Heidelberg-Handschuhsheim: Ein satirischer Blick Hans Jörg Staehle

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Heidelberg-Handschuhsheim: Ein satirischer Blick Hans Jörg Staehle
Hans Jörg Staehle
Heidelberg-Handschuhsheim:
Ein satirischer Blick
Mit einem Nachwort von Michael Buselmeier
verlag regionalkultur
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Titelbild:
Blick auf Handschuhsheim in Richtung Rheinebene
Titel:
Heidelberg-Handschuhsheim:
Ein satirischer Blick
Satiren aus Heidelberg-Handschuhsheim
Autor:
Hans Jörg Staehle
Bildnachweis:
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Titelbild:
Die Fotos stammen vom Autor, soweit nicht
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möglich, den Rechteinhaber einzelner Abbildungen
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Satiren
aus
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Blick
Handschuhsheim
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Hans Jörg
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ausStaehle
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Inhaltsverzeichnis
Seite
Vorwort………………………………………………………………………………
6
Einleitung………………………………………………………………..……….…
7
Geschäftsleben, Gastronomie, Hendsemer Nachtleben……………..…..……
15
Kirchen in Hendesse, Gedenkstätten, Siebenmühlental……………………...
64
Schöne Geschäftshäuser, Autos & Straßen……………………………………
82
Zwischen Klausenpfad und Neuenheimer Feld, Sportstätten……………..…
92
Schöne Wohnhäuser, Ensemble „Ärztehochhaus“……………………………
105
Langgewann, Feuerwehr, Kindergärten & Spielplätze………………….……
119
„Heiliger Berg“…………………………………………………………….………
131
Im Handschuhsheimer Feld, Westgrenze……………………………..………
138
Werbung, Graffitikunst & Ähnliches…………………………………….………
150
Wissenswertes, Nützliches & Kritisches………………………………….……
161
Hunde & Katzen, Emotionen, Vermisst, Gesucht & Gefunden… ……….…
166
Wohnungsmarkt, Patriotismus……………………………………………….…
186
Bloß nicht!, sozial & umweltfreundlich, Sicherheit…………….………………
196
Aktion sauberer Stadtteil, Zeitungen & Prospekte, Briefkästen & Fenster…
210
Vereinsleben………………………………………………………………………
228
Märkte, Hendsemer Art………………………………………….….……………
244
Widerstandskämpfer, Heimatkundler & Volksdichter…………………………
258
VIPs & bedeutende Ereignisse……………………………………….…………
267
Rauchen……………………………………………………………..……………
277
Hendsemer Heiler……………………………………………………..…….……
281
Krankenhäuser, Altenheime, Friedhof……………………………….…………
287
Religiöse & politische Signale……………………………………..…….………
296
Literaturverzeichnis……………………………………………………….………
308
Nachwort von Michael Buselmeier……………………………..……….………
317
„…sondern daß ich hier nichts anderes als die
Wirklichkeit der Stadt darstelle, ihre tatsächliche
Realität und ihr tägliches Antlitz…“.
Friedrich Dürrenmatt: Aus den Papieren eines Wärters
Vorwort
Handschuhsheim – was für ein merkwürdiger Name!
Werden in diesem Ort Handschuhe hergestellt? Ist es dort so kalt, dass sich die an
ihren Fingern frierenden Bewohner besonders häufig genötigt sehen, Handschuhe zu
tragen? Streitet man in dieser Gegend so erbittert, dass der Fehdehandschuh zum
charakteristischen Merkmal wurde? Trifft die Legende zu, dass sich ein Ritter im
Mittelalter in eine Magd verliebte, weil sie ihm seinen verlorenen Handschuh
zurückgab? Oder lebte einst gar das Aschenputtel hier und es war gar kein Schuh,
sondern ein Handschuh, den es einem Adligen als Köder auslegte, um auf sich
aufmerksam zu machen? Sollte diese Version zutreffen, haben sich damals die beiden
Schwestern des Aschenputtels bei der Kontrolle des Erkennungsmerkmals nicht
Fußzehen, sondern Finger abgehackt, um ihre Hände in den grazilen Handschuh
schieben zu können. Immerhin wird das Wahrzeichen von Hendesse, der grau-silberne
Handschuh, oft mit einem roten (blutgetränkten?) Innenfutter präsentiert. Und bis heute
ist das angeblich so beschauliche Handschuhsheim nicht nur in der Realität, sondern
vor allem auch in der Fantasie von Romanautoren beliebter Ort blutigster Geschehen.
Fast möchte man meinen, nirgends gibt es mysteriösere und märchenhaftere
Verbrechen als in Handschuhsheim.
Wie dem auch sei, es rankt sich manche Anekdote um den im Jahr 765 nach Christi
Geburt erstmals erwähnten Namen, der sich übrigens – wie viele andere Ortschaften
auch – nur schwer ins Englische (Gloveshome?) übersetzen lässt. Genaues wissen wir
jedenfalls bis heute nicht.
Handschuhe können bekanntlich vielerlei symbolisieren: Abgrenzung und Schutz vor
widrigen Einflüssen, Schmuck und Zeichen von Würde und Wohlstand aber auch
Drohung und Kampfbereitschaft – alles lässt sich mit Handschuhsheim in Verbindung
bringen.
Handschuhsheim bietet aufgrund seiner bewegten Geschichte, seiner
bemerkenswerten Bauwerke, seiner landschaftlichen Reize und zahlreicher anderer
Sachverhalte genügend Anlässe für eine Beschreibung.
In diesem satirisch gefärbten Bildband wird Handschuhsheim aus einigen bisher eher
unüblichen Blickwinkeln beleuchtet. Es werden alte und neue Gebäude im Zentrum
und Umland gezeigt, das gesellschaftliche und kulturelle Leben wird gewürdigt und es
werden darüber hinaus Einblicke in die ganz persönlichen Vorstellungen manches
Handschuhsheimer Bürgers vermittelt. Nicht selten tun sich dabei unerwartete
Einsichten (oder sollte man sagen Abgründe?) auf. So kommen in diesem Buch auch
Sachverhalte zur Sprache, die in den verfügbaren Heimatchroniken und Jahrbüchern
fehlen oder dort etwas anders dargestellt sind. Das alles soll dazu beitragen, das
traditionelle Bild von Handschuhsheim etwas abzurunden.
Handschuhsheim, im Jahr 2013
Hans Jörg Staehle
6
Einleitung
7
Zur Orientierung
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9
[39]
Im Heim des Hantscoh
Wer sich mit dem ominösen Namen Handschuhsheim anhand historischer Quellen
beschäftigen möchte, dem sei ein als Standardwerk weithin anerkanntes
Geschichtsbuch nahegelegt, in dem sich folgende Feststellung findet (Zitat):
„…Geschrieben wurde der Ortsname im 8. Jahrhundert Hantcuhesheim,
Hanscuesheim und ähnlich. Der erste Bestandteil des Ortsnamens – Handschuh – ist
wohl ein Personenname, der auch im angelsächsischen Beowulflied (Vers 2076) zu
belegen ist. Ähnlich sind uns ja heute noch Eigennamen wie Eisenhut, Panzer, Stiefel
geläufig…“ [39].
Mit dem Verfasser des hier zitierten Geschichtsbuches, das im Verlauf der folgenden
Ausführungen noch mehrfach eine Rolle spielen wird, hat es eine besondere
Bewandtnis:
Am Ende des Ersten Weltkriegs ließ sich in Handschuhsheim ein an Taubheit
leidender Preuße aus Braunschweig, ein gewisser Herbert Levin, nieder. Er fand
Gefallen am Dorf (und am hier erhältlichen Wein), interessierte sich aber auch stark
für die Eingeborenen (zu diesen zählt, wer wenigstens drei Grabsteine auf dem
Friedhof stehen hat). Bis zu seiner bemerkenswerterweise mitten im Zweiten
Weltkrieg (1941) erfolgten Ernennung zum Stadtarchivar war er meistens ohne feste
Anstellung (heute würde man wohl sagen, er war „Langzeitarbeitsloser”) und so hatte
er viel Zeit, sich mit Land und Leuten zu beschäftigen. Schon 1926 war ihm die Idee
gekommen, seinen Namen Levin in Derwein umzuwandeln. 1933 publizierte er das
besagte Buch mit dem Titel „Handschuhsheim und seine Geschichte” [39], das bis
heute als beste und profundeste Dorfhistorie Badens allseits gerühmt wird [31,168].
Geschrieben hat Derwein alias Levin (nomen est omen!) dieses große Werk
Zeitzeugen zufolge bei manch gutem Glas Wein im Wesentlichen in den beiden
Handschuhsheimer Gasthäusern „Bachlenz” und „Badischer Hof” [168] (→ vgl. auch
Abschnitt Widerstandskämpfer, Heimatkundler & Volksdichter).
10
Der geschichtsträchtige, an der Bergstraße gelegene, 1.581 Hektar große
Heidelberger Stadtteil Handschuhsheim, mundartlich „Hendesse“ genannt, zeichnet
sich durch starke Kontraste aus. Im historischen Ortszentrum (116 m über NN)
befinden sich Reste einer mittelalterlichen Ritterburg (die Wasserburg Tiefburg), ein
Schlösschen (dessen Ursprünge zu Junkern mit dem schönen Namen „von
Katzenelnbogen“ aus dem 15. bis 17. Jahrhundert zurückreichen) [119], ein Park (in
Erinnerung an den englischen Tapezierer und späteren Minenspekulanten Graham),
die katholische Vituskirche (älteste Kirche Heidelbergs), ein Kriegerdenkmal („den
künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung“ gewidmet), die 1910 eingeweihte
evangelische Friedenskirche (mit einer aus französischer „Kriegsbeute“ stammenden
Glocke, die im Zweiten Weltkrieg ihrerseits wieder für Rüstungszwecke verwendet
wurde) und viele weitere Zeugnisse einer bewegten Vergangenheit.
Die westliche Ebene bis zum Neckar („Handschuhsheimer Feld“) ist durch
Landwirtschaft, insbesondere Obst- und Gemüseanbau geprägt. Außerdem befindet
sich dort ein sehr bedeutendes Großklärwerk, in dem jährlich 23 Millionen Kubikmeter
Abwasser aus der Umgebung verarbeitet werden.
Die östliche Begrenzung bilden der 440 m hohe, sagenumwobene Heiligenberg und
ein ausgedehntes Waldgebiet, das bis zur Gemeinde Ziegelhausen reicht (etwa die
Hälfte der Fläche von Handschuhsheim ist Wald).
Im Norden grenzt Handschuhsheim an den Ort Dossenheim.
Die südliche Begrenzung bildet der Heidelberger Stadtteil Neuenheim. Teile des
Universitäts-Campus sowie weitere wissenschaftliche und industrielle Einrichtungen
gehören zu Handschuhsheim.
Forschungsstätten und Industrieunternehmen neben Obst- und Gemüsefeldern,
Ebene neben Berg, alter dörflicher Ortskern neben städtischen Neubauten und
Hochhäusern, Kriegsstraße neben Friedensstraße, herrschaftliche Villen neben
Sozialwohnungen, Alteingesessene („Hendsemer“) neben neu Hinzugezogenen,
individueller Einzelhandel und Handwerksbetriebe neben Konzernketten und viele
weitere Gegensätze belegen die Vielfältigkeit, aber auch zuweilen die
Widersprüchlichkeit dieses größten Stadtteils von Heidelberg, der fast 18.000
Einwohner beherbergt. Es gibt zahlreiche sehr fundierte und anschauliche Schriften
über „Hendesse“ [20-24, 39, 67-70, 75, 148, 170, 172]. Sie konzentrieren sich auf die
historische Entwicklung und das idyllische Zentrum des ursprünglichen Dorfes, das –
wie ganz Heidelberg – im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört wurde.
In der Beantwortung der Frage, ob die Zerstörung einer Ortschaft langfristig eher
positive oder negative Effekte zeitigt, gibt es unterschiedliche Positionen [15, 152].
Auf der einen Seite stehen die „Bewahrer“ [189]. Etliche betrachten es als Segen,
wenn eine Stadt von einer Kriegszerstörung einigermaßen verschont geblieben ist.
Sie wollen alles retten, was zu retten ist. Demgegenüber melden sich immer wieder
auch andere Stimmen zu Wort. So gab zum Beispiel im Jahr 2011 der Geograph H.
Gebhardt in der lokalen Presse (Rhein-Neckar-Zeitung) zum Besten, dass in der
Nicht-Zerstörung Heidelbergs im Zweiten Weltkrieg auch ein „Fluch“ (wie er sich
ausdrückte) liege mit der Folge „no action, talk only“ [171, zit. nach B. Sommer].
11
Manche Bürger beklagen auch für das zwar über Jahrhunderte hinweg durch Kriege
immer wieder in Mitleidenschaft gezogene, im Zweiten Weltkrieg jedoch weitgehend
unbehelligte Handschuhsheim eine gewisse „Rückständigkeit“, wobei vor allem die
alte Bausubstanz und Straßenführung sowie mangelnde Parkplätze [123] als
Hemmschuh für eine zeitgemäße Weiterentwicklung angesehen werden.
An Handschuhsheim haftet bis heute der Ruf eines im Dornröschenschlaf liegenden
romantischen Dörfchens von besonders malerischem Reiz [16, 17, 89, 94, 100,
116, 148]. So schreibt zum Beispiel U. Richter im Jahr 2006: „Das Dorf
Handschuhsheim … ist von einem Zauber umsponnen, der Romantik heißt“ [148].
Selbst in neueren Reiseführern wie dem Merianlive! von 2010 wird
Handschuhsheim dem Besucher immer noch als „altes Weindorf“ angekündigt
[116]. Im Jahrbuch 2011 des Stadtteilvereins Handschuhsheim e. V. wird der Ort
wie folgt charakterisiert: „Hendesse! Verträumtes Dorf am sagendunklen Heilgen
Berg – die Vitus-Kirchenglocke tönt dir wie in alter Zeit – Ermahnt zur Andacht dich,
– ruft auf zu hartem Tagewerk. – Und aus den Schänken atmet weitgerühmte
Gastlichkeit” [89].
Auf der anderen Seite darf man konstatieren, dass zahlreiche Institutionen sowie
einzelne engagierte Bürgerinnen und Bürger in den letzten Jahren große
Anstrengungen an den Tag gelegt haben, die Nicht-Zerstörungen im Krieg
einigermaßen auszugleichen und dem Ort „zur Belebung der städtischen
Wirtschaft“ zumindest partiell ein modernes und zeitgemäß verdichtetes Aussehen,
wie es der Literat Georg Seeßlen aufzeigt [169], zu verleihen. Dies wiederum hat
„Gegenbewegungen“ hervorgerufen, die den alten Zustand möglichst beibehalten
wollen, sodass man beobachten kann, dass nicht nur in der Heidelberger Altstadt,
sondern auch in Heidelberg-Handschuhsheim oftmals erbittert um „den richtigen
Weg“ zur Gestaltung einer Ortschaft gerungen wird [4, 26, 28, 182, 187].
Die bisherigen Beschreibungen von Hendesse beschränken sich – wie oben
ausgeführt – vornehmlich auf die als attraktiv empfundenen Sehenswürdigkeiten, so
dass es mitunter zu einer etwas einseitigen, quasi „verklärten“ Sicht auf diesen
Heidelberger Stadtteil kommt, was der Darstellung der Realität nicht immer ganz
gerecht wird.
In der vorliegenden Foto- und Schriftensammlung wird deshalb ein anderer Weg
beschritten. Es werden nämlich auch Alltagseindrücke, die man üblicherweise nur
am Rande wahrnimmt und eher selten fotografiert, quasi wie mit einer Lupe
herausgearbeitet und sogar teilweise in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt.
Durch die Beachtung des scheinbar Unwesentlichen erschließt sich eine eigene
Welt, was dazu beitragen soll, Eigentümlichkeiten, aber durchaus auch
allgemeingültige Merkmale des Ortes und seiner Bewohner mit ihren kleinen und
großen Wünschen, Sorgen und Nöten sichtbar zu machen. Etliche dieser in
Handschuhsheim fotografierten Bilder geben nicht nur hiesige Verhältnisse wieder,
sondern dürften genauso auch in anderen Ortschaften der Bundesrepublik
Deutschland anzutreffen sein. Oder, um es frei nach dem Sänger und Schriftsteller
Franz Josef Degenhardt auszudrücken: Hier im Innern des Landes, in
Handschuhsheim und anderswo, leben viele längst totgesagte Gebräuche und
Vorstellungen durchaus noch munter weiter [37].
Die Erörterung einiger geschichtlicher Kuriositäten rundet den Band ab.
Lassen Sie sich bei der Lektüre also auf einen etwas ungewöhnlichen Spaziergang
durch „das Heim des Hantscoh“ [31] ein!
12
Herzlichste
Grüße aus
unserem
schönen
Hendesse
13