stellungnahme a02

Transcription

stellungnahme a02
Bauindustrieverband
Nordrhein-Westfalen e.V.
Bauindustrieverband NRW e.V. • Postfach 10 54 62 • 40045 Düsseldorf
Frau
Carina Gödecke MdL
Präsidentin des Landtages
von Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtages 1
40221 Düsseldorf
Herrn
Dieter Hilser MdL
Vorsitzender des Ausschusses für
Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr
im Landtag von Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtages 1
40221 Düsseldorf
16
STELLUNGNAHME
16/3020
A02
Tobias Siewert, M.A.
Leiter
Politik – Presse - Kommunikation
Uhlandstraße 56
40237 Düsseldorf
Postfach 10 54 62
40045 Düsseldorf
Telefon 0211 67 03-203
Telefax 0211 67 03-111
Mobil 0171 553 553 8
t.siewert@bauindustrie-nrw.de
www.bauindustrie-nrw.de
16.09.2015
Siew
Stellungnahme des Bauindustrieverbandes Nordrhein-Westfalen zur Öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und
Verkehr des Landtages von Nordrhein-Westfalen am 22. September 2015
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Frau Gödecke,
sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Hilser,
im Namen der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen danken wir Ihnen für die Gelegenheit, im Rahmen der Öffentlichen Anhörung schriftlich Stellung zur Thematik
zu nehmen. Unsere Hauptgeschäftsführerin, Frau Prof. Wiemann, wird an
der Anhörung am 22. September als Vertreterin des Verbandes teilnehmen.
Als Verband der bauindustriellen Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen
vertreten wir sowohl den leistungsfähigen, oftmals in Familienbesitz befindlichen
nordrhein-westfälischen Mittelstand wie auch die Bau-Großindustrie. Aus unserer
Sicht stellt die Anwendung von ÖPP-Modellen im Bundesfernstraßenbau nicht
die Lösung, aber eine sinnvolle Ergänzung bereits etablierter Vergabearten neben der konventionellen Lösung dar. Im Sinne einer möglichst breit angelegten
Modellvielfalt befürworten wir die jeweils sachgerechte und projektbezogene Prüfung der Vergabeart nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten. Zudem verweisen
wir neben dem Finanzierungsaspekt auf die Qualität bislang fertiggestellter ÖPPProjekte. Nähere Informationen bitten wir unseren Antworten auf den Fragenkatalog zu entnehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bauindustrieverband NRW e.V.
(Tobias Siewert, M.A.)
Commerzbank AG Düsseldorf • Konto-Nr. 310 800 800 • BLZ 300 400 00 • IBAN: DE72 3004 0000 0310 8008 00 • BIC: COBADEFFXXX • USt-Id-Nr. DE 19355745
Mitglied im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie Internet: www.bauindustrie-nrw.de E-Mail: info@bauindustrie-nrw.de
STELLUNGNAHME
Öffentliche Anhörung im Ausschuss für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und
Verkehr des Landtages von Nordrhein-Westfalen zum Antrag der CDU-Fraktion
mit der Drucksache 16/8643 „Landesregierung muss innovative Modelle zur Finanzierung und zum Bau von Bundesfernstraßenprojekten voranbringen“
15.09.2015
___________________________________________________________________________
Der Bauindustrieverband NRW ist ein freiwilliger Zusammenschluss von nordrheinwestfälischen Unternehmen der Bauindustrie. Als größtes Kompetenzzentrum der
Bauindustrie betreut und repräsentiert er mehr als 300 Mitgliedsunternehmen. Von
kleinen Familienbetrieben über kleinere bis große mittelständische Unternehmen und
Niederlassungen international agierender Baukonzerne sind die Unternehmen der
Bauindustrie Nordrhein-Westfalen in allen Bausparten tätig. Der Verband ist der größte bauindustrielle Landesverband in der Bundesrepublik Deutschland. Die Mitgliedsunternehmen betätigen sich in allen Bereichen des Hoch- und Tiefbaus und agieren dabei sowohl als Partner von privaten als auch vielfach von öffentlichen Auftraggebern.
_____________________________________________________________________
Den vorliegenden Fragenkatalog zur Öffentlichen Anhörung beantworten wir im Namen der
bauindustriellen Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen wie folgt:
1. Welche Erfahrungen wurden bisher mit ÖPP-Projekten gemacht? (Dauer, Effizienz, Wirtschaftlichkeit etc.)
Die bislang im Rahmen der ersten und zweiten Staffel von ÖPP-Projekten im Bundesfernstraßenbau fertiggestellten Maßnahmen zeichnen sich durch eine besonders hohe Termin- und
Kostentreue aus. Gleiches gilt für die Qualität der realisierten Baumaßnahmen. Es zeigt sich,
dass alle Projekte vor dem vertraglich vereinbarten Fertigstellungsdatum für den Verkehr freigegeben werden konnten. Der Kostenrahmen der Projekte wurde bei nur sehr geringen Nachträgen eingehalten. Das Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI) bestätigt, dass sich die tatsächlichen Ausgaben für die laufenden ÖPP-Projekte insgesamt nahezu exakt (lediglich + 0,4%) in dem zuvor bei Vertragsbeginn ermittelten Vergütungsrahmen
bewegen.
1
Veranschaulicht werden diese Fakten durch die folgenden Tabellen:
Übersicht über die bislang realisierten Bundesfernstraßenprojekte als ÖPP-Modell:
A8 Augsburg West München
Autobahnplus: BAM, Berger, Planung, Bau, Finanzierung und
Egis, Fluor, Papenburg, Trapp Betrieb von 53 km, 37 km Ausbau
A4 AS Waltershausen - Via Solutions Thüringen
AS Herleshausen
GmbH & Co.KG, Vinci,
Hochtief
A1 AD Buchholz - AK
Bremer Kreuz
Bilfinger Berger (42,5%) /
Laing Roads (42,5%) / Johann Bunte (42,5%)
A 5 (AS Baden-Baden - Vinci / Reif / Kirchhoff
AS Offenburg)
A8 Ulm-Augsburg
Hochtief/ Strabag
A9 Hermsdorf - Schleiz Vinci, BAM PPP
A 7 Bordesholm Hamburg
Hochtief, Kemna Bau, DIF
Infra
Planung, Bau, Finanzierung und
Betrieb von 44km, einschl. 22,5
km Neu- und Ausbau, hinzu Rückbau von 10 km
Planung, Bau, Finanzierung und
Betrieb von 72,5 km, Konzession
nur auf 65km
Planung, Bau, Finanzierung und
Betrieb , Ausbau 41,5km, Betrieb
Erhaltung 60 km
Planung, Bau, Finanzierung und
Betrieb, Ausbau 41km, Konzessionsstrecke 58km
Planung, Bau, Finanzierung und
Betrieb, Ausbau 19 km, Konzession 47km
Erweiterung auf 65km, Erhalt auf
59 km.
A-Modell
A-Modell
A-Modell
A-Modell
A-Modell
Verfügbarkeitsmodell
Verfügbarkeitsmodell
Termintreue der Projekte:
Projekt:
A 8 Augsburg
- München
A4
Hörselberge
A 1 Hamburg
– Bremen
Vertragstermin
Inbetriebnahme
Zeitvorteil
31.12.2010
09.12.2010
3 Wochen
früher
31.12.2010
06.01.2010
1 Jahr früher
31.12.2012
11.10.2012
2,5 Monate
früher
A 5 Malsch
Offenburg
30.09.2014
17.07.2014
2 Monate
früher
A9
Lederhose
30.11.2014
05.09.2014
2 Monate
früher
Kostentreue der Projekte:
Projekt:
Nachtragsvolumen
gemessen am Projektvolumen
A 8 Augsburg
- München
< 1 % wg.
ungeplanter
Kampfmittelbeseitigung
A 4 Hörselberge
1,5 % wg.
zusätzlich
beauftragter
Leistungen
A 1 Hamburg
– Bremen
<1%
A 5 Malsch
- Offenburg
< 0,05 %
wg. zusätzlich beauftragter
Leistungen
A 9 Lederhose
< 0,12 % wg.
Zusätzlich
beauftragter
Leistungen
2
ÖPP-Projekte stellen aus unserer Sicht somit eine sinnvolle Ergänzung der bislang gängigen
Vergabepraxis neben der konventionellen Realisierung dar, um die immensen Sanierungsbedarfe wirkungsvoll, effizient und zügig anzugehen und abzuarbeiten. Dabei sollte sachgerecht
und je nach Projekt in einer Einzelfallprüfung nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten entschieden werden, welche Vergabeart für das Projekt adäquat ist.
2. Wie bewerten Sie grundsätzlich eine Finanzierung von Straßenbau nicht über
staatliche Haushalte sondern durch Einbeziehung privaten Kapitals nach den
Konditionen der Privatwirtschaft unter haushalterischen Gesichtspunkten?
3. Wie bewerten Sie grundsätzlich eine Finanzierung von Straßenbau nicht über
staatliche Haushalte sondern durch Einbeziehung privaten Kapitals nach den
Konditionen der Privatwirtschaft unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten?
In einer unter politischen Akteuren höchst seltenen Einigkeit betonen heute alle Bau- und Verkehrspolitiker jeglicher Couleur auf Bundes-, Landes sowie auf kommunaler Ebene, dass in
den letzten Jahren zu wenig Investitionsmittel in die Infrastruktur, insbesondere zu wenig Mittel
in die Verkehrsinfrastruktur geflossen sind. Die Entschlossenheit dies zu ändern einmal vorausgesetzt, haben sich in der Zwischenzeit die Erwartungen an staatliche Leistungen jedoch
deutlich erhöht und dadurch die den politischen Weichenstellungen zur Verfügung stehenden
Investitionsmittel deutlich verknappt. Dies gilt insbesondere für die kommunale und die Landesebene, mit Einschränkungen für die Bundesebene.
Im gleichen Zeitraum ist der „Investitionsstau“ - und damit der Sanierungsbedarf - unserer
Verkehrsinfrastruktur über alle drei Hauptverkehrsträger (Straße, Schiene, Wasserstraße)
massiv gewachsen. Die Folge: Mit einem immerzu anwachsenden Güter- und Personenverkehr wird die Funktionstüchtigkeit, insbesondere jedoch die Zukunftsfähigkeit unserer „Verkehrsadern“ deutlich in Frage gestellt.
Die zur Verfügung stehenden staatlichen Investitionsmittel reichen – den von Seiten des BMVI
geplanten Investitionshochlauf bereits mit einkalkuliert – nicht aus, um den Sanierungsbedarfen adäquat zu begegnen. Dieses damit zwangsläufige Unterlassen von notwendigen Sanierungsleistungen wirkt sich tagtäglich in einem Industrieland wir Nordrhein-Westfalen fatal auf
die volkswirtschaftliche Situation, auf Wertschöpfung und Wohlstand aus.
Die Einbeziehung privaten Kapitals ist somit eine sinnvolle Alternative, um die Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur „höheres Tempo“ aufnehmen zu lassen und diese zügiger voranzubringen. Die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen fordert deshalb bereits seit Jahren die Umstellung der Bundesfernstraßenfinanzierung von der Haushalts- auf die Nutzerfinanzierung,
um nicht länger von den Unwägbarkeiten des Haushalts abhängig zu sein.
Voraussetzung für eine Umstellung ist ein „Finanzierungskreislauf Straße“, in dem die Mauteinnahmen – ergänzt durch Steuermittel – zweckgebunden dafür eingesetzt werden, den bedarfsgerechten Neu- und Ausbau, die Erhaltung und den Betrieb der Bundesfernstraßen sicherzustellen. Nur ein solcher Finanzierungskreislauf kann die Akzeptanz der Bürgerinnen und
Bürger für eine Nutzerfinanzierung sicherstellen.
3
Bei der Finanzierung geht es dabei nicht um ein „Entweder-Oder“ einer privaten Finanzierung.
Es ist unweigerlich zu bemerken, dass sowohl die Kosten einer privaten als auch einer öffentlichen Infrastrukturfinanzierung am Ende von der öffentlichen Hand getragen werden müssen.
Für die öffentliche Hand sollte deshalb ausschlaggebend sein, welche Vorteile und Effizienzgewinne durch Projekte, wie beispielsweise ÖPP-Verkehrsprojekte mit einem privaten Finanzierungsteil, realisiert werden können.
Private Finanzierung bietet im Vergleich zur kameralistischen Haushaltsfinanzierung bereits
heute den Vorteil einer projektspezifischen und überjährigen Finanzierung. Denn: Infrastrukturvorhaben kennen keine Haushaltsjahre. Eine Projektrealisierung sollte nicht wie bisher abhängig von der Mittelbereitstellung im Bundeshaushalt sein, die Finanzierung muss sich den
Gegebenheiten des Projekts anpassen. Die Einbindung privaten Kapitals im Rahmen von
ÖPP-Modellen stellt dabei in keiner Weise eine Umgehung der „Schuldenbremse“ dar. Die für
ÖPP-Projekte zu leistenden Zahlungen werden vielmehr Jahr für Jahr im Bundeshaushalt
ausgewiesen und sind somit transparent nachvollziehbar.
Gleichzeitig kann Finanzierung zu einer effizienten Projektorganisationsstruktur beitragen und
durch ihre ökonomische Anreiz- und Steuerungsfunktionen einen erheblichen Beitrag zur Kosten- und Terminsicherheit eines Projekts leisten. Dies bestätigt die Reformkommission „Bau
von Großprojekten“ in ihrem Abschlussbericht. „[Die öffentliche Hand] sollte den leistungswirtschaftlichen Bereich (das Projekt) und die finanzwirtschaftliche Sphäre (die Finanzmittel im
Haushalt) nicht trennen, sondern […] miteinander verbinden. Jede leistungswirtschaftliche
Aktivität wie beispielsweise die Abwicklung von Bauarbeiten […] findet ihren Niederschlag in
Zahlungsströmen. Zeit- und Kostenüberschreitungen bilden sich auch im Finanzierungsprozess ab. Umgekehrt sollte aber auch die finanzwirtschaftliche Seite erheblichen Einfluss auf
eine effiziente Leistungserstellung haben. Die über die Liquiditätsbereitstellung hinausgehenden ökonomischen Funktionen der Finanzierung sollten daher möglichst in vollem Umfang
zum Tragen kommen.“1 Zu diesen Funktionen zählen z. B. die Kostenkontrollfunktion, die Risikomanagementfunktion, die Informations- und Transparenzfunktion. Folglich sollte eine Bundesfernstraßengesellschaft Finanzierung nicht länger nur als eine Liquiditätsbereitstellung (wie
bislang die öffentliche Hand) sondern als Steuerungsinstrument ansehen und stärker auf eine
effiziente Organisationsstruktur achten.2
Kurz um: Es geht in erster Linie nicht um die Frage, ob grundsätzlich öffentlich oder privat finanziert werden sollte. Es geht erstens darum, die Funktionen von Finanzierung, über die Liquiditätsbereitstellung hinaus, auch für die öffentliche Hand zu nutzen. Zweitens darf sich Finanzierung nicht an den Haushaltsjahren orientieren, sondern muss sich den Projektgegebenheiten anpassen, um einen Beitrag zur Termin- und Kostensicherheit leisten zu können.
4. Welche Vorteile haben ÖPP-Projekte?
ÖPP-Projekte bieten eine Vielzahl von Vorteilen, die sich bei einem adäquaten Projekt positiv
auswirken und in die zwei Bereiche „Finanzierung“ und „projektbezogene Vorteile“ aufteilen lassen.
1
Reformkommission „Bau von Großprojekten“, Endbericht, S. 73
Vgl. auch Prof. Torsten Böger, Die Bedeutung der Finanzierung bei ÖPP-Projekten der Straßenverkehrsinfrastruktur, S. 93, Link: http://www.vifg.de/_downloads/service/2010_Beitrag_Boeger_fuer_Festschrift_Prof-Wanninger.pdf
2
4
Beginnend mit dem Aspekt „Finanzierung“ ermöglichen ÖPP-Projekte durch die Einbindung
privaten Kapitals die Realisierung dringend benötigter Neubau- oder Ausbaumaßnahmen unserer Verkehrsinfrastruktur. Davon profitieren neben den Bürgerinnen und Bürgern insbesondere deren Arbeitgeber, also die Betriebe und Firmen im Land. Diese können im Vertrauen auf
eine funktionstüchtige Verkehrsinfrastruktur erfolgreich wirtschaften und dabei Investitionen
tätigen, die Wachstum und Wohlstand ermöglichen. Durch die gestreckte Finanzierung werden die staatlichen Haushalte dabei nicht in der Form einer konventionellen Realisierung belastet, so dass Freiräume für weitere notwendige Investitionen entstehen. Darüber hinaus enthalten ÖPP-Projekte eine Tilgungskomponente, so dass die Bauvorhaben nach Vertragsende
mit dem privaten Partner abbezahlt sind und schuldenfrei an den Staat übergeben werden
können. Zugleich ermöglichen ÖPP-Projekte eine höhere Kostentransparenz sowie wirtschaftliche Effizienzvorteile.
Die „Entlastungswirkungen“ von ÖPP-Projekten beziehen sich dabei nicht nur auf die monetären Belastungen der Haushalte, sondern darüber hinaus ebenso auf die personelle – und damit nachgelagert auf die finanzielle – Belastung der Landestraßenbauverwaltungen. Durch die
Integration von Planungsleistungen in das ÖPP-Projekt oder aber durch die Integration von
Erhaltungsmaßnahmen und Betrieb in die Aufgaben des Auftragnehmers können die personellen Ressourcen der Landesstraßenbauverwaltungen vermehrt für weitere vordringliche
Projekte eingesetzt werden.
Die „projektbezogenen Vorteile“ beziehen sich wie in Frage 1 bereits erläutert auf die herausragende Termin- und Kostentreue von ÖPP-Projekten. Dies hat mehrere Gründe: Zum
Einen ermöglichen ÖPP-Projekte, und damit eine weitergehende Kompetenzverteilung zugunsten des Auftragnehmers, die Reduzierung von Schnittstellen. Wer von der Finanzierung,
über die Planung und Bau bis hin zu Erhaltung und Betrieb für ein Projekt verantwortlich ist,
der baut „aus einer Hand“. Der Abstimmungsbedarf mit anderen Akteuren wird auf ein Minimum reduziert, der zu betreibende Aufwand nimmt ab. Zugleich fördert die Zusammenlegung
von Verantwortlichkeiten die Möglichkeit, einzelne Leistungen so auszulegen, dass sich deren
Vorteile über alle Phasen hinweg positiv bemerkbar machen. Wer nach dem Bau ebenfalls für
die Erhaltung und den Betrieb zuständig ist, kann seine Bauleistung bereits darauf ausrichten
und im Sinne eines ganzheitlichen Projektkonzeptes optimal entwickeln. Es findet somit eine
Optimierung der gesamten Projektkosten über den Lebenszyklus im Rahmen einer „Lebenszyklusoptimierung“ statt. Die sich hierbei entwickelnden Anreizstrukturen durch die „Lebenszyklusverantwortung“ führen ebenfalls vielfach zu einer höheren Qualität des Projektes als bei
einer konventionellen Beschaffung. ÖPP-Projekte bieten mehr Spielraum für Innovationen
durch Outputspezifikation, privates Know-how wirkt dabei als Innovationstreiber. Bereits im
Rahmen der Vergabe wird der Wettbewerb zur Ermittlung der besten Lösung am Markt und
Überprüfung der öffentlichen Kalkulation gefördert.
Des Weiteren kommt es im Rahmen von ÖPP-Projekten zu einer optimierten Risikoverteilung
zwischen privaten und öffentlichen Partnern, in der jeder seinen Kompetenz- und Verantwortungsbereich optimal abdecken und somit das Gesamtrisiko reduzieren kann.
Für die Volkswirtschaft von besonderer Bedeutung ist die vertraglich fixierte Erhaltung und
Sanierung durch den Auftragnehmer, also den privaten Partner. Während die Sanierungsleistungen einer Bundesfernstraße bei der konventionellen Vergabe den haushalterischen Zwängen und somit der politischen Weichenstellung unterworfen sind, sind diese in einem ÖPPProjekt vertraglich fixiert und damit durch den privaten Partner gewährleistet.
5
5. Welche Vorteile haben ÖPP-Projekte, die bei vergangenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen nicht abgebildet wurden?
Zentrale Kritikpunkte in der Diskussion um ÖPP sind die Zweifel an der Wirtschaftlichkeit bzw.
an der Durchführung der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen (WU), wie sie auch vom Bundesrechnungshof geäußert werden. Die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen hält dieser Kritik an der
Wirtschaftlichkeit der ÖPP-Projekte entgegen, dass oft mit zweierlei Maß gemessen wird.
So wird den konkreten Festpreisangeboten der privaten ÖPP-Partner eine konventionelle Variante gegenüber gestellt, die nicht der tatsächlichen Beschaffungspraxis der öffentlichen Verwaltung entspricht. Der Bundesrechnungshof bedient sich bei seinen Berechnungen bspw.
einer optimierten konventionellen Variante, die in der Realität nicht in angenommener Form
und Kostenrahmen umgesetzt werden könnte. So werden Risiken der konventionellen Variante vernachlässigt, begrenzte personelle und finanzielle Ressourcen der öffentlichen Verwaltung ignoriert und eindeutige Nutzenvorteile der ÖPP-Variante aberkannt. Die Folge: Das Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung wird zu Lasten der ÖPP-Variante verfälscht und
führt im schlimmsten Fall zu einer unwirtschaftlichen Entscheidung.
Die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen fordert deshalb, dass die Kosten der konventionellen
Beschaffungsvariante, ebenso wie bereits jetzt das Festpreisangebot der ÖPP-Partner, im Fall
der wirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit als Haushaltsansatz bzw. als Projektbudget festgeschrieben werden müssen. Hierdurch wird nicht nur eine realistische Kostenschätzung der konventionellen Variante motiviert – dem Steuerzahler würden fortan weniger sog. „politischen Preise“
genannt –, sondern auch die letztendlich in Kostenexplosionen und damit in Zweifeln an der
Kompetenz der öffentlichen Verwaltung mündenden Folgewirkungen verhindert.
Neben der realistischen Einbeziehung aller Kosten bei der konventionellen Beschaffungsvariante verlangt eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung von ÖPP-Modellen konstitutiv die Berücksichtigung des Projektes als „Lebenszyklusmodell“ und somit auch die Einbeziehung aller Kosten der übrigen Beschaffungsvarianten im gesamten Projektzeitraum.
Während der reine Bau in geringem Maße teurer als bei der konventionellen Variante sein
kann, spielen sich die Wirtschaftlichkeitsvorteile eines ÖPP-Modells entlang des Lebenszyklus
umso deutlicher aus. Durch die Reduzierung der Schnittstellen und die vielfach höhere Qualität ist von einer Senkung der Projektkosten auszugehen.
Weitere Vorteile sind in geringeren volkswirtschaftlichen Kosten durch die, für ÖPP-Modelle
typische, frühere Fertigstellung und damit Freigabe des Projektes für den Verkehr zu sehen.
Durch die vertraglich fixierte Erhaltung und Sanierung der Bundesfernstraße entstehen zudem
keine exponentiell steigenden Kosten durch eine zuvor unterlassene und dadurch später verteuerte Sanierung durch die öffentliche Hand.
6. Was läuft bei ÖPP-Projekten besser als bei traditionell/konventionell durchgeführten Bauprojekten?
Neben den bereits vielfach erwähnten Aspekten „Termin- und Kostentreue“ ermöglichen ÖPPProjekte aufgrund anderer Projektvoraussetzungen vielfach eine bessere Qualität der Bauleistung in der Projektrealisierung. Durch die Reduzierung von Schnittstellen und die stattfindenden Zusammenführung von Planung und Bauen kann das Projekt ganzheitlich geplant und
durchgeführt werden.
6
Dies bedeutet, dass bei ÖPP-Projekten durch eine ganzheitliche Projektrealisierung „aus einer
Hand“ die einzelnen Projektphasen über den Lebenszyklus bestmöglich aufeinander abgestimmt und optimiert werden und der Projektverlauf so effizient wie möglich gestaltet werden
kann. Liegt die Verantwortung für das gesamte Projekt über den Lebenszyklus in der Hand
des Auftragnehmers wird dieser einen verstärkten Anreiz entwickeln, Folgekosten zu minimieren und damit die Qualität zu steigern.
Da ÖPP-Projekte im beschriebenen Lebenszyklusansatz geplant werden, werden sämtliche
Folge- und Betriebskosten sowieso zu Beginn transparent ermittelt. Die Finanzierung ist dabei
über den gesamten Projektzeitraum gesichert, es kommt zu keinen Verzögerungen aufgrund
fehlender Mittel oder anderweitiger politischer Schwerpunktsetzungen.
In Bezug auf die Verantwortungsverteilung übernimmt der private Partner die Verantwortung
für seine Leistungen über den gesamten Lebenszyklus (nicht nur im Rahmen der fünfjährigen
Gewährleistung) und ist für die Instandhaltung verantwortlich. Die öffentliche Hand „entledigt“
sich damit wesentlicher Projektrisiken. Zugleich zahlt die öffentliche Hand nach Leistung des
privaten Partners (Verfügbarkeitsmodell) und erhält ein Bauwerk zum quasi Festpreis.
7. Welche Erfahrungen liegen Ihnen bei Vergleich von konventioneller Realisierung
und Realisierung mittels ÖPP-Modellen im Hinblick auf die Finanzierungskosten
und die Baukosten vor?
Zu den Baukosten:
Wie bei Frage 1 bereits aufgezeigt, wurde der Kostenrahmen der bislang sieben ÖPPVerkehrsprojekte eingehalten.
Die Kostensteigerungen konventioneller Projekte können hingegen der täglichen Presse entnommen werden. Zudem hat der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung in
seiner Schriftenreihe „Bundesfernstraßen“3 bei rund 3.000 konventionellen Bauaufträgen im
Bundesfernstraßenbau mehr als 7.000 Nachträge festgestellt. In 75 Prozent aller konventionell
fertig gestellten Vorhaben kam es zu Kostensteigerungen. In zehn Prozent waren die Kostensteigerungen höher als 30 Prozent des eigentlichen Auftragsvolumens. Dies ist dabei vor allem auf nachträgliche Planungs- oder aber Anforderungsänderungen zurückzuführen.
Zu den Finanzierungskosten:
Richtig ist, dass sich Private teurer refinanzieren als der Staat. Bei einem aktuellen ÖPPProjekt lag der Zinsunterschied zwischen öffentlicher und privater Finanzierung jedoch bei
unter zwei Prozent.
Zudem sind die reinen Finanzierungskosten methodisch nicht miteinander vergleichbar. Im
Unterschied zur konventionellen Beschaffungsmethode erfolgt bei ÖPP ein umfassender Risikotransfer von der öffentlichen Hand an den privaten Partner, der entsprechend dem gestiegenen Risiko für den privaten Partner eingepreist und fair vergütet wird. Während bei der konventionellen Beschaffungsvariante die Kosten- und Umsetzungsrisiken vor allem bei der öffentlichen Hand verbleiben und die Investoren in deutsche Bundesanleihen lediglich das äußerst geringe Länderrisiko übernehmen, beteiligen sich die Kapitalgeber bei ÖPP-Projekten
3
Bundesrechnungshof, Bundesfernstraßen, Schriftenreihe für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Band 11, 2004
7
auch an den konkreten Risiken von öffentlichen Investitionsvorhaben (z.B. Bau-, Instandhaltungs- und Betriebsrisiken).
Die höheren Zinsen sind deshalb als eine Art „Versicherungsprämie“ zu verstehen, da der
private Partner finanzielle Risiken von der öffentlichen Seite übernimmt. Hierzu gehört u.a.
auch die garantierte Sanierung des Bauprojektes, die die öffentliche Hand fortan nicht mehr
einkalkulieren muss. Im Verhältnis von höheren privaten Finanzierungskosten und möglichen
Kostensteigerungen öffentlicher Bauprojekte ist dies durchaus wirtschaftlich.
Vor diesem Hintergrund erweist sich der alleinige Verweis auf eine stets „günstigere“ staatliche Finanzierung von öffentlichen Infrastrukturvorhaben als Trugschluss. Schließlich ist das
Gesamtrisiko eines öffentlichen Infrastrukturvorhabens, unabhängig davon, ob es konventionell oder über ÖPP realisiert wird, gleich hoch. Unterschiedlich ist lediglich die Verteilung
der Risiken; bei konventioneller Realisierung aus Haushaltsmitteln liegen die Risiken in wesentlich größerem Umfang auf der staatlichen Seite als im Rahmen von ÖPP-Projekten.
Es darf auch nicht vergessen werden, dass die momentane Niedrigzinsphase und die dadurch
geringen Finanzierungskosten des Bundes nicht unverändert und über die gesamte Projektlaufzeit von 25 Jahren fortgeschrieben werden dürfen. Im Gegensatz zum privaten ÖPPPartner, der seine Finanzierungskonditionen mittels Zinssicherungsgeschäften absichert, können sich die Finanzierungskonditionen der öffentlichen Hand in den nächsten Jahren ändern.
Die öffentliche Finanzierung unterliegt also einem Zinsänderungsrisiko, was u. a. signifikante
Auswirkungen auf die Kostenentwicklung haben kann. Man beachte: Ein Zinsanstieg von nur
einem Prozent bedeutet für den Bundeshaushalt Mehrkosten von zehn Milliarden Euro.4
8. Wie schätzen Sie die Kosteneinsparpotentiale und mögliche Innovationen bei der
Realisierung von Straßenbaumaßnahmen als ÖPP ein?
Zu den Einsparpotentialen:
Einsparpotentiale sind bei ÖPP zweifelsfrei vorhanden, da ÖPP-Projekte nur bei nachgewiesener Wirtschaftlichkeit und grundsätzlicher Projekteignung umgesetzt werden dürfen.
Eine pauschale Angabe kann und sollte an dieser Stelle jedoch nicht getroffen werden, da
Infrastrukturprojekte unterschiedliche Projektcharakteristika aufweisen, die logischerweise
Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit einer Beschaffungsvariante haben.
Vielmehr gilt es für jedes Infrastrukturprojekt eine ergebnisoffene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchführen, die Kosten und Nutzen möglicher Beschaffungsvarianten über den Lebenszyklus vergleicht und Risiken realistisch bewertet. Die konsequente Durchführung von
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen fordert auch der Bundesrechnungshof und ist in § 7 Bundeshaushaltsordnung und den entsprechenden Regelungen auf Landes- und kommunaler
Ebene vorgeschrieben. Wesentliche Kriterien sollten dabei die wirtschaftliche Effizienz, die
Qualität sowie die ökonomische Nachhaltigkeit sein.
Die öffentliche Hand muss deshalb uneingeschränkt aus einer Vielfalt an Projektgrößen und
Vertragsmodellen die im Einzelfall wirtschaftlichste Beschaffungsform auswählen.
4
DIHK, 11. Newsletter, 13.03.2014, Link: http://www.dihk.de/presse/thema-der-woche/thema-derwoche/2014/13032014/at_download/file?mdate=1394715280216 , letzter Zugriff 13.06.2014
8
Es liegt in der Natur der Sache, dass es sowohl kleinere als auch größere Projekte mit unterschiedlicher Komplexität gibt. Die Praxis lehrt, dass hierfür weder die konventionelle Fach- und
Teillosvergabe noch Design&Build-Modelle oder Öffentlich-Private-Partnerschaften automatisch die wirtschaftlichste Realisierungsform darstellen.
Eine Vorfestlegung auf bestimmte, meist kleinere Projektgrößen sowie auf ausgewählte Vertragsmodelle widerspräche dem Haushaltsgrundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit.5
Zum Innovationspotential:
Das Potential für Innovationen bei ÖPP wird aktuell nicht voll ausgeschöpft. Die Bewertung
der Angebote erfolgt derzeit in den Wertungsbereichen „Preis“, „Finanzierung“ und „Technik“.
Dabei wird der Schwerpunkt auf das Wertungskriterium „Preis“ gelegt, so dass insbesondere
die technische Qualität der Angebote nur zu einem geringen Anteil in die Wertung einfließt.
Aus Sicht der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen bietet die ÖPP-Beschaffungsvariante großes
Potential für Innovationen und zeichnet sich durch außerordentlich hohe Qualität aus. Um diese Vorteile weiter zu entwickeln ist es erforderlich, den Qualitätswettbewerb stärker zu fördern.
ÖPP führt jedoch bereits heute zur Verwendung langlebigerer und nachhaltiger Baustoffe. So
werden bspw. ÖPP-Verkehrsprojekte vorwiegend aus Beton gebaut. Die höheren Einbaukosten, weswegen im konventionellen Bau überwiegend Asphalt verbaut wird, rentieren sich aufgrund der Lebenszyklusverantwortung des privaten Partners und weniger Instandhaltungszyklen ohne das die Qualität dabei abnimmt.
9. Existieren überhaupt (national oder international) verlässliche Erkenntnisse über
Vor- und Nachteile von ÖPP-Projekten im Straßenbau, sei es in finanzieller, sei
es in organisatorischer oder sonstiger Hinsicht?
Für die Beantwortung der Frage 9 verweisen wir als zur Anhörung geladene Sachverständige
insbesondere auf unsere Antworten zu den Fragen 1 bis 8.
Darüber hinaus verweisen wir auf die Ausführung von Stefan Rischer, Autobahndirektion Südbayern, anlässlich der Vorstellung der neuen Generation ÖPP am 26. Mai 2015 unter folgendem Link:
http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/2015/zukunftsreforminfrastruktur-vortrag-fischer.pdf?__blob=publicationFile
Für die Vorteilhaftigkeit von ÖPP wird zudem auf die folgenden Publikationen und Studien
verwiesen:
•
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ÖPP – am Beispiel des Bundesfernstraßenbaus, 2011
http://www.oepp-plattform.de/media/uploads/Pdfs/bmvbs_-_oeffentlich-privatepartnerschaften-beispiel-bundesfernstrassenbau.pdf
5
„Über die Auswahl des Beschaffungsmodells für die Projektumsetzung und gegebenenfalls eine Abweichung vom
Grundmodell der Trennung von Planung und Bau sollte ausschließlich auf Basis der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entschieden werden.“ Quelle: Endbericht der Reformkommission Bau von Großprojekten, S. 9.
9
•
•
•
•
•
•
Hertie School of Governance, Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und
Realität, 2015
https://www.hertieschool.org/fileadmin/images/Downloads/pressmaterial/infrastructure/working_papers/1
_WP_Cross-SectoralAnalysis.pdf
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Schlaglichter der Wirtschaft, Kommunalumfrage im Rahmen des Monatsberichts Mai 2015,
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Endbericht „Stärkung von Investitionen
in Deutschland“, April 2015
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Endbericht der Reformkommission Bau von Großprojekten, 2015
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, ÖPP-Praxistest, Umfrage unter allen Auftraggebern von ÖPP-Hochbauprojekten, 2014
http://www.oepp-plattform.de/media/uploads/Pdfs/hbi_oepp_kurzumfrage_korr8.pdf
Institut für Demoskopie Allensbach, Nutzerzufriedenheit bei ÖPP-Schulprojekten, 2013,
Link: http://www.oepp-plattform.de/media/uploads/Pdfs/allensbach_studie_final.pdf
10. Welche Vorteile haben ÖPP-Projekte für Anleger?
Diese Frage kann von Seiten der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen nicht abschließend beantwortet werden.
Erste Überlegungen unsererseits gehen in folgende Richtung:
Bei der Beteiligung privaten Kapitals an öffentlichen Infrastrukturprojekten sollte sowohl im
Interesse der öffentlichen Hand als auch der privaten Anleger folgender Grundsatz gelten:
Rendite nur gegen Risikoübernahme!
Durch die Bereitschaft Risiken zu übernehmen, wird eine höhere Rendite im Vergleich zu herkömmlichen Anlagemöglichkeiten im öffentlichen Raum, sprich Bundesanleihen, erwartet.
Aufgrund des momentan herrschenden Niedrigzinsumfelds ist dies aus Sicht der Investoren
eine Chance. Erfolgsversprechend erscheint vor diesem Hintergrund aus Sicht der Anleger vor
allem eine projektspezifische Beteiligung. Hierfür sprechen die folgenden Gründe: Die unmittelbare Beteiligung von privaten Investoren an den Risiken eines Projekts rechtfertigt eine im
Vergleich zur Bundesanleihe höhere Rendite und lässt diese Investments attraktiver werden.
Der Einzelprojektbezug kommt den Sicherheitsbedürfnissen vieler institutioneller Anleger entgegen. Da die Investoren alle Einzelrisiken ihres Investments bewerten müssen, ist der administrative Aufwand bei einem einzelnen Projekt weitaus geringer als bei einem Fonds. Private
Investoren haben bei einem Einzelprojektbezug mehr Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem
Finanzierungsnehmer, was sich wiederum positiv auf die Anreizwirkung und damit auf die
Kosten- und Terminsicherheit des Projekts auswirkt.
Bei der Einbindung privaten Kapitals auf Projektebene ist außerdem darauf zu achten, dass
die Dauer der Leistungsverantwortung bzw. der Übernahme von Projektrisiken durch ein privates Unternehmen mit der Refinanzierungsdauer der Investitionen des Projekts insgesamt
übereinstimmt.
10
Ist eine Kongruenz der Laufzeiten von Projekt und Refinanzierung, wie bei konventionellen
Projekten, nicht gegeben, bezahlt die öffentliche Hand Zinsen über einen weitaus längeren
Zeitraum, als private Unternehmen Projektrisiken übernehmen bzw. Leistungen erbringen.
Dabei kann der Anlagezeitraum einzelner Anleger oder Investoren durchaus kürzer sein, als
der Refinanzierungszeitraum der Investition insgesamt.
11. Welche Renditen erwarten Investoren von ÖPP-Projekten?
Diese Frage ist durch die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen nicht zu beantworten.
12. Welche Bundesfernstraßenprojekte sind bislang durch ÖPP-Modelle realisiert
worden?
Wir verweisen auf unsere Antwort zu Frage 1.
13. Wie hoch sind die Mittel, die bislang im Rahmen von ÖPP-Projekten in den Bundesfernstraßenbau geflossen sind?
Tatsache ist, dass derzeit weniger als drei Prozent der Mittel des Bundesfernstraßenetats in
ÖPP-Projekten gebunden sind. Mit der „Neuen Generation von ÖPP-Verkehrsprojekten“ wird
sich dieser Anteil bis 2025 auf etwa sieben bis acht Prozent erhöhen – im Zuge eines allgemeinen Investitionshochlaufs seitens des BMVI. Somit steigen die Investitionsmittel insgesamt, wodurch alles in allem sowohl mehr Mittel für konventionelle Vorhaben als auch für die
Refinanzierung der neuen ÖPP-Projekte vorhanden sind. Der Statistik nach werden somit also
weit über 90 Prozent aller Projekte weiterhin konventionell ausgeschrieben und vergeben.
Ausgaben des Bundes für die Bundesfernstraßen, in Mio. Euro
Investitionen Betrieb Summe ÖPP
2010
2011
2012
2013
2014 (soll)
2015 (soll)
5.485
5.245
5.358
5.430
5.091
5.058
978
995
891
981
875
969
6.463
6.240
6.249
6.411
5.966
6.027
72
102
176
182
167
142
ÖPPAnteil
1,1 %
1,6 %
2,8 %
2,8 %
2,8 %
2,4 %
11
14. Welche Rolle kann ÖPP bei der Überwindung des Investitions- und Sanierungsstaus im Bundesfernstraßenbau künftig spielen?
15. Ist der Investitions- und Sanierungsstau bei Bundesfernstraßen ohne ÖPPModelle zu überwinden?
Wie in den Ausführungen zu den Frage 2 und 3 bereits ausgeführt, hat sich durch jahrelang
unterlassene Sanierungsmaßnahmen ein großer „Investitionsstau“, respektive Investitionsbedarf aufgebaut.
Die zu beantwortende Kernfrage lautet: Welche Instrumente dienen einem möglichst zügigen,
effizienten und qualitativ hochwertigen Abarbeiten der bestehenden Infrastrukturmängel?
Zugleich sollen die Bemühungen termin- und kostentreu realisiert werden und den langfristigen Erhalt der Infrastruktur unter Vermeidung der jetzigen Situation sicherstellen.
Die Praxis zeigt, dass weder die konventionelle Variante, noch Design&Build-Modelle oder
ÖPP per se die wirtschaftlichste und unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten effizienteste Umsetzungsform sind. Die öffentliche Hand muss daher in jedem Einzelfall die wirtschaftlichste
Umsetzungsform identifizieren.
ÖPP kann auch dazu beitragen, notwendige Infrastrukturinvestitionen umzusetzen, den Haushalt aber trotzdem auf Konsolidierungskurs zu belassen. Hierfür ist ÖPP die einzige Beschaffungsvariante, die einen automatischen Selbstentschuldungsmechanismus enthält. In jedem
Nutzungsentgelt ist eine Tilgungskomponente enthalten, die sicherstellt, dass am Ende der
Nutzungsdauer (am Ende der Konzessionszeit) das Projekt entschuldet ist. Die zwischenzeitliche Verschuldung während der Projektlaufzeit ist unter intergenerationalen Gerechtigkeitsgesichtspunkten vertretbar, da jeweils die Generationen belastet werden, die auch von dem Projekt profitieren.
Fakt ist somit: ÖPP stellt nach den bisherigen Erfahrungen eine sinnvolle ergänzende Alternative zu den bislang etablierten Beschaffungsvarianten dar, die – projektspezifisch – große Vorteile aufweisen kann. Dadurch wird ÖPP zu einem wirkungsvollen Instrument, den Abbau des
Sanierungsstaus zu beschleunigen.
16. Die neue Generation der ÖPP-Projekte basiert auf dem Verfügbarkeitsmodell
a. Was bedeutet das?
b. Welche Vorteile bietet dieses Modell?
Der wesentliche Unterschied zwischen dem A-Modell und dem Verfügbarkeitsmodell besteht
im verwendeten Vergütungsmechanismus. Während dieser beim A-Modell von den Verkehrsmengen abhängig und damit ein Stück weit schwierig zu kalkulieren ist, orientiert sich das Verfügbarkeitsmodell fortan an der Verfügbarkeit und Qualität der Strecke. Dadurch ist eine verbesserte Verbindung von Risikoverteilung und Vergütung gegeben. Kurz gesagt: Wenn die
Bauunternehmen „gute Arbeit“ leisten und eine Strecke von hoher Qualität abliefern, die nur
selten durch Erhaltungsmaßnahmen teilgesperrt werden muss, erhalten diese aufgrund einer
hohen Verfügbarkeit eine entsprechend hohe Vergütung. Wird eine Strecke aufgrund mangelnder Qualität häufiger gesperrt und repariert, verringert sich dadurch automatisch die Vergütung. Somit basiert das Verfügbarkeitsmodell auf einer „Malus“-Regelung.
12
Das Verfügbarkeitsmodell auf einen Blick:
•
•
•
•
•
•
•
Ausbau (inkl. Ausführungsplanung), Betrieb, Erhaltung und (anteilige) Finanzierung
Eigentum der Strecke liegt beim öffentlichen Auftraggeber
Bauvertrag mit verfügbarkeitsabhängiger Vergütung
Nutzerorientierung durch Verfügbarkeitsabhängigkeit
Vergütung verkehrsmengenunabhängig, daher kein unmittelbares Verkehrsmengenrisiko beim ÖPP-Auftragnehmer
Laufzeit: bisher 20-30 Jahre
auch geeignet für reine Neubau und Erhaltungsmodelle
Vorteile für die öffentliche Hand:
Die öffentliche Hand bezahlt nach Leistung (Verfügbarkeit/Qualität der Strecke) des privaten
Partners und setzt damit einen starken Anreiz, für eine optimierte Leistungserfüllung.
Vorteile für die private Seite:
Die Bauwirtschaft trägt Risiken, die sie beherrschen kann – Bau, Betrieb und Erhaltung – und
mit denen sie im konventionellen Bereich, je nach Gewerk, ebenso konfrontiert ist.
17. Wie schätzen Sie die Transaktionskosten und ihre Bedeutung bei ÖPP-Projekten
im Straßenbau ein?
Transaktionskosten sind Kosten die bei der Gestaltung, Durchsetzung und Absicherung von
Verträgen entstehen. Transaktionskosten entstehen somit sowohl bei konventionellen als auch
bei ÖPP-Projekten.
Die Transaktionskosten sind bei ÖPP-Verfahren nicht per se höher als bei der konventionellen
Beschaffung. Bei ÖPP-Projekten fallen die Transaktionskosten jedoch vor allem zu Anfang
des Projektes an, während sie bei der konventionellen Beschaffung über die gesamte Projektlaufzeit hinweg entstehen. Dies liegt daran, dass bei der konventionellen Beschaffung für betriebliche oder Instandhaltungsmaßnahmen einzelne Leistungspakete vergeben werden, die
viele Einzelausschreibungen erforderlich machen und aufeinander abgestimmt werden müssen.
Bei wirtschaftlichen ÖPP-Projekten werden die Transaktionskosten durch die bestehenden
Effizienzvorteile der ÖPP-Beschaffungsvariante in vollem Umfang wieder ausgeglichen und
das Nachtragsrisiko minimiert.
Durch den sinnvollen Einsatz von Standards am Markt (z.B. für Ausschreibungen, Verträge
und Wirtschaftlichkeitsvergleiche) ist eine zunehmende Reduzierung der Transaktionskosten
abzusehen. Dies macht ÖPP auch für Projekte mit kleinen und mittleren Investitionsvolumina
zu einer sinnvollen Beschaffungsalternative.
Kurz um: Je höher die Vorbereitungsintensität, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass durch
eine gute Projektvorbereitung Risiken und Unvorhersehbarkeiten minimiert und Planungsänderungen vermieden werden. Es spricht deshalb vieles dafür – wie bei ÖPP –ausreichend in
die Projektvorbereitung zu investieren, um Kosten- und Terminsteigerungen zu vermeiden.
13
18. Wie schätzen Sie die mittel- und langfristigen Risiken beim Betrieb öffentlicher
Infrastruktur durch Private (Vertragslaufzeiten, Insolvenzrisiken, etc.) ein?
Die Eigenkapitalbeteiligung der Sponsoren (i.d.R. Bauunternehmen) an den ÖPPProjektgesellschaften sowie die Fremdkapitalbeteiligungen durch die Investoren führen dazu,
dass das Insolvenzrisiko bei den ÖPP-Projektgesellschaften bzw. Betriebsgesellschaften äußerst gering ist. Im Gegenteil: Im Fall einer Insolvenz müssten nicht nur die Beteiligungen
sondern auch der entgangene Gewinn abgeschrieben werden. Es besteht daher ein äußerst
hohes Interesse aller, eine Insolvenz in jedem Fall zu vermeiden.
Gleiches gilt für die vertragsgemäße Erfüllung der Betriebs- und Instandhaltungsleistungen, da
bei Nichterfüllung die Entgelte durch die öffentliche Hand gekürzt werden können. Die Kapitalgeber fungieren zudem als zusätzliche Kontroll-Instanz im Sinne der öffentlichen Hand und
achten auf eine vertragsgemäße Leistungserbringungen durch die Unternehmen. Hierdurch
entsteht ein ÖPP-inhärentes Anreizsystem zu Gunsten der öffentlichen Hand.
19. Welche Vor- und Nachteile haben Projekte in Form der Öffentlich-PrivatenPartnerschaft (ÖPP) zur Beschaffung und Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur aus Sicht der mittelständischen Bauwirtschaft?
Aus Sicht der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen bestehen weitreichende Verbesserungspotentiale sowohl auf Seiten des BMVI als auch auf Seiten MBWSV zur Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten der leistungsfähigen mittelständischen Bauwirtschaft an ÖPP-Projekten im
Bundesfernstraßenbau.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Nicht jedes Bauunternehmen ist in der Lage, im Bundesfernstraßenbau, konkret bei Aus- und Neubau oder bei Erhalt und Sanierung von Autobahnen,
beteiligt zu werden. Dies wird auch bei der konventionellen Beschaffung durch die finanzielle,
personelle und technische Ressourcenstruktur der Unternehmen verhindert.
Daraus folgt, dass zuallererst eine Definition der „mittelständischen Bauwirtschaft“ erfolgen
sollte, auf die sich verständigt werden kann. Kleinere, handwerksgeprägte Straßenbauer, die
sich vorwiegend im kommunalen Straßenbau betätigen, würden aufgrund ihrer unternehmerischen Struktur niemals „auf die Idee kommen“, sich für ein Autobahnlos zu bewerben. Die
personellen, finanziellen und technischen Ressourcen ihres Unternehmens sind darauf überhaupt nicht ausgelegt. Somit werden diese kleinen Unternehmen auch nicht durch Vergaben
als ÖPP-Projekt von Aufträgen ausgeschlossen. Darüber hinaus sei noch einmal darauf hingewiesen, dass momentan ca. 97 Prozent aller Investitionsmittel konventionell vergeben werden und damit bei weitem nicht von einer Marktverdrängung von kleinen oder Handwerksunternehmen gesprochen werden kann.
Die politische Forderung „Erhalt vor Neubau“ trägt zudem künftig dazu bei, dass Haushaltsmittel größtenteils für Erhaltungsmaßnahmen verwandt werden, die in der Regel in kleinen Losen
vergeben werden.
Die Realität aus dem Kreis unserer Mitglieder zeigt, dass der leistungsfähige Mittelstand der
nordrhein-westfälischen Bauindustrie durchaus in der Lage ist, sich an ÖPP-Projekten erfolgreich in Form einer ARGE oder in einem Zusammenschluss mit einem größeren Bauunternehmen zu beteiligen. Dies gilt dann insbesondere für die Konsortionalebene. Im Bereich
„Bau“ steigt die Quote der beteiligten Mittelständler noch einmal deutlich an. An allen ÖPPVerkehrsprojekten sind mittelständische Bauunternehmen als direkter Auftragnehmer oder
Nachunternehmer mit bislang positiven Erfahrungen beteiligt:
14
Projekt:
KMU-Beteiligung Konsortialebene (und Bauarge)
KMU-Anzahl Bau insgesamt
KMU-Anzahl Betrieb
A8
Augsburg –
München
1 von 5
Partnern
A 4 Hörselberge
ca. 80
2 von 4 Partnern (Bauarge)
250
10
ca. 20
A1
Hamburg –
Bremen
1 von 1
Partner
A 5 Malsch Offenburg
A 9 Lederhose
ca. 180
1 von 3 Partnern (Bauarge)
ca. 50
Kein KMU, insgesamt 2 Partner
ca. 80
10
3
4
Allerdings bedarf es einiger in der Diskussion befindlicher Verbesserungen, die es den leistungsstarken Mittelständlern in Nordrhein-Westfalen vereinfachen, sich an ÖPPAusschreibungen zu beteiligen.
•
•
•
ÖPP-Verkehrsprojekte sollen künftig als Verfügbarkeits- oder Erhaltungsmodelle ausgeschrieben werden, d.h. ohne Verkehrsmengenrisiko. Die Bauwirtschaft trägt damit
Risiken, die sie beherrschen kann – Bau, Betrieb und Erhaltung – und mit denen sie im
konventionellen Bereich, je nach Gewerk, ebenso konfrontiert ist.
Zur Reduzierung der Finanzierungslasten des ÖPP-Partners gewährt der Bund eine
Anschubfinanzierung, die mindestens 50 % der Gesamtinvestitionskosten betragen
sollte.
Zur Reduzierung des Eigenkapitalanteils des Bauunternehmens können externe Eigenkapitalgeber ins Boot geholt werden. Hierdurch reduziert sich zudem das Eigenkapitalrisiko des Bauunternehmens.
Darüber hinaus sind weitere Verbesserungen möglich:
-
Angemessene Aufwandsentschädigungen für unterlegene Bieter können dazu beitragen, dass der Mittelstand in tragfähige ÖPP-Angebote investiert und sich häufiger an
ÖPP-Ausschreibungen beteiligt.
Klassische Bauherrenrisiken wie Baugrund- und Bestandsrisiken dürfen nicht auf die
Auftragnehmerseite verlagert werden.
Zudem trägt Planungssicherheit bzw. eine verlässliche „Projektpipeline“ zu einer höheren Mittelstandbeteiligung bei, da es für mittelständische Unternehmen nur wenig Sinn
macht, in ÖPP zu investieren, wenn Projekte nur vereinzelt und in großen Zeitabständen ausgeschrieben werden. Erst bei einer verlässlichen Projektfolge werden Mittelständler in den Aufbau der notwendigen Ressourcen investieren.
Bei allen Veränderungen muss allerdings gelten:
Der Modellcharakter von ÖPP, d.h. der Lebenszyklusgedanke, die optimale Risikoverteilung
zwischen öffentlichem und privatem Partner sowie die ÖPP-inhärente Anreizstruktur für ein
termin- und kostengerechteres Bauen darf nicht konterkariert werden.
15
20. Welche Alternativen sehen Sie zu ÖPP-Modellen, wenn es um die Finanzierung
von nachhaltiger und effizienter Bewirtschaftung sowie um Baumaßnahmen im
Bereich der Bundesfernstraßen geht?
Wir verweisen auf unsere Antworten zu den Fragen 14 und 15.
21. Ist es richtig, dass die parlamentarische Kontrolle über die Realisierung von
ÖPP-Projekten mit Mrd.-Summen – und deren Folgewirkungen für die staatlichen
Haushalte – durch eine vermehrte Anwendung solcher Modelle geschwächt werden könnte und wie bewerten Sie das?
Aus Sicht der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen kann diese Sichtweise nicht unterstützt werden. Die parlamentarische Kontrolle bleibt auch bei ÖPP-Projekten gewährleistet. Wichtige
Verträge im Rahmen der konventionellen als auch einer ÖPP-Realisierung sehen zwingend
die Einbeziehung politischer Gremien vor. Die Politik entscheidet über die wesentlichen Schritte von den ersten Vorüberlegungen eines Projekts über die Ausschreibung und Vergabe bis
zur Vertragsunterzeichnung mit und behält den Einfluss bis zum Vertragsende des ÖPPProjektes. So bestimmt der öffentliche Auftraggeber Leistungsumfang und Qualitäten, kann
Entgelte bei Nichterfüllung reduzieren und bleibt – wie beim konventionellen Bau – Eigentümer
des Objekts.
Nach Maßgabe der Haushaltsgrundsätze der Haushaltsklarheit und –wahrheit sind die finanziellen Verpflichtungen des Bundes über die Vertragslaufzeit je ÖPP-Vorhaben transparent
und nachvollziehbar im Haushalt darzustellen. Das Bundesfinanzministerium trägt diesen
Grundsätzen mit der Darstellung aller ÖPP-Zahlungsverpflichtungen in den Übersichten Teil X
des Bundeshaushaltes Rechnung. Dieses Vorgehen wird auch vom Bundesrechnungshof in
seiner Stellungnahme vom 24. Oktober 2012 zur öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss
des Deutschen Bundestags begrüßt.
Daneben werden im Einzelplan 12, Kapitel 1209, Titel 82312 Verpflichtungsermächtigungen
für die ÖPP-Modelle im Bundesfernstraßenbau eingestellt. Damit werden die Kosten des Bundes über die gesamte Vertragslaufzeit abgebildet. Das BMF entspricht damit den Empfehlungen des Bund-/Länder-Arbeitsausschusses „Haushaltsrecht und Haushaltssystematik“ zur
haushaltsrechtlichen und haushaltssystematischen Behandlung von ÖPP-Projekten.
Gleichzeitig schränken ÖPP-Verpflichtungen die Haushaltsflexibilität und damit den Gestaltungsspielraum von Politik nicht ein. Infrastrukturprojekte sind immer langfristige Entscheidungen. So ist es aus Sicht der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen weitaus generationengerechter,
wenn die künftigen Kosten, z.B. für die Refinanzierung, den Betrieb und Instandhaltungsleistungen, im Rahmen von ÖPP transparent, kostengenau, planbar sowie zweckgebunden für
die jeweilige Infrastruktur im Haushalt stehen, als wenn künftige Belastungen konventioneller
Projekte meist gar nicht bekannt sind und Erhaltungsmaßnahmen den Zufälligkeiten und
Zwängen der öffentlichen Haushalte unterstehen.
16
22. Wie bewerten Sie die aktuell diskutierten Vorschläge zur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für die Bundesfernstraßen?
Die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen steht der Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft positiv gegenüber und befürwortet diese. Gleichwohl erkennen wir auch die Leistungen
der bislang in der Auftragsverwaltung der Länder stehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
an. Allerdings zeigen die immer deutlicher zu Tage tretenden Unterschiede zwischen den
Bundesländern (Planungsdefizite) sowie die steigenden Koordinierungsbedarfe zwischen den
föderalen Ebenen, dass eine reine „Optimierung“ im bestehenden System nicht ausreichend
zielführend sein kann. Durch die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft würden hingegen folgende drei wesentliche Vorteile entstehen:
1.) Schaffung eines Finanzierungskreislaufs, in dem die Mauteinnahmen – ergänzt durch
Haushaltsmittel – zweckgebunden dafür eingesetzt werden, den bedarfsgerechten
Ausbau, die Erhaltung und den Betrieb der Bundesfernstraßen sicherzustellen.
2.) Verstetigung der Investitionsmittel, sodass die Bundesfernstraßeninvestitionen nicht
länger nach „Kassenlage“, sondern ganzjährig aus den Mauteinnahmen – ergänzt
durch Haushaltsmittel – getätigt werden können.
3.) Bündelung der Finanzierungs-, Bau- und Betriebsverantwortung in einer Hand auf
Bundesebene. Dadurch können Ineffizienzen überwunden werden, wie sie sich in der
Vergangenheit aus Interessensunterschieden zwischen Bund, Ländern und Landesstraßenbauverwaltungen ergeben haben.
Für die operative Umsetzung vor Ort halten wir die Einbindung der Landesebene und der bestehenden Strukturen für zwingend erforderlich. Eine reine Verschmelzung von Teilen der Auftragsverwaltungen der Länder zu einer "Mammutbehörde" auf Bundesebene lehnen wir ab.
Vielmehr sollte das Prinzip gelten: "So viel Zentralität wie nötig, so viel Dezentralität wie möglich".
Gleichzeitig unterstützen wir die folgenden fünf wesentlichen Elemente, wie Sie die Expertenkommission „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ herausgearbeitet hat:
1.)
2.)
3.)
4.)
5.)
Bau, Instandhaltung und Betrieb nach dem Lebenszyklusansatz,
eine eigene Kreditaufnahmekapazität ohne staatliche Garantie,
die Finanzierung überwiegend oder ausschließlich aus Nutzerentgelten,
öffentliche Kontrolle durch den Deutschen Bundestag und
keine „Privatisierung“ der Straßeninfrastruktur.
23. Welche Aufgaben und Zuständigkeiten sollte eine Bundesfernstraßengesellschaft idealerweise übernehmen?
Die Gesellschaft sollte als „schlanke“ Managementgesellschaft gegründet und durch operative
Einheiten vor Ort unterstützt werden, nach dem Prinzip: „So viel Zentralität wie nötig, so viel
Dezentralität wie möglich“.
17
Die Gesellschaft sollte auf Bundesebene
-
die Aufgabe des Bestellers von Bau- und Betriebsleistungen,
die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen,
die Finanzierung,
das Controlling der operativen Ebene und
die strategische Netzplanung
übernehmen und für Planung und Vergabe von Großprojekten verantwortlich sein sowie bundesweit einheitliche Standards für die unterschiedlichen Beschaffungsvarianten festlegen.
Die operative Ebene sollte aus mehreren regionalen Einheiten bestehen, auch um notwendige
Kompetenz vor Ort sicherzustellen.6 Die operativen Einheiten sollten Planung und Vergabe
von Bau- und Betriebsleistungen nach Vorgabe der Managementgesellschaft übernehmen,
den Grunderwerb durchführen sowie Bürgerbeteiligung vor Ort organisieren. Als operative
Einheiten kämen sowohl bestehende Auftragsverwaltungen der Länder als auch direkte Regionalgesellschaften in Frage.
Die Durchführung von Planungs-, Bau-, Erhaltungs- und Betriebsleistungen sollte (wie bisher)
entweder durch die öffentliche Hand oder private Unternehmen erbracht werden. Entscheidungsgrundlage sollte die Wirtschaftlichkeit über den gesamten Lebenszyklus sein.
24. Welche Vor- und Nachteile hätte eine zentrale Infrastrukturgesellschaft gegenüber der bisherigen Auftragsverwaltung der Länder?
Neben den bereits bei Frage 22 aufgeführten Argumenten bestünde ein wesentlicher Vorteil in
der Bündelung der Finanzierungs-, Bau- und Betriebsverantwortung in einer Hand auf Bundesebene. Dadurch könnten Ineffizienzen überwunden werden, wie sie sich in der Vergangenheit aus Interessensunterschieden zwischen Bund, Ländern und Landesstraßenbauverwaltungen ergeben haben.
Weitere mögliche Vor- und Nachteile hängen wesentlich von der endgültigen Ausgestaltung
der Gesellschaft ab.
25. Welche Konsequenzen hätte eine die Schaffung einer Bundesfernstraßengesellschaft für die bisherige Auftragsverwaltung der Länder?
Durch die operative Umsetzung vor Ort wären die Auftragsverwaltungen der Länder weiterhin
federführend für die Bereiche Planung und Vergabe von Bau- und Betriebsleistungen zuständig. Allerdings würden diese zunehmend durch die Wahrnehmung von übergeordneten Aufgaben durch die Bundesfernstraßen entlastet und könnten sich unter Einsatz ihrer Ressourcen
den verbleibenden Aufgaben widmen und diese dabei zügiger und effizienter bearbeiten.
6
Vgl. Christian Pegel, Vorsitzender des Landesverkehrsministerkonferenz, Dezentral ist klüger, Gastkommentar im
Handelsblatt, 15. Juni 2015
18
26. Der Landesbetrieb Straßen.NRW ist mit rund 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Straßenbaubehörde des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie ist im Auftrag
des Bundes auch für die Planung, den Bau und die Erhaltung der Bundesfernstraßen verantwortlich. Welche Folgen hätte nach Ihrer Meinung eine Überführung dieser Aufgaben auf eine überwiegend unabhängige Infrastruktur, was
a. die Arbeitsplätze im Landesbetrieb
b. die Effektivität von Planungs-, Bau- und Erhaltungsmaßnahmen für das
Gesamt-Straßennetz
angeht?
Wie bereits in Frage 25 beantwortet, könnten sich die Mitarbeiter des Landesbetriebes in der
Struktur einer Bundesfernstraßengesellschaft auf ihre originären Aufgaben konzentrieren.
Aufgrund des immensen Sanierungsbedarfes halten wir aus Sicht der Bauindustrie NordrheinWestfalen eine deutliche Personalaufstockung im Bereich „Planung“ – ganz gleich in welcher
Struktur – für notwendig. Da die von uns angestrebte Bundesfernstraßengesellschaft nach
dem Prinzip: „So viel Zentralität wie nötig, so viel Dezentralität wie möglich“ aufgestellt wäre,
würde eine übergeordnete, koordinierende Bundesfernstraßengesellschaft zur Vereinheitlichung von Planungs- und Bauprozessen beitragen sowie eine Angleichung des Planungsstandes in den verschiedenen Bundesländer anstreben. Zugleich böte eine auf Bundesebene
angesiedelte Gesellschaft unserer Sicht nach großes Potential, die Planung des gesamten
deutschen Fernstraßennetzes ganzheitlich und verknüpft zu gestalten.
27. Welche Umstrukturierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen hat der Landesbetrieb Straßen.NRW in den vergangenen Jahren durchgeführt, um seine Leistungsfähigkeit und Effizienz zu steigern?
28. Inwiefern wurden diese Anstrengungen durch die Personalentwicklung unterstützt bzw. erschwert? Wie sieht die Personalentwicklung überhaupt aus und
gibt es dafür spezifische (womöglich externe Gründe)?
29. Laufen derzeit Umstrukturierungsprozesse, wenn ja welche?
Für die Beantwortung der Frage wird auf das MBWSV sowie auf die Geschäftsführung von
Straßen.NRW verwiesen.
Aus Sicht der Bauindustrie Nordrhein-Westfalen wird die Umstrukturierung des Landesbetriebes in vier regionale Einheiten insgesamt und grundsätzlich begrüßt. Neben der rein formalen
Struktur kommt es jedoch auf den „Output“, sprich auf die zügige Realisierung von final geplanten Projekten an. Bis hier sichtbare Erfolge festgestellt werden können, wird unserer Ansicht nach noch längere Zeit vergehen.
Aus Sicht unser Mitgliedsunternehmen muss zudem konsterniert festgestellt werden, dass die
bislang begonnenen Initiativen zum Wiederaufbau eines Planungssockels und zur Einstellung
zusätzlicher Planer bislang nicht spürbar erfolgreich waren. Gerade vor dem Hintergrund des
allgemeinen Ingenieurdefizits sehen wir Maßnahmen zur Entlastung von Straßen.NRW nach
wie vor als oberstes Gebot an.
Hierzu zählen neben der weiteren Aufstockung der Planungsmittel für externe Ingenieurbüros
und einer weitergehenden Beauftragung der DEGES insbesondere auch die Integration der
Bauwirtschaft in den Planungsprozess von Baumaßnahmen.
19
Durch die Anwendung von Funktionalausschreibungen, Design&Build-Modellen oder die stärkere Realisierung von Brückenmaßnahmen durch die Komplett-Fertigteil-Bauweise können
unsere Bauunternehmen ihre Kompetenz und ihren Sachverstand im Sinne einer zügigen
Umsetzung in den Sanierungsprozess einbringen.
30. Welche Potentiale bestehen für weitere Maßnahmen? Mit welchen Maßnahmen
könnten Bund und/oder die Länder die Effizienz der staatlichen Straßenbauverwaltung weiter erhöhen?
Die heute bestehenden und für die Zukunft auszubauenden personellen Ressourcen im Bereich „Planung“ werden u.a. durch zu langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren
gebunden und können sich nach der eigentlichen Fertigstellung einer Projektplanung noch
nicht dem nächsten dringenden Sanierungsvorhaben zuwenden.
Aufgrund der bislang bereits erlittenen und tagtäglich hinzukommenden volkswirtschaftlichen
Schäden durch eine minder belastungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist ein Abwägungsprozess
notwendig. Am Ende dieses Prozesses sollte aus unserer Sicht, zumindest für besonders
dringliche Infrastrukturvorhaben, wie die nordrhein-westfälische Brückensanierung, ein geändertes und beschleunigtes Planungs- und Genehmigungsverfahren stehen. Die für die Rheinbrücken Leverkusen und Duisburg-Neuenkamp bereits praktizierten Verkürzungen des Klageweges direkt zum Bundesverwaltungsgericht könnten bspw. obligatorisch werden. Auch
ließe sich eine reduzierte Umweltverträglichkeitsprüfung bei Ersatzneubauten an gleicher Stelle wie das vorherige Bauwerk andenken.
31. Welche Potenziale sehen Sie insbesondere bei den Instrumenten überjähriger
Fonds und kaufmännischer Bilanzierung?
Die Bauindustrie Nordrhein-Westfalen fordert zusammen mit dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie bereits seit Jahren, die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung auf einen überjährig arbeitenden Fonds umzustellen. Die Investitionsmittel – generiert aus Nutzerentgelten
und Steuermitteln – könnten hierdurch zweckgebunden und mit langfristiger Planungssicherheit versehen der Sanierung und dem Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur zu Gute kommen.
Damit wäre die für den Wirtschafts- und Industriestandort Nordrhein-Westfalen so essentielle
Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit seiner Verkehrsinfrastruktur nicht mehr dem politischen Tagesgeschehen mit wechselnden finanziellen Herausforderungen und Budgetverteilungen unterworfen und könnte verlässlich durchfinanziert abgearbeitet werden. Insbesondere
die fehlende Überjährigkeit der Mittel hat Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren
wiederholt geschadet, wenn vorgesehene Bundesgelder stattdessen in andere Bundesländer
abflossen oder Maßnahmen nicht weiterfinanziert und damit zum einstweiligen Stillstand gezwungen wurden.
20
32. Halten Sie die Ausrichtung des Landesbetriebes Straßen.NRW auf ÖPP, wie von
der CDU im Antrag gefordert, zum jetzigen Zeitpunkt, wie insgesamt, für sinnvoll?
Wir verweisen zur Beantwortung der Frage auf unseren Antworten zu den Fragen 1 bis 3
sowie 14 und15.
ÖPP-Modelle sind nicht die Lösung für die Sanierung unserer Verkehrsinfrastruktur, sondern stellen eine ernstzunehmende ergänzende Alternative dar, die nach einer erfolgreich
beschiedenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ihre Vorteile ausspielen kann.
33. Inwieweit spielt die rechtzeitige substanzerhaltende Pflege und Wartung der Verkehrsinfrastruktur eine Rolle für die effiziente Mittelverwendung?
Eine rechtzeitige und substanzerhaltende Erhaltung und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur
ist geradezu konstitutiv für eine effiziente Mittelverwendung. Die jetzt unter höchster Dringlichkeit zu realisierende, zu spät kommende und dadurch nur schwierig zu leistende Sanierung
erhöht die nun notwendigen Investitionen deutlich. Von Seiten der Bauindustrie halten wir an
unserer Forderung nach einer kontinuierlichen, bedarfsgerechten, rechtzeitigen und vom „politischen Spiel“ unabhängigen Sanierung fest. Wer rechtzeitig in die Verkehrsinfrastruktur investiert und diese pflegt, wird absolut weniger Investitionen aufwenden müssen als nun durch
verspätete „Rettungsmaßnahmen“ aufgerufen werden müssen.
21