① Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus
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① Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus
Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Exemplarische Ereignisse aus der jüdischen Geschichte finden Sie passend zu jeder Folge auf jeweils einer DIN-A4-Seite. Die Ereignisblätter können zur Vertiefung oder Vergegenwärtigung der in den Folgen präsentierten Inhalte genutzt werden. Für die Folge 4 »Tod oder Taufe« stehen folgende »Ereignisse aus der jüdischen Geschichte« zur Verfügung: • Ritualmordvorwurf • Die Almohaden bedrängen die Andersgläubigen • 4. Laterankonzil • Talmudverbrennung • Vertreibung der Juden aus England • Juden in Polen • Pest in Europa • Entstehung des Ghettos http://www.url.de e Link TIPP Unter www.geschichte-eines-volkes.de können Ihre Schüler/innen weitere Informationen recherchieren und Ausschnitte der Sendereihe online anschauen. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 4904 Jahreszahl (gregorianisch): 1144 Ritualmordvorwurf Im Jahr 1144 verschwindet der Jüngling William aus dem Haus seiner Familie im englischen Norwich. Die christlichen Bediensteten im Hause eines jüdischen Bürgers beschuldigen ihren Dienstherren und werfen ihm einen Mord zu rituellen Zwecken vor. Der Fall kann zunächst nicht gelöst werden und wird zu den Akten gelegt - bis der Prediger Thomas von Manmouth eintrifft. Er verfasst das Werk »Über das Leben und Tod des jungen Märtyrers William von Norwich«. Da die Kathedrale der Stadt nicht über einen eigenen Heiligen verfügt, nimmt der Märtyrer William kurzerhand diese Rolle ein. Dies ist überaus wichtig für die Gemeinde Norwich, denn nun kann man auch hier mit dem Zustrom von Pilgern rechnen, der die Wirtschaft des Ortes nachhaltig ankurbeln würde. Das war der erste Vorwurf eines vermeintlichen jüdischen Ritualmordes. 1171 üben die Einwohner von Blois in Frankreich Lynchjustiz gegen Juden wegen eines ähnlichen Vorwurfs. Das Beispiel entwickelt sich schnell zu einer Art Volkssport, obwohl sich Päpste, Bischöfe und Könige ausdrücklich gegen den vorherrschenden Aberglauben stemmen. Zu dem Wahn, Juden bräuchten für ihre Rituale das Blut von Christenkindern, gesellen sich Vorstellungen, sie schändeten kirchliche Hostien und vergifteten Brunnen. Die Beschuldigungen und Massaker verbreiten sich bald in ganz Europa. Bis ins 19. Jahrhundert hinein sterben tausende von Juden und ganze Gemeinden werden ausgerottet. Die schlimmsten Pogrome sind die »Rindfleisch«- (1289) und die »Judenschläger«-Verfolgungen (1366) in Süddeutschland sowie die europaweiten Pestausschreitungen im Jahr 1348. Die Gründe dafür liegen einerseits in der eindimensionalen Denkweise des Hochmittelalters sowie in der generellen Angst vor und dem Hass gegenüber allem Fremden. Dieser trifft besonders die Juden, da diese überall verfügbar sind. Aber auch die Auseinandersetzung der Christen mit dem eigenen Glauben, neue Dogmen und Verbote, erhöhen den Druck im Kessel. Zu allem gesellt sich noch ein ganz praktischer Nutzen, der aus dem Verschwinden der Juden gezogen werden kann: die Übernahme ihres Besitzes und die Löschung der Schulden bei jüdischen Geldverleihern. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 4909 Jahreszahl (gregorianisch): 1149 Die Almohaden bedrängen die Andersgläubigen Ab dem Ende des 11. Jahrhunderts steht das spanische Al-Andalus unter Angriffen der Almoraviden, muslimischen Berberstämmen aus Nordafrika. Sie versuchen, die zersplitterten Städte unter ihrer Flagge zu vereinen. Besonders ein Stamm ist dazu in der Lage: die Almohaden, berüchtigte Krieger und religiöse Hardliner. Ab 1149 herrschen sie über die meisten Niederlassungsgebiete der Juden. Diese, wie auch die Christen, müssen fliehen, um nicht zum Islam zwangsbekehrt zu werden. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 4975 Jahreszahl (gregorianisch): 1215 4. Laterankonzil Papst Innozenz III. beruft das vierte Laterankonzil im Jahr 1215. Es ist das bislang größte ökumenische Konzil mit der Ostkirche. 71 Patriarchen nehmen daran Teil, 412 Bischöfe und über 900 Äbte. Unter anderem beschließt das Konzil das Dogma der Transsubstantiation (Die Leibwerdung Christi in der Hostie und im Wein) und den fünften Kreuzzug zum heiligen Land. Ebenfalls beschließt das Konzil, dass die Juden, wie andere Außenseiter (Leprakranke, Aussätzige etc.), sich durch ihre Kleidung kenntlich machen müssen. Die Art der besonderen Kleidung ist von den regionalen Herrschern festzulegen. Dahinter steckt die Idee der sozialen Kontrolle. Die Angst gegen den Fremden wird gezielt geschürt, Kontakte zwischen den Kulturen sollen vermieden und schließlich verhindert werden. Intensivere, vor allem sexuelle Beziehungen zu Juden sollen unterbunden werden. Durch die Kennzeichnung mit besonderen Kleidungsstücken wird die Überwachung einfacher. Das Judentum, das Anderssein ist augenfällig und so jedem ständig bewusst. Allerdings setzte sich diese Vorschrift nur ganz langsam durch, die Umsetzung wurde selten forciert. Die Sonderzeichen für jüdische Kleidung sind Judenhut, gelber Kreis, Ring oder Viereck. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 5002 Jahreszahl (gregorianisch): 1242 Talmudverbrennung Nach einer Zeit der theologischen Auseinandersetzung mit dem Judentum breiten sich im Christentum Gerüchte aus, der Talmud sei blasphemisch und beleidigend. Die Bücher seien eine große Gefahr. Papst Gregor IX., ein Judenhasser, fordert von den weltlichen Königen Europas, die Schriften einzusammeln und zu vernichten. Dies ist in dieser Schärfe einmalig, denn sowohl vor als auch nach ihm waren die Päpste hinsichtlich der Bewertung des jüdischen Glaubens zurückhaltend. In Paris werden hunderte Talmudabschriften öffentlich verbrannt, nachdem Ludwig IX. als einziger der Bitte nachgekommen war. Ein Zeuge der Verbrennung ist Rabbi Meir Ben-Baruch aus Rothenburg. Er verfasst unter dem Eindruck der Talmudverbrennung das Trauerlied (Kina) »Frage! Du im Feuer Verbrannte«, welches Bestandteil der jüdischen Liturgie wird und in der Synagoge am Tag der Zerstörung des Tempels vorgetragen wird. Nach dem Holocaust wird dieses Lied auch zum Gedenken an die ermordeten Juden vorgetragen. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 5050 Jahreszahl (gregorianisch): 1290 Vertreibung der Juden aus England Etwa 100 Jahre nach einem Massenselbstmord von Juden im englischen York (auf der Flucht vor Kreuzrittern) und nach sechs Ritualmord-Beschuldigungen sind die Juden in England ganz offensichtlich nicht länger geduldet. Genauere Details zu dieser Entwicklung sind unbekannt. Gesichert ist, dass sie von König Eduard I. von der Insel im Jahr 1290 vertrieben werden. Dies ist die erste in einer Reihe von Judenvertreibungen in Europa: 1306 aus Frankreich, nach zwischen-zeitlicher Rückkehr erneut aus Frankreich 1394, 1426 bis 1450 aus dem Rheinland und aus Bayern, 1492 aus Spanien und aus Sizilien, 1496 aus Portugal, 1500 aus der Provence, 1510 aus Neapel, 1519 aus Regensburg, 1670 aus Wien, um ein paar zu nennen. Zu dieser Zeit müssen Juden von einem Ort zum nächsten umsiedeln, ohne Sicherheit, ohne Einbindung in die Umgebung. Eine Sehnsucht nach einer Heimat verbreitet sich unter ihnen. Die Juden des Mittelmeerraums, die unter spanischem, also sefardischem Einfluss lebten, suchen die Heimat in den Hafenstädten Antwerpen, Livorno, Venedig, Saloniki, Konstantinopel und in Nordafrika. Die deutschen oder mittel- und westeuropäische Juden, die Aschkenasim, flüchten immer weiter nach Osten: nach Prag, Krakau, Lemberg. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 5094 Jahreszahl (gregorianisch) 1334 Juden in Polen Schon im 12. Jahrhundert leben jüdische Bankiers und Münzpräger in Polen. Eine Anzahl von armen Gemeinden existiert bereits im 13. Jahrhundert, als die Mongolen Polen angreifen und Zerstörung bringen. Zum Wiederaufbau werden Einwanderer aus Deutschland eingeladen. Vor allem Juden, die das fast vollständig agrarisch strukturierte Land weiter entwickeln sollen – besonders durch Handwerk und Handel. Dafür erlässt Boleslaw V. der Fromme um 1264 das Statut von Kalisch, das dem Schutz der Juden dient und deren rechtliche Gleichheit festschreibt. So werden Ritualmordbeschuldigungen, die nicht bewiesen werden können, mit derselben Strafe belegt, die dem Beschuldigten drohte. Kasimir der Große erweitert 1334 das Statut von Kalisch und gibt den Juden eine eigene Stadt vor den Toren Krakaus: Kazimierz. Krakau ist Hauptstadt Polens und wichtigste jüdische Gemeinde in Osteuropa. Der Legat Johannes von Capistrano, auch genannt die »Judengeißel«, beschwert sich 1453, dass die Juden so frei in Polen leben dürfen. Sie würden mit Toleranz und sogar Respekt behandelt, statt mit Demütigung. Er fordert vom König »alle (…) Privilegien und Freiheiten zu annullieren«. Die Juden Europas sind alarmiert ob der Gefahr, die den polnischen Juden droht, »die wir von jeher als die bestbeschützten in der ganzen Diaspora ansahen». Zum eigenen Schutz, und um Anfeindungen und Konflikte zu vermeiden, verlassen die Juden 1494 Krakau wieder. Sie bauen auf dem sumpfigen Boden des Flussufers ein eigenes Zentrum, in dem Nichtjuden sich nicht niederlassen dürfen. Ansonsten werden die Juden unterstützt, die vor der Feindschaft in den Städten in unbewohnte Grenzgebiete umsiedeln. So entstehen Städte mit jüdischer Mehrheit bis an die östlichen Grenzen Polens. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 5108 Jahreszahl (gregorianisch): 1348-1351 Pest in Europa Als der »schwarze Tod« - die Pestepidemie - über Europa hereinbricht, erreichen die Judenverfolgungen einen tragischen Höhepunkt. Da die Gründe der Katastrophe unbekannt sind, flüchten die Christen aus Angst in den Judenhass. In der Burg von Chillon am Genfer See werden Juden gefoltert bis einer »gesteht«, die Brunnen in Venedig vergiftet zu haben. Trotz Unterbindungs-versuchen des Papstes Klemens VI. gegen »die Niedertracht, zu der einige Christen durch den Satan verführt wurden, die Ursache der Pest in der Vergiftung durch Juden zu sehen«, werden für die schwarze Pest in Europa die Juden verantwortlich gemacht. Es beginnt mit Massakern in der Provence und in Katalonien, die mehr Opfer fordern als die Pest in diesen Gegenden. Der Aufstand der Straßburger Handwerker gegen die Patrizier, die ihre schützenden Hände über die Juden halten, führt schließlich zur Verbrennung aller Juden der Stadt. In Nordhausen kommt es zum Märtyrertod der Juden und entlang der Route der »Flagellanten« geschehen Blutbäder. Ganze Gemeinden verschwinden. Ein Volkslied aus der Zeit lautet: »Die Pestilenz regiert geschwind, nahm hin viel tausend Menschenkind; Die Erde ganz erbebt zur Hand, die Juden wurden viel verbrannt.« Wer kann, flieht. Nach dem Verschwinden der Juden vermerkt ein Konstanzer Domherr nur lakonisch, die Juden überlebten »eher jenseits des Meeres als hier, und deshalb schließe ich das Kapitel über die Juden«. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe« Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4 – Ereignisse aus der jüdischen Geschichte Jahreszahl (jüdisch): 5276 Jahreszahl (gregorianisch): 1516 Entstehung des Ghettos Erst seit kurzem sind in der Stadt Venedig Juden erlaubt. Um sie einerseits zu schützen und andererseits unter Kontrolle zu halten, werden sie auf einer Insel angesiedelt. Diese Insel am Rande der Stadt war wegen ihres sumpfigen Bodens ursprünglich keine Wohngegend. Stattdessen waren in der Nähe Metallgießereien angesiedelt. Das italienische Wort »gettare« für »gießen« gibt der Insel ihren Namen, »Ghetto«. Das Ghetto gilt fortan als Synonym für einen abgeschlossenen jüdischen Stadtteil. Ein Jude, der nicht beim Sonnenuntergang hinter dem verschlossenen Tor ist, muss dafür mit seinem Leben bezahlen. Schon nach wenigen Jahren aber ist das Ghetto überfüllt. Um Platz für die Menschen zu schaffen, schießen die Häuser in die Höhe und bleiben lange Zeit die höchsten Venedigs. Zwei weitere Inseln werden zu »Ghettos« umgewidmet - bis auch hier die Juden wieder vertrieben werden. Der Begriff bleibt präsent und verbreitet sich in ganz Europa. Päpste fordern sogar öffentlich die Errichtung von Ghettos für Juden, das Ghetto von Rom hielt sich am längsten: bis 1870. Die Nazis übernehmen die Idee und errichten Mauern um städtische Areale, die als Konzentrationslager dienen. Die Juden – Geschichte eines Volkes Folge 4: »Tod oder Taufe«