Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes
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Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes
Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes Michael Bräuninger, Arno Hantzsche, Friso Schlitte, Sven Schulze HWWI Policy Paper 76 © Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | 2013 ISSN 1862-4960 Ansprechpartner: Prof. Dr. Michael Bräuninger Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) Heimhuder Straße 71 | 20148 Hamburg Tel +49 (0)40 34 05 76 - 330 | Fax +49 (0)40 34 05 76 - 776 braeuninger@hwwi.org Dr. Sven Schulze Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) Heimhuder Straße 71 | 20148 Hamburg Tel +49 (0)40 34 05 76 - 355 | Fax +49 (0)40 34 05 76 - 776 s-schulze@hwwi.org HWWI Policy Paper Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) Heimhuder Straße 71 | 20148 Hamburg Tel +49 (0)40 34 05 76 - 0 | Fax +49 (0)40 34 05 76 - 776 info@hwwi.org | www.hwwi.org ISSN 1862-4960 Redaktionsleitung: Prof. Dr. Thomas Straubhaar (Vorsitz) Prof. Dr. Michael Bräuninger Dr. Christina Boll © Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | April 2013 Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes oder seiner Teile ist ohne Zustimmung des HWWI nicht gestattet. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. HWWI Policy Paper Nr. 76 Altpapier: Preisentwicklungen und Preisindizes Michael Bräuninger, Arno Hantzsche, Friso Schlitte, Sven Schulze Studie der HWWI Consult GmbH im Auftrag der Stadtreinigung Hamburg (AöR) © Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) | 2013 Inhaltsverzeichnis 1 | Problemstellung 4 2 | Altpapiermärkte 2.1 | Globaler Altpapierhandel und seine Grenzen 2.2 | Altpapierrecycling und -verbrauch in Deutschland 2.3 | Altpapiersorten 2.4 | Erfassungssysteme 5 5 6 7 8 3 | Zur Ermittlung der wichtigsten Altpapierindizes 3.1 | Wirtschaftsinformationsdienste 3.2 | Statistikbehörden 3.3 | Papierbörsen 9 9 10 11 4 | Deskriptive und ökonometrische Analyse 4.1 | Entwicklung von Preisindizes im Vergleich 4.2 | Ökonometrische Analyse eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID 4.3 | Robustheit der Ergebnisse 4.4 | Fazit der Analyse 12 12 15 17 19 5 | Schlussfolgerungen 21 6 | Literaturverzeichnis 22 HWWI Policy | Paper Nr.76 3 1 | Problemstellung Altpapier ist bereits seit Längerem ein gefragter Sekundärrohstoff. In der Papierproduktion kommt er in großem Umfang zum Einsatz und wird zugleich mittels etablierter Erfassungssysteme in Deutschland in hohem Maße getrennt von anderen Fraktionen zurückgeholt. Zwar unterliegen die Preise für die verschiedenen Altpapiersorten im Zeitablauf merklichen Schwankungen. Jedoch hat dies in der Vergangenheit der Rückholung und dem Recycling von Altpapier keinen Abbruch getan. Gegenstand der folgenden Untersuchung sind die Preisentwicklungen ausgewählter Altpapiersorten und deren Abbildung in Preisindizes. Die Fragestellungen sind dabei, inwieweit diese Indizes die Preisentwicklungen gut abbilden, ob ihnen dies gleichermaßen gelingt oder ob es beobachtbare und im Laufe der Zeit veränderliche Abweichungen gibt. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst eine kurze Beschreibung der Altpapiermärkte im globalen vor allem aber im europäischen und deutschen Kontext. Anschließend werden die gängigen Vorgehensweisen zur Ermittlung von Altpapierpreisindizes dargestellt. Daraufhin analysiert das zentrale Kapitel die Zusammenhänge ausgewählter Altpapierpreisindizes mit Hilfe deskriptiver und ökonometrischer Analysen. Einige Schlussfolgerungen runden die Studie ab. HWWI Policy | Paper Nr.76 4 2 | Altpapiermärkte 2.1 | Globaler Altpapierhandel und seine Grenzen Papier ist das Produkt, das in Europa am meisten wiederverwertet wird. Gründe liegen einerseits im gestiegenen ökologischen Bewusstsein und immer strengeren rechtlichen Rahmen. 1 Andererseits wird Altpapier als Produktionsfaktor zunehmend bedeutender. So liegt der Anteil von Altpapier bei der Produktion von Papier und Pappe im europäi-schen Durchschnitt bei 54 %. Mit einer Recycling-Quote von 72 % wird in Europa so viel Altpapier für den Produktionsprozess zurückgeholt wie nirgendwo sonst auf der Welt. 2 Insbesondere in Asien stehen relativ hohen Einsatzquoten von Altpapier in der Produktion, weil vornehmlich niedrige Papierqualitäten hergestellt werden, sehr niedrige Rückholquoten gegenüber, da Mülltrenn- und Müllaufbereitungssysteme noch nicht ausreichend entwickelt sind. Infolge zunehmender Papierproduktion und steigender Einsatzquoten haben sich in den letzten zehn Jahren die Exportmengen von Altpapier aus Europa verdreifacht, und zwar auf netto 8,9 Mio. Tonnen im Jahr 2011. Es hat sich ein globaler Handel mit Altpapier entwickelt (siehe Abbildung 1), wobei über 95 % der europäischen Exporte nach Asien gingen. 3 Abbildung 1 1 Vgl. bspw. EU-Richtlinie 94/62/EG und Nachfolger: ec.europa.eu/environment/waste/packaging_index.htm. 2 CEPI (2011). 3 Vgl. CEPI (2011); Website European Recovered Paper Council (www.paperforrecycling.eu). HWWI Policy | Paper Nr.76 5 Das niedrige Preis-Mengen-Verhältnis und hohe Transportkosten relativ zum transportierten Wert setzen dem weltweiten Handel mit Altpapier aber Grenzen. Die Papierindustrie greift daher mehr als dreimal so häufig auf heimische Input-Faktoren zurück als die europäische Industrie im Durchschnitt (80 % vs. 25 % als Anteil heimischer Produktionsfaktoren im Vergleich zu importierten Faktoren). 4 Den 8,9 Mio. Tonnen Nettoexporten stehen etwa 50 Mio. Tonnen an eingesetztem Altpapier in Europa gegenüber. So ist es nicht verwunderlich, dass der innereuropäische Handel einen viel größeren Stellenwert einnimmt. Mit 33,2 % der insgesamt in Europa recycelten Menge besitzt Deutschland dabei den bedeutendsten Altpapiermarkt des Kontinents, gefolgt von Frankreich und Spanien (je 10,5 %) sowie Italien (10,4 %). 5 Bei einem Nettoimport von nur 0,9 Mio. Tonnen im Jahr 2010 standen 3,9 Mio. Tonnen Altpapierimporten 3 Mio. Tonnen an Exporten gegenüber. Damit stammen dennoch etwa 24 % des von der Papierindustrie verbrauchten Altpapiers aus dem Ausland. 6 Im Gegensatz zu deutschen Exporten, die zu 20 % ins nicht-europäische, hauptsächlich asiatische Ausland fließen, ist der Anteil nicht-europäischer Importe verschwindend gering. Größter Handelspartner Deutschlands sind die Niederlande (1 Mio. Tonnen Importe, 1,3 Mio. Exporte) gefolgt von den anderen direkten angrenzenden Nachbarländern sowie Großbritannien und Italien. Dieses Muster kurzer Handelswege, in dem sich die Signifikanz hoher Transportkosten relativ zu Mengenpreisen für Altpapier sehr gut niederschlägt, lässt zudem erwarten, dass Altpapierpreise in diesen Nachbarstaaten eng korreliert mit deutschen Preisen sind. 7 2.2 | Altpapierrecycling und -verbrauch in Deutschland Mit Rücklaufquoten nahe 80 % wird in Deutschland fast das gesamte Recyclingpotential ausgenutzt, da man davon ausgeht, dass 19 % der produzierten Papier- und Pappemengen dauerhaft in Archiven und Bibliotheken sowie sanitär verschwinden.8 Abbildung 2 zeigt, dass Rücklauf- und Einsatzquoten in Deutschland kontinuierlich gestiegen sind, insbesondere in den 1990er Jahren. Seit 2000 verharren die Quoten fast am oberen Limit, da die Altpapier-Einsatzquoten (2010: 70,3 %; 2012: 73,4 % 9) aufgrund eines zudem mit der Papierqualität variierenden Mindestanteils an notwendigen 4 Vgl. ERPC (2011). 5 Vgl. CEPI (2011). 6 VDP (2011); Berechnungen HWWI. 7 Vgl. auch Andrade/Thomas (2001), S. 43ff. 8 Vgl. VDP (2011); Website ERPC. 9 Vgl. VDP (2011/2013); Berechnungen HWWI. HWWI Policy | Paper Nr.76 6 Frischfasern in der Papierproduktion ebenfalls begrenzt sind. Da beide Quoten also in der letzten Dekade relativ konstant, weil technisch limitiert, blieben und sich das Altpapierangebot zudem sehr preisinelastisch verhält (siehe unten), dürfte insbesondere die Produktion von Papier/Pappe/Karton (PPK) für im Folgenden zu untersuchende Preisentwicklungen relevant sein. PPK-Produktion und auch PPK-Verbrauch stiegen in Deutschland bis 2000 an und stabilisierten sich dann bei über 20 Mio. Tonnen, wobei der Konjunktureinbruch von 2008/09 zu einem deutlichen temporären Absinken führte. Abbildung 2 Entwicklung verschiedener Kennzahlen im Papierbereich in Deutschland Tsd. t 25.000 % 100 90 80 20.000 70 60 15.000 50 40 10.000 30 20 5.000 10 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Einsatzquote AP-Verbrauch Rücklaufquote PPK-Verbrauch 0 PPK-Produktion AP-Aufkommen Quellen: VDP (2011); HWWI. 2.3 | Altpapiersorten Altpapier wird in zahlreichen verschiedenen Qualitätsstufen gehandelt, die ab 2013 in einer revidierten Liste europäischer Standardgüteklassen (EN 643) festgehalten werden. Laut Dachverband der europäischen Papierindustrie CEPI (2011) machen Wellpappe (Sorte 1.05) und Kaufhausaltpapier (1.04) mit 44,3 % den größten Anteil zur Papierproduktion eingesetzten Altpapiers aus, gefolgt von Zeitungen/Zeitschriften (26 %). Im Folgenden soll der Fokus auf der Klasse „gemischtes Altpapier“ liegen, das einen Anteil von 19,1 % an der europäischen Gesamtproduktion besitzt und das die Sorte gemischtes sortiertes Altpapier (1.02) einschließt. Die Sorte 1.02 darf maximal zu 40 % aus Zeitungen bestehen und enthält damit einen hohen Anteil an Verkaufsverpackungen aus Abfällen privater Haushalte. Höherwertiges Altpapier besitzt einen Anteil von 10,5 % am Altpapierverbrauch der Papierindustrie. HWWI Policy | Paper Nr.76 7 Betrachtet man die Verwendungsseite, zeigt sich, dass gemischtes Altpapier zu 87,6 % wieder für die Herstellung von Verpackungen genutzt wird. Zu 7,6 % landet es in der Produktion von Zeitungen und grafischen Papieren. Der Rest verteilt sich auf Haushalts- und Sanitärprodukte sowie anderes. 2.4 | Erfassungssysteme Unterschiedliche Erfassungsorte und Systeme gehen mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten bei der Rückholung von Altpapier einher. Für die Sorte gemischtes Altpapier 1.02 ist die haushaltsnahe Erfassung die relevanteste. Diese trug im Jahr 2008 mit einem Anteil von 39 % zum gesamten Altpapieraufkommen bei. 10 Von der haushaltsnahen Erfassung zu unterscheiden ist die gewerbliche Erfassung (50 %) sowie die Erfassung und umgehende Wiederverwertung von Ausschuss und nicht verkaufter Ware direkt am Produktions- oder Verarbeitungsstandort (11 %). Während die gewerbliche Altpapiererfassung nach wie vor stetig zunimmt (2009: 7,7 Mio. Tonnen), liegt die Menge haushaltsnah erfassten Altpapiers seit Ende der 1990er Jahre bei knapp über 6 Mio. Tonnen bundesweit. Die Abholung des Altpapiers wird in der Regel von kommunalen Entsorgern oder durch von Kommunen beauftragte Private übernommen. Die Erfassung erfolgt durch verschiedene Sammelsysteme, von denen die Monotonne („Blaue Tonne“) mit rund 66 % mittlerweile (2009) den größten Anteil Altpapier erfasst, gefolgt von Depotcontainern (16,5 %), Bündelsammlungen (4 %) und sonstigen Systemen (13,5 %). Dank des verstärkten Einsatzes der Monotonne konnte bei steigender absolut verbrauchter Papiermenge die Menge nicht erfassten Altpapiers zwischen 1990 und 2009 auf rund 2,6 Tonnen halbiert werden. 11 Vor allem durch die Monotonne und Depotcontainer führen private Endverbraucher preisunabhängig konstant Altpapier zurück. Darüber hinaus ist das nicht gewerblich bereitgestellte Altpapierangebot relativ preisinelastisch, weil erstens Verpackungsaltpapiere, deren Anteil an haushaltsnah erfassten Altpapieren etwa 20 % beträgt, laut Verpackungsverordnung zu mindestens 70 % recycelt werden müssen. Zweitens unterliegen grafische Altpapiere einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Hersteller grafischer Papiere (vertreten durch die AGRAPA – Arbeitsgemeinschaft Grafische Papiere), nach der diese zu mindestens 80 % (±3 %) recycelt werden. An der Preisinelastizität ändern bei Altpapierpreisen auf derzeitigem Niveau auch private Sammelstellen wenig, die (vor allem das Vorsortieren von) Altpapier geringfügig vergüten. 10 Vgl. Bilitewski/Kügler (2010). 11 Vgl. Bilitewski/Wagner (2010); VDP (2011). HWWI Policy | Paper Nr.76 8 3 | Zur Ermittlung der wichtigsten Altpapierindizes Preise und Preisindizies für gehandeltes Altpapier werden von drei Anbietertypen erfasst und berechnet. Die Daten privater Wirtschaftsinformationsdienste und öffentlicher Statistikbehörden basieren auf Umfragen zu in der Regel mittel- bis langfristigen Liefervereinbarungen. Kurzfristige Spotpreisentwicklungen werden auf Wertstoffbörsen erfasst. 3.1 | Wirtschaftsinformationsdienste Für den deutschen Altpapiermarkt wichtigster Anbieter aktueller Preisinformationen ist der Europäische Wirtschaftsdienst (EUWID). Auf Grundlage „eigenhändiger und unabhängiger“ Recherche sowohl bei Lieferanten als auch bei Nachfragern übermittelt dieser 1926 gegründete Wirtschaftsinformationsdienst, der u.a. auch in den Branchen Wasser, Holz, Möbel und neue Energien tätig ist, mehrmals im Monat Maximal- und Minimalpreise verschiedener Arten Altpapier (einschließlich gemischte Ballen, Kaufhausaltpapier, Deinkingware, etc. siehe Abbildung 3) an zahlende Abonnenten. 12 Diese Preise basieren in der Regel auf Monatsabschlüssen und werden „frei Werk“ inklusive Mautkosten angegeben. Neben Preisen zum deutschen Altpapiermarkt sind auch Daten zu französischen, italienischen, britischen und seit 2011 auch polnischen Märkten verfügbar. Von EUWID veröffentlichte Preise dienen häufig als Referenzwert beim Abschluss von Lieferverträgen. Ein weiterer privater Anbieter von europäischen Altpapier-Preisindizes ist FOEX Indexes, ein Unternehmen mit Sitz in Finnland, das monatlich und wöchentlich konsolidierte Preisdaten zur Verfügung stellt. Da Altpapiermärkte nicht öffentlich und Anbieterdaten privat sind, bleibt die Erhebungsmethode intransparent. 13 12 Vgl. www.euwid-papier.de. 13 Vgl. für eine Einschätzung Büsch (2011), S. 101f. HWWI Policy | Paper Nr.76 9 Abbildung 3 Händlerpreise* für Altpapier in Deutschland EUR/t 450 400 350 300 250 200 150 100 50 0 Apr 2009 Jul 2009 Okt 2009 Jan 2010 Gemischte Ballen (1.02) Wellpappen-ll-Abfälle (4.03) Deinkingware /1.11) Multidruck (3.10) Weiße Kuvertspäne (3.18.01) Apr 2010 Jul 2010 Okt 2010 Jan 2011 Apr 2011 Kaufhausaltpapier (1.04) Alte Zeitungen (2.01) Bunte Akten (2.06) Weiße Rotationsabfälle (3.14/3.15) *Preise basierend auf Monatsverträgen. Quellen: EUWID (2011); HWWI. 3.2 | Statistikbehörden Ex post – das heißt rund vier Wochen nach Erhebung – werden AltpapierPreisentwicklungen als lange Indexreihen vom Statistischen Bundesamt für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht. Altpapier (einschließlich der Sorten gemischt [Destatis 1.02] und Kaufhausaltpapier [Destatis 1.04], siehe Abbildung 4) gehört dabei zu den 406 Warenarten der Großhandelsverkaufspreis-Statistik, für die bundesweit monatlich über 1000 Händler zur Übermittlung aktueller Preise verpflichtet werden. Die Auswahl der Berichtsstellen erfolgt gezielt anhand des Handelsumsatzes, um Repräsentativität zu gewährleisten. Preise sind nicht saisonbereingt, enthalten Verbrauchssteuern, nicht jedoch die Umsatzsteuer und beziehen sich auf Vertragsabschlüsse am Stichtag (5. des Berichtsmonats), beziehungsweise kurz davor oder danach. Um die Vergleichbarkeit der Preise zu sichern, müssen Berichtsstellen zusätzlich Angaben zu Warenqualität, Liefermenge, Versandart, Käufertyp und Rabatten machen sowie gegebenenfalls vergleichbare Vormonatspreise melden. 14 Für die EU-27 liegen Preisindikatoren 14 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012). HWWI Policy | Paper Nr.76 10 für Altpapier in der Eurostat-Handelsstatistik Comext vor. Die Preisindizes der Statistikbehörden dienen hauptsächlich zur Prognose zukünftiger Inflationstendenzen. Abbildung 4 Preisindizes verschiedener Altpapiersorten Index, 2010=100 160 140 120 100 80 60 40 20 0 Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Gemischtes Altpapier (B 12–1.02), Gewicht 100 % Papier- und Pappereststoffe zur Papier- und Pappeherstellung (ohne gem. Altpapier), Gewicht 100 % Zeitungen und Illustrierte (D 31–1.08+1.09) sowie Deinkingware ( D39–1.11), Gewicht 33,5 % Tageszeitungen (E 12–2.01), Gewicht 8,6 % Kaufhausaltpapier (B 19–1.04), Gewicht 47,8 % Gebrauchte Wellpappe (W52–4.03), Gewicht 10,1 % Quellen: Statistisches Bundesamt (2013); HWWI. 3.3 | Papierbörsen Mit zunehmendem Altpapierangebot und steigenden Wiederverwertungsquoten ist in den letzten Jahren die Bedeutung von Altpapierbörsen gestiegen. Auf diesen Spotmärkten werden in der kurzen Frist hauptsächlich jene Altpapiermengen veräußert, deren Handel nicht durch längerfristige Verträge (Terminmarkt) abgedeckt ist. Volatilere Spotmarktpreise können kurzfristige Angebots- und Nachfrageänderungen abbilden, liegen allerdings – ebenso wie Daten von Informationsdiensten – nicht öffentlich, also nur registrierten Händlern vor. Mitgliederbasierte Online-Handelsplätze, wie die Inter-kontinentale Papierbörse (Inter-Continental Paper Exchange, paperfiber.com) sowie die European Recycler’s Exchange (euro.recycle.net), sind Beispiele solcher Altpapierbörsen. HWWI Policy | Paper Nr.76 11 4 | Deskriptive und ökonometrische Analyse Die vorherigen Kapitel haben gezeigt, dass Altpapier ein bedeutsamer Sekundärrohstoff ist, dessen Preise größeren Schwankungen ausgesetzt sind. Dies lässt sich nicht nur an den reinen Preiszeitreihen sondern auch an aggregierten Indizes ablesen. Diese werden wiederum auf unterschiedliche Weise ermittelt. Trotzdem steht grundsätzlich zu erwarten, dass diese in enger Korrelation zueinander und zu den Preisentwicklungen stehen. Sofern das im Zeitablauf nicht der Fall ist, spräche dies für Änderungen in der Erhebungs- oder Berechnungsmethode, die sich in einem sogenannten Strukturbruch widerspiegelten. Um Aufschlüsse über die Konsistenz verschiedener Preisindizes im Allgemeinen und einen Strukturbruch bei der Entwicklung des EUWIDPreisindex „gemischte Ballen“ Altpapier im Speziellen zu erhalten, wird wie folgt vorgegangen: Zuerst wird deskriptiv dargestellt, wie sich der mittlere EUWID-Index, als Mittelwert zwischen berichteten Minimal- und Maximalpreisen, im Beobachtungszeitraum Januar 2001 bis Januar 2013 im Vergleich zu anderen nationalen und internationalen Indizes für Altpapier verhielt. Die anschließende ökonometrische Analyse soll dazu dienen, Änderungen im relativen Verhalten zu ergründen. 4.1 | Entwicklung von Preisindizes im Vergleich Hinsichtlich erfasster Preise ist am besten der Indikator 1.02 des Statistischen Bundes-amtes, der monatliche Änderungen von Großhandelsverkaufspreisen für gemischtes Altpapier erfasst, mit dem mittleren EUWID-Index für gemischte Ballen zu vergleichen. Betrachtet man die Wertentwicklung seit Januar 2001 (=100 %), so zeigt sich tatsächlich ein relativ eng verbundener Verlauf beider Indizes (Abbildung 5). Dieser Verlauf ist durch hohe Volatilität gekennzeichnet, welche wiederum die konjunkturelle Lage sehr gut abbildet. So führte die globale Wirtschaftskrise 2008/09 zu einem starken Verfall von Altpapierpreisen. Nach einer überproportionalen Erholung 2010/11 liegen die Preise im Durchschnitt heute wieder auf dem mittleren Vorkrisen-Niveau. Der Indexvergleich in Abbildung 5 weist aber auch darauf hin, dass im Jahr 2008 ein Strukturbruch stattfand, der im nächsten Abschnitt ökonometrisch analysiert wird: Vor diesem Bruch lag der mittlere EUWID leicht über dem Destatis 1.02-Index, nach 2008 aber deutlich darunter. Zudem nahm die Differenz in der Wertentwicklung beider Indizes seit 2008 signifikant zu. HWWI Policy | Paper Nr.76 12 Abbildung 5 Wertentwicklung Index, 01.2001=100% 500% Differenz Destatis 1.02 Mittlerer EUWID 400% 300% 200% 100% 0% -100% Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Quellen: EUWID (2013); Statistisches Bundesamt (2013); HWWI. Vergleicht man die Indexentwicklung (Basisjahr 2010) mit denjenigen von SRHHRecyclinghof-Ausschreibungen, Großhandelsverkaufspreisen für Kaufhausaltpapier (Destatis 1.04) sowie der Entwicklung von Zellstoffpreisen, so zeigt sich das gleiche Phänomen: In den letzten Jahren lag der mittlere EUWID auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau (Abbildung 6). Abbildung 6 Preisindizes für Altpapier im Vergleich Index, 2010=100 180 Destatis 1.02 160 Destatis 1.04 (Kaufhausaltpapier) 140 Mittlerer EUWID HWWI-Zellstoffpreis-Index 120 100 80 60 40 20 0 Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Quellen: EUWID (2013); Statistisches Bundesamt (2013); HWWI. Vom Europäischen Wirtschaftsdienst zur Verfügung gestellte Preisdaten anderer europäischer Länder können außerdem zum Vergleich dienen, da zu erwarten ist, dass Alt-papierpreise über Ländergrenzen hinweg eng korreliert sind. So wurden aus Auslands-daten ebenfalls mittlere Preisreihen berechnet, um zu analysieren, ob Struktur- HWWI Policy | Paper Nr.76 13 brüche auch für sie gelten und damit beispielsweise in einer Änderung der Erhebungstechnik durch EUWID begründet sein könnten. Bereits der Blick auf die Daten spricht gegen diese Hypothese. Auch im europäischen Vergleich verlief der deutsche EUWID bis 2008 leicht überdurchschnittlich, danach deutlich unterdurchschnittlich (Abbildung 7). Für die relative Wertentwicklung gilt dies genauso wie für absolute Preise. Ein Absinken der deutschen Preise ist umso weniger erklärlich als sich diese EUWID-Preise „frei Werk“ verstehen, das heißt inklusive Lieferkosten (und seit 2005/06 einschließlich Lkw-Maut), während die Preisreihen für Frankreich, Italien und Großbritannien von EUWID „ab Werk“ angegeben werden, das heißt Transportkosten zahlt der Empfänger. Abbildung 7 Der mittlere EUWID im europäischen Vergleich EUR/t 140 120 Mittlerer EUWID DE Mittlerer EUWID GB Mittlerer EUWID FR Mittlerer EUWID IT 100 80 60 40 20 0 -20 Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Quellen: EUWID (2013); HWWI. Dass strukturelle Änderungen des Altpapiermarktes, beispielsweise durch den Zutritt von Billiganbietern, zu Verzerrungen des mittleren EUWID geführt haben, kann ausgeschlossen werden. Die Preisspanne zwischen Minimal- und Maximalpreis blieb seit 2003 relativ konstant zwischen 5 und 15 Euro (Abbildung 8). Abbildung 8 Preisspanne EUWID als Differenz zwischen Berichtspreismaximum und -minimum EUR 35 30 25 20 15 10 5 0 Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Quellen: EUWID (2013); HWWI. HWWI Policy | Paper Nr.76 14 Aufschlussreich ist ebenfalls, dass ein Strukturbruch nicht nur beim deutschen EUWID-Index für gemischte Ballen sondern (etwas später) auch beim EUWID-Index für die Zweitmengenvergütung festzustellen ist (Abbildung 9). Preise aus der Zweitmengenveräußerung als Spotmarktpreise liegen über denen für gemischte Ballen, welche meist auf Langfristverträgen basieren. Zwar hat die Differenz zwischen beiden EUWID-Indizes kontinuierlich zugenommen. Allerdings nicht in einem Maße, dass ein Preisverfall des Index für gemischte Ballen ausgeglichen werden würde. Tatsächlich sank auch der Zweitmengenindex ab 2011 deutlich ab, verglichen mit dem Ausschreibungsindex der Stadtreinigung Hamburg – ebenfalls ein Spotmarktindex –, mit dem er im Jahr 2010 noch etwa gleich verlief. Abbildung 9 Spotpreise für Altpapier EUR/t 180 160 Differenz EUWID EUWID Zweitmengenvergütung EUWID Ausschreibung SRHH 140 120 100 80 60 40 20 0 Jan Jun Nov Apr Sep Feb Jul Dez Mai Okt Mrz Aug Jan Jun Nov 2007 2007 2007 2008 2008 2009 2009 2009 2010 2010 2011 2011 2012 2012 2012 Quellen: EUWID (2013); Stadtreinigung HH (2013); HWWI. 4.2 | Ökonometrische Analyse eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID Um der Hypothese eines Strukturbruchs beim mittleren EUWID für Deutschland im Jahr 2008 auf den Grund zu gehen, wird in einem einfachen linearen Regressionsmodell dieser Index zuerst auf den Destatis-Index 1.02 regressiert. Wie erwartet, kann der Destatis-Index den mittleren EUWID gut erklären (R²=0,74). Um im Modell eine Änderung im Zusammenhang zwischen beiden Indizes zu berücksichtigen, bieten sich aus statistischer Sicht zwei Möglichkeiten: Die Aufnahme eines Jahresdummys, der vor Strukturbruch 2008 null, danach eins ist, sowie eines linearen Trends. Tabelle 1 zeigt, dass die Vorhersagekraft eines Modells sowohl mit Dummys und als auch Trend mit R²=0,95 die höchste ist (Modell IV). HWWI Policy | Paper Nr.76 15 Der negative Trend-Koeffizient bestätigt, dass die Differenz zwischen beiden Indizes im Zeitablauf größer wird. Der signifikante Jahresdummy wiederum unterstützt die Strukturbruch-Hypothese: Ab 2008 liegt der mittlere EUWID im Schnitt 13 Euro niedriger als es bei einer Fortschreibung der Entwicklung vor 2008 der Fall wäre. Tabelle 1 Regressionsanalyse: mittlerer EUWID - Destatis 1.02 Abhängige Variable: mittlerer EUWID (absolut in EUR) Zeitraum: 01.2001-12.2012 Methode: Kleinste Quadrate Regressions-Gleichung: 𝐸𝑈𝑊𝐼𝐷𝑡 = 𝛽1 𝐷𝑒𝑠𝑡𝑎𝑡𝑖𝑠𝑡 + 𝑐 + 𝛽2 𝐷𝑢𝑚𝑚𝑦 + 𝛽3 𝑡 + 𝜀𝑡 Destatis 1.02 (absolut in €) I II III IV 0,851 0,707 0,833 0,877 [62,61] [22,38] [48,69] [50,26] 10,473 9,629 11,981 [5,00] [9,09] [11,38] -19,297 -12,803 [- 20,39] [-8,80] Konstante Jahresdummys ab 2008 Trend -0,102 [-5,54] R² 0,740 0,779 0,944 0,954 1 % Signifikanzniveau; t-Statistiken in eckigen Klammern Quelle: HWWI. Für einen Strukturbruch lässt sich zudem formal testen. Eine Möglichkeit besteht darin, die Stichprobe am Zeitpunkt des erwarteten Strukturbruchs zu teilen und zu testen, ob die Koeffizienten der Regressionen beider Teilstichproben gleich sind (ChowStrukturbruch-Test). Führt man eine Reihe solcher Tests entlang der Zeitachse durch (Quandt-Andrews-Test), zeigt sich, dass die Null-Hypothese „Kein Strukturbruch“ insbesondere für den Zeitpunkt Oktober 2008 klar abgelehnt werden muss (siehe Tab. 2 und Abbildung 11 unten). In einer zweiten Testvariante werden Koeffizienten eines Regressionsmodells mit Teilstichproben ermittelt, die bis zum Strukturbruch reichen. Mithilfe dieser Koeffizienten wird versucht, den Verlauf der EUWID-Reihe nach Strukturbruch zu prognostizieren (Chow-Prognose-Test). Da die Prognose stark vom tatsächlichen Verlauf des mittleren EUWID abweicht, spricht sich auch dieser Test klar für einen Strukturbruch aus. 15 15 Die Null-Hypothese „Kein Strukturbruch“ zum Zeitpunkt 10.2008 muss mit einem p-Wert=0,0000 (F-Statistik= 19,95) abgelehnt werden, siehe Tabelle 2 unten. HWWI Policy | Paper Nr.76 16 Um zu verdeutlichen, wie der Verlauf des mittleren EUWID ohne Strukturbruch hätte aussehen können, wird das erklärungsstärkste Modell einer Regression des EUWID auf die Destatis-Reihe (mit Konstante und Trend) im Zeitraum 01.2001-09.2008 benutzt, um den Verlauf im Zeitraum 10.2008-12.2012 zu prognostizieren. Abbildung 10 zeigt, dass ohne die Verzerrung seit 2008 der mittlere EUWID heute zwar knapp unter der Benchmark-Reihe des Statistischen Bundesamtes läge, aber nicht in einem Maße von dieser abweicht, wie es beim tatsächlichen mittleren EUWID der Fall ist. Abbildung 10 Prognostizierter EUWID-Verlauf ohne Strukturbruch EUR/t 160 Strukturbruch 10.2008 140 120 100 80 60 40 20 0 Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep Jul Mai Mrz Jan Nov Sep 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2011 2012 Mittlerer EUWID Destatis 1.02 Prognostizierter EUWID ohne Bruch Quellen: EUWID, 2013, Statistisches Bundesamt, 2013; Berechnungen HWWI. 4.3 | Robustheit der Ergebnisse Um die Robustheit des Strukturbruchs zu prüfen, wird das Regressionsmodell in einem ersten Schritt wie folgt geändert: Als Alternative zu Destatis 1.02 sollen nun die EUWID-Indizes aus Frankreich und Italien dazu dienen, den deutschen mittleren EUWID zu er-klären. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 aufgeführt. HWWI Policy | Paper Nr.76 17 Tabelle 2 Regressionsanalysen 2 Methode: Kleinste Quadrate Variablen als absolute Preise in EUR (Destatis 1.02 als Preis: Anfangswert zum 01.2001 = mittlerer EUWID) SteigungsQuandtkoeffizient Andrews-Test: QA-Test: FBestimmt(Teilstichprobe Zeitpunkt Statistik, heitsmaß R² ab Bruch) Bruch p-Wert Abhängige Variable Erklärende Variable Steigungskoeffizient (gesamt) EUWID DE Destatis 1.02 0,851 0,740 0,722 10.2008 361,3/0,0000 EUWID DE EUWID FR 0,918 0,242 0,743 06.2008 205,4/0,0000 EUWID DE EUWID IT 0,890 0,389 0,732 04.2008 243,7/0,0000 EUWID DE EUWID GB 0,816 0,677 -- -- -- EUWID FR Destatis 1.02 0,882 0,89 -- 05.2006 222,4/0,0000 EUWID IT Destatis 1.02 0,922 0,923 -- 03.2007 106,7/0,0000 EUWID GB (ab 07.2007) Destatis 1.02 0,916 0,875 -- 06.2011 14,7/0,0029 EUWID DE SRHH-Ausschr. 0,584 0,219 -- -- -- EUWID DE, SRHH-Ausschr. Zweitmengenverg. (ab 04.2010) 0,785 0,264 -- -- -- Destatis 1.02 0,829 0,405 -- -- -- (ab 07.2007) (ab 04.2010) SRHH-Ausschr. (ab 04.2010) Quelle: HWWI. Es wird deutlich, dass der Index Destatis 1.02 den deutschen mittleren EUWID am besten erklären kann. Bemerkenswert ist aber auch, dass bei der Verwendung ausländischer EUWID-Indizes als Erklärungsvariablen das Merkmal des Strukturbruchs im Jahr 2008 signifikant fortbesteht (französischer EUWID: Juni, italienischer EUWID: April). Um noch deutlicher zu zeigen, dass ein Bruch 2008 nur beim deutschen EUWIDIndex stattfand, wird in einem zweiten Schritt der Index Destatis 1.02 verwendet, um neben dem deutschen auch den französischen, italienischen und (ab 2007) britischen EUWID-Index zu erklären. Überraschenderweise liegt das Bestimmtheitsmaß jeder dieser drei Regressionen höher als bei einer Regression des deutschen Index – ein Zeichen für Verzerrungen bei Letzterem. Tests zeigen signifikante Strukturbrüche auch bei Regressionen ausländischer Indizes auf Destatis 1.02 an. Allerdings sind vergleichbare Teststatistiken durchgehend niedriger, was für eine geringere relative Signifikanz von Strukturbrüchen spricht. Auch unterscheiden sich die Zeitpunkte, für die Strukturbrüche des französischen, italienischen und britischen Index am signifikantesten sind, stark vom Zeitpunkt 10.2008 eines Strukturbruchs beim deutschen EUWID (vgl. Abbildung 11). HWWI Policy | Paper Nr.76 18 Abbildung 11 Größe der Strukturbruch-Teststatistik Likelihood Ratio F-Statistik, Quandt-Andrews-Test* 400 Mittlerer EUWID DE 350 300 250 200 Mittlerer EUWID FR Mittlerer EUWID IT Mittlerer EUWID GB 150 100 50 0 Jan Dez Nov Okt Sep Aug Jul Jun Mai Apr Mrz Feb Jan Dez 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2012 *Regression auf Destatis 1.02. Quelle: HWWI. Kein Zusammenhang konnte hingegen zwischen Zellstoff- und Altpapierpreisen gefunden werden. 16 Schließlich wurde noch der Preisindex für Recyclinghof-Ausschreibungen der Stadtreinigung Hamburg auf seine Korrelation mit vergleichbaren Indizes hin getestet. Wie er-wartet, ist der Zusammenhang zwischen den SRHH-Preisen und Preisen der EUWID Zweitmengenvergütung etwas stärker als zwischen SRHH-Preisen und dem mittleren EUWID für gemischte Ballen (R²=0,26 vs. R²=0,22). Deutlich stärker ist er jedoch zwischen SRHH-Preisen und Destatis-Preisen (R²=0,41). Dies kann als weiteres Zeichen für Verzerrungen des deutschen EUWID interpretiert werden. 4.4 | Fazit der Analyse Die ökonometrische Analyse zeigt, was ein Blick auf die Datenreihen bereits suggeriert: Bei den durch EUWID veröffentlichten deutschen Altpapierpreisen fand im Jahr 2008 ein Strukturbruch statt. Bewegte sich der mittlere EUWID-Index vor dem Bruch eng mit vergleichbaren nationalen wie europäischen Indizes, sanken relative Preise nach 2008 deutlich ab. Dieses Phänomen ist unabhängig von strukturellen Änderungen im deutschen Altpapiermarkt. Auch trifft es nur auf den mittleren deutschen EUWID (und hiesige EUWID-Preise zur Zweitmengenvergütung) zu, weshalb Anpassungen der generellen Erhebungstechnik des Europäischen Wirtschaftsdienstes als unwahrscheinlich angesehen werden können. Aufschluss über die Gründe der Verzerrung 16 Die einfache Regressionsanalyse, in der der HWWI-Holz- und Zellstoffpreisindex als erklärende Variable Verwendung findet, deutet weder auf einen Zusammenhang mit EUWID (R²=0,19) noch mit Destatis 1.02 (R²=0,21) hin. Damit werden die Ergebnisse von Angus et al. (2012) bestätigt. Andrade und Thomas (2001, S. 43ff.) hingegen fanden einen positiven Zusammenhang zwischen Altpapier- und Zellstoffpreisen (lags). HWWI Policy | Paper Nr.76 19 und Aussagen zu ihrer Korrektur könnte eine umfassende ökonometrische Analyse der Bestimmungsfaktoren von Altpapierpreisen liefern. Die einfache Modellierung eines korrigierten EUWID-Index ohne die Eigenschaft eines Strukturbruchs zeigt, dass auf tatsächliche mittlere Preise etwa 25 Euro aufgeschlagen werden müssen, um Verzerrungen auszugleichen (Abbildung 12) – Tendenz steigend. Abbildung 12 Korrekturaufschlag auf mittleren EUWID Differenz zwischen HWWI-Prognose ohne Strukturbruch und tatsächlichem EUWID EU/t 35 30 25 20 15 10 5 0 -5 -10 -15 Jan Dez Nov Okt Sep Aug Jul Jun Mai Apr Mrz Feb Jan Dez 2001 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2012 Quelle: HWWI. HWWI Policy | Paper Nr.76 20 5 | Schlussfolgerungen Ziel der Studie war eine Untersuchung der Entwicklung von Altpapierpreisen und deren Abbildung in Preisindices. Im Mittelpunkt stand dabei die Überprüfung ihrer Konsistenz sowie ihrer Fähigkeit, Preisentwicklungen gut wiederzugeben. Folgende Ergebnisse lassen sich festhalten. Das Marktgeschehen wird überwiegend durch die Mengen in Deutschland und seinen europäischen Nachbarländern bestimmt, obgleich die Bedeutung des asiatischen Wirt-schaftsraumes vor allem als Exportmarkt stetig zunimmt. Im europäischen Kontext kann mithin ein weitgehender Gleichlauf der Preise erwartet werden. Sowohl ein für die Papierproduktion bedeutsamer Bedarf an Altpapier als auch Regelungen zum Altpapierrecycling führen zu umfangreichen Mengenströmen dieses Sekundärrohstoffes. Diese sind relativ preisinelastisch. Im Zeitablauf sind die Preise für alle Altpapiersorten sehr volatil. Die Preisentwicklung der einzelnen Sorten verläuft hierbei weitgehend parallel. Diese Preise werden von Wirtschaftsinformationsdiensten, Statistikbehörden und auf Grundlage von Daten von Papierbörsen erfasst, welche sich wiederum in sortenspezifische Preisreihen und -indizes überführen lassen. Da es sich bei befragungsbasierten Preiserhebungen meist um nicht öffentliche Informationen hinsichtlich Methode, Befragten usw. handelt, konn-ten hierzu keine näheren Aussagen getroffen werden. Die Untersuchung der dazu gehörigen Zeitreihen zeigt erstens, dass der mittlere EUWID-Preisindex für gemischte Ballen im Oktober 2008 einem Strukturbruch unterlag, denn während er bis dahin parallel oberhalb des Index Destatis 1.02 für gemischte Ballen lag, verlief er danach dauerhaft darunter. Zweitens gilt dieselbe Beobachtung für den deutschen Index im Vergleich zu denjenigen der europäischen Nachbarländer Großbritannien, Frankreich und Italien – gemessen an den jeweiligen mittleren EUWID-Preisen. Drittens fand der Strukturbruch zeitverzögert auch im EUWID-Index der Zweitmengenvergütung statt. Viertens wurde berechnet, dass der mittlere EUWID seit dem Strukturbruch im Mittel um 13 Euro höher liegen müsste; zudem ist der Korrekturaufschlag seit dem Strukturbruch größer geworden, so dass er am aktuellen Rand bei etwa 25 Euro liegt. In späteren Untersuchungen bietet es sich aufbauend auf diesen Ergebnissen an, zum einen systematisch die Einflussfaktoren der Altpapierpreise zu identifizieren. Zum anderen sollten sich daraus Rückschlüsse für Preisindices ergeben. HWWI Policy | Paper Nr.76 21 6 | Literaturverzeichnis Andrade, I./Thomas, S. (2001): An Econometric Analysis of Recovered Waste Paper Prices. In: Dhir/Limbachiya/Newlands (Hrsg.): Recovery and Recycling of Waste Paper. Telford, London. Angus, A./Rivas Casado, M./Fitzsimons, D. (2012): Exploring the usefulness of a simple linear regression model for understanding price movements of selected recycled materials in the UK. In: Conservation and Recycling, Vol. 60, S. 10-19. Bilitewski, B./Kügler, T. (2010): Grenzen des Altpapierrecyclings. In: Tagungsband zum 3. Nordhäuser Sekundärrohstoff-Workshop am 21.-22. Oktober 2010. Bilitewski, B./Wagner, J. (2010): Gutachten zu Kosten-Erlös-Strukturen der haushaltsnahen Altpapier-Sammlung für Wirtschaftsverbände Papierverarbeitung. Büsch, M. (2011): Praxishandbuch Strategischer Einkauf. Methoden, Verfahren, Arbeitsblätter für professionelles Beschaffungsmanagement. 2. Auflage. Gabler/Springer, Wiesbaden. Confederation of European Papier Industries (CEPI) (2011): Key Statistics 2011 – Euro-pean Pulp and Paper Industry. Europäischer Wirtschaftsdienst (2011, 2013): Rubrik Recycling und Entsorgung. Unter: www.euwid-recycling.de, abgerufen am 15.08.2011 bzw. 07.02.2013. European Recovered Paper Council (ERPC) (2011): Monitoring Report 2011. Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) (2013): HWWI-Rohstoffpreisindex, Teilindex Holz- und Zellstoffpreise. Unter: www.hwwi-rohindex.de. Statistisches Bundesamt (2012): Qualitätsbericht - Index der Großhandelsverkaufsprei-se. Wiesbaden. Statistisches Bundesamt (2013): Preise. Index der Großhandelsverkaufspreise - Altpa-pier und Altmetalle, Januar 2013. Wiesbaden. Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) (2011): Papier 2011 – Ein Leistungsbericht. Verband Deutscher Papierfabriken (VDP) (2013): Kennzahlen deutscher Zellstoff- und Papierfabriken. HWWI Policy | Paper Nr.76 22 HWWI Policy Papers seit 2012 75 Unterwertige Beschäftigung von Akademikerinnen und Akademikern – Umfang, Ursachen, Einkommenseffekte und Beitrag zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke Christina Boll, Julian Leppin März 2013 74 Mit einer Agenda 2020 ist Vollbeschäftigung möglich! Thomas Straubhaar März 2013 73 10 Jahre Hartz-Reformen Michael Bräuninger, Jochen Michaelis, Madlen Sode März 2013 72 Öffentlicher und intermediärer Kultursektor in Deutschland – eine quantitative Analyse der bewegten Finanzmittel und der Erwerbstätigkeit Dörte Nitt-Drießelmann November 2012 71 Cloud Computing als Instrument für effiziente IT-Lösungen Michael Bräuninger, Justus Haucap, Katharina Stepping, Torben Stühmeier September 2012 70 Europa in der Welt von heute: Wilhelm Röpke und die Zukunft der Europäischen Währungsunion Lars P. Feld August 2011 69 Perspektiven Russlands in der Welthandelsorganisation (WTO) Georg Koopmann Mai 2012 68 Kultur- und Kreativwirtschaft in Hamburg: privat er, öffentlicher und intermediärer Sektor in Zahlen Dörte Nitt-Drießelmann, Silvia Stiller, Jan Wedemeier Oktober 2012 67 Liberalisierungspotenziale bei der Entsorgung gebrauchter Verpackungen aus Papier, Pappe und Karton Friso Schlitte, Sven Schulze, Thomas Straubhaar Mai 2012 66 Erneuerbare Energien als Hoffnungsträger Michael Bräuninger, Lars Wenzel, Eckhardt Wohlers April 2012 65 Strategien der Internationalisierung von KMU Gunnar Geyer, Amrisha Uriep Mai 2012 64 Auswirkungen der Abfallgesetzgebung auf das Abfallaufkommen und die Behandlungskapazitäten bis 2020 Sven Schulze, Friso Schlitte März 2012 Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige GmbH (HWWI) ist eine unabhängige Beratungs- und Forschungseinrichtung, die wirtschaftspolitisch relevante ökonomische und sozio-ökonomische Trends analysiert. Für seine praxisnahe Beratung stützt sich das HWWI auf Grundlagenforschung und methodische Expertise. Auftrag- und Projektgeber des HWWI sind Unternehmen, Verbände, Ministerien, die EU-Kommission, Stiftungen und Einrichtungen der Forschungsförderung. Darüber hinaus engagiert sich das Institut in der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre sowie in der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Neben dem Hauptsitz in Hamburg ist das HWWI mit Zweigniederlassungen in Bremen und Erfurt präsent. Die Themenfelder des HWWI sind: − Konjunktur und globale Märkte − Regionalökonomie und Stadtentwicklung − Sektoraler Wandel: Maritime Wirtschaft und Luftfahrt (HWWI in Bremen) − Ordnungsökonomik und institutioneller Wandel (HWWI in Erfurt) − Energie und Rohstoffmärkte − Umwelt und Klima − Demografie, Migration und Integration − Erwerbstätigkeit und Familie − Gesundheits- und Sportökonomik − Familienunternehmen − Immobilien- und Vermögensmärkte. 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