Baden-Württemberg Stipendium Erfahrungsbericht über meinen
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Baden-Württemberg Stipendium Erfahrungsbericht über meinen
Baden-Württemberg Stipendium Erfahrungsbericht über meinen Aufenthalt am Surgical Planning Laboratory (Harvard Medical School) Boston, USA von Paul Mercea Heimathochschule: Studiengang: Hochschule Heilbronn / Universität Heidelberg Masterstudiengang Medizinische Informatik, 4. Semester Gasthochschule: Aufenthaltsziel: Zeitpunkt: Harvard Medical School Verfassen der Masterarbeit Mai 2012 bis Oktober 2012 Kontakt: pmercea@bwh.harvard.edu Ich stimme der Veröffentlichung dieses Erfahrungsberichts auf der Internetseite des Baden-Württemberg Stipendiums zu. Vorbereitungen des Aufenthalts US-Visum Um für ein halbes Jahr nach Boston kommen zu dürfen um am Surgical Planning Laboratory der Harvard Medical School an meiner Masterarbeit zu arbeiten, musste ich ein J-1Visum beantragen. Die Besonderheit bei diesem Visum ist, dass man nur über die Organisation CIEE (Council on International Educational Exchange) an alle notwendigen Unterlagen kommt, um es beantragen zu können. Während einige meiner Kommilitonen von der Einrichtung, an der sie ihre Masterarbeit geschrieben haben, beim Visaprozess unterstützt wurden, war dies bei mir leider nicht der Fall. CIEE wird in Deutschland von ein paar wenigen Reisebüros vertreten, die einen bei der Beantragung der Unterlagen unterstützen, sich um den Abschluss einer Auslandskrankenversicherung kümmern und monatlich Infoveranstaltungen für ihre J-1 Bewerber anbieten. Alles in allem ist das J-1 Visum keine sonderlich günstige Angelegenheit, solange aber die Kommunikation mit der Gasteinrichtung funktioniert und diese ihren Teil der Formulare schnell und gewissenhaft erledigt, kann man innerhalb von vier Wochen in den Besitz aller Unterlagen kommen, die für das Beantragen des Visums beim Konsulat erforderlich sind. Es ist trotzdem sehr ratsam sich möglichst früh um das Visum zu kümmern. WG-Suche Mit Harvard University, MIT (Massachusetts Institute for Technology), Northeastern University und zahlreichen weiteren Hochschulen ist Boston die Studentenstadt schlechthin. Dies ist auch auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt zu spüren. Möchte man möglichst zentral und in einem einigermaßen sicheren Viertel wohnen, muss man mit mindestens 800 US Dollar Miete für ein WG-Zimmer pro Monat rechnen. Die Preise variieren selbstverständlich je nach Lage, aber Kommilitonen, die ihre Bachelorarbeit an der Harvard Medical School geschrieben haben, gaben mir den Ratschlag Stadtteile wie Dorchester, Roxbury und Jamaica Plain bei meiner Wohnungssuche zu meiden, da die Kriminalitätsrate dort hoch ist. Wohingegen Gegenden wie Cambridge, Brookline und Fenway/Kenmore überwiegend von Studenten bewohnt sind und als sicher gelten. Das größte online Angebot an Wohnungsinseraten findet man auf www.craigslist.com und ein WG-Zimmer von Deutschland aus zu finden ist nicht sonderlich kompliziert. Am besten sucht man für ein paar Tage mehrmals täglich interessante Inserate heraus und schreibt alle an. Da Mietverträge in Boston meistens für ein ganzes Jahr abgeschlossen werden, gibt es viele Studenten, die ihre Zimmer in den Ferien oder während eines Auslandsaufenthalt für ein paar Monate untervermieten. Studium im Gastland Masterarbeit am Surgical Planning Laboratory der Harvard Medical School Meine Masterarbeit habe ich am Surgical Planning Laboratory (SPL) geschrieben. Dieses ist eine unterrichtende Einrichtung der Harvard Medical School an der Radiologieabteilung des Brigham and Women’s Krankenhauses in Boston. Da man nach Lehrplan des Masterstudiengangs Medizinische Informatik im letzten Semester keine Vorlesungen mehr besuchen muss und nur das Verfassens einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit auf dem Programm steht, blieben mir Vorlesungen in der bekannten Harvard Medical School leider verwehrt, was aber jedoch den Vorteil hatte, dass mir die sonst horrenden Studiengebühren ebenfalls erspart geblieben sind. Am SPL wird Forschung im Bereich der medizinischen Bildverarbeitung betrieben. Studenten, die für eine Masterarbeit ans SPL kommen, haben vorher meist die Gelegenheit sich für eines der zahlreichen laufenden Projekte zu entscheiden und mit ihrer Masterarbeit an der Entwicklung eines solchen Projekts beizutragen. Die Studenten werden bei ihrer wissenschaftlichen Arbeit von Postdocs betreut und haben die Möglichkeit an verschiedensten Schulungen und Vorträgen im Krankenhaus teilzunehmen. Gearbeitet wird in Teams, wobei die Größe des Teams je nach Projekt variiert. Praktikanten, Bachelor und Masterstudenten sowie Doktoranden arbeiten dabei zusammen und tauschen sich in regelmäßigen Meetings über ihre Fortschritte und den weiteren Verlauf der Zusammenarbeit aus. Da ich mich für ein relativ eigenständigen Projekt entschieden hatte, bestand mein Team aus lediglich drei Personen, was aber zum Vorteil hatte, dass ich glücklicherweise eine ausgezeichnete Betreuung bekommen habe, was am SPL nicht immer der Fall sein muss. Im Rahmen des Visiting scientist Programms der Harvard Medical School kann man in den Besitz einer Harvard ID kommen, mit der man Zugang zur Harvard Library sowie zu deren Online-Angebot an wissenschaftlichen Publikationen bekommt. Für meine Arbeit war ich fast lediglich auf Publikationen aus dem Online-Katalog angewiesen und es gab nie Probleme an diese ranzukommen. Teilnahme an Tagungen Das SPL ermöglicht seinen Masterstudenten die Teilnahme an den Projektwochen der National Alliance for Medical Image Computing (NA-MIC) die halbjährig stattfinden. Die Summer Project Week fand 2012 in Boston statt und bot zahlreichen Entwicklern, die auf dem Feld der bildgebenden Medizininformatik Forschung betreiben, die Möglichkeit ihre Projekte vorzustellen und sich untereinander auszutauschen. Dieses einwöchige Event bot eine sinnvolle Ergänzung zu meiner Arbeit und ich konnte eine Menge Feedback und Input für mein Projekt und meine Arbeit gewinnen. Aufenthalt im Gastland Boston gilt als eine der europäischsten unter den amerikanischen Großstädten. Sie ist die Hauptstadt von Massachusetts und die größte Stadt in Neuengland, wobei sie mit etwa 600.000 Einwohnern eine eher kleine Großstadt im Vergleich mit anderen Metropolen in den Vereinigten Staaten ist. Ein Vorteil davon ist, dass man in der Innenstadt alles zu Fuß erreichen kann und nicht auf ein Auto angewiesen ist, wie das an sonst so vielen Orten in den USA der Fall ist. Erfreulich ist, wie hilfsbereit und freundlich einem die meisten Menschen auf der Straße begegnen. Es kann schon mal passieren, dass man von Fremden angesprochen wird, ob sie einem weiterhelfen können, wenn man an einer Straßenecke einen orientierungslosen Eindruck macht, oder vor einem Stadtplan steht. Back Bay Skyline, Boston In der Schule hört man von Boston vor allem im Zusammenhang mit der Boston Tea Party und dem damit verbundenen Auslösen des Unabhängigkeitskriegs. Der sogenannte Freedom Trail, eine knapp 4 km lange rote Pflasterspur in der Innenstadt, verbindet alle historischen Sehenswürdigkeiten, die mit der Revolution in Verbindung stehen, so dass man nur dieser Spur folgen muss um etwas Nachhilfe in Sachen Amerikanischem Unabhängigkeitskrieg zu bekommen. Leben außerhalb der Hochschule Boston lädt mit seinen zahlreichen und teilweise sehr schönen Parks (z.B. Public Garden oder Boston Common) zum Spazierengehen oder Joggen ein. Im Allgemeinen wird sehr viel gejoggt in Boston. Ist man zu Fuß unterwegs begegnet man zu so ziemlich jeder Tageszeit joggenden Menschen. Es gibt auch einige öffentliche Sportplätze mit Football-, Baseball- und Basketball-Feldern auf denen sogar auffällig oft Fußball gespielt wird. Für Fans amerikanischer Sportarten ist Boston ein absoluter Hot Spot. Seien es die Red Sox im Baseball, die Celtics im Basketball, die Bruins im Eishockey oder die New England Patriots im Football, für jeden sollte etwas dabei sein und mit dem nötigen Kleingeld kann man so einige spannende Spiele live erleben. Baseballspiel im Fenway Park Fortbewegung in der Stadt Wie anfangs schon erwähnt ist man in Boston nicht auf ein Auto angewiesen. Die öffentlichen Verkehrsmittel fahren relativ zuverlässig, ab und zu kann es aber mal vorkommen, dass es aufgrund der etwas in die Jahre gekommenen und technisch anfälligen Straßenbahnen zu Verspätungen kommt. Man hat als Austauschstudent die Möglichkeit an ein Monatsticket zum halben Preis zu kommen, mit dem man dann alle innerstädtischen Bahnen und Busse uneingeschränkt nutzen kann. Eine Alternative zum Monatsticket stellt das im November 2011 eingeführte Bike-Sharing System dar. Nach europäischem Vorbild gibt es eine Menge Ausleihstationen über die ganze Stadt verteilt. Anstatt ein gebrauchtes Fahrrad zu kaufen, bietet es sich an eine einjährige Mitgliedschaft abzuschließen, für die man dann seinen eigenen USB-Stick ähnlichen Schlüssel bekommt und an jeder Station zu jeder Zeit ein Fahrrad ausleihen kann. Der einzige Haken an der Sache ist, dass bei Leihzeiten länger als 30 Minuten Gebühren anfallen, jedoch sollten 30 Minuten in den meisten Fällen reichen um von A nach B zu kommen. Wer sich ein Auto, z.B. für einen Wochenendtrip, ausleihen möchte ist mit unzähligen Autovermietungen gut bedient und für kürzere Ausflüge bietet sich das CarSharing System namens ZipCar an. Das Nachtleben in Boston Die Bostoner Partyszene konnte mich leider nicht ganz so überzeugen, da alle Bars und Clubs gesetzlich verpflichtet sind um 2 Uhr nachts zu schließen und die öffentlichen Verkehrsmittel um 1 Uhr herum die letzten Fahrten anbieten. Demzufolge finden viele Studentenpartys privat statt oder fangen für deutsche Verhältnisse sehr früh an. Nichtsdestotrotz gibt es viele interessante Bars, Restaurants und Clubs, die auf jeden Fall einen Besuch wert sind. Vor allem in Cambridge ist das Angebot aufgrund der vielen dort ansässigen Studenten vielfältig und gut. Praktische Tipps Konto eröffnen Es bietet sich an, gleich am Anfang des Aufenthaltes ein Konto bei einer amerikanischen Bank zu eröffnen. Außer einem gültigen Reisepass mit Visum sollte nichts weiteres nötig sein und man bekommt nach wenigen Minuten Beratergespräch eine sogenannte temporäre Debitcard in die Hand gedrückt, die außer dem Abheben von Geld am Automaten auch als Kreditkarte eingesetzt werden kann. Die richtige Karte (mit Namen und allem drum und dran) wird einem postalisch innerhalb einer Woche zugesendet. Verreisen mit dem Bus Für Ausflüge in andere Großstädte wie z.B. New York oder Washington D.C. bietet es sich an, möglichst rechtzeitig nach Bustickets zu schauen. Mit ein bisschen Glück kommt man so z.B. für 20 US Dollar nach New York und zurück, Internetverbindung im Bus inklusive. Jahreszeit für den Aufenthalt aussuchen Wer die Gelegenheit hat, sich aussuchen zu können, ob das Auslandssemester im Sommer oder im Winter stattfindet, sollte in Betracht ziehen, dass es in Boston im Sommer sehr heiß ( 35° C und mehr ) und im Winter eisig kalt ( bis zu -40° C ) werden kann. Persönliche Wertung des Aufenthalts War ich anfangs noch nicht so überzeugt von der Stadt und dem American way of life, kann ich nun nach fast sechs Monaten Aufenthalt sagen, dass der Aufenthalt in Boston auf jeden Fall eine positive Erfahrung für mich darstellt und es schade gewesen wäre, wenn ich die Möglichkeit für diesen Aufenthalt nicht wahrgenommen hätte. Ein Aufenthalt, der aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in Boston, nur mit Hilfe der finanziellen Unterstützung durch das Baden-Württemberg Stipendium realisiert werden konnte und mir ermöglicht hat, eine Menge wertvoller Erfahrungen zu sammeln, die meine akademische wie auch berufliche Laufbahn sicherlich beeinflussen werden. Hierfür möchte ich mich abschließend bei der BadenWürttemberg Stiftung für diese Unterstützung bedanken. Boston, Oktober 2012 Paul Mercea