Kunststoffe

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Kunststoffe
Universität Stuttgart
Institut
für Werkstoffe im Bauwesen
Prof. Dr.-Ing. Hans-Wolf Reinhardt
Pfaffenwaldring 4
70550 Stuttgart
Telefon (0711) 685-3323/3324
Telefax (0711) 685-3349/6820
E-Mail: reinhardt@iwb.uni-stuttgart.de
Werkstoffe im Bauwesen I
Kunststoffe
Dipl.-Ing. Frauke Beckert
Auflage: SS 2000
Polyethylen PE
Verwendung nur im Zusammenhang mit der Vorlesung
1
KUNSTSTOFFE
Inhalt:
1
Einleitung .................................................................................................................................3
2
Aufbau und Herstellung .........................................................................................................3
2.1
2.2
2.3
2.4
3
Struktur der Kunststoffe ........................................................................................................5
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
4
Ausgangsstoffe .....................................................................................................................3
Polymerisation ......................................................................................................................3
Polykondensation..................................................................................................................4
Polyaddition..........................................................................................................................5
Amorphe Thermoplaste ........................................................................................................7
Teilkristalline Thermoplaste.................................................................................................7
Duroplaste (Duromere).........................................................................................................8
Elastomere ............................................................................................................................8
Verarbeitung und Lieferformen............................................................................................8
3.5.1 Thermoplaste...............................................................................................................9
3.5.2 Duroplaste ...................................................................................................................9
3.5.3 Elastomere...................................................................................................................9
Eigenschaften der Kunststoffe .............................................................................................10
4.1 Mechanische Eigenschaften................................................................................................10
4.1.1 Festigkeit und Verformung im Kurzzeitversuch.......................................................10
4.1.2 Kenngrößen ...............................................................................................................11
4.1.3 Zeitstandverhalten .....................................................................................................11
4.1.4 Linear-viskoelastisches Verhalten ............................................................................13
4.1.5 Dynamische Beanspruchung.....................................................................................13
4.2 Thermische Eigenschaften; Verhalten bei Brand ...............................................................14
4.3 Resistenz der Kunststoffe gegen äußere Einflüsse .............................................................14
4.3.1 Chemikalienbeständigkeit .........................................................................................14
4.3.2 Biologische Resistenz ...............................................................................................14
4.3.3 Witterungsbeständigkeit............................................................................................14
5
Anwendungsgebiete...............................................................................................................16
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
6
Kunststoffe im Bautenschutz..............................................................................................16
Wärme- und Schalldämmung durch Schaumkunststoffe ...................................................16
Kunstharze als Bindemittel für Beton, Mörtel und Putz ....................................................17
Leime und Kleber aus Kunststoffen ...................................................................................17
Glasfaserverstärkte Kunststoffe GFK.................................................................................17
Rheologie ................................................................................................................................18
6.1
6.2
6.3
6.4
Hooke’scher Körper............................................................................................................18
Newton’scher Körper..........................................................................................................18
St. Venant’scher Körper .....................................................................................................19
Kombinationen ...................................................................................................................19
2
KUNSTSTOFFE
6.4.1 Kelvin-Voigt-Körper.................................................................................................19
6.4.2 Maxwell-Körper........................................................................................................19
6.4.3 Burgers-Körper .........................................................................................................20
7
Literatur .................................................................................................................................21
8
Kurzzeichen ...........................................................................................................................21
3
1
KUNSTSTOFFE
Einleitung
Die Entwicklung der Kunststoffe begann
Mitte des 19. Jahrhunderts mit der chemischen Umwandlung von Naturprodukten wie
Zellulose und Rohkautschuk zu Celluloid
bzw. Naturgummi. Heute haben die Kunststoffe in fast allen Bereichen des täglichen
Lebens Eingang gefunden. Im Bauwesen
haben sie sich in der Haus- und Sanitärtechnik, als Ausbaustoffe und als Stoffe für
den Bautenschutz, die Bauphysik und die
Bauchemie seit langem bewährt, während ihr
Einsatz im konstruktiven Bereich eher begrenzt blieb.
Vorteile der Kunststoffe sind ihre leichte
Formbarkeit, ihre geringe Dichte und ihre
niedrige Wärmeleitfähigkeit sowie gute Korrosions- und Chemikalienbeständigkeit. Den
Vorteilen stehen auch Nachteile gegenüber
wie ein niedriger Elastizitätsmodul, eine ausgeprägte zeit- und temperaturabhängige Verformbarkeit und geringe Zeitstandfestigkeit.
Die Eigenschaften von Kunststoffen sind
durch chemische Synthese und durch Füllung
oder Bewehrung mit anderen Stoffen für den
jeweiligen Einsatz weitgehend einstellbar.
2
Aufbau und Herstellung
2.1 Ausgangsstoffe
Kunststoffe bestehen im wesentlichen aus
organischen Stoffen, d.h. an ihrem Aufbau
sind hauptsächlich die Elemente C, H und O
beteiligt. Rohstoffbasis für die hier besprochenen Kunststoffe sind Erdöl, Erdgas
und Kohle.
Die einfachsten organischen Verbindungen
sind in Abbildung 1 dargestellt.
Abbildung 1: Kohlenwasserstoffe
Kohlenstoffatome sind in der Lage, sich
durch Verbindungen aneinander zu reihen.
Findet diese Verbindung in Form einer Aneinanderreihung oder Kette statt, so werden
die entstehenden Makromoleküle als linear
oder aliphatisch bezeichnet. Neben dem kettenförmigen Aufbau gibt es auch verzweigte
Kohlenwasserstoffe, die als Isoverbindungen
bezeichnet werden und die ringförmigen Verbindungen, die als aromatisch bezeichnet
werden (Abbildung 2).
Abbildung 2: Verbindungsarten von KW
Ausgangsstoffe niedermolekularer Art werden als Monomere bezeichnet. Reaktionsfähige Monomere enthalten Mehrfachbindungen, die aufgespalten werden können
und eine Verknüpfung mit anderen Molekülen ermöglichen. Das Ergebnis einer solchen
Verknüpfung bezeichnet man als Polymer.
2.2 Polymerisation
Bei der Polymerisation werden reaktionsfähige Monomere aus Kohlenwasserstoffen
ohne Abspaltung von Nebenprodukten zu
Makromolekülen (Polymeren) gleicher chemischer Zusammensetzung verknüpft. Der
Vorgang beginnt durch ein Aufbrechen der
Mehrfachbindungen der Monomere durch
thermische oder photochemische Katalysatoren, bzw. durch Zusatz von Initiatoren und
Härtern.
Der Polymerisationsprozess wird am Beispiel
des Polyethylens gezeigt: Ausgangsstoff ist
Ethylen C2H4, dessen C-Atome durch Aufspalten der Doppelbindungen freie Valenzen
erhalten. Durch Absättigen der freien CValenzen verbinden sich die monomeren
Bausteine zu linearen Molekülketten. Die
Polymerisation gleicher Grundbausteine wird
als Isopolymerisation bezeichnet (Polyethylen
PE, Polystyrol PS, Polyvinylchlorid PVC).
Verwendet man zwei oder mehr verschiedene
Monomere, so liegt eine Mischpolymerisation
oder Copolymerisation vor.
4
KUNSTSTOFFE
Temperatur zu einer kurzen Polymerisationsdauer mit vielen kurzen Ketten und einer
niedrigen Molmasse (Abbildung 4).
Abbildung 3: Polymerisation am Beispiel von Polyethylen [1]
Je nach Anordnung der Monomere innerhalb
einer Molekülkette unterscheidet man dabei
zwischen folgenden Verteilungen:
•
Statistische Verteilung:
... AA-BBB-A-BB-AAA-B-AAAA-BB ...
•
Alternierende Verteilung:
... A-B-A-B-A-B-A-B-A-B-A-B-A-B-A-B ...
•
Blockpolymerisation
... (A-A)n-(B-B)n-(A-A)n-(B-B)n ...
•
Pfropfpolymerisation
B
B
B
B
... A-A-A-A-A-A-A-A-A-A-A-A ...
B
B
B
B
B
Die Polymerbildung ist eine exotherme Reaktion. Die entstehende Temperatur beeinflusst die Geschwindigkeit der Polymerisationsreaktion.
Der Polymerisationsablauf ist abhängig von
der Menge der zugesetzten Initiatoren und der
Temperatur. Eine Zugabe von wenig Initiator
(Härter) und niedriger Temperatur führt zu
einer langen Polymerisationsdauer und wenigen langen Ketten, also einer hohen Molmasse, die Zugabe von viel Härter bei hoher
Abbildung 4: Einfluss der Molmasse auf Struktur
und Konsistenz von Polyethylen
Mit fortschreitender Polymerisation entsteht
ein Molekülfilz, der sich durch ein Ansteigen
der Viskosität bemerkbar macht und die Reaktion abklingen lässt. Dieses wird als Geleffekt bezeichnet. Die Zustandsänderung von
flüssig über gelartig zu fest wird durch die
Topfzeit definiert, die bei Beginn des Gelierens endet. Mit der Polymerisation ist zudem
eine Volumenverminderung verbunden. Das
sogenannte Schrumpfen liegt zwischen
15 Vol.-% (Styrol) und 35 Vol.-% (Vinylchlorid).
Die Polymerisationsreaktion wird durch Zugabe von Radikalen oder anderen Substanzen
abgebrochen. Die zugegebenen Radikale sättigen die noch freien Bindungen ab und verhindern so eine weitere Verknüpfung der
Moleküle.
2.3 Polykondensation
Bei der Polykondensation werden gleichoder verschiedenartige Monomere unter Abspaltung eines niedermolekularen Stoffes
(H2O, HCl, Alkohol) miteinander verknüpft.
Bei Verwendung von bifunktionellen Ausgangsprodukten, d.h. Molekülen mit zwei
Verknüpfungsstellen, entstehen lineare Polymere, bei polyfunktionellen Monomeren bilden sich vernetzte Endprodukte.
Die Polykondensation ist ein Gleichgewichtsprozess, d.h. wenn während der Reaktion eine
gewisse Menge an Nebenprodukten abgeschieden ist, stellt sich ein chemisches
5
KUNSTSTOFFE
Gleichgewicht ein und die Reaktion bricht
von selbst ab. Sie kann durch Veränderung
der Kondensationsbedingungen (Temperatur,
Druck) wieder in Gang gebracht werden.
Der Vorgang bei der Polykondensation soll
am Beispiel von Phenol-Formaldehydharz
(PF) gezeigt werden:
Unter dem Einfluss von Hitze, Druck
und/oder Katalysator geben zwei benachbarte
Phenolmoleküle je ein Wasserstoffatom, und
ein Formaldehyd-Molekül seinen Sauerstoff
ab. Die so entstandenen Radikale verbinden
sich zu Phenolharz. Aus Sauerstoff und Wasserstoff entsteht Wasser.
Abbildung 6: Polyaddition am Beispiel PUR
Polymerisation:
Verbindung gleicher Monomere durch Aufbrechen der Mehrfachbindungen ohne Abspaltung von Nebenprodukten.
Abbildung 5: Reaktion zu Phenol-Formaldehydharz
Nach dem Verfahren der Polykondensation
werden Aminoplaste, Phenoplaste sowie Vorprodukte der Epoxid- und Ungesättigten Polyesterharze hergestellt.
2.4 Polyaddition
Unter Polyaddition versteht man die Verknüpfung gleicher oder verschiedenartiger
Monomere zu Makromolekülen ohne die Abspaltung von Nebenprodukten. Bei der Reaktion wandern einzelne bewegliche Atome,
bevorzugt Wasserstoffatome, an andere Plätze
in den Molekülketten. Die dadurch freiwerdenden Valenzen werden durch Verkettung
der Monomere abgesättigt. Bei verschiedenartigen Monomeren A und B muss zu jedem
Monomer des Typs A ein Reaktionspartner
des Monomers Typ B vorhanden sein, da
sonst Gefügestörungen entstehen können.
Der Vorgang der Polyaddition ist in
Abbildung 6 beispielhaft an Polyurethan
(PUR) gezeigt. Hierbei wandert das Wasserstoffatom der OH-Gruppe in Polyhydroxid
zum Isocyanatstickstoff. Die entstandenen
Radikale verbinden sich zu Polyurethan.
Copolymerisation:
Verbindung verschiedener Monomere durch
Aufbrechen der Mehrfachbindungen ohne
Abspaltung von Nebenprodukten.
Polykondensation:
Verbindung gleicher oder unterschiedlicher
Monomere mit Platzwechsel einzelner Atome. Durch Abspaltung von Nebenprodukten
(H2O, HCl, Alkohol) werden kettenförmige
oder räumlich vernetzte Strukturen gebildet.
Polyaddition:
Verknüpfung von gleichen oder verschiedenen Monomeren durch Wanderung
einzelner beweglicher Atome ohne Abspaltung von Nebenprodukten.
3
Struktur der Kunststoffe
Kunststoffe bestehen aus linearen, verzweigten oder räumlich vernetzten Makromolekülen. Die Einzelmonomere einer Molekülkette
werden durch Hauptvalenzkräfte (chemische
Bindungen) untereinander verknüpft, während der innere Zusammenhalt der Ketten und
ihre Lage zueinander durch elektrostatische
Oberflächenkräfte (van der Waals-Kräfte)
und durch Dipol-Anziehungskräfte bewirkt
wird.
6
KUNSTSTOFFE
Die Ketten sind unregelmäßig, ineinander
verknäuelt angeordnet. Diese „ideale Unordnung“ bezeichnet man als amorphe Struktur.
Bei einigen Polymeren verlaufen die Ketten
abschnittsweise parallel. Diese gerichtete Anordnung der Ketten kann durch plastisches
Verformen unter Zugspannung (Recken)
künstlich herbeigeführt werden. Dieser bereichsweise regelmäßige Aufbau wird als
teilkristalline Struktur bezeichnet. Wegen
ihres mechanisch-thermischen Verhaltens
werden Kunststoffe mit linearen oder verzweigten Makromolekülen – amorpher oder
teilkristalliner Struktur – als Thermoplaste
(Plastomere) bezeichnet (Abbildung 7).
Makromoleküle aus monomeren Bausteinen
mit drei oder mehr freien Valenzen bilden
nicht nur lineare Ketten, sondern auch Querverbindungen zwischen den Ketten aus, so
dass ein räumlich vernetztes Maschenwerk
entsteht. Der Zusammenhalt dieser Netze
wird durch Hauptvalenzkräfte bewirkt, die bis
zur Zersetzungstemperatur wirksam bleiben.
Je nach der Maschenweite wird nach stark
oder schwach vernetzter Struktur unterschieden. Aufgrund ihres mechanischthermischen Verhaltens bezeichnet man
schwach vernetzte Kunststoffe als Elastomere
und stark vernetzte als Duromere (Duroplaste) (Abbildung 7).
Eine Möglichkeit der Bestimmung der mechanischen Eigenschaften in Abhängigkeit
von der Temperatur bietet der Torsionsschwingversuch. Das Ergebnis des Versuchs
ist der dynamische Schubmodul G und der
Verlustfaktor d, aus dem die mechanische
Dämpfung oder das logarithmische Dekrement Λ berechnet wird (Abbildung 8). Diese
Kenngrößen ermöglichen eine Beurteilung
der Werkstoffzustände und Verhaltensweisen
des Materials bei verschiedenen Temperaturen.
Abbildung 8: a) freie Torsionsschwingung eines
Polyamidstabs (Thermoplast), b) zugehöriger
dyn. Schubmodul und log. Dekrement [2]
Weiterhin kann das Verhalten der Kunststoffe
bei wechselnder Temperatur anhand des
Verlaufs der Zugfestigkeit βz und der Bruchdehnung δ, wie im folgenden dargestellt, beschrieben werden.
Abbildung 7: Struktureller Aufbau der Kunststoffe
[1]
Die Bindekräfte der Kettenmoleküle sind abhängig von der Temperatur; diese können
sich daher bewegen. Ihre Bewegungsmöglichkeit richtet sich nach der Molekularstruktur und der Höhe der Temperatur (Wärmeschwingungen). Das Temperaturverhalten
der einzelnen Kunststoffgruppen ist unterschiedlich.
7
KUNSTSTOFFE
3.1 Amorphe Thermoplaste
peratur Tf geht der Kunststoff in eine zähflüssige Schmelze über und wird schließlich bei
der Zersetzungstemperatur Tz zersetzt. Alle
bis zur Zersetzungstemperatur durchlaufenen
Aggregatszustände sind durch Abkühlen umkehrbar (reversibel), eine Eigenschaft, die bei
der Verarbeitung ausgenutzt wird. Hierbei ist
zu beachten, dass eine niedrigere, aber lange
Temperatureinwirkung den gleichen Effekt
hat wie eine höhere, aber kurze Einwirkung.
3.2 Teilkristalline Thermoplaste
Abbildung 9: Amorpher Molekülverband [3]
Amorphe Thermoplaste befinden sich bei
Zimmertemperatur im sogenannten Glaszustand; sie sind hart und spröde. In diesem
Bereich ändern die einzelnen Kettenmoleküle
ihren Winkel und/oder Abstand zueinander;
der Vorgang ist reversibel. Man bezeichnet
diesen Bereich als energie-elastischen Bereich. Mit zunehmender Temperatur werden
die Bindekräfte zwischen den Ketten kleiner,
bis mit Erreichen der Glasübergangstemperatur Tg, auch Einfrier- oder Erweichungstemperatur genannt, der Kunststoff seinen
Zustand ändert und erweicht. Der Erweichungszustand ist durch einen deutlichen
Abfall der mechanischen Festigkeitseigenschaften gekennzeichnet.
Abbildung 11: Teilkristalliner Molekülverband [3]
Teilkristalline Thermoplaste verhalten sich im
Glaszustand ähnlich wie amorphe Thermoplaste. Der Temperaturbereich des Glaszustands ist jedoch größer.
Abbildung 12: Schematische Darstellung des
Festigkeits- und Verformungsverhaltens teilkristalliner Thermoplaste [1]
Abbildung 10: Schematische Darstellung des
Festigkeits- und Verformungsverhaltens amorpher Thermoplaste [1]
Bei weiterer Temperatursteigerung beginnt
der amorphe Kunststoff aufgrund der zunehmenden Eigenbewegung der Molekülketten
zu fließen. Nach Überschreiten der Fließtem-
Aufgrund des starken Zusammenhalts der
kristallinen Bereiche ist der Abfall der Festigkeitseigenschaften bei Erreichen des Erweichungspunktes nicht so ausgeprägt wie bei
den amorphen Thermoplasten. Oberhalb des
Erweichungspunktes Tg ist der Kunststoff
durch den Molekülzusammenhalt in den
8
KUNSTSTOFFE
Kristalliten fest und formsteif, durch die Beweglichkeit der amorphen Bereiche zugleich
flexibel und zäh.
dieses Verhalten unter Gebrauchstemperatur
und behalten es bis zum Zersetzungsbereich
bei.
Bei Erreichen der Kristallisationstemperatur
TK werden auch die kristallinen Bindungen
gelöst, und der Kunststoff geht in den zähflüssigen Zustand und dann in die Zersetzung
über. Auch hier sind alle Zustände bis zur
Zersetzung reversibel.
3.3 Duroplaste (Duromere)
Aufgrund ihrer räumlichen Molekülnetzstruktur verbleiben Duromere bis zur chemischen Zersetzung im festen Zustand. Sie sind
ziemlich temperaturstandfest, hart und spröde.
Abbildung 14: Schematische Darstellung des
Festigkeits- und Verformungsverhaltens von
Elastomeren [1]
3.5 Verarbeitung und Lieferformen
Aufgrund der unterschiedlichen Zustandsbereiche in Abhängigkeit von der Temperatur
(Abbildung 15; Abbildung 17) kommen für
Kunststoffe unterschiedliche Verarbeitungsformen in Frage.
Abbildung 13: Schematische Darstellung des
Festigkeits- und Verformungsverhaltens von
Duroplasten [1]
3.4 Elastomere
Die weitmaschig vernetzten Kunststoffe befinden sich unterhalb des Erweichungsbereichs im Glaszustand, d.h. sie sind hart
und spröde. Im Erweichungsbereich erfolgt
der Übergang zum gummielastischen Zustand, der mit einer starken Abnahme der
Festigkeitswerte verbunden ist. Da das Fließen der Moleküle durch Querversetzungen
behindert wird, nimmt die Dehnbarkeit mit
steigender Temperatur zu. Dieser Bereich, in
dem große Verformungen auftreten und das
Hooke’sche Gesetz nicht mehr gültig ist wird
als entropie-elastisch bezeichnet. Elastomere
sind mit geringen Kräften um mehrere 100%
dehnbar, beim Aufheben der Spannung kehren die gestreckten Molekülfäden in ihre ursprüngliche Lage zurück. Elastomere zeigen
Abbildung 15: Zustandsbereiche [4]
9
KUNSTSTOFFE
3.5.1 Thermoplaste
Im thermoplastischen Bereich lassen sich
Thermoplaste urformen (gießen, extrudieren
etc.) und schweißen; im thermoelastischen
Bereich kann man sie umformen (z.B. durch
Tiefziehen, Streckziehen, Biegen, Abkanten,
etc.). Eine nachträgliche Wiedererwärmung
warm umgeformter Teile über ihre Glastemperatur führt dazu, dass sie sich in ihre
ursprüngliche Form zurückbilden (Abbildung
16). Im festen Zustand sind die üblichen
Formungstechniken möglich: Trennen (Bohren, Fräsen, Drehen, Feilen, Hobeln, Sägen,
Schleifen) und Fügen (Kleben, mechanisch
Verbinden: Nieten, Verschrauben).
Abbildung 17: Zustandsbereiche und Formgebungsmöglichkeiten von Thermoplasten [5]
Unter Druck und Hitze erfolgt bei den Pressmassen die räumliche Vernetzung der Moleküle: der Kunststoff härtet aus. Die Aushärtung ist irreversibel, d.h. nicht umkehrbar.
Abbildung 16: Rückverformung eines tiefgezogenen
Bechers bei Wiedererwärmung [5]
Thermoplaste sind in spezifischen Lösungsmitteln löslich. Daher kann auch das sogenannte Quellschweißen verwendet werden.
Dabei werden durch Aufstreichen eines
Quellmittels die Überlappungen so weit angelöst (plastifiziert), dass sie unter Druck
(ohne Erwärmung) verbunden werden können. Nach Verflüchtigung des Lösungsmittels
entsteht eine homogene Verbindung durch
Verfilzung der Molekülfäden (vgl. Abschnitt 2.2).
Thermoplaste werden als Halbzeuge (Folien,
Rohre, etc.) oder als Fertigprodukte (Installationsgegenstände) geliefert. Flüssige bis
pastöse Thermoplaste finden als Leime, Anstrichstoffe, Zusatzstoffe etc. in der Werkstatt
oder auf der Baustelle Verwendung.
3.5.2 Duroplaste
Die Ausgangsmaterialien für Duroplaste sind
entweder feste, vorgeformte Pressmassen aus
Harzen mit Zusatzstoffen (Füllstoffen, Farben, Gleitmitteln, Stabilisatoren) oder flüssige, meist zähflüssige Reaktionsharze.
Die Reaktionsharze (z.B. Polyester oder EPHarze) können drucklos bei Raumtemperatur
aushärten. Hierzu muss ihnen ein Härter zugegeben werden. Die Vernetzung kann durch
weitere Zumischung eines Beschleunigers
und/oder durch Erwärmung verkürzt werden.
Zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften, insbesondere um die Sprödigkeit zu
mindern, die Festigkeit und den E-Modul zu
erhöhen, werden den Duroplasten Füll- und
Verstärkungsstoffe (Kreide, Glimmer, Sand,
Holzmehl, Textilfasern, Glasfasern, Papier
u.a.) zugegeben. Ihr Anteil liegt zwischen 40
und 80 %.
Duroplaste können im allgemeinen durch
spanende Formgebung (Bohren, Sägen) verarbeitet werden.
3.5.3 Elastomere
Elastomere kommen als Halbzeuge (Dichtungsprofile), als Fertigprodukte (Elastomerlager) oder als Vorprodukte für den Bautenschutz, die nach Applikation kaltaushärten,
zur Anwendung. Elastomere sind nicht
schweißbar, da sie bei keiner Temperatur einen flüssigen Bereich erlangen.
10
KUNSTSTOFFE
Thermoplaste bestehen aus linearen oder
verzweigten Kettenmolekülen. Sie besitzen
eine geringe Festigkeit, sind elastisch, sehr
verformbar und ermöglichen eine wiederholbare plastische Formgebung. Sie sind
schweißbar. Vertreter: PE, PVC, PMMA
Verfestigung und zum Abbau des Kriechens.
e) Eine Festigkeitssteigerung ist durch Faserverstärkung (z.B. mit Glasfasern) zu
erzielen.
Duroplaste bestehen aus räumlich eng vernetzten Makromolekülen. Sie sind hart, spröde, nicht schmelzbar und nicht löslich. Sie
können daher nicht plastisch verformt und
nicht geschweißt werden. Vertreter: UP, EP
Elastomere bestehen aus räumlich weit vernetzten Makromolekülen. Bei niedrigen Temperaturen sind sie hart, durchlaufen dann einen gummielastischen Bereich und zersetzen
sich bei der Zersetzungstemperatur ohne vorher flüssig zu werden. Sie sind nicht
schmelzbar oder schweißbar, kaum löslich,
aber quellbar. Vertreter: PUR, CR
Abbildung 18: Einfluss von Glaspartikeln auf den
Schubmodul von PBT
4
Eigenschaften der Kunststoffe
4.1 Mechanische Eigenschaften
Die mechanischen Eigenschaften der Kunststoffe werden von der Molekularstruktur, der
Temperatur sowie von der Belastungsart und
-dauer beeinflusst. Gezielte Veränderungen
der mechanischen Eigenschaften sind bei der
Verarbeitung möglich. Dabei werden folgende Maßnahmen angewandt:
a) Nacherhärtung durch Wärmezufuhr zur
Erhöhung des Vernetzungsgrades.
b) Streckung von amorphen und teilkristallinen Thermoplasten bei der Formgebung führt zu einer Festigkeitssteigerung und Versteifung.
c) Durch Weichmacher (schwer flüchtige
Lösungsmittel) kann der Kunststoff gummi-elastisch eingestellt werden.
d) Durch Füllstoffe können die mechanischen, thermischen, elektrischen und
chemischen Eigenschaften verändert werden. Füllstoffe sind körnige oder faserige
Zusätze anorganischer (z.B. Gesteinsmehl) oder organischer Herkunft (z.B.
Holzschliff). Füllstoffe führen zu einer
Abbildung 19: Zugfestigkeit σB und Bruchdehnung
δ von PVC abhängig von der Weichmacherkonzentration bei 23°C [6]
4.1.1 Festigkeit und Verformung im
Kurzzeitversuch
Prüfungen der Festigkeit und Verformung bei
zügiger
Belastung
werden
in
den
DIN-Normen (Kapitel 7) beschrieben. Aufgrund der gegenüber anderen Baustoffen wesentlich größeren Abhängigkeit der Kunststoffe von Zeit und Temperatur spielen die
Prüfbedingungen eine große Rolle. Die Festigkeit- und Verformungskennwerte müssen
deshalb stets in Zusammenhang mit den an-
11
KUNSTSTOFFE
gegebenen Werten der Prüftemperatur und
Verformungsgeschwindigkeit gesehen werden. Die Übersicht in Tabelle 1 gilt für die
Prüfbedingungen von DIN 53 455.
Abbildung 20 zeigt einige typische Spannungs-Dehnungs-Linien. Die hartelastischen
Duromere besitzen einen deutlichen Hooke’schen Bereich. Die Linie c beschreibt einen verstreckbaren Thermoplast (der Hochpunkt kennzeichnet die Streckspannung),
während Elastomere ein gummielastisches (d)
Verhalten zeigen. Der Einfluss der Temperatur und der Geschwindigkeit auf das Prüfergebnis von Thermoplasten lässt sich überschlägig angeben: tiefe Temperaturen führen
zur Versprödung, hohe zur Verweichung;
eine hohe Geschwindigkeit der Beanspruchung oder der Verformung wirkt sich wie
eine tiefe Prüftemperatur aus und umgekehrt.
Der E-Modul wird nach DIN 53 457 aus
Zug-, Druck- oder Biegeversuchen ermittelt.
Aufgrund des visko-elastischen Verhaltens
der Kunststoffe kann der E-Modul – im Gegensatz zu Metallen – nicht als Konstante
angesehen werden. Seine Ermittlung erfolgt
daher nur im Bereich sehr kleiner Verformungen (< 0,5%), in dem das Hooke’sche
Gesetz gilt.
4.1.3 Zeitstandverhalten
Kunststoffe zeigen bereits bei mäßigen Beanspruchungen ein zeitabhängiges, viskoelastisches Verformungsverhalten. Daher ist
für ihren Einsatz das Zeitstandverhalten maßgebend. Das Zeitstandverhalten wird im
Kriechversuch geprüft (DIN 53 444). Dabei
wird die Kunststoffprobe bei definierter
Prüftemperatur einer konstanten Last unterworfen; die Dehnung wird zeitabhängig gemessen und in Zeit-Dehnlinien aufgetragen.
Nach Entlastung geht die Dehnung, ebenfalls
zeitabhängig, wieder zurück. Die verbleibende Restdehnung εR ist die zur Zeit t nach
Entlastung noch vorhandene Dehnung
(Abbildung 21).
Abbildung 20: Typische Spannungs-DehnungsLinien von Kunststoffen [1]
Abbildung 21: Zeit-Dehnlinien (schematisch) [4]
4.1.2 Kenngrößen
Nach DIN 53 455 gelten folgende Vereinbarungen und Begriffe:
-
-
-
Zugfestigkeit ist die Zugspannung bei
Höchstkraft
Reißfestigkeit ist die Zugspannung im
Augenblick des Reißens
Streckspannung ist die Zugspannung, bei
der im Kraft-Verlängerungs-Diagramm
die Steigung der Kurve erstmalig gleich
Null wird (beginnendes Verstrecken)
Als Zeitdehnspannung σε/t ist die Spannung
zu verstehen, die nach der Zeit t eine Gesamtdehnung von ε % bewirkt. Die Zeitstandfestigkeit σB/t ist jene Spannung, die nach Ablauf
der Zeit t zum Bruch der Probe führt. An die
Stelle eines Elastizitätsmoduls tritt der zeitabhängige Kriechmodul
Ec (t ) =
σ
,
ε (t )
d.i. das Verhältnis zwischen konstanter Spannung und zeitabhängiger Dehnung.
12
KUNSTSTOFFE
Der Kriechmodul ist spannungsabhängig,
nimmt mit der Zeit ab. Die aus den Zeitdehnlinien errechneten Kriechmoduln werden als
Kurvenschar dargestellt.
Methode gezeigt, wie man aus gemessenen
Kriechkurven graphisch Zeitstandschaubilder,
Kriechmodul und isochrone Spannungsdehnungslinien ermitteln kann.
Abbildung 22: Kriechmodul-Linien (schematisch)
[6]
Zeitstandfestigkeit und Zeitdehnspannung
werden für die jeweils vorliegenden Umstände dem Zeitstandschaubild entnommen.
Es wird aus den Zeitdehnlinien erstellt, indem
bestimmt konstante Dehnungsbeträge oder
den Bruch bewirkende Spannungen in Abhängigkeit von der Zeit aufgetragen werden
und somit die Zeitbruch- bzw. Zeitdehnspannungslinien als Kurvenschar
ergeben
(Abbildung 23).
Abbildung 24: Ermittlung von Zeitstandschaubildern, Kriechmoduln und isochronen Spannungsdehnungslinien aus Kriechkurven [6]
Weiterhin kann ein universelles Spannungsdehnungsdiagramm (Abbildung 25) hierfür
herangezogen werden.
Abbildung 23: Zeitstandschaubild (schematisch) [5]
Die Bemessung von Kunststoffbauteilen
weist gegenüber der von Bauteilen aus Stahl
und Beton wesentliche Unterschiede auf.
Neben der höchsten Gebrauchstemperatur
muss auch noch die Betriebsdauer (z.B.
105 Stunden = 11 Jahre) festgelegt werden.
Die zulässige Gebrauchsspannung muss mit
einem Sicherheitsbeiwert unterhalb der Zeitstandfestigkeit liegen.
Um von Spannungen auf die Dehnungen
schließen zu können, benutzt man die oben
beschriebenen Kriechkurven oder Kriechmoduln. In Abbildung 24 ist eine graphische
Abbildung 25: Isochrones Spannungsdehnungsdiagramm für PMMA [6]
13
KUNSTSTOFFE
4.1.4 Linear-viskoelastisches Verhalten
Das Zusammenwirken elastischen und viskosen Verhaltens und dessen Abhängigkeit von
Zeit und Temperatur kann nur im linearviskoelastischen Bereich einfach beschrieben
werden. Die drei im folgenden beschriebenen
Prinzipien stellen die Basis dar, um das linear-viskoelastische Verhalten zu beschreiben.
near-viskoelastischer Beanspruchung alle
Relaxationszeiten im Material die gleiche
Temperaturabhängigkeit besitzen.
Insofern lässt sich aus Messungen bei einer
kurzen Zeitspanne und verschiedenen Temperaturen auf einen großen Zeitbereich schließen (Abbildung 27).
a) Bolzmann’sches Superpositionsprinzip
Ruft die zeitabhängige Spannung σ1(t) die
Verformung ε1(t) und die zeitabhängige
Spannung σ2(t) die Verformung ε2(t) hervor,
so besagt das Superpositionsprinzip, dass die
Summe der Spannungen σ1(t) und σ2(t) die
Summe der Verformungen ε1(t) und ε2(t) bewirkt (Abbildung 26).
Somit können im visko-elastischen Bereich
die zu verschiedenen Zeiten durch aufgebrachte Belastung bewirkten Deformationen
errechnet werden.
Abbildung 27: Prinzip der Ermittlung des ZeitTemperatur-Verschiebungsprinzips [7]
Das Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzip
gilt für Elastomere, amorphe und teilkristalline Thermoplaste und in bestimmten Bereichen auch für gefüllte Kunststoffe.
4.1.5 Dynamische Beanspruchung
Die für das Verhalten bei dynamischer Beanspruchung maßgebenden Kenngrößen (Dauerschwingfestigkeit, Schwell- und Wechselfestigkeit) werden analog der Metallprüfung
im Dauerschwingversuch durch Ermittlung
der Wöhlerkurven ermittelt (siehe Skript
Stahl).
Abbildung 26: Boltzmann‘sches Superpositionsprinzip [7]
b) Korrespondenzprinzip
Das Korrespondenzprinzip leitet sich aus dem
Superpositionsprinzip ab. Es besagt, dass im
linear-viskoelastischen Bereich die Elastizitätstheorie und die zugehörigen Formeln mit
kleinen Änderungen verwendet werden dürfen: die Spannung σ wird durch die zeitabhängige Spannungsfunktion σ(t), die Verformung ε durch die zeitabhängige Verformung
ε(t) und der E-Modul durch den Kriechmodul
Ec ersetzt.
c) Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzip
Das Zeit-Temperatur-Verschiebungsprinzip
geht von der Voraussetzung aus, dass bei li-
Grundlegende Unterschiede ergeben sich
auch hier aus dem besonderen Verhalten der
Kunststoffe. Ihr gegenüber den Metallen sehr
viel niedrigerer Elastizitätsmodul bedingt
niedrige Kraftbereiche und größere Verformungswege der Prüfmaschine. Die infolge
der starken Dämpfung und geringer Wärmeleitung eintretende Erwärmung der Proben
erfordert niedrige Prüffrequenzen und führt
dazu, dass die Schwingfestigkeit frequenzabhängig wird. Zudem ergeben sich Unterschiede im Spannungsausschlag und Verformungsausschlag, da bei zeitlich konstantem Verformungsausschlag ein Abfall des
Spannungssausschlags eintritt. Der Einfluss
des Prüfklimas und der Probenvorbehandlung
ist besonders wirksam.
14
KUNSTSTOFFE
Das Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith
(vgl. Skript Stahl) erfährt insofern eine Abwandlung, als die Spitzen, in die die Oberund Unterspannungslinien auslaufen, nicht
der Zugfestigkeit entsprechen, sondern der
Zeitstandfestigkeit für jene Zeitdauer, die der
ertragenen Grenzschwingspielzahl entspricht.
Das bedeutet also, dass ein Kunststoffteil je
nach der Belastungsfrequenz eine unterschiedliche Lebensdauer besitzt.
Die Schwingfestigkeiten der einzelnen Kunststoffe sind stark verschieden. Einflüsse der
Vorgeschichte, der Form und Gestaltung und
der Umweltbedingungen erfordern eine besonders kritische Beachtung.
4.2 Thermische Eigenschaften;
Verhalten bei Brand
Aufgrund der eingeschränkten thermischen
Beweglichkeit ihrer Molekülketten sind
Kunststoffe schlechte Wärmeleiter. Die
Wärmeleitzahlen von dichten Kunststoffen
liegen im Bereich von 0,1 bis 0,4 W/mK
(zum Vergleich Stahl: λ = 50 W/mK); Füllstoffe und Verstärkungsfasern erhöhen die
Wärmeleitzahl. Schaumkunststoffe besitzen
besonders
niedrige
Wärmeleitzahlen
(λ ~ 0,01W/mK).
Die Wärmeausdehnungszahlen der Kunststoffe sind im allgemeinen hoch und betragen
das 10 bis 20-fache von Stahl und Beton.
Durch Füllstoffe und Fasern kann die Wärmedehnzahl abgesenkt werden. Die großen
Unterschiede zwischen Kunststoffen und anderen Baustoffen müssen in der Konstruktion
und beim Zusammenfügen beachtet werden,
da sonst Bauschäden infolge Zwang entstehen
können.
Kunststoffe sind brennbare Baustoffe; sie
werden nach DIN 4102 in die Klassen B1
(schwer entflammbar) oder B2 (normal entflammbar) eingestuft. Im Brandfall scheiden
Kunststoffe Rauch und gegebenenfalls toxische oder korrosionsfördernde Schadstoffe
ab. Die Entflammbarkeit kann durch chemischen Einbau anorganischer oder organischer
Additive herabgesetzt werden; die Zusätze
können jedoch das Gebrauchsverhalten ungünstig beeinflussen.
4.3 Resistenz der Kunststoffe gegen
äußere Einflüsse
4.3.1 Chemikalienbeständigkeit
Aufgrund des stofflichen Aufbaus der Kunststoffe können an ihrer Oberfläche jene Ionenreaktionen, die zur Korrosion metallischer
oder mineralischer Stoffe führen, nicht stattfinden. Die chemische Beständigkeit von
Kunststoffen ist deshalb im Allgemeinen gut,
wobei es Unterschiede zwischen den Kunststoffarten in Abhängigkeit vom angreifenden
Medium gibt (Tabelle 2).
Die langsame und nachteilige Veränderung
von Eigenschaften durch chemischen Angriff
wird als Alterung bezeichnet. Hierzu gehört
auch die Spannungsrisskorrosion, die zum
Beispiel bei PE-hart und PS-hart beobachtet
wurde.
4.3.2 Biologische Resistenz
Kunststoffe sind im allgemeinen gegen Pilze
und Mikroben resistent, sofern sie nicht fetthaltige Weichmacher oder organische Füllstoffe enthalten. Zerstörungen durch Käfer,
Termiten und Nager (Marderschaden bei
Bremsschläuchen, Dichtungen etc.) wurden
beobachtet.
4.3.3 Witterungsbeständigkeit
Trotz ihrer allgemein guten Witterungsbeständigkeit erfahren Kunststoffbauteile im
Freien unter der komplexen Einwirkung von
Feuchtewechseln, Temperatur und Sonnenlicht Veränderungen, die als Alterung bezeichnet werden. Die kurzwellige UVStrahlung des Sonnenlichts führt zu einem
Aufspalten der chemischen Bindungen. Folgen davon sind: Versprödung und Festigkeitsverluste, Verschlechterung der Durchsichtigkeit transparenter Kunststoffe und der
Lichtbeständigkeit etc. Die Alterungsbeständigkeit kann durch Beigabe von UVabsorbierenden Lichtstabilisatoren gesichert
werden.
15
KUNSTSTOFFE
Tabelle 1: Eigenschaften einiger Baukunststoffe [1]
Tabelle 2: Chemische Beständigkeit von Baukunststoffen [1]
16
KUNSTSTOFFE
Tabelle 3: Kunststoffe für den Bautenschutz [1]
5
Anwendungsgebiete
Kunststoffe werden heutzutage in nahezu
allen Gebieten des Bauwesens angewandt:
-
-
-
-
Bautenschutz, insbesondere Feuchteschutz und Bauwerksabdichtung
Wärme- und Schallschutz
Bindemittel für mineralische und organische Stoffe
Kleber und Leime
Technischer Ausbau
Innenausbau, Möbelbau, Baugestaltung
Hilfsstoffe für die Bauausführung (Schalungen)
Tragende Elemente (Elastomerlager,
GFK-Bauteile, Membrantragwerke)
5.1 Kunststoffe im Bautenschutz
Im Bautenschutz haben die Kunststoffe eine
große Bedeutung aufgrund ihrer Resistenz
und Zähigkeit erlangt.
In Tabelle 3 wird ein Überblick über die wesentlichen Kunststoffe, deren Schutzaufgaben
und Anwendungsfelder gegeben.
5.2 Wärme- und Schalldämmung
durch Schaumkunststoffe
Nahezu alle Kunststoffe sind schäumbar. Da
die Rohdichte, Porosität und dynamische
Steifigkeit der Schäume einstellbar sind, werden Schaumkunststoffe zur Schalldämmung
verwendet. Die übliche Lieferform sind Halbzeuge wie Platten oder Blöcke.
Ein weiterer Einsatzbereich für Schäume sind
die sogenannten Sandwichkonstruktionen, bei
denen ein Trapezblech ausgeschäumt wird. Es
entsteht ein Verbundbauteil, bei dem der
Schaum das Trapezblech aussteift und gleichzeitig für die Wärmedämmung sorgt. Auch
andere Deckschichten wie Aluminium oder
GFK werden für Sandwichkonstruktionen
eingesetzt.
17
KUNSTSTOFFE
5.3 Kunstharze als Bindemittel für
Beton, Mörtel und Putz
Kunstharze werden als Bindemittel für Beton,
Mörtel und Putz eingesetzt, wenn eine rasche
Festigkeitsentwicklung, hohe Festigkeit, hohe
Beständigkeit und gutes Haftvermögen gefordert ist. Als Bindemittel für Kunstharzbeton
haben sich EP- und UP-Harze bewährt.
Tabelle 4 zeigt eine Gegenüberstellung der
Eigenschaften von Normalbeton und Kunstharzbeton und -mörtel.
den am häufigsten verwendeten EP-Harzen
werden auch UP-, PMMA- und PUR-Harze
eingesetzt.
5.4 Leime und Kleber aus Kunststoffen
Die Holzwerkstoffe Sperrholz, Hartfaserplatte
und Holzspanplatte werden durch Kunstharze
gebunden bzw. verleimt. Die zur Anwendung
kommenden Kunstharze werden in Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit ausgewählt.
Kunststoffkleber, mit denen Kunststoffe untereinander und Bauteile aus beliebigen
Werkstoffen zusammengefügt werden können, werden in mehrere Gruppen unterteilt:
Dispersions-, Kontakt-, Lösungsmittel- und
Reaktionsharzkleber.
5.5 Glasfaserverstärkte Kunststoffe
GFK
Tabelle 4: Eigenschaften von Kunstharzbeton bzw.
–mörtel im Vergleich zu Normalbeton [1]
Die Betonherstellung und –verarbeitung erfordert große Sorgfalt. Die Mischungszusammensetzung, vor allem des Bindemittels, das aus Harz, Härter und Beschleuniger besteht, muss sehr genau sein.
Die Aushärtung eines Reaktionsharzes ist
bereits nach 24 Stunden (abhängig von der
Außentemperatur) weit fortgeschritten. Der
Beton oder Mörtel muss in der sogenannten
Topfzeit (die Zeit vor Beginn der Aushärtung;
ist einstellbar) verarbeitet werden. Die Volumenschrumpfung bei Aushärtung übertrifft
die von Normalbeton.
Kunstharzputze werden auf Flächen mit hoher
Verschleißbeanspruchung,
auf
Dämmschichten und für dekorative Zwecke eingesetzt. Die Bindemittel sind Dispersionen
von Flüssigkunststoffen (z.B. PVAC, PVP).
Übliche Putze können durch Dispersionsharzzusätze weniger rissanfällig und verfestigt werden. Flüssige, niedrigviskose
Kunstharze werden häufig in Form von Injektionen zur Bauteilsanierung, Rissdichtung,
Baugrunddichtung usw. angewandt. Neben
Durch die Einbettung von Glasfasern in Polyesterharze (GF-UP) entsteht ein Verbundwerkstoff, in dem das Harz die schubfeste
Verbindung der Fasern bewirkt. Damit wird
eine Erhöhung der Steifigkeit, der Festigkeit
und der Gebrauchstemperatur erzielt und der
Einsatz für tragende Konstruktionen ermöglicht. Für die Verstärkung kommen alkaliarme Glasfasern zur Anwendung, die einer
Alkaliauslaugung durch Feuchtigkeit widerstehen. Die Glasfasern (Einzeldicke 5 bis 15
µm) werden entweder als längsorientierte
Stränge (Rovings) oder in flächiger Form als
Matten, Vliese, Gewebe etc. geliefert. Für
Bauteile aus GFK werden folgende Fertigungsverfahren unterschieden:
-
Handlaminierverfahren: auf eine Matrize
werden in Harz getränkte Matten, Gewebe
etc. aufgelegt und verdichtet. Nach dem
Aushärten wird das GFK-Teil, z.B. ein
Fassadenelement, von der Matrize abgehoben.
-
Faserspritzverfahren: auf die Matrize wird
ein Gemisch aus Harz und Glasfaserabschnitten aufgespritzt und verdichtet.
Anwendung für Formteile, im Stollenbau
als Wasserisolierung u.a.
18
-
KUNSTSTOFFE
Wickelverfahren: kontinuierliches Aufwickeln getränkter Faserstränge oder Gewebebänder auf einen Kern zur Rohrherstellung
Die Verstärkung durch Stränge findet in nur
einer Richtung statt. Für Bauteile muss die
Verstärkung in der Ebene gleichmäßig erfolgen. Durch Matten mit beliebiger Faserorientierung kann dies erreicht werden.
In Abbildung 28 sind die Spannungsdehnungslinien der Einzelstoffe und des Verbundwerkstoffes dargestellt. Die Glasfaser hat
eine hohe Zugfestigkeit (1700 - 3600 N/mm²)
und reißt spröde ohne bleibende Verformung.
Der E-Modul beträgt ungefähr ein Viertel des
E-Moduls von Stahl. Festigkeit und E-Modul
von GFK nehmen mit dem Glasgehalt zu, der
für tragende Elemente zwischen 40 und 65%
liegt.
6.1 Hooke’scher Körper
Ein Material, das auf eine Belastung mit sofortiger Formänderung reagiert und die nach
Wegnahme der Last vollständig verschwindet, nennt man elastisch. Die Verformung eines elastischen Körpers ist unabhängig von der Zeit.
Das Verhalten eines elastischen Körpers wird
durch den Elastizitätsmodul charakterisiert.
Als Symbol für die Elastizität wird in der
Rheologie die Feder verwandt (Abbildung
29). Die Steifigkeit dieser Feder entspricht
dem E-Modul und wird mit c bezeichnet. Die
Längenänderung der Feder (l-l0) bei einer
Belastung durch die Kraft F entspricht der
Dehnung ε des Körpers bei einer Belastung
durch die Spannung σ.
Abbildung 29: Hooke-Modell
Das Materialgesetz für den Hooke’schen
Körper lautet:
F = c (l − l0 ) oder σ = E ε .
Abbildung 28: Spannungs-Dehnungslinien von
GF-UP und der Einzelstoffe im Vergleich zu
Stahl [1]
6
Rheologie
Kunststoffe sind auch im festen Zustand
visko-elastische Körper. Zur Beschreibung
des visko-elastischen Verhaltens sind rheologische Modelle geeignet. Im folgenden werden die drei Grundelemente besprochen, aus
denen sich die wichtigsten rheologischen
Modelle zusammensetzen.
Die zweite Formel kann im Bauingenieurwesen für viele Berechnungen angewandt
werden, da wichtige Werkstoffe wie Stahl,
Aluminium, Naturstein, Ziegel oder Glas sich
bis zu einer gewissen Spannung elastisch verhalten.
6.2 Newton’scher Körper
Der einfachste Fall eines zeitabhängigen Materialverhaltens ist die viskose Dämpfung. Bei
einem rein viskosen Material wird durch eine
Belastung eine beliebig große Deformation
erzeugt.
Abbildung 30: Newton-Modell
19
KUNSTSTOFFE
Charakteristisch für das Verhalten eines derartigen Materials ist nicht der Zusammenhang
zwischen Last und Verformung, sondern der
Zusammenhang zwischen der Last und der
Geschwindigkeit, mit der sich die Verformung entwickelt. Als Symbol für die viskose
Dämpfung dient der sogenannte Newton’sche
Dämpfer (Kolben in einem Zylinder mit zäher
Flüssigkeit). Die folgenden Formeln (mit
η = dynamische Zähigkeit [Pa s]) beschreiben
das Materialverhalten:
σ = η ε bzw. F = Aη
verlängert sich die Feder und der Dämpfer
entspannt sich.
Das resultierende Dehnungs-Zeit-Diagramm
zeigt die typische Kriechkurve (in
Abbildung 32 noch mit vorgeschalteter Feder,
da die Kunststoffe noch einen kleinen reinelastischen Bereich aufweisen).
1 dl
.
l dt
6.3 St. Venant’scher Körper
Materialien, die bei Erreichen einer gewissen
Belastungsstufe einer Deformation keinen
höheren Widerstand mehr entgegensetzen
nennt man plastisch. Zur Modellierung eines
derartigen Verhaltens dient eine Kiste auf
trockener rauer Unterlage. Das Coulomb’sche
Reibungsgesetz besagt, dass eine derartige
Kiste nur bewegt werden kann, wenn die angelegte Kraft de Haftreibungskraft überschreitet. Ist die Kiste in Bewegung, so ist die
Kraft, die erforderlich ist, um den Bewegungszustand aufrechtzuerhalten konstant.
Abbildung 32: Kriechen (Kelvin-Voigt-Modell +
Feder)
Entlastet man einen zuvor belasteten KelvinVoigt-Körper wieder vollständig, so nimmt
die Dehnung wieder ab und strebt asymptotisch gegen Null. Die gespannte Feder „zieht“
den Dämpfer wieder in seinen Ausgangszustand zurück. Dieser Effekt wird als Rückkriechen bezeichnet.
Bei der Untersuchung realer Werkstoffe wird
mitunter zwischen visko-elastisch und elastoviskos unterschieden. Dabei ist die jeweils
letztgenannte Eigenschaft die vorherrschende.
Abbildung 31: St. Venant-Modell
6.4 Kombinationen
Diejenigen Materialien, die durch Zusammenschalten der oben beschriebenen Elemente
modelliert werden, werden als viskoelastische Materialien bezeichnet.
6.4.1 Kelvin-Voigt-Körper
Der Kelvin-Voigt-Körper entsteht durch die
Parallelschaltung eines Hooke’schen und eines Newton’schen Körpers.
Belastet man einen Kelvin-Voigt-Körper mit
einer konstanten Last, so erhält man eine sogenannte Kriechfunktion. Aufgrund der Last
6.4.2 Maxwell-Körper
Der Maxwell-Körper entsteht durch die Reihenschaltung eines Hooke’schen und eines
Newton‘schen Elements und beschreibt ein
visko-elastisches Materialverhalten.
Bei Belastung mit einer konstanten Last dehnt
sich die Feder aus und der Dämpfer bleibt in
Ruhe. Beim Zeitpunkt t0 hat die Feder ihre
maximale Ausdehnung erreicht. Unter Beibehaltung der Dehnung entspannt sich der
Dämpfer und baut dadurch Spannung ab. Man
nennt dieses Verhalten Spannungsrelaxation
(Abbildung 33).
20
KUNSTSTOFFE
6.4.3 Burgers-Körper
Das Burgers-Modell (Abbildung 34) eignet
sich, wenn das Kriechen eines Kunststoffes
bis zu sehr hohen Verformungen beschrieben
werden soll.
Abbildung 33: Spannungsrelaxation (Maxwell)
Abbildung 34: Burgers-Modell
21
7
KUNSTSTOFFE
Literatur
[1]
Rostásy, F.S.: Baustoffe. Verlag Kohlhammer, 1983
[2]
Reinhardt, H.-W.: Ingenieurbaustoffe. Verlag Ernst & Sohn, 1973
[3]
http://www.roechling-haren.de/german/frame.htm
[4]
Scholz, W.: Baustoffkenntnis. Werner-Verlag, Düsseldorf, 1999
[5]
Bargel, H.-J.; Schulze, G.: Werkstoffkunde. Schroedel-Verlag, 1999
[6]
Hornbogen, E.: Werkstoffe. Springer, 1987
[7]
Menges, G.: Werkstoffkunde Kunststoffe. Hanser-Verlag, 1998
weitere Empfehlungen:
Domininghaus, H.: Die Kunststoffe und ihre Eigenschaften. Springer, 1998
8
Kurzzeichen
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KUNSTSTOFFE