängert sich –
5
soweit die Belehrung nicht unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgt –
6
entsprechend § 355 Abs. 2 S. 2 BGB auf einen Monat. Wird allerdings
überhaupt nicht nachbelehrt, findet keine wirksame Ersetzung des
Rückgaberechtes statt, so dass das gesetzliche Widerrufsrecht greift, mit
der Folge, dass über dieses überhaupt nicht belehrt wurde, da eine
Rückgabebelehrung keine Widerrufsbelehrung ist, so dass die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB überhaupt nicht in Gang gesetzt
7
wird (unbefristetes Widerrufsrecht).
1
BT-Drucksache 14/3195, S. 33.
Schlömer/Dittrich, K&R 2007, 433, 437.
3
So die ganz h.M., siehe nur MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 24; jurisPKBGB/Wildemann, § 356, Rn. 21 m.w.N.
4
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 24.
5
Zum Belehrungszeitpunkt „bei“ und der Fristlänge Teil 3 A III 1 b).
6
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 24; jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn.
21.
7
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 25.
2
B. Ausübung
275
1
Mit der vorgesehenen Änderung in § 356 Abs.1 Satz 2 BGB-E wird
auf das Erfordernis der Textform für die Einräumung des Rückgaberechts zukünftig verzichtet. Damit wird die Regelung zum Rückgaberecht der des Widerrufsrechts angeglichen. Die vorstehenden Streitfragen erledigen sich damit.
c) Paketversandfähigkeit
Nach § 356 Abs. 2 S. 1 BGB ist es erforderlich, dass die Ware paketversandfähig ist. Zweck dieser Regelung ist, dass dem Verbraucher die –
im Gegensatz zur Absendung einer Widerrufserklärung mit mehr Aufwand verbundene – Rücksendung zumutbar sein und seine Rechtsausübung nicht vereiteln soll. Ist die Ware nicht paketversandfähig, wird
das Rückgaberecht durch bloßes Rücknahmeverlangen ausgeübt, für
das nach § 356 Abs. 2 S. 2 BGB die Regelungen in § 355 Abs. S 2 BGB
über die Widerrufserklärung entsprechend gelten. Unstreitig ist die
Paketversandfähigkeit dann nicht gegeben, wenn die Ware schon beim
Versand durch den Unternehmer nicht als Paket, sondern mit einer
Spedition transportiert wurde. Strittig ist, wann in anderen Fällen eine
Paketversandfähigkeit der Ware gegeben ist.
aa) Deutsche Post AG
Überwiegend wird eine Paketversandfähigkeit verneint, wenn der bei
der Deutschen Post AG maßgebliche Grenzwert von 20 kg überschrit2
ten ist. Unbedeutend sei, ob die Rücksendung mit einem anderen Pa3
ketdienst erfolgen kann. Im Lichte der FARL, die ein Rückgaberecht
nicht vorsieht, und nach dem Gebot der gemeinschaftskonformen Auslegung aus Art. 10 Abs. 1 S. 2 EG sei eine Interpretation des Begriffs
nicht denkbar, wonach der der Verbraucher einen privaten Transpor4
teur in Anspruch nehmen muss, um den Rückversand zu veranlassen.
Es bleibe dem Verbraucher zwar unbenommen, einen anderen Versender zu beauftragen, er dürfe hierzu jedoch nicht verpflichtet sein. Sinn
und Zweck der Regelung sei es auch, den Verbraucher vor einem unzumutbaren Transport von schweren Paketen über lange Strecken zu
5
schützen.
1
BT-Drucks. 16/11643 v. 21.1.2009; dazu Teil 7 B I.
Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 243 unter Berücksichtigung
von § 25 Abs. 5 PostO a.F.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 4; MünchKommBGB/Masuch, § 356 Rn.
27 und Fn 68; Staudinger/Kaiser, § 356 Rn. 38; Erman/Saenger, § 356 Rn. 10.
4
Bamberger/Roth/Grothe, § 356, Rn. 4 unter Berufung auf BT-Drucks 14/6857
S. 57.
5
Hk-VertriebsR/Tonner, § 356, Rn. 10.
2
276
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
bb) Weitere private Versender
1
Die Gegenansicht sieht eine Paketversandfähigkeit auch in weiteren
Fällen als gegeben an. Es komme nicht allein darauf an, ob die Deutsche Post AG einen Paketversand anbiete. Zum einen sei die frühere
Formulierung „bei nicht postpaketversandfähigen Sachen“ aus § 8
VerbrKrG a.F in § 356 BGB nicht zu finden. Zum anderen können die
AGB eines privaten Unternehmens wie die Deutsche Post AG nicht als
Maßstab gesetzt werden, da dadurch der freie Markt im Paketdienst
außer Acht bleibe. Der Verbraucher sei heutzutage auch gewöhnt, verschiedene Versandunternehmen in Anspruch zu nehmen. Oft arbeite ein
Händler auch mit einem bestimmten Transporteur zusammen und biete
einen Abholservice oder Abgabe in bestimmten Paketannahmestellen
2
an. Daher sei es dem Verbraucher zuzumuten, die bestellte Ware als
Paket zurückzusenden, wenn er sie als Paket erhalten hat.
cc) Stellungnahme
Der Wortlaut des § 356 BGB lässt keinesfalls darauf schließen, dass
eine Paketversandfähigkeit nur dann vorliegt, wenn die Deutsche Post
AG diese Leistung anbietet. Andererseits läuft es dem Zweck der Vorschrift, dem Verbraucher die Rückgabe vergleichbar leicht wie die Abgabe der Widerrufserklärung zu machen, zuwider, wenn man stattdessen eine Nicht-Paketversandfähigkeit nur annimmt, wenn die Sache nur
3
mit einer Spedition versendet werden kann und ansonsten jedes weitere
Versandunternehmen, das einen Paketversand anbietet, als der Post
gleichwertig einstuft. Denn nicht alle Versender ermöglichen dem
Verbraucher eine vergleichbar einfache Rücksendung und häufig sind
auch nicht alle Versender bzw. möglichen Versandarten bekannt.
Die Rücksendepflicht aus dem in ein Rückgewährschuldverhältnis
gewandelten Fernabsatzvertrag ist nach § 241 Abs. 2 BGB unter Rück4
sicht auf die Interessen des anderen Teils auszuführen. Wiegt nun ein
5
Paket 25 kg, kann es in einem Hermes Paketshop abgegeben werden,
die Deutsche Post AG nimmt ein solches Paket nicht an. Bestehen nun
diese zwei Möglichkeiten und weiß der Verbraucher dies, so muss er
wegen dieser Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB die mögliche Variante auswählen, vorausgesetzt sie ist für ihn nicht mit Mehraufwand verbunden. In dem Beispiel des 25 kg Paketes, das an einen in
1
jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 25.
Vgl. jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn. 25.
3
So die BReg, BT-Drucks 14/6857, S 57.
4
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
5
Hier ist ein Versand bis 25 kg möglich, bei Abholung beim Verbraucher sogar
bis 31,5 kg. Siehe http://www.hermes-logistik-gruppe.de/HLG/wg_hlg.nsf/content
ByKey/KGRE-6MEACK-DE-p (Stand: 6.4.2009).
2
B. Ausübung
277
einer Stadt wohnenden Kunden verschickt wurde, ist für diesen die
Abgabe in einem Hermes-Paketshop mindestens genauso einfach, wenn
nicht noch einfacher als die Abgabe in einer Post-Filiale, da die lokale
Abdeckung mit Abgabestellen genauso hoch oder höher ist und die
Öffnungszeiten vergleichbar oder besser sind. Überdies werden Pakete
auf Veranlassung sogar einfach zu Hause abgeholt.
Anders liegt der Fall, wenn ein 40 kg schweres Möbelstück in zwei
sperrigen Paketstücken mit GLS versendet wird. Hier handelt es sich
zwar auch im einen „Paketversand“ und nicht Speditionsversand, es
gibt aber keine vergleichbare Abdeckung mit Annahmestellen und es
würde dem Verbraucher auch erheblich Schwierigkeiten bereiten, solche Pakete dorthin zu transportieren. Gleiches gilt, wenn der Verbraucher auf einer Nordsee-Insel wohnt, auf der es nur eine Postfiliale und
keine weiteren Versender gibt. Hier müssen die Konditionen der Deutschen Post AG allein maßgeblich für die Beurteilung der Versandfähigkeit sein.
Fraglich ist auch, ob vom Verbraucher verlangt werden kann, dass er
1
sich selbst über die verschiedenen Versandmöglichkeiten informiert.
Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, in dem ihm fremden Pflichtenund Interessentenkreis des Unternehmers tätig zu werden und für diesen
einen möglichen Versender herauszusuchen. Im eigenen Interesse sollte
der Unternehmer dem Verbraucher daher einen möglichen Rückver2
sandweg deutlich aufzeigen. Dem Verbraucher kann dann abverlangt
werden, diesen auch zu nutzen. Die Vorgaben der Deutschen Post AG
für Pakete können daher außer Betracht bleiben, wenn der Verbraucher
auf eine geeignete Rücksendemöglichkeit hingewiesen worden ist, die
keinen erheblich größeren Aufwand verursacht als das Aufsuchen der
3
nächsten Postfiliale oder -agentur.
d) Ausübung vor Erhalt der Lieferung
Der Verbraucher kann auch das Rückgaberecht schon vor Versand der
Ware ausüben, indem er dem Unternehmer schriftlich erklärt, dass er
keine Lieferung der Ware mehr wünscht. Der Unternehmer kann nicht
verlangen, dass der Verbraucher die Ware erst abnimmt, obwohl er zur
sofortigen Rücknahme verpflichtet ist (Dolo agit, qui petit, quod statim
redditurus est). Vielmehr wäre ein solches Verhalten geeignet, Hürden
bei der Ausübung des Rückgaberechtes aufzubauen. Wenn die Ware
erst einmal ausgeliefert ist, ist eine Rückabwicklung mit viel mehr
Überwindung und Aufwand verbunden als eine „Stornierung“ vor
1
2
3
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
A.A. Aigner/Hoffmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 243.
Erman/Saenger, § 356, Rn. 9; Brönneke, MMR 2004, 127, 132.
278
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Lieferung. Diesen Aufwand wird mancher Verbraucher scheuen. Der
nationale Gesetzgeber darf nach Erwägensgrund 14 FARL nur die Bedingungen und Einzelheiten für die Ausübung des Widerrufsrechtes
festlegen. Der Verbraucher darf daher bei gemeinschaftskonformer
Auslegung durch das Rückgaberecht nicht schlechter gestellt werden als
bei Geltung des gesetzlichen Regelfalls (Widerrufsrecht).
3. Rücksendung durch Nicht-Annahme der Lieferung
Außer der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Erleichterung der Widerrufsrechtsausübung durch die bloße Rücksendung der Ware, sind
keine anderen konkludenten Formen zulässig. Insbesondere ist eine
1
Verweigerung der Kaufpreiszahlung nicht ausreichend. Fraglich ist
daher, ob dem Verbraucher ermöglicht werden muss, das Widerrufsoder Rückgaberecht durch bloße Nichtannahme der Ware auszuüben.
Dies führt zwangsläufig zu einer unfreien und damit für den Unternehmer kostspieligen Rücksendung. Daher wurde vorgeschlagen, dem
Verbraucher, der die Zusendung der Ware veranlasst hat, zumindest die
2
Pflicht aufzuerlegen, die Ware anzunehmen und dann zurückzusenden.
Sieht der Versender jedoch kein besonderes kostenminimierendes Rücksendeverfahren vor, muss der Verbraucher das Paket aber auch unfrei
aufgeben können, weil er nicht gezwungen werden kann, hinsichtlich
der Rücksendekosten in Vorleistung zu treten, falls er diese Kosten –
3
wie im gesetzlichen Regelfall – nicht tragen muss.
Die Nicht-Annahme des Paketes ist also vom wirtschaftlichen Ergebnis nichts anderes als eine unfreie Rücksendung. Die Verweigerung der
Annahme eines Paketes mit Veranlassung der Rücksendung durch den
Postbediensteten ist daher zutreffend als Widerruf durch Rücksendung
4
i.S.v. § 355 Abs. 1 S. 2 BGB oder als Ausübung des Rückgaberechts
nach § 356 BGB zu deuten. Voraussetzung ist freilich, dass der
Verbraucher das Paket wirklich nicht haben wollte, z.B. weil ihm der
Händler nach seiner Bestellung doch unzuverlässig erschien und er die
Auseinandersetzung scheut, die entstehen könnte, wenn die Ware erst
einmal in seinem Gewahrsam war oder auch, weil ihm die Ware schon
augrund des Eindrucks der Transportverpackung minderwertig erscheint. Wird ein Paket durch den Transporteur also automatisch an
den Absender zurückgeschickt, besteht für Annahmeverzug kein
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 79; FernAbsG-RegE, BT-Drucks.
14/2658 S. 47.
2
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 10.
3
Siehe dazu Teil 4 C I 3 und II..
4
AG Bautzen, Urteil v. 10.5.2008, 22 C 0083/07; Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312d, Rn. 88.
B. Ausübung
279
1
Raum, wenn der Kunde nicht nachträglich zu erkennen gibt, dass er
den Händler an der Lieferpflicht festhalten möchte.
Wird das Paket hingegen einfach nicht angenommen, weil der
Verbraucher mehrfach nicht zu Hause ist und es versäumt, das Postamt
oder die Packstation aufzusuchen, ist in der Nicht-Annahme keine
Rücksendung und auch keine konkludente Widerrufserklärung zu sehen, denn der Verbraucher will sich dann nicht vom Vertrag lösen,
sondern kommt seiner Abnahmepflicht nicht nach. Auch wenn Ware
nicht angenommen und daraufhin in Kenntnis des Verbrauchers beim
Versender eingelagert wird, wie dies z.B. Speditionsware oder auch
Sendungen aus dem Ausland häufig der Fall ist, besteht durchaus Raum
für Annahmeverzug, da hier kein durch die Rücksendung betätigter
2
eindeutiger Wille für die Gestaltungserklärung erkennbar wird. Auch
in solchen Fällen ist in der Nicht-Annahme keine Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechtes zu sehen.
4. Zwischenergebnis
Die Möglichkeit, sich vom Vertrag nur durch Rücksendung der Ware
zu lösen, ist in den meisten Fällen für den Verbraucher vorteilhafter,
kann aber auch für den Unternehmer vorzugswürdiger sein. Deshalb
steht die nach dem deutschen Recht zulässige Einräumung eines Rückgaberechts in keinem Widerspruch zu den Vorgaben der FARL. Hierbei
sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten. In Onlineshops kann die
Möglichkeit der eingehenden Kenntnisnahme verneint werden, wenn
ein knapper Lagerbestand gezielt für Marketingaktionen genutzt wird
und der Verbraucher so zu übereilten Entscheidungen ohne Kenntnisnahme der Konditionen gedrängt wird. Dies gilt umso mehr, wenn das
Rückgaberecht nicht permanent in der Navigation des Shops, sondern
erst auf der Bestellseite verlinkt wird. Die Einräumung des Rückgaberechts ist auch bei eBay-Käufen möglich. Wortlaut, Systematik und
Entstehungsgeschichte sprechen gegen die Annahme, eine Belehrung sei
zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig, um wirksam zu sein.
Eine Paketversandfähigkeit der gelieferten Ware ist neben der Versandmöglichkeit als Paket bis 20kg durch die Deutsche Post AG dann
anzunehmen, wenn die Inanspruchnahme anderer Versender dem
Verbraucher die Ausübung seines Rückgaberechts nicht unzumutbar
erschwert. Nicht alle Versender ermöglichen dem Verbraucher eine
vergleichbar einfache Rücksendung und häufig sind auch nicht alle
1
Brönneke, MMR 2004, 127, 130; a.A. AG Niebüll, Urteil v. 18.5.2005 – 8 C
42/05.
2
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380.
280
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Versender bzw. möglichen Versandarten bekannt. Der Verbraucher ist
nicht verpflichtet, in dem ihm fremden Pflichten- und Interessentenkreis
des Unternehmers tätig zu werden und für diesen einen möglichen Versender herauszusuchen. Im eigenen Interesse sollte der Unternehmer
dem Verbraucher daher einen möglichen Rückversandweg deutlich
aufzeigen. Dem Verbraucher kann dann abverlangt werden, diesen
auch zu nutzen, wenn dies keinen erheblich größeren Aufwand darstellt.
Mit Ausnahme der Nichtannahme des Paketes sind keine weiteren
Möglichkeiten, den Vertrag konkludent zu widerrufen, zulässig. Bei der
Nichtannahme des gelieferten Pakets ist eine differenzierte Betrachtung
geboten. Wollte der Verbraucher die Ware nicht haben, kann dies als
konkludenter Widerruf angesehen werden, da die Nichtannahme vom
wirtschaftlichen Ergebnis nichts anderes als eine unfreie Rücksendung
ist. Konnte der Verbraucher jedoch mehrmals nicht erreicht werden,
obwohl er das Paket nach wie vor haben möchte, liegt Annahmeverzug
vor.
III. Ausübungsformen im Europäischen Recht
Die FARL macht keine ausdrücklichen Vorgaben in Bezug auf die Form
der Ausübung. Während nach deutschem Recht ein Widerruf in Textform oder durch Rücksendung der Ware möglich ist, reichen die Formvorgaben in den Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten vom Einschreiben über Schrift- und Textform bis hin zum formlosen (auch
fernmündlichen) Widerruf.
1. Einschreiben
In Italien muss der Widerruf per Einschreiben mit Empfangsbestätigung
1
ausgeübt werden. Alternativ kann der Widerruf zunächst per Telegramm, Fernschreiber, Fax oder E-Mail erfolgen, muss jedoch innerhalb von 48 Stunden durch Zusendung des entsprechenden Einschreibens mit Rückschein bestätigt werden.
1
Art. 64 Abs. 1 VerbraucherGB (IT)
B. Ausübung
281
2. Schriftform und Textform
1
2
3
4
5
In Großbritannien, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, und
Zypern muss der Widerruf schriftlich erklärt werden, wobei in Großbritannien auch eine Erklärung in Textform auf einem dauerhaften
Datenträger dieser Form genügt. In der Slowakei gilt die Schriftformerfordernis nur, sofern nichts Abweichendes vereinbart und der Vertrag
ebenfalls in Schriftform geschlossen wurde. In Griechenland kann der
6
Verbraucher entweder in Text- oder Schriftform widerrufen.
Die Widerrufserklärung in Zypern hat die folgenden Mindestbestandteile aufzuweisen: Den Entschluss, die Vertragserklärung zu widerrufen, das Datum, an dem die Erklärung aufgegeben wurde und den
7
Namen und die Anschrift dessen, an den sich die Erklärung richtet.
3. Formlos und durch Rücksendung der Sache
Die meisten EU-Mitgliedsstaaten haben keine formalen Voraussetzungen für die Ausübung des Widerrufs festgeschrieben. In Belgien, Bulga8
9
10
11
12
13
rien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Irland, Lett14
1
land, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Österreich, Portugal,
1
Art. 10 Abs. 3 DSRs
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594; Country report – Lithuania, S. 21.
3
Art. 7 Abs. 1 S. 1 VerbraucherschutzG (PL); Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594.
4
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 585.
5
Art. 43c Abs. 1 S. 1 VerbraucherschutzG (SI); a.A. Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.594 (keine formalen Voraussetzungen für die Ausübung des
Widerrufsrechtes).
6
Art. 4 Abs. 10 VerbraucherschutzG (GR); Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594.
7
§ 7 Abs. 1 FernabsatzG (CY).
8
Art. 55 Abs. 1 Verbraucherschutzgesetz (BG).
9
Country report – Denmark, S. 19; Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594.
10
§ 56 Abs. 1 Schuldrechtsgesetz (EE); Die englische Übersetzung des § 188
Abs. 1 Schuldrechtsgesetz (EE) spricht davon, dass der Vertrag durch Vorlage einer
entsprechenden Erklärung widerrufen wird („A party withdraws from a contract by
submitting a declaration of withdrawal to the other party.“). § 194 Abs. 2 Schuldrechtsgesetz (EE) ergänzt hierzu, dass ein Widerruf auch in der Rücksendung des
Ware zu sehen ist („Return of a thing by a consumer within the term prescribed for
the return is also deemed to be withdrawal.“).
11
Kapitel 6, § 15 Abs. 1 a.E. Verbraucherschutzgesetz (FI).
12
Art. L121-20 VerbraucherGB (FR).
13
Art. 6 FernabsatzG (IE). Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594.
14
Art. 9 FernabsatzVO (LV); engl. Übersetzung des Art. 14 FernabsatzVO (LV)
erwähnt jedoch das Absenden eines schriftlichen Widerrufs („... but not later than
2
282
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Rumänien, Schweden, Spanien, der Tschechischen Republik und Un2
garn bestehen an die Ausübung des Widerrufsrechts keine formalen
Anforderungen. In Estland, Finnland und Spanien gilt explizit auch eine
Rücksendung der Ware als wirksamer Widerruf. In Portugal stellt auch
ein an den Lieferer oder die zu diesem Zweck vorgesehene Person gerichtetes Einschreiben eine zulässige Ausübung des Widerrufsrechtes
dar.
4. Ausübung nach dem VRRL-E
Im Rahmen der Diskussion um einen gemeinsamen Referenzrahmen
vertraten einige Sachverständige der Interessengruppen die Auffassung,
eine völlig formlose Erklärung solle aus Gründen der Klarheit und
Rechtssicherheit nicht möglich sein, so dass ein minimales Formerfor3
dernis vorzusehen sei. Dem folgt nun auch Art. 14 VRRL-E, der die
Ausübung des Widerrufsrechts regelt. Anders als bislang nach deutschem Recht soll ein Widerruf durch bloße Rücksendung der Ware
(§ 355 Abs. 1 S. 2, § 356 BGB) nicht mehr möglich sein. Vielmehr muss
der Verbraucher den Widerruf auf einem dauerhaften Datenträger erklären, und zwar entweder in einer selbst formulierten Erklärung, oder
indem er das Standard-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B VRRLE verwendet.
a) Standard-Widerrufsformular
Das geplante Standard-Widerrufsformular erschwert dem Verbraucher
den Widerruf unnötig. Dem Verbraucher sollten möglichst wenig formale Auflagen gemacht werden, ein schlichtes Rückzahlungsbegehren
bei Rücksendung der Ware sollte genügen. Es ist unnötig, dass ein
Verbraucher, der 20 einzelne Computerkomponenten bestellt hat, bei
Ausübung des Widerrufsrechtes diese alle noch einmal auf das Widerrufsformular schreibt, wie es Anhang I Teil B VRRL-E vorsieht. Viel4
mehr sollte die Bezugnahme auf eine Bestellnummer genügen. Derzeit
ist nach deutschem Recht das Verlangen des Händlers nach Beifügung
5
der Originalrechung oder einer Rechnungskopie eine unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechts. Das Abschreiben einzelner Rechwithin 30 calendar days from the day when the consumer has sent a written
withdrawal,...“), welcher die 30-tägige Frist zur Erstattung von Zahlungen auslöst.
1
Art. 5 Abs. 1 FernabsatzG (LU); Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium,
S. 594.
2
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 594.
3
Zweiter Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission zum Gemeinsamen
Referenzrahmen (v. 25.7.2007 KOM (2007) 447 endgültig, S. 6.
4
Föhlisch, MMR 2009, 75, 77.
5
LG Düsseldorf, WRP 2006, 1270 = CR 2006, 858 = MMR 2006, 833.
B. Ausübung
283
nungsposten ist eine unsinnige Schikane, die in noch höherem Maße
geeignet ist, den Verbraucher vom Widerruf abzuhalten.
b) Widerruf über Website
Zu erheblichen Problemen dürfte die in Art. 14 Abs. 2 VRRL-E ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit führen, ein Online-Formular für den
Widerruf zu nutzen. Bei im Internet geschlossenen Fernabsatzverträgen
kann der Gewerbetreibende demnach dem Verbraucher zusätzlich zu
den in Absatz 1 genannten Möglichkeiten auch erlauben, das StandardWiderrufsformular auf der Website des Gewerbetreibenden elektronisch auszufüllen und abzuschicken. In diesem Fall hat der Gewerbetreibende dem Verbraucher unverzüglich per E-Mail eine Bestätigung
über den Eingang seines Widerrufs zu übermitteln.
Vielfach werden solche Formulare jedoch nach dem Kauf nicht oder
nicht mehr vorhanden sein oder nicht funktionieren, nämlich dann,
wenn der Verbraucher an einen unseriösen Händler geraten ist, vor
dem das Widerrufsrecht gerade schützen will. Aber auch lautere Unternehmer werden versucht sein, den Widerruf des Verbrauchers im virtuellen Nirvana verschwinden zu lassen, da kein Unternehmer sich den
Widerruf wünscht. Die Annahme der Kommission, dass erfahrungsgemäß viele Verbraucher und Gewerbetreibende die Kommunikation über
1
die Website des Gewerbetreibenden vorziehen, lässt Kenntnisse der
2
realen Gefahren des Internets vermissen.
c) Rücksendefrist für den Verbraucher
Neu ist auch eine Frist zur Rücksendung der Ware für den Verbraucher. Die 30-Tage-Frist galt schon bislang nur für Zahlungsverpflichtungen. Damit ein Gewerbetreibender einem Verbraucher, der die Ware
3
nicht zurückgegeben hat, den Preis nicht erstatten muss, hat der
Verbraucher gemäß Art. 17 Abs. 1 VRRL-E die Waren binnen vierzehn
Tagen ab dem Tag, an dem er dem Gewerbetreibenden seinen Widerruf
mitteilt, an den Gewerbetreibenden zurückzusenden oder zu übergeben,
es sei denn, der Gewerbetreibende hat angeboten, die Waren selbst
abzuholen. Somit werden Fristsetzungen des Unternehmers zur Herausgabe der Widerrufs-Ware künftig entbehrlich, der Verbraucher gerät
nach Ablauf von vierzehn Tagen automatisch in Verzug.
1
Erwägensgrund 29 VRRL-E.
Föhlisch, MMR 2009, 75, 78.
3
Erwägensgrund 32 VRRL-E.
2
284
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
5. Stellungnahme
Ein gänzlich formloser Widerruf führt ebenso wie ein Widerruf über
eine Website zu Beweisproblemen zu Lasten des Verbrauchers. Der
Händler kann hier leicht behaupten, der Widerruf sei niemals ausgeübt
worden. Hingegen ist ein Widerruf per Einschreiben eine zu große
Hürde für den Verbraucher, der gerade im Internet bestellt, weil er
nicht zu den üblichen Ladenöffnungszeiten ein Geschäft betreten kann
oder möchte und dann durch eine solch strenge Form gezwungen wird,
sich während noch restriktiverer Zeiten zur Post zu begeben, um sich
nur so von dem unerwünschten Vertrag lösen zu können.
Die bloße Rücksendung führt hingegen oft zu dem Problem, dass der
Händler nicht weiß, ob der Kunde einen Widerruf, Nachbesserung oder
Neulieferung wünscht. Zu Missverständnissen führen häufig auch vom
Händler selbst erstellte Retourenformulare, auf denen der Rücksendegrund (freiwillig) angegeben werden soll. Ist ein Defekt der Ware der
Rücksendegrund, wird der Verbraucher häufig gleichwohl das Widerrufsrecht ausüben wollen, auch wenn er meint, er sei im Rahmen der
Gewährleistung berechtigt, direkt die begehrte Rückabwicklung des
Vertrages (und nicht erst Nacherfüllung) zu verlangen. Abgesehen davon, dass solche Formulare häufig unbewusst die Widerrufsbelehrung
unzulässig einschränken, läuft der Verbraucher auch Gefahr, unbewusst
das nicht gewollte Gewährleistungsbegehren zu erklären.
Am sinnvollsten erscheint daher eine Ausübungsform, die der geltenden deutschen Rechtslage nahekommt. Der Widerruf kann entweder in
Textform oder durch Rücksendung der Ware erklärt werden. Bei der
Rücksendung sollte der Verbraucher aber deutlich machen müssen,
dass er einen Widerruf wünscht. Diese Erklärung muss jedoch nicht als
„Widerruf“ bezeichnet sein, sondern kann auch lauten: „Ich möchte
mein Geld zurück.“ oder: „Ich habe an der Ware kein Interesse mehr.“
Da der Verbraucher nach Art. 17 Abs. 1 VRRL-E ohnehin künftig
verpflichtet werden soll, die Waren binnen vierzehn Tagen ab dem Tag,
an dem er dem Gewerbetreibenden seinen Widerruf mitteilt, an den
Gewerbetreibenden zurückzusenden oder zu übergeben, ist der Widerruf mit gleichzeitiger Rücksendung der Ware die sinnvollste Form,
zumal dann der Verbraucher auch einen Absendebeleg für den Widerruf hat (Paketeinlieferschein).
IV. Teilwiderruf
Oft erklärt der Verbraucher den Widerruf nur in Bezug auf einen Teil
der von ihm bestellten Waren. In Betracht kommen z.B. Konstellationen, in denen nur einzelne Vertragsteile dem Fernabsatzrecht oder dem
B. Ausübung
285
Ausschluss- bzw. den Erlöschentatbestand des § 312b Abs. 3 oder des
1
§ 312 d Abs. 4 BGB unterfallen, Verträge, bei denen nur für einen Teil
der Leistungen die Widerrufsfrist nicht abgelaufen ist oder auch Bestellungen mehrerer Waren, von denen der Verbraucher einige zurückgeben und andere behalten möchte.
Ein Teilwiderruf ist bei Verträgen über eine nach objektiven Kriterien
2
teilbare Leistung möglich. Hier sind die gesetzlichen Bestimmungen so
auszulegen, dass ein möglichst umfassender Verbraucherschutz gewährt
3
wird. Bei der häufig im Fernabsatz vorkommenden Sammelbestellung
mehrerer Personen oder der gleichzeitigen Bestellung mehrerer Vertragsgegenstände (z.B. mehrere Computerkomponenten, für die alle das
Widerrufsrecht gilt) wäre das Widerrufsrecht erheblich eingeschränkt,
würde man den Widerruf nur im Hinblick auf den Vertrag im Ganzen
zulassen.
Für diese Auslegung spricht die Absicht des Gesetzgebers, dem
Verbraucher ein uneingeschränktes Dispositionsrecht über die Ausübung des Widerrufsrechts zu geben und das Widerrufsrecht nicht von
besonderen, für den Verbraucher erschwerenden Voraussetzungen abhängig zu machen. Auch die Tatsache, dass in § 357 Abs. 2 Satz 3 BGB
die Kostentragungspflicht der Rücksendung seit Dezember 2004 von
dem „Preis der zurückzusendenden Sache“ abhängig ist und nicht von
dem Vertragswert spricht dafür, dass der Gesetzgeber von der Zuläs4
sigkeit eines Teilswiderrufs ausgeht.
V. Verwirkung
Das Widerrufsrecht kann nicht mehr ausgeübt werden, wenn es verwirkt wurde. Der BGH hat eine Verwirkungsmöglichkeit für den Fall
zugelassen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht längere Zeit nicht
geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der
Unternehmer sich also mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des
Verbrauchers darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser
sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glau5
ben verstößt. Im Onlinehandel kommt eine solche Konstellation für die
Fälle in Betracht, in denen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Wi1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 101.
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 101; MünchKommBGB/Masuch,
§ 355 Rn. 21; AnwKomm/Ring, § 312d Rn. 52; Fuchs ZIP 2000, 1273, 1283, Fn.
94.
3
So auch AG Wittmund, BeckRS 2008, 16403.
4
AG Wittmund, BeckRS 2008, 16403.
5
BGH, NJW-RR 2005, 180.
2
286
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
derrufsbelehrung das Widerrufsfrist unbefristet läuft (§ 355 Abs. 3 S. 3
1
BGB).
Für die Verwirkung wird man den Ablauf von deutlich mehr als
sechs Monaten seit dem Zeitpunkt der ersten Warenlieferung bzw. des
Vertragsschlusses voraussetzen müssen, da sich aus § 355 Abs. 3 S. 1
BGB ergibt, dass dem Unternehmer eine sechsmonatige Frist zumutbar
2
ist. Des Weiteren ist ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers erforderlich, das deutlich widersprüchlich zur Ausübung des Widerrufsrechts
ist. Zwischen den beiden Voraussetzungen (sog. Zeitmoment und Umstandsmoment) bedarf es einer derartigen Wechselwirkung, so dass die
Rückabwicklung des Vertrags für den Unternehmer eine unbillige Härte
3
bedeuten würde. Die Rechtsfolgen des § 355 Abs. 3 S. 3 BGB treten
schließlich infolge einer Pflichtverletzung des Unternehmers ein, so dass
die Sanktion hierfür nicht durch die Annahme einer Verwirkung durch
4
bloßen Zeitablauf angenommen werden kann.
5
Nicht nachvollziehbar ist daher die Entscheidung des AG Bielefeld
zur Verwirkung des Widerrufsrechts. Das Gericht nahm an, dass ein
Verbraucher, der sein Widerrufsrecht fristgemäß per E-Mail ausgeübt,
die Ware aber innerhalb von fast sechs Monaten nicht an den Unternehmer zurückgeschickt hatte, sein Widerrufsrecht verwirkt hat. Abgesehen davon, dass dieser Zeitraum viel zu kurz ist, kann nicht ein Recht
verwirkt werden, dass bereits durch Widerrufserklärung in Textform
ausgeübt wurde. Anders hätte der Fall nur liegen können, wenn der
Unternehmer nicht korrekt belehrt, der Verbraucher auf E-Mails und
Retourenscheinangebote nicht reagiert und nach einem Jahr sein Widerrufsrecht durch Rücksendung der Ware ausgeübt hätte.
VI. Rechtsmissbrauch, § 242 BGB
Unerheblich ist, aus welchen Motiven der Verbraucher den Vertrag
widerruft. Der Verbraucher kann das Widerrufsrecht auch dann ausüben, wenn er schon vor Vertragsschluss erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass die erworbene Leistung für ihn nicht brauchbar sein
würde, z.B. eine bestimmte Software nicht kompatibel mit der vorhandenen Hardware ist oder ein Objektiv nicht auf das Kameramodell
passt, selbst wenn der Händler hierzu Fragen per E-Mail oder telefo-
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 69. MünchKommBGB/Masuch,
§ 355 Rn. 71.
2
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 70.
3
Domke, BB 2005, 1582, 1584f.
4
Vgl. Domke, BB 2005, 1582, 1584.
5
AG Bielefeld, Beschluss v. 20.08.2008, 15 C 297/08.
B. Ausübung
287
1
nisch beantwortet hat. So können beim Verbraucher auch im Nachhinein Zweifel an der künftigen Leistungsfähigkeit oder -bereitschaft des
Verkäufers aufkommen, etwa falls eine Nacherfüllung erforderlich
wird. Auch das Prüfungsrecht darf nicht durch die Annahme von Missbrauch eingeschränkt werden. So darf der Verbraucher mehrmals das
gleiche Kleidungsstück in verschiedenen Größen bestellen und dann die
2
meisten Teile gegen volle Kaufpreiserstattung wieder zurückgeben.
Auch das Auffinden eines günstigeren Angebotes ist kein Grund, von
3
einem Missbrauch auszugehen.
Ein Internet-Versandhandelsunternehmen ist nicht verpflichtet, mit
einem Verbraucher erneut zu kontrahieren, mit dem sich das Vertragsverhältnis in der Vergangenheit wegen eines überproportional hohen
Anteils an Rücksendungen bestellter Ware über einen längeren Zeitraum als unwirtschaftlich erwiesen hat. Auch ist nicht zu beanstanden
oder unlauter, wenn solchen Kunden schriftlich angekündigt wird, dass
eine erneute Belieferung abgelehnt wird, sofern keine Veränderung im
Bestellverhalten erfolgt. Schließlich ist es auch datenschutzrechtlich
zulässig, die für diese Entscheidung erforderlichen Daten über das Bestellverhalten auch ohne Einwilligung des jeweiligen Kunden zu spei4
chern.
Nach § 226 BGB ist die Ausübung eines bestehenden Rechtes jedoch
dann unzulässig, wenn sie den Umständen nach nur den Zweck haben
kann, einem anderen Schaden zuzufügen. Eine rechtsmissbräuchliche
Ausübung liegt auch bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß
§ 826 BGB vor. Eine reine Schädigungsabsicht (z.B. Bestellen zahlreicher Waren mit dem Vorsatz, die Lieferungen nicht anzunehmen) dürfte eher bei als Verbrauchern getarnten Konkurrenten vorkommen, aber
nicht durch potenzielle Kunden eines Händlers. Diese werden sich
durch ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten auch immer selbst einen
Vorteil verschaffen wollen. Folgende Fallgruppen tauchen in der Praxis
immer wieder auf.
1. Ausnutzen von Versandkostenfreigrenzen
Viele Händler erlassen dem Verbraucher die Versandkosten, wenn
dessen Einkäufe einen gewissen Bestellwert überschreiten. Unter dieser
Grenze sind vertraglich bestimmte Versandkosten vereinbart. In solchen
Fällen ist es denkbar, dass der Verbraucher mehrere Waren bestellt, die
ihn tatsächlich interessieren, um von der Versandkostenfreiheit zu pro1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d Rn. 71.
a.A. offenbar Borges, DB 2005, 319, 320.
3
MünchKommBGB/Masuch, § 355 Rn. 72.
4
OLG Hamburg, WRP 2005, 1033 = MMR 2005, 617 = CR 2005, 902 (Ls.)
2
288
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
1
fitieren. Hier ist es auch legitim, wenn der Verbraucher sich doch gegen einige Produkte entscheidet, weil sie nicht seinen Vorstellungen
entsprechen und einen Teilwiderruf ausübt. Bestellt er hingegen nur
deshalb mehr Ware, damit der Bestellwert die Versandkostenfreigrenze
überschreitet, mit dem Vorsatz, diese auf jeden Fall wieder zurückzu2
senden, ist er nicht durch das Widerrufsrecht schützbedürftig. Denn in
diesem Fall geht es weder darum, dass der Verbraucher Zweifel an der
Zuverlässigkeit des Händlers hat noch darum, dass er die Ware einer
Prüfung unterziehen möchte. Vielmehr will er ausschließlich die vom
Händler ausgestellten Versandkonditionen zu dessen Schaden umgehen.
2. Offensichtliches „Ausleihen“
In Kenntnis des Widerrufsrechtes werden in hohem Maße Waren kostenlos ausgeliehen. Die Praxis verzeichnet eine Fülle von Fällen, in denen es den Käufern offensichtlich nicht darum geht, den Kaufgegenstand zu erwerben. Beispiele dafür sind
– Bei sportlichen Großereignissen werden vor wichtigen Spielen oder
Wettkämpfen Großbildfernseher bestellt und dann nach dem
Gebrauch zurückgesandt.
– Digitale Kameras werden im zweiwöchigen Urlaub benutzt und dann
zurückgesandt. Oft befinden sich noch die Urlaubsbilder auf der
Speicherkarte.
– Im Sommer verzeichnen viele Unternehmen einen großen Anstieg der
Bestellung von portablen Klimageräten, die nach Abklingen der Hitzewelle zurückgesandt werden.
– Hochzeitskleider oder Karnevalskostüme werden für den besonderen
Anlass bestellt und dann retourniert.
Es ist zwar legitim, eine Ware, die der Käufer sich anzuschaffen gedenkt, im Rahmen des Widerrufsrechtes zu prüfen. Dies darf jedoch
nicht dazu führen, dass der Händler unfreiwillig zum Verleiher wird.
1
Z.B. nicht eine CD für 10 €, sondern zwei CDs für 25 €, um bei dem Versandhändler amazon in den Genuss der Versandkostenfreiheit ab 20 € Bestellwert zu
kommen.
2
Z.B. nicht ein Waschbecken für 50 €, sondern zusätzlich noch eine Badewanne
für 200 €, um über die Versandkostenfreigrenze von 150 € zu gelangen, ohne dass
ein solches Produkt benötigt wird. Beim Rückgaberecht oder bereits gezahlter Ware
über 40 € im Fall des Widerrufsrechtes muss der Händler diese auch noch auf seine
Kosten wieder abholen.
B. Ausübung
289
3. Wettlauf der Versender
Die weitere Fallgruppe betrifft Kunden, die bei schwer lieferbaren Produkten mehrere Bestellungen bei verschiedenen Händlern platzieren
und dann abwarten, welcher Händler als erstes liefert. Diese Bestellung
wird dann angenommen, der Rest zurückgesandt. Beispiele hierfür sind
die Markteinführung des Apple iPod, die Markteinführung der Sony
Playstation oder die Neuerscheinung eines Harry Potter Romans. Auch
hier liegt ein Missbrauchsfall vor. Das Widerrufsrecht soll nicht Gelegenheit verschaffen, verschiedene Händler gegeneinander auszuspielen,
wenn klar ist, dass die Ware ohnehin nur einmal behalten wird.
VII. Beweislast
Nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB reicht für die Wahrnehmung der zweiwöchigen Frist die rechtszeitige Absendung der Widerrufserklärung. Für
die Ausübung des Widerrufsrechts und für den Zugang der Widerrufs1
erklärung beim Unternehmer trägt der Verbraucher die Beweislast, zu
2
seinen Gunsten greift hier aber der Beweis des ersten Anscheins ein.
Diese Belastung des Verbrauchers wird zu Recht als eine „Schwachstelle des Verbraucherschutzes“ kritisiert, da der Händler den Zugang
3
verhindern könnte. Um dieses Ergebnis zu relativieren, wird in Analogie zu § 121 Abs. 1 S. 2 BGB zutreffend angenommen, dass auch eine
rechtzeitig abgesendete, aber verloren gegangene Widerrufserklärung
zur Fristwahrung geeignet sein kann, wenn der Widerruf unverzüglich
4
wiederholt wird. Dies ist allerdings nur dann gerechtfertigt, wenn der
Verbraucher alles seinerseits Erforderliche getan hat, damit die Erklärung zugeht, was im Einzelfall auch Erkundigungspflichten einschließen
5
kann.
Erstaunlicherweise verbraucherfreundlicher ist die Beweislast bei
Ausübung des Widerrufsrechts durch Rücksendung oder durch Ausübung des Rückgaberechts nach § 356 BGB. Die Regelung des § 355
Abs. 1 S. 2 BGB findet nach § 356 Abs. 2 S. 2 BGB zwar entsprechende
1
Bamberger/Roth/Grothe, § 355, Rn. 13; Hk-VertriebsR/Tonner, § 355 Rn. 31;
jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn. 29; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d,
Rn. 74, 99; AnwKomm/Ring, § 355 Rn. 35; Lorenz, JuS 2000, 833, 836;.
2
MünchKommBGB/Masuch, § 355, Rn. 39; jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn.
29.
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d, Rn. 74.
4
OLG Dresden NJW-RR 2000, 354 (zu § 7 VerbrKrG); Bamberger/Roth/Grothe,
§ 355, Rn. 13; jurisPK-BGB/Wildemann, § 355, Rn. 29; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d, Rn. 74, 99.
5
jurisPK-BGB/Junker, § 312d, Rn. 3; MünchKommBGB/Wendehorst, § 312d,
Rn. 99.
290
Teil 3 – Widerrufsfrist und Ausübung
Anwendung auf das Rückgaberecht. Nach der ausdrücklichen Regelung
des § 357 Abs. 2 S. 2 BGB hat der Unternehmer hier aber die Transportgefahr zu tragen. Obwohl die Rücksendung also ebenso wie die
Widerrufserklärung eine empfangsbedürftige Willenserklärung des
Verbrauchers ist, kommt es entgegen § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB für
1
deren Wirksamkeit nicht auf den Zugang beim Unternehmer an. Vielmehr wird der Zugang fingiert. Es sollte in Betracht gezogen werden,
eine vergleichbare ausdrückliche Regelung für den Zugang der Widerrufserklärung zu schaffen, zumal die Erklärung nach dem VRRL-E
künftig die einzige Ausübungsform des Widerrufsrechtes sein soll.
Problematisch ist, dass einige Versender dem Verbraucher einen telefonischen Widerruf suggerieren, weil dem Kunden hierdurch der Beweis
2
abgeschnitten werden kann. Dies geschieht vor allem durch die Angabe
einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Wie ein solcher Fall
zu behandeln ist, wird unterschiedlich beurteilt. Während nach einer
Auffassung hierdurch lediglich die Abwicklung der Rücksendung er3
leichtert wird, wird zum Teil angenommen, dass die Angabe einer
Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung die Gefahr bergen könnte,
dass der Verbraucher den Inhalt der Widerrufserklärung irrtümlich
4
dahin versteht, er könne sein Widerrufsrecht auch telefonisch ausüben.
Der Unternehmer muss darlegen und beweisen, wenn er der Meinung
ist, dass der Verbraucher das Widerrufsrecht rechtsmissbräuchlich ausgeübt hat. Ein solcher Nachweis der Schädigungsabsicht, z.B. des Vorsatzes, die Ware von Vornherein zurückschicken zu wollen, wird in der
Praxis so gut wie nie gelingen, so dass bislang auch keine solchen Fälle
bekannt geworden sind.
1
MünchKommBGB/Masuch, § 356, Rn. 26; jurisPK-BGB/Wildemann, § 356, Rn.
22; Erman/Saenger, § 356, Rn. 8.
2
Kritisch auch Lorenz, JuS 2000, 833, 837.
3
LG Berlin, Beschluss v. 5.6.2008, 52 O 196/08; vgl. auch KG Berlin, K&R
2007, 530 = MD 2007, 1146 = GRUR 2008, 87 = GRUR-RR 2008, 23 = MMR
2008, 45 = WRP 2007, 1380 (Ls.) = NJW-RR 2008, 352.
4
OLG Frankfurt, BeckRS 2007, 19788; LG Lübeck, MMR 2008, 554 = K&R
2008, 483. Dazu Teil 5 B IV 3 b) dd).
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
Hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufsrechts verweist § 357
Abs. 1 S. 1 BGB auf die Bestimmungen über das Rücktrittsrecht nach
§§ 346 ff. BGB, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Daher finden
beim wirksamen Widerruf §§ 346 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Abs. 4,
348 uneingeschränkt Anwendung. Die Regelung des § 346 Abs. 2 und
3 wird zu Lasten des Verbrauchers in § 357 Abs. 3 modifiziert. Auch
die Regelung des § 347 über Ersatzansprüche für nicht gezogene Nutzungen und den Anspruch auf Aufwendungsersatz ist entsprechend
anzuwenden. Vom Verweis nicht erfasst sind hingegen die §§ 350, 352
bis 354, da diese ein vertragliches Rücktrittsrecht erfordern und auf das
1
gesetzliche Widerrufsrecht nicht übertragbar sind.
A. Leistungsrückgewähr
A. Leistungsrückgewähr
I. Rücksendung
Aus § 357 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB ergibt sich die Pflicht
des Verbrauchers, den ihm überlassenen Gegenstand zurückzugewähren. Nach § 346 Abs. 1 BGB ist die gelieferte Sache in Natur zurückzugewähren, d.h. so wie sie erbracht wurde. Es handelt sich somit um eine
Stückschuld, auch wenn die vertragliche Verbindlichkeit eine Gattungs2
schuld darstellt. Dem Sinn und Zweck der Regelung entspricht es, dass
noch nicht erfüllte Primärpflichten zugleich mit der Ausübung des Wi3
derrufsrechts erlöschen. Die Rückgewährpflicht wird durch § 357
Abs. 2 S. 1 BGB konkretisiert. Der Verbraucher ist demnach nach Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 BGB zur Rücksendung der gelieferten Ware verpflichtet.
Durch die Rücksendepflicht darf der Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden. Dieser Überlegung
hat der Gesetzgeber durch das Erfordernis der Paketversandfähigkeit
(§ 357 Abs. 2 S. 1 BGB) Rechnung getragen. Daran sind die gleichen
Anforderungen wie bei der Ausübung des Rückgaberechts nach § 356
BGB und der Ausübung des Widerrufsrechts durch Rücksendung nach
1
MünchKomm-BGB/Masuch, § 357, Rn. 8.
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 19; Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 31; Erman/Röthel, § 346, Rn. 3.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 30.
2
292
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
§ 355 Abs. 1 S. 2 BGB zu stellen. Ist der Versand als Paket nicht möglich, ist der Verbraucher zu Rücknahmeverlangen und Bereithaltung der
2
Sache verpflichtet. Das Rücknahmeverlangen begründet eine Holschuld des Unternehmers, so dass er auch die Kosten der Abholung zu
3
übernehmen hat. Gemäß § 295 BGB wird der Unternehmer durch das
Rücknahmeverlangen des Verbrauchers in Verzug gesetzt, so dass der
Verbraucher gem. § 300 BGB nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
4
haftet.
Nicht geklärt ist die Frage, ob im Fall des Widerrufs den Händler
auch die Obliegenheit zur Demontage trifft, insbesondere dann, wenn
eine entsprechende Montage bei der Lieferung nicht im Vertrag vorgesehen war. Dass der Widerruf ohne Grund erfolgen kann und nicht auf
einer Pflichtverletzung des Unternehmers beruht, spricht gegen eine
solche Pflicht. Zwar wird der Verbraucher auch häufig deshalb widerrufen, weil die Ware nicht seinen Vorstellungen aufgrund der Anpreisungen im Internet entspricht, z.B. Verarbeitungsqualität und Solidität
eines in vielen Einzelteilen gelieferten Möbelstücks. In einem solchen
Fall hat er dann aber die Möglichkeit, Gewährleistungsansprüche geltend zu machen und so den Händler in die Demontagepflicht zu neh5
men.
II. Kaufpreisrückerstattung
Nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB hat der Unternehmer dem Verbraucher den Kaufpreis zurückzuerstatten. Im Unterschied zur Rückgewährpflicht handelt es sich hierbei nicht um eine
Stückschuld, sondern um eine Verpflichtung zur Rückgewähr der erhal6
tenen Geldsumme. Vom Anspruch umfasst ist selbstverständlich auch
die Rückzahlung der aufgeschlagenen Umsatzsteuer. Die Klausel
„Wenn Sie uns keinen bestimmten Wunsch mitteilen, wird der Wert der
Rücksendung Ihrem Kundenkonto gutgeschrieben oder Sie erhalten
beim Nachnahmekauf einen Verrechnungsscheck“ in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Internet-Versandhandel verstößt daher
7
gegen das Transparenzgebot und ist unwirksam.
1
Erman/Saenger, § 357, Rn. 6; siehe dazu Teil 3 B II 2 c).
Erman/Saenger, § 357, Rn. 7.
MünchKomm-BGB/Masuch, § 357, Rn. 16.
4
Erman/Saenger, § 357, Rn. 7.
5
Vgl. MünchKomm-BGB/Westermann, § 437, Rn. 37.
6
MünchKomm-BGB/Gaier, § 346, Rn. 17; Erman/Röthel, § 346, Rn. 3; jurisPKBGB/Faust, § 346, Rn. 19; Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 31.
7
BGH NJW 2006, 211 = CR 2006, 120.
2
3
A. Leistungsrückgewähr
293
III. Rückgewähr Zug-um-Zug
Nach § 348 S. 1 BGB haben der Verbraucher und der Unternehmer ihre
Rückgewährpflichten Zug um Zug nach Maßgabe von § 274 Abs. 1
BGB zu erfüllen. Zwischen ihren Pflichten besteht allerdings keine sy1
nallagmatische Beziehung. Dies ergibt sich bereits aus dem ausdrücklichen Wortlaut der Regelung. Bei einem synallagmatischen Charakter
wäre § 348 BGB wegen § 322 BGB überflüssig. Dies wird durch § 348
S. 2 BGB bestätigt, wonach lediglich die §§ 320, 322 BGB und keine
2
weitere Regelungen über den gegenseitigen Vertrag Anwendung finden.
Insbesondere ist die Vorschrift des § 326 BGB nicht anzuwenden.
Schuldet der Verbraucher Wertersatz, wird eine Zahlung des Differenzbetrags zwischen Wertersatz und Kaufpreis nicht automatisch geschul3
det. Dafür ist eine Aufrechnung erforderlich.
Aus der Anwendbarkeit des §§ 320, 322 BGB folgt, dass sowohl der
Unternehmer, als auch der Verbraucher das Recht hat, die eigene Leistung bis zur Erfüllung der Gegenleistung zurückzubehalten. Dies ist im
Versandhandel ein Problem, da sich Verkäufer und Käufer zwecks
Leistungsaustausches nicht begegnen, sondern eine der Parteien in Vorleistung treten muss, entweder mit der Rückerstattung oder der Rücksendung. Der Verbraucher wird jedoch den Plasma-Fernseher nicht
herausgeben, wenn er zweifelt, den (vollen) Kaufpreis zurück zu erhalten; ebenso wird der Unternehmer nicht 3.000 € überweisen, wenn er
nicht weiß, ob die Ware überhaupt noch vorhanden ist. Daher spielen
Garantie- und Treuhandmodelle im Onlinehandel in solchen Fällen eine
große Rolle. Kein Zurückbehaltungsrecht des Händlers entsteht jedenfalls wegen vom Verbraucher behaupteten unrichtigen Kundebewertun4
gen, weil die erforderliche Konnextität der Ansprüche fehlt. Fraglich
ist, ob es auch im geltenden Recht Regeln gibt, nach denen eine Partei
in Vorleistung treten muss.
1. Rückerstattungspflicht des Händlers
Nach Art. 6 Abs. 2 S. 3 FARL hat der Unternehmer dem Verbraucher
den Kaufpreis „so bald wie möglich in jedem Fall jedoch binnen 30
Tagen“ zu erstatten. In den deutschen Bestimmungen zu Fernabsatzgeschäften findet sich jedoch keine ausdrückliche Umsetzung dieser Vor1
BGH NJW 2002, 506, 507; MünchKommBGB/Gaier, § 348 Rn. 2; AnwKomm/Hager, § 348 Rn. 1; Bamberger/Roth/Grothe, § 348 Rn. 2, jurisPK/Faust,
§ 348 Rn. 7; Palandt/Grüneberg, § 348 Rn. 1.
2
Bamberger/Roth/Grothe, § 348, Rn. 2; MünchKommBGB/Gaier, § 348, Rn. 2.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 348, Rn. 3; MünchKommBGB/Gaier, § 348, Rn. 4;
jurisPK-BGB/Faust, § 348, Rn. 6.
4
AG München, Urteil v. 2.4.2008, 262 C 34119/07.
294
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
schrift. Die Bundesregierung war seinerzeit der Ansicht, dass Deutschland insoweit von einer expliziten Umsetzung der 30-Tages-Frist in Art.
6 Abs. 2 Satz 3 absehen konnte, da das deutsche Recht diese Regelung
bereits vorsehe. Gem. § 271 BGB sei der von dem Verbraucher gezahlte
Betrag sofort und nicht erst nach 30 Tagen zur Rückzahlung fällig.
Zwar sei § 271 BGB disponibel. § 308 Nr. 1 BGB verbiete es dem Unternehmer jedoch, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unangemessen
lange Leistungspflichten zu vereinbaren. Damit sei der Verbraucher so
gestellt, wie es Art. 6 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 1 und 2 der FARL vorsehen, da § 271 BGB ebenso für die Bewirkung der vertraglichen Leistung
durch den Unternehmer Gültigkeit habe. Es muss aber bezweifelt werden, ob eine derartige Norm in den Vorschriften eine effektive Umset2
zung von Art. 7 Abs. 2 FARL darstellt.
Auch die Europäische Kommission meint, dass die Fristenregelung
für die Erstattung bereits geleisteter Zahlungen (Artikel 6 Absätze 1
und 2) mit verschiedenen Mitgliedsstaaten noch zu erörtern sei. In
Deutschland und Litauen werde in den entsprechenden gesetzlichen
Bestimmungen die zulässige Zeitspanne für die Erstattung von Rückzahlungen nicht genannt. Für Ungarn sei die Umsetzung dieser Bestimmung unklar; gleiches gelte für Österreich und Schweden in Bezug auf
Konventionalstrafen. In Finnland müsse die Rückzahlung binnen 30
Tagen nach Rücksendung der Waren erfolgen. Da die FARL sich darüber ausschweige, ob die 30-Tage-Frist mit dem Zeitpunkt der Mitteilung des Rücktritts vom Vertrag oder mit dem Tag des Eingang zurückgesandter Waren beim Lieferer beginnt, sei nicht klar, ob die
genannte Auslegung der diesbezüglichen Bestimmung aus der Richtlinie
3
zulässig ist.
Nach § 357 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 286 Abs. 3 BGB befindet sich
der Schuldner spätestens nach 30 Tagen, beginnend „mit der Wider4
rufs- oder Rückgabeerklärung des Verbrauchers“, in Verzug. Es wird
angenommen, dass § 348 BGB auf Fernabsatzverträge mit der Maßgabe anwendbar sei, dass der Unternehmer spätestens 30 Tage nach Ausübung des Widerrufsrechts bereits geleistete Zahlungen zu erstatten
5
hat. Die Ausübung durch Widerrufserklärung ist wirksam mit Zugang
der Erklärung, die Ausübung durch Rücksendung durch Absenden der
6
Sache. Nach Art. 16 Abs. 1 VRRL-E hat der Unternehmer jede Zah1
BRD-Stellungnahme v. 21.09.2006, S. 7.
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312b Rn. 67; Artz, VuR 1999, 249.
3
KOM(2006) 514 endgültig v. 21.9.2006 zur Umsetzung der Richtlinie
1997/7/EG, S. 4.
4
Vgl. Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn. 2.
5
Rünz, Verbraucherschutz im Fernabsatz, S. 146.
6
Hierzu Teil 3 B I und III.
2
A. Leistungsrückgewähr
295
lung, die er vom Verbraucher erhalten hat, binnen dreißig Tagen ab
dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über den Widerruf bei
ihm eingegangen ist. Art. 16 Abs. 2 VRRL-E gewährt dem Händler
darüber hinaus ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Erhalt oder zur
Abholung der Ware oder bis es dem Verbraucher gelingt, die Rücksendung nachzuweisen. Dadurch wird gewährleistet, dass der Verbraucher
die Ware überhaupt zurückschickt und dass der Gewerbetreibende sie
auf Beschädigungen und Gebrauchsspuren untersuchen kann.
2. Rücksendepflicht des Verbrauchers
Eine entsprechende Frist für eine Rücksendung der Sache durch den
Verbraucher ist weder in der FARL noch im deutschen Recht geregelt.
§ 286 Abs. 3 BGB gilt nur für Zahlungsansprüche, nicht für Herausgabeansprüche. Derzeit bleibt dem Unternehmer also nur die Möglichkeit,
den Verbraucher durch Fristsetzung in Verzug zu setzen oder vertraglich eine bestimmte Rücksendefrist zu vereinbaren. Letzteres ist aber
nur eingeschränkt möglich. § 348 BGB ist zwar kein zwingendes Recht,
eine Einschränkung durch AGB im Onlinehandel scheidet allerdings
1
wegen der Regelung des § 309 Nr. 2a BGB weitgehend aus. Der Händler kann wegen des Zurückbehaltungsrechts des Verbrauchers aus
§ 320 BGB nicht verlangen, dass dieser die Ware bereits vor Erhalt des
Kaufpreises retourniert.
Die Pflichten des Verbrauchers im Widerrufsfall sollen künftig klarer
geregelt werden. Gemäß Art. 17 Abs. 1 VRRL-E hat der Verbraucher
die Waren binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem er dem Gewerbetreibenden seinen Widerruf mitteilt, zurückzusenden oder zu übergeben, es sei denn, dieser hat angeboten, die Waren selbst abzuholen.
Diese Vorschrift betrifft allerdings nur den Fall, in dem eine Rücksendung möglich ist. Keine entsprechende Regelung ist für die Konstellation getroffen, in der der Verbraucher Wertersatz statt Rücksendung
schuldet. Insofern bleibt es abzuwarten, ob § 357 Abs. 1 S. 1 BGB
i.V.m. § 286 Abs. 3 BGB, die insoweit eine 30-Tages-Frist auch für den
Verbraucher vorsehen, mit der neuen Richtlinie zu vereinbaren wäre.
Kritisiert wird, dass durch die neue Regelung dem Verbraucher das
wirksamste Druckmittel zur Durchsetzung seiner Rechte genommen
2
und ihm das Insolvenzrisiko des Unternehmers aufgebürdet wird. Die
Zurückbehaltung des Kaufpreises bis zur Rücksendung durch den
Verbraucher ist jedoch auch schon derzeit ein gängiges und legitimes
Mittel des Unternehmers, den Erhalt der unversehrten Ware sicherzu1
2
MünchKommBGB/Gaier, § 348 Rn. 5; Bamberger/Roth/Grothe, § 348 Rn. 3.
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 22.
296
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
stellen. Zudem besteht diese Möglichkeit im deutschen Recht auch
deswegen, weil der Unternehmer statt des Widerrufsrechtes ein Rückgaberecht einräumen kann, bei dem der Verbraucher sich nur durch
fristgerechte Rücksendung der Ware vom Vertrag lösen kann. Dieses
Problem kann nicht durch eine einseitige Verlagerung des Risikos auf
eine Partei, sondern nur die finanzielle Absicherung der Rückabwicklung, wie sie z.B. Trusted Shops anbietet, gelöst werden.
IV. Zwischenergebnis
Aus der Anwendbarkeit der §§ 320, 322 BGB folgt, dass sowohl der
Unternehmer als auch der Verbraucher das Recht haben, die eigene
Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung zurückzubehalten. Dieses „Henne-Ei“-Problem führt dazu, dass eine reibungslose Rückabwicklung auf dem Versandweg nicht möglich ist, sondern Käufer und
Verkäufer sich zum Leistungsaustausch Zug-um-Zug real treffen müssen. Daher spielen Garantie- und Treuhandmodelle im Onlinehandel in
solchen Fällen eine große Rolle. Dies umso mehr, als die derzeit geltenden Regelungen für die Rückgewährfristen entweder völlig fehlen (für
den Verbraucher) oder erörterungsbedürftig (für den Unternehmer)
sind. Das bestehende Problem würde durch den VRRL-E gelöst werden.
Diese klaren Regelungen, die für beide Seiten Rückgewährfristen setzen,
sind begrüßenswert.
B. Gefahrtragung
B. Gefahrtragung
I. Erfüllungsort und Sachgefahr
Auch beim Verbrauchsgüterkauf wird der Erfüllungsort nach § 269
BGB bestimmt. Wenn der Verkäufer auf Verlangen des Käufers die
Sache an dessen Wohnort versendet, liegt im Zweifel auch dann eine
Schickschuld vor, wenn der Verkäufer die Kosten der Versendung ü1
bernimmt (§ 269 Abs. 3 BGB). Der BGH hat klargestellt, dass auch im
Onlinehandel der Händler keine Bringschuld übernimmt. Handelt es
sich um eine Gattungsschuld, beschränkt sich deshalb mit der Übergabe
an die Transportperson die Schuld des Verkäufers im Sinne von § 243
Abs. 2 BGB auf die übergebene Sache. Geht die verkaufte Sache auf
dem Versandweg verloren, so wird der Händler gemäß § 275 Abs. 1
BGB von seiner Verpflichtung zur Leistung frei. Die Klausel „Erfüllungsort ist…“ verstößt bei Verbrauchsgüterkäufen also nicht gegen
1
BGH CR 2004, 51 = NJW 2003, 3341.
B. Gefahrtragung
297
§ 307 BGB. Es soll überhaupt nicht entgegen dem Grundgedanken des
§ 474 BGB eine dem § 447 BGB entsprechende Regelung getroffen
1
werden. Eine Erfüllungsortklausel ist aber überflüssig, gibt sie ohnehin
2
nur die Rechtslage nach dem Gesetz wieder.
II. Gegenleistungs- oder Preisgefahr
Davon zu trennen ist die Frage der Gegenleistungs- oder Preisgefahr,
d.h. ob die von § 275 Abs. 1 BGB angeordnete Befreiung des Verkäufers von der Leistungspflicht infolge des Untergangs der Kaufsache
3
Einfluss auf die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers hat.
1. Versand durch den Händler
Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie überlässt die Regelung des Zeitpunktes dieses Gefahrübergangs dem nationalen Gesetzgeber. Die Abwälzung der Gegenleistungsgefahr ist im Versandhandel mit Verbrauchern
in den meisten EU-Staaten nach geltendem Recht nicht möglich. Nach
deutschem Recht gilt die Gefahrtragungsregelung des § 447 BGB, der
durch § 474 Abs. 2 BGB im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs ver4
drängt wird. Geht die Ware auf dem Transport unter oder wird sie
beschädigt, geht dies zu Lasten des Händlers.
5
6
In Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Portugal und Schweden trägt der Verkäufer das Risiko für den
Verlust oder die Beschädigung der Ware während des Transports, wenn
sich der Käufer nicht in Annahmeverzug befindet oder der Verbraucher
7
selbst den Transport organisiert. Österreich bürdet dem Verbraucher
im Fernabsatz hingegen die Transportgefahr auf, und zwar auch im
Rahmen der Rücksendung nach Ausübung des Widerrufsrechtes. Der
Verbraucher trägt die Gefahr eines Verlusts sowohl bei Hin- wie auch
8
bei eventueller Rücksendung. Nach Art. 23 Abs. 1 VRRL-E soll künftig das Risiko für einen Verlust oder eine Beschädigung der Waren erst
dann auf den Verbraucher übergehen, wenn er oder ein von ihm be1
Lorenz, ZGS 2003, 421, 422; a.A. LG Bad Kreuznach, VUR 2003, 80 = EWiR
2003, 351 m. Anm. Mankowski.
2
Vgl. Cichon/Pighin, CR 2003, 435.
3
Lorenz, ZGS 2003, 421, 422.
4
Lorenz, ZGS 2003, 421, 422.
5
§ 214 Law of Obligations Act.
6
Chapter 6 § 18 Consumer Protection Act (CPA).
7
Antworten auf eine Umfrage-Rundmail des Euroinfo Kehl e.V. an die Europäischen E-Commerce-Verbindungsstellen im Auftrag des Verfassers. Es liegen keine
vollständigen Informationen vor, in welchen weiteren Ländern dies ebenso ist.
8
§ 429 ABGB Österreich.
298
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
nannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, den Besitz an den Waren
erworben hat.
2. Rücksendung durch den Verbraucher
Nach der ausdrücklichen Regelung des § 357 Abs. 2 S. 2 BGB hat der
Unternehmer auch bei der Rücksendung durch den Verbraucher die
Transportgefahr zu tragen. Untergang oder Verschlechterung der Sache
haben daher keine Auswirkungen auf den Rückerstattungsanspruch des
Verbrauchers. Es handelt sich um eine Schickschuld des Verbrauchers,
1
bei der der Unternehmer die Gefahr des zufälligen Untergangs trägt.
Leistungsort ist der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthaltsort des
2
3
Verbrauchers, Erfolgsort ist der Sitz des Unternehmers. Den Verbraucher trifft lediglich die Obliegenheit, eine angemessene Verpackung zu
verwenden; dies bedeutet allerdings nicht, dass er die Originalverpackung verwenden muss. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, schuldet er
nach § 280 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 242 Abs. 2 BGB Schadensersatz, wenn
die Ware auf dem Rücktransportweg infolge mangelnder Verpackung
4
untergeht und beschädigt wird.
Art. 17 Abs. 1 VRRL-E trifft zur Frage der Gefahrtragung bei der
Rücksendung keine ausdrückliche Regelung. Allein die Kostentragungspflicht des Verbrauchers für die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren wird geregelt. Dies könnte dafür sprechen, dass der
Verbraucher, der den Transport selbst organisieren muss und den
Transportvertrag schließt, künftig auch die Transportgefahr tragen soll.
III. Zwischenergebnis
Die FARL regelt die Übernahme der Transportgefahr bei Hin- und
Rücksendung nicht ausdrücklich. Während nach den Vorschriften vieler EU-Staaten keine Abwälzung der Gefahr auf den Verbraucher möglich ist, haben sich einige Staaten für eine Entlastung des Unternehmers
entschieden. Eine ausdrückliche Regelung in dem VRRL-E wäre wünschenswert, um eine Vereinheitlichung der Regelungen und Rechtssicherheit für Unternehmer und Verbraucher in dieser praktisch bedeutsamen Frage zu erreichen.
1
AnwKomm/Ring, § 357, Rn. 38; jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, RdNr. 26;
MünchKomm-BGB/Masuch, § 357, RdNr. 16; Bamberger/Roth/Grothe, § 357,
RdNr. 6.
2
MünchKomm-BGB/Masuch, § 357, RdNr. 16.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 357, RdNr. 6.
4
MünchKomm-BGB/Masuch, § 357, RdNr. 16; Hk-VertriebsR/Tonner, § 357
Rn. 14.
C. Kostentragung
299
C. Kostentragung
C. Kostentragung
Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der FARL bestimmt, dass die einzigen Kosten, die
dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der
Waren sind. Nach Art. 6 Abs. 2 FARL hat der Händler im Fall des
Widerrufs die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu
erstatten. Die Richtlinie enthält im Gegensatz zur Richtlinie 1999/44
1
keine explizite Definition des Begriffs der Kosten, und auch im Gemeinschaftsrecht existiert keine generelle oder übertragbare Definition
dieses Begriffs. Art. 6 Abs. 1 und 2 FARL spricht von solchen Kosten,
„die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts
auferlegt werden“. Solche dem Verbraucher aufzuerlegen, ist nur für
die „unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ erlaubt. Diese
Formulierung und der Bezug auf „die einzigen Kosten, die dem
Verbraucher … auferlegt werden können“, zeigen, dass die Richtlinie
neben diesen „unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ von
weiteren Kosten ausgeht, die jedoch nicht dem Verbraucher auferlegt
2
werden dürfen.
Daraus, dass der Richtlinientext sich in Art. 6 Abs. 1 und 2 auf die
„unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ bezieht, kann
geschlossen werden, dass es daneben auch „mittelbare Kosten“ geben
kann, was ebenfalls für eine weite Auslegung des Begriffs der Kosten im
Sinne der FARL spricht. Systematische Argumente sprechen also dafür,
3
den Begriff der Kosten im Sinne der FARL weit auszulegen. Auch Sinn
und Zweck der Bestimmungen in Art. 6 FARL sprechen dafür, dem
Kostenbegriff eine weite Bedeutung zu geben. In Erwägungsgrund 14
wird hervorgehoben, dass die Frage, ob das Widerrufsrecht als ein
funktionierendes Verbraucherrecht wirkt, insbesondere davon abhängt,
welche finanziellen Auswirkungen mit seiner Inanspruchnahme ver4
bunden sind. Damit es sich beim Widerrufsrecht um mehr als ein bloß
formales Recht handelt, müssten die Kosten, die, wenn überhaupt, vom
Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen wer-
1
Ausführlich dazu Buchmann, K&R 2008, 505, 508.
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 68.
3
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 70.
4
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 72.
2
300
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
den, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren begrenzt werden.
I. Rücksendekostenregelung in den EU-Mitgliedsstaaten
Derzeit ist die Rechtslage in den EU-Mitgliedsstaaten zu den Rücksen1
dekosten nicht derart zersplittert wie die Frage der Fristlänge. Gleichwohl bestehen zahlreiche Unterschiede und nationale Besonderheiten,
die eine einheitliche Belehrung für alle Länder unmöglich machen.
Nach Art. 17 Abs. 1 VRRL-E soll der Verbraucher künftig stets die
Rücksendekosten tragen. Dies ist bereits jetzt in den meisten Mitgliedsstaaten der Fall. Abweichende Regelungen, die bei Geltung der Regelungen des VRRL-E nicht mehr zulässig sein würden, existieren derzeit
z.B. noch in Deutschland und Finnland.
1. Verbraucher trägt die Kosten
Nach nahezu allen Europäischen Rechtsordnungen können dem
Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren
auferlegt werden. Der Verbraucher hat in folgenden Ländern die direk2
3
ten Kosten der Warenrücksendung zu tragen: Belgien Dänemark,
4
5
6
7
8
Frankreich, Griechenland, Lettland, Litauen, Malta, Niederlande,
9
10
11
12
13
Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn und Zypern.
14
15
16
In Italien, Luxemburg und Österreich tragen die Verbraucher die
unmittelbaren Kosten der Rücksendung, wenn dies so vereinbart wur17
de. Auch in Estland hat der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der
1
Dazu Teil 3 A I.
Art. 80 § 1 i.V.m. 81 § 3 GHP.
3
Littler, Comparative Study, S. 19.
4
Art. L121-20-1 VerbraucherGB (FR).
5
Littler, Comparative Study, S. 36.
6
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S.602.
7
Art. 6 Abs. 4 FernabsatzVO (MT).
8
Art. 46d Abs. 2 des BGB (NL).
9
Art. 12 Abs. 3 und 4 VerbraucherschutzG (PL); Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 602
10
§ 12 Abs. 4 S. 3 VerbraucherschutzG (SK).
11
Art. 43c Abs. 6 VerbraucherschutzG (SL).
12
Art. 4 Abs. 5 S. 2 FernabsatzVO (HU).
13
§ 7 Abs. 6 S. 2 FernabsatzG (CY).
14
Art. 67 Abs. 3 VerbraucherGB (IT).
15
Art. 6 FernabsatzG (LU).
16
§ 5g Abs. 2 KSchG.
17
§ 194 Abs. 4 Schuldrechtsgesetz (EE). Mitteilung der Kommission, KOM
(2006) 514 endg. v. 21.09.2006.
2
C. Kostentragung
301
Warenrücksendung zu tragen (in allen Fällen jedoch maximal i.H.v.
10,- EUR).
2. Unternehmer trägt die Kosten
1
In Finnland muss der Händler die Kosten der Rücksendung tragen,
wenn die Ware per Paket versendet werden kann. In Bulgarien, Portugal, Rumänien, Schweden und Tschechien haben die nationalen Gesetzgeber nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Verbraucher
die Rücksendekosten aufzuerlegen. Daraus kann die Schlussfolgerung
gezogen werden, dass die Gewährleistung eines höheren Schutzniveaus
gewünscht war und der Händler die Rücksendekosten übernehmen
muss.
2
3
In Großbritannien und Irland muss die Rücksendung vertraglich
vereinbart werden; der Verbraucher hat dann ebenfalls die direkten
Kosten der Rücksendung zu tragen. Erfolgt keine derartige Vereinbarung, muss der Unternehmer die Ware auf seine Kosten abholen. Besteht jedoch eine vertragliche Rücksendeverpflichtung und kommt der
Verbraucher dieser pflichtgemäß nach, muss der Unternehmer die
Rücksendekosten erstatten.
3. Kostentragung in Deutschland
a) Die „40-EUR-Klausel“
Im deutschen Recht findet sich eine europaweit einmalig bürokratische
Vorschrift zur Tragung der Rücksendekosten im Falle des Widerrufs,
nach welcher der Verbraucher die Kosten der Rücksendung bei vertraglicher Vereinbarung abhängig vom Wert der zurückgesendeten Ware zu
tragen hat (sog. „40-EUR-Regelung“). Diese kam erst auf Initiative des
Vermittlungsausschusses in das FernAbsG, um den mittelständischen
Buchversandhandel bei einer Rücksendequote von 5-10% nicht auch
4
noch mit den Rücksendekosten zu belasten. Vor Dezember 2004 war
die Kostentragungspflicht noch vom Bestellwert abhängig, nach geltendem Recht ist der Preis der zurückzusendenden Sache maßgeblich. Diese Modifikation sollte verhindern, dass Käufer mehrere Waren mit
einem Gesamtwert von über 40 Euro mit dem Vorsatz bestellen, be-
1
Kap. 6, § 17 Abs. 2 VerbraucherschutzG (FI).
Art. 14 Abs. 7 DSRs.
3
§ 7 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 5 FernabsatzG (IE).
4
Dazu Teil 1 B IV.
2
302
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
stimmte Ware nicht zu behalten, um die Kostenauferlegung zu vermei1
den.
Die Auferlegung der Rücksendekosten auf den Verbraucher bedarf
2
der vertraglichen Vereinbarung, die auch in AGB erfolgen kann. Keine
Überwälzung der Rücksendekosten auf den Verbraucher ist möglich,
wenn die gelieferte nicht der bestellten Ware entspricht. Dies ist auch
dann der Fall, wenn ein aliud den Gegenstand der Lieferung bildet oder
3
wenn die gelieferte Ware mangelhaft ist.
Die Tragung der Rücksendekosten ist seit Dezember 2004 auch noch
davon abhängig, ob die Gegenleistung oder eine Teilzahlung zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erbracht wurde. Der Vorschlag des
4
Bundesrates, wonach dem Verbraucher wie in fast allen anderen europäischen Ländern die Rücksendkosten unabhängig vom Warenwert
und dem Zahlungszeitpunkt hätten auferlegt werden können, konnte
sich im Vermittlungsausschuss bedauerlicherweise nicht durchsetzen.
Unstreitig muss der Verbraucher bei entsprechender Vereinbarung die
Kosten der Rücksendung tragen, wenn er auf offene Rechnung bestellt
und diese noch nicht bezahlt hat. Hat der Verbraucher per Überweisung oder Nachnahme Vorkasse geleistet, muss er die Kosten bei Wa5
ren über 40 EUR nicht tragen. Überwiegend wird davon ausgegangen,
dass auch bei Wahl der Zahlungsarten Lastschrift und Kreditkartenzahlung mit Vornahme der Leistungshandlung schon die Gegenleistung
erbracht wurde, jedoch nicht geleistet sei, wenn die Buchung mangels
6
Deckung nicht ausgeführt werden kann.
Richtigerweise ist jedoch auf die endgültige Verfügungsgewalt des
Unternehmers über den Kaufpreis abzustellen. Aufgrund der Widerspruchsmöglichkeit ist die Lastschrift nicht schon mit Belastung des
7
Schuldnerkontos eingelöst. Bei einer Kreditkartenzahlung, die als Weisung i.S.d. §§ 675, 665 BGB grundsätzlich unwiderruflich ist, wird man
1
AnwKomm/Ring, § 357 Rn. 45 ff.; MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 18;
Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn. 8; jurisPK-BGB/Wildemann § 357, Rn. 34;
Erman/Saenger, § 357, Rn. 9; Vander, MMR 2005, 139, 143; vgl. auch Härting,
Fernabsatzgesetz, Anh. § 3 Rn. 51.
2
Erman/Saenger, § 357, Rn. 9; MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 22; Brönneke, MMR 2004, 127, 129.
3
MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 21. Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn.
8; jurisPK-BGB/Wildemann § 357, Rn. 35; Erman/Saenger, § 357, Rn. 11.
4
BT-Drucks. 15/2946, S. 32.
5
Vander, MMR 2005, 139, 143; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340; Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn. 8; jurisPK-BGB/Wildemann § 357, Rn. 33; Erman/Saenger, § 357, Rn. 10; a.A. MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 19.
6
Vander, MMR 2005, 139, 143.
7
BGHZ 95, 103, 105ff.
C. Kostentragung
303
1
darauf abstellen müssen, ob die Zahlung über einen geprüften OnlineShop erfolgte. Ansonsten kann sich der Kunde leicht auf missbräuchliche Verwendung berufen, so dass mangels Weisung des Karteninhabers
2
kein Aufwendungsersatzanspruch besteht, d.h. die Gegenleistung noch
nicht erbracht ist. Nach dem Zweck der Regelung, Missbrauch in Fällen zu vermeiden, in denen der Unternehmer noch nicht über den Kaufpreis verfügt, ist diese Auslegung geboten. Diese Differenzierung ist
einem Verbraucher aber nicht mehr transparent zu vermitteln.
b) Bewertung der Kostentragungsregelung
3
Die Bundesregierung sieht in ihrer Stellungnahme zur FARL keinen
Anlass zur Überarbeitung der komplizierten deutschen 40-EURKostentragungsregelung. Vielmehr sei dies im Interesse der Beibehaltung der nationalen Gewohnheiten sachgerecht. Eine weitergehende
Harmonisierung würde zu einer Überreglementierung führen, so die
Bundesregierung. Dies ist nicht nachvollziehbar, führt doch nicht die
avisierte Harmonisierung der Rücksendekostenregelung zu mehr Bürokratie, sondern die deutsche Regelung ist ein Musterbeispiel für Überreglementierung.
Deutschland nimmt (zusammen mit Finnland) bereits mit der Kostenüberwälzung für die Rücksendung auf den Händler eine Außenseiterposition ein. In den meisten Mitgliedsstaaten ist die Kostentragung
durch den Käufer vorgesehen. Dies entspricht auch einer angemessenen
Risikoverteilung, da der Kunde von den Vorteilen des Fernabsatzes
(regelmäßig günstigere Preise, Bequemlichkeit) profitiert, daher aber
auch das mögliche Risiko einer notwendigen Rücksendung tragen sollte. Die alleinige Belastung des Händlers mit diesem Risiko erscheint
unangemessen und schafft erhebliche Fehlanreize mit gravierenden
Nachteilen nicht nur für die Händler, sondern auch für die nicht missbräuchlich agierenden Verbraucher, die die verursachten Gesamtkosten
4
durch höhere Endkundenpreise mittragen müssen.
Die Erfahrungen in den anderen Mitgliedsstaaten bestätigen, dass der
Verzicht auf eine Rücksendekostenregelung wie in Deutschland nicht zu
5
einer Gefährdung eines angemessenen Verbraucherschutzniveaus führt.
Vielmehr wird ein angemessenes Anreizsystem geschaffen, das Missbräuche des Widerrufsrechts durch „Bestellungen ins Blaue hinein“ etc.
1
MasterCard und VISA verlangen weltweit, dass sich alle E-Shop-Betreiber und
PSPs regelmäßig nach den Standards MasterCard Site Data Protection (SDP) und
VISA Account Information Security (AIS) zertifizieren lassen.
2
BGHZ 91, 221, 223ff.
3
BRD-Stellungnahme v. 21.09.2006, S. 7 f.
4
BITKOM-Stellungnahme v. 05.09.2006, S. 7.
5
Ebenso Rühl, EuZW 2005, 199, 201.
304
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
etwas eindämmen kann. Letztlich bliebe es immer noch besonders
serviceorientierten Händlern freigestellt, die Übernahme der Rücksendekosten anzubieten, was eine besondere Distinktionsmöglichkeit im
2
Wettbewerb darstellt. So ausgestaltet, ist die Kostenregelung geeignet,
den Wettbewerb zu beeinträchtigen, da kleinere und mittlere Unternehmen, die sich die Übernahme der Rücksendekosten i.d.R. nicht
leisten können, gezwungen werden, diese in den Preis einzukalkulieren,
3
was ihre Wettbewerbsfähigkeit einschränkt.
Die Verbraucher bedürfen dieser Kostentragungsregelung nicht. Sie
sind es gewohnt, auch beim Umtausch wegen Nichtgefallens im stationären Handel die Kosten des Rücktransports der Ware zum Händler zu
tragen. Das aufgrund des intensiven Wettbewerbs im Versandhandel
und des Wettbewerbs zwischen Versandhandel und stationärem Handel
die Rücksendekosten vor Erlass des Fernabsatzgesetzes häufig freiwillig
vom Versandhandel übernommen wurden, ist lediglich Ausdruck des
funktionierenden Marktes und liefert keine Rechtfertigung, in den
4
Markt einzugreifen. Die jedenfalls grundsätzliche Kostentragung durch
den Verbraucher hätte vor allem den großen Vorteil, dass sich damit
das Problem des Missbrauchs der Bestellmöglichkeit durch einzelne
Kunden zu Lasten aller Kunden kaum noch stellen würde. Die derzeitige 40 €-Regelung ermuntert Kunden, die letztlich nichts kaufen wollen,
lediglich dazu, in jedem Fall Waren im Wert von mehr als 40 € zu
bestellen. Die Notwendigkeit, die Rücksendekosten selbst zu tragen,
würde die nicht ernsthafte Bestellung oder die Bestellung einer Vielzahl
von Modellen, von denen höchstens eins gekauft wird, weniger attraktiv machen. Außerdem entfiele die Gefahr übermäßiger Rücksendekos5
ten. Denn der Verbraucher als Träger der Rücksendekosten würde die
6
günstigste Art der Rücksendung wählen.
II. Unmittelbare Kosten der Rücksendung
1. Versandkosten
Zu den unmittelbaren und auch „regelmäßigen“ (§ 357 Abs. 2 S. 3
BGB) Kosten der Rücksendung zählen die Versandkosten. Soweit Kosten und Gefahr vom Händler getragen werden müssen, obwohl der
1
Härting, Fernabsatzgesetz, Anh. § 3 Rn. 51; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377,
3380.
2
Rühl, EuZW 2005, 199, 201; BITKOM-Stellungnahme v. 05.09.2006, S. 7.
3
Rühl, EuZW 2005, 199, 200 f.
4
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 23 f.
5
vgl. hierzu Rühl, EuZW 2005, 199, 200.
6
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 23 f.
C. Kostentragung
305
Verbraucher den Versand organisiert, stellen sich eine Reihe von Sonderproblemen rund um vertragliche Schadensminderung und Rücksichtnahme im Rückabwicklungsschuldverhältnis. Dies ist ein typisch
deutsches Phänomen, weil in den meisten anderen Ländern der
Verbraucher die Rücksendekosten trägt. Da nach deutschem Recht eine
Transaktion für Händler mit geringen Margen oft allein durch die Belastung mit den Rücksendekosten zu einem Verlustgeschäft wird, sind
Unternehmer bestrebt, diese Kosten gering zu halten und unnötig hohe
Kosten zu vermeiden. Handelt es sich um besonders wertvolle Ware,
wird der Unternehmer dem Verbraucher nicht die günstigste, sondern
eine besonders sichere Versandart auferlegen wollen, zumal er die Gefahr der Rücksendung trägt. Fraglich ist jedoch, inwieweit dem
Verbraucher hier Vorgaben gemacht werden dürfen.
a) Frankierung des Paketes
Die Literatur geht mit knapper Begründung davon aus, dass der
1
2
Verbraucher die Waren unfrei oder per Nachnahme zurücksenden
kann. Zugleich scheide wegen der Möglichkeit der unfreien Rücksendung ein Anspruch des Verbrauchers auf Bevorschussung der Rücksen3
dekosten aus. Insbesondere sei eine Analogie zu § 669 BGB unzuläs4
sig. Zum Teil wird der Versand per Nachnahme auch dann als zulässig
angesehen, wenn der unfreie Versand preisgünstiger wäre. Dies ergebe
sich aus § 357 Abs. 2 S. 2 BGB, der keine entsprechende Beschränkung
5
für den Verbraucher enthalte.
Eine Vorleistungspflicht des Verbrauchers in Bezug auf die Kosten
der Rücksendung sei ausgeschlossen, sofern eine nach § 357 Abs. 2 Satz
6
3 BGB zulässige Kostenvereinbarung nicht getroffen ist. Der Verbraucher dürfe nicht gezwungen werden, mit einer fremden Leistungspflicht
in Vorleistung zu treten. Zu keinem anderen Ergebnis führten die Schadensminimierungs- (§ 254 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. BGB) oder die Rücksichtnahmepflicht auf die Interessen des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2
BGB). Die gegenseitigen Rechtspflichten seien im Rahmen des § 357
Abs. 2 S. 2 BGB ausdrücklich anders geregelt und dürften nicht mit
1
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342; Hk-VertriebsR/Tonner, § 357 Rn. 14
4
und MünchKommBGB /Ulmer, § 357 Rn. 14 unter Verweis auf die Regelung des § 8
Abs. 2 VerbrKrG a.F. und die Kommentierung zu dieser Vorschrift; MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 17; Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn. 8; Erman/Saenger, § 357, Rn. 8.
2
Palandt/Grüneberg, § 357 Rn. 5; Erman/Saenger, § 357, Rn. 8.
3
MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 17; Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn.
8; Erman/Saenger, § 357, Rn. 8.
4
Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn. 8.
5
Erman/Saenger, § 357, Rn. 8.
6
OLG Hamburg, CR 2008, 396.
306
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
allgemeinen Regelungen überspielt werden; darüber hinaus seien Vorleistungspflichten einer Vertragspartei, wie hier die Zahlung des Portos,
1
in der Regel die Ausnahme.
aa) Unfreie Rücksendungen
Daher wird überwiegend zu Recht angenommen, eine Klausel, wonach
pauschal eine unfreie Rücksendung nicht angenommen wird, sei wegen
2
§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig. Dies hat auch das OLG Hamburg
3
in ständiger Rechtsprechung bestätigt. Eine solche Bestimmung widerspreche dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung in § 357 Abs. 2
Satz 2 BGB, wonach die Kosten der Rücksendung bei Widerruf und
Rückgabe der Unternehmer zu tragen hat. Da somit die Rücksendung
der Ware im Falle des Widerrufs oder der Rückgabe zu den Vertragspflichten des Unternehmers zu zählen sei, beinhalte die Belastung des
Verbrauchers mit den Kosten der Rücksendung auch die Belastung mit
einer Vorleistungspflicht, die dem gesetzlichen Leitbild der §§ 320 ff.
4
BGB nicht entspreche. Darüber hinaus liege darin ein Verstoß gegen
§§ 312c Abs. 1 S. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, da unrichtig
5
über die Bedingungen der Ausübung des Widerrufs belehrt werde.
Lehnt der Unternehmer die Annahme einer unfrei zurückgesandten
6
Ware ab, gerät er in Gläubigerverzug nach § 300 BGB.
bb) Frankierbitte
Zulässig ist hingegen, den Verbraucher um eine Frankierung des Pakets
zu „bitten“. Dies bringt allerdings die Schwierigkeit mit sich, die Aussage so zu formulieren, dass der Verbraucher keinesfalls auf eine entsprechende Verpflichtung schließen könnte, da dies eine unzulässige
7
Einschränkung seines Widerrufsrechts darstellen würde. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass der Verbraucher gleichzeitig darüber aufgeklärt wird, dass von Gesetzes wegen der Unternehmer zur Kostentra8
gung verpflichtet ist. Die Klausel „Bitte frankieren Sie das Paket
1
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342 m.w.N.
3
OLG Hamburg, MD 2007, 540 = WRP 2007, 674 = CR 2007, 455 = MMR
2007, 530 = GRUR-RR 2007, 289; OLG Hamburg, K&R 2007, 655 = MD 2008,
272 = CR 2008, 116 = GRUR-RR 2008, 137 (Ls.); OLG Hamburg, CR 2008, 396;
OLG Hamburg, MMR 2008, 57 = CR 2008, 183.
4
OLG Hamburg, MD 2007, 540 = WRP 2007, 674 = CR 2007, 455 = MMR
2007, 530 = GRUR-RR 2007, 289.
5
OLG Hamburg, K&R 2007, 655 = MD 2008, 272 = CR 2008, 116 = GRURRR 2008, 137 (Ls.).
6
MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 17; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335,
1342.
7
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
8
OLG Hamburg, CR 2008, 396.
2
C. Kostentragung
307
ausreichend, um Strafporto zu vermeiden. Wir erstatten Ihnen den
Portobetrag dann umgehend zurück.“ ist nach zutreffender Ansicht des
1
OLG Hamburg nicht zu beanstanden. Der Verbraucher wird nicht
darüber getäuscht, wer die Kosten für die Rücksendung der Ware zu
tragen hat. Der gesetzlichen Regelung des § 357 Abs. 2 Satz 2 BGB
kann nicht entnommen werden, dass sie nur durch die Versandart „Unfrei/Empfänger zahlt“ befolgt werden kann. Eine solche Formulierung
der Belehrung ist auch nicht nach § 312 c Abs. 2 BGB i. V. mit § 1
Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV vorgeschrieben. Des Weiteren kann eine
solche Bitte als einen Auftrag angesehen werden, so dass hierdurch ein
Aufwendungserstattungsanspruch des Verbrauchers nach § 670 BGB
2
entsteht.
cc) Stellungnahme
Die unfreie Rücksendung wirkt auf den ersten Blick verbraucherfreundlich, birgt aber die Gefahr, dass der Kunde die Absendung später nicht
nachweisen kann, sofern er keinen Ablieferbeleg erhält. Auch kommen
unfrei gesendete Pakete überdurchschnittlich oft auf dem Transportweg
abhanden oder sind bei Ankunft „inhaltsgeschmälert“. Da der Unternehmer nach deutschem Recht die Gefahr der Rücksendung trägt, hat
er ein berechtigtes Interesse daran, dass der Verbraucher bei der Rücksendung eine Versandart wählt, die ihn in die Lage versetzt, Regressansprüche gegen das Transportunternehmen nach § 421 Abs. 1 Satz 2
HGB geltend zu machen. Man wird daher verlangen dürfen, dass der
Kunde die Ware zumindest als versichertes Standard-Postpaket zurück
sendet; bei dieser Versandart ist auch eine Option „Empfänger zahlt“
möglich.
b) Verwendung von Retourenaufklebern
Die Einschränkung des Widerrufsrechts auf lediglich originalverpackte
3
Ware ist unwirksam; dies gilt unter Zugrundelegung der kundenfeindlichsten Auslegung auch, wenn dies als Bitte oder Obliegenheit formuliert wird, sofern die Klausel von den angesprochenen Verbrauchern
dahin gehend verstanden werden kann, dass sie zur Zurücksendung in
der Originalverpackung verpflichtet seien, da ansonsten das Rückgabe4
recht nicht bestehe. Der Verbraucher könnte anderenfalls davon abgehalten werden, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen,
1
OLG Hamburg, MMR 2008, 57 = CR 2008, 183.
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
LG Waldshut-Tiengen, JurPC Web-Dok. 255/2003; LG Arnsberg, WRP 2004,
792; LG Frankfurt, WRP 2005, 922; siehe aber zu einem möglichen Ausschluss des
Widerrufsrechtes Teil 2 D III 3 c).
4
OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582; LG Frankfurt, WRP 2005, 922.
2
3
308
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
wenn er die Originalverpackung bereits entsorgt hat oder diese infolge
der Prüfung der Ware zerstört wurde.
Dieser Gedanke wird vielfach ohne weitere Differenzierung auf weitere Modalitäten der Rücksendung übertragen und angenommen, dem
Verbraucher dürfe keine Obliegenheit auferlegt werden, vom Unter1
nehmer bereitgestellte Paketscheine zu verwenden. Gegen die vertragliche Verpflichtung des Verbrauchers, Retourenaufkleber zu verwenden,
lässt sich einwenden, dass dies mit dem Grundgedanken, dem Verbraucher eine möglichst leichte Ausübung des Widerrufsrechts zu gewährleisten, in Widerspruch steht. Denkbar sind Situationen, in denen der
Verbraucher bei Verlust des Retourenscheins auf die Ausübung des
2
Widerrufsrechts verzichtet. Eine solche Verpflichtung würde weiterhin
die Möglichkeit ausschließen, den Widerruf durch eine Nichtannahme
3
4
des Paketes zu erklären, der möglich ist. Das OLG Hamm entschied
demzufolge, dass die Klausel „Wichtiger Hinweis: Bitte … legen Sie den
beigefügten Rücksendeschein ausgefüllt dazu und verwenden sie für die
Rücksendung den Retourenaufkleber (nur für Artikel dieser Lieferung)“
gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoße, wenn durch weitere Hinweise
der Eindruck entsteht, nur so sei die Rücksendung kostenfrei. Ähnlich
5
entschied auch das LG Berlin. Von Gesetzes wegen sei dem Händler
kein Bestimmungsrecht über den Transport eingeräumt, so dass insoweit keine Möglichkeit bestehe, den Verbraucher hinsichtlich der Art
und Weise der Retoure einzuschränken.
Die Vereinbarung eines bestimmten Rücksendewegs ist jedoch zulässig, wenn für den Verbraucher keine zusätzliche Belastung im Vergleich
6
zu der unfreien Rücksendung per Post entsteht. Liegt z.B. ein HermesRetourenaufkleber dem Paket bereits bei und wohnt der Verbraucher in
einer Stadt, in der es eine gute Abdeckung mit Hermes-Paketannahmestellen gibt, ist nicht ersichtlich, warum der Verbraucher diesen
nicht benutzen soll und stattdessen unnötige Kosten durch eine unfreie
Rücksendung per DHL generieren darf. Anders liegt der Fall, wenn ein
solcher Paketaufkleber erst telefonisch angefordert werden muss, auch
7
wenn dies zu ortsüblichen Tarifen möglich ist, da der Verbraucher
dann Gefahr läuft, die Widerrufsfrist zu versäumen oder davon auszugehen, er habe bereits durch den Telefonanruf widerrufen.
1
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, RdNr. 21.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342.
3
Teil 3 B II 3.
4
OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582.
5
LG Berlin, 24.5.2007, 103 O 107/07; LG Berlin, 13.3.2007, 97 O 57/07.
6
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 10.
7
Ähnlich auch LG Düsseldorf, VuR 2002, 452, in Bezug auf die Forderung, telefonisch eine Retourennummer abzurufen; a.A. WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006,
S. 10.
2
C. Kostentragung
309
In einem liberalisierten Markt kann der Unternehmer mit bestimmten
Paketlieferdiensten günstige Konditionen aushandeln und verlangen,
dass der Verbraucher diese Retourenverfahren nutzt, wenn sie für ihn
mindestens so einfach sind wie der Gang zum Postamt. Ob dies der Fall
ist, ist mit Hilfe einer Interessensabwägung festzustellen. Einzubeziehen
ist der Grundgedanke, dass die Rücksendungspflicht nur paketversand1
fähige Ware umfasst. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Verbraucher
verpflichtet, die Kosten für den Unternehmer gering zu halten, wenn
dieser ihm eine entsprechende Möglichkeit anbietet, die einem Vorschuss der Rücksendekosten analog § 669 BGB gleichkommt. Dies
führt dazu, dass der Verbraucher bei Nichtnutzung mitgelieferter Retourenaufkleber, eines Abholdienstes oder bestimmter Rücknahmestellen die Differenzkosten zur gewählten teureren Rücksendeart (z.B.
2
„Strafporto“ oder Inkassogebühr bei Nachnahme) tragen muss.
c) Wahl einer bestimmten Versandart
Dem Verbraucher darf zwar keine Obliegenheit auferlegt werden, ein
3
bestimmtes Versandunternehmen in Anspruch zu nehmen, d.h. es dürfen verschiedene Versandunternehmen und nicht nur die Deutsche Post
AG ausgewählt werden, soweit die erbrachten Transportleistungen und
4
deren Entgelte vergleichbar sind. Beim Verbraucher darf auch bei
Hinweisen auf Kostenminimierung nicht die Vorstellung entstehen, dass
die Inanspruchnahme anderer Dienste eine Unwirksamkeit der Ausübung seines Widerrufsrechts zur Folge haben könnte. So hat das OLG
5
Hamburg die AGB-Klausel „Bitte sprechen Sie die Rückabwicklung
vorher mit uns ab“ für unzulässig erklärt. Diese könne bei den
Verbrauchern zu dem unzutreffenden Eindruck führen, sie müssten sich
wegen der Rücksendung im Hinblick auf die entstehenden Kosten mit
dem Unternehmer vorher absprechen und sich diese etwa der Höhe
nach „genehmigen“ lassen, um eine vollständige Erstattungsfähigkeit
sicherzustellen. Fraglich ist, ob dem Verbraucher zugemutet werden
kann, eine bestimmte Versandart zu wählen.
aa) Günstigste Versandart
Von besonderer Bedeutung für die Versandhandelsunternehmen ist die
Verhinderung übermäßiger Rücksendekosten. Die Optimierung der
1
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
Ebenso Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1342; Brönneke, MMR 2004, 127,
131.
3
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, RdNr. 21.
4
Teil 3 B II 2 c).
5
OLG Hamburg, CR 2008, 606 = MD 2008, 380; OLG Hamburg, CR 2008,
396.
2
310
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
Rücksendekosten dient allen Verbrauchern, da die angefallenen Rück1
sendekosten letztlich auf alle Verbraucher umgelegt werden müssen.
Fraglich ist aber, ob aus § 241 Abs. 2 BGB eine Pflicht des Verbrauchers abgeleitet werden kann, einen Preisvergleich unter verschiedenen
Versandmöglichkeiten vorzunehmen und dann den günstigsten Ver2
sandweg zu wählen. Diese Frage hat das LG Düsseldorf verneint. Auch
wenn dem Unternehmer nicht zuzumuten sei, überhöhte Kosten zu
tragen, sei er verpflichtet „regelmäßige“ Kosten zu erstatten, auch wenn
sie diese nicht den günstigsten Tarifen entsprechen. Auch das OLG
Hamburg erklärte eine AGB-Bestimmung, wonach die Versandkosten
3
im niedrigsten Satz zurückerstattet werden, für unzulässig. Es sei zwar
richtig, dass der Unternehmer in der Regel lediglich verpflichtet sei, die
Kosten für einen möglichst preisgünstigen Weg der Rückgabe zu übernehmen und der Verbraucher die Erstattung vermeidbarer Mehrkosten
nicht verlangen könne. Mit der Klausel lege sich der Unternehmer jedoch fest, dass er stets nur den (denkbar) niedrigsten Kostenbetrag
erstatten wird. Zum einen laufe diese Einschränkung der gesetzgeberischen Intention zuwider, zum anderen erwecke sie den Eindruck, die
Möglichkeit einer unfreien Rücksendung im Rahmen des gesetzlichen
Rückgaberechts sei nicht gegeben.
Anders ist die Situation zu behandeln, wenn der Unternehmer den
Verbraucher auf einen günstigeren Versandweg hingewiesen hat, z.B.
durch die Bereitstellung eines Retourenaufklebers. Im Vergleich zu der
einfachen Rücksendung, zu der der Verbraucher ohnehin nach Annahme der Ware und Ausübung des Widerrufsrechts verpflichtet ist, erweist sich das Anbringen des Aufklebers als keine Erschwernis des Widerrufsrechts. Ein Nichtfolgen der unternehmerischen Hinweise ist als
eine Verletzung der gesetzlichen Rücksichtnahmepflicht des § 241
Abs. 2 BGB anzusehen. Der daraus entstehende Schaden in Höhe der
Differenz zwischen den Kosten, die dem Unternehmer unter Verwendung des durch ihn vorgeschlagenen Versandwegs entstehen würden
und die, die ihm durch den vom Verbraucher in Anspruch genommenen
4
entstanden sind, sind ihm zu ersetzen. Möglich ist also die Aufklärung
über die Erstattungspflicht des Verbrauchers bei Wahl einer unnötig
5
teuren Versandart, z.B. durch einen Hinweis auf die „kostengünstige
und einfache Versendungsmöglichkeit mit dem beigelegten Retouren1
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 24; ebenso Kaestner/Tews, WRP
2005, 1335, 1345.
2
OLG Düsseldorf, VuR 2002, 452.
3
OLG Hamburg, CR 2008, 606 = MD 2008, 380; OLG Hamburg, CR 2008,
396.
4
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1344 f.
5
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1343.
C. Kostentragung
311
aufkleber“, einen bestimmten günstigen Versandtarif oder die Möglichkeit, die Ware nach telefonischer Absprache mit dem Händler abholen
1
zu lassen.
bb) Expresszuschläge und Zusatzkosten
Zu den regelmäßigen Kosten der Rücksendung zählen nicht Mehrkosten, die etwa durch die Inanspruchnahme teuerer Abholdienste entste2
hen. Dem Unternehmer kann trotz seiner grundsätzlichen Pflicht zur
Kostentragung nicht zugemutet werden, unnötig überhöhte Rücksendekosten zu übernehmen. Das AG Aachen ist der Ansicht, dass die Kosten
der nach § 357 Abs. 2 S. 1 vorgeschriebenen Rücksendung nach Treu
und Glauben von Seite des Verbrauchers nicht durch Zusatzleistungen
wie eine Expresssendung zu Lasten des verantwortlichen Unternehmers
3
erhöht werden dürfen. Im Schrifttum wird das gleiche Ergebnis mit
Hilfe eines Schadensersatzanspruchs des Unternehmers aus § 280
4
Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB begründet. Die Rücksendungspflicht des Verbrauchers sei unter Rücksichtnahme auf die (finanziellen) Interessen des Vertragspartners nach Maßgabe von § 241
Abs. 2 BGB zu erfüllen. Nicht zu solchen unnötigen Kosten zählt jedoch das Strafporto, das der Unternehmer zahlen muss, wenn der Widerruf durch die Nichtannahme der Warenlieferung oder durch unfreie
5
Rücksendung erklärt wird, da diese Varianten möglich sind.
cc) Versicherung des Paketes
Der Unternehmer kann beim Versand besonders wertvoller Güter im
Fall des Widerrufs auch andersherum das Interesse haben, dass der
Verbraucher nicht die günstigste Versandart wählt, sondern eine solche,
bei der die Risiken des Verlustes oder der Beschädigung auf dem Rücktransport minimiert werden. So kann der Absender eines DHLPäckchens oder einer Warensendung im Falle des Verlustes keine Ansprüche gegen den Transporteur geltend machen. Ein Standard-Paket
bei DHL oder Hermes ist bis zu einem Betrag von 500 € versichert,
wobei bestimmte wertvolle Güter vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Die Rücksendung einer wertvollen Uhr als Päckchen
würde angesichts der Gefahrtragung des Unternehmers einen Verstoß
gegen Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB darstellen. Man
wird daher verlangen dürfen, dass der Kunde die Ware immer als versi1
Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
Bamberger/Roth/Grothe, § 357, Rn. 8; jurisPK-BGB/Wildemann § 357, Rn. 36;
Erman/Saenger, § 357, Rn. 9.
3
AG Aachen, Urteil v. 23.08.2006, 10 C 206/06.
4
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1343; Brönneke, MMR 2004, 127, 131.
5
Siehe Teil 3 B II 3 und Teil 4 C II 1 a) aa).
2
312
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
chertes Standard-Postpaket zurücksendet und in einigen Fällen auch
eine besondere Transportversicherung (auf Kosten des Unternehmers)
1
abschließt. Der Unternehmer muss hier allerdings einen entsprechenden Retourenaufkleber mitliefern oder dem Verbraucher das zusätzliche
Porto vorab erstatten.
d) Zwischenergebnis
Onlinehändler tragen nach deutschem Recht die (unnötige) zusätzliche
Belastung, auch die Rücksendekosten übernehmen zu müssen. Daher
sind sie bestrebt, diese gering zu halten und unnötig hohe Kosten zu
vermeiden. Der Verbraucher darf jedoch nicht gezwungen werden, mit
einer fremden Leistungspflicht in Vorleistung zu treten, so dass er die
Waren „unfrei“ oder per Nachnahme zurücksenden kann, was zwangsläufig höhere Kosten verursacht. Da der Unternehmer die Gefahr der
Rücksendung trägt, hat er aber ein berechtigtes Interesse daran, dass
der Verbraucher bei der Rücksendung eine Versandart wählt, die ihn in
die Lage versetzt, Regressansprüche gegen das Transportunternehmen
nach § 421 Abs. 1 Satz 2 HGB geltend zu machen. Man wird daher
verlangen dürfen, dass der Kunde die Ware zumindest als versichertes
Standard-Postpaket zurücksendet. Das Abschließen einer Transportversicherung (auf Kosten des Unternehmers) kann bei besonders wertvollen Gegenständen verlangt werden. Der Unternehmer muss hier allerdings einen entsprechenden Retourenaufkleber mitliefern oder dem
Verbraucher das zusätzliche Porto vorab erstatten.
In den übrigen Fällen kann der Verbraucher zur Nutzung der Retourenscheine oder -aufkleber nur dann verpflichtet werden, wenn hierdurch für ihn keine zusätzliche Belastung im Vergleich zu der unfreien
Rücksendung per Post entsteht. Ob dies der Fall ist, ist mit Hilfe einer
Interessensabwägung festzustellen. Wählt der Verbraucher einen unverhältnismäßig teureren Versandweg, ist dies als eine Verletzung der gesetzlichen Rücksichtnahmepflicht des § 241 Abs. 2 BGB anzusehen. In
diesem Fall muss er die Differenzkosten zur gewählten teureren Rücksendeart selber tragen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Verbraucher stets nach der günstigsten Transportmöglichkeit suchen muss. Es
geht lediglich um die Pflicht zur Vermeidung unnötiger Zusatzkosten
(wie etwa durch eine Express-Sendung). Die Optimierung der Rücksendekosten dient allen Verbrauchern, da die angefallenen Rücksendekosten letztlich auf alle Verbraucher umgelegt werden müssen.
1
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 290.
C. Kostentragung
313
2. Neuverpackungskosten
Die Ausübung des Widerrufsrechtes kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Ware in Originalverpackung zurückgeschickt
1
wird. Die Transportverpackung dient lediglich dem Schutz der Ware
vor transportbedingten Beschädigungen wird daher nicht vom § 346
2
Abs. 2 BGB erfasst. Vom Verbraucher kann aber die Verwendung
einer Verpackung verlangt werden, welche die Ware gegen die typi3
schen Risiken der Versendung schützt. Der Verbraucher haftet nach
§ 280 Abs. 1 Satz 1 i.V.m § 241 Abs. 2 BGB für Beschädigung der
4
Ware bei Rücksendung infolge mangelhafter Verpackung und muss so
indirekt durch Erwerb einer geeigneten Transportverpackung für die
Kosten einer Beschädigung der Transportverpackung aufkommen. Für
den Verlust oder die Beschädigung der Produktverpackung kann u.U.
5
Wertersatz verlangt werden.
III. Kosten des Versandes („Hinsendekosten“)
Mögliche Kosten der „Hinsendung“ können Speditionskosten, Portokosten, Expresszuschläge, Nachnahmekosten etc. sein. Je nach Art der
Ware können diese Kosten ganz erheblich sein (z.B. bei Autoreifen,
Möbeln, Waschmaschinen) und werden auch in der Preisgestaltung
werblich eingesetzt. Es stellt sich die Frage, ob der Verbraucher diese
Kosten auch dann tragen muss, wenn der Vertrag nach einem Widerruf
rückabgewickelt wird.
1. Keine ausdrückliche Regelung
6
Seit dem 1.6.2008 müssen dem Verbraucher nach französischem Recht
im Falle eines Widerrufs auch ausdrücklich die Kosten für die Versendung zu ihm („Hinsendekosten“) vom Unternehmer erstattet werden.
Im deutschen Recht ist diese wichtige Frage gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Demzufolge gehen die Ansichten zu diesem Thema weit
auseinander.
1
Vgl. Teil 4 B III.
OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582.
OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380.
4
MünchKommBGB/Ulmer, § 357 Rn. 13; Hk-VertriebsR/Tonner, § 357 Rn. 14.
5
Dazu Teil 4 D I 3 b).
6
Art. L121-20-1 VerbraucherGB (FR).
2
3
314
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
a) Rückgewährpflicht und Wertersatz
Nach einer verbreiteten Ansicht fallen die Kosten der Zusendung, die
der Käufer dem Verkäufer gezahlt hat, unter die Rückgewährpflicht des
1
Verkäufers gemäß § 346 Abs. 1 BGB. In diesem Fall steht dem Unternehmer nach den deutschen Vorschriften ein Rückgewähranspruch für
die von ihm erbrachte Transportleistung zu. Dies entspricht auch dem
gesetzlichen Leitbild des § 448 BGB, dass der Käufer die Hinsendekosten zu tragen hat. Auch im Versandhandel wird keine Schickschuld
vereinbart, sondern Erfüllungsort nach § 269 Abs. 1 BGB ist der Sitz
2
des Unternehmers. Bei der Transportleistung handelt es sich um eine
nichtgegenständliche Leistung, für die Wertersatz nach § 346 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 BGB geschuldet wird, da die Dienstleistung ihrer Natur
nach nicht zurückgewährt werden kann. Der Wertersatzanspruch des
Verkäufers würde dem Anspruch des Käufers auf Rückzahlung der von
ihm übernommenen Kosten der Zusendung gegenüberstehen, so dass
3
im Ergebnis keine Rückzahlungspflicht des Händlers besteht.
b) Teil des Kaufpreises
4
Diese Ansicht wird vom LG Karlsruhe mit der Begründung abgelehnt,
dass § 448 Abs. 1 BGB nur auf den Fall anzuwenden sei, dass der
Kaufvertrag bestehen bleibt und nicht auf seine Rückabwicklung. Gegen einen Wertersatzanspruch des Verkäufers spreche weiterhin, dass es
sich bei den bezahlten Versandkosten aus Verbrauchersicht um eine
Leistung an den Unternehmer handelt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erwerb der Ware steht und daher wie der gezahlte
Warenpreis nach § 346 BGB zurückzuerstatten ist. Würde man die
Übersendung der Ware als eine Leistung des Unternehmers an sich
ansehen, müsste dann der Verbraucher auch die Rücksendekosten
übernehmen, was nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 357 Abs. 2
5
S. 2 BGB widerspreche. Die Regelung des § 357 Abs. 2 S. 2 BGB mache zugleich deutlich, dass der Verbraucher lediglich an den Rücksen6
dekosten, nicht aber an den Hinsendekosten beteiligt werden dürfe.
1
OLG Frankfurt, CR 2002, 638, 642; Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 287;
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1339 f.;
Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49; Kazemi, MMR 2006, 246; Brönneke,
MMR 2004, 127, 129; Braun, ZGS 2008, 129, 133 f.
2
Teil 4 B I; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1339 f.
3
MünchKommBGB/Masuch, § 357 Rn. 24; Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil, 13.4
Rn. 287; Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380; Braun, ZGS 2008, 129, 133 f.;
Schirmbacher, CR 2002, 642, 643.
4
LG Karlsruhe, MMR 2006, 245 (nicht rechtskräftig).
5
Kazemi, MMR 2006, 246 f.
6
Kazemi, MMR 2006, 246 f; a.A. Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49.
C. Kostentragung
315
c) Nicht kompensationsfähige Vertragskosten
1
Hiergegen wird allerdings eingewendet, dass ein Anspruch des Käufers
auf Erstattung der Kosten der Zusendung nach Ausübung des Widerrufrechts bereits deshalb ausscheidet, weil sie nicht von der Rückgewährpflicht nach § 346 Abs. 1 BGB erfasst würden. Es handele sich
hierbei um Vertragskosten, die als Schadensposition im Rahmen der
Rückabwicklung nicht ausgeglichen werden könnten. Vor Inkrafttreten
des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes waren sie gemäß § 467 Satz 2
BGB a.F. im Falle der Wandelung vom Verkäufer zu ersetzen. Diese
Vorschrift wurde allerdings nicht in das neue Recht übernommen, so
dass eine Erstattung nunmehr nur noch im Rahmen eines Schadens2
oder Aufwendungsersatzanspruchs erfolgen könne. Dieser Ansicht hat
3
sich auch der BGH angeschlossen.
2. Richtlinienkonforme Auslegung
Der Verbraucher hätte allerdings stets Anspruch auf Rückerstattung
gezahlter Versandkosten, wenn die FARL dahin auszulegen wäre, dass
die Kosten der Zusendung der Waren für den Fall des Widerrufs nicht
dem Käufer auferlegt werden können. In diesem Fall müsste die Bestimmung des § 312d Abs. 1 BGB i.V. mit § 357 Abs. 1 S. 1 und § 346
Abs. 1 BGB richtlinienkonform dahin ausgelegt werden, dass vom Käufer an den Verkäufer bereits gezahlte Hinsendekosten nach dem Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts zurückzugewähren sind.
a) Verbot der Auferlegung der Hinsendekosten
Nach einer verbreiteten Auffassung in der Literatur hat der Unternehmer im Fall des Widerrufs eines Fernabsatzvertrages aufgrund einer
richtlinienkonformen Auslegung des deutschen nationalen Rechts die
4
Kosten der Zusendung zu tragen. Dies wird zum einen aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 FARL abgeleitet, zum anderen
aus Erwägungsgrund 14 FARL, wonach im Fall der Ausübung des
Widerrufsrechts die Kosten, wenn überhaupt, dem Verbraucher nur
1
MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 19; Palandt/Grüneberg, § 346 Rn. 5; Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 49; Jansen/Latta, JuS 2007, 550, 552 f;
2
Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 225; MünchKommBGB/Gaier, § 346 Rn. 19.
3
BGH, NJW 2009, 66, 67.
4
Erman/Saenger, BGB, § 357 Rn. 2; jurisPK-BGB/Junker § 312f BGB Rn. 28.1 ff.;
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 19; Kaestner/Tews, WRP
2005, 1335, 1340; Kazemi, MMR 2006, 246 f; Würdinger/Ringshandl, MMR 2008,
49 f; Brönneke, MMR 2004, 127, 129; Braun, ZGS 2008, 129, 133 f; Eichelberger,
VuR 2008, 167, 168 f.; Schmittmann, K&R 2008, 500, 504; Hansen, ZGS 2006, 14,
18; Jansen/Latta, JuS 2007, 550, 553 f.;
316
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
insoweit aufzuerlegen sind, als sie die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren betreffen. Das von der FARL verfolgte Ziel, den
Verbraucher in die Lage zu versetzen, ohne Weiteres von dem Vertrag
zurückzutreten, könne nicht erreicht werden, wenn dieser die Hinsendekosten tragen müsse. Denn wirtschaftlich gesehen belasteten diese
den Verbraucher im gleichen Maße wie die nach Art. 6 Abs. 1 S. 1
1
FARL verbotenen Strafzahlungen.
Weiterhin dürfe es für die rechtliche Beurteilung der Konstellation
keinen Unterschied machen, ob die Versandkosten im Produktpreis
2
enthalten oder separat angegeben sind. Die Bestimmung in Art. 6
Abs. 2 S. 1 FARL, dass „die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen“
zu erstatten sind, sei somit zu lesen wie „alle vom Verbraucher geleiste3
ten Zahlungen.“ An diesem Ergebnis ändere der Wortlaut des Satz 1,
der lediglich Ansprüche des Verbrauchers gegen den Unternehmer
nennt, nichts. Die Regelung des Art. 6 Abs. 2 S. 1 FARL sei in Bezug
auf die geleisteten Zahlungen abschließend. Dies werde aus einer sys4
tematischen Gesamtschau mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 und 2 FARL deutlich.
Eine solche Auslegung der Richtlinienvorgaben lasse sich dadurch begründen, dass eine abweichende Interpretation die Festsetzung höherer
Versandkosten als „Risikozuschlag“ für einen möglichen Widerruf
5
ermöglichen würde. Darüber hinaus sei eine solche Belastung des Verkäufers nicht unbillig, da er beim elektronischen Geschäftsverkehr Per6
sonalkosten, so wie Unterhaltskosten des Ladenlokals spare.
Diese Auffassung wird im Ergebnis von der überwiegenden Recht7
sprechung geteilt. Das OLG Frankfurt hat noch unter Geltung des
FernAbsG und des § 346 BGB a.F. ohne nähere Begründung entschieden, dass die Rückabwicklung des Fernabsatzgeschäftes auch die vom
Kunden bezahlten Versandkosten für die Lieferung der Kaufsache um8
fasst. Dem hat sich das AG Gütersloh angeschlossen. Das LG Karlsruhe sieht in der Berechnung und Einbehaltung einer Versandkostenpauschale im Falle der Rückabwicklung eines Fernabsatzvertrags gem.
9
§§ 355, 356 BGB einen Verstoß gegen §§ 357 Abs. 2, 346 Abs. 1 BGB.
1
Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49, 50; ebenso Brönneke, Widerrufsrecht
und Belehrungspflichten, S. 19; Buchmann, K&R, 2009, 40.
2
Buchmann, K&R, 2009, 40.
3
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1340.
4
Buchmann, K&R, 2009, 40.
5
Buchmann, K&R, 2009, 40.
6
Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49.
7
OLG Frankfurt, CR 2002, 638 m. Anm. Schirmbacher; zustimmend auch Härting, Internetrecht, Rn. 593.
8
AG Gütersloh, Urteil v. 25.05.2005 – 10 C 314/05.
9
LG Karlsruhe, MMR 2006, 245 (nicht rechtskräftig). So auch AG Gütersloh,
Urteil v. 25.5.2005 – 10 C 314/05.
C. Kostentragung
317
Aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FARL ergebe sich, dass die Hinsendekosten dem Verbraucher nicht auferlegt werden können. Andernfalls
bestünde auch gerade bei geringwertigen Waren die Gefahr, dass der
Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abgehalten wird.
Diese Auffassung hat auch das Berufungsgericht OLG Karlsruhe bestätigt. Die ausdrückliche Erwähnung der Rücksendekosten als die einzigen vom Verbraucher zu tragenden Kosten sowie die uneingeschränkte
Rückerstattungspflicht der geleisteten Zahlungen deuteten darauf, dass
die Kosten für den Versand der Ware zum Verbraucher e contrario vom
Lieferer zu tragen sind, bzw. von ihm zurückerstattet werden müssen,
1
wenn der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht.
b) Auferlegung der Hinsendekosten möglich
Hiergegen wird allerdings eingewendet, aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 FARL
ergebe sich nicht zwingend, dass dem Käufer die Kosten der Zusendung
2
nicht auferlegt werden könnten. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 FARL betreffe die
Kaufpreiszahlung, während Satz 2 die Kosten des Widerrufs regele. Für
die Kosten der Zusendung komme es danach allein darauf an, ob sie
von Satz 2 erfasst würden oder dem durch die Richtlinie nicht geregelten Bereich unterfielen, in dem der nationale Gesetzgeber frei sei. Es sei
mit dem Wortlaut vereinbar und sinnvoll, zwischen „Zahlungen“ einerseits und „Kosten“ andererseits zu unterscheiden, weil sich nach der
erkennbaren Zielsetzung des Art. 6 Abs. 2 FARL die Kostenfrage erst
nach erfolgtem Widerruf stelle. Würde dagegen angenommen, dass
auch die Kosten von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 erfasst seien, dann fehle es an
3
einer Regelung für noch nicht geleistete Zahlungen.
Hinzu komme die Formulierung „infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts“ in Art. 6 Abs. 2 S. 1 BGB. Es sei eine Kausalbeziehung
zwischen der Ausübung des Widerrufsrechts und den entstandenen
Kosten erforderlich. Die Hinsendekosten entstünden jedoch gerade
nicht „infolge“ des Widerrufs, sondern als Folge des Vorliegens eines
Versandhandelskaufs. Zu keinem anderen Ergebnis könne ein Argument führen, dass das in Frage stehende Merkmal in der spanischen
4
Fassung der Richtlinien nicht enthalten sei. Zum einen seien alle
Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich, zum anderen komme den
Fassungen in den vier EG-Arbeitssprachen entscheidendes Gewicht zu,
so dass von einer fehlerhaften Übersetzung in das Spanische auszugehen
1
OLG Karlsruhe K&R 2007, 586 = MMR 2008, 46 m. Anm. Würdinger/Ringshandl = CR 2008, 118 = VuR 2008, 75 = NJW-RR 2008, 1016.
2
Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 50 ff.; Wenn, jurisPR-ITR 13/2007, Anm. 4.
3
Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 50 ff.
4
So aber OLG Karlsruhe K&R 2007, 586 = MMR 2008, 46 m. Anm. Würdinger/Ringshandl = CR 2008, 118 = VuR 2008, 75 = NJW-RR 2008, 1016.
318
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
sei. Verhindert werden sollten lediglich solche zusätzlichen Kosten, die
1
in Folge des Widerrufs auferlegt werden könnten. Auch könne die
Auferlegung der Zusendekosten den Verbraucher von der Ausübung
seines Widerrufsrechts nicht abhalten, da diese ihn bereits getroffen
haben. Der Schutzzweck der FARL beschränke sich darauf, den
Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Ware ohne zusätzliche Kosten prüfen zu können. Entscheidend seien daher nur die Kosten, die auf
2
der Ausübung des Widerrufsrechts selbst beruhen. Dementsprechend
3
hat das LG Nürnberg-Fürth in einem Verbandsklageverfahren überzeugend geurteilt, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der FARL der Belastung der
Kunden mit Hinsendekosten nicht entgegensteht, weil diese gerade
nicht infolge der Ausübung des Widerrufsrechts entstanden sind. Diese
4
Einschätzung wurde vom OLG Nürnberg geteilt.
Schließlich wird argumentiert, dass Art. 6 Abs. 2 Satz 1 FARL nach
dem Wortlaut nur die Ansprüche des Verbrauchers gegenüber dem
Unternehmer betreffe. Bei den Kosten der Zusendung gehe es aber um
Gegenansprüche des Unternehmers. Die FARL schließe insoweit lediglich einen Anspruch auf Strafzahlung und auf Erstattung der dem Unternehmer durch die Rückerstattung bereits erhaltener Zahlungen entstehenden Kosten aus. Im Übrigen überlasse die FARL die nähere
Ausgestaltung dem nationalen Gesetzgeber. Die FARL schließe daher
keineswegs aus, dass der Unternehmer im Falle des Widerrufs Gegenansprüche geltend machen könne, sei es auf Schadensersatz wegen unsachgemäßer Verpackung, sei es auf Wertersatz für Leistungen, die der
Kunde in Anspruch genommen hat, ihrer Natur nach aber nicht zurückgewähren kann. Die Annahme, dass es sich bei der Lieferung um
eine Leistung des Unternehmers handele, für die der Kunde Wertersatz
in Höhe der Hinsendekosten schulde, und sich die Rückzahlungsverpflichtung des Unternehmers daher um die Hinsendekosten reduziere,
5
sei folglich ohne Weiteres mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 FARL vereinbar.
c) BGH-Vorlage an den EuGH
6
Der BGH hat sich im Oktober 2008 mit allen in Schrifttum und
Rechtsprechung vertretenen Auffassungen auseinandergesetzt. Weder
der Wortlaut des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 FARL noch
deren Erwägungsgrund 14 führten demnach zu einem eindeutigen Ergebnis. Es lasse sich vertreten, dass durch die Formulierung „infolge der
1
Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 52.
Pfeiffer, ZGS 2008, 48, 53.
LG Nürnberg, Urteil v. 6.12.2004, 7 O 9605/03.
4
OLG Nürnberg, NJW-RR 2005, 1581.
5
Wenn, jurisPR-ITR 13/2007, Anm. 4, C 3 b.
6
BGH, NJW 2009, 66.
2
3
C. Kostentragung
319
Ausübung des Widerrufsrechts“ nur die durch den Widerruf verursachten Kosten der Rücksendung geregelt werden, nicht dagegen die Kosten
der Zusendung, die im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts
1
bereits angefallen sind. Auch nach Erwägungsgrund 14 FARL sollten
laut BGH durch die Widerrufsmöglichkeit die Nachteile ausgeglichen
werden, die dadurch entstehen, dass der Verbraucher keine Gelegenheit
hatte, die Ware vor dem Erwerb zur Kenntnis zu nehmen.
Es stehe aber in Frage, ob dieser Schutzzweck auch die Erstattung der
Kosten der Zusendung gebietet, weil der Verbraucher bei einem Erwerb
im stationären Handel die für das Aufsuchen der Geschäftsräume anfallenden Kosten ebenfalls zu tragen hätte und darüber hinaus die für das
2
Erreichen des Geschäftslokals erforderliche Zeit aufwenden müsste.
Daher wurde die Frage nach der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem
Verbraucher auferlegt werden können, dem EuGH vorgelegt. Wenn der
EuGH eine Belastung des Verbrauchers mit den Hinsendekosten für
unzulässig erklärt, würde dies zu einer Preiserhöhung führen, da die
Händler über die Versandkosten hinaus, auch noch mit dem Verwal3
tungsaufwand und den nicht mehr neuen Waren belastet sind.
d) Regelung in dem VRRL-E
In Art. 17 Abs. 1 S. 2 VRRL-E wird ausdrücklich festgelegt, dass der
Verbraucher in Zukunft die Rücksendekosten zu tragen hat. Die Bestimmung korrespondiert allerdings mit Erwägungsgrund 30 VRRL-E,
wonach bei Widerruf der Unternehmer dem Verbraucher alle Zahlungen, die er von ihm erhalten hat, zurückerstatten muss, einschließlich
„Zahlungen für Aufwendungen des Gewerbetreibenden im Zusammenhang mit der Lieferung der Waren an den Verbraucher.“ Die neuen
Vorschriften sind sachgerecht, da jede Vertragspartei mit denjenigen
4
Kosten belastet wird, auf die sie selbst einwirken kann. Darüber hinaus
sind keine Öffnungsklauseln mehr vorgesehen, so dass eine Vollharmonisierung in diesem Bereich erreicht werden kann.
3. Eigene Position
Die Versandkosten müssen nach deutschem Recht vom Käufer getragen
werden, wenn diese als solche explizit ausgewiesen und mit dem Kunden vereinbart werden. Dies ergibt sich aus § 448 Abs. 1 BGB. Zudem
verweist § 357 Abs. 1 BGB auf die allgemeinen Rücktrittsvorschriften
1
BGH, NJW 2009, 66, 67.
BGH, NJW 2009, 66, 68.
3
Buchmann, K&R, 2009, 40.
4
Buchmann, K&R, 2009, 40.
2
320
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
in § 346 ff. BGB. Die Versandkosten sind verbraucht und können dem
Händler nicht zurückgegeben werden. Insoweit muss dann der
Verbraucher Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB leisten, d.h. er
bekommt bereits gezahlte Versandkosten nicht zurück erstattet. Die
Rücksendepflicht des Kunden, mit der die Hinsendung praktisch abgegolten werden soll, ist nicht das Korrelat der entgeltpflichtigen Versandleistung, sondern eine gesetzlich gesondert angeordnete Leistungspflicht des Kunden in der Rückabwicklung, die zudem bei Abholfällen
gar nicht anfällt.
Die Anordnung der grundsätzlichen Kostentragung durch den Händler ist kein Indiz für die gleichzeitige gewollte Belastung des Händlers
mit den Hinsendekosten, die schließlich verbraucht sind und ihm nicht
1
etwa verbleiben. Im Gegenteil: gerade wenn der Händler schon die
Kosten der Rücksendung tragen muss, ist es unangemessen, wenn er
auch noch die Hinsendekosten trägt. Für eine Auferlegung der Kosten
auf den Verbraucher bedarf es zudem der Kausalität zwischen dem
Widerruf und den aufzuerlegenden Kosten. Die Hinsendekosten werden
jedoch widerrufsunabhängig dem Verbraucher in Rechnung gestellt. Es
2
fehlt bereits an der Kausalität. Schließlich handelt es sich nicht um
Kosten i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 FARL, sondern um in der Richtlinie
nicht geregelte Zahlungen.
IV. Zwischenergebnis
Deutschland nimmt bereits mit der Kostenüberwälzung für die Rücksendung auf den Händler eine Außenseiterposition in Europa ein. In
den meisten Mitgliedsstaaten ist die Kostentragung durch den Käufer
vorgesehen. Dies entspricht auch einer angemessenen Risikoverteilung,
da der Kunde von den Vorteilen des Fernabsatzes (regelmäßig günstigere Preise, Bequemlichkeit) profitiert, daher aber auch das mögliche
Risiko einer notwendigen Rücksendung tragen sollte. Die jedenfalls
grundsätzliche Kostentragung durch den Verbraucher hätte vor allem
den großen Vorteil, dass sich damit das Problem des Missbrauchs der
Bestellmöglichkeit durch einzelne Kunden zu Lasten aller Kunden kaum
noch stellen würde.
Unter diesen Gesichtspunkten haben die Händler ein berechtigtes Interesse daran, unnötig hohe Kosten zu vermeiden. Der Verbraucher
kann allerdings zur Nutzung von Retourenscheinen oder -aufklebern
nur dann verpflichtet werden, wenn hierdurch für ihn keine zusätzliche
Belastung im Vergleich zu der unfreien Rücksendung per Post entsteht.
1
2
Becker/Föhlisch, NJW 2005, 3377, 3380.
Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49, 50.
D. Wert- und Nutzungsersatz
321
Auch die Hinsendekosten sind vom Käufer zu tragen, wenn diese als
solche explizit ausgewiesen und mit dem Kunden vereinbart werden.
Die Versandkosten sind verbraucht und können dem Händler nicht
zurückgegeben werden. Gerade wenn der Händler schon die Kosten der
Rücksendung tragen muss, ist es unangemessen, wenn er auch noch die
Hinsendekosten trägt. Ein solches Ergebnis verstößt nicht gegen Regelungen der FARL.
D. Wert- und Nutzungsersatz
D. Wert- und Nutzungsersatz
Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein
anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt
entsprechende Anwendung (§ 357 Abs. 1 S. 1 BGB). Im Onlinehandel
kommt es nicht selten vor, dass der Händler eine Ware zurückerhält,
die er aufgrund ihres Zustandes gar nicht oder zumindest nicht mehr
als neuwertig und nur mit erheblichen Preisabschlägen weiterveräußern
kann. Hier stellt sich die Frage, inwieweit vom Verbraucher, der die
Verschlechterung der Ware infolge Ingebrauchnahme oder Nutzung zu
vertreten hat, Wert- oder Nutzungsersatz verlangt werden kann. Der
Verbraucher hat zwar nach § 357 Abs. 3 S. 1 BGB abweichend von
§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Wertersatz für eine durch die „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“ der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf
diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu
vermeiden. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die „Prüfung“ der Sache zurückzuführen ist.
I. Wertersatz nach allgemeinen Rücktrittsregeln
1. Wertersatz für gezogene Nutzungen
Mit Blick auf den erheblichen Wertverlust, der allein durch tatsächliche
Gebrauchsüberlassung bestimmter Waren entsteht, wurde schon frühzeitig auf die einseitige Verlagerung der finanziellen Risiken des Wider1
rufsrechtes auf den Unternehmer hingewiesen. Um diese zu kompensieren, hat der Verbraucher gemäß §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1 und Abs. 2
Nr. 1 BGB nach Widerruf des Fernabsatzvertrages Wertersatz für die
gezogenen Nutzungen zu leisten. § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB findet vor
allem bei unkörperlichen Dienstleistungen und der Gebrauchsüberlas-
1
Schmidt-Räntsch, VuR 2000, 427, 433.
322
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
sung als Hauptleistungspflicht Anwendung. § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB
erfasst daher Fälle, in denen die empfangene Leistung nicht in einer
Sache oder einem Recht besteht und deshalb nicht rückübertragen wer2
den kann. Der „Wertersatz für Nutzung“ kann einerseits auf den Ausgleich des Vorteils gerichtet sein, den der Verbraucher durch die Nutzung erlangt hat (Nutzungswertersatz). Andererseits kann der
Wertersatz jedoch auch auf eine Entschädigung für durch die Nutzung
entstandene Schäden abzielen (Abnutzungswertersatz).
a) Nutzungsersatz
Bei dem Nutzungsersatz infolge eines Widerrufs geht es um Wertersatz
für die gezogenen Gebrauchsvorteile (§ 100 BGB). Ohne Bedeutung für
den Wertersatzanspruch ist, ob von der Nutzungsmöglichkeit tatsäch3
lich Gebrauch gemacht wurde. Der Wertersatz für die Nutzung darf
aber nicht so ausfallen, dass das Widerrufsrecht faktisch ausgehöhlt
4
wird, sondern muss im Lichte der Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 FARL
ermittelt werden.
aa) Zeitanteilige lineare Wertminderung
Für die Ermittlung des Wertes von Nutzungen kommt es nach überwiegender Ansicht auf die zeitanteilige lineare Wertminderung im Vergleich zwischen tatsächlicher Gebrauchsdauer und voraussichtlicher
5
Gesamtnutzungsdauer („Wertverzehr“) an. Danach entscheidet also
der Umfang der tatsächlichen Nutzung im Verhältnis zur voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer. Daher ist derjenige Teil des Werts zu ersetzen, der dem Anteil der Nutzungsdauer an der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer entspricht, wobei maßgeblich dabei der Wert im
Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist.
Ausgehend von einer zweiwöchigen Widerrufsfrist dürften die administrativen Kosten für die Ermittlung und Fakturierung der Nutzungsersatzhöhe diese regelmäßig übersteigen, so dass in der Praxis in den
allermeisten Fällen dieser Anspruch nicht geltend gemacht wird. Wird
6
z.B. ein Handy im Wert von 300 € (inkl. Mwst), das eine voraussichtli7
che Gesamtnutzungsdauer von fünf Jahren hat, während der regelmäßigen Widerrufsfrist genutzt, wird hierfür eine Nutzungsgebühr i.H.v.
1
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 20; Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn.
39.
2
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 30.
Erman/Röthel, § 346, Rn. 8; jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 92.
4
Brönneke, MMR 2004, 127, 133.
5
BGHZ 115, 47, 54 f.; BGH NJW 1996, 250, 252; MünchKommBGB/Gaier,
§ 346, Rn. 26 m.w.N; Bülow/Arzt/Bülow, S. 131 f., Rn. 219.
6
Bülow/Arzt/Bülow, S. 132, Rn. 220.
7
AfA-Tabelle Nr. 6.13.2.2.
3
D. Wert- und Nutzungsersatz
323
2,30 € fällig, also weniger als 1% des Kaufpreises. Bei einer Bohrmaschine zum gleichen Preis wären es 1,44 €, weil hier von einer achtjäh1
2
rigen Gesamtnutzungsdauer ausgegangen wird, bei einem Notebook
immerhin 3,84 €. Zudem müssen wegen der FARL die § 357 Abs. 1,
346 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB restriktiv interpretiert werden, so dass ein
Nutzungsersatz nicht in Betracht kommt, wenn zwar eine Nutzungsmöglichkeit bestand, jedoch nicht davon Gebrauch gemacht wurde, z.B.
die Ware überhaupt nicht ausgepackt oder das Kfz nicht zugelassen
wurde.
bb) Durchschnittliche Mietkosten
Teilweise wird zur Berechnung auch auf die durchschnittlichen Miet3
kosten für ein entsprechendes Produkt abgestellt. Das AG Augsburg
hat z.B. entschieden, dass für die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eines Fernsehers für 30 Betriebsstunden 250 EUR Wertersatz bean4
sprucht werden können. Zumindest bei Gegenständen, deren Wert
durch Gebrauch oder Zeitablauf nicht vermindert wird, wie z.B. Antiquitäten, sei eine Bemessung der Gebrauchsvorteile aufgrund des
5
durchschnittlichen Miet- oder Pachtzinses sinnvoll. Dem ist zuzustimmen. Ansonsten könnte sich ein Verbraucher Uhren, Schmuck, Gemälde oder Plastiken quasi als private Wanderausstellung gratis nach Hause bestellen und müsste hierfür angesichts der hohen Preise nach
deutschem Recht nicht einmal die Rücksendekosten tragen. Eine derartige Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel war weder vom
Gesetzgeber bezweckt noch ist sie aus Verbraucherschutzgründen geboten.
Auch bei Waren, die typischerweise nicht nur verkauft, sondern gleichermaßen auch vermietet werden, ist nicht die zeitanteilige lineare
Wertminderung, sondern der durchschnittliche Mietpreis zugrunde zu
legen. Anderenfalls würden Verkäufer von Party-Musikanlagen, Bierzelt-Garnituren, Geschirr oder Home-Swimming-Pools unfreiwillig zu
Verleihern ihrer Produkte. Auch hier ist jedoch im Lichte der FARL
darauf abzustellen, dass der Verbraucher die Ware nachweisbar genutzt
hat; ansonsten kann keine Nutzungsentschädigung geltend gemacht
werden. Auch der Käufer solcher Produkte darf keine finanziellen
Nachteile haben, wenn bei ihm im Nachhinein Zweifel an Preis oder
Qualität des Produktes oder der Seriosität des Verkäufers aufkommen.
1
AfA-Tabelle Nr. 5.3.2.
3 Jahre Nutzungsdauer, AfA-Tabelle Nr. 6.14.3.2.
3
Lütcke, Fernabsatzrecht, § 357 Rn. 37.
4
AG Augsburg, Urteil v. 30.10.2006 – 23 C 4461.
5
Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 36; jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 97.
2
324
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
b) Abnutzungsschaden
Vereinzelt wird die Meinung vertreten, dass ein möglicher Nutzungsersatzanspruch nach § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit dem Abnutzungsschaden wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme deckungsgleich sei
1
und sich daher nach § 357 Abs. 3 BGB richte. Der Abnutzungsschaden
stehe dem Nutzungsgewinn im Regelfall spiegelbildlich gegenüber, d.h.
Wertersatz- und Nutzungsersatzverpflichtung seien deckungsgleich.
Würde man dem Verbraucher in diesem Fall eine Vergütungsverpflichtung für die gezogenen Nutzungen auferlegen, bedeute dies eine Umgehung i.S.d. § 312f BGB, weil dem Unternehmer der Wertersatz für die
bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache vollumfänglich als
2
Nutzungsersatz zustünde.
Dies überzeugt nicht. § 357 Abs. 3 BGB ist in der Sache eine Abweichung von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB. Daraus folgt nicht, dass der
Verbraucher, der den Vertrag widerrufen hat, bereits mit Ingebrauchnahme der Sache zum Wertersatz verpflichtet wäre. Gemäß § 346
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB hat der Schuldner nämlich nur Wertersatz zu
3
leisten, soweit sich der empfangene Gegenstand verschlechtert hat. Ist
eine Verschlechterung eingetreten, kann der Wertersatzanspruch deutlich höher sein als der Nutzungsersatzanspruch. Für ein Kfz im Wert
von 15.000 € wäre für eine vierzehntägige Nutzung z.B. ein Nutzungs4
ersatz nach AfA-Tabelle i.H.v. 95,89 € fällig. Fährt der Verbraucher
während der Widerrufsfrist mit dem Kfz nach Griechenland in den
Urlaub und zurück, kommt als Abnutzungsschaden für abgefahrene
Reifen, Lackschäden, Zigarettengeruch, Kratzer am Handschuhfach,
verschmutzte Sitze und Teppiche sowie sonstigen Verschleiß je nach
Abnutzungsgrad möglicherweise ein ganz anderer Betrag zustande. Von
einer Deckungsgleichheit kann keine Rede sein. Vielmehr ist der Abnutzungsschaden an anderer Stelle, nämlich in § 357 Abs. 3 BGB geregelt.
Die Verschlechterung infolge der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme kann noch höher als die lineare Wertminderung oder der Abnutzungsschaden sein. Im obigen Kfz-Beispiel betrüge der Wertverlust
5
infolge der Zulassung allein 20%, d.h. 3.000,- €. Zu Recht werden an
diesen Anspruch höhere Anforderungen in § 357 Abs. 3 BGB gestellt.
1
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 67. Dazu sogleich Teil 4 D II.
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 66.
3
BT-Drucks. 14/6857 v. 31.8.2001, S. 58 (Gegenäußerung BReg zum SMG).
4
6 Jahre Nutzungsdauer, AfA-Tabelle Nr. 4.2.1.
5
Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
325
c) Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
Zum Teil wurde bereits der Nutzungswertersatz als Verstoß gegen die
1
Vorgabe des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 FARL eingestuft. Hier wird eine
2
Parallele zum Quelle-Urteil des EuGH gezogen. In seinem Urteil zu
Nutzungsersatz im Rahmen der Gewährleistung hat der EuGH entschieden, dass dem Verkäufer keine Nutzungsersatzansprüche zustehen,
wenn er eine Nacherfüllung in Form einer Neulieferung unternimmt. In
seiner Entscheidung verdeutlicht der EuGH, dass als Kosten alle finanziellen Belastungen zu sehen sind, die den Verbraucher abhalten kön3
nen, seine Ansprüche geltend zu machen. Daher seien auch Nutzungsersatzansprüche „Kosten“ in diesem Sinne. Da eine Wertersatzpflicht
den Verbraucher auch von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten könnte, ist ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 FARL
nicht ausgeschlossen.
4
Zum österreichischen Recht hat das HG Wien hingegen entschieden,
dass die in § 5g KSchG getroffene Regelung, nach der der Verbraucher
dem „Unternehmer ein angemessenes Entgelt für die Benützung, einschließlich einer Entschädigung für eine damit verbundene Minderung
des gemeinen Wertes der Leistung, zu zahlen“ hat, nicht gegen Art. 6
Abs. 2 Satz 2 FARL verstoße. Das fernabsatzrechtliche Widerrufsrecht
solle den Verbraucher einem Käufer, der die Ware vor Vertragsabschluss sieht und überprüfen kann, gleichstellen. Die FARL möchte den
im Wege eines Fernabsatzgeschäfts kaufenden Verbraucher nicht besser
5
als bei einem Verkauf unter Anwesenden stellen. Dem Konsumenten
stehe es frei, die Ware nach Erhalt zu prüfen und danach zurückzutreten. Ein Nutzungsersatzanspruch stehe dem nicht entgegen.
aa) EuGH-Vorlage durch das AG Lahr
6
Das AG Lahr hat die Frage nach der Vereinbarkeit der § 357 Abs. 1
BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB mit Art. 6 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2
FARL dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Fraglich ist, inwieweit die Überlegungen des EuGH im Bezug auf den Nutzungsersatz
bei Gewährleistung auf den Nutzungsersatz bei Widerruf übertragen
werden können. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass sowohl die
Fernabsatz-, als auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie einen „KostenBegriff verwenden. Eine Übertragung der Argumentation zum Fall der
1
Micklitz/Reich, BB 1999, 2093, 2095; Tonner, BB 2000, 1413, 1416; Rott, VuR
2001, 78, 81.
2
EuGH, NJW 2008, 1433 = EuZW 2008, 310 = CR 2008, 481.
3
EuGH, NJW 2008, 1433 = EuZW 2008, 310 = CR 2008, 481.
4
HG Wien, MMR 2005, 830.
5
HG Wien, MMR 2005, 830.
6
AG Lahr, MMR 2008, 270 = BB 2008, 694.
326
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
Nachbesserung auf den Widerrufsfall ist allerdings wegen der gravierenden Unterschiede beider Konstellationen abzulehnen. Zum einen
sind die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 14 FARL im Unterschied zu der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie berechtigt, Bedingungen
und Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts näher zu bestim1
men. Zum anderen hat im ersten Fall der Unternehmer seine Vertragspflichten ordnungsgemäß erfüllt, während im zweiten wegen seiner
Schlechtleistung eine Nachbesserung erforderlich ist. Eine Gleichbehandlung der Situation bei Lieferung eines vertragswidrigen Verbrauchsguts mit einem Widerruf, ohne dass dem Händler eine Pflicht2
verletzung vorzuwerfen ist, ist nicht gerechtfertigt.
Würde der EuGH einen Verstoß des § 357 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 346
Abs. 1 BGB gegen europarechtliche Normen bejahen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf den Onlinehandel. Verbraucher könnten dann
noch mehr als bislang das Widerrufsrecht missbrauchen, um Waren
kostenfrei auszuleihen und danach gegen volle Kaufpreisrückerstattung
zurückzusenden. Der Nachweis, dass eine Kaufabsicht vom Anfang an
nicht bestand, was möglicherweise zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Missbräuchlichkeit führen könnte, wird in der Regel vom
3
Verkäufer nicht zu führen sein. Eine solche Entscheidung hätte dann
auch Auswirkungen auf die Widerrufsbelehrung selbst, die in diesem
Fall für eine ordnungsgemäße Belehrung nicht mehr tauglich wäre. Dies
könnte dazu führen, dass im Rahmen der Geschäfte, in denen diese
Belehrung verwendet wurde, die Verbraucher ihre Vertragserklärung
zeitlich uneingeschränkt widerrufen könnten und zwar ohne Nutzungs4
forderungen zu befürchten. Dies würde letztlich Preissteigerungen und
daher eine Belastung der Gesamtheit der Kunden als Folge haben sowie
eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit des Onlinehandels gegen5
über dem stationären Handel und der ausländischen Konkurrenz.
bb) Schlussanträge der EuGH-Generalanwältin
Nun liegen die Schlussanträge der slowenischen EuGH-General6
anwältin Verica Trstenjak zu dieser Frage vor. Die Generalanwältin
empfiehlt dem EuGH in ihrem Schlussantrag, die Vorlagefrage des AG
Lahr so zu beantworten, dass Art. 6 Abs. 1 und 2 FARL dahin gehend
auszulegen ist, dass er einer nationalen gesetzlichen Regelung entgegen1
Buchmann, K&R 2008, 505, 509.
Buchmann, K&R 2008, 505, 508; Häuser, ITRB 2003, 17, 18 unter Berufung
auf BT-Drucks. 14/6040, S. 199.
3
Teil 3 B VI und VII; Buchmann, K&R 2008, 505.
4
Buchmann, K&R 2008, 505, 506.
5
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 25.
6
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
327
steht, die generell besagt, dass der Verkäufer im Falle des fristgerechten
Widerrufs durch den Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des gelieferten Verbrauchsguts verlangen kann. Es handele sich um Kosten im
Sinne der Richtlinie, nach der lediglich die unmittelbaren Kosten der
Rücksendung auferlegt werden dürfen, wozu Wertersatz für die Nutzung nicht zähle. Damit werde dieser Wertersatz in Deutschland entgegen Art. 6 Abs. 1 FARL infolge der Ausübung des Widerrufsrechts
1
auferlegt.
Es handele sich zwar nicht um eine Strafzahlung im Sinne von Art. 6
2
FARL. Die Generalanwältin meint aber, Wertersatzansprüche stellten
Kosten dar, die dem Verbraucher nicht auferlegt werden dürften. Die
Richtlinie enthält im Gegensatz zur Richtlinie 1999/44 keine explizite
3
Definition des Begriffs der Kosten, und auch im Gemeinschaftsrecht
existiert keine generelle oder übertragbare Definition dieses Begriffs.
Art. 6 Abs. 1 und 2 FARL spricht von solchen Kosten, „die dem
Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt
werden“. Solche dem Verbraucher aufzuerlegen, ist nur für die „unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ erlaubt. Diese Formulierung und der Bezug auf „die einzigen Kosten, die dem Verbraucher …
auferlegt werden können“, zeigten, dass die Richtlinie neben diesen
„unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren“ von weiteren
Kosten ausgehe, die jedoch nicht dem Verbraucher auferlegt werden
4
dürfen. Systematische Argumente sprächen also dafür, den Begriff der
5
Kosten im Sinne der FARL weit auszulegen.
Auch Sinn und Zweck der Bestimmungen in Art. 6 FARL sprächen
dafür, dem Kostenbegriff eine weite Bedeutung zu geben. In Erwägungsgrund 14 wird hervorgehoben, dass die Frage, ob das Widerrufsrecht als ein funktionierendes Verbraucherrecht wirkt, insbesondere
davon abhängt, welche finanziellen Auswirkungen mit seiner Inan6
spruchnahme verbunden sind. Damit es sich beim Widerrufsrecht um
mehr als ein bloß formales Recht handelt, müssten die Kosten, die,
wenn überhaupt, vom Verbraucher im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts getragen werden, auf die unmittelbaren Kosten der Rücksen1
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009,
Nr. 79.
2
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009,
Nr. 65.
3
Ausführlich dazu Buchmann, K&R 2008, 505, 508.
4
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009,
Nr. 68.
5
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009,
Nr. 70.
6
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009,
Nr. 72.
Rechtssache C-489/07,
Rechtssache C-489/07,
Rechtssache C-489/07,
Rechtssache C-489/07,
Rechtssache C-489/07,
328
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
dung der Waren begrenzt werden. Insbesondere die strukturelle Gefahr
eines eventuellen (Rechts-)Streits darüber, ob der Verbraucher die Sache
nur auf ihre Tauglichkeit für seine Zwecke hin überprüft oder darüber
hinaus Nutzungen (gegebenenfalls welche) aus ihr gezogen hat, könnte
den Verbraucher davon abhalten, seine Rechte wahrzunehmen. Einerseits könnte es ihn in der Praxis bereits vorsorglich davon abhalten,
eine tatsächliche Überprüfung der Ware vor Rücksendung vorzunehmen, z. B. durch Zerreißen einer schützenden Plastikfolie. Denn eine
unversehrte Plastikschutzfolie dokumentiert eindeutig Nichtnutzung,
1
aber sie verhindert auch das Ansehen und Prüfen der Ware.
Unter diesen Umständen würde das Recht des Verbrauchers, die Ware nach Vertragsschluss überprüfen zu können, entgegen dem 14. Erwägungsgrund FARL zu einem bloß formalen Recht verkommen, so die
Generalanwältin. Dies würde dem Sinn und Zweck der FARL wider2
sprechen. Das von der Kommission vorgebrachte Argument, dass in
manchen Fällen die Grenze zu ungerechtfertigter Bereicherung überschritten sein könnte, beispielsweise wenn eine Ware für einen speziellen Anlass im Fernabsatz bestellt und nach der anlassbezogenen Benutzung unter Widerruf des Vertrags wieder zurückgeschickt wird, könne
nicht dafür herangezogen werden, eine alle Verbraucher belastende
generelle Kostenregelung zu treffen. Die „Befürchtung eines Missbrauchs durch Einzelne“ dürfe generell nicht dazu führen, den Schutz
der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte für alle einzuschrän3
ken. Auch der Vorschlag der Kommission in Art. 17 Abs. 2 VRRL-E,
wonach der Verbraucher für einen etwaigen Wertverlust der Waren
haftet, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Eigenschaften
und des Funktionierens der Waren nicht notwendigen Umgang mit
ihnen zurückzuführen ist, sei als reiner Vorschlag für die Auslegung der
4
in Kraft befindlichen FARL nicht ergiebig.
d) Stellungnahme
Der Generalanwältin ist darin zuzustimmen, dass ein Wertersatzanspruch für die bloße Möglichkeit der Nutzung dem Zweck der FARL
5
zuwider läuft. Dies liefe praktisch auf eine nachträgliche Leihgebühr
1
Schlussanträge
Nr. 77.
2
Schlussanträge
Nr. 77.
3
Schlussanträge
Nr. 90.
4
Schlussanträge
Nr. 85.
5
Schlussanträge
Nr. 52.
der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
D. Wert- und Nutzungsersatz
329
hinaus und könnte den Verbraucher durch Auferlegung von Kosten
davon abhalten, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Es
verbleibt weder eine Bereicherung beim Verbraucher noch ein Schaden
1
beim Unternehmer. Der bloße Besitz der Ware während des Laufs der
Widerrufsfrist kann keine ersatzpflichtige Nutzung darstellen. Der Nutzungsersatzanspruch nach § 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB bezieht sich auch nicht auf die Wertverluste, die durch die reine (erstmali2
ge) Ingebrauchnahme entstanden sind. Eine Abgrenzung zwischen
„Ingebrauchnahme“ i.S.v. § 357 Abs. 3 S. 1 BGB und „Nutzung“ i.S.v.
3
§ 346 Abs. 1 BGB führt auch oft in eine juristische Grauzone. Maßgeblich hierfür ist die Intensität der Nutzung; wo die genaue Grenze
4
liegt, ist im Einzellfall sehr schwer zu beurteilen, zumal häufig nicht
nachweisbar ist, ob die Sache überhaupt, einmalig oder mehrmals gebraucht wurde. Die Abgrenzungsschwierigkeiten können aber nicht
dazu führen, dass der Händler überhaupt keinen Nutzungsersatzan5
spruch mehr geltend machen kann. Vielmehr ist dieser Anspruch durch
richtlinienkonforme Auslegung restriktiv zu handhaben.
Die FARL lässt entgegen der Ansicht der Generalanwältin eine nationale Regelung zum Wertersatz für tatsächlich gezogene Nutzung zu.
Die deutsche Regelung zum Wertersatz für Nutzung kann nicht generell
unter den Begriff der „Kosten“ im Sinne des Erwägungsgrundes 14
bzw. von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 der FARL subsumiert werden. Die
englische Fassung der Richtlinie spricht auch nicht von „costs“, sondern von „charge“, was eher mit „Gebühr“ oder „Entgelt“ als mit
„Kosten“ übersetzt werden kann. Nicht unter „charge“ fallen kann die
im Nutzungsersatz zum Ausdruck kommende Abschöpfung einer Bereicherung. Der Wortlaut der FARL ist objektiv mehrdeutig, zu untech6
nisch und daher für Begriffsjurisprudenz untauglich.
Die Zahlung eines Nutzungsentgelts für die tatsächliche Nutzung
wird von der FARL nicht untersagt, sondern unterliegt dem Ermessen
der Mitgliedstaaten. Dies zeigt auch ein Vergleich mit der FARLFDL.
Die FARL bezieht sich nicht nur auf die Lieferung von Waren, sondern
umfasst auch das Anbieten von Dienstleistungen. Ein genereller Ausschluss des Wertersatzes würde dazu führen, dass ein Unternehmer
keinen Wertersatz für die bereits erbrachten Dienstleistungen verlangen
1
OGH, VuR 2006, 242.
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 50.
3
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 49.
4
Der OGH Wien ist bspw. von einer Nutzung eines Flachbildschirms bei einem
Gebrauch über 43 ½ Stunden im Rahmen von acht Werktagen ausgegangen. OGH,
VuR 2006, 242.
5
So aber Rott, VuR 2006, 218, 220.
6
Schinkels, ZGS 2005, 179.
2
330
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
könnte. Im Bereich der Finanzdienstleistungen wird in Art. 7 Abs. 1
S. 1 FARLFDL ausdrücklich klargestellt, dass der Unternehmer die
unverzügliche Zahlung für die von ihm gemäß dem Fernabsatzvertrag
tatsächlich erbrachte Dienstleistung verlangen kann. Es würde einen
Verstoß gegen das Gleichheitsgebot und einen nicht nachvollziehbaren
Politikwechsel darstellen, wenn der europäische Gesetzgeber den Wertersatz bei den Finanzdienstleistungen im Wege der Vollharmonisierung
anordnet, aber bei allgemeinen Dienstleistungen anders hätte regeln
wollen. Die Möglichkeit, Wertersatz für gezogene Nutzungen zu ver1
langen, ist nach der FARL also nicht generell ausgeschlossen, so dass
Wertersatzverpflichtungen nicht insgesamt pauschal unter den Kostenbegriff subsumiert werden können.
Solche Regelungen hat der deutsche Gesetzgeber in § 346 Abs. 1,
Abs. 2 Nr. 1 BGB und in § 357 Abs. 3 S. 1 BGB getroffen. Allerdings
kann nach diesen Vorschriften auch dann Wertersatz verlangt werden,
wenn die Ware nicht genutzt wurde. Hier wäre nach einem entsprechenden EuGH-Urteil eine gesetzgeberische Klarstellung wünschenswert, dass diese Form des Wertersatzes bei Ausübung des fernabsatzrechtlichen Widerrufsrechtes vom Unternehmer nicht beansprucht
werden kann. Diese Regelungen können aber auch richtlinienkonform
so ausgelegt werden, dass die Schutzzwecke der FARL und die berech2
tigten Interessen des Unternehmers gleichermaßen gewahrt werden.
Soweit man Wertersatz für die bloße Nutzungsmöglichkeit nicht mit
darunter fasst, stellen Wertersatzansprüche für die tatsächliche Nutzung der Ware keine Kosten i.S.d. FARL dar.
Es ist kein schutzwürdiges Vertrauen darauf ersichtlich, dass dem
Verbraucher gegenüber für die Zeit der Nutzung keine Nutzungsersatz3
ansprüche geltend gemacht würden. Das eingeräumte Widerrufsrecht
dient dazu, dem Verbraucher eine Begutachtung der Ware wie im Ladengeschäft zu ermöglichen. Erst nachdem dieser die feste Entscheidung
getroffen hat, dass er die Ware behalten will, sollte er diese auch als
4
Eigentümer nutzen. Bei entsprechenden Hinweisen in der Widerrufsbelehrung kann der Kunde selbst die Entstehung eines Wertverlustes dadurch vermeiden, dass er die Ware nicht in Gebrauch nimmt. Der
Verbraucher ist insoweit auch nicht schutzbedürftig, da er schon die
Entscheidung getroffen hat, die Ware zu behalten und wie ein Eigentümer zu benutzen. Es ist konsequent, den Verbraucher für den Fall der
Revidierung seiner Entscheidung mit dem Ersatz der Nutzung zu be1
Schinkels, ZGS 2005, 179, 180.
Ähnlich Rott, VuR 2006, 218, 219.
3
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 31.
4
Buchmann, K&R 2008, 505, 508.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
331
1
lasten. Die Pflicht zum Ersatz eines Wertverlustes unterscheidet sich
2
wertungsmäßig klar von einer Kostentragungsregelung i.S.d. FARL.
Der Verbraucher erleidet auch keinen Nachteil, da er durch die Nutzung der Ware entschädigt ist. Somit ist jegliche tatsächliche Nutzung
zu vergüten und nicht nur diejenige, die Spuren der Abnutzung hinterlassen hat.
Der Ausgleich der Wertminderung ist letztlich als Schadensersatz und
3
nicht als eine Sanktion zu verstehen. Bei saldierender Betrachtung und
restriktiver Handhabung führt die Pflicht zur Nutzungsentschädigung
4
nicht zu einer Werteinbuße beim Verbraucher. Die Nutzungsvergütung
ist auch nicht infolge der Ausübung des Widerrufsrechtes, sondern
5
infolge der Nutzung der Ware zu zahlen. Es geht daher einzig um die
Rückabwicklung von Vorteilen und Schäden, die durch die vorüberge6
hende Benutzung entstehen.
2. Wertersatz für Verbrauch etc.
Nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB schuldet der Verbraucher Wertersatz,
soweit er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet,
verarbeitet oder umgestaltet hat. Es handelt sich bei den Fallgruppen in
§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB lediglich um typisierte Fälle der Unmöglichkeit oder Schlechterfüllung der Rückgewähr; die Regelung ist daher
7
nicht abschließend zu verstehen. Unter Verbrauch ist die bestimmungsgemäße Verwendung des empfangenen Gegenstands in einer Weise zu
8
verstehen, die zu seinem Untergang führt (vgl. § 92 BGB). Darunter
fällt nur der bestimmungsgemäße Verzehr der Sachsubstanz, nicht jedoch der Wertverzehr, den eine Sache durch ihren Gebrauch erfährt. In
einem solchen Fall erfolgt der Ausgleich durch Herausgabe gezogener
9
Nutzungen nach § 346 Abs. 1 BGB. Der Verbrauch kommt also nur
bei verbrauchbaren Stoffen zum Tragen.
Ein typischer Verbrauchsfall wäre etwa das Austrinken einer Flasche
Wein; hier erhält der Verbraucher selbstverständlich nicht den Kaufpreis rückerstattet. Gleiches gilt aber auch, wenn er nur die halbe Flasche austrinkt, da die Ware durch diese Eingriffshandlung nicht mehr
1
Buchmann, K&R 2008, 505, 508.
bvh-Stellungnahme Schuldrechtsreform, S. 25.
3
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 654.
4
Brönneke, MMR 2004, 127, 132.
5
Meents, Verbraucherschutz bei Rechtsgeschäften im Internet, S. 204; Gößmann,
MMR 1998, 88, 91; Fuchs, ZIP 2000, 1285; Häuser, ITRB 2003, 40, 42.
6
BT-Drucks. 14/6040 S. 199.
7
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 37.
8
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 33.
9
Erman/Röthel, § 346, Rn. 9; MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 38.
2
332
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
verkehrsfähig sprich unverkäuflich ist. Richtigerweise ist in solchen
Fällen das Widerrufsrecht ausgeschlossen, worüber vorab zu informie1
ren ist, weil die Ware nicht zur Rücksendung geeignet ist.
2
Der BGH hat in einem Vorlagebeschluss an den EuGH die Befürchtung geäußert, wegen der Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
Satz 2 FARL könnte eine Wertersatzpflicht, wie sie nach deutschem
Recht im Fall des Verbrauchs der Ware besteht, mit der FARL unvereinbar sein. Diese Ansicht ist jedoch völlig absurd. Das hieße, dass der
Kunde sich eine Tüte Chips bestellen und aufessen dürfte und dann den
3
Vertrag widerrufen könnte, ohne für die Chips zu bezahlen. Der BGH
erkennt dann auch, dass ohne eine solche Wertersatzmöglichkeit der
Widerruf für den Unternehmer „unzumutbar“ wäre. Daher könne Art.
6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 der FARL dafür sprechen, dass bei zum
Verbrauch bestimmten und tatsächlich verbrauchten Waren das Widerrufsrecht gemäß Art. 6 Abs. 3 Spiegelstrich 3 Fall 3 FARL ausgeschlos4
sen ist.
5
Das LG Wuppertal hat entschieden, dass bereits mit dem Öffnen jedes Behältnisses, in dem sich Kosmetika oder Pflegemittel befinden,
deren Verbrauch beginne, weil diese im geschäftlichen Verkehr nicht
mehr marktfähig und wie nicht mehr vorhanden (untergegangen) anzusehen seien. Kosmetika könnten also nicht wie andere Sachen in
Gebrauch genommen, sondern nur verbraucht werden. Nach dieser
Ansicht beträgt der Wertersatz bei Kosmetika mit deren Anbrechen
stets 100%, ohne dass der Verbraucher hierüber belehrt werden müsste. Diese Ansicht ist allerdings in dieser Pauschalität problematisch, da
nicht jedes Anbrechen von Kosmetika diese völlig wertlos macht, etwa
wenn eine Duftsubstanz aus einem Flakon dreimal versprüht wird oder
einmal auf den Spender einer 500g Cremedose gedrückt wird.
In einem vergleichbaren Fall zu Nahrungsergänzungsmitteln hat das
6
LG Dortmund anders entschieden, dass bei Öffnen der Verpackung
nicht von einem Verbrauch, sondern von einer Ingebrauchnahme auszugehen sei, wobei der Händler hinsichtlich der Höhe des Wertersatzes
beweispflichtig sei. Dies überzeugt nicht, da Nahrungsergänzungsmittel
nicht gebraucht, sondern verbraucht werden und eine angefangene
Packung eines solchen Produktes aus gesundheitlichen Gründen nicht
1
Teil 2 D III 3 c); Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3753f.
BGH, Beschluss vom 18.3.2009 – VIII ZR 149/08; Pressemitteilung 59/09 v.
18.3.2009.
3
BGH, Beschluss vom 18.3.2009 – VIII ZR 149/08; Pressemitteilung 59/09 v.
18.3.2009.
4
So allgemein bei einem erheblichen Wertersatzanspruch: Becker/Föhlisch, NJW
2008, 3751; vgl. Teil 2 D III 3 d) cc).
5
LG Wuppertal, Urteil v. 22.08.2006, 14 O 87/06, BeckRS 2008, 03864.
6
LG Dortmund, ITRB 2008, 58.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
333
mehr verkauft werden darf, d.h. vom Unternehmer vernichtet werden
muss. Der Unternehmer muss also nicht die Höhe des Wertersatzanspruchs beweisen, da dieser durch die Eingriffshandlung des Verbrauchers stets die Höhe des Warenwertes erreicht, weshalb es aus Verbraucherschutzgründen transparenter ist, eine solche Ware ganz vom
1
Widerrufsrecht auszunehmen und vorab hierüber zu informieren.
3. Wertersatz für Verschlechterung oder Untergang
a) Verschlechterung der Ware
Ist es für den Verbraucher unmöglich, den empfangenen Gegenstand
zurückzugewähren, hat dies keine Auswirkungen auf sein gesetzliches
2
Widerrufsrecht; gleiches gilt für eine Verschlechterung der Sache. Verschlechterung und Untergang i.S.v. § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind Werteinbußen, die nicht durch bestimmungsgemäßen Gebrauch entstanden
3
sind. Untergang ist die gänzliche Zerstörung einer Sache. Dabei ist es
nicht erforderlich, dass eine Sache physisch zerstört wird; entscheidend
ist vielmehr, dass die Sache nicht herausgegeben werden kann. Daher
sind auch Verfügungen über die Sache im Wege der Zwangsvollstre4
ckung erfasst. Die Verschlechterung ist als Auffangtatbestand einzustufen und erstreckt sich auf jede sonstige nachteilige Veränderung der
5
Substanz oder Funktionstauglichkeit des empfangenen Gegenstands.
Keine Anwendung findet die Regelung hingegen auf Marktpreiseinbu6
ßen. Der Katalog des § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB wird nicht als abschließend angesehen, so dass die Regelung auf jegliche vom Gesetzeswortlaut nicht erfasste Fälle der subjektiven und objektiven
7
Unmöglichkeit anzuwenden ist.
Ohne Belang für die Wertersatzpflicht wegen des Charakters der
8
Norm als Gefahrtragungsregel ist weiterhin, ob der Untergang oder die
Verschlechterung vom Verbraucher verschuldet oder nach der Wider9
rufserklärung eingetreten ist. Es besteht keine Verpflichtung für den
Verbraucher, Reparatur- oder Wiedererlangungsversuche zu unternehmen, wenn die Verschlechterung oder der Untergang vor Entstehen der
1
Teil 2 D III 3 c); Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3753f.
Erman/Saenger, § 357, Rn. 14.
3
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 41.
4
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 48.
5
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 41.
6
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 48.
7
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 43; Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn.
45.
8
Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 43.
9
Erman/Röthel, § 346, Rn. 11; jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 46.
2
334
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
Rückgewährpflicht eingetreten sind. Solche Maßnahmen sind allerdings
erlaubt, um den Wertersatzanspruch abzuwenden oder auf den verblei1
benden merkantilen Minderwert zu reduzieren. Bei einem teilweisen
Verbrauch kann weder der Unternehmer Wertersatz für den gesamten
Gegenstand verlangen noch der Verbraucher seine Verpflichtung zur
Rückgewähr der „Restsache“ durch Leistung umfassenden Wertersat2
zes abwenden. Im Falle der Zerstörung der erhaltenen Sache kann der
Verbraucher die Wertersatzpflicht nicht durch Rückgabe einer anderen
Sache gleicher Art abwenden, da die Rückgabepflicht eine Stückschuld
3
ist.
b) Verschlechterung der „Originalverpackung“
Nicht immer wird präzise zwischen den verschiedenen Verpackungs4
formen unterschieden. Der Begriff der „Originalverpackung“ beschreibt aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise in der Regel
nur undifferenziert alle Verpackungsebenen, die einen werblichen bzw.
die Ware beschreibenden Aufdruck aufweisen oder sonst erkennbar zur
Herstellerverpackung in Abgrenzung zur sonstigen Verpackung (meist
Versandverpackung) gehören. Aus der Sicht des verständigen Verbrauchers vermag der Begriff der Originalverpackung allenfalls zu taugen,
um zwischen der (meist neutralen) Versandverpackung und der Ver5
kaufsverpackung zu differenzieren.
Ob der Händler bei Beschädigung oder Verlust der Originalverpackung in einigen Fällen Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB geltend machen kann, wird durch eine Auslegung des Gesetzeswortlauts
nicht eindeutig beantwortet. In § 346 BGB werden unterschiedliche
Begriffe verwendet. Während § 346 Abs. 1 BGB von „empfangenen
Leistungen“ spricht, ist in § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB vom „Erlangten“
und in Nr. 2 und 3 vom „empfangenen Gegenstand“ die Rede. Die
Begriffe des „Erlangten“ und des „empfangenen Gegenstands“ deuten
darauf, dass damit alles aufgrund des Kaufvertrages Erhaltene gemeint
6
ist, wozu auch die Transportverpackung gehören kann.
Einzubeziehen ist hier die Verkehrsanschauung, die auf die Verkehrsfähigkeit der Verpackung und die Verbrauchersicht abstellt. Hier sind
an unterschiedliche Verpackungsarten auch unterschiedliche Anforde7
rungen zu stellen. Es bedarf einer einzelfallbezogenen Prüfung der
1
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 46.
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 46.
3
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 49.
4
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
5
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
6
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 650.
7
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 650.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
335
Funktion und Bedeutung der Verpackung für die Ware und deren Verkehrsfähigkeit. Ergibt dies, dass die Verpackung für die Ware ein wertsteigernder Faktor ist, so stellt sie zugleich einen Bestandteil der Ware
1
dar und wird von den Wertersatzregelungen des § 346 BGB erfasst. § 3
Abs. 1 VerpackV unterscheidet drei Verpackungsebenen: Transportverpackung, Umverpackung und Verkaufsverpackung. Diese Differenzierungen lassen sich auch für die Wertersatzfrage fruchtbar machen. Das
Öffnen oder Entfernen von reinen Transportverpackungen beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit einer Ware regelmäßig nicht. Gleiches gilt für
Umverpackungen. Die Verkaufsverpackung besitzt hingegen meist Barriereeigenschaften, die die Wechselwirkungen zwischen Produkt und
Umwelt ausschließen oder eindämmen sollen und nicht bloß die Logis2
tikfunktion unterstützen (sog. Primärverpackung).
aa) Ware oder Verpackung
In einigen Fällen ist kaum abgrenzbar, ob es sich um eine Verpackung
oder um einen Teil der Ware handelt, wie z.B. bei Covers von CDs und
DVDs, die zum einen Schutzverpackung darstellen, zum anderen zusätzliche Informationen über den Titel enthalten. Herangezogen werden
können hier die Bestimmungen der VerpackV. Nach deren Anhang V
gelten z.B. Klarsichtfolien um CD-Hüllen, Frischhalte- oder Aluminiumfolie, Etiketten, sowie Aufkleber, die auf anderen Verpackungsteilen
befestigt sind als Verpackungen, während CD-Hüllen z.B. keine
Verpackungsqualität besitzen. Als ein Teil der Ware ist immer eine
aufwendige vom Hersteller stammende Originalverpackung zu sehen.
Bei Miniaturmodellen oder Designer-Uhren führt das Fehlen der Produktverpackung zu einer erheblichen Minderung des Wertes der Ware.
Ohne diese Originalverpackung ist das Produkt aus Verbrauchersicht
unvollständig. Bei Markenprodukten bilden Ware und Verpackung oft
eine kennzeichenmäßige Einheit, so dass die Ware nicht ohne Originalverpackung verkauft werden darf.
bb) Primärverpackung
Der Unternehmer kann einen Wertersatzanspruch nach § 346 Abs. 2
BGB nur für den Fall einer untergegangenen Primärverpackung haben,
während das bloße Öffnen eine „bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme“ darstellt und daher vom Anwendungsbereich des § 357 Abs. 3
BGB erfasst ist. Vom Unternehmer ist auch die Wertminderung durch
Zerstörung der Primärverpackung jedenfalls dann zu tragen, wenn eine
Prüfung der Ware nur auf diese Weise möglich ist (vgl. § 357 Abs. 3
1
2
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 651.
Vgl. Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754.
336
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
S. 2 BGB). Das vollständige Fehlen einer solchen Verpackung kann aus
vielfachen Gründen zu Werteinbußen führen.
Der Hersteller eines Parfüms kann den Vertrieb ohne Originalverpackung nach § 24 Abs. 2 MarkenG unterbinden. Fehlt die Verpackung
eines Notebooks, kann dieses Produkt nur noch als „Bulkware“ mit
entsprechenden Preisabschlägen verkauft werden. Bei bestimmten Waren werden auf Verkaufsverpackungen Produktkennzeichnungspflichten erfüllt, z.B. Pflichtangaben nach dem Lebensmittel- oder Arzneimittelrecht, Energiekennzeichnungspflichten, Hinweise auf Entsorgung von
Batterien, Sicherheitshinweise, Bedienungsanleitungen o.ä.. Der Händler darf solche Ware also nicht ohne diese Verpackung verkaufen und
muss im Falle es Verlustes eine neue beschaffen, was nicht immer ohne
Weiteres möglich ist. Dies ist nichts anderes, als wenn ein Teil der Ware
vom Verbraucher nicht herausgegeben werden kann, so dass er die
2
Kosten für die Neubeschaffung der Verpackung tragen muss. Daher
steht dem Unternehmer hier Wertersatz für den Nachkauf einer Origi3
nalverpackung bei dem Hersteller zu.
Da von dem Verbraucher damit ein sorgfältiger Umgang mit der
Produktverpackung erwartet werden kann, erscheint die Bindung der
Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts an die Rücksendung in
Originalverpackung der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbe4
werbs e.V. nur als unwesentlicher weiterer Schritt. Nach Ansicht der
Wettbewerbszentrale erschwere es die Ausübung der Verbraucherrechte
nicht unzumutbar, während der Widerrufsfrist die Originalverpackung
aufzubewahren. Es sollte daher erwogen werden, dem Unternehmer
eine entsprechende Vertragsgestaltungsmöglichkeit einzuräumen.
Selbstverständlich müsse klargestellt sein, dass die Beschädigung der
Produkt- oder Originalverpackung durch bloßes Öffnen oder den
Transport nicht zum Ausschluss der Verbraucherrechte führen kann,
weil sonst die Warenprüfungsmöglichkeit des Verbrauchers einge5
schränkt würde (§§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 357 Abs. 3 S. 2 BGB).
cc) Transportverpackung
Keine Anwendung findet § 346 BGB hingegen auf standardisierte
Transportverpackungen, die nicht individuell für die Ware vom Her-
1
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 653; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1341; vgl.
hierzu Teil 4 D II 2.
2
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1341; Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn.
293; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754; Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 650.
3
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1339.
4
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 9.
5
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 9.
D. Wert- und Nutzungsersatz
337
1
steller erstellt wurden. Gleiches gilt auch für die Umverpackungen. Der
Verbraucher ist auch nicht verpflichtet, die Transportverpackung vom
Verkäufer bei seiner Rücksendung zu verwenden. Auch das OLG
2
Hamm bestätigt, dass die Transportverpackung lediglich dem Schutz
der Ware vor transportbedingten Beschädigungen dient und daher nicht
vom § 346 Abs. 2 BGB erfasst wird.
d) Verhältnis zu Wertersatz für gezogene Nutzungen
Keine Verschlechterung der Sache stellt die Abnutzung der Sache durch
bestimmungsgemäßen Gebrauch dar. Daher besteht nach den allgemeinen Rücktrittsregeln auch keine diesbezügliche Wertersatzpflicht des
3
Verbrauchers. Dies lässt sich damit begründen, dass in den Ersatz für
die gezogenen Nutzungen die normale Abnutzung durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch mit eingerechnet wird. Die Abgrenzung des
bestimmungsgemäßen vom nicht bestimmungsgemäßen Gebrauch richtet sich nach dem Vertragsinhalt, hilfsweise nach der gewöhnlichen
4
Verwendung. Um eine Doppelkompensation zu vermeiden, wird zutreffend vorgeschlagen, dass der Verbraucher die nicht bestimmungsgemäß gezogenen Nutzungen oder die durch diese Nutzungen eingetre5
tene Wertminderung zu vergüten habe, je nachdem, was höher sei.
4. Höhe des Wertersatzes
Bei der Berechnung des Wertersatzes ist gem. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB die
Gegenleistung zugrunde zu legen. Dies ist regelmäßig der vereinbarte
Kaufpreis. Gerade dann, wenn der Verbraucher widerruft, weil er – das
Produkt in den Händen – erkennt, dass ein überhöhter Preis verlangt
wurde, wäre es allerdings nicht richtig, diesen hohen Preis als Aus6
gangspunkt der Berechnung zu Grunde zu legen. Vielmehr ist hier der
durchschnittliche Marktpreis der Berechnung zu Grunde zu legen. Dies
7
ist der objektive Verkehrswert, hilfsweise eine angemessene Vergütung.
Hinsichtlich der Regelung des § 346 Abs. 2 S. 2 BGB wird weiterge8
hend kritisiert, es gehe um die Herstellung des Zustandes vor Vertrags1
Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3754; Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335,
1340 f.
2
OLG Hamm, NJW-RR 2005, 1582.
3
Erman/Röthel, § 346, Rn. 12.
4
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 54.
5
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 55.
6
Brönneke, MMR 2004, 127, 133.
7
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 88; ebenso Härting, Fernabsatzgesetz, Anh. § 3
Rn. 61.
8
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 78; MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 44;
Schinkels, ZGS 2005, 179, 184.
338
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
schluss, so dass es keine Rechtfertigung gebe, sich an den Äquivalenz1
vorstellungen der Parteien zu orientieren. Daher wird für eine teleologische Reduktion dahingehend plädiert, dass der Unternehmer jeden2
falls keinen Anspruch auf den erstrebten Gewinn hat. Die Höhe des
Wertersatzes habe sich am objektiven Wert der Sache zu orientieren.
Andernfalls könnte es bei zufälligem Untergang der Ware zu einer Perpetuierung eines für den Verbraucher nachteiligem Leistungs-Gegenleistungsverhältnis mit dem Wertersatzanspruch kommen.
Im Schrifttum besteht keine einheitliche Meinung über den maßgeblichen Zeitpunkt für die Berechnung des Wertersatzes bei nachträglichem
Eintritt der den Wertersatz begründenden Ereignisse. Zum Teil wird
auf die Rechtsfolgeseite der Gesetzesregelung abgestellt. In § 346 Abs. 2
S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BGB wird die Verteilung der Sachgefahr geregelt.
Dieser entspreche es, für die Wertermittlung den Zeitpunkt des Entste3
hens der Wertersatzpflicht zugrunde zu legen. Nach einer zweiten Auffassung ist für die Wertbemessung der Zeitpunkt der Erklärung des
4
Widerrufs maßgeblich. Werde also etwa Wertersatz nach § 346 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 BGB geschuldet und sei der Marktpreis für die betreffende
Sache zwischen Vertragsschluss und Rücktritt um 10% gestiegen, sei
die Wertberechnung auf der Basis einer um 10% erhöhten Gegenleis5
6
tung vorzunehmen. Nach dem österreichischen OGH Wien soll hingegen der Aufwand maßgeblich sein, den der Käufer hätte vornehmen
müssen, um sich den Gebrauchsnutzen einer gleichwertigen Sache
durch Kauf und Weiterverkauf nach Gebrauch zu verschaffen. Keinen
Einfluss auf die Berechnung des Wertersatzes könne das Inverkehrbrin7
8
gen eines neuen Modells haben. Auch der BGH hat entschieden, dass
beim Rücktritt aus dem Vertrag die Höhe des Wertersatzes an der Höhe der Gegenleistung auch dann zu bemessen ist, wenn die letzte deutlich unter dem tatsächlichen Wert des Gegenstandes liegt.
5. Erleichterter Haftungsmaßstab
§ 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB bestimmt, dass die Pflicht zum Wertersatz
entfällt, wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Ver1
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 44, ebenso jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn.
78.
2
Erman/Saenger, § 357, Rn. 5; Häuser, ITRB 2003, 40, 41.
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 44; Erman/Röthel, § 346, Rn. 15; Staudinger/Kaiser, § 346 Rn. 161.
4
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 77.
5
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 82.
6
Vgl. OHG, VuR 2006, 242.
7
Kritisch Rott, VuR 2006, 218, 220.
8
BGH, JuS 2009, 271 mit Anm. Faust.
3
D. Wert- und Nutzungsersatz
339
schlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist,
obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (diligentia quam in suis). Zu den erfassten Rücktrittsrechten gehören ohne Weiteres auch das Widerrufsrecht
1
nach § 312d Abs. 1 BGB. Nachlässigkeit in eigenen Angelegenheiten in
diesem Sinne ist nach überwiegender Meinung unschädlich, soweit ein
absolutes Minimum an Sorgfalt beachtet wird, dessen Nichtbeachtung
2
auch in eigenen Angelegenheiten als grob sorgfaltswidrig erschiene.
Vertreten wird, dass dieser empirische Standard seine Grenze im Wort3
laut des § 277 BGB finde. Demnach könne die Haftung für Sorgfalt in
eigenen Angelegenheiten nicht strenger sein als eine normale Fahrlässigkeitshaftung. Abweichend hiervon wird die Ansicht vertreten, maßgeblich für den Ausschluss des Wertersatzanspruchs sei nur das aus
§ 254 BGB bekannte „Verschulden gegen sich selbst“ (Außerachtlassung der Sorgfalt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um
4
sich selbst vor Schaden zu bewahren). Hiergegen wird jedoch eingewendet, dass jeder ein Recht darauf habe, in eigenen Angelegenheiten
5
unvernünftig zu sein.
Die diligentia quam in suis gilt jedenfalls nur, sofern der Verbraucher
über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden ist oder
er nicht anderweitig Kenntnis erlangt (§ 357 Abs. 3 S. 3 BGB). Die
anderweitige Kenntniserlangung hat den Inhalt einer ordnungsgemäßen
Widerrufsbelehrung zu umfassen. Eine bloße Kenntnis von der Wider6
rufsmöglichkeit ist nicht ausreichend. Die Beweislast bezüglich der
ordnungsgemäßen Belehrung sowie der anderweitigen Kenntniserlangung trage der Unternehmer, während der Verbraucher beweisen müs7
se, dass er die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat. Dies lässt sich damit
begründen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht auf einer
Pflichtverletzung des Unternehmers beruht. Außerdem ist dem
Verbraucher die schwebende Wirksamkeit des Vertrages bewusst, so
dass er gesteigerte Pflichten hinsichtlich des Vertragsgegenstandes in
8
Kauf zu nehmen hat. Im Lichte der FARL, die den Verbraucher vom
spezifischen Fernabsatzrisiko befreien will, ist eine Anwendung der
Vorschrift jedoch nur für den Fall zulässig, dass die Prüfung überschrit9
ten ist.
1
Bamberger/Roth/Grothe, § 346, Rn. 56 m.w.N.
Erman/Röthel, § 346, Rn. 30; MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 56.
3
Häuser, ITRB 2003, 40, 41.
4
MünchKommBGB/Gaier, § 346, Rn. 56.
5
jurisPK-BGB/Faust, § 346, Rn. 70.
6
MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 44; jurisPK-BGB/Faust, § 357, Rn. 44.
7
jurisPK-BGB/Faust, § 357, Rn. 44; MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 47.
8
MünchKommBGB/Masuch, § 357, Rn. 44; Bülow/Arzt/Bülow, S. 131, Rn. 216.
9
Schinkels, ZGS 2005, 179, 183.
2
340
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
6. Zwischenergebnis
EuGH-Generalanwältin Trstenjak hat in ihrem Schlussantrag empfohlen, die deutsche Regelung zu Wertersatz für die Nutzung der Ware
während der Widerrufsfrist als nicht mit der FARL vereinbar zu bewerten. Würde der EuGH einen Verstoß des § 357 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 346
Abs. 1 BGB gegen europarechtliche Normen bejahen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf den Onlinehandel. Verbraucher könnten dann
noch mehr als bislang das Widerrufsrecht missbrauchen, um Waren
kostenfrei auszuleihen und danach gegen volle Kaufpreisrückerstattung
zurückzusenden.
Der Generalanwältin ist darin zuzustimmen, dass ein Wertersatzanspruch für die bloße Möglichkeit der Nutzung dem Zweck der FARL
zuwider läuft. Dies könnte den Verbraucher durch Auferlegung von
Kosten davon abhalten, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Jedoch lässt die FARL entgegen der Ansicht der Generalanwältin
eine nationale Regelung zum Wertersatz für tatsächlich gezogene Nutzung zu, da es sich beim Wertersatz nicht generell um „Kosten“ handelt. Soweit man Wertersatz für die bloße Nutzungsmöglichkeit nicht
mit darunter fasst, stellen Wertersatzansprüche für die tatsächliche
Nutzung der Ware keine Kosten i.S.d. FARL dar. Die Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen „Ingebrauchnahme“ i.S.v. § 357 Abs. 3 S. 1
BGB und „Nutzung“ i.S.v. § 346 Abs. 1 BGB können aber nicht dazu
führen, dass der Händler überhaupt keinen Nutzungsersatzanspruch
mehr geltend machen kann. Vielmehr ist dieser Anspruch durch richtlinienkonforme Auslegung restriktiv zu handhaben.
Die Zahlung eines Nutzungsentgelts für die tatsächliche Nutzung
wird von der FARL nicht untersagt, sondern unterliegt dem Ermessen
der Mitgliedstaaten, wie auch ein Vergleich mit der FARLFDL deutlich
macht. Darüber hinaus ist kein schutzwürdiges Vertrauen des Verbrauchers darauf ersichtlich, dass ihm gegenüber für die Zeit der Nutzung
keine Nutzungsersatzansprüche geltend gemacht würden. Erst nachdem
er die feste Entscheidung getroffen hat, dass er die Ware behalten will,
sollte er diese auch als Eigentümer nutzen. Der Ausgleich der Wertminderung ist letztlich als Schadensersatz und nicht als eine Sanktion zu
verstehen.
Wird eine Sache verbraucht, ist sie nicht mehr verkehrsfähig (z.B. eine angebrochene Flasche Wein). Bei Verbrauch der Sache greift daher
eine Wertersatzpflicht in Höhe des Wertes der Sache, falls das Widerrufsrecht in solchen Fällen nicht ohnehin ausgeschlossen ist. Ist die
Verpackung der Ware verschlechtert, ist die Verkehrsanschauung maßgeblich, die auf die Verkehrsfähigkeit der Verpackung und die Verbrauchersicht im Einzelfall abstellt. Ergibt dies, dass die Verpackung für die
D. Wert- und Nutzungsersatz
341
Ware ein wertsteigernder Faktor ist, so stellt sie zugleich einen Bestandteil dieser dar und wird von den Wertersatzregelungen des § 346 BGB
erfasst. Bei der Originalverpackung kann dies der Fall sein, soweit es
sich um eine spezielle Verpackung des Herstellers handelt und nicht
bloß um eine standardisierte Transportverpackung.
Hinsichtlich der Berechnung der Höhe des zu leistenden Wertersatzes
werden unterschiedliche Konzeptionen entwickelt. In teleologischer
Reduktion des § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB wird zutreffend auf den
objektiven Wert der Ware abgestellt, auch dann wenn dieser deutlich
unter dem tatsächlichen Wert des Gegenstandes liegt. Der erleichterte
Haftungsmaßstab gilt nur für den Fall einer nicht ordnungsgemäßen
Belehrung, weil dem Verbraucher die schwebende Wirksamkeit des
Vertrages bewusst ist, so dass er gesteigerte Pflichten hinsichtlich des
Vertragsgegenstandes in Kauf zu nehmen hat.
II. Wertersatz für Verschlechterungen infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme
Mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde eine verschärfte
Verbraucherhaftung beim Widerruf eingeführt. Der Unternehmer hat
nach § 357 Abs. 3 Satz 1 und 2 BGB Anspruch auf Wertersatz für eine
über die Prüfung hinausgehende, durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung, wenn er den
Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese
Rechtsfolge und die Möglichkeit ihrer Vermeidung hingewiesen hat.
Darin liegt eine erhebliche Abweichung gegenüber den sonst maßgeblichen Rechtsfolgen des Rücktrittsrechts. Die Regelung in § 357 Abs. 3
BGB stellt eine Abkehr von § 361a Abs. 2 Satz 6 BGB a.F. dar, wonach
der Verbraucher, der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht, dem
Unternehmer die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der
erhaltenen Sache entstandene Wertminderung nicht zu ersetzen hatte.
Dass der Verbraucher bereits mit Ingebrauchnahme der Sache zum
Wertersatz verpflichtet ist, wurde bereits frühzeitig als mit der FARL
1
unvereinbar kritisiert. Hingegen bestimmt Art. 17 Abs. 2 VRRL-E nun
ausdrücklich, dass der Verbraucher für einen Wertverlust der Waren
haftet, wenn dieser auf eine Nutzung der Ware über die Prüfung hinaus
zurückzuführen ist.
1
BT-Drucks. 14/6857 v. 31.8.2001, S. 23 Nr. 76 (Stellungnahme BRat SMG).
342
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht
In der Literatur werden erhebliche Zweifel geäußert, ob die Regelung
1
des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB richtlinienkonform ist. Diese Zweifel werden aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 FARL abgeleitet, wonach die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts
auferlegt werden können, die Kosten der unmittelbaren Rücksendung
sind. Die Pflicht, Wertersatz für die infolge der bestimmungsgemäßen
Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung zu verlangen, sei europarechtlich deutlich kritischer als der Anspruch auf Ausgleich von Nut2
zungsvorteilen gem. § 357 Abs. 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB, des3
sen Richtlinienkonformität ebenfalls bestritten wird.
a) Verstoß gegen Art. 6 FARL
Vielfach wird ein Verstoß des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB gegen Art. 6
Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 FARL angenommen. Dem nationalen Gesetzgeber stehe nach Art. 6, 14 FARL die Regelung der Modalitäten des
4
Widerrufsrechts nur insoweit zu, als sie kostenneutral ist. Wenn die
einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung des Widerrufsrechtes auferlegt werden dürfen, die unmittelbaren Kosten der
Rücksendung der Waren sind, bestehe für Nutzungs- oder Wertersatz
5
kein Raum. Der Verbraucher werde hier mit finanziellen Lasten („Kosten“ im europarechtlichen Sinne) belastet, denen keine Bereicherung auf
seiner Seite gegenüberstehe. Die durch den im Lichte des Erwägungsgrunds 14 zu interpretierenden Art. 6 Abs. 1 S. 2 der Fernabsatzrichtlinie gezogenen europarechtlichen Grenzen seien damit überschritten
6
worden. Zum einen sei die Ausübung des Widerrufsrechtes kausal für
die Kosten für den Wertersatz, zum anderen sei es für den Verbraucher
bei der Ausübung seines Widerrufsrechts ohne Bedeutung, ob es sich
um Kosten der Rücksendung oder um Wertersatz für Verschlechterung
7
handelt. Der Verbraucher dürfe nicht bloß eine formale Rechtsposition
ohne praktischen Nutzen haben. Der Verbraucher solle mit Ausnahme
der von ihm zu tragenden Kosten der Rücksendung nach dem Widerruf
1
Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 188; Brönneke, MMR 2004, 127, 132; Fischer, K&R 2004, 223 ff.
2
Brönneke, MMR 2004, 127, 132; a.A. Gößmann, MMR 1998, 91.
3
Teil 4 D I c); AG Lahr, MMR 2008, 270 = BB 2008, 694; hierzu Buchmann,
K&R 2008, 505, 507 ff.
4
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, Rn. 42.
5
Schulze/Schulte-Nölke/Mankowski, S. 357, 371; Reich/Nordhausen, Verbraucher und Recht im elektronischen Geschäftsverkehr, S. 114; Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt/Ring, S. 347, 362; Brönneke, MMR 2004, 127, 132.
6
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 20; Brönneke, MMR
2004, 127, 132.
7
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, Rn. 42.
D. Wert- und Nutzungsersatz
343
finanziell so dastehen, als hätte er den Fernabsatzvertrag nicht geschlos1
sen.
§ 357 Abs. 3 S. 1 BGB verstöße dann nicht gegen Gemeinschaftsrecht, wenn der Begriff der Prüfung aus § 357 Abs. 3 S. 2 BGB so weit
ausgelegt wird, dass dieser auch eine „prüfungsbedingte Wertminderung“ umfasse. Eine solche Auslegung entspreche allerdings nicht der
gesetzgeberischen Intention. Außerdem seien es insbesondere die
schwierigen Abgrenzungsfälle, die die Richtlinienwidrigkeit begründe2
ten. Darüber hinaus werde auch gegen Art. 12 Abs. 1 FARL versto3
ßen. Durch die Regelung des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB überlasse der
Gesetzgeber dem Verbraucher die Wahl, die Sache in Gebrauch zu
nehmen. In diesem Fall muss er aber mit erheblichen Wertersatzansprüchen rechnen oder auf sein Widerrufsrecht verzichten. Die erheblichen
Wertverluste erschwerten die Ausübung des Widerrufsrechts oder
machten diese sogar unmöglich. Ein solcher Verzicht sei mit der Rege4
lung der Art. 12 Abs. 1 FARL nicht vereinbar.
b) Kein Verstoß gegen Art. 6 FARL
5
Die Gegenauffassung führt an, gegen einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2
Satz 2 FARL spreche, dass die Kosten nicht unmittelbar auf die Ausübung des Widerrufsrechtes zurückzuführen seien. Die Regelung sei
6
sachgerecht und gemeinschaftskonform. Der Verbraucher habe es
selbst in der Hand, die Sache vor oder nach Ingebrauchnahme zurück
zu senden. Eine Wertminderung sei also nicht Folge des Widerrufs,
sondern der Ingebrauchnahme. Der Zusatz „in Folge der Ausübung des
Widerrufsrechts“ sei auf deutschen Wunsch in Art. 6 Abs. 2 Satz 2
FARL aufgenommen worden, um Ansprüche auf Nutzungsentschädi7
8
gung nicht abzuschneiden. Auch das Handelsgericht Wien entschied
für das österreichische Recht, dass die Auferlegung eines angemessenen
Nutzungsentgelts für eine Benutzung der übersendeten Ware nach § 5g
KSchG keinen Entscheidungsdruck auf den Konsumenten darstelle, weil
es in dessen Belieben verbleibt, ob er eine Ware benutzt oder unbenutzt
an den Verkäufer retourniert. Die gesetzliche Regelung eines Entgelts
für die Benutzung stehe nicht im Widerspruch zu Art. 6 Abs. 2 Satz 2
1
Brönneke, Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 20.
Fischer, K&R 2004, 223, 229 f.
3
Rott, VuR 2001, 78, 85.
4
Rott, VuR 2001, 78, 85.
5
Schulze/Schulte-Nölke/Lorenz , S. 329, 351f.; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1154;
Gößmann, MMR 1998, 88, 91.
6
Schulze/Schulte-Nölke/Lorenz , S. 329, 351f.; Grigoleit, NJW 2002, 1151, 1154.
7
Gößmann, MMR 1998, 88, 91.
8
HG Wien, MMR 2005, 830.
2
344
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
FARL. Dies bestätigt auch der OHG und betont, dass für Sachverhalte, bei denen eine intensive Nutzung des Kaufobjekts vor der Ausübung
des Widerrufsrechts erfolgt, die FARL keine Regelung vorsehe, sodass
dem nationalen Gesetzgeber in dieser Hinsicht ein Gestaltungsspielraum zustehe. Für den Unternehmer bestehe letztlich keine Möglichkeit,
2
auf die Ausübung des Widerrufsrechts Einfluss zu nehmen.
Dem ist insoweit zuzustimmen, als es bei Wertersatzansprüchen infolge der Nutzung der Ware nicht um Kosten geht, die infolge des Widerrufs entstehen, sondern um die Rückabwicklung von Vorteilen und
Schäden, die durch eine vorhergehende Ingebrauchnahme oder Nutzung entstehen. Kosten entstehen also nicht durch Ausübung des Wi3
derrufsrechtes, sondern durch Benutzung der Ware durch den Kunden.
Diese Frage regelt die FARL nicht, sondern es ist Sache der Mitgliedstaaten, weitere Bedingungen und Einzelheiten für den Fall der Aus4
übung des Widerrufsrechts festzulegen (Art. 14 FARL).
c) Richtlinienkonforme Auslegung
Problematisch ist ein Wertersatz infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme allerdings dann, wenn kein Abnutzungsschaden der Ware
vorliegt und die Verschlechterung nicht auf Mängeln der Sache selbst,
sondern auf Marktgepflogenheiten beruht, die außerhalb des Verantwortungsbereichs des Verbrauchers stehen. Das bei Einführung der
Regelung des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB häufig angeführte Beispiel des
Internetvertriebs eines Fahrzeugs macht dies deutlich. Die Erstzulassung
eines Fahrzeugs führt dazu, dass es als Gebrauchtwagen anzusehen ist,
was einen etwa zwanzigprozentigen Wertverlust zur Folge hat. Mit dem
technischen Abnutzungsgrad oder Wert des Fahrzeugs hat dies nichts
5
zu tun. Auch Neuwagen weisen – bei entsprechenden Überführungsfahrten – durchaus beachtliche km-Stände auf, die belegen, dass das
Fahrzeug gefahren wurde, ohne dass ein solches Fahrzeug den Neuwagen-Status hierdurch verliert. Der Grund hierfür wird in der noch bestehenden Preisbindung bei Kfz und überhöhten Neuwagenpreisen
6
gesehen. Kfz-Händler gewährten ihren Kunden faktisch durch eine
Tageszulassung Rabatte, die sie sonst nicht geben könnten. Dieser Hintergrund lasse die Berechtigung der Regelung des § 357 Abs. 3 Satz 1
7
und 2 BGB in einem anderen Licht erscheinen.
1
OHG, VuR 2006, 242.
Häuser, ITRB 2003, 17, 18 f.
3
Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn. 12; Erman/Saenger, § 357, Rn. 16.
4
Begründung SMG-RegE, BT-Drucksache 14/6040, S. 199.
5
Brönneke, MMR 2004, 127, 132, Fn. 36.
6
Brönneke, MMR 2004, 127, 132, Fn. 36.
7
Brönneke, MMR 2004, 127, 132, Fn. 36.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
345
Die Vorschrift ist daher richtlinienkonform so auszulegen, dass der
Unternehmer nur Anspruch auf Wertersatz hat, wenn eine objektive
Verschlechterung der Sache in Form eines Abnutzungsschadens infolge
bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme vorliegt. Dieser kann nicht
nach § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB beansprucht werden, da diese Norm nur
Verschlechterungen infolge nicht bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme erfasst. Gleichwohl kann der Verbraucher, der über die Wertersatzfolge und die Möglichkeit ihrer Vermeidung vor der Ingebrauchnahme in Textform aufgeklärt wird, durch entsprechend sorgsamen
Umgang in Form der Prüfung einen Abnutzungsschaden und damit den
Wertersatzanspruch vermeiden. Für andere Verschlechterungen infolge
bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme kann kein Wertersatz gem.
§ 357 Abs. 3 S. 1 BGB beansprucht werden.
2. Kein Wertersatz bei „Prüfung“
Der Wertersatzanspruch gem. § 357 Abs. 3 S. 1 BGB besteht nicht,
wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die „Prüfung“ der Sache
zurückzuführen ist. (§ 357 Abs. 3 S. 2 BGB). Nach Ansicht der EuGH1
Generalanwältin Trstenjak gehörten zu einer kostenlos möglichen
„Probe“ die Ansicht, die Anprobe und auch das Ausprobieren. Denn
Bestandteil einer Kaufentscheidung sei im Hinblick auf viele Waren,
beispielsweise Kleidung und technische Geräte, auch eine Beurteilung
ihrer Gebrauchseigenschaften. Beispielsweise gehe es beim Anprobieren
von Kleidung und Schuhen nicht nur um das Ansehen, sondern auch
um das Anziehen und probeweise Tragen. Dem Verbraucher die kostenlose Prüfung der im Fernabsatz bestellten Ware zu ermöglichen, sei
2
Hauptziel des Widerrufsrechts nach der FARL.
a) Abgrenzung zur Ingebrauchnahme
Die Kritiker der deutschen Regelung zum Wertersatz sehen die europarechtlichen Vorgaben nur durch eine äußerst restriktive Interpretation
des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB und eine extensive Interpretation des
Abs. 3 Satz 2 eingehalten. Der Verbraucher brauche jede Wertminderung, die notwendigerweise aus der Prüfung der Sache herrührt, dem
3
Unternehmer nicht zu ersetzen. Der Begriff der Prüfung sei weit auszulegen, so dass auch eine vorübergehende Ingebrauchnahme noch unter
1
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 46.
2
Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C-489/07,
Nr. 48.
3
Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt/Ring, S. 347, 364.
346
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
den Begriff der Prüfung fallen soll, ohne dass den Verbraucher eine
1
Wertersatzpflicht träfe.
aa) Angleichung an den stationären Handel
Der Verbraucher ist jedoch nach § 357 Abs. 3 S. 2 BGB nicht bereits
dann freigestellt, wenn eine Ingebrauchnahme zu Prüfungszwecken
erfolgt; vielmehr müsse die Prüfung der Ware ohne bestimmungsgemä2
ße Ingebrauchnahme unmöglich sein. Das Prüfungsrecht im Fernabsatz
ist keine über das Mindest-Schutzniveau der FARL hinausgehende Regelung, zumal eine solche Überschreitung rechtspolitisch auch nicht
3
geboten ist. Nach Erwägensgrund 14 der FARL sollen die Möglichkeiten des Verbrauchers im Fernabsatz möglichst nahe an diejenigen angeglichen werden, die er im stationären Handel hätte. Ein Rasenmäher
kann aber auch im Ladengeschäft nicht bestimmungsgemäß in
Gebrauch genommen, sondern nur besichtigt werden. RAM-Bausteine
können regelmäßig nicht aus der Verpackung genommen, geschweige
denn in den mitgebrachten PC eingebaut werden. Auch Waschmaschinen, Toaster und Friteusen können im Ladengeschäft nicht in Gebrauch
4
genommen, sondern nur in Augenschein genommen werden. Die Fernabsatzrichtlinie möchte den im Wege eines Fernabsatzgeschäfts kaufenden Verbraucher einem Käufer, der die Ware vor Vertragsabschluss
sieht und überprüfen kann, gleichstellen, aber nicht besser stellen als
5
den Käufer in einem Ladengeschäft.
bb) Vergleich mit dem „Ladengeschäft“
In vielen Fällen lässt sich also ein kostenloses Prüfungsrecht nicht durch
ein besonderes Schutzbedürfnis des Verbrauchers im Vergleich zum
stationären Handel rechtfertigen. Eine Auslegung des Begriffs der „Prüfung“ muss unter Berücksichtigung des objektivierten Willens des Ge6
setzgebers erfolgen. Der Gesetzgeber hatte seinerzeit erkannt, dass die
Übernahme des durch Ingebrauchnahme eintretenden Wertverlustes
durch den Unternehmer nach § 361a Abs. 2 Satz 6 BGB a.F. unbillig
7
war. Bei der Wahl des Begriffs Prüfung hatte der Gesetzgeber offensichtlich die naive Vorstellung, dass allein durch die Prüfung der Sache
regelmäßig eine erhebliche Wertminderung nicht eintreten kann, was
1
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, Rn. 43.
Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn. 13.
3
Vgl. Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, Rn. 141.
4
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Kap. 13.4, Rd. 298.
5
HG Wien, MMR 2005, 830.
6
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Kap. 13.4, Rd. 299.
7
BT-Drucks. 14/6014, S. 199.
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
347
1
wirtschaftlich unzutreffend ist. Das Prüfungsrecht ist daher in Anlehnung an Erwägungsgrund 14 FARL so auszulegen, dass es ausschließlich die im Falle des Erwerbs derselben Ware im stationären Handel
insoweit eingeräumten Möglichkeiten umfasst. Auch die Musterwiderrufsbelehrung macht die Möglichkeiten im Ladengeschäft zum Maß2
stab. Eine Ingebrauchnahme ist hingegen dann zu bejahen, wenn der
3
Verbraucher die Sache wie sein Eigentum verwendet.
cc) Stellungnahme
Das Dilemma der Abgrenzung zwischen Prüfung und Ingebrauchnahme
besteht darin, dass eine qualitative Abstufung zwischen Prüfung und
Ingebrauchnahme nicht immer möglich ist, da eine Sache meist nur
dadurch geprüft werden kann, dass sie (zumindest kurz) in Gebrauch
4
genommen wird. Die bloße Besichtigung der Kaufsache ist die einzig
realistische Möglichkeit für den Verbraucher zu vermeiden, dass er
5
Wertersatz infolge Ingebrauchnahme zahlen muss. Eine Besichtigung
ist aber regelmäßig keine „Prüfung“. In der Praxis ist es also häufig
schwer, die Grenze zwischen Prüfung einerseits und Ingebrauchnahme
und Nutzung andererseits zu ziehen. Es handelt sich dabei in vielen
Fällen gar nicht um eine deutlich sichtbare Grenzziehung, sondern um
6
eine erhebliche Grauzone.
Der Vergleich mit dem Ladengeschäft kann jedenfalls nicht dazu führen, dass eine im Fernabsatz gekaufte Antenne nicht zu Hause am Fernsehgerät ausprobiert werden darf, obwohl dies im Ladengeschäft nicht
7
möglich wäre. Die FARL dient gerade der Kompensation von Gefahren
8
aufgrund der Unsichtbarkeit des Vertragspartners und des Produkts.
Ferner bestehen je nach Anbieter für dasselbe Produkt im Präsenzhandel Unterschiede zwischen den Arten der Präsentation. So ist es in
Fachmärkten üblich, Elektrogeräte vor dem Kauf an dafür extra bereitgehaltenen Testern auf Funktionsfähigkeit zu prüfen, während in Supermärkten solche Möglichkeiten in der Regel nicht zur Verfügung
1
Aigner/Hofmann, Fernabsatzrecht im Internet, S. 96, Rn. 148; DaunerLieb/Konzen/Schmidt/Ring, S. 359.
2
Ebenso Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346 ff; i.E. auch bvh-Stellungnahme
Schuldrechtsreform, S. 29.
3
Ebenso Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346.
4
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Kap. 13.4, Rd. 296; jurisPK-BGB/Wildemann, § 357,
Rn. 43.
5
Henssler/Westphalen/Graf v. Westphalen, § 357 Rn. 8.
6
Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin v. 18. Februar 2009, Rechtssache C489/07, Nr. 49.
7
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 653.
8
Fischer, K&R 2004, 223, 229.
348
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
1
gestellt werden. Der Vergleich mit dem Ladengeschäft ist daher nur
bedingt tauglich.
Gleichwohl muss dieser Vergleich herangezogen werden, um zu einer
zutreffenden Abgrenzung von Prüfung und Ingebrauchnahme zu gelangen. Hierbei spielt auch eine Rolle, ob die Ware überhaupt im stationären Handel erhältlich ist. Die 23teilige Küchenmaschine, die es ausschließlich im Versandhandel zu erwerben und sonst nirgendwo zu
besichtigen gibt, darf intensiver geprüft werden als der MarkenTintenstrahldrucker, der in jedem Kaufhaus angeboten wird. Überdies
wird zutreffend dafür plädiert, den Anwendungsbereich des § 357
Abs. 1 S. 1, 2 BGB dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der
Verbraucher Wertersatz nur insoweit schuldet, als die Verschlechterung
auf einem Gebrauch beruht, der nicht unerheblich über einen zur Prü2
fung der Sache angemessenen Umfang hinaus geht. Es wäre nicht mehr
mit der FARL vereinbar, wenn der Verbraucher für die gesamte Verschlechterung einstehen müsste, wenn das Maß seiner Nutzung das
Maß einer Prüfung überschreitet. Denn eine diesbezügliche Prognose
würde den Verbraucher von einer angemessenen Prüfung der Sache
3
abhalten. Ihm werden in der Regel auch keine Kriterien für die Bemes4
sung eines angemessenen Wertersatzes genannt, so dass er nicht hinreichend informiert ist, um einen solchen in Kauf zu nehmen.
b) Einzelfälle
Kleidungsstücke dürfen kurz anprobiert werden (Dessous oder Bademoden über anderer Kleidung), andere Waren dürfen aus der Verpackung genommen, ausprobiert und betrachtet werden, wenn im stationären Handel üblicherweise Vorführprodukte zur Verfügung stehen.
Ein Öffnen der Verpackung ohne Wertersatzpflicht ist ausgeschlossen,
wenn dies auch im stationären Handel nicht erlaubt ist, z.B. bei Headsets. Auch im Ladengeschäft können nicht Blisterverpackungen zerschnitten und Earphones in die Ohren gesteckt werden. Werden Computerbauteile zu „Prüfungszwecken“ in den eigenen PC eingebaut, stellt
5
dies eine die Wertersatzpflicht auslösende Ingebrauchnahme dar, ebenso wie das Benutzen von Toastern, Friteusen oder Kaffeemaschinen.
Hier ist der Wertersatzanspruch ungleich höher als bei Kameras, mit
denen Urlaubsvideos oder 200 Fotos angefertigt wurden. Die kurze
Inbetriebnahme einer Kamera durch Aufnahme einzelner Bilder und
1
Lapp/Lapp, CR 2008, 649, 653 f.
Schinkels, ZGS 2005, 179, 183.
Schinkels, ZGS 2005, 179, 182.
4
Rott, VuR 2006, 218, 220 f., der sogar die Nennung eines konkreten Geldbetrags fordert.
5
Vgl. Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1345.
2
3
D. Wert- und Nutzungsersatz
349
kurzer Videos stellt hingegen lediglich eine Prüfung dar, wie sie auch im
1
2
stationären Handel in der Regel erfolgt. Bei Großbildfernsehern, mit
denen die WM-Spiele gesehen werden, besteht in erster Linie Anspruch
auf Nutzungsersatz nach § 346 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr.1 BGB.
Bei Mobiltelefonen entsteht eine Wertersatzpflicht des Verbrauchers,
wenn das Telefon über einen längeren Zeitraum benutzt, umfangreiche
Konfigurationen vorgenommen oder voreingestellte Funktionen des
Netzbetreibers durch Umprogrammierung der auf dem Mobiltelefon
befindlichen Software verändert wurden. Allerdings stellen das Ausbrechen und Einlegen einer SIM-Karte bereits eine Ingebrauchnahme dar,
3
da diese „Prüfung“ im stationären Handel ebenfalls nicht möglich ist.
Demgegenüber ist eine reine Prüfung der Ware z.B. dann zu bejahen,
wenn ein im Fernabsatz gekauftes Kfz auf einem Privatgelände Probe
gefahren wird. Auch das vorsichtige Durchblättern eines Buches ohne
4
Hinterlassung von Knickstellen ist eine Prüfung.
Das Auspacken der Ware und das Entsiegeln müssen vielfach im
5
Rahmen einer Prüfung kostenlos möglich sein. Zuweilen ist in einem
solchen Fall jedoch das Widerrufsrecht ausgeschlossen, z.B. bei entsiegelten Datenträgern gem. § 312d Abs. 4 Nr. 2 BGB oder wenn die
Ware durch die Entsiegelung nicht mehr verkehrsfähig und damit un6
verkäuflich wird. Bei erotischen Hilfsmitteln stellt beispielsweise schon
das Öffnen der Produktverpackung eine Ingebrauchnahme dar, weil die
Ware danach nicht erneut veräußert werden darf. Ähnlich sieht es bei
Lebensmitteln aus, die nicht bereits nach § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB vom
Widerrufsrecht ausgeschlossen sind, z. B. Dosennahrung oder Getränke
in Flaschen. Eine Prüfung darf in diesem Fall wie im Lebensmitteleinzelhandel nur die optische Prüfung und das Lesen der Packungsbeschriftung umfassen. Alles, was darüber hinaus geht, z. B. das Öffnen
einer Dose, Flasche oder sonstigen Verkaufsverpackung oder die Entnahme eines separat verpackten Lebensmittels aus einer größeren Um7
verpackung ist als eine Ingebrauchnahme einzustufen.
1
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346.
Vgl. AG Augsburg, Urteil v. 30.10.2006 – 23 C 4461; OHG, VuR 2006, 242.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1346.
4
BT-Drucks 14/6040 S. 200.
5
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, Rn. 43; Rott, VuR 2001, 78, 85.
6
Teil 2 D III.
7
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1348.
2
3
350
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
3. Höhe des Wertersatzes
Die Höhe des Wertersatzes richtet sich gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 BGB
1
nach § 346 Abs. 2 S. 2 BGB. Probleme tauchen in den Konstellationen
auf, in denen trotz einer intensiven Nutzung keine Gebrauchsspuren
sichtbar sind, so z.B. beim Speichern digitaler Daten auf der Speicherkarte einer Digitalkamera. In solchen Fälle wird der Wertersatzan2
spruch sehr gering ausfallen. Sehr hoch fällt der Wertersatz hingegen
für die Ingebrauchnahme von Haushaltswaren wie Friteusen aus, da in
dieser Situation sich der Ersatzanspruch nicht nur auf die Wertminderung erstreckt, sondern auch auf die notwendigen Kosten, die Ware
3
wieder in einen Zustand zu versetzen, in dem sie verkaufsfähig ist. Bei
getragenen Textilien bedarf es einer Differenzierung. Wenn die Ware
nach einer Reinigung noch als neu verkauft werden könnte, richtet sich
der Wertersatzanspruch nach den Reinigungskosten. Ansonsten hat der
Verbraucher die volle Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert
4
als „Secondhand-Ware“ zu ersetzen. Bei Lebensmitteln kann die Höhe
des Wertersatzes den vollen Warenwert erreichen, wenn die Ware nicht
mehr verkaufsfähig ist. Wird allerdings eine Bierflasche aus einem „sixpack“ geöffnet, schuldet der Verbraucher einen Wertsatz nur für diese
einzige Flasche, da die anderen ohne weiteres weiterveräußerbar sind.
4. Belehrungszeitpunkt
Ebenso wie die Anwendung der regulären Widerrufsfrist setzt die Berechtigung des Unternehmers, Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu beanspruchen, eine formgerechte Belehrung zu einem
bestimmten Zeitpunkt voraus. Gemäß § 357 Abs. 3 S. 1 BGB muss der
Verbraucher diesen Wertersatz nur leisten, wenn er „spätestens bei
Vertragsschluss“ in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Bei eBay-Verkäufen
kann – anders als bei Onlineshops – die Belehrung jedoch erst unmit5
telbar nach der Annahmeerklärung des Verbrauchers erfolgen. Daher
verneinen die meisten Gerichte einen solchen Wertersatzanspruch bei
6
eBay-Verkäufen. Das LG Berlin hat sogar entschieden, dass eine Wi-
1
Vgl. Teil 4 D I 4.
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1347.
3
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1348.
4
Kaestner/Tews, WRP 2005, 1335, 1348.
5
Teil 3 A III 1 b).
6
Vgl. LG Dortmund, Beschluss v. 19.7.2007 – 10 O 113/07; OLG Stuttgart,
MMR 2008, 616, 617; LG Karlsruhe, JurPC Web-Dok. 85/2008; OLG Köln,
2
D. Wert- und Nutzungsersatz
351
derrufsbelehrung, die für eBay-Verkäufe verwendet wird und die nicht
darauf hinweist, dass Wertverluste wegen bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme außer Betracht bleiben, fehlerhaft und wettbewerbswid1
rig sei. Es stellt sich die gleiche Problematik wie bei der Verlängerung
2
der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB.
a) Spätestens mit Lieferung
3
Abzulehnen ist die vereinzelt vertretene Ansicht, dass § 312c Abs. 2
BGB systematischen Vorrang vor § 357 Abs. 1 S. 1 BGB hat. Ein Spezialitätsverhältnis zwischen den Vorschriften besteht teilweise eher umgekehrt, da sich § 312c Abs. 2 Satz 1 BGB auf die bei jedem Fernabsatzgeschäft vorzunehmenden Pflichtangaben bezieht, während § 357
Abs. 3 Satz 1 BGB eine keineswegs verpflichtende Abbedingung von
4
§§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 2. Hs. BGB betrifft. Aus
diesem Grund ist es nicht möglich, den in § 312c Abs. 2 BGB genannten Zeitpunkt (spätestens mit Lieferung der Ware) als maßgeblich für
die rechtzeitige Belehrung in Textform zugrunde zu legen.
b) Vor Vertragsschluss
5
Soweit das KG den Zeitpunkt „bei“ in § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB sogar
so auslegen will wie den gleichen Begriff in § 305 Abs. 2 BGB, wonach
für die Einbeziehung von AGB ein Hinweis und die zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit „vor“ Abgabe der Vertragserklärung des
6
Verbrauchers erforderlich ist, vermag dies nicht zu überzeugen. Dafür
spricht zunächst der eindeutige Wortlaut der Regelung – „bei“ und
nicht „vor“ Vertragsschluss. Sinn und Zweck der Regelung ist es, dem
Verbraucher zu ermöglichen, einen Wertersatzanspruch des Unternehmers zu vermeiden, wenn er dessen Hinweise hierzu befolgt. Nach
§ 312c Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV ist der Verbraucher
bereits umfassend über die Einzelheiten der Ausübung des Widerrufsrechts in flüchtiger Form (auf der Internetseite) zu informieren und
damit ausreichend geschützt. Eine Vorabbelehrung „in Textform“ ist
7
jedoch gerade nicht erforderlich. Ferner erfüllt die Textform auch –
anders als im Fernabsatz von Finanzdienstleistungen – keine WarnfunkMMR 2007, 713; OLG Düsseldorf, BeckRS 2008, 08624; OLG München, MMR
2008, 677; KG Berlin, BeckRS 2008, 18601.
1
LG Berlin, K&R 2007, 424 (m. Anm. Buchmann/Tilse) = CR 2008, 198 (Ls.).
2
Föhlisch/Hoffmann, NJW 2009, 1175; Vgl. Teil 3 A III 1.
3
Kaufmann, CR 2006, 764, 766; OLG Hamburg, MMR 2007, 660 m. Anm.
Solmecke; LG Flensburg, MMR 2006, 686, 687; LG Paderborn, MMR 2007, 191.
4
Föhlisch, MMR 2008, 545, 546; Teil 3 A III 1 e).
5
KG Berlin, MMR 2008, 541.
6
Vgl. hierzu nur MünchKommBGB/Basedow, § 305, Rn. 72 m.w.N.
7
Föhlisch, MMR 2008, 545, 546.
352
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
tion, sondern eine Dokumentationsfunktion. Es genügt daher dem
Schutzzweck, wenn der Verbraucher seine Rechte nach der Bestellung
per E-Mail oder mit der Warenlieferung, also vor Ingebrauchnahme,
noch einmal schwarz auf weiß nachlesen kann.
c) Vor Ingebrauchnahme
Eine solche Auslegung lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien ab1
2
leiten. Die BReg hat zunächst eine Belehrung „vorher“ bzw. „zuvor“
vorgeschlagen. Von „vor Vertragsschluss“ war aber zu keinem Zeitpunkt die Rede. Vielmehr hieß es im DiskE des BMJ v. 4.8.2000 bzgl.
des Wertersatzanspruchs: „... wenn er vor Ingebrauchnahme hierauf
hingewiesen und ihm auch eine Möglichkeit aufgezeigt wurde, diese
3
Folge zu vermeiden...“ Auch in den Änderungsanträge des BRat hieß es
4
immer nur „vorher“, an einer Stelle heißt es sogar, die Hinweise müss5
ten „als Begleithinweis der gelieferten Sache beigefügt sein.“ Die BReg
6
hat daraufhin den Wortlaut in „spätestens bei Vertragsschluss“ geändert; so lautete dann auch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses („bei“ statt „vorher“), die auf die Gegenäußerung der BReg
7
Bezug nimmt.
Von „vor Vertragsschluss“ war also nie die Rede, es ging immer um
„vor Ingebrauchnahme“. Das ist auch nachvollziehbar, da ein Textform-Hinweis vor Ingebrauchnahme, also z.B. mit der Lieferung ausreicht, um die Wertersatzpflicht zu vermeiden. Die bloße Abgabe der
Vertragserklärung bzw. der Vertragsschluss kann niemals die Wertersatzpflicht auslösen, so dass der Verbraucher hier noch nicht schutzwürdig ist. Der Zeitpunkt „bei Vertragsschluss“ ist also teleologisch
reduziert so zu verstehen, dass eine Textformbelehrung „im unmittelbaren Anschluss an den Vertragsabschluss“ ausreichend ist, um den Wert8
ersatzanspruch des § 357 Abs. 3 S. 1 BGB geltend machen zu können.
Eine abweichende Betrachtung würde dazu führen, dass Verbraucher
Waren über eBay erwerben, diese benutzen und nach Ablauf der Widerrufsfrist ohne weiteres zurückgeben. Die Unternehmer müssten dabei das Risiko tragen, die Artikel bei voller Kaufpreiserstattung als
1
BT-Drucks. 14/6040, S. 18.
BT-Drucks. 14/6040, S. 199.
BMJ-DiskE v. 4.8.2000, S. 395.
4
BT-Drucks. 14/6857, S. 24.
5
BT-Drucks. 14/6857, S. 23.
6
BT-Drucks. 14/6857, S. 58.
7
BT-Drucks. 14/7052, S. 194.
8
Woitkewitsch/Pfitzer, MDR 2007, 61, 66, die allerdings bei eBay-Geschäften
ohne weitere Begründung annehmen, dass eine solche Belehrung dort nicht erfolgen
könne, also auch dann nicht, wenn unmittelbar nach Auktionsende eine entsprechende E-Mail mit der Belehrung verschickt wird.
2
3
D. Wert- und Nutzungsersatz
353
gebrauchte Waren zurückgesendet zu bekommen. Dies könnte Auswirkungen auf die Preise haben, was nicht im Interesse der Verbraucher
1
liegt.
d) Unverzüglich nach Vertragsschluss
In diese Richtung geht auch der Gesetzentwurf zur Neuordnung der
2
Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, mit dem die
Ungleichbehandlung von Online-Shops und eBay-Händlern in Sachen
Wertersatz voraussichtlich zum 31.10.2009 aufgehoben werden soll.
Analog zur Angleichung der Widerrufsfrist plant der Gesetzgeber auch,
den Belehrungszeitpunkt in der Regelung zum Wertersatz für eine
durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung so zu ändern, dass dieser Wertersatz bei OnlineShops und eBay-Verkäufen gleichermaßen zweifellos beansprucht werden kann. Hierzu wird der § 357 Abs. 3 BGB entsprechend geändert,
indem nach Satz 1 folgender Satz eingefügt wird: „Bei Fernabsatzverträgen steht ein unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform mitgeteilter Hinweis einem solchen bei Vertragsschluss gleich, wenn der Unternehmer den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen
Vertragserklärung in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel
entsprechenden Weise über die Wertersatzpflicht und eine Möglichkeit
zu ihrer Vermeidung unterrichtet hat.“ Hiermit will der Gesetzgeber
3
ausweislich der Gesetzesbegründung eine rechtliche Gleichbehandlung
von Internetauktionshäusern mit „normalen“ Internetshops erreichen
und die verfehlte herrschende Rechtsprechung korrigieren.
5. Verhältnis zu den allgemeinen Wertersatzansprüchen
Eine Doppelsanktionierung des Verbrauchers durch verschiedene Wertersatzansprüche muss vermieden werden. Der Wertersatz für die gezogenen Nutzungen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch umfasst jedoch
nicht den Wertverlust durch Abnutzungsschäden wegen bestimmungs4
gemäßer Ingebrauchnahme. Daher können die beiden Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden. Auch ein Anspruch auf Wertersatz wegen Verschlechterung der Sache nach § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
BGB besteht parallel, da dieser – anders als der Anspruch nach § 357
Abs. 3 S. 1 BGB – stets auf einer Verschlechterung infolge nicht bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme beruht.
1
Dietrich/Hofmann, CR 2007, 318, 321.
BT-Drucks. 16/11643 (Gesetz verkündet am 3.8.2009, BGBl. I 2009, S. 2355).
3
BT-Drucks. 16/11643, S. 106.
4
Teil 4 D I 1 b).
2
354
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
6. Zwischenergebnis
Die Vorschrift des § 357 Abs. 3 BGB ist richtlinienkonform so auszulegen, dass der Unternehmer nur Anspruch auf Wertersatz hat, wenn eine
objektive Verschlechterung der Sache in Form eines Abnutzungsschadens infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme vorliegt. Der
Verbraucher, der über die Wertersatzfolge und die Möglichkeit ihrer
Vermeidung vor der Ingebrauchnahme in Textform aufgeklärt wird,
kann durch entsprechend sorgsamen Umgang in Form der Prüfung
einen Abnutzungsschaden und damit den Wertersatzanspruch vermeiden.
Das Dilemma der Abgrenzung zwischen Prüfung und Ingebrauchnahme besteht darin, dass eine qualitative Abstufung zwischen Prüfung
und Ingebrauchnahme nicht immer möglich ist, da eine Sache meist nur
dadurch geprüft werden kann, dass sie (zumindest kurz) in Gebrauch
genommen wird. Der Vergleich mit dem Ladengeschäft ist daher nur
bedingt tauglich, da je nach Anbieter für dasselbe Produkt im Präsenzhandel Unterschiede zwischen den Arten der Präsentation bestehen.
Hierbei spielt auch eine Rolle, ob die Ware überhaupt im stationären
Handel erhältlich ist. Ist dies nicht der Fall, ist eine intensivere Prüfung
zulässig. Der Anwendungsbereich des § 357 Abs. 1 S. 1, 2 BGB dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Verbraucher Wertersatz nur
insoweit schuldet, als die Verschlechterung auf einem Gebrauch beruht,
der nicht unerheblich über einen zur Prüfung der Sache angemessenen
Umfang hinaus geht.
Ein Hinweis vor Ingebrauchnahme reicht aus, um die Wertersatzpflicht zu vermeiden. Die bloße Abgabe der Vertragserklärung bzw. der
Vertragsschluss kann niemals die Wertersatzpflicht auslösen, so dass
der Verbraucher hier noch nicht schutzwürdig ist. Der Zeitpunkt „bei
Vertragsschluss“ ist also teleologisch reduziert so zu verstehen, dass
eine Textformbelehrung „im unmittelbaren Anschluss an den Vertragsabschluss“ ausreichend ist, um den Wertersatzanspruch des § 357
Abs. 3 S. 1 BGB geltend machen zu können. Eine abweichende Betrachtung würde dazu führen, dass Verbraucher Waren über eBay erwerben,
diese benutzen und nach Ablauf der Widerrufsfrist ohne jegliche Vergütung zurückgeben.
III. Verhältnis zum Ausschluss des Widerrufsrechtes
Es besteht in der Praxis erhebliche Unklarheit darüber, welche Waren
gem. § 312d Abs. 4 Nr. 1, 3. Var. BGB aufgrund ihrer Beschaffenheit
nicht zur Rücksendung geeignet sind. Nach der jetzigen Rechtslage ist
beispielsweise streitig, ob getragene Unterwäsche oder Bademode, be-
D. Wert- und Nutzungsersatz
355
nutzter Piercingschmuck, geöffnete Cremes, angebrochene Lebensmittel
(deren Haltbarkeitsdatum nicht abzulaufen droht und bei denen keine
Gefahr des Verderbs besteht) u. ä. grundsätzlich rückgabefähig sind.
Klar ist lediglich, dass der Unternehmer auf die Geltendmachung des
Wertersatzes angewiesen ist, wenn der Wiederverkaufswert aufgrund
der (bestimmungsgemäßen) Nutzung herabgesetzt ist. In vielen Fällen
wird bei den genannten Artikeln aber ein Wiederverkauf nicht mehr
möglich sein. In diesen Fällen kann der Wertverlust, der im Wege des
Wertersatzes vom Unternehmer bei entsprechender Vereinbarung ver1
langt werden kann, in Höhe des vollständigen Warenwertes ausfallen.
Damit wäre der Verbraucher aber schlechter gestellt, als wenn er von
vornherein darüber informiert worden wäre, dass ein bestimmter Nut2
zungsumfang zum Ausschluss des Widerrufsrechts führen kann. Die
Schlechterstellung ergibt sich aus der Tatsache, dass der Verbraucher
die Ware bei Kenntnis ggf. weiter verwendet hätte oder er – wenn er die
Ware an den Unternehmer zurückgesandt hätte und erst dann erfährt,
dass er den Kaufpreis nicht zurückerhält – eventuell einen Anspruch auf
Herausgabe des wertlos gewordenen Gegenstands geltend machen
3
muss. Daher sind Waren, bei denen der Wertersatzanspruch für die
Verschlechterung infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme die
Höhe des Warenwertes erreicht, zur Rücksendung nicht geeignet und
4
mithin vom Widerrufsrecht ausgenommen.
IV. Weitergehende Ansprüche
Nach § 357 Abs. 4 BGB sind weitergehende Ansprüche ausgeschlossen.
Die Regelung ist eine gesetzliche Klarstellung, dass die Rückabwicklungsvorschriften des § 357 BGB vorbehaltlich etwaiger Abweichungen
in Spezialvorschriften eine abschließende Regelung enthalten und sons5
tige Ansprüche nach dem BGB nicht bestehen. Als solche Sonderregeln
gelten die Bestimmungen zu Widerrufs- bzw. Rückgaberecht nach
6
§§ 355, 356 BGB. Die Vorschrift bezieht sich auch nicht auf die Ansprüche, die sich durch die Verweise aus § 357 Abs. 1 und 2 BGB erge7
ben. So steht dem Unternehmer u.U. ein Anspruch aus § 285 BGB zu,
da es sich hierbei nur um den Ersatz für einen durch die Verweisung auf
1
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 11 f.
Teil 2 D III 3 d) cc); Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3753 u. 3756.
WBZ-Stellungnahme v. 20.11.2006, S. 11 f.
4
Teil 2 D III 3 d) cc).
5
MünchKommBGB/Masuch, § 357 Rn. 52; Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn.
16.
6
AnwKomm/Ring, § 357 Rn. 104; Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn. 16.
7
MünchKommBGB/Masuch, § 357 Rn. 53.
2
3
356
Teil 4 – Die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrages
das Rücktrittsrecht gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB an sich bestehen1
den Anspruch, nicht aber um einen weitergehenden Anspruch handelt.
Weitergehende Schadensersatzansprüche, deliktsrechtliche Ansprüche
und solche aus c.i.c. werden nur im Wege der teleologischen Reduktion
und für den Fall für möglich gehalten, dass sie ohne Zusammenhang
2
mit dem Widerrufs- bzw. Rückgaberecht entstanden sind.
1
jurisPK-BGB/Wildemann, § 357, Rn. 46; MünchKommBGB/Masuch, § 357 Rn.
53.
2
Bamberger/Roth/Grothe, § 357 Rn. 16.
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
A. Information auf Internetseiten
A. Information auf Internetseiten
Gemäß § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV hat ein
Unternehmer dem Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung die Information zur Verfügung zu stellen, ob ein Widerrufs- oder Rückgaberecht besteht oder nicht. Darüber hinaus muss er
über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe informieren.
I. Umfang
1. Deutsches Recht
1
Die Bundesregierung betonte in ihrer Stellungnahme zur FARL, dass
die Fülle der verbraucherrechtlichen Informationspflichten eine Belastung darstellt. Bei der Überarbeitung der Richtlinie solle beachtet werden, dass die Unternehmer bereits mit den bestehenden Regelungen
spürbar belastet würden. Ausführliche Informationen würden nicht
immer zu einer besseren Unterrichtung des Verbrauchers beitragen,
sondern könnten auch eine gegenteilige Wirkung zeigen, „da die Fähigkeit und Bereitschaft des durchschnittlichen Verbrauchers, Informationen aufzunehmen und zu berücksichtigen, ab einer bestimmten Informationsmenge erfahrungsgemäß abnehmen.“ Dieselbe Bundesregierung
2
entschied sich im Jahr 2004 jedoch, einen Gesetzentwurf vorzulegen,
nach dem die Fernabsatzvorschriften für Finanzdienstleistungen in das
allgemeine Fernabsatzrecht integriert wurden und belastete damit eine
Vielzahl der Unternehmer unnötig mit erheblich ausgeweiteten Informationspflichten. Insoweit ist die Politik der Bundesregierung nicht
besonders konsequent.
Art. 4 Abs. 1 f) der FARL begründet keine Verpflichtung des Onlinehändlers, dem Verbraucher weitergehende Informationen über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufsrechts vor Abgabe von dessen Vertragserklärung zur Verfügung zu
stellen. Eine derartige Vorabinformation hat der Europäische Gesetzgeber lediglich in der Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) und d) FARLFDL vorgesehen.
1
BRD-Stellungnahme v. 21.9.2006.
FernAbsÄG-RegE, BR-Drucks. 84/04 v. 30.01.2004, S. 7 (Neufassung des § 1
Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV).
2
358
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
Bei der Umsetzung ins deutsche Recht wurden diese Pflichten allerdings
auch auf das allgemeine Fernabsatzrecht übertragen, so dass seit
8.12.2004 der Unternehmer schon vorvertraglich über das Bestehen
oder Nichtbestehen, die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und
Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes informieren muss.
a) Hinweis auf Bestehen oder Nichtbestehen
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV ist der Verbraucher darüber aufzuklären, ob ihm ein Widerrufsrecht nach § 312d BGB zusteht oder
nicht. Die entsprechenden Informationen sind daher auch dann zu erteilen, wenn das Widerrufsrecht nach Maßgabe von § 312d Abs. 4 BGB
ausgeschlossen ist oder gemäß § 312d Abs. 3 BGB nachträglich er1
lischt. Dadurch wird für den Verbraucher ersichtlich, ob der Unter2
nehmer sich auf einen Ausnahmetatbestand berufen will. Die Informationspflicht über das Nichtbestehen resultiert aus der gestiegenen
Bekanntheit des Widerrufsrechts im Onlinehandel beim durchschnittlich informierten Verbraucher und soll falsche Erwartungen bzw. eine
3
überraschende Wirkung eines Ausschlusses verhindern.
Der Hinweis auf Nichtbestehen des Widerrufsrechts umfasst auch
das nachträgliche Erlöschen nach § 312d Abs. 3 BGB, was insbesondere bei Kombinationsprodukten (z.B. Handykauf- und Mobilfunkvertrag) eine Rolle spielt. Bereits in Art. 6 Abs. 3, 1. Spiegelstrich FARL
und auch Art. 19 Abs. 1 a) VRRL-E wird der Erlöschenstatbestand als
ein Fall genannt, in dem das Widerrufsrecht nicht besteht. Auch die
Interessenlage des Verbrauchers ist dieselbe, vielfach ist er sogar noch
schutzwürdiger, weil das Erlöschen von unseriösen Anbietern („Ver4
tragsfallen“) gezielt genutzt wird, um den Verbraucher in die Irre zu
führen. Im deutschen Recht nehmen Brönneke/Zander-Hayat an, dass
vorab die Tatbestände der § 312d Abs. 3 BGB als auflösende Bedingungen des Widerrufsrechtes zu nennen sind, weil § 1 Abs. 1 Nr. 10
BGB-InfoV eine Information über die „Bedingungen“ des Widerrufs5
rechts vorschreibt.
Ein Rückgriff auf diese gegenüber der Europäischen Vorgabe erweiterte Informationspflicht ist jedoch angesichts der Gleichsetzung von
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 1 BGB-InfoV Rn. 40; Roßnagel/Brönneke/
Zander-Hayat, § 312c Rn. 121 (im Erscheinen); jurisPK-BGB/Junker, § 312c Rn.
21.1; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV Rn. 34.
2
Spindler/Schuster/Micklitz/Schirmbacher, § 312c Rn. 123; Kaestner/Tews, WRP
2004, 509, 511.
3
Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 137 (im Erscheinen); Brönneke,
Widerrufsrecht und Belehrungspflichten, S. 40; Rott, BB 2005, 53, 56.
4
Siehe dazu: http://www.verbraucherrechtliches.de/category/internet-vertragsfallen/ (Stand: 7.4.2009).
5
Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 138 (im Erscheinen).
A. Information auf Internetseiten
359
Erlöschen und Nichtbestehen in der Systematik der FARL nicht nötig.
Der Verbraucher ist auch dann über das Erlöschen zu informieren,
wenn der Vertragsschluss, die Einverständniserklärung des Kunden mit
der Leistungserbringung und die Leistungserbringung selbst unmittelbar
1
zusammenfallen, wie dies bei einem R-Gespräch der Fall ist. Denn
gerade in solchen Fällen ist die Überrumpelungsgefahr besonders groß
und der Verbraucher durch das Erlöschen des Widerrufsrechtes ohne
Alternative besonders schutzbedürftig. Daher hat der Unternehmer sein
Geschäftsmodell so zu gestalten, dass dem Verbraucher die Tragweite
seines Verhaltens bewusst wird, was auch bei R-Gesprächen durch
einen kurzen Ansagetext ohne Weiteres möglich ist.
aa) Erforderlicher Konkretisierungsgrad
Ob und welcher Ausnahmetatbestand des § 312d Abs. 4 BGB in Betracht kommt, hat der Unternehmer nach der objektiven Rechtslage zu
2
ermitteln, was angesichts der unklaren Rechtslage zu den teils sehr
3
unklaren Ausnahmetatbeständen kein leichtes Unterfangen ist. Hier
stellt sich die Frage, wie konkret der Unternehmer den Verbraucher
über einen Ausschluss zu informieren hat. Entweder kann er lediglich
die gesetzlichen Ausnahmetatbestände wiederholen, sofern er sich darauf berufen will, oder er nennt konkret die Produkte, bei denen nach
seiner Ansicht das Widerrufsrecht ausgeschlossen ist. Hierbei ist zu
bedenken, dass im Onlinehandel (wie auch im Katalogversandhandel)
die vorvertragliche Widerrufsinformation in Form der vollständigen
Widerrufsbelehrung an einer zentralen Stelle und nicht pro Produkt
erfolgt.
Eine konkrete Information über das Nichtbestehen kann unproblematisch erfolgen, wenn der Händler lediglich eine Art von Produkten
verkauft, z.B. ausschließlich CDs, die versiegelt sind. Schwierig wird es
bei Mischsortimenten: Verkauft ein Händler z.B. sowohl Bücher als
auch CDs und weiterhin T-Shirts mit Standard-Motiven oder vom
Kunden selbst übermittelten Bildmotiven, sind für dieses Sortiment
mehrere Ausnahmen einschlägig, jedoch nicht bei allen Produkten.
Erfolgt die Widerrufsinformation an zentraler Stelle, z.B. in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, müssten hier also bei Annahme einer konkreten Informationspflicht die Produkte, die vom Widerruf ausgenommen sind, exakt bezeichnet (z.B. mit Artikelnummer) und neue Artikel
jeweils eingepflegt werden.
1
a.A. BGH NJW 2006, 1974 und Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn.
138 (im Erscheinen).
2
jurisPK-BGB/Junker, § 312c Rn. 21.1; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1
BGB-InfoV Rn. 34.
3
Siehe dazu Teil 2 D.
360
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
Aus Verbraucherschutzgesichtspunkten spricht jedoch einiges dafür,
dass der Unternehmer den Verbraucher konkret darüber informieren
muss, ob der jeweilige Artikel vom Widerrufsrecht ausgenommen ist.
Der Verbraucher kann so besser vor falschen Erwartungen geschützt
werden als bei einem allgemeinen Hinweis. Verkauft der Händler z.B.
Möbel, die teilweise nach Kundespezifikation angefertigt, teilweise
jedoch nicht vom Widerrufsrecht ausgenommen sind, nützt ein allgemeiner Hinweis in der zentralen Widerrufsinformation dem Verbraucher nichts, da er gleichwohl nicht weiß, ob „sein“ Produkt nun zurück
gegeben werden kann oder nicht. Auch bei einem Erlöschen des Widerrufsrechtes ist häufig unklar, worin die „Ausführung der Dienstleistung“ (z.B. Ausbrechen der SIM-Karte, Telefonieren, Download etc.)
1
besteht.
Dies würde den Händler aber vor die schwierige Aufgabe stellen, Artikel aus seinem Warensortiment z.B. unter die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 312d Abs. 4 Nr. 1 BGB einzuordnen, deren Anwendungsbereich noch weitgehend im Dunkeln liegt. Eine Wiederholung
des § 312d Abs. 4 BGB allenfalls mit einer exemplarischen Nennung
der mit Sicherheit vom Widerrufsrecht ausgenommenen Artikel (z.B.
entsiegelte CDs) muss daher genügen, um die Informationspflicht nach
2
§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV n.F. zu erfüllen. Diese Information kann
bei hinreichender Gewissheit auch direkt auf der Produktseite erfolgen.
Zu beachten ist dann, dass dieselbe Information nach § 312c Abs. 2
BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV noch einmal in Textform
erteilt werden muss, was häufig technische Schwierigkeiten bereitet.
Einfacher ist es daher für den Händler, die Informationen über Ausnahmeartikel an zentraler Stelle vorvertraglich und in Textform zu
erteilen.
Unzulässig ist jedoch eine Klausel, wonach das Widerrufs- bzw.
Rückgaberecht „entsprechend § 312d Abs. 4 BGB unter anderem nicht
bei Verträgen...“ bestehe, da die Kombination der Wendungen „entsprechend“ und „unter anderem“ darauf deutet, dass über die in der
Bestimmung aufgeführten Ausschlussfälle hinaus ein Ausschluss des
3
Widerrufsrechts auch in weiteren Fällen vereinbart wird. Wie das
OLG München zutreffend entschied, wird der Durchschnittsverbraucher regelmäßig nicht § 312d Abs. 4 BGB nachlesen und selbst beim
Nachlesen der Norm verbleiben ernsthafte Zweifel, ob mit der Wendung „unter anderem“ nur die in der Klausel nicht wiedergegebenen
Ausschlussfälle gemäß § 312d Abs. 4 BGB gemeint sind oder auch
1
Änderung durch BesVertG-RegE.
Hoeren/Sieber/Föhlisch, Teil 13.4 Rn. 270; zustimmend Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 137 (im Erscheinen).
3
OLG München, MMR 2008, 677.
2
A. Information auf Internetseiten
361
andere Fälle, weil es am Anfang von § 312d Abs. 4 BGB heißt: „soweit
1
nicht ein anderes bestimmt ist“.
bb) Nennung nicht einschlägiger Ausnahmen
Unterliegen die vom Unternehmer angebotenen Produkte nicht einem
der in § 312d Abs. 4 BGB abschließend genannten Ausschlusstatbestände, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine Nennung nicht
einschlägiger Ausnahmetatbestände im Rahmen der Widerrufsinformation nach § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV hat.
2
Kaestner/Tews nennen das Beispiel der Wiedergabe des Gesetzestextes
des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB zur Ausnahme der „Versteigerungen
(§ 156 BGB)“ bei eBay-Auktionen. Vom durchschnittlich informierten
und verständigen Verbraucher könne nicht erwartet werden, dass diesem die Unterschiede zwischen Versteigerungen i.S.v. § 156 BGB und
anderen Versteigerungen geläufig sind. In einem solchen Fall sei daher
eine ordnungsgemäße Information über die Bedingungen des Widerrufsrechts i.S.v. § 312c Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 zu vernei3
nen. Ebenso entschied das OLG München. Sehe ein Verkäufer in der
Widerrufsbelehrung bei seinen Verkäufen auf der Verkaufsplattform
eBay vor, dass das Widerrufsrecht nicht für Versteigerungen gelten soll,
so sei dies zur Irreführung geeignet. Der Begriff Versteigerung werde im
allgemeinen Sprachgebrauch auch für Verkäufe gegen Höchstgebot
verwendet. Ohne Erläuterung, um welche Art von Versteigerung es sich
4
handelt, sei der Begriff mehrdeutig und irreführend.
Diese Sichtweise zur Fehlaufklärung über das Nichtbestehen ist zutreffend. Der Unternehmer muss den Verbraucher korrekt informieren.
Diese Pflicht kann er durch eine Fehlinformation nicht erfüllen. Vielmehr dürfte eine solche Fehlinformation meist auch auf einer Fehleinschätzung der gesetzlichen Ausschlusslage beruhen. So wird vielfach
5
irrig angenommen, dass Ware, die erst auf Bestellung des Kunden vom
Hersteller produziert wird, nach Kundenspezifikation angefertigt sei.
Die Ausnahme des § 312d Abs. 4 Nr. 1, 1. Var. BGB wird dann ganz
bewusst genannt, um den Kunden vom Widerruf abzuhalten. Solche
Fehlinformationen sind unlauter und lösen auch die hierfür vorgesehenen Sanktionen im vertraglichen Verhältnis zum Kunden aus. Gleiches
gilt, wenn der Unternehmer Waren anbietet, von denen er meint, sie
seien nicht zur Rücksendung geeignet, obwohl dies zumindest in dieser
Pauschalität für sein Sortiment nicht zutrifft. Auch hier muss er „Farbe
1
OLG München, MMR 2008, 677.
Kaestner/ Tews, WRP 2005, 1335, 1345.
3
Kaestner/ Tews, WRP 2005, 1335, 1345.
4
OLG München, WRP 2008, 1396 (Ls.).
5
Vgl. hierzu Teil 2 D II 4.
2
362
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
bekennen“, will er nicht Gefahr laufen, den Verbraucher mit einer zu
allgemeinen Information in die Irre zu führen.
cc) Rechtsfolge bei Nichtaufklärung über das Nichtbestehen
Der Gesetzgeber hat im Fernabsatzrecht keine ausdrückliche Bestimmung getroffen, welche Rechtsfolgen eine Verletzung der Informations1
pflichten aus § 312c Abs. 1 S. 1 hat. Die nach § 312d Abs. 2 und
§ 355 Abs. 2 BGB vorgesehenen Fristverlängerungen gelten für die
Verletzung der nachvertraglichen, textformgebundenen Informationspflichten. Damit kommt der vorvertraglichen Informationspflicht über
das Widerrufsrecht im unmittelbaren rechtlichen Verhältnis zwischen
2
Unternehmer und Verbraucher weit weniger Bedeutung zu.
Der Unternehmer kann sich gemäß § 242 BGB (venire contra factum
proprium) nicht auf das Nichtbestehen berufen, wenn er die Informati3
on unterlassen hat. Überdies wird, wenn über eine objektiv gegebene
Ausnahme im Rahmen der Widerrufsinformation nicht aufgeklärt wird,
auch ein vertragliches Widerrufsrecht eingeräumt. Zudem handelt es
sich bei der Informationspflicht um eine gesetzlich konkretisierte
Schutzpflicht i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB. Beruht die Verletzung mindestens auf Fahrlässigkeit des Unternehmers, kann der Verbraucher Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB verlangen.
§ 312c Abs. 1 BGB wird auch als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB
4
angesehen, so dass auch diese Norm als Anspruchsgrundlage dienen
kann. Der Schadensersatzanspruch ist dann auf Aufhebung des Vertrags im Wege der Naturalrestitution nach § 249 Abs. 1 BGB gerichtet,
5
so dass der Verbraucher sich vom Vertrag lösen kann.
b) Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen
§ 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV bestimmt weiterhin, dass der Verbraucher auch über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu
erklären ist, und die Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe,
einschließlich über den Betrag, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 BGB für die erbrachte
Dienstleistung zu zahlen hat, aufzuklären ist.
1
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 138.
Roßnagel/Brönneke/Zander-Hayat, § 312c Rn. 46 (im Erscheinen).
3
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 139.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 139; Roßnagel/Brönneke/ZanderHayat, § 312c Rn. 50 (im Erscheinen); Mand/Könen, WRP 2007, 841, 847; Ende/Klein, Grundzüge des Vertriebsrechts im Internet, S. 171.
5
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 139.
2
A. Information auf Internetseiten
363
Der Gesetzgeber hielt die erhebliche Überschreitung des Europäischen Mindestniveaus (Art. 14 FARL) durch Ausweitung der Vorgaben
des Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) und d) FARLFDL auf alle Fernabsatzverträge
für „sachgerecht“. Eine unbillige Belastung des Unternehmers werde
„nicht zuletzt“ dadurch vermieden, dass dieser das Muster der Anlage 2
1
zur BGB-InfoV verwenden kann. Diese Erweiterung ist jedoch im Gesetzgebungsverfahren zu Recht auf Widerstand gestoßen. So wurde
eingewendet, der Versandhandel werde in unzumutbarer und europarechtlich nicht erforderlicher Weise belastet, weil die erweiterten Infor2
mationspflichten für das sensible Finanzgeschäft gedacht waren. Die
Regelungen würden im Versandhandel für den Konsumenten erst rele3
vant, wenn er die Ware nach Erhalt ggf. zurücksenden möchte.
Der weit gefasste Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV verweist auf den Regelungsgehalt der §§ 355 ff. BGB. Zu den erforderlichen Informationen zählen zunächst solche, die Beginn, Dauer, Berech4
nung und Wahrnehmung der Widerrufsfrist betreffen. Hier muss über
die Möglichkeiten zur Ausübung des Widerrufsrechts hinaus auch die
Person, an die die entsprechende Erklärung bzw. die zurückzugebende
5
Ware zu adressieren ist, benannt werden. Der Verbraucher ist auch
darauf aufmerksam zu machen, dass die Widerrufserklärung keiner
Begründung bedarf. Zu den Rechtsfolgen gehören die Verpflichtung zur
Rückgabe der empfangenen Ware (§§ 357 Abs. 1 S. 1, 346 Abs. 1), die
Kostentragung der Rücksendung (§ 355 Abs. 2 S. 2 und 3) sowie der
Hinweis, dass der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen für
eine Verschlechterung der Ware bzw. die Unmöglichkeit der Rückgabe
6
Wertersatz schuldet.
Die Ausweitung der Informationspflicht führt dazu, dass dem
Verbraucher die vollständige Widerrufsbelehrung bereits vor seiner
Vertragserklärung informationshalber zur Verfügung gestellt werden
7
muss. Wie die Vorschrift des § 1 Abs. 4 S. 2 BGB-InfoV deutlich
macht, besteht die Pflicht, die Informationen aus § 1 Abs. 1 Nr. 10
BGB-InfoV dem Verbraucher in Textform mitzuteilen, und zwar neben
der Belehrungspflicht aus § 355 Abs. 1 BGB. Beiden Pflichten ist jedoch
schon aus Transparenzgründen durch Verwendung einer einheitlichen
Widerrufsbelehrung nachzukommen, so dass bei Verwendung des Mus1
BT-Drucks. 15/2946, S. 26.
Antrag des Freistaates Bayern v. 22.9.2004, BR-Drucks, 644/2/04.
3
Empfehlungen der Ausschüsse v. 13.9.2004, BR-Drucks. 644/1/04, S. 3.
4
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 41; Erman/Saenger § 312c BGB Rn
31; Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV Rn. 31.
5
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV Rn. 31; MünchKommBGB/
Wendehorst, § 312c, Rn. 42.
6
MünchKommBGB/Wendehorst, § 312c, Rn. 42.
7
Kaestner/Tews, WRP 2005, 379, 381; Pauly, MMR 2005, 811, 813.
2
364
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
ters aus der Anlage 2 des § 14 BGB-InfoV zugleich die Pflicht aus § 355
1
BGB erfüllt wird.
2. Europäisches Recht
Deutschland ist nicht der einzige EU-Mitgliedsstaat, der über die Vorgaben der FARL hinausgehende vorvertragliche Informationspflichten
des Unternehmers über das Widerrufsrecht vorsieht. In keinem anderen
Staat haben die zusätzlichen Informationspflichten jedoch einen so
großen Umfang wie in Deutschland.
a) Geltendes Recht in den Mitgliedsstaaten
2
3
4
So haben neben Deutschland auch Belgien, Finnland, Italien, Slowe5
6
nien und Spanien ausdrücklich eine vorvertragliche Information über
das Nichtbestehen des Widerrufsrechts vorgesehen. In den einzelnen
Rechtsordnungen sind auch Regelungen verankert, die nähere Informationen über die Ausübung des Widerrufsrechts vorschreiben. So ist in
7
Italien über Voraussetzungen und das Verfahren der Ausübung des
Widerrufsrechts vor dem Vertragsabschluss zu informieren. Entspre8
chende Regelungen enthalten auch die Rechtsordnungen von Bulgarien
9
und Slowenien. Eine Aufklärung über die Rücksendekosten ist in Bel10
11
gien und Luxemburg erforderlich. Außer in Deutschland ist allerdings in keinem weiteren EU-Mitgliedsstaat erforderlich, dass der
Verbraucher bei allgemeinen Fernabsatzgeschäften bereits vor Abgabe
seiner Vertragserklärung über sämtliche Rechtsfolgen des Widerrufs
informiert wird.
b) Auswirkungen des VRRL-E
Die für alle von der Richtlinie erfassten Verbrauchergeschäfte geltende
vorvertragliche Informationspflicht des Unternehmers ist in Art. 5
Abs. 1 VRRL-E geregelt. Im Bezug auf das Widerrufsrecht stellt e) klar,
1
Bamberger/Roth/Schmidt-Räntsch, § 1 BGB-InfoV Rn. 36; ausführlich hierzu
sogleich Teil 5 B I 1.
2
Art. 78 Nr. 6 GHP und Art. 12 Nr. 6 des Gesetzes über freie Berufe; SchulteNölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 570.
3
Kapitel 6, § 13 Verbraucherschutzgesetz (FI); Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 570.
4
Art. 51 Abs. 1 (f) VerbraucherGB (IT).
5
Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 570.
6
Art. 40 Abs. 1 (k) EinzelhandelG (ES).
7
Art. 51 Abs. 1 (g) VerbraucherGB (IT).
8
Art. 52 Abs. 1 Nr. 7 Verbraucherschutzgesetz (BG).
9
Art. 43b Abs. 1 S. 6 VerbraucherschutzG (SI).
10
Art. 78 Abs. 7 GHP; Schulte-Nölke, Verbraucherrechtskompendium, S. 570.
11
Art. 3 Abs. 1 (f) FernabsatzG (LU).
A. Information auf Internetseiten
365
dass der Unternehmer dem Verbraucher „gegebenenfalls das Bestehen
eines Widerrufsrechts“ mitzuteilen hat. Spezielle Informationspflichten
für Unternehmer beim Abschluss eines Fernabsatzvertrags ergeben sich
aus Art. 9 und 11 VRRL-E. In Art. 9 VRRL-E wird der Inhalt bzw. der
Umfang der Informationspflichten bestimmt und in Art. 11 VRRL-E
die jeweiligen Formerfordernisse. So hat der Unternehmer dem
Verbraucher die in Art. 9 a) VRRL-E vorgeschriebenen Informationen
vor dem Abschluss des Vertrags in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise zu erteilen oder verfügbar zu machen; sie müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst und
lesbar sein. Art. 9 a) VRRL-E verweist wiederum auf Art. 5 Abs. 1
VRRL-E, so dass im Ergebnis der Unternehmer vorvertraglich nur über
das Bestehen des Widerrufsrechts zu belehren hat.
Dem Wortlaut des Richtlinienentwurfs ist es zwar nicht eindeutig zu
entnehmen, ob der Verbraucher vor dem Vertragsschluss nur über das
Bestehen oder aber auch über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts
aufzuklären ist. Aus den Bestimmungen der Art. 11 Abs. 4, Art. 9
VRRL-E, die den Umfang der Informationen in Textform vorschreiben,
wird allerdings klar, dass nach dem neuen VRRL-E keine vorvertraglichen Informationen über Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen
des Widerrufsrecht zur Verfügung zu stellen sind. Sollte sich der VRRLE so durchsetzen, wären nach Art. 4 (Vollharmonisierungsgrundsatz)
keine abweichenden nationalen Bestimmungen mehr zulässig, auch
wenn diese ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleisten.
Somit wären nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie über die
Verbraucherrechte die nationalen deutschen Regelungen über den Umfang der vorvertraglichen Informationspflicht des Unternehmers im
Fernabsatzrecht nicht mehr mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Die
Informationspflichten und die übrigen Bestimmungen zum Widerrufs1
recht sollen nun zwar auf nationaler Ebene nach dem BGB-RegE in
Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB-E neu geregelt werden. Bedauerlicherweise ist im Rahmen des neuen BGB-RegE jedoch noch keine Reduzierung der Informationspflichten vorgesehen. Sollte sich der VRRLE durchsetzen, wäre dies nachzuholen.
3. Bewertung des Informationsumfangs
Der Umfang der vorvertraglichen Informationspflichten nach deutschem Recht ist unangemessen. Sinnvoll ist zwar eine Information über
das Nichtbestehen des Widerrufsrechtes, die nach richtiger Auffassung
ohnehin schon vor ausdrücklicher Verankerung in § 1 Abs. 1 Nr. 10
1
BGB-RegE, BT-Drucks. 16/11643 v. 21.1.2009.
366
Teil 5 – Informations- und Belehrungspflicht
1
BGB-InfoV zu erteilen war und auch nach dem VRRL-E zu erteilen ist.
Denn diese Information schützt den Verbraucher vor Bestellungen solcher Waren, die er bei Nichtgefallen nicht zurückgeben kann. Die Ausweitung der Informationspflicht für Finanzdienstleistungen hinsichtlich
der Belehrung über Einzelheiten und Rechtsfolgen auf das allgemeine
Fernabsatzrecht ist aus Gründen des Verbraucherschutzes unnötig und
begegnet mit Blick auf die Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers
erheblichen Bedenken. Zudem sieht auch die UGPRL nur einen Hin2
weis auf das Bestehen vor.
Der Verbraucher soll vor Abgabe seiner Vertragserklärung über die
Informationen verfügen, die er für seine Entscheidung über den Vertragsschluss benötigt. Es ist nicht ersichtlich, was der Verbraucher mit
einer umfangreichen Information über die Einzelheiten der Ausübung
und Rechtsfolgen des Widerrufsrechtes vor Vertragsschluss anfangen
soll, z.B. wissen muss, ob ein kostenloses RMA-Verfahren zur Verfügung steht oder wie Wertersatz infolge bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme vermieden werden kann. Es genügt, wenn solche Informationen zusammen mit der Warenlieferung erteilt werden, also vor
3
Ingebrauchnahme.
Die Erweiterung der Informationen zum Widerrufsrecht bereits auf
der Website verursacht dem Unternehmer jedoch erhebliche Kosten und
hat keinen nennenswerten Verbraucherschutzeffekt. Abgesehen von
dem zur Verfügung zu stellenden Platz für umfangreiche Informationen,
der anderweitig für Produktpräsentationen genutzt werden kann, ist
auch die permanente Pflege umfangreicher Texte, die möglicherweise
an verschiedenen Stellen vorhanden sind (AGB, Widerrufsrecht, FAQ
etc.), kostenintensiv und Nachlässigkeiten können schnell weitere Kosten in Form von Abmahnungen verursachen. Selbst bei Verwendung
der bis zum 31.3.2008 geltenden Musterbelehrung des BMJ auf Internetseiten waren Händler wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ausgesetzt, weil der Text nicht zur vorvertraglichen Information geeignet
4
gewesen sei. In der Konsequenz müssten also zwei sich geringfügig
unterscheidende, umfangreiche Informations- und Belehrungstexte
eingesetzt werden, einmal auf der Website und einmal in der E-Mail
bzw. in Papierform mit der Lieferung. Damit wird die Fehleranfälligkeit
signifikant erhöht, was nicht im Sinne des Verbraucherschutzes ist.
Der unnötige Umfang der vorvertraglichen Informationspflicht führt
auch außerhalb des Internets zu unsachgemäßen Ergebnissen. Eine
1
Hk-VertriebsR/Micklitz, § 312c Rn. 94; Mankowski, CR 2001, 767, 769f.
Dazu Teil 5 C II 2 b).
3
Dazu Teil 4 D II 4 c).
4
KG, MMR 2007, 185 = CR 2007, 331 = K&R 2007, 104. Dazu ausführlich Teil
6 B II 1 a).
2
A. Information auf Internetseiten
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Kleinanzeige mit Bestellcoupon ist praktisch nicht mehr zu realisieren,
und auch Geschäftsmodelle im M-Commerce sind nur noch dann gesetzeskonform zu realisieren, wenn es einer Widerrufsbelehrung nicht
2
bedarf. Die gemeinschaftsrechtlich nicht geforderte Ausdehnung der
für Finanzkonzerne konzipierten Regelungen auf eBay-Powerseller
durch den deutschen Gesetzgeber ist gründlich misslungen und sollte
schnellstens rückgängig gemacht werden. Es ist erfreulich, dass der
Europäische Gesetzgeber mit dem VRRL-E die vorvertragliche Informationspflicht verbindlich auf ein vernünftiges Maß reduzieren will. Der
deutsche Gesetzgeber sollte in Betracht ziehen, bereits im Zuge der
Neuordnung der Vorschriften des Widerrufsrechts die vorvertragliche
Informationspflicht entsprechend zu reduzieren.
II. Form
Nach § 312c Abs. 1 BGB hat der Unternehmer dem Verbraucher die
Informationen nach § 1 Abs. 1 BGB-InfoV „in einer dem