Erste Skizzen
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Erste Skizzen
Rossoschka - Ein Rückblick Beinahe 50 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges kann der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge seine Arbeit im östlichen Europa beginnen. Erst ab 1993 kann mit der endgültigen Bestattung der im Krieg gefallenen Soldaten und der verstorbenen Kriegsgefangenen das dauerhafte Ruherecht gesichert werden. Angesichts des Umfanges dieser neuen Bauaufgabe hat der Volksbund die bestehenden Gestaltungsrichtlinien für Kriegsgräberstätten überarbeitet. Dabei versteht sich der Volksbund als Treuhänder der von den Kriegsereignissen betroffenen Personengruppen. Für die Kriegstoten sind dauerhaft gesicherte Ruhestätten zu schaffen, Monumente und große Bauwerke sind zu vermeiden, Gestaltungsthemen sollen aus der vorgefundenen Landschaft abgeleitet werden. Neben Prof. Dr. Gerhard Richter, FH Weihenstephan, wurde ich als Berater in einen Gestaltungsbeirat berufen. Bereits im Oktober 1993 wurde mit Mitgliedern des Beirates zur Konkretisierung der Aufgabenstellung eine Reise nach Moskau und Wolgograd zu bestehenden Anlagen bzw zu ausgewählten Standorten für zukünftige Projekte unternommen. Prof. Dr. G. Richter und ich wurden aufgefordert, für drei Standorte in Wolgograd erste Skizzen als Entwurfskonzepte vorzulegen und an diesen die erarbeiteten Gestaltungsrichtlinien zu überprüfen. Erste Skizzen Wolgograd – früher Stalingrad – ist die Stadt der Mahnmale und Gedenkstätten. Überall stoßen wir auf sie. Die Erinnerung an die schrecklichen Jahre des Krieges überdauert in den zahlreichen Dokumenten der Kämpfe um diese Stadt. Es gibt keine Friedhöfe für die gefallenen russischen Soldaten, dann kann es in der Kernstadt keinen Platz geben für einen deutschen Soldatenfriedhof. 1993 jedenfalls wurden wir auf den Stadtrand verwiesen: Krasnoarmjesk am südwestlichen Stadtrand, Goroditsche schon außerhalb der Stadtgrenzen im Westen und noch weiter westlich Rossoschka, ein ehemaliges Dorf, das die deutsche Wehrmacht vollständig zerstört hatte. 1993 entwickeln wir mit meinem Projektbüro Stadtlandschaft in Kassel Prinzipien zur Gestaltung von Kriegsgräbern in Wolgograd : 1. Die Entwurfsidee wird aus der Interpretation des Landschaftstypus abgeleitet. Rossoschka - Grass-Steppe/ Goroditsche- Ackerlandschaft/ Krasnoarmjesk – Steilhang 2. Erkennbare Bezüge zur Geschichte des jeweiligen Ortes sollen herausgearbeitet werden 3. Die Kriegsgräberstätten sollen als Orte der Besinnung und Erinnerung so in den Stadtgrundriss integriert werden, dass sie als selbstverständliche öffentliche Räume verstanden werden. 4. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Grenzen der Anlage sorgfältig in den Landschaftsraum einzuordnen. 5. Die Strategien minimaler Eingriffe verlangen robuste Materialverwendung und Pflege extensive Vegetationsentwicklung, 6. Der Zeichencharakter der Gräberstätten soll nicht aus zugeordneten Denkmälern oder Bauten abgeleitet werden, sondern auf die Gräberfelder selbst bezogen werden, als Landschaftsinterpretation Krasnoarmjesk Situation: Das Gelände liegt am südwestlichen Stadtrand. Hier hat sich die Wolga im Laufe der Jahrhunderte tief in die Landschaft eingegraben und dabei ausgeprägte Terrassenkanten ausgebildet. Von der Hochfläche, die durch einen bewässerten Waldgürtel begrenzt wird, eröffnet sich ein weiter Blick auf die darunter gelagerten Stadtviertel. Landschaft und Stadt begegnen sich an dieser Stelle. Die Terrassenkante ist durch zahlreiche tiefe Einschnitte gegliedert. Die Vegetationsdecke ist teilweise auf sandigem Substrat oder Mergel außerordentlich spärlich ausgebildet. Vorhandene Pappeln auf den Kuppen assoziieren ein fast italienisches Bild. Entwurf: Der Entwurf sieht im unteren Bereich des Hügels eine Terrasse vor. Damit entsteht eine Art Brücke zwischen den beidseitig anschließenden Hügeln. Die dabei entstehende Plattform nimmt die Grabfelder auf, und ermöglicht an der Stützmauer die Anlage eines Gedenkplatzes. Auf den Hügeln werden Pyramidenpappeln gepflanzt. Goroditsche Situation: Der Standort Goroditsche liegt im Norden von Wolgograd unmittelbar an einer stark befahrenen Hauptverkehrsstraße nach Moskau. Hier ist die Landschaft in besonderem Maße von den Balkas geprägt. Das sind schmale Schluchten, die durch abfließendes Schmelzwasser gebildet werden. Oberhalb dieser Einschnitte liegen Ackerflächen. Im Westen befindet sich anschließend an die Balkas ein Tartarenwall aus dem 13.Jahrhundert, der leider teilweise eingeebnet wurde und heute als Hochspannungsleitung weitergeführt wird. Die Besonderheit einer Grabstätte an dieser Stelle läge darin, hier einen gemeinsamen deutsch russischen Friedhof zu bauen. Es gibt eine von Komsomolzen 1976 errichtete Gedenkstätte, die das Kriegsgeschehen in sehr moderner Art darstellt. Entwurf: Das Gelände wird im Westen in Fortsetzung des Tartarenwalls durch eine 4 Meter hohe Bastion gefasst. Zur Straße hin wird ein Wald gepflanzt ,in den die Gräberfläche eingefügt wird. Der Wald bietet Lärmschutz und trennt die Ruheflächen von den östlich liegenden landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden. Der Haupteingang wird in den nördlichen Bereich verlegt, so dass der Besucher die Anlage über das Gräberfeld betreten muss. Die vorhandene Gedenkstätte wird durch eine Lichtung im Wald auf das Gräberfeld bezogen. Wie in einem Landschaftspark erreicht man die Gedenkstätte als einen Höhepunkt der Anlage plötzlich und überraschend. Von dort aus entfaltet sich der Blick auf das Panorama der Stadt. In einem Hain, der südlich des Gräberfeldes vorgesehen ist, können Einzelgräber integriert werden. Das Gräberfeld wird in Längsrichtung durch eine vorhandene Mulde gegliedert. Rossoschka Situation: In einer weiten ebenen Steppenlandschaft nordwestlich von Wolgograd fließt die Rossoschka. An einem ihrer Mäander liegt das Grundstück, das als Standort vorgeschlagen wurde. Dort befand sich bereits eine Grabstätte für deutsche Soldaten, den die Wehrmacht eingerichtet hatte und die durch ein Birkenkreuz kenntlich gemacht wurde. Zum Fluss hin bricht das Gelände-Niveau mit einer steilen Kante ab. Die Vegetation ist durch den extremen Klimastandort bestimmt: Gras-Steppe mit silbergrauen Stauden und Gräsern, die den ockerfarbigen Boden zu 80 % überdecken. Die Flächen werden durch Rinderherden beweidet. Am westlichen Horizont wird das nach dem Krieg neu errichtete Dorf Rossoschka vor allem über landwirtschaftliche Nutzbauten sichtbar. Es erinnert uns daran, dass wir uns gerade auf einer Fläche befinden, die das ehemalige Dorf Rossoschka besetzte. Das hatte die deutsche Wehrmacht vollständig eingeebnet. Es blieben ein Baum und Spuren der ehemaligen Keller als Vertiefungen der Bodenoberfläche. Entwurf: Die Landschaft soll in ihrem Charakter erhalten bleiben. Das bezieht sich auch auf die bestehende Nutzung als Viehweide. Daraus ergibt sich die Forderung das zugewiesene Grundstück nicht mit einem begrenzenden Zaun zu umgeben, sondern nur diejenigen Teile des Projektes zu schützen, die nicht betreten werden sollen. An diesem Standort sind Gehölze als Raum bildende Strukturelemente kaum möglich. Der Stein muss die Pflanze ersetzen. Die vorhandene Bestattungsfläche soll mit einer 1.5 Meter hohen Mauer umgeben werden. Die neuen Grabflächen sind in einer klaren geometrischen Form als Kreis mit einem Durchmesser von 15o Meter vorgesehen. Die Grabfläche wird aus der Weidefläche herausgehoben und durch eine Stützmauer gefasst. Nach dem Abschluss der Bestattungen wird die Oberfläche des Kreises ohne regelmäßige Beweidung als eine Variation der Steppenlandschaft in Erscheinung treten. Die Bodenauffüllung für das neu zu schaffende Gräberfeld wird aus einem Einschnitt in das Gelände gewonnen. Als verbindende Achse führt ein Weg von dem bestehenden Gräberfeld zum Fluss. Der Einschnitt wird unter das Gelände- Niveau der Steppe führen und damit einen begrenzten Windschutz ermöglichen. Mit dem Einschnitt in das Gelände wird auch der Kreis des neuen Gräberfeldes berührt, An dieser Stelle könnte eine Gedenktafel vorgesehen werden. Ein geschützter Raum ist nicht vorgesehen. Innerhalb des Friedhofes soll die Landschaft authentisch bleiben: Die Hitze im Sommer, Kälte und Wind im Winter. In der Offenheit des weiten Raumes herrscht die Gemeinschaft. Nur dann, wenn man an der Achse zum Fluss hinabsteigt, findet man einen privaten Rückzugsraum. Unmittelbar am Ufer ist ein kleiner Sitzplatz unter einer Weide angeordnet, ein Ort der Stille. An das alte Dorf soll erinnert werden, mit Baumpflanzungen, die nur in den Kellergruben der ehemaligen Dorfhäuser heran wachsen können. Von der Skizze zum Projekt Die Diskussion der verschiedenen Konzepte unter den Vertretern des deutschen Volksbundes sowie eine Vorstellung der Pläne in Moskau und Wolgograd führte Anfang 1994 zur Auswahl des Konzeptes, das wir für Rossoschka entwickelt hatten und bereits im April 1994 zur Grundsteinlegung. Bevor wir die technischen und gestalterischen Details für die Baupläne bearbeiten konnten, wollten wir einige grundsätzliche Fragen klären. Friedhof oder Denkmal ? Zunächst scheint das eindeutig zu sein, der Volksbund als Bauherr versteht sich als Treuhänder der von den Kriegsereignissen betroffenen Personengruppen . Die Sicherung des dauerhaften Ruherechts für die Soldaten und Kriegsgefangenen und die Aufklärung über deren Verbleib für die Angehörigen ist durch einen Friedhof zu erfüllen. Aber wie lange ist mit einem anhaltenden Interesse solcher familiären Beziehungen zu rechnen? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die Aufforderung zur „Versöhnung über den Gräbern“ ? Vielleicht doch ein Mahnmal? Die Frage muss anders gestellt werden. Nicht Friedhof o d e r Denkmal ist das Thema sondern: Vom Friedhof zum Denkmal. Es geht um einen Prozess , der ausgehend von den familiären Beziehungen langfristig soziale Beziehungsnetze knüpft. Zunächst geht es darum, den durch den Krieg gestörten privaten Erinnerungen einen Ort der Besinnung zu bieten. Langfristig entwickelt sich aus diesem Fundament ein kollektives Gedächtnis. Mit Mitteln der Architektur kann dieser Transformationsprozess vom individuellen zum kollektiven Gedächtnis beeinflusst werden. Das heißt, dass das gebaute Denkmal nur Ausgangspunkt sein kann für den sozialen Prozess, der Versöhnung ermöglicht und stabilisiert. Dieser Aspekt ist wichtig, weil hier Ungleichgewichte zwischen der deutschen und russischen Bestattungskultur bestehen, die das Versöhnungsprojekt gefährden könnten. Monumentalität als Thema: Wir waren aufgefordert Monumentalität zu vermeiden. Angesichts der noch jungen Geschichte der Kriegsgräberstätten ist diese Aufforderung leicht verständlich. Die Bauaufgabe Kriegsgräberstätte verführt zum Missbrauch im nationalistischen Interesse, der Friedhof wird dabei zum KriegerEhrenmal. In den seit 1916 veröffentlichten Beispielsammlungen zu Kriegsgräberstätten wird Monumentalität inszeniert, formal mit der beherrschenden Wirkung der Vertikalen. Wilhelm Kreis, der Architekt bedeutungsschwerer Bauten für das 3.Reich hatte auch zu dieser Bauaufgabe mit Zeichnungen für Standorte in Russland eine warnende Hinterlassenschaft vorgelegt. Schon deshalb hatten wir in unseren ersten Skizzen den Blick auf das Gräberfeld lenken wollen, auf die Horizontale. Nach dem uns genaue topografische Karten zur Verfügung standen und wir den Kreis für die Bestattungsfläche in die Ebene der Steppenlandschaft hinein projizieren konnten, standen wir vor einer fast 4 Meter hohen Stützwand, die den Kreiskörper zur Talseite begrenzt. Wir mussten lernen, dass es monumentale Aufgaben gibt. Mit unserem Entwurf war es uns gelungen, den Blick auf die Opfer zu inszenieren. Die beiden Gräberflächen Trapez und Kreis erscheinen von der Straße aus gesehen als leichte Variation der Oberfläche. Die den Kreis anschneidende Achse zum Ufer der Rossoschka wird von der Straße aus nicht sichtbar. Bei der Überarbeitung des Entwurfs werden wir von russischer Seite aus gedrängt, ein zentrales Gebäude zu errichten, das außer den hygienisch notwendigen Funktionen, als Begegnungsstätte und touristischer Anziehungspunkt zu denken wäre. Konsequent verweigert sich der Bauherr gegenüber solchen Forderungen und verweist auf sein Engagement im benachbarten Dorf, im neuen Rossoschka. Dort wird als flankierende Maßnahme zum Bau des Friedhofs die Schule ausgebaut und das Gebäude als Begegnungsstätte funktionsfähig ausgestattet. Als wesentliche Veränderung unserer ersten Skizzen wird der Kreis als begehbare Hohlform aufgegeben, er dient nur noch als Fläche für Bestattungen und kann damit als geschlossene Form ausgeführt werden. Die vorgesehenen Namenstafeln für die im Kreis bestatteten Soldaten werden an der Außenseite als durchgehendes Namensband angebracht. Eine Gedenkstätte mit einem Hochkreuz wird vom Bauherren verlangt. Wir finden dafür einen zentralen Punkt, den Anfang der zum Flussufer hin führenden Wege-Achse . Zwei Mauerscheiben bieten Windschutz und informieren über den Ort und seine Geschichte. Trotz aller Zurückhaltung in der Vertikalen entstehen Mauern bis zu einer Höhe von 3,5 Meter. Wir müssen entscheiden mit welchem Material sie auszuführen sind. Der Standort Wolgograd verfügt nicht über lokal anstehende Natursteinvorkommen. Beton schließen wir wegen der Nähe zu militärischen Zweckbauten aus, auch weil wir die dafür notwendige Sorgfalt im russischen Bauhandwerk nicht sehen konnten. Wir suchen einen in dem Steppenklima alterungsfähigen Stein, der sich in die Farbigkeit der Landschaft einfügt. Im Thüringer Travertin fanden wir eine Anknüpfung , weil für ein Wiederaufbau-Projekt in Stalingrad die DDR ein Freundschaftsgeschenk mit Travertin verkleidet hatte. Die Kosten des langen Transportweges aus Thüringen führten schließlich zum Ausschluss und wir bereisten Steinbrüche in Kirgistan und Kasachstan. Schließlich entschieden wir uns für einen hellen gelbgrauen Granit aus Kasachstan, der mit der silbergrauen Vegetationsdecke eine Einheit bildet. Wir behandeln den Stein wie ein Industrieprodukt. Maschinell geschnitten, in horizontalen Schichtungen angeordnet, und nur an der Oberfläche gestockt vermittelt er ein Bild, das ihn hinreichend unterscheidet von den Bildern, die im dritten Reich den Granit als „Vaterländischen Stein“ in der Denkmalsarchitektur einführen wollten. Dafür sorgt auch die Ausbildung des Sockels, der sich in unserem Projekt lediglich durch ein größeres Format von den darüber lagernden Schichten unterscheidet. Damit wird der Kreis erkennbar als ein Einschnitt in den Steppenboden, nicht wie bei Bruno Schmitz ,dem Architekten der Nationaldenkmäler der Kaiserzeit, aus dem Boden heraus wachsend, als wäre er Teil der Natur-Wahrheit. 1996 Erste Erweiterung: Rossoschka ein DeutschRussischer Soldatenfriedhof . In den politisch nicht einfachen Abstimmungsgesprächen zur Genehmigung des deutschen Bauantrags hatte sich der Wunsch entwickelt, dem deutschen Soldatenfriedhof einen vergleichbaren russischen Friedhof zuzuordnen. Die Unterbrechung der bereits laufenden Bauarbeiten wurde notwendig für Abstimmungsgespräche zwischen den Planungen und um eine Parallelität in der Finanzierungsfrage sicher zu stellen. Es wurde uns ein Konzept für einen gemeinsamen Friedhof vorgestellt, der vollständig von den bisherigen Planungen abwich und die bereits getätigten Investitionen auf der Baustelle überflüssig machte. In meinem Skizzenbuch fand ich eine in einer Sitzung vom August 1995 notierte Zeichnung dazu, auf die ich an anderer Stelle noch zurückkommen werde. In dieser fortgeschrittenen Situation mussten wir das Gemeinschaftsprojekt ablehnen, obwohl in unseren ersten Skizzen zum Soldatenfeld in Goroditsche solch ein Projekt vorgeschlagen wurde. Wir regten an, auch wegen der Unterschiedlichkeit der Auffassungen zu dieser Bauaufgabe, auf den beiden Seiten der erschließenden Straße jeweils eigenständige Projekte zu realisieren, diese aber mit einer gemeinsamen Infrastruktur auszustatten und sie durch ein Wegenetz zu einem Gesamtkomplex zu verbinden. So konnte das Moratorium umgedeutet werden, nicht als Störung eines laufenden Bauprozesses sondern als Voraussetzung für eine Bereicherung des ursprünglichen Projektes 1999 Zweite Erweiterung : Namen für Vermisste Begleitend zu den Objektplanungen für einzelne Friedhöfe im östlichen Europa wird die Gesamtplanung und die Standortfestlegung voran getrieben. In diesem Zusammenhang wird Rossoschka zu einem Sammelfriedhof für die Region Wolgograd. Darüber hinaus sollen nicht nur die geborgenen und identifizierten Toten berücksichtigt werden, auch die Vermissten Soldaten sollen namentlich gekennzeichnet werden und auf diesem Friedhof eine Ruhestätte finden. Wir werden aufgefordert, in den Grenzen der zugewiesenen Liegenschaft nach einer Lösung zu suchen, die die Kennzeichnung von ca. 120 000 Namen ermöglicht. Wir wollten unterscheiden zwischen dem geordneten Namensband für die identifizierten Toten, die innerhalb der Kreisform bestattet wurden und den nicht identifizierten Toten, deren Verbleib nicht aufgeklärt werden konnte. Vergleichbar in der Wahl der Schriftform sollen deren Namen auf ca 140 Würfeln (15ox150 x150 cm) aus dem gleichen Stein angebracht werden. Diese jeweils 9oo Namen fassenden Würfel werden in 5 längs gestreckten Gruppen aufgestellt. Sie reagieren auf die zufällige Variation der Topographie der Landschaft und unterscheiden sich darin von der präzisen Mathematik des Namenbandes . Ein Baukörper für den Friedhof Lange hatten wir uns dagegen gewehrt, den Friedhof mit einem Bauvolumen auszustatten. Jeder Baukörper, der im Kontext mit den vorhandenen bewusst zurückhaltenden Bauformen errichtet würde, hätte eine dominante Rolle, ganz unabhängig von seiner Funktion. Jetzt ging es um profane Aufgaben .Das zunehmende Alter der Besucher verlangt Hygieneräume vor Ort, vielleicht auch einen Ruheraum ; einen Raum für einen Mitarbeiter. Kein Potential für eine beherrschende Position in der Architektur des Friedhofs. Wir schlagen vor ein Atrium zu bauen, mit einem kleinen Ausstellungsraum als offenem Hof, dem wir die anderen Nutzungen zuordnen. Nach außen ein geschlossener Körper mit einer lagerhaften Wirkung. Für dieses Gebäude finden wir einen Standort am Rand des Grundstücks – eher beiläufig, jedenfalls nicht beherrschend. 2011 Dritte Erweiterung : Die Friedenskapelle Ende 2010 werde ich vom Volksbund aufgefordert, im Rahmen meines Urheberrechts eine Stellungnahme zu einem Projekt abzugeben, das an den Volksbund heran getragen wurde. Die mir übergebenen Unterlagen zeigen eine Art Monopteros, eine Betonskulptur mit einem reichhaltigen dekorativen Programm - vor allem mit den Kreuzsymbolen der russisch orthodoxen Kirche und der christlichen Kirche in Rom. Die ca. sechs Meter hohe Kapelle mit einem darüber stehenden Engel – eingefügt in die Zentrale Achse zwischen der Kreisform des deutschen Friedhofs und dem Glockenturm des russischen Friedhofes – würde eine beherrschende Position innerhalb der Architektur der beiden Friedhöfe erhalten. Es würde genau das entstehen, was wir in dem gesamten Entwurfsprozess abgewehrt hatten: Die Gräberfelder würden zum untergeordneten Bestandteil eines Denkmals mit einer religiösen Orientierung. Und dann das Motiv des Monopteros, das wir aus den harmonischen Bildern des Landschaftsgartens kennen. Hier in der Steppe ist es völlig unangebracht. Wir wollten doch das authentische Bild der Steppe bewahren. Obwohl für das private Engagement zum Projekt Rossoschka zu danken wäre, musste ich diese Initiative in der vorgestellten Form ablehnen. Noch im gleichen Jahr werde ich von Prof. Dr. Hannemann gebeten, mich noch einmal dem Kapellen-Projekt zuzuwenden, und mit einem eigenen Entwurf das Projekt zu unterstützen. Ich bekomme nun einen ersten Kontakt zu Dr. Christian Holtz/ Denkendorf, dem Fürsprecher des Projektes. Er berichtet von seinem dauerhaften Kontakt zu einem Moskauer Stadtteil im Rahmen einer Städtepartnerschaft, die er nach einem Besuch unmittelbar nach seinem Abitur begründen konnte. Im Rahmen dieser Städtepartnerschaft sei er nach Wolgograd gekommen und dort von den Initiatoren des Kapellen-Projektes angesprochen worden. Diese beklagen ein Defizit des Projektes Rossoschka .Es fehlt ein Ort ,an dem der oberste Patriarch der russisch orthodoxen Kirche mit dem obersten Vertreter der christlichen Kirchen Westeuropas ein gemeinsames Friedensgebet halten könnten. An dieser Stelle erinnere ich an meine Protokollskizze aus dem ersten Versuch, in Rossoschka nachträglich einen gemeinsamen deutsch-russischen Friedhof zu entwickeln. Dort wurde im Zentrum der Gesamtanlage eine Kapelle vorgeschlagen, die rechts und links von den beiden unterschiedlichen Kreuz-Symbolen begleitet wurde. Nach diesen Informationen will ich den Auftrag annehmen, Ich bin kein Architekt, eine Kapelle kann ich nicht bauen. Ich arbeite an der Landschaft. Ich suche in dem bestehenden Gefüge mit zwei eigenständigen Friedhöfen einen Ort für ein Ereignis der Verständigung zwischen den beiden Kirchen. Aus der Standortbestimmung des Monopteros –Projektes kann man lernen, dass eine Ergänzung innerhalb des bestehenden Raumgefüges zu einer Veränderung der ursprünglichen Konzepte führt. Um das zu vermeiden, muss ich einen Ort neben den bestehenden Anlagen finden. Ausgangspunkt für das Projekt ist die Botschaft der beiden Friedhöfe, die die Opfer des zweiten Weltkriegs zur Anschauung bringen. Es muss also ein Ort gefunden werden, der Bezug zu beiden Friedhöfen aufnimmt, ohne zu ihrem Zentrum zu werden. Materialität und Formensprache für diesen Ort sollte als eine Fortschreibung des bestehenden Komplexes vorgeschlagen werden. Das ist die Voraussetzung für die Integration in das bestehende Gefüge. Nach dieser Analyse der Bauaufgabe sind alle weiteren Entscheidungen einfach zu treffen: Der russische Friedhof hatte bisher mit seinem großen Halbkreis förmigen Wegekonzept ein Ungleichgewicht. An seinem westlichen Ende fand er die Weiterführung in den deutschen Friedhof, am östlichen Ende fehlte ein Ziel für eine Weiterführung. Diesen Punkt nehmen wir auf für den Anfang des Projektes Friedenskapelle. Der Kreis wird als Weg in die Steppe fortgesetzt bis wir einen Ort finden, der zum Zentrum eines kirchlichen Ereignisses werden könnte. Der Weg steigt mit einer Rampe etwas an und führt zu einer Plattform, die aus dem Niveau des Steppenbodens herausgehoben ist. Die entstandene Ebene wird mit zwei Mauerscheiben begrenzt, die im rechten Winkel zueinander stehend, die Kreuzsymbole der beiden Kirchen aufnehmen. Die beiden Mauerscheiben spiegeln zugleich das jeweilige Gegenüber : den Glockenturm des russischen Friedhofs als dessen Zentrum und den Mittelpunkt des großen Kreises des deutschen Friedhofs. Unterhalb der entstandenen Plattform werden Sitzstufen angeordnet. Die im rechten Winkel stehenden Mauerscheiben verweisen auf das Nebeneinander der Religionen. Vor dem Hintergrund der zur Anschauung gebrachten Opfer des 2.Weltkriegs beziehen sie sich auf eine gemeinsame Mitte, den Altar. Mit diesen einfachen Bauelementen entsteht ein aus der Steppe herausgehobener Raum für Ereignisse unterschiedlicher Größenordnung. Er ist geeignet für eine große Gemeinschaft. Dann wird die Baugruppe der Friedenskapelle zur Bühne und die Steppe zum Versammlungsort. Der Ort ist ebenso denkbar als Aussichtspunkt für den Besucher der beiden Friedhöfe, der in der Distanz zu den beiden Friedhöfen einen zusammenfassenden Eindruck gewinnt. Jetzt wollen wir den Grundstein legen für ein Projekt der Verständigung. . Quellen: Planzeichnungen : Projektbüro Stadtlandschaft, Kassel Photos: Eigene mit * Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Kassel Rossoschka 2000 im Herbst * * Russischer Friedhof ^ Deutscher Friedhof