Astrid Lindgren/Georg Riedel: Pippi Langstrumpf
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Astrid Lindgren/Georg Riedel: Pippi Langstrumpf
Astrid Lindgren/Georg Riedel: Pippi Langstrumpf Kindermusical von Georg Riedel nach Astrid Lindgren Libretto: Astrid Lindgren Empfohlen ab 5 Jahren Besetzung: 4 D - 6 H (Mindestbesetzung); Orchesterbesetzung: Alt-Sax., Ten.-Sax., Trp., Pos., Klav., Perc., Kb./alternativ auch mit Fl. und Klar. instrumentierbar Pippi Langstrumpf wohnt mit ihrem Pferd und dem kleinen Affen Herrn Nilsson in der Villa Kunterbunt und macht, was sie will. Sie ist superstark, herrlich unerzogen und lügt ganz wundervoll. Pippi triumphiert über Einbrecher, Lehrerinnen und Polizisten und ist für Tommy und Annika eine wunderbare Freundin. Das Musical ist ursprünglich für das professionelle Theater konzipiert, die Fassung bietet Aufführungsalternativen in der Besetzungsmöglichkeit und kann bei entsprechender Regieführung auch gut von jüngeren Sängern bewältigt werden, sofern sie in der Lage sind, mehrstimmig zu singen. Einzelne Ensemblenummern lassen sich auch von einem Chor realisieren. Die instrumentale Begleitung kann von fortgeschrittenen jungen Instrumentalisten durchaus übernommen werden. Das Stück eignet sich für altersgemischte Produktionen, bei denen Kinder gemeinsam mit Jugendlichen oder Erwachsenen spielen. Alle Rechte beim Verlag für Kindertheater, Max-Brauer-Allee 34, 22765 Hamburg, www.kindertheater.de Tel: 0049 (0)40 607909-916 / E-Mail: kindertheater@vgo-kindertheater.de Ausführliche Stückinformation INHALT 1.AKT. 1.Bild (Vor der Villa Kunterbunt) (1.Ouvertüre- instrumental) Pippi zieht mit ihrem Pferd Kleiner Onkel und ihrem Affen Herrn Nilsson in die Villa Kunterbunt ein(2. Ja, hier kommt Pippi Langstrumpf- Pippi). Tommy und Annika Settergren, die eben von der Schule kommen (3. Lieb und artig – Schulklasse, Lehrerin), begrüßen die neue Bewohnerin und schließen Freundschaft mit dem rothaarigen Mädchen. Pippi ist bärenstark und nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, hat aber ein weites Herz und wird daher von den braven Settergren-Kindern ihrerseits ins Herz geschlossen. Die beiden erfahren, warum Pippi allein in der Villa Kunterbunt wohnt, dass ihre Mutter ein Engel im Himmel und ihr Vater ein Seeräuber ist, der auf dem Schiff „Hoppetosse“ die Weltmeere besegelt. Tommy und Annika kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und freuen sich auf ein baldiges Wiedersehen. Um sich die Zeit zu vertreiben, unternimmt Pippi einen wilden Tanz mit ihrem Äffchen (4. Musik – instrumental). Da erscheint Frau Prysselius, die Vorsitzende des hiesigen Waisenrates. Sie möchte Pippi in ein Kinderheim stecken, damit diese in Obhut kommt und eine ordentliche Erziehung erhält. Aber mit noch so verlockenden Worten lässt Pippi sich nicht zu ihrem „Glück“ überreden. Stattdessen wird Frau Prysselius zum Tanzen gezwungen (5. Musik – instrumental) und verlässt erregt die Szene. Inzwischen haben Tommy und Annika ihre Schularbeiten erledigt und wollen mit Pippi zum Jahrmarkt gehen. Zur großen Überraschung der Kinder öffnet Pippi einen Koffer voller Goldstücke, mit denen sie den ganzen Jahrmarkt kaufen könnte. (6. instrumental). 2. Bild (Auf dem Jahrmarkt) (7. instrumental). Mit ihren Goldstücken geht Pippi sehr großzügig um, ganz zur Freude der Kinder, denen sie Berge von Süßigkeiten und Spielsachen schenkt. Frau Prysselius vermutet einen Diebstahl und verständigt die Polizei. Inzwischen misst sich Pippi mit dem Starken Adolf, den sie zur allseitigen Verwunderung besiegt. Die beiden Diebe Donner-Karlsson und Blom haben es auf Pippis Geldkoffer abgesehen, während die Polizisten Larsson und Klang ihren Besuch bei Pippi ankündigen. Tommy und Annika können kaum glauben, dass Pippi tatsächlich den stärksten Mann der Welt besiegt hat. (8. Ich bin das stärkste Mädchen-Pippi, Ensemble) (9. instrumental) 3. Bild (in der Villa Kunterbunt) Pippi liegt in ihrem Bett, Kopf unter der Decke und Füße auf dem Kissen. Sie singt sich selbst ein Schlaflied (10. Schlaft alle). Bevor sie einschläft, will sie das Schnarchen vorziehen, damit sie das auch schon hinter sich hat (11. instrumental). Donner-Karlssohn und Blom, die das Schnarchen falsch interpretieren, schleichen herein, um den Goldkoffer zu klauen. Von Pippi überrascht müssen sie mit ihr tanzen (12. Schottisch – Pippi). Schließlich schickt Pippi die Diebe nach Hause, und schenkt ihnen noch einige Goldstücke. Als Pippi wieder allein ist, überkommt sie große Sehnsucht nach ihrem Papa (13. Papa, wo bist du?). Im Traum erscheinen ihr die Eltern, 2.AKT (14. Vorspiel - instrumental) 1. Bild (Vor der Villa Kunterbunt) Zum großen Entsetzen von Tommy und Annika wollen die Polizisten Pippi abholen, um sie ins Kinderheim zu stecken. Pippi aber begreift dies als Spiel, bei dem sie letztlich die Oberhand behält. Larsson und Klang müssen unverrichteter Dinge abziehen (14.B instrumental). (15. instrumental) 2. Bild (In der Schule) Auf Einladung von Tommy und Annika besucht Pippi die Schule. Zwar ermahnt die Lehrerin die Schulklasse, dafür zu sorgen, dass sich Pippi in der Schule wohlfühlt, aber als Pippi auftaucht um „Plutimikation“ zu lernen (16. Plutimikation –Pippi, Lehrerin, Schulkinder) bringt sie den Schulalltag gehörig durcheinander. Sie erkennt, dass die Schule, in der die ganze Zeit nur gefragt und gefragt wird, nichts für sie ist (16.a Schluss Plutimikation- Pippi). 2 3. Bild (Wohnzimmer der Familie Settergren) (17. instrumental) Pippi ist zum Kaffeekränzchen bei Frau Settergren eingeladen. Die Mutter von Tommy und Annika will deren neue Freundin kennenlernen. Auch Frau Granberg und Frau Prysselius sind geladen. Pippi taucht auf und das Chaos ist vorprogrammiert. Ihr Benehmen passt nicht in die bürgerliche Gesellschaft. Zu allem Unglück vernichtet sie regelrecht die schöne Torte und muss das Haus verlassen. Frau Prysselius ist der Ohnmacht nahe und sieht sich in der Ansicht bestätigt, dass Pippi unbedingt in Obhut zu nehmen ist. (18. instrumental) 4. Bild (Vor der Villa Kunterbund) Tommy, Annika und Pippi vergnügen sich auf der Veranda. Pippi hat Sehnsucht nach ihrem Papa. Wieder erscheint Frau Prysselius. Pippi soll zu ihr ziehen. Doch Pippi sieht partout nicht ein, weshalb sie sich an ein normales Leben gewöhnen soll. Tommy und Annika haben keine Zeit, verzweifelt zu sein, weil Pippi schon wieder mit einer neuen Idee aufwartet. Mitten im „Sachensuchen“-Spiel taucht tatsächlich Papa Kapitän Langstrumpf mit seinen Matrosen auf und will seine Tochter an Bord nehmen (19. Matrosenlied – Matrosen, Langstrumpf, Pippi). Nun müssen auch Frau Prysselius und die Polizisten erkenne, dass sie nichts gegen Pippi ausrichten können. (19.b Matrosen-Tanz instrumental) (20. instrumental). Der drohende Abschied von Pippi macht Tommy und Annika ganz traurig. 5. Bild (Am Hafen, wo die Hoppetosse vor Anker liegt) Pippi wird verabschiedet (22. instrumental). Alle sind traurig, dass Pippi sie verlässt. Doch während die „Landratten“ noch ihr Abschiedslied singen, ändert Pippi ihre Meinung, weil sie es nicht erträgt, dass ihre Freunde so traurig sind (23. Abschied –Ensemble). Erst sehr spät begreifen Tommy und Annika, dass Pippi sich entschieden hat, zu bleiben. Um so größer ist ihre Freude darüber (24. Finale – Pippi, Ensemble). Kapitän Langstrumpf verspricht, wieder einmal auf Besuch zu kommen. Zielgruppe: Zuschauer: Solisten: Ensemble (Chor): geeignet ab 6 Jahren ab 10 Jahren (Kinder, Jugendliche und/oder Erwachsene) ab 8 Jahren (Kinder, Jugendliche und/oder Erwachsene) Aufführungsdauer: ca. 120 Min Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer (je nach Altersgruppe der Aufführenden) Besetzung: instrumental: Reed1: A-Sax/Qfl (auch Piccolo)/Klar Reed2: T-Sax/Klar (auch Bass-Klar)/A-Sax/ Altflöte Trp (auch Flügelhorn); Pos; Klavier, Akkordeon (evtl. auch beides zusammen als Keyboard), EBass, Drms vokal: Pippi, Lehrerin, Langstrumpf Chor: ein- bis vierstimmig Ensembles: Schulkinder, Matrosen, Jahrmarktbesucher und Schausteller Sprechrollen: 9-14 Darsteller. 8 größere und 6 kleinere Rollen. Pippi hat mit Abstand die umfangreichste Rolle (auch gesanglich). Mindestbesetzung sind 9 Darsteller (bei entsprechenden Doppelbesetzungen). Für größere (Laien-) Gruppen ergeben sich Erweiterungsmöglichkeiten vor allem bei den Ensembles. Einlagen: Tänze sind vorgesehen 3 Bühne/technische Ausstattung: Schauplätze (Vor der Villa Kunterbunt, Auf dem Jahrmarkt, in der Villa Kunterbunt, Wohnzimmer der Familie Settergren, am Hafen) Durch Bücher und Filme existieren bereits typische „Bilder“ bei Akteuren und Zuschauern. Die Regie hat die Möglichkeit, dieser „Vorformatierung“ Rechnung zu tragen oder aber sie bewusst zu brechen. Wenn der Schwerpunkt auf lebendiges Spiel gelenkt wird, kann der bühnentechnische Aufwand in Grenzen gehalten werden. Der Einsatz von Headsets ist notwendig. Bemerkungen: Pippi Langstrumpf ist eher ein Schauspiel mit Musik als ein wirkliches Musical, auch wenn die Musik sich stark an Jazzmustern orientiert und durchaus „musicalfähig“ ist. Pippi will sich nicht anpassen und sich ihre Freiheit und Unabhängigkeit bewahren. So lotet das abendfüllende Stück gekonnt die Grenzen von Anarchie und behütender Anpassung an gesellschaftliche Normen aus. Es ist für das professionelle Theater geschrieben (Schauspieler spielen für ein Kinderpublikum). Sollte sich eine Schulbühne mit Kindern und Jugendlichen als Akteure an das Stück wagen, müssten einige Songs möglicherweise transponiert und Jungenstimmen in der Lage angepasst werden, denn vieles ist für solche Stimmen zu tief gesetzt. Der sängerische Schwerpunkt liegt bei Pippi. Die wenigen Solisten wie auch der Chor kommen sängerisch kaum zum Zuge. Das Musical ist eher geeignet für musikalisch ambitionierte Theatergruppen, denen Pippi einen Erfolg verspricht. Allerdings ist die Hauptrolle eine echte Herausforderung für eine jüngere Spielerin. Mit ihrem Können und ihrer Ausstrahlung steht und fällt die ganze Produktion. Georg Riedel versteht es meisterhaft, das bekannte „Pippi-Thema“ situationsgerecht zu variieren, sodass sich dieses quasi als musikalischer „roter Faden“ durch das ganze Stück zieht. Die kleine Besetzung (im sparsamsten 7 Musiker, wobei die Reeds-Spieler, also die Holzbläser, mehrere Instrumente beherrschen müssen) entwickelt einen regelrechten „Big-Band-Sound“, sodass es durchaus vorstellbar ist, dass das Instrumentalensemble durch Mehrfachbesetzungen einzelner Stimmen zu einer Big-Band wird. In der Partitur sind alle Instrumentalstimmen (auch die der transponierenden Instrumente) in „C“ notiert. Der Verlag stellt Ansichtsmaterial zur Verfügung (s. u.). Bibliographische Angaben: Riedel, Georg: Pippi Langstrumpf. Musical für Kinder. Text von Astrid Lindgren. Verlag für Kindertheater. Hamburg. 1981. Aufführungsmaterial, Rechte: Verlag für Kindertheater Weitendorf GmbH Max-Brauer-Allee 34 D – 22676 Hamburg Fon: 040 / 607 909-916 Fax: 040 / 607 909-616 E-Mail: kindertheater@vgo-kindertheater.de INet: www.kindertheater.de Erhältliche Aufführungsmaterialien: Textbücher Noten: Partitur, Klavierauszug, Chorpartitur, Einzelstimmen Instrumente Demo-CD 4 Auszug aus dem Libretto Erster Akt 1. Bild – Pippi in der Villa Kunterbunt Musik 1 – Ouvertüre Auf der einen Seite der Bühne steht ein altes verwinkeltes Haus mit einer Veranda. Neben der Veranda steht eine große Haferkiste. An einem Giebel lehnt eine Leiter. PIPPI trägt ihr Pferd auf die Bühne, singt zum Publikum Musik 2 Ja, hier kommt Pippi Langstrumpf, tjolahopp tjolahej tjolahoppsassa, ja hier kommt Pippi Langstrumpf, hier komme wirklich ich. Kennt ihr schon mein Äffchen, mein süßes, feines kleines Äffchen, kennt ihr schon Herrn Nilsson, ja, ich nenn ihn wirklich so. Kennt ihr schon mein Häuschen, mein kunterbuntes Häuschen, wollt ihr denn auch wissen, warum das Haus so heißt? Ja, da wohnt ja Pippi Langstrumpf, tjolahopp tjolahej tjolahoppsassa, da wohnt ja Pippi Langstrumpf, ja, da wohn wirklich ich. Aber du, kleiner Onkel, wohnst auf der Veranda. Sie setzt das Pferd auf der Veranda ab, öffnet die Haferkiste. Hier hast du ein bisschen Hafer, gut was? angelt ein Schild hervor, auf dem der Name „Villa Kunterbunt” steht, und hängt es sichtbar auf Das war das. Jetzt ist alles fertig. blickt zur Leiter hoch Kletterst du mit rauf, Herr Nilsson, die Aussicht begucken? klettert mit dem Affen die Leiter hoch und setzt sich auf die oberste Sprosse, 5 nimmt einen Apfel aus der Tasche und fängt an zu essen. Hinter der Bühne hört man auf tralala die Melodie „Lieb und artig…”. Herein kommt eine Schar nett gekleideter Schulkinder – unter ihnen Tommy und Annika – mit ihrer Lehrerin. Die Kinder und die Lehrerin bleiben stehen. LEHRERIN Also, nun singen wir es ein letztes Mal. Sie dirigiert mit großen Armbewegungen. Oben auf der Leiter ahmt Pippi sie nach und dirigiert noch schwungvoller, aber keiner bemerkt sie. SCHULKINDER singen Musik 3 Lieb und artig, rein und fein will ich immer sein, blitzblank sauber, nett, adrett, mit gekämmten Haaren. Ich und alle anderen fleißigen Kinder gehen gerne jeden Tag in die schöne Schule. Weil die Lehrerin uns mag, sind wir artig und brav. LEHRERIN Ja, genau, Kinder sollen artig und brav sein. Und das seid ihr ja auch. Tschüs bis morgen! Die Lehrerin und die Schulkinder entfernen sich, bloß Tommy und Annika bleiben auf der Bühne. Plötzlich entdeckt Annika das Pferd, und sie greift nach Tommy Arm. ANNIKA erstaunt Guck mal! TOMMY genauso erstaunt Was denn? ANNIKA zeigt auf das Schild Villa Kunterbunt, dies Schild war doch vorher noch nicht da! TOMMY Dann ist wohl endlich jemand in diese alte Hütte eingezogen. ANNIKA Oh, ich hoffe, dass es jemand ist, der Kinder hat, mit denen wir spielen können. TOMMY Ein Pferd haben sie jedenfalls. Aber die sind wohl nicht ganz bei Trost! Warum steht denn das Pferd auf der Veranda? PIPPI ruft von der Leiter Tja, weil es mir in der Küche nur im Wege wäre, und im Wohnzimmer gefällt es ihm nicht. Tommy und Annika reagieren zuerst mit erstauntem Schweigen, aber schließlich findet Tommy die Sprache wieder. TOMMY Aber Pferde wohnen doch im Stall! PIPPI Stall hin, Stall her. In welchem Stall wohnst du denn? TOMMY Wir wohnen direkt nebenan – Annika und ich. 6 PIPPI „Annika und ich”. Ja natürlich! Wie heißt du denn? TOMMY Tommy. PIPPI Tommy und Annika! Ich glaube, wir werden es ganz prima zusammen haben. ANNIKA Das glaube ich auch. TOMMY Wie heißt du denn? PIPPI beginnt, auf der Leiter waghalsig zu schaukeln und zu schwingen, und bei jedem Schwung sagt oder singt sie einen ihrer Namen Pippilotta… Rollgardina… Viktualia… Pfefferminz… Efraimstochter Langstrumpf. Sie klettert herab und geht mit dem Affen auf der Schulter zu den Kindern. ANNIKA Oh, was für ein schwerer langer Name! PIPPI Du kannst mich einfach Pippi nennen. TOMMY Du hast es gut, du hast einen Affen. Wie heißt er? PIPPI Herr Nilsson. ANNIKA Oh, wie ist er süß, der Herr Nilsson! PIPPI Der kann aber auch manchmal ungezogen sein. Einmal, als wir in Schanghai waren, ist er mir doch weggelaufen und hat eine Stelle als Hausgehilfe bei einer alten Witwe angenommen. TOMMY Nicht zu glauben! PIPPI Tja, und sie war natürlich froh darüber, denn Herr Nilsson machte phantastisch gute Fleischklöße. ANNIKA Wirklich? Nein, jetzt lügst du aber! PIPPI Ja, du hast recht. Ich lüge. ANNIKA Es ist hässlich zu lügen. PIPPI traurig Stimmt, aber ich kann es einfach nicht lassen. In mir brodeln so viele Lügen. Ihr glaubt es nicht. ANNIKA Ich finde, du solltest trotzdem damit aufhören. PIPPI Ja, natürlich, aber glaub mir, in Brasilien gibt es keinen einzigen Menschen, der die Wahrheit sagt. Sie lügen den ganzen lieben langen Tag. ANNIKA Wirklich? PIPPI Ja. Sie fangen früh um sieben an und hören nicht eher auf, als bis die Sonne untergegangen ist. Wir können wohl trotzdem Freunde sein, auch wenn ich manchmal ein bisschen lüge. TOMMY Na klar doch. ANNIKA Es ist prima, dass du hier hergezogen bist. TOMMY Aber jetzt sollten wir wohl deiner Mutter und deinem Vater „Guten Tag” sagen. 7 PIPPI Das wird schon etwas schwerer. Meine Mutter ist ein Engel im Himmel, und mein Vater ist ein Seeräuber. Das ist er jedenfalls mal gewesen. Jetzt weiß ich nicht genau, was er macht. TOMMY erstaunt Ja, aber willst du damit sagen, dass du hier ganz allein wohnst? PIPPI Oh, nein. Das Pferd und Herr Nilsson wohnen ja auch hier. ANNIKA Aber du musst doch jemanden haben, der auf dich aufpasst. PIPPI Ich passe schon auf mich selber auf. Klug was? TOMMY Schon. Aber wer sagt dir, wenn du abends ins Bett gehen sollst und all so was? PIPPI Das mache ich selbst. Erst sage ich es ganz freundlich Kleine Pippi, geh jetzt schlafen. Wenn ich nicht gehorche, dann sage ich es etwas strenger Pippi, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Du sollst jetzt schlafen gehen! Aber, wenn ich dann immer noch nicht gehorche, dann schimpfe ich: Du widerwärtiges Gör, geh schlafen! Das tu ich dann und schlafe wie ein Schweinchen. Sie gibt ein paar Schnarchtöne von sich. TOMMY Oh, du bist ja toll! ANNIKA Aber es ist traurig für dich, dass du keine Mutter und keinen Vater hast. PIPPI Das habe ich doch. Ich habe euch doch gesagt, dass meine Mama im Himmel ist, und sie guckt durch ein kleines Loch auf mich herunter. Und ich winke zu ihr hinauf und sage: „Hab keine Angst um mich, ich komme schon zurecht.” TOMMY traurig Aber trotzdem, sie ist ja tot. ANNIKA Und dein Vater? Seeräuber, sagtest du. Da hast du bestimmt wieder gelogen. PIPPI Stell dir vor, das habe ich nicht. Bin ich nicht schließlich mein ganzes Leben lang mit meinem Papa auf der „Hoppetosse” gesegelt? Da müsste ich schließlich wissen, dass er ein Seeräuber ist. nimmt ein Fahrtenmesser zwischen die Zähne und erschreckt Tommy und Annika, die zurückweichen TOMMY Aber du weißt nicht, wo er jetzt ist? PIPPI Nein, denn wir gerieten in der Karibischen See in einen Sturm. Das war ein Sturm, kann ich euch sagen! Da wurden sogar die Haie im Wasser seekrank und wollten an Land gehen. Und dann kam eine Welle, riesenhoch, und wehte Papa ins Meer. traurig Seitdem habe ich ihn nicht mehr gesehen. ANNIKA Ja, aber dann ist er ja ertrunken! PIPPI Stell dir vor, das ist er nicht! Ein großer starker, ein dicker Seeräuber wie Papa, der ertrinkt nicht. Der wird irgendwo auf einer Insel an Land gespült, genau wie Robinson Crusoe. TOMMY Ja, das glaubst du! PIPPI Ja, das glaube ich auch. TOMMY Stell dir mal vor, wenn nun der Hai deinen Vater aufgefressen hat! 8 PIPPI Und stell dir vor, wenn mein Papa einen Hai aufgefressen hat und gerade dort unten am Strand sitzt und aufstößt und in den Zähnen stochert, und plötzlich kommt die „Hoppetosse” vorbeigesegelt. Dann wird er schließlich gerettet, und dann kommt er hierher und holt mich. ANNIKA Ich glaube aber trotzdem, dass er ertrunken ist. PIPPI plötzlich traurig Sag das nicht, Annika. Du willst mir doch wohl nicht auch noch meinen Vater wegnehmen. ANNIKA Nein, verzeih mir, das wollte ich nicht. Sehnst du dich sehr nach ihm? PIPPI traurig Ja, abends, wenn ich im Bett liege. TOMMY Du arme Pippi! PIPPI selbstbewusst Genug jetzt, eines schönen Tages wird er schon kommen. TOMMY Hoffentlich. ANNIKA Tommy, wir müssen jetzt nach Hause gehen und essen und unsere Schularbeiten machen. TOMMY Ja, stimmt! Aber wir kommen bald wieder, falls du es willst, natürlich. PIPPI Klar will ich das! ANNIKA Wir mögen dich. PIPPI Und ich euch ebenfalls, basta! Tommy und Annika verschwinden. Pippi setzt sich auf das Verandageländer mit Herrn Nilsson. PIPPI Ich habe gesagt, dass du Fleischklöße machen könntest, Herr Nilsson. Doch das glaubten sie nicht. Aber, dass Papa ertrunken ist, das glaubten sie. Dumme Kinder. traurig Was meinst du, Herr Nilsson, ob er vielleicht doch ertrunken ist? Puh, was bist du sentimental, Herr Nilsson! Hoch mit dir, es gibt massenhaft Kinder, die keinen Vater haben. Deshalb aber nicht herumsitzen und weinen. Komm, wir wollen tanzen und uns ein bisschen aufmuntern. Musik 4 Pippi bricht in einen wilden Tanz aus, da kommt Frau Prysselius, eine feine Dame mit geschäftsmäßigem Aussehen, eine Handtasche unter dem Arm. Sie macht eine gebieterische Geste, damit Pippi aufhört, aber Pippi tanzt unverdrossen weiter. Auch während des folgenden Dialogs macht sie in einem fort Luftsprünge. FRAU PRYSSELIUS Halt, halt, Mädchen! Ich will mit dir reden. PIPPI freundlich Willst du das? Fang doch an! FRAU PRYSSELIUS Ich heiße Frau Prysselius. Ich bin die Vorsitzende im Waisenrat hier in der Stadt. PIPPI probiert die unbekannten Worte und wiederholt sie mit dumpfer Stimme Vorsitzende, das klingt anstrengend. Waisenrat, das klingt auch 9 anstrengend. Du Ärmste, willst du einen Karamellbonbon haben? holt eine Tüte aus der Tasche und bietet an FRAU PRYSSELIUS Nein danke! PIPPI Aber ich kann dir sagen, ganz unten ist ein prima Geschmack drin. fängt wieder an zu tanzen FRAU PRYSSELIUS Nein, halt an! Ich will doch mit dir reden. Ich will wissen, wie du heißt. PIPPI Wie ich heiße? fängt an, rund um die Bühne Rad zu schlagen, und sagt nach jedem Rad einen ihrer Namen Pippilotta… Viktualia… Rollgardina… Pfefferminz… Efraimstochter Langstrumpf. geht zu Frau Prysselius Aber beruhige dich, man nennt mich nur Pippi. FRAU PRYSSELIUS Weißt du, kleine Pippi, in der Stadt sagt man, dass du hier eingezogen bist und in diesem Haus ganz alleine wohnst. Stimmt das? PIPPI Jawohl! FRAU PRYSSELIUS streichelt ihre Wange Arme Kleine! Das müssen wir ändern! PIPPI Ändern? Weshalb denn? FRAU PRYSSELIUS Liebes Kind, jemand muss dich in Obhut nehmen. Verstehst du? streichelt wieder Pippis Wange Wir müssen zusehen, dass du einen Platz im Kinderheim bekommst. PIPPI Den habe ich ja schon. Ich habe schon einen Platz im Kinderheim. FRAU PRYSSELIUS Wirklich? In welchem Kinderheim denn? PIPPI zeigt auf das Haus In diesem hier. Ich bin ein Kind, und dies ist mein Heim. Also ist es ein Kinderheim. Und Platz habe ich hier jede Menge. Ich könnte den ganzen dumpf Waisenrat einquartieren, wenn es nötig ist. FRAU PRYSSELIUS So etwas habe ich mein Lebtag noch nicht gehört! Und in die Schule gehst du auch nicht? PIPPI Nee, zum Glück nicht. FRAU PRYSSELIUS Aber das musst du. PIPPI Warum denn? FRAU PRYSSELIUS Um alles Mögliche zu lernen – natürlich. PIPPI Was alles? FRAU PRYSSELIUS Eine ganze Menge nützlicher Dinge. PIPPI Sag etwas Nützliches. FRAU PRYSSELIUS Tja, zum Beispiel Multiplikation. PIPPI Weißt du was, ich komme richtig gut ohne Plutimikation zurecht. FRAU PRYSSELIUS Aber willst du denn wirklich dein ganzes Leben lang dumm bleiben? Denk doch, wenn du groß bist und hast dann keine Ahnung von dem, was andere Menschen wissen. 10 PIPPI Ja, wie schrecklich. FRAU PRYSSELIUS Da kommt vielleicht jemand und fragt dich zum Beispiel „Wie heißt die Hauptstadt von Portugal?” Und du kannst dann nicht antworten, nur deshalb, weil du nicht in die Schule gegangen bist, als du klein warst. PIPPI Ich kann bestimmt antworten. Ich antworte so: Wenn es so verzweifelt wichtig für dich ist zu wissen, wie die Hauptstadt von Portugal heißt, dann schreib doch einfach nach Portugal und frage. fängt wieder an zu tanzen Übrigens war ich mit meinem Vater schon in Lissabon. FRAU PRYSSELIUS leicht irritiert Ich merke, du nimmst das nicht ernst. gereizt Aber das wirst du noch lernen! PIPPI Weshalb denn? Mach doch selber deine Plutimikation und lass mich damit in Frieden. FRAU PRYSSELIUS Es hat keinen Sinn, noch mehr mit dir zu reden. PIPPI Stimmt. Komm, las uns lieber tanzen. Musik 5 11