Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes

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Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes
Altpapier:
Preisentwicklungen und
Preisindizes
Michael Bräuninger, Arno Hantzsche, Friso Schlitte,
Sven Schulze
HWWI Policy
Paper 76
© Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | 2013
ISSN 1862-4960
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HWWI Policy Paper Nr. 76
Altpapier:
Preisentwicklungen und Preisindizes
Michael Bräuninger, Arno Hantzsche, Friso Schlitte,
Sven Schulze
Studie der HWWI Consult GmbH im Auftrag der Stadtreinigung Hamburg (AöR)
© Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | 2013
Inhaltsverzeichnis
1 | Problemstellung
4
2 | Altpapiermärkte
2.1 | Globaler Altpapierhandel und seine Grenzen
2.2 | Altpapierrecycling und -verbrauch in Deutschland
2.3 | Altpapiersorten
2.4 | Erfassungssysteme
5
5
6
7
8
3 | Zur Ermittlung der wichtigsten Altpapierindizes
3.1 | Wirtschaftsinformationsdienste
3.2 | Statistikbehörden
3.3 | Papierbörsen
9
9
10
11
4 | Deskriptive und ökonometrische Analyse
4.1 | Entwicklung von Preisindizes im Vergleich
4.2 | Ökonometrische Analyse eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID
4.3 | Robustheit der Ergebnisse
4.4 | Fazit der Analyse
12
12
15
17
19
5 | Schlussfolgerungen
21
6 | Literaturverzeichnis
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3
1 | Problemstellung
Altpapier ist bereits seit Längerem ein gefragter Sekundärrohstoff. In der
Papierproduktion kommt er in großem Umfang zum Einsatz und wird zugleich mittels
etablierter Erfassungssysteme in Deutschland in hohem Maße getrennt von anderen
Fraktionen zurückgeholt. Zwar unterliegen die Preise für die verschiedenen Altpapiersorten im Zeitablauf merklichen Schwankungen. Jedoch hat dies in der Vergangenheit der Rückholung und dem Recycling von Altpapier keinen Abbruch getan.
Gegenstand der folgenden Untersuchung sind die Preisentwicklungen ausgewählter
Altpapiersorten und deren Abbildung in Preisindizes. Die Fragestellungen sind dabei,
inwieweit diese Indizes die Preisentwicklungen gut abbilden, ob ihnen dies gleichermaßen
gelingt oder ob es beobachtbare und im Laufe der Zeit veränderliche Abweichungen gibt.
Zu diesem Zweck erfolgt zunächst eine kurze Beschreibung der Altpapiermärkte im
globalen vor allem aber im europäischen und deutschen Kontext. Anschließend werden
die gängigen Vorgehensweisen zur Ermittlung von Altpapierpreisindizes dargestellt.
Daraufhin analysiert das zentrale Kapitel die Zusammenhänge ausgewählter Altpapierpreisindizes mit Hilfe deskriptiver und ökonometrischer Analysen. Einige Schlussfolgerungen runden die Studie ab.
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2 | Altpapiermärkte
2.1 | Globaler Altpapierhandel und seine Grenzen
Papier ist das Produkt, das in Europa am meisten wiederverwertet wird. Gründe
liegen einerseits im gestiegenen ökologischen Bewusstsein und immer strengeren
rechtlichen Rahmen. 1 Andererseits wird Altpapier als Produktionsfaktor zunehmend
bedeutender. So liegt der Anteil von Altpapier bei der Produktion von Papier und Pappe
im europäi-schen Durchschnitt bei 54 %. Mit einer Recycling-Quote von 72 % wird in
Europa so viel Altpapier für den Produktionsprozess zurückgeholt wie nirgendwo sonst
auf der Welt. 2 Insbesondere in Asien stehen relativ hohen Einsatzquoten von Altpapier
in der Produktion, weil vornehmlich niedrige Papierqualitäten hergestellt werden, sehr
niedrige Rückholquoten gegenüber, da Mülltrenn- und Müllaufbereitungssysteme noch
nicht ausreichend entwickelt sind. Infolge zunehmender Papierproduktion und
steigender Einsatzquoten haben sich in den letzten zehn Jahren die Exportmengen von
Altpapier aus Europa verdreifacht, und zwar auf netto 8,9 Mio. Tonnen im Jahr 2011.
Es hat sich ein globaler Handel mit Altpapier entwickelt (siehe Abbildung 1), wobei
über 95 % der europäischen Exporte nach Asien gingen. 3
Abbildung 1
1 Vgl. bspw. EU-Richtlinie 94/62/EG und Nachfolger: ec.europa.eu/environment/waste/packaging_index.htm.
2 CEPI (2011).
3 Vgl. CEPI (2011); Website European Recovered Paper Council (www.paperforrecycling.eu).
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Das niedrige Preis-Mengen-Verhältnis und hohe Transportkosten relativ zum transportierten Wert setzen dem weltweiten Handel mit Altpapier aber Grenzen. Die Papierindustrie greift daher mehr als dreimal so häufig auf heimische Input-Faktoren
zurück als die europäische Industrie im Durchschnitt (80 % vs. 25 % als Anteil heimischer Produktionsfaktoren im Vergleich zu importierten Faktoren). 4 Den 8,9 Mio. Tonnen Nettoexporten stehen etwa 50 Mio. Tonnen an eingesetztem Altpapier in Europa
gegenüber.
So ist es nicht verwunderlich, dass der innereuropäische Handel einen viel größeren
Stellenwert einnimmt. Mit 33,2 % der insgesamt in Europa recycelten Menge besitzt
Deutschland dabei den bedeutendsten Altpapiermarkt des Kontinents, gefolgt von
Frankreich und Spanien (je 10,5 %) sowie Italien (10,4 %). 5 Bei einem Nettoimport von
nur 0,9 Mio. Tonnen im Jahr 2010 standen 3,9 Mio. Tonnen Altpapierimporten 3 Mio.
Tonnen an Exporten gegenüber. Damit stammen dennoch etwa 24 % des von der Papierindustrie verbrauchten Altpapiers aus dem Ausland. 6 Im Gegensatz zu deutschen
Exporten, die zu 20 % ins nicht-europäische, hauptsächlich asiatische Ausland fließen,
ist der Anteil nicht-europäischer Importe verschwindend gering. Größter Handelspartner Deutschlands sind die Niederlande (1 Mio. Tonnen Importe, 1,3 Mio. Exporte)
gefolgt von den anderen direkten angrenzenden Nachbarländern sowie Großbritannien und Italien. Dieses Muster kurzer Handelswege, in dem sich die Signifikanz hoher
Transportkosten relativ zu Mengenpreisen für Altpapier sehr gut niederschlägt, lässt
zudem erwarten, dass Altpapierpreise in diesen Nachbarstaaten eng korreliert mit
deutschen Preisen sind. 7
2.2 | Altpapierrecycling und -verbrauch in Deutschland
Mit Rücklaufquoten nahe 80 % wird in Deutschland fast das gesamte Recyclingpotential ausgenutzt, da man davon ausgeht, dass 19 % der produzierten Papier- und
Pappemengen dauerhaft in Archiven und Bibliotheken sowie sanitär verschwinden.8
Abbildung 2 zeigt, dass Rücklauf- und Einsatzquoten in Deutschland kontinuierlich
gestiegen sind, insbesondere in den 1990er Jahren. Seit 2000 verharren die Quoten fast
am oberen Limit, da die Altpapier-Einsatzquoten (2010: 70,3 %; 2012: 73,4 % 9) aufgrund
eines zudem mit der Papierqualität variierenden Mindestanteils an notwendigen
4 Vgl. ERPC (2011).
5 Vgl. CEPI (2011).
6 VDP (2011); Berechnungen HWWI.
7 Vgl. auch Andrade/Thomas (2001), S. 43ff.
8 Vgl. VDP (2011); Website ERPC.
9 Vgl. VDP (2011/2013); Berechnungen HWWI.
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Frischfasern in der Papierproduktion ebenfalls begrenzt sind. Da beide Quoten also in
der letzten Dekade relativ konstant, weil technisch limitiert, blieben und sich das Altpapierangebot zudem sehr preisinelastisch verhält (siehe unten), dürfte insbesondere
die Produktion von Papier/Pappe/Karton (PPK) für im Folgenden zu untersuchende
Preisentwicklungen relevant sein. PPK-Produktion und auch PPK-Verbrauch stiegen in
Deutschland bis 2000 an und stabilisierten sich dann bei über 20 Mio. Tonnen, wobei der
Konjunktureinbruch von 2008/09 zu einem deutlichen temporären Absinken führte.
Abbildung 2
Entwicklung verschiedener Kennzahlen im Papierbereich in Deutschland
Tsd. t
25.000
%
100
90
80
20.000
70
60
15.000
50
40
10.000
30
20
5.000
10
0
1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010
Einsatzquote
AP-Verbrauch
Rücklaufquote
PPK-Verbrauch
0
PPK-Produktion
AP-Aufkommen
Quellen: VDP (2011); HWWI.
2.3 | Altpapiersorten
Altpapier wird in zahlreichen verschiedenen Qualitätsstufen gehandelt, die ab 2013
in einer revidierten Liste europäischer Standardgüteklassen (EN 643) festgehalten werden. Laut Dachverband der europäischen Papierindustrie CEPI (2011) machen Wellpappe (Sorte 1.05) und Kaufhausaltpapier (1.04) mit 44,3 % den größten Anteil zur Papierproduktion eingesetzten Altpapiers aus, gefolgt von Zeitungen/Zeitschriften
(26 %). Im Folgenden soll der Fokus auf der Klasse „gemischtes Altpapier“ liegen, das
einen Anteil von 19,1 % an der europäischen Gesamtproduktion besitzt und das die
Sorte gemischtes sortiertes Altpapier (1.02) einschließt. Die Sorte 1.02 darf maximal zu
40 % aus Zeitungen bestehen und enthält damit einen hohen Anteil an Verkaufsverpackungen aus Abfällen privater Haushalte. Höherwertiges Altpapier besitzt einen Anteil von 10,5 % am Altpapierverbrauch der Papierindustrie.
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Betrachtet man die Verwendungsseite, zeigt sich, dass gemischtes Altpapier zu
87,6 % wieder für die Herstellung von Verpackungen genutzt wird. Zu 7,6 % landet es
in der Produktion von Zeitungen und grafischen Papieren. Der Rest verteilt sich auf
Haushalts- und Sanitärprodukte sowie anderes.
2.4 | Erfassungssysteme
Unterschiedliche Erfassungsorte und Systeme gehen mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten bei der Rückholung von Altpapier einher. Für die Sorte gemischtes Altpapier 1.02 ist die haushaltsnahe Erfassung die relevanteste. Diese trug im Jahr 2008
mit einem Anteil von 39 % zum gesamten Altpapieraufkommen bei. 10 Von der haushaltsnahen Erfassung zu unterscheiden ist die gewerbliche Erfassung (50 %) sowie die
Erfassung und umgehende Wiederverwertung von Ausschuss und nicht verkaufter
Ware direkt am Produktions- oder Verarbeitungsstandort (11 %).
Während die gewerbliche Altpapiererfassung nach wie vor stetig zunimmt (2009: 7,7
Mio. Tonnen), liegt die Menge haushaltsnah erfassten Altpapiers seit Ende der 1990er
Jahre bei knapp über 6 Mio. Tonnen bundesweit. Die Abholung des Altpapiers wird in
der Regel von kommunalen Entsorgern oder durch von Kommunen beauftragte Private übernommen. Die Erfassung erfolgt durch verschiedene Sammelsysteme, von
denen die Monotonne („Blaue Tonne“) mit rund 66 % mittlerweile (2009) den größten
Anteil Altpapier erfasst, gefolgt von Depotcontainern (16,5 %), Bündelsammlungen
(4 %) und sonstigen Systemen (13,5 %). Dank des verstärkten Einsatzes der Monotonne
konnte bei steigender absolut verbrauchter Papiermenge die Menge nicht erfassten
Altpapiers zwischen 1990 und 2009 auf rund 2,6 Tonnen halbiert werden. 11 Vor allem
durch die Monotonne und Depotcontainer führen private Endverbraucher preisunabhängig konstant Altpapier zurück. Darüber hinaus ist das nicht gewerblich bereitgestellte Altpapierangebot relativ preisinelastisch, weil erstens Verpackungsaltpapiere,
deren Anteil an haushaltsnah erfassten Altpapieren etwa 20 % beträgt, laut Verpackungsverordnung zu mindestens 70 % recycelt werden müssen. Zweitens unterliegen
grafische Altpapiere einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Hersteller grafischer
Papiere (vertreten durch die AGRAPA – Arbeitsgemeinschaft Grafische Papiere), nach
der diese zu mindestens 80 % (±3 %) recycelt werden. An der Preisinelastizität ändern
bei Altpapierpreisen auf derzeitigem Niveau auch private Sammelstellen wenig, die
(vor allem das Vorsortieren von) Altpapier geringfügig vergüten.
10 Vgl. Bilitewski/Kügler (2010).
11 Vgl. Bilitewski/Wagner (2010); VDP (2011).
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3 | Zur Ermittlung der wichtigsten Altpapierindizes
Preise und Preisindizies für gehandeltes Altpapier werden von drei Anbietertypen
erfasst und berechnet. Die Daten privater Wirtschaftsinformationsdienste und öffentlicher Statistikbehörden basieren auf Umfragen zu in der Regel mittel- bis langfristigen
Liefervereinbarungen. Kurzfristige Spotpreisentwicklungen werden auf Wertstoffbörsen erfasst.
3.1 | Wirtschaftsinformationsdienste
Für den deutschen Altpapiermarkt wichtigster Anbieter aktueller Preisinformationen ist der Europäische Wirtschaftsdienst (EUWID). Auf Grundlage „eigenhändiger
und unabhängiger“ Recherche sowohl bei Lieferanten als auch bei Nachfragern übermittelt dieser 1926 gegründete Wirtschaftsinformationsdienst, der u.a. auch in den
Branchen Wasser, Holz, Möbel und neue Energien tätig ist, mehrmals im Monat Maximal- und Minimalpreise verschiedener Arten Altpapier (einschließlich gemischte
Ballen, Kaufhausaltpapier, Deinkingware, etc. siehe Abbildung 3) an zahlende Abonnenten. 12 Diese Preise basieren in der Regel auf Monatsabschlüssen und werden „frei
Werk“ inklusive Mautkosten angegeben. Neben Preisen zum deutschen Altpapiermarkt sind auch Daten zu französischen, italienischen, britischen und seit 2011 auch
polnischen Märkten verfügbar. Von EUWID veröffentlichte Preise dienen häufig als
Referenzwert beim Abschluss von Lieferverträgen. Ein weiterer privater Anbieter von
europäischen Altpapier-Preisindizes ist FOEX Indexes, ein Unternehmen mit Sitz in
Finnland, das monatlich und wöchentlich konsolidierte Preisdaten zur Verfügung
stellt. Da Altpapiermärkte nicht öffentlich und Anbieterdaten privat sind, bleibt die
Erhebungsmethode intransparent. 13
12 Vgl. www.euwid-papier.de.
13 Vgl. für eine Einschätzung Büsch (2011), S. 101f.
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Abbildung 3
Händlerpreise* für Altpapier in Deutschland
EUR/t
450
400
350
300
250
200
150
100
50
0
Apr 2009
Jul 2009
Okt 2009
Jan 2010
Gemischte Ballen (1.02)
Wellpappen-ll-Abfälle (4.03)
Deinkingware /1.11)
Multidruck (3.10)
Weiße Kuvertspäne (3.18.01)
Apr 2010
Jul 2010
Okt 2010
Jan 2011
Apr 2011
Kaufhausaltpapier (1.04)
Alte Zeitungen (2.01)
Bunte Akten (2.06)
Weiße Rotationsabfälle (3.14/3.15)
*Preise basierend auf Monatsverträgen.
Quellen: EUWID (2011); HWWI.
3.2 | Statistikbehörden
Ex post – das heißt rund vier Wochen nach Erhebung – werden AltpapierPreisentwicklungen als lange Indexreihen vom Statistischen Bundesamt für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht. Altpapier (einschließlich der Sorten gemischt [Destatis
1.02] und Kaufhausaltpapier [Destatis 1.04], siehe Abbildung 4) gehört dabei zu den
406 Warenarten der Großhandelsverkaufspreis-Statistik, für die bundesweit monatlich
über 1000 Händler zur Übermittlung aktueller Preise verpflichtet werden. Die Auswahl der Berichtsstellen erfolgt gezielt anhand des Handelsumsatzes, um Repräsentativität zu gewährleisten. Preise sind nicht saisonbereingt, enthalten Verbrauchssteuern,
nicht jedoch die Umsatzsteuer und beziehen sich auf Vertragsabschlüsse am Stichtag
(5. des Berichtsmonats), beziehungsweise kurz davor oder danach. Um die Vergleichbarkeit der Preise zu sichern, müssen Berichtsstellen zusätzlich Angaben zu Warenqualität, Liefermenge, Versandart, Käufertyp und Rabatten machen sowie gegebenenfalls vergleichbare Vormonatspreise melden. 14 Für die EU-27 liegen Preisindikatoren
14 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012).
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für Altpapier in der Eurostat-Handelsstatistik Comext vor. Die Preisindizes der Statistikbehörden dienen hauptsächlich zur Prognose zukünftiger Inflationstendenzen.
Abbildung 4
Preisindizes verschiedener Altpapiersorten
Index, 2010=100
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Gemischtes Altpapier (B 12–1.02), Gewicht 100 %
Papier- und Pappereststoffe zur Papier- und Pappeherstellung (ohne gem. Altpapier), Gewicht 100 %
Zeitungen und Illustrierte (D 31–1.08+1.09) sowie Deinkingware ( D39–1.11), Gewicht 33,5 %
Tageszeitungen (E 12–2.01), Gewicht 8,6 %
Kaufhausaltpapier (B 19–1.04), Gewicht 47,8 %
Gebrauchte Wellpappe (W52–4.03), Gewicht 10,1 %
Quellen: Statistisches Bundesamt (2013); HWWI.
3.3 | Papierbörsen
Mit zunehmendem Altpapierangebot und steigenden Wiederverwertungsquoten ist
in den letzten Jahren die Bedeutung von Altpapierbörsen gestiegen. Auf diesen Spotmärkten werden in der kurzen Frist hauptsächlich jene Altpapiermengen veräußert,
deren Handel nicht durch längerfristige Verträge (Terminmarkt) abgedeckt ist. Volatilere Spotmarktpreise können kurzfristige Angebots- und Nachfrageänderungen abbilden, liegen allerdings – ebenso wie Daten von Informationsdiensten – nicht öffentlich,
also nur registrierten Händlern vor. Mitgliederbasierte Online-Handelsplätze, wie die
Inter-kontinentale Papierbörse (Inter-Continental Paper Exchange, paperfiber.com)
sowie die European Recycler’s Exchange (euro.recycle.net), sind Beispiele solcher Altpapierbörsen.
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4 | Deskriptive und ökonometrische Analyse
Die vorherigen Kapitel haben gezeigt, dass Altpapier ein bedeutsamer Sekundärrohstoff ist, dessen Preise größeren Schwankungen ausgesetzt sind. Dies lässt sich nicht
nur an den reinen Preiszeitreihen sondern auch an aggregierten Indizes ablesen. Diese
werden wiederum auf unterschiedliche Weise ermittelt. Trotzdem steht grundsätzlich
zu erwarten, dass diese in enger Korrelation zueinander und zu den Preisentwicklungen stehen. Sofern das im Zeitablauf nicht der Fall ist, spräche dies für Änderungen in
der Erhebungs- oder Berechnungsmethode, die sich in einem sogenannten Strukturbruch widerspiegelten. Um Aufschlüsse über die Konsistenz verschiedener Preisindizes im Allgemeinen und einen Strukturbruch bei der Entwicklung des EUWIDPreisindex „gemischte Ballen“ Altpapier im Speziellen zu erhalten, wird wie folgt vorgegangen: Zuerst wird deskriptiv dargestellt, wie sich der mittlere EUWID-Index, als
Mittelwert zwischen berichteten Minimal- und Maximalpreisen, im Beobachtungszeitraum Januar 2001 bis Januar 2013 im Vergleich zu anderen nationalen und internationalen Indizes für Altpapier verhielt. Die anschließende ökonometrische Analyse soll
dazu dienen, Änderungen im relativen Verhalten zu ergründen.
4.1 | Entwicklung von Preisindizes im Vergleich
Hinsichtlich erfasster Preise ist am besten der Indikator 1.02 des Statistischen Bundes-amtes, der monatliche Änderungen von Großhandelsverkaufspreisen für gemischtes Altpapier erfasst, mit dem mittleren EUWID-Index für gemischte Ballen zu vergleichen. Betrachtet man die Wertentwicklung seit Januar 2001 (=100 %), so zeigt sich
tatsächlich ein relativ eng verbundener Verlauf beider Indizes (Abbildung 5). Dieser
Verlauf ist durch hohe Volatilität gekennzeichnet, welche wiederum die konjunkturelle
Lage sehr gut abbildet. So führte die globale Wirtschaftskrise 2008/09 zu einem starken
Verfall von Altpapierpreisen. Nach einer überproportionalen Erholung 2010/11 liegen
die Preise im Durchschnitt heute wieder auf dem mittleren Vorkrisen-Niveau.
Der Indexvergleich in Abbildung 5 weist aber auch darauf hin, dass im Jahr 2008 ein
Strukturbruch stattfand, der im nächsten Abschnitt ökonometrisch analysiert wird: Vor
diesem Bruch lag der mittlere EUWID leicht über dem Destatis 1.02-Index, nach 2008
aber deutlich darunter. Zudem nahm die Differenz in der Wertentwicklung beider Indizes seit 2008 signifikant zu.
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12
Abbildung 5
Wertentwicklung
Index, 01.2001=100%
500%
Differenz
Destatis 1.02
Mittlerer EUWID
400%
300%
200%
100%
0%
-100%
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Quellen: EUWID (2013); Statistisches Bundesamt (2013); HWWI.
Vergleicht man die Indexentwicklung (Basisjahr 2010) mit denjenigen von SRHHRecyclinghof-Ausschreibungen, Großhandelsverkaufspreisen für Kaufhausaltpapier
(Destatis 1.04) sowie der Entwicklung von Zellstoffpreisen, so zeigt sich das gleiche
Phänomen: In den letzten Jahren lag der mittlere EUWID auf einem vergleichsweise
niedrigen Niveau (Abbildung 6).
Abbildung 6
Preisindizes für Altpapier im Vergleich
Index, 2010=100
180
Destatis 1.02
160
Destatis 1.04 (Kaufhausaltpapier)
140
Mittlerer EUWID
HWWI-Zellstoffpreis-Index
120
100
80
60
40
20
0
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Quellen: EUWID (2013); Statistisches Bundesamt (2013); HWWI.
Vom Europäischen Wirtschaftsdienst zur Verfügung gestellte Preisdaten anderer europäischer Länder können außerdem zum Vergleich dienen, da zu erwarten ist, dass
Alt-papierpreise über Ländergrenzen hinweg eng korreliert sind. So wurden aus Auslands-daten ebenfalls mittlere Preisreihen berechnet, um zu analysieren, ob Struktur-
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13
brüche auch für sie gelten und damit beispielsweise in einer Änderung der Erhebungstechnik durch EUWID begründet sein könnten. Bereits der Blick auf die Daten spricht
gegen diese Hypothese. Auch im europäischen Vergleich verlief der deutsche EUWID
bis 2008 leicht überdurchschnittlich, danach deutlich unterdurchschnittlich (Abbildung
7). Für die relative Wertentwicklung gilt dies genauso wie für absolute Preise. Ein Absinken der deutschen Preise ist umso weniger erklärlich als sich diese EUWID-Preise
„frei Werk“ verstehen, das heißt inklusive Lieferkosten (und seit 2005/06 einschließlich
Lkw-Maut), während die Preisreihen für Frankreich, Italien und Großbritannien von
EUWID „ab Werk“ angegeben werden, das heißt Transportkosten zahlt der Empfänger.
Abbildung 7
Der mittlere EUWID im europäischen Vergleich
EUR/t
140
120
Mittlerer EUWID DE
Mittlerer EUWID GB
Mittlerer EUWID FR
Mittlerer EUWID IT
100
80
60
40
20
0
-20
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Quellen: EUWID (2013); HWWI.
Dass strukturelle Änderungen des Altpapiermarktes, beispielsweise durch den Zutritt von Billiganbietern, zu Verzerrungen des mittleren EUWID geführt haben, kann
ausgeschlossen werden. Die Preisspanne zwischen Minimal- und Maximalpreis blieb
seit 2003 relativ konstant zwischen 5 und 15 Euro (Abbildung 8).
Abbildung 8
Preisspanne EUWID als Differenz zwischen Berichtspreismaximum und -minimum
EUR
35
30
25
20
15
10
5
0
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz
Jan Nov Sep
Jul
Mai Mrz
Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Quellen: EUWID (2013); HWWI.
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14
Aufschlussreich ist ebenfalls, dass ein Strukturbruch nicht nur beim deutschen EUWID-Index für gemischte Ballen sondern (etwas später) auch beim EUWID-Index für
die Zweitmengenvergütung festzustellen ist (Abbildung 9). Preise aus der Zweitmengenveräußerung als Spotmarktpreise liegen über denen für gemischte Ballen, welche
meist auf Langfristverträgen basieren. Zwar hat die Differenz zwischen beiden EUWID-Indizes kontinuierlich zugenommen. Allerdings nicht in einem Maße, dass ein
Preisverfall des Index für gemischte Ballen ausgeglichen werden würde. Tatsächlich
sank auch der Zweitmengenindex ab 2011 deutlich ab, verglichen mit dem Ausschreibungsindex der Stadtreinigung Hamburg – ebenfalls ein Spotmarktindex –, mit dem er
im Jahr 2010 noch etwa gleich verlief.
Abbildung 9
Spotpreise für Altpapier
EUR/t
180
160
Differenz EUWID
EUWID Zweitmengenvergütung
EUWID
Ausschreibung SRHH
140
120
100
80
60
40
20
0
Jan
Jun Nov
Apr
Sep Feb
Jul
Dez Mai
Okt
Mrz Aug
Jan
Jun Nov
2007 2007 2007 2008 2008 2009 2009 2009 2010 2010 2011 2011 2012 2012 2012
Quellen: EUWID (2013); Stadtreinigung HH (2013); HWWI.
4.2 | Ökonometrische Analyse eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID
Um der Hypothese eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID für Deutschland im
Jahr 2008 auf den Grund zu gehen, wird in einem einfachen linearen Regressionsmodell dieser Index zuerst auf den Destatis-Index 1.02 regressiert.
Wie erwartet, kann der Destatis-Index den mittleren EUWID gut erklären (R²=0,74).
Um im Modell eine Änderung im Zusammenhang zwischen beiden Indizes zu berücksichtigen, bieten sich aus statistischer Sicht zwei Möglichkeiten: Die Aufnahme eines
Jahresdummys, der vor Strukturbruch 2008 null, danach eins ist, sowie eines linearen
Trends. Tabelle 1 zeigt, dass die Vorhersagekraft eines Modells sowohl mit Dummys
und als auch Trend mit R²=0,95 die höchste ist (Modell IV).
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Der negative Trend-Koeffizient bestätigt, dass die Differenz zwischen beiden Indizes
im Zeitablauf größer wird. Der signifikante Jahresdummy wiederum unterstützt die
Strukturbruch-Hypothese: Ab 2008 liegt der mittlere EUWID im Schnitt 13 Euro niedriger als es bei einer Fortschreibung der Entwicklung vor 2008 der Fall wäre.
Tabelle 1
Regressionsanalyse: mittlerer EUWID - Destatis 1.02
Abhängige Variable: mittlerer EUWID (absolut in EUR)
Zeitraum: 01.2001-12.2012
Methode: Kleinste Quadrate
Regressions-Gleichung: 𝐸𝑈𝑊𝐼𝐷𝑡 = 𝛽1 𝐷𝑒𝑠𝑡𝑎𝑡𝑖𝑠𝑡 + 𝑐 + 𝛽2 𝐷𝑢𝑚𝑚𝑦 + 𝛽3 𝑡 + 𝜀𝑡
Destatis 1.02
(absolut in €)
I
II
III
IV
0,851
0,707
0,833
0,877
[62,61]
[22,38]
[48,69]
[50,26]
10,473
9,629
11,981
[5,00]
[9,09]
[11,38]
-19,297
-12,803
[- 20,39]
[-8,80]
Konstante
Jahresdummys
ab 2008
Trend
-0,102
[-5,54]
R²
0,740
0,779
0,944
0,954
1 % Signifikanzniveau; t-Statistiken in eckigen Klammern
Quelle: HWWI.
Für einen Strukturbruch lässt sich zudem formal testen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Stichprobe am Zeitpunkt des erwarteten Strukturbruchs zu teilen und zu testen, ob die Koeffizienten der Regressionen beider Teilstichproben gleich sind (ChowStrukturbruch-Test). Führt man eine Reihe solcher Tests entlang der Zeitachse durch
(Quandt-Andrews-Test), zeigt sich, dass die Null-Hypothese „Kein Strukturbruch“
insbesondere für den Zeitpunkt Oktober 2008 klar abgelehnt werden muss (siehe Tab.
2 und Abbildung 11 unten). In einer zweiten Testvariante werden Koeffizienten eines
Regressionsmodells mit Teilstichproben ermittelt, die bis zum Strukturbruch reichen.
Mithilfe dieser Koeffizienten wird versucht, den Verlauf der EUWID-Reihe nach Strukturbruch zu prognostizieren (Chow-Prognose-Test). Da die Prognose stark vom tatsächlichen Verlauf des mittleren EUWID abweicht, spricht sich auch dieser Test klar
für einen Strukturbruch aus. 15
15 Die Null-Hypothese „Kein Strukturbruch“ zum Zeitpunkt 10.2008 muss mit einem p-Wert=0,0000 (F-Statistik= 19,95) abgelehnt werden,
siehe Tabelle 2 unten.
HWWI Policy | Paper Nr.76
16
Um zu verdeutlichen, wie der Verlauf des mittleren EUWID ohne Strukturbruch hätte aussehen können, wird das erklärungsstärkste Modell einer Regression des EUWID
auf die Destatis-Reihe (mit Konstante und Trend) im Zeitraum 01.2001-09.2008 benutzt,
um den Verlauf im Zeitraum 10.2008-12.2012 zu prognostizieren. Abbildung 10 zeigt,
dass ohne die Verzerrung seit 2008 der mittlere EUWID heute zwar knapp unter der
Benchmark-Reihe des Statistischen Bundesamtes läge, aber nicht in einem Maße von
dieser abweicht, wie es beim tatsächlichen mittleren EUWID der Fall ist.
Abbildung 10
Prognostizierter EUWID-Verlauf ohne Strukturbruch
EUR/t
160
Strukturbruch 10.2008
140
120
100
80
60
40
20
0
Jan Nov Sep Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep Jul
Mai Mrz Jan Nov Sep
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012
Mittlerer EUWID
Destatis 1.02
Prognostizierter EUWID ohne Bruch
Quellen: EUWID, 2013, Statistisches Bundesamt, 2013; Berechnungen HWWI.
4.3 | Robustheit der Ergebnisse
Um die Robustheit des Strukturbruchs zu prüfen, wird das Regressionsmodell in einem ersten Schritt wie folgt geändert: Als Alternative zu Destatis 1.02 sollen nun die
EUWID-Indizes aus Frankreich und Italien dazu dienen, den deutschen mittleren EUWID zu er-klären. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 aufgeführt.
HWWI Policy | Paper Nr.76
17
Tabelle 2
Regressionsanalysen 2
Methode: Kleinste Quadrate
Variablen als absolute Preise in EUR (Destatis 1.02 als Preis: Anfangswert zum 01.2001 = mittlerer EUWID)
SteigungsQuandtkoeffizient
Andrews-Test: QA-Test: FBestimmt(Teilstichprobe Zeitpunkt
Statistik,
heitsmaß R² ab Bruch)
Bruch
p-Wert
Abhängige
Variable
Erklärende
Variable
Steigungskoeffizient
(gesamt)
EUWID DE
Destatis 1.02
0,851
0,740
0,722
10.2008
361,3/0,0000
EUWID DE
EUWID FR
0,918
0,242
0,743
06.2008
205,4/0,0000
EUWID DE
EUWID IT
0,890
0,389
0,732
04.2008
243,7/0,0000
EUWID DE
EUWID GB
0,816
0,677
--
--
--
EUWID FR
Destatis 1.02
0,882
0,89
--
05.2006
222,4/0,0000
EUWID IT
Destatis 1.02
0,922
0,923
--
03.2007
106,7/0,0000
EUWID GB
(ab 07.2007)
Destatis 1.02
0,916
0,875
--
06.2011
14,7/0,0029
EUWID DE
SRHH-Ausschr.
0,584
0,219
--
--
--
EUWID DE,
SRHH-Ausschr.
Zweitmengenverg. (ab 04.2010)
0,785
0,264
--
--
--
Destatis 1.02
0,829
0,405
--
--
--
(ab 07.2007)
(ab 04.2010)
SRHH-Ausschr.
(ab 04.2010)
Quelle: HWWI.
Es wird deutlich, dass der Index Destatis 1.02 den deutschen mittleren EUWID am
besten erklären kann. Bemerkenswert ist aber auch, dass bei der Verwendung ausländischer EUWID-Indizes als Erklärungsvariablen das Merkmal des Strukturbruchs im Jahr
2008 signifikant fortbesteht (französischer EUWID: Juni, italienischer EUWID: April).
Um noch deutlicher zu zeigen, dass ein Bruch 2008 nur beim deutschen EUWIDIndex stattfand, wird in einem zweiten Schritt der Index Destatis 1.02 verwendet, um
neben dem deutschen auch den französischen, italienischen und (ab 2007) britischen
EUWID-Index zu erklären. Überraschenderweise liegt das Bestimmtheitsmaß jeder
dieser drei Regressionen höher als bei einer Regression des deutschen Index – ein Zeichen für Verzerrungen bei Letzterem. Tests zeigen signifikante Strukturbrüche auch
bei Regressionen ausländischer Indizes auf Destatis 1.02 an. Allerdings sind vergleichbare Teststatistiken durchgehend niedriger, was für eine geringere relative Signifikanz von
Strukturbrüchen spricht. Auch unterscheiden sich die Zeitpunkte, für die Strukturbrüche
des französischen, italienischen und britischen Index am signifikantesten sind, stark vom
Zeitpunkt 10.2008 eines Strukturbruchs beim deutschen EUWID (vgl. Abbildung 11).
HWWI Policy | Paper Nr.76
18
Abbildung 11
Größe der Strukturbruch-Teststatistik
Likelihood Ratio F-Statistik, Quandt-Andrews-Test*
400
Mittlerer EUWID DE
350
300
250
200
Mittlerer EUWID FR
Mittlerer EUWID IT
Mittlerer EUWID GB
150
100
50
0
Jan
Dez
Nov
Okt
Sep
Aug
Jul
Jun
Mai
Apr
Mrz
Feb
Jan
Dez
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2012
*Regression auf Destatis 1.02.
Quelle: HWWI.
Kein Zusammenhang konnte hingegen zwischen Zellstoff- und Altpapierpreisen gefunden werden. 16
Schließlich wurde noch der Preisindex für Recyclinghof-Ausschreibungen der Stadtreinigung Hamburg auf seine Korrelation mit vergleichbaren Indizes hin getestet. Wie
er-wartet, ist der Zusammenhang zwischen den SRHH-Preisen und Preisen der EUWID Zweitmengenvergütung etwas stärker als zwischen SRHH-Preisen und dem mittleren EUWID für gemischte Ballen (R²=0,26 vs. R²=0,22). Deutlich stärker ist er jedoch
zwischen SRHH-Preisen und Destatis-Preisen (R²=0,41). Dies kann als weiteres Zeichen
für Verzerrungen des deutschen EUWID interpretiert werden.
4.4 | Fazit der Analyse
Die ökonometrische Analyse zeigt, was ein Blick auf die Datenreihen bereits suggeriert: Bei den durch EUWID veröffentlichten deutschen Altpapierpreisen fand im Jahr
2008 ein Strukturbruch statt. Bewegte sich der mittlere EUWID-Index vor dem Bruch
eng mit vergleichbaren nationalen wie europäischen Indizes, sanken relative Preise
nach 2008 deutlich ab. Dieses Phänomen ist unabhängig von strukturellen Änderungen
im deutschen Altpapiermarkt. Auch trifft es nur auf den mittleren deutschen EUWID
(und hiesige EUWID-Preise zur Zweitmengenvergütung) zu, weshalb Anpassungen
der generellen Erhebungstechnik des Europäischen Wirtschaftsdienstes als unwahrscheinlich angesehen werden können. Aufschluss über die Gründe der Verzerrung
16 Die einfache Regressionsanalyse, in der der HWWI-Holz- und Zellstoffpreisindex als erklärende Variable Verwendung findet, deutet weder auf
einen Zusammenhang mit EUWID (R²=0,19) noch mit Destatis 1.02 (R²=0,21) hin. Damit werden die Ergebnisse von Angus et al. (2012) bestätigt. Andrade und Thomas (2001, S. 43ff.) hingegen fanden einen positiven Zusammenhang zwischen Altpapier- und Zellstoffpreisen (lags).
HWWI Policy | Paper Nr.76
19
und Aussagen zu ihrer Korrektur könnte eine umfassende ökonometrische Analyse
der Bestimmungsfaktoren von Altpapierpreisen liefern.
Die einfache Modellierung eines korrigierten EUWID-Index ohne die Eigenschaft eines Strukturbruchs zeigt, dass auf tatsächliche mittlere Preise etwa 25 Euro aufgeschlagen werden müssen, um Verzerrungen auszugleichen (Abbildung 12) – Tendenz steigend.
Abbildung 12
Korrekturaufschlag auf mittleren EUWID
Differenz zwischen HWWI-Prognose ohne Strukturbruch und tatsächlichem EUWID
EU/t
35
30
25
20
15
10
5
0
-5
-10
-15
Jan
Dez
Nov
Okt
Sep
Aug
Jul
Jun
Mai
Apr
Mrz
Feb
Jan
Dez
2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2012
Quelle: HWWI.
HWWI Policy | Paper Nr.76
20
5 | Schlussfolgerungen
Ziel der Studie war eine Untersuchung der Entwicklung von Altpapierpreisen und
deren Abbildung in Preisindices. Im Mittelpunkt stand dabei die Überprüfung ihrer
Konsistenz sowie ihrer Fähigkeit, Preisentwicklungen gut wiederzugeben. Folgende
Ergebnisse lassen sich festhalten.
Das Marktgeschehen wird überwiegend durch die Mengen in Deutschland und
seinen europäischen Nachbarländern bestimmt, obgleich die Bedeutung des
asiatischen Wirt-schaftsraumes vor allem als Exportmarkt stetig zunimmt. Im
europäischen Kontext kann mithin ein weitgehender Gleichlauf der Preise erwartet
werden. Sowohl ein für die Papierproduktion bedeutsamer Bedarf an Altpapier als
auch Regelungen zum Altpapierrecycling führen zu umfangreichen Mengenströmen
dieses Sekundärrohstoffes. Diese sind relativ preisinelastisch.
Im Zeitablauf sind die Preise für alle Altpapiersorten sehr volatil. Die
Preisentwicklung der einzelnen Sorten verläuft hierbei weitgehend parallel. Diese
Preise werden von Wirtschaftsinformationsdiensten, Statistikbehörden und auf
Grundlage von Daten von Papierbörsen erfasst, welche sich wiederum in
sortenspezifische Preisreihen und -indizes überführen lassen. Da es sich bei
befragungsbasierten Preiserhebungen meist um nicht öffentliche Informationen
hinsichtlich Methode, Befragten usw. handelt, konn-ten hierzu keine näheren
Aussagen getroffen werden.
Die Untersuchung der dazu gehörigen Zeitreihen zeigt erstens, dass der mittlere
EUWID-Preisindex für gemischte Ballen im Oktober 2008 einem Strukturbruch
unterlag, denn während er bis dahin parallel oberhalb des Index Destatis 1.02 für
gemischte Ballen lag, verlief er danach dauerhaft darunter. Zweitens gilt dieselbe
Beobachtung für den deutschen Index im Vergleich zu denjenigen der europäischen
Nachbarländer Großbritannien, Frankreich und Italien – gemessen an den jeweiligen
mittleren EUWID-Preisen. Drittens fand der Strukturbruch zeitverzögert auch im
EUWID-Index der Zweitmengenvergütung statt. Viertens wurde berechnet, dass der
mittlere EUWID seit dem Strukturbruch im Mittel um 13 Euro höher liegen müsste;
zudem ist der Korrekturaufschlag seit dem Strukturbruch größer geworden, so dass er
am aktuellen Rand bei etwa 25 Euro liegt.
In späteren Untersuchungen bietet es sich aufbauend auf diesen Ergebnissen an,
zum einen systematisch die Einflussfaktoren der Altpapierpreise zu identifizieren.
Zum anderen sollten sich daraus Rückschlüsse für Preisindices ergeben.
HWWI Policy | Paper Nr.76
21
6 | Literaturverzeichnis
Andrade, I./Thomas, S. (2001): An Econometric Analysis of Recovered Waste Paper Prices. In: Dhir/Limbachiya/Newlands (Hrsg.): Recovery and Recycling of Waste Paper.
Telford, London.
Angus, A./Rivas Casado, M./Fitzsimons, D. (2012): Exploring the usefulness of a simple
linear regression model for understanding price movements of selected recycled materials in the UK. In: Conservation and Recycling, Vol. 60, S. 10-19.
Bilitewski, B./Kügler, T. (2010): Grenzen des Altpapierrecyclings. In: Tagungsband zum
3. Nordhäuser Sekundärrohstoff-Workshop am 21.-22. Oktober 2010.
Bilitewski, B./Wagner, J. (2010): Gutachten zu Kosten-Erlös-Strukturen der haushaltsnahen Altpapier-Sammlung für Wirtschaftsverbände Papierverarbeitung.
Büsch, M. (2011): Praxishandbuch Strategischer Einkauf. Methoden, Verfahren, Arbeitsblätter für professionelles Beschaffungsmanagement. 2. Auflage. Gabler/Springer,
Wiesbaden.
Confederation of European Papier Industries (CEPI) (2011): Key Statistics 2011 – Euro-pean
Pulp and Paper Industry.
Europäischer Wirtschaftsdienst (2011, 2013): Rubrik Recycling und Entsorgung. Unter:
www.euwid-recycling.de, abgerufen am 15.08.2011 bzw. 07.02.2013.
European Recovered Paper Council (ERPC) (2011): Monitoring Report 2011.
Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) (2013): HWWI-Rohstoffpreisindex, Teilindex Holz- und Zellstoffpreise. Unter: www.hwwi-rohindex.de.
Statistisches Bundesamt (2012): Qualitätsbericht - Index der Großhandelsverkaufsprei-se.
Wiesbaden.
Statistisches Bundesamt (2013): Preise. Index der Großhandelsverkaufspreise - Altpa-pier
und Altmetalle, Januar 2013. Wiesbaden.
Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) (2011): Papier 2011 – Ein Leistungsbericht.
Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) (2013): Kennzahlen deutscher Zellstoff- und
Papierfabriken.
HWWI Policy | Paper Nr.76
22
HWWI Policy Papers
seit 2012
75
Unterwertige Beschäftigung von Akademikerinnen und Akademikern – Umfang, Ursachen, Einkommenseffekte und Beitrag zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke
Christina Boll, Julian Leppin
März 2013
74
Mit einer Agenda 2020 ist Vollbeschäftigung möglich!
Thomas Straubhaar
März 2013
73
10 Jahre Hartz-Reformen
Michael Bräuninger, Jochen Michaelis, Madlen Sode
März 2013
72
Öffentlicher und intermediärer Kultursektor in Deutschland – eine quantitative Analyse der bewegten
Finanzmittel und der Erwerbstätigkeit
Dörte Nitt-Drießelmann
November 2012
71
Cloud Computing als Instrument für effiziente IT-Lösungen
Michael Bräuninger, Justus Haucap, Katharina Stepping, Torben Stühmeier
September 2012
70
Europa in der Welt von heute: Wilhelm Röpke und die Zukunft der Europäischen Währungsunion
Lars P. Feld
August 2011
69
Perspektiven Russlands in der Welthandelsorganisation (WTO)
Georg Koopmann
Mai 2012
68
Kultur- und Kreativwirtschaft in Hamburg: privat er, öffentlicher und intermediärer Sektor in Zahlen
Dörte Nitt-Drießelmann, Silvia Stiller, Jan Wedemeier
Oktober 2012
67
Liberalisierungspotenziale bei der Entsorgung gebrauchter Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton
Friso Schlitte, Sven Schulze, Thomas Straubhaar
Mai 2012
66
Erneuerbare Energien als Hoffnungsträger
Michael Bräuninger, Lars Wenzel, Eckhardt Wohlers
April 2012
65
Strategien der Internationalisierung von KMU
Gunnar Geyer, Amrisha Uriep
Mai 2012
64
Auswirkungen der Abfallgesetzgebung auf das Abfallaufkommen und die Behandlungskapazitäten bis 2020
Sven Schulze, Friso Schlitte
März 2012
Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige GmbH (HWWI) ist eine unabhängige Beratungs- und
Forschungseinrichtung, die wirtschaftspolitisch relevante ökonomische und sozio-ökonomische Trends analysiert.
Für seine praxisnahe Beratung stützt sich das HWWI auf Grundlagenforschung und methodische Expertise.
Auftrag- und Projektgeber des HWWI sind Unternehmen, Verbände, Ministerien, die EU-Kommission, Stiftungen
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−
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−
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−
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−
Energie und Rohstoffmärkte
−
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