aktuellen Problemen im deutschen Bankensektor
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aktuellen Problemen im deutschen Bankensektor
13 Beiträge für die Wirtschaftspraxis Wissenschaft & Praxis Das deutsche Bankenwesen ist durch die gravierenden Umbrüche in der internationalen Finanzwelt in starke Turbulenzen geraten. Subprime Krise, Insolvenzen von Kreditinstituten, staatliche Sicherungsmaßnahmen – Öffentlichkeit und Fachwelt diskutieren die Ursachen und Wirkungen dieser beunruhigenden Effekte in der jüngeren Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund leistet die vorliegende Arbeit einen aktuellen Diskussionsbeitrag zur sachlichen Ursachenforschung der Bankenkrise in Deutschland. Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse der Strukturen und Merkmale des deutschen Bankenwesens werden differenzierte Handlungsempfehlungen zur Behebung struktureller Probleme sowie zur Vermeidung zusätzlicher Verwerfungen in der Kreditwirtschaft gegeben. Aktuelle Probleme im deutschen Bankensektor – eine kritische Analyse und mögliche Lösungsansätze Eric Frère / Svend Reuse / Martin Svoboda Die von Verbänden der Wirtschaft 1993 gegründete staatlich anerkannte gemeinnützige FOM Fachhochschule für Oekonomie & Management verfügt über 21 Standorte in Deutschland und weitere im Ausland. Weitere Informationen finden Sie unter: www.fom.de Akademie Verlag ISBN 3-89275-058-0 Akademie Verlag Über die Autoren Frère, Eric / Reuse, Svend / Svoboda, Martin Aktuelle Probleme im deutschen Bankensektor – eine kritische Analyse und mögliche Lösungsansätze FOM-Schriftenreihe: Beiträge für die Wirtschaftspraxis, Nr. 13 Essen 2008 Prof. Dr. Eric Frère studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Anschließend promovierte er an der Ruhr-Universität Bochum am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik beim Präsidenten des RWIs. Nach Tätigkeiten beim Credit Commercial der France (CCF), Bayer UK und Bankhaus Lampe KG ist er seit mehr als fünfzehn Jahren selbstständiger Unternehmensberater für Corporate Finance und Asset Management. In dieser Funktion hat er unter anderem mehrere Börsengänge im geregelten Markt platziert und Venture Capital/Private Equity-Finanzierungen sowie strukturierte Finanzierungen realisiert. ISBN 3-89275-058-0 An der Fachhochschule für Oekonomie & Management lehrt er seit 1992 insbesondere Finanzwirtschaft, Corporate Finance, International Enterpreneurship und International Finance und wurde hier 2001 zum Professor berufen. Dipl.-Betriebsw. (FH), Dipl.-Inform. (FH) Svend Reuse, MBA ist gelernter Bankkaufmann und absolvierte berufsbegleitend mehrere Studiengänge, zuletzt den MBA. Er hat bereits mehr als 30 Veröffentlichungen in namhaften deutschen Verlagen publiziert. Als Abteilungsleiter Controlling der Sparkasse Mülheim ist er für die Themen Gesamtbanksteuerung und Risikomanagement verantwortlich. Des Weiteren ist er Dozent an der Fachhochschule für Oekonomie & Management und der Rheinischen Sparkassenakademie. Seit 2007 ist er Doktorand an der Masaryk Universität, Tschechien, Fachrichtung Finanzwesen. C 2008 by Akademie Verlag MA Akademie Verlagsund Druck-Gesellschaft mbH Leimkugelstraße 6,45141 Essen Tel. 0201 81004-351 Fax 0201 81004-610 Kein Teil des Manuskriptes darf ohne schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag oder ähnliche Wege bleiben vorbehalten. ISBN 3-89275-058-0 Doc. Dipl.-Ing Martin Svoboda, Ph. D. gehört als Dekan der Masaryk Universität (Brünn) und Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Finanzen und Kapitalmärkte zu den bekanntesten Finanzwissenschaftlern Tschechiens. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit derivativen Finanzinstrumenten und hat entscheidend zur Entstehung des Zertifikate-Marktes im tschechischen Sprachraum beigetragen – u.a. auch als Herausgeber des ZertifikateJournals in Tschechien und der Slowakischen Republik Diskussionsbeitrag Nr. 13 Vorwort Der deutsche Bankensektor ist in Folge der internationalen Finanzkrise seit Mitte 2007 in die Notwendigkeit dramatischer Sicherungsmaßnahmen geraten. Die abflauende Konjunktur führte zu verstärkter Zahlungsunfähigkeit unzähliger privater und gewerblicher Schuldner und in Verbindung mit minderwertig abgesicherten Krediten zu gravierenden Verlusten der Kreditunternehmen. Die IKB (Industriekreditbank), die SachsenLB (-Landesbank) und die WestLB wurden von Abschreibungsaufwand in Milliardenhöhe auf verbriefte Forderungen getroffen. Um Insolvenzen im sensiblen Bankensektor zu vermeiden, wurden damit die Konsolidierung des Wirtschaftsbereichs und staatliche Sicherungsmaßnahmen, die wiederum letztlich vom Steuerzahler getragen werden müssen, notwendig. Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank sowie die staatliche Stützung der USA für die beiden Institute Fannie Mae und Freddie Mac sind dafür aktuelle Beispiele. Vor diesem Hintergrund arbeitet die vorliegende Arbeit die sog. Subprime-Krise anhand struktureller Merkmale sowie aktueller Beispiele auf. Dabei betreiben die Autoren weit unter die Oberfläche der aktuellen Diskussion gehende Ursachenforschung und leiten daraus differenzierte Kritik an der Entwicklung des Bankensektors in der Vergangenheit ab. Auf dieser Grundlage werden dann konkrete Handlungsempfehlungen für Kreditinstitute ausgesprochen, um ein erneutes Verfangen deutscher Banken in vergleichbaren Krisensituationen abmildern bzw. vermeiden helfen zu können. Prof. Dr. Sabine Fichtner-Rosada FOM Fachhochschule für Oekonomie & Management Wissenschaftliche Schriftenleitung Essen, Oktober 2008 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Inhalt Inhalt..................................................................................................................................... II Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... IV Tabellenverzeichnis .......................................................................................................... IV Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................... V 1 Einleitende Worte und Problemstellung ......................................................... 1 2 Aufbau und Rahmenbedingungen im Deutschen Bankensystem ................ 2 2.1 Aufbau des Deutschen Bankensystems: das Drei-Säulen-Modell ................... 2 2.2 Umsetzungsstand von Basel II in Deutschland ................................................ 3 2.3 Status Quo der Ertragslage im Deutschen Bankensystem .............................. 7 2.3.1 Internationaler Vergleich ............................................................................. 7 2.3.2 Nationale Entwicklung ................................................................................. 9 3 Strukturierung und Analyse der aktuellen Probleme .................................. 10 3.1 Ertrags- und Kostendruck .............................................................................. 10 3.1.1 Sinkendes Ergebnis aus Fristentransformation .................................... 10 3.1.2 Ertragsdruck durch Änderung des Kundenverhaltens ......................... 12 3.1.3 Verschärfte Konkurrenzsituation durch Direktbanken .......................... 14 3.1.4 Kostendruck durch EDV ............................................................................ 15 3.2 Subprime Krise und deren Folgewirkungen ................................................... 16 3.2.1 Analyse der Fehler am ABS Markt .......................................................... 16 3.2.2 Liquiditätskrise – die Konsequenz aus mangelndem Vertrauen ........ 20 3.2.3 Fehler bei externen Ratingagenturen ..................................................... 21 3.3 Risikomanagementprozess und Risikoüberwachung .................................... 23 3.3.1 Versagen des Risikomanagements ........................................................ 23 3.3.2 Fehler in der Bankenaufsicht ................................................................... 24 3.4 Strategische Ausrichtung ............................................................................... 25 II Diskussionsbeitrag Nr. 13 3.4.1 Zukunftsfähigkeit des Drei-Säulen-Modells ........................................... 25 3.4.2 Inkonsistenzen zwischen Strategie und Steuerungskonzepten ......... 26 4 Lösungsansätze für Deutsche Banken ......................................................... 28 4.1 Optimierung Risikomanagement: Konsequentes Umsetzen der MaRisk ....... 28 4.2 Strategische Ausrichtung – Spezialisierung und Outsourcing........................ 29 4.3 Multikanalvertrieb und professionelle Kundensegmentierung ........................ 30 4.4 Methodisch korrekte Asset Allocation ............................................................ 31 4.5 Optimierung der Strukturen und Prozesse der Aufsicht ................................. 32 4.6 Reduzierung der Wichtigkeit externer Ratings ............................................... 33 5 Fazit und kritische Würdigung ...................................................................... 35 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse ............................................................... 35 5.2 Ausblick für die Zukunft ................................................................................. 36 Literaturverzeichnis............................................................................................ 38 III Diskussionsbeitrag Nr. 13 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Umsetzung von Basel II in deutsches Recht ......................................... 5 Abbildung 2: Deutsche Banken im internationalen Vergleich ..................................... 8 Abbildung 3: Entwicklung des Ergebnisses aus Fristentransformation .................. 12 Abbildung 4: Entwicklung der Anzahl kostenloser Girokonten ................................. 13 Abbildung 5: Bankdienstleistungen – Preis vs. Qualität ............................................ 14 Abbildung 6: Operative Kostenpositionen der deutschen Banken (in %) ............... 16 Abbildung 7: Ablauf einer ABS Transaktion mit Forderungsverkauf ....................... 17 Abbildung 8: Wertentwicklung der Indices für RMBS ................................................ 20 Abbildung 9: Vergleich von besichertem und unbesichertem Geldmarkt ............... 21 Abbildung 10: Nutzung und Wertung verschiedener Kennzahlen, n = 51............... 27 Abbildung 11: Mögliche neue Bankstrukturen ............................................................. 29 Abbildung 12: Kundenstrukturen und Multikanalvertrieb............................................ 31 Abbildung 13: Zusammenfassung der Probleme im deutschen Bankensektor ...... 35 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Entwicklung der Anzahl deutscher Institute ...................................... 2 Tabelle 2: Entwicklung des deutschen Bankensektors 1999 – 2006 ................. 9 IV Diskussionsbeitrag Nr. 13 Abkürzungsverzeichnis ABS AT = Asset Backed Securities = Allgemeiner Teil BaFin = Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen BIZ = Bank für internationalen Zahlungsausgleich BSC BT = Balanced Scorecard = Besonderer Teil BTR = Besonderer Teil Risiko bzw. = beziehungsweise CIR DAX = Cost Income Ratio = Deutscher Aktienindex DB = Deckungsbeitrag DIBA = Direktanlagebank DSGV EDV = Deutscher Sparkassen- und Giroverband = Elektronische Datenverarbeitung EKR = Eigenkapitalrentabilität EU = Europäische Union f. FED = folgende = Federal Reserve System ff. = fortfolgende FG = Fachgremium FTD ggf. = Financial Times Deutschland = gegebenenfalls GroMiKV = Groß- und Millionenkreditverordnung ICAAP = Internal Capital Adequacy Assessment Process (Interner Prozess zur angemessenen Eigenkapitalausstattung) IKB = Industriekreditbank IRB IT = Auf internen Ratings basierender Ansatz = Informationstechnologie KfW = Kreditanstalt für Wiederaufbau KSA = Kreditrisikostandardansatz KWG LB = Kreditwesengesetz = Landesbank MaH = Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute MaIR = Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der internen Revision = Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute MaK MaRisk = Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute V Diskussionsbeitrag Nr. 13 MiFID = Markets in Financial Instruments Directive Mio. = Millionen NRW NSpG = Nordrhein-Westfalen = Niedersächsisches Sparkassengesetz RMBS = (Residential Mortgage Backes Securities) SEPA = Single Euro Payments Area SolvV SPV = Solvabilitätsverordnung = Special Purpose Vehicle SREP = Supervisory Review and Evaluation Process (Aufsichtlicher Überprüfungsprozess) SRP = Supervisory Review Process (Aufsichtliches Überprüfungsverfahren) u.a. = unter anderem USA = United States of America vgl. VÖB = Vergleiche = Verband Öffentlicher Banken WiWo = Wirtschaftswoche z.B. = Zum Beispiel ZKA = Zentraler Kreditausschuss VI Diskussionsbeitrag Nr. 13 1 Einleitende Worte und Problemstellung Seit Mitte 2007 ist der Bankenmarkt in Aufruhr. Die so genannte Subprime Krise hat vor allem die IKB (Industriekreditbank), die SachsenLB (-Landesbank) und die WestLB mit Abschreibungen in Milliardenhöhe in Mitleidenschaft gezogen1. Aber auch die anderen Banken hatten diesbezüglich hohe Abschreibungen im Jahresabschluss 2007 zu verzeichnen2. Doch diese Krise ist nur das vordergründige Problem, dem sich der deutsche Bankensektor stellen muss. Eine nähere Analyse offenbart viele andere, schon länger inhärent vorhandene Probleme, die nun simultan schlagend werden. Die vorliegende Ausarbeitung setzt sich zum Ziel, diese Problemfelder zu analysieren und zu strukturieren. Es wird auf bereits länger vorhandene Probleme genauso eingegangen wie auf aktuelle Spannungsfelder. Hierbei wird aufgezeigt, welche der Probleme sich gegenseitig bedingen. Ziel ist es letztlich, die Ursache-Wirkungszusammenhänge aufzuzeigen und mögliche Lösungsansätze zu entwickeln, um die aktuellen Probleme im deutschen Bankensektor zu lösen. Hierzu wird wie folgt vorgegangen: Nach dem einleitenden Kapitel 1 erläutert Kapitel 2 den Status quo im deutschen Bankensektor aus struktureller, ertragsorientierter und aufsichtsrechtlicher Sicht. Gerade auf den letzten Aspekt wird hier besonderen Wert gelegt, da trotz Einführung von Basel II mit all seinen Bestandteilen eine solche Krise möglich geworden ist. Kapitel 2 stellt letztlich die Basis für die daraus resultierenden Probleme in Kapitel 3. Diese werden strukturiert und detailliert erläutert, um einen Überblick über die Spannungsfelder im deutschen Bankensektor aufzuzeigen. Kapitel 4 offeriert mögliche Lösungsansätze zu den in Kapitel 3 dargestellten Problemfeldern. Ziel ist es, die aus Sicht der aktuellen Fachliteratur richtigen Lösungsimpulse aufzuzeigen. Kapitel 5 letztlich fasst im ersten Teil die Ergebnisse zusammen, wobei hier die Mehrschichtigkeit und Kausalität der Probleme im Vordergrund stehen. Im zweiten Teil wird ein aggregierter Ausblick für die Zukunft gegeben. 1 2 Vgl. u.a. Weinstock (2008), S. 7 und Steinbrück (2008), S. 4. Vgl. u.a. Steinbrück (2008), S. 4. Seite 1 Diskussionsbeitrag Nr. 13 2 Aufbau und Rahmenbedingungen im Deutschen Bankensystem Im ersten Schritt gilt es, den Status Quo im deutschen Bankensektor zu identifizieren. Hierzu werden im Folgenden die Struktur, die Ertragslage und die Umsetzung von Basel II in deutsches Recht erläutert. Es handelt sich dabei um die drei wesentlichen Aspekte, die es letztlich im Rahmen der Problemstellung zu analysieren gilt. 2.1 Aufbau des Deutschen Bankensystems: das Drei-Säulen-Modell Generell ist das deutsche Bankensystem in ein Drei-Säulen-Modell eingeteilt, wobei hier zwischen privatwirtschaftlichen, öffentlich/rechtlichen und genossenschaftlichen Kreditinstituten unterschieden wird3. Während bei privatwirtschaftlichen Unternehmen die Gewinnerzielungsabsicht im Vordergrund steht, liegt der Fokus bei den anderen beiden Säulen auf der Erfüllung bestimmter Aufgaben4. Diese Strukturierung existiert seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und wird nachfolgend näher analysiert. Tabelle 1 stellt die Entwicklung der Anzahl der Institute je Säule/Bereich gegenüber. Neben den klassischen drei Säulen sind hier die Landesbanken separat aufgeführt. Art der Banken 1990 2006 Delta in % 338 3055 -9,76% 12 12 0,00% 769 457 -40,57% Genossenschaften 3.380 1.259 -62,75% Summe 4.499 2.070 -53,99% Privatbanken Landesbanken Sparkassen Quelle: Deutscher Bankenverband (2008). Tabelle 1: Entwicklung der Anzahl deutscher Institute Es ist zu erkennen, dass sich die Anzahl der deutschen Kreditinstitute seit 1990 stark vermindert hat. Vor allem Sparkassen und Genossenschaften sind hiervon betroffen, da sie tendenziell relativ klein sind. Die Gruppe der Genossenschaftsbanken hat sich auf fast 3 4 5 Vgl. u.a. Grill/Perczynksi (1998), S. 40; Süchting/Paul (1998), S. 32 und Voigtländer (2004), S. 3 ff. Vgl. Grill/Perczynksi (1998), S. 41. Zu einer Differenzierung zwischen Sparkassen und Volksbanken vgl. u.a. DSGV (2006), S. 1 ff. Vgl. auch DSGV (2007a) und DSGV (2007b) zur Strukturierung des Sparkassensektors. Ohne ca. 55 Investmentbanken, die ab 2002 dieser Gruppe zugeordnet wurden. Vgl. Deutscher Bankenverband (2008), S. 1. Seite 2 Diskussionsbeitrag Nr. 13 ein Drittel reduziert. Dies lässt auf bereits erfolgte Fusionen und einen weiterhin vorhandenen Fusionsdruck innerhalb der jeweiligen Säule schließen6. Aber auch Zusammenschlüsse zwischen den Säulen sind zurzeit in der Diskussion7. Während die Privatbanken solch eine Fusion durchsetzen wollen8, versuchen Genossenschaften und Sparkassen, dies zu verhindern9. So beurteilt der Bankenverband NRW (Nordrhein-Westfalen) das Drei-Säulen-Modell wie folgt: „Vor dem Hintergrund des nicht mehr gegebenen öffentlichen Auftrags erscheinen die Nachteile des etablierten „Drei-Säulen-Modells“ um so gravierender. […] vielmehr zeigt sich im internationalen Vergleich deutlich, dass das bestehende Drei-Säulen-System die Herausbildung einer im europäischen und globalen Wettbewerb leistungsfähigen Struktur verhindert.“10 Diese Konsolidierung lässt bereits den Schluss zu, dass die Geschäftsmodelle der deutschen Banken diskussionswürdig sind. Dieser Faktor ist eine der zentralen Rahmenbedingungen, die zu einer Vielzahl der aktuell vorhandenen Probleme geführt haben. Dies wird auch an späterer Stelle deutlich und entsprechend diskutiert11. 2.2 Umsetzungsstand von Basel II in Deutschland Das Thema Basel II ist seit Jahren ein viel diskutiertes Thema. Es wird oftmals (auch fälschlicherweise) als Grund für diverse Entwicklungen im deutschen Bankensektor angeführt. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle das Thema Basel II und seine Umsetzung in deutsches Recht kurz vorgestellt12. An späterer Stelle kann dann gezeigt werden, ob bzw. was Basel II mit den aktuellen Problemen im deutschen Bankensektor zu tun hat. Der gesamte Komplex Basel II besteht aus drei Säulen13: 6 7 8 9 10 11 12 13 Ein Zusammenschluss zwischen Instituten verschiedener Säulen, vor allem der Verkauf von Sparkassen ist zumindest aktuell gesetzlich nicht erlaubt. Dies ist Landesrecht, vgl. u.a. §1 NSpG: „Die Träger dürfen ihre Sparkassen nicht veräußern.“ Aktuell u.a. diskutiert in Bankvereinigung NRW (2006), S. 2. Vgl. u.a. Jennen (2006). Einen strukturierten Überblick bieten Simmert/Benölken (2006), S. 238 ff. Vgl. WiWo (2006). Vgl. u.a. Hoppenstedt (2005), S. 3. Bankvereinigung NRW (2006), S. 2 f. Vgl. Kapitel 3. Diskutiert in Reuse (2008.06), S. 334 – 336. Vgl. u.a. DSGV (2007c), S. 16; Paul (2004), S. 9 und Deutsche Bundesbank (2007a). Seite 3 Diskussionsbeitrag Nr. 13 • Säule 1: Quantitative Mindestanforderungen: Wie haben Banken ihre Kreditrisiken mit Eigenkapital zu unterlegen? • Säule 2: Qualitative Mindestanforderungen: Sind Banken in der Lage, ihren Risikomanagementprozess adäquat umzusetzen? Diese Betrachtung ist unabhängig von Säule I zu sehen. • Säule 3: Marktdisziplin: Erweiterte Transparenzvorschriften für Banken: diese müssen im Rahmen der Jahresabschlusserstellung einen Offenlegungsbericht erstellen. Dieser muss zusätzlich zu den Angaben im Lagebericht beispielsweise detaillierte Aussagen zur Portfoliozusammensetzung gemäß Säule 1, den Wertberichtigungen und dem qualitativen Risikomanagement umfassen14. Dieser grundlegende Aufbau von Basel II ist sehr weitgehend, umfasst er doch nahezu alle quantitativen und qualitativen Anforderungen, die eine Bank erfüllen muss. Der Ansatz geht somit weit über die reine Eigenkapitalunterlegung von Basel I hinaus. Es dauerte jedoch recht lange, bis Basel II wirklich in deutsches Recht transformiert werden konnte. Basel II wurde zum ersten Mal im Juni 1999 zur Konsultation auf internationaler Ebene vorgestellt15. Erst im Juni 2004, also fünf Jahre später, wurde es letztlich als finales Empfehlungspapier verabschiedet. Doch damit Basel II in deutsches Recht transformiert werden konnte, musste es erst in europäisches Recht überführt werden. Dies geschah nach mehreren Konsultationsläufen im Juni 2006 durch die Veröffentlichung der Bankenrichtlinie (2006/48/EG)16 und der Kapitaladäquanzrichtlinie (2006/49/EG)17. Die letztliche Umsetzung in deutsches Recht erfolgte jedoch erst Ende 2006 über das KWG (Kreditwesengesetz)18 und der darauf basierenden SolvV (Solvabilitätsverordnung)19. Abbildung 1 verdeutlicht die Umsetzung von Basel II in deutsches Recht. Das Basisgesetz der Umsetzung ist das KWG. Dieses nur aus „Metadaten“ bestehende Gesetz wird durch die SolvV20 und die GroMiKV (Groß- und Millionenkreditverordnung) 14 15 16 17 18 19 20 Zum detaillierten Umfang vgl. §§ 322 – 334 SolvV. Vgl. Deutsche Bundesbank (2007a). Vgl. Europäische Union (2006a). Vgl. Europäische Union (2006b). Vgl. §10 KWG. Vgl. SolvV (2006). Vgl. SolvV (2006). Seite 4 Diskussionsbeitrag Nr. 13 manifestiert. Sie ersetzen den alten Grundsatz I. Dieser basierte auf Basel I von 198821 und regelte pauschal, dass 100 € Kredit mit 8 € Eigenkapital unterlegt werden mussten. Gesetzliche Umsetzungsaktivitäten in Deutschland bezüglich Basel II Basel II (via EU-Richtlinien) Säule I Säule II Säule III Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen für SolvV und GroMikV Ersetzt Grundsatz I KWG FG (Fachgremium) MaRisk ersetzt: MaK-FG SRP (Supervisory Review Process)-FG Konkretisiert den ICAAP (Internal Capital Adequacy Assessment Process) und schafft den Rahmen für SREP (Supervisory Review and Evaluation Process) SolvV/GroMiKV Mindestanforderungen an das Risikomanagement („MaRisk“) Quelle: DSGV (2007c), S. 16. Abbildung 1: Umsetzung von Basel II in deutsches Recht Basel II sieht nun differenzierte Ansätze vor, wobei zwischen dem KSA (Kreditrisikostandardansatz) und dem IRB (Auf internen Ratings basierender Ansatz) unterschieden wird22. Im ersten Ansatz werden Forderungen ratingunabhängig in verschiedene Forderungsklassen eingeteilt und auf Basis dieser Forderungsklassen mit Eigenkapital unterlegt23. Nur in einem einzigen Fall finden Ratings hier Anwendung: wenn sie von einer externen Ratingagentur ausgestellt wurden24, die Bank diese externen Ratings intern verwenden möchte und dies der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen) anzeigt25. Interne Ratings haben hier keine Auswirkung. Diese werden erst im IRB-Ansatz relevant, denn hier findet wirklich eine Eigenkapitalunterlegung auf Basis von Ratings statt. 21 22 23 24 25 Vgl. Deutsche Bundesbank (2007). Vgl. u.a. Deutsche Bundesbank (2006), S. 80 ff. Vgl. §§ 24 – 40 SolvV. Vgl. §§ 41 – 47 SolvV. Vgl. §§ 41, 52 SolvV und BaFin (2007.06). Seite 5 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Den Banken stand ein Wahlrecht bei der Umsetzung von Basel II zu. Frühestens zum 01.01.2007 und spätestens zum 01.01.2008 musste die neue Regelung umgesetzt sein26. Allerdings haben die meisten Banken eine Umsetzung erst per Ende 2007 angestrebt, da auch die Veröffentlichung des endgültigen Gesetzeswerkes erst um Weihnachten 2006 erfolgte27. Die Säule II in Form der MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute) wurde hingegen bereits wesentlich früher, nämlich schon im Dezember 2005 in Kraft gesetzt. Der Gesetzgeber regelte damit einen Gleichklang mit der Säule I: Spätestens mit Inkrafttreten der Säule I musste auch Säule II umgesetzt sein. Die MaRisk fassten die ehemaligen Handelsgeschäften der MaH (Mindestanforderungen Kreditinstitute), MaK an das Betreiben (Mindestanforderungen an von das Kreditgeschäft der Kreditinstitute) und MaIR (Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der internen Revision) zusammen und erweiterten diese um andere zentrale Aspekte, wobei der Schwerpunkt auf der Gesamtbankrisikosteuerung lag28. Säule III in Form der erweiterten Offenlegungsanforderungen wird erst in 2009 für die meisten Kreditinstitute relevant werden. Der erste Jahresabschluss, der den neuen Offenlegungsanforderungen unterliegt, wird der 31.12.2008 sein, sofern die entsprechende Bank Basel II erst in 2008 umgesetzt hat. Allerdings muss erwähnt werden, dass der IRB-Ansatz nur von sehr wenigen Banken – primär von Großbanken – in Deutschland umgesetzt werden wird. So formulierte Meister schon in 2006: „Gegenwärtig haben ungefähr 40 Kreditinstitute bzw. Institutsgruppen – darunter alle Groß- und fast alle Landesbanken – gegenüber der Aufsicht erklärt, dass sie den internen Ratingansatz von Beginn an nutzen werden; zehn weitere Institute werden kurzfristig erwartet. Im Einzelnen wollen ca. 25 Institute mit dem einfachen IRB-Ansatz am 1. Januar 2007 starten sowie weitere 15 ab 1. Januar 2008 den fortgeschrittenen IRBAnsatz anwenden.“29 Somit starteten 40 Institute mit dem IRB-Ansatz, während der Rest mit dem normalen KSA-Ansatz begann. Aus Sicht der Autoren wird dies auch vorerst so bleiben, da die Implementierung des IRB-Ansatzes mit hohen Kosten verbunden ist. 26 27 28 29 Vgl. §340 SolvV und Deutsche Bundesbank (2006), S. 89. Vgl. Potthoff (2007). Vgl. Reuse (2008.01), S. 20. Meister (2006), S. 4. Seite 6 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Doch was hat dies nun mit den Problemen im deutschen Bankensektor zu tun? Zum ersten bindet die Einführung eines solch komplexen Ansatzes Ressourcen – sowohl in monetärer als auch in personeller Hinsicht. Hierdurch sind Banken oftmals rein personell überlastet, da gerade in kleineren Banken nur einige wenige Mitarbeiter über die nötigen Schlüsselqualifikationen zur Implementierung verfügen. Zum zweiten sollte Basel II die Probleme der letzten zwei Jahre verhindern: Erhöhte Anforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute sollten die Qualität des Managements erhöhen und die Gefahr einer Krise verhindern. Dies ist nicht geschehen, trotz der Einführung von Basel II kam es zur Krise. Die Gründe hierfür werden in Kapitel 3 erarbeitet. 2.3 Status Quo der Ertragslage im Deutschen Bankensystem 2.3.1 Internationaler Vergleich Die Analyse des Status Quo umfasst auch einen Einblick in die aktuelle Ertragslage deutscher Banken. Der Schwerpunkt wird hier auf die CIR (Cost Income Ratio), die EKR (Eigenkapitalrentabilität) und die Zinsspanne gelegt, da diese oftmals als Maßstab angelegt werden30. Im Vergleich zur internationalen Konkurrenz ist der deutsche Bankensektor seit jeher schlecht aufgestellt31, wie Abbildung 2 zeigt. Hiernach sind die drei zentralen Kennzahlen generell schlechter als bei der internationalen Konkurrenz. Auch wenn die hier dargestellte Zeitreihe nur bis 2003/2004 reicht, so kann doch festgehalten werden, dass sich der Trend fortsetzt. Auch Banken außerhalb Deutschlands haben durch die Subprime Krise Probleme gehabt, allerdings ist der Effekt im deutschen Bankensektor aufgrund der Vielfalt an zusätzlichen Problemen wesentlich problematischer. 30 31 Vgl. KfW (2005), S. 1. Vgl. u.a. Hagen/Rocholl (2007), S. 5. Seite 7 Diskussionsbeitrag Nr. 13 EKR nach Steuern CIR Zinsspanne Kennzahl Darstellung Quelle: KfW (2005), S. 2 – 4. Abbildung 2: Deutsche Banken im internationalen Vergleich Seite 8 Diskussionsbeitrag Nr. 13 2.3.2 Nationale Entwicklung Deutsche Banken stehen somit unter großem Erfolgsdruck. Alle Ertragsfaktoren entwickeln sich simultan in eine negative Richtung. Dies kann auch durch eine nähere Analyse auf dem deutschen Bankenmarkt dargestellt werden, bei der auch weitere Kennzahlen im Zeitablauf dargestellt werden. Größe 1999 Zinsspanne in % DBS (Durchschnittsbilanzsumme) 2001 2003 2004 2005 2006 Ø 1,28 1,12 1,16 1,18 1,17 1,15 1,18 70,53 73,20 69,81 70,24 73,47 68,23 68,22 Verwaltungsaufwand in % DBS 1,16 1,14 1,10 1,05 1,05 1,06 1,09 BE vor Bewertung in % der Bilanzsumme 0,60 0,46 0,55 0,56 0,67 0,64 0,58 66,02 71,41 66,45 65,50 60,95 62,35 65,45 0,35 0,20 0,03 0,14 0,44 0,36 0,25 11,22 6,19 0,72 4,18 13,00 9,34 7,44 Zinsüberschuss in % des Gesamtergebnisses CIR in % Jahresüberschuss vor Steuern in % DBS Eigenkapitalrentabilität Quelle: Deutsche Bundesbank (2007.09), S. 16 ff. und Deutscher Bankenverband (2008). Aggregierte Zahlen 2007 waren Stand 06.2008 noch nicht verfügbar. Tabelle 2: Entwicklung des deutschen Bankensektors 1999 – 2006 Die klassische Ertragsquelle der deutschen Banken, die Zinsspanne ist seit 2004 rückläufig und auch die CIR – welche die erwarteten Risikokosten noch nicht beinhaltet – ist mit einem Mittelwert von 65 Prozent über dem internationalen Niveau. Besonders signifikant ist die Eigenkapitalrentabilität. Mit 7,44 Prozent ist diese nur knapp über der langfristigen 10-Jahres-Rendite von 5 – 6 Prozent. Dies ist im internationalen Vergleich kein lohnendes Investment für einen Finanzinvestor. Deutsche Banken haben somit einen Rentabilitätsdruck an vielen Stellen. Hinzu kommen die Anforderungen des Aufsichtsrechtes und das sich stark ändernde Kundenverhalten. Letzten Endes sind diese Zahlen jedoch zu einem Großteil selbst verschuldet, stellen sie doch die Unterlassungssünden der Vergangenheit dar. Sie verstärken somit die nun folgenden Probleme, sind aber eher Ergebnis der Probleme und nicht als deren Verursacher zu sehen. Seite 9 Diskussionsbeitrag Nr. 13 3 Strukturierung und Analyse der aktuellen Probleme Es existieren verschiedene Probleme im deutschen Bankensektor. Eine klare Abgrenzung voneinander ist nur bedingt möglich, da sich diese teilweise überschneiden oder gegenseitig bedingen. Trotzdem soll eine strukturelle Trennung in den folgenden Kategorien vorgenommen werden: • Ertrags- und Kostenprobleme • Subprime Krise und deren Folgewirkungen • Fehler im Risikomanagementprozess und der Risikoüberwachung • Strategischer Ausrichtung Diese werden analysiert und kritisch gewürdigt. 3.1 Ertrags- und Kostendruck 3.1.1 Sinkendes Ergebnis aus Fristentransformation Als erstes Ertragsproblem ist das Ergebnis aus Fristentransformation32 zu nennen. Die Banken betreiben seit jeher Zinsgeschäft und Fristentransformation. Trotz des immer stärker werdenden Provisionsgeschäfts macht das Zinsergebnis mit 68,2 Prozent nach wie vor einen Großteil der ordentlichen Erträge aus33 und stellt somit die grundlegende Ertragsquelle für deutsche Banken dar. Allerdings macht das Zinsergebnis auch einen großen Teil des Risikos in deutschen Banken aus34. Die Entwicklung ist in letzter Zeit negativ. So geraten klassische Kredite und Spareinlagen immer weiter unter Druck35 und die Bestände an klassischen Sichteinlagen schmelzen bei Universalbanken dahin36. Nicht zuletzt wird das Zinsergebnis durch die nun schon seit langer Zeit flache Kurve gedrückt. So formuliert Weber, dass „das allgemeine Zinsumfeld [...] die Erträge aus der Fristentransformation sinken lässt.“37 Die sukzessiv sinkenden Bruttozinsspannen im Genossenschafts- und Sparkassenbereich sind die traurige Folge dessen38. 32 33 34 35 36 37 38 Diskutiert in Reuse (2008.03a), S. 3 ff. Vgl. Deutsche Bundesbank (2007.09), S. 16. Am Beispiel der Stresstests erkennbar in Deutsche Bundesbank (2004.10), S. 83. Vgl. Deutsche Bundesbank (2007.09), S. 16. Vgl. Rolfes/Schneider (2007), S. 30. Weber (2006). Vgl. Rolfes/Schneider (2007), S. 30; Deutsche Bundesbank (2007.09), S. 16. Seite 10 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Es ist zu erwarten, dass sich die eingangs beschriebene Entwicklung weiter verschärfen wird. Eine einfache Hochrechnung für die nächsten Jahre zeigt, dass neben dem jetzt schon bestehenden Margendruck39 auch die Erträge aus Fristentransformation weiter abnehmen werden. Hierbei wird eine im Bankenbereich typische passive Strategie simuliert40, welche auf die Hebelung der Fristentransformation abstellt. Als ZielBenchmark wird ein gleitender 10J-Satz gewählt41, der mit einem gleitenden 1J-Satz gehebelt ist. Basis der Datenreihe ist der 30.06.2007. Ohne auf die rechnerische Herleitung gleitender Sätze näher einzugehen42, werden die Ergebnisse der Analyse kurz dargestellt. Auf Basis des Zinsniveaus per 30.06.2007 werden drei Zinsentwicklungen simuliert: • • • gleich bleibendes Zinsniveau Parallelverschiebung der Zinsstruktur um 1 Prozent Ausweitung des Spreads 1J – 10J um 0,1 Prozent pro Monat Die Ergebnisse in Prozent lassen sich über Abbildung 3 visualisieren. Schon seit längerer Zeit sinken die Ergebnisse aus Fristentransformation. Seit 2003 sind diese konsequent rückläufig – ein Ergebnis der flachen Zinsstruktur. Selbst bei einer Ausweitung des Spreads um 0,1% pro Monat wird aufgrund des Nachwirkens der flachen Zinsstruktur das Ergebnis erst im Laufe der Zeit besser. Die Anforderungen an ein effizientes Zinsrisikomanagement, auch in solchen Phasen stabile Erträge zu generieren, steigen somit signifikant. An dieser Stelle ist das erste strukturelle Ertragsproblem signifikant: Noch nie war die Zinsstruktur in Deutschland so lange so flach. Auch wenn die deutschen Banken oft über ein professionelles Zinsrisikomanagement verfügen43, hat doch niemand mit einer so nachhaltig flachen Zinsstruktur gerechnet. Die Folge ist ein erhöhter Ertragsdruck, der die Banken dazu zwingt, ihre überschüssige Liquidität in anderen Assets anzulegen – auch wenn die Rendite dort ex post betrachtet nicht ansatzweise den eingegangenen Risiken entsprochen hat44. 39 40 41 42 43 44 Vgl. Weber (2006). Zur Frage der aktiven und passiven Steuerung vgl. Fröhlich/Steinwachs (2008), S. 77 ff. Zur kritischen Diskussion dieser Benchmarks vgl. Frère/Reuse/Svoboda (2008), S. 232 – 236. Vgl. hierzu im Detail Fröhlich/Steinwachs (2008), S. 77 ff. Vgl. zur Analyse des theoretischen und praktischen Status Quo Reuse (2008.03b), S. 171 – 265. Vgl. u.a. Deutsche Bundesbank (2005.11), S. 142. Seite 11 Diskussionsbeitrag Nr. 13 12,00 Ergebnis der Strategie 2x10J - 1x1J in % 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 2011.11 2011.05 2010.11 2010.05 2009.11 2009.05 2008.11 2008.05 2007.11 2007.05 2006.11 2006.05 2005.11 2005.05 2004.11 2004.05 2003.11 2003.05 2002.11 2002.05 2001.11 2001.05 2000.11 2000.05 1999.11 1999.05 1998.11 1998.05 1997.11 1997.05 1996.11 1996.05 0,00 Zeit Historische Entwicklung Szenario 1: konstant Szenario 2: +1% Szenario 3: Steilheit +0,1%/M Quelle: Reuse (2008.03), S. 4. Datenbasis: WZ9808 und WZ9826 aus Deutsche Bundesbank (2008). Abbildung 3: Entwicklung des Ergebnisses aus Fristentransformation 3.1.2 Ertragsdruck durch Änderung des Kundenverhaltens Aber auch das Bild des typischen Bankkunden hat sich gewandelt. Während dieser vor 20 Jahren noch loyal zu seiner Hausbank stand, kaum preissensitiv war und somit den Banken hohe Margen bescherte45, ist die Situation heute eine andere. Kunden fordern immer mehr an Technik und Beratung46, wollen aber auf der anderen Seite immer weniger dafür bezahlen47. Auch die aktuelle Gesetzgebung zum Schutz der Verbraucher MiFID (Markets in Financial Instruments Directive)48 und 49 Zahlungsverkehrs (SEPA, Single Euro Payments Area) die Globalisierung des führen dazu, dass Kunden immer häufiger auf Ertragspositionen der Banken stoßen und sich damit kritisch auseinandersetzen. 45 46 47 48 49 Vgl. u.a. Hofbauer (2001), S. 10. Vgl. Hofbauer (2001), S. 9. Vgl. Wiedemann (2007), S. 3. Vgl. Europäische Union (2004) und BaFin (2007, MiFID). Vgl. Europäische Zentralbank (2006). Seite 12 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Das Resultat ist, dass die meisten Kunden mittlerweile zwei bis vier statt früher nur eine Bankverbindung besitzen50. Der Anteil der rein preisfokussierten Kunden lag in 2007 bei um 20%51, es findet derzeit ein richtiges „Preisdumping“ am deutschen Markt statt. Ein aktuelles Beispiel ist das kostenlose Girokonto. Der Druck auf die Banken dieses anzubieten, wird immer stärker – auch wenn es sich nur für wenige Banken wirklich rechnet52. Die Kunden sind jedoch gerade hierbei sehr preissensibel, wie Abbildung 4 zeigt. Die Anzahl der kostenlosen Girokonten wird somit zwangsweise weiter steigen. 25,0 20,6 Anteil in % des Gesamtbestandes 20,0 18,8 15,0 10,6 10,0 5,0 5,8 5,0 4,0 2,0 0,0 0,0 0,0 1990 1995 kostenlos bediente Konten* kostenlose Online-Konten* 0,7 2000 2005 2010** * ohne kostenfreie Konten für besondere Gruppen ** Prognose; Quelle: Investors Marketing Quelle: Bergermann (2008), S. 99. Abbildung 4: Entwicklung der Anzahl kostenloser Girokonten Dieses Verhalten lässt sich auch auf andere Produkte übertragen. Allerdings ist die reine Fokussierung auf den Preis nicht mehr grundsätzlich festzustellen. So stellt Pohle fest, dass Qualität und Leistung wieder an Bedeutung gewinnen53. Dies zeigt Abbildung 5. Kunden legen somit wieder mehr Wert auf Qualität. Deutsche Banken sind hier nun in einer brisanten Lage. Die klassischen Banken können keinen Preiskampf gewinnen, sind also kein Preisführer. Oftmals verlieren sie aber auch ihren Qualitätsführeranspruch. 50 51 52 53 Vgl. Wiedemann (2007), S. 3. Vgl. Pohle (2007),S. 47. Vgl. Bergermann (2008), S. 99. Vgl. Pohle (2007), S. 46. Seite 13 Diskussionsbeitrag Nr. 13 36% 2004 (n = 1.000) 9% 30% 2005 (n = 1.019) 13% 21% 2007 (n = 1.000) 0% 10% 52% 50% 17% 20% 30% eher Preis 3% 7% 60% 40% 50% spontan: beides in gleichem Maße 60% 70% eher Leistung/Qualität 2% 80% 90% 100% k.A. Quelle: Pohle (2007), S. 46. Abbildung 5: Bankdienstleistungen – Preis vs. Qualität So taucht die Ing-DIBA in den Top 10 des Value-for-Money-Meter auf54 und verweist die eigentlichen Qualitätsführer Sparkassen und Volksbanken auf die Ränge neun und fünf. Auch hier lässt sich das Problem in der strategischen Ausrichtung erkennen: eine konsequente Umsetzung einer Qualitätsführerstrategie hätte hier zu eindeutigeren Ergebnissen geführt. 3.1.3 Verschärfte Konkurrenzsituation durch Direktbanken Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auf die Einführung der Direktbanken zurückzuführen. Durch die Entwicklung des Internets hat sich Anfang der 90er Jahre ein neuer Banktyp entwickelt: die Direktbank55. Der Marktanteil dieser Institute wuchs rasch. So hatte die IngDIBA mit sechs Millionen Privatkunden in 2006 bereits mehr Kunden als die Commerzbank mit fünf Millionen.56 Direktbanken zeichnen sich dadurch aus, dass sie kein personenbesetztes Filialnetz und auch keinen Außendienst aufweisen57. Hierdurch sind 54 55 56 57 Vgl. Pohle (2007), S. 47. Vgl. Schöning (2000), S. 57. Diskutiert in El-Bastaweisy (2007), S. 2. Vgl. Schöning (2000), S. 58. Seite 14 Diskussionsbeitrag Nr. 13 sie in der Lage, den Kunden günstigere Konditionen zu gewähren und diese somit von ihren Hausbanken abzuwerben. Dies geschieht seit einigen Jahren mit einem immer härteren Preiskampf. Der deutsche Markt ist verteilt, so dass alle Banken dazu übergehen, mit aggressiven Angeboten zu werben. Neben dem strategischen Problem, was vor allem Sparkassen und Volksbanken haben – sie sind Qualitäts-, aber kein Preisführer – erzeugt dies hohe Kosten. Es ist ungefähr fünfmal so teuer, einen Neukunden zu gewinnen als einen bestehenden zu halten58. Der harte Konkurrenzdruck ist ein weiterer Grund, warum die Ertragslage bei deutschen Banken bröckelt. Dies gilt jedoch auch für die Direktbanken. Auch die Ing-DIBA weist kaum noch Steigerungen im Marktanteil auf59 und ist mittlerweile nicht mehr mit den attraktiven Konditionen im Markt wie noch vor zwei Jahren. Mit 3,25 Prozent ist sie nur noch Platz 25 im nationalen Vergleich60. Trotzdem haben die Direktbanken die klassischen Banken gezwungen, in einen harten Konkurrenzkampf zu gehen, welcher die Margen schmälert. Dies verstärkt und beschleunigt die aktuellen Umstrukturierungen am deutschen Bankenmarkt, wobei Direktbanken aus Sicht der Autoren nicht das zentrale Problem im deutschen Bankensektor darstellen. 3.1.4 Kostendruck durch EDV Das Thema Kosten und deren Erhöhung ist seit langem ein Problemfeld, mit dem deutsche Banken zu kämpfen haben61. Im Durchschnitt wuchsen diese zwischen 1994 und 2004 um ein Drittel schneller als die Erlöse62. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass es nicht die Personal- sondern die Sachkosten in Form der EDV (Elektronische Datenverarbeitung) sind, welche den Haupttreiber darstellen63. Dies verdeutlicht Abbildung 6: 58 59 60 61 62 63 Vgl. Steiner (1999), S. 323. Vgl. Ing-DIBA (2008). Vgl. Vergleich.de (2008). Vgl. Müller (2003), S. 2. Vgl. Voigtländer (2004), S. 13. Vgl. Voigtländer (2004), S. 13 f. Seite 15 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Quelle: Voigtländer (2004), S. 6 auf Basis International Data Cooperation. Abbildung 6: Operative Kostenpositionen der deutschen Banken (in %) Gepaart mit dem sowieso schon vorhandenen Ertragsdruck ist dies ein weiterer Baustein, der die Probleme im deutschen Bankensektor verursacht hat. Die IT (Informationstechnologie)-Kosten sind auch getrieben durch immer schärfere gesetzliche Anforderungen – wie z.B. SEPA, MIFID und auch Basel II. Deren Umsetzung führt zu einem hohen Programmieraufwand, den Banken in der Form noch nie umsetzen mussten. 3.2 Subprime Krise und deren Folgewirkungen 3.2.1 Analyse der Fehler am ABS Markt Durch den Druck auf Kosten und Ertrag sind Banken zur Investition in alternative Assetklassen gezwungen. Eines dieser Alternativinvestments war der ABS (Asset Backed Securities) Markt. Kaum Risiko schien mit einem Mehrertrag verbunden64. Dass ein Mehrertrag nur mit mehr Risiko zu erkaufen ist65, wollte zu diesem Zeitpunkt kein Marktteilnehmer erkennen, zu groß war der Ertragsdruck. Dies ist einer der Hauptgründe, warum Banken wie die IKB und die WestLB mehrere Milliarden in diese Assets investiert hatten66. Doch wie genau kam es zu dieser Krise? Mehrere Faktoren spielten hier zusammen, die im Folgenden dargestellt werden67: 64 65 66 67 Vgl. Siegel (2006), S. 27 – 30. Vgl. u.a. Markowitz (1952), diskutiert in Reuse (2004). Vgl. IKB (2007), S. 13 f. und FTD (2008.04.02). Vgl. u.a. Krieger (2007), S. 3 ff. Seite 16 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Die Grundidee der ABS-Strukturierungen entspricht in keiner Weise dem aktuell schlechten Ruf der Assetklasse. Der Ablauf lässt sich anhand von Abbildung 7 gut skizzieren68. Hiernach werden Forderungen vom Originator gebündelt, verkauft und damit aus der Bilanz entfernt. Rating-Agentur Investoren Rating der Tranchen auf der Basis des Forderungspools Forderungen Kapitaldienst Rating Originator Verkauf des Forderungspools Kapitaldienst aus Weiterleitung der Zahlungen aus dem Forderungspool Verbriefungsgesellschaft (SPV) Kauft Forderungspool an und emittiert Wertpapiere Emission von Wertpapieren, Tranchierung Kaufpreis für Verbriefungstranchen Senior Tranchen Wasserfall Hat verbriefte Positionen begründet oder zum Zweck der Verbriefung angekauft Halten Verbriefungspositionen Mezzanine Tranchen Kaufpreis für Forderungspool Emissionserlös zur Refinanzierung des Forderungsanka Equity Tranchen Sponsoren Gründen und verwalten SPV, stellen Liquiditätsfazilitäten Quelle: Hartmann-Wendels (2008), S. 691; Hemmerich (2008), S. 516. Abbildung 7: Ablauf einer ABS Transaktion mit Forderungsverkauf In der dafür in der Praxis meist eigens gegründeten Zweckgesellschaft69 werden diese gebündelt und in Tranchen verbrieft, die wiederum von Investoren gekauft werden, um entsprechende Zusatzprämien zu realisieren. Gerade Banken tauchten hier sowohl als Originatoren als auch als Investoren auf, da bis zur Einführung von Basel II diese außerbilanziellen Positionen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden mussten. Die SolvV 68 69 Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 690 f. Auch SPV = Special Purpose Vehicle genannt. Seite 17 Diskussionsbeitrag Nr. 13 hingegen sieht hier erhöhte Prozentsätze vor70 – was im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung auch gerechtfertigt erscheint. Ursprünglich sind ABS jedoch eine Möglichkeit zur aktiven Steuerung des Kreditrisikos und dies ist aus ökonomischer Sicht auch sinnvoll71. Dass sich der Markt so entwickeln würde, wie er es in 2007 und auch im ersten Halbjahr 2008 tat, wurde von den Marktteilnehmern an dieser Stelle nicht in Betracht gezogen. Die Probleme lassen sich nun wie folgt zusammenfassen: Der bereits analysierte Ertragsdruck72 zwang die Banken, in neue Assetklassen zu investieren. So urteilen Hagen/Rocholl zur Frage der Ursache wie folgt: „Eine Erklärung bietet die Fragmentierung des deutschen Bankenmarktes aufgrund der Dreisäulenstruktur mit den einhergehenden niedrigen Margen im Zinsgeschäft und der im Vergleich zum europäischen Ausland geringen Eigenkapitalrendite.“73 Aufgrund einer Korrelation von nahezu 0 oder sogar negativer Ausprägung74 boten sich ABS-Investments hier als echte diversifizierende Assetklasse an, die zudem einen zusätzlichen Ertrag ohne bis dato messbares Risiko versprach75. Die Handelbarkeit von Finanztiteln führte hingegen auch zu Nachteilen. Hartmann-Wendels formuliert: „Durch die Investition in handelbare Finanztitel kann unmittelbar überprüft werden, ob der Marktwert […] oberhalb der Verbindlichkeiten aus der Ausgabe [...] liegt.“76 Die Kombination aus geringer Eigenkapitalausstattung und Gerüchten über mögliche Ausfälle führte zu einer Unterdeckung, die eine Verkaufswelle auslöste77. Auch das Thema mangelnde Transparenz bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit: Die Bündelung von ABS-Tranchen geschah teilweise mehrfach, so dass in sich verschachtelte Strukturen entstanden, die für den Investor durch die Mehrfachverbriefung nicht mehr transparent waren78. Die Intransparenz führte zu einem Verlassen auf externe Ratings, welche die Risiken aber ebenfalls nicht adäquat bemessen konnten79. 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 Vgl. u.a. §§ 79, 225 – 268 SolvV. Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 691. Vgl. Kapitel 2.3 und 3.1.1. Hagen/Rocholl (2007), S. 4. Vgl. Funke/Johanning/Michel (2005), S. 988. Vgl. Hagen/Rocholl (2007), S. 5. Hartmann-Wendels (2008), S. 691. Vgl. Hagen/Rocholl (2007), S. 3 ff. und Hartmann-Wendels (2008), S. 691. Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 691. Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 18 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Solange die Märkte jedoch keinen starken Schwankungen unterlagen, funktionierte das System. Wie kam es nun zur Krise? Der Ursprung findet sich in den USA.80 Zu nennen sind drei Faktoren, die die Krise letztlich ausgelöst haben: • Vernachlässigung der Bewertung von Immobilien • Kaum Bonitätsprüfungen und Eigenkapitalnachweise • Variable Finanzierungen in Kombination mit steigenden Zinsen Bis 2006 waren die Bedingungen am US-Immobilienmarkt aufgrund der geringen Zinsen sehr gut81. 16 Jahre stiegen die Immobilienpreise, was zu einer Aufweichung der Bewertungsmaßstäbe führte. Auch finanzierten die Banken bis zu 110 Prozent des Kaufpreises82, teilweise sogar ohne echte Bonitätsprüfung des Käufers und ohne Nachweis von Eigenkapital83 – eine Finanzierungsstrategie, welche in Deutschland kaum vorstellbar wäre. Am amerikanischen Markt werden variable Finanzierungen bevorzugt: 60 Prozent der Subprime-Kredite beinhalten variable Konditionierungen84, die zudem ein erhöhtes Risiko aufweisen85. Dadurch wirken sich Leitzinserhöhungen direkt auf die Kundenkonditionen aus. Als dann ein Preisverfall am amerikanischen Immobilienmarkt einsetzte86 und eine massive Zinserhöhung der FED (Federal Reserve System) zu den ersten Ausfällen führte87, „platzte die Blase“. Die Preise für ABS-Strukturen sank und es trat eine Art BankRun ein88. Dies zeigt beispielhaft folgende Abbildung, in der die Preise für RMBS (Residential Mortgage Backes Securities) im Zeitverlauf dargestellt werden: Jeder Investor versuchte, seine Positionen zu liquidieren. Dies führte zu einer Illiquidität am ABS-Markt, die die entsprechenden Banken durch die Bereitstellung von Liquiditätslinien dazu zwang, dies anstelle der SPV’s aufzufangen89. 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 Für eine detaillierte Darstellung des Krisenhergangs vgl. u.a. Hemmerich (2008), S. 514 ff. Vgl. Hemmerich (2008), S. 514. Vgl. Hemmerich (2008), S. 514. Vgl. Zeitler (2008), S. 5. Vgl. Zeitler (2008), S. 6. In Deutschland sind es auf dem Gesamtmarkt unter 15%. Vgl. Zeitler (2008), S. 6. Vgl. Hemmerich (2008), S. 518. Vgl. Union Investment (2007), S. 1 ff. Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 691 und Union Investment (2007), S. 1 ff. Vgl. Hartmann-Wendels (2008), S. 691. Seite 19 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Quelle: BaFin (2008.04), S. 18. Abbildung 8: Wertentwicklung der Indices für RMBS Im Umfang ging dies weit über die Möglichkeiten der Banken hinaus, was bei einigen Banken zur Insolvenz, bei anderen zu Misstrauen und Angst führte. Auch die Positionen, die sich Mitte 2008 noch in den Büchern der Banken befinden, sind oftmals nicht handelbar, was der primäre Grund für die Wertberichtigungen ist90. Die Stimmung ist weiterhin negativ. Dies spiegelt sich auch in aktuellen Umfrageergebnissen wider. 54 Prozent der Banken gehen davon aus, dass sich die wirtschaftliche Situation in 2008 noch verschlechtern wird91. 3.2.2 Liquiditätskrise – die Konsequenz aus mangelndem Vertrauen An dieser Stelle setzt auch das nächste Problem im deutschen Bankensektor an, die Liquidität. Liquiditätsrisiken wurden in den MaRisk zwar bereits 2005 erwähnt92, allerdings nicht immer mit der nötigen Sorgfalt analysiert. Ab Mitte 2007 herrschte eine 90 91 92 Vgl. Hemmerich (2008), S. 518. Vgl. Bankpraktiker (2008.05), S. 221. Vgl. BaFin (2007, MaRisk), BTR 3. Seite 20 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Misstrauenskrise im Bankenmarkt vor, da Banken sich untereinander kein kurzfristiges Geld mehr leihen wollten. Dies ist auch einer der Gründe für die nahezu flache oder gar inverse Zinsstruktur. Abbildung 9 erläutert dies plastisch, indem die Zinsen für besicherte Spread über EZB-Zins (in Bp) und unbesicherte Geldmarktsätze gegenübergestellt werden. 100 80 60 40 Euribor 20 Eurepo (besichert) 0 -20 07/07 09/07 11/07 01/08 03/08 Quelle: Meißner (2008), S. 14. Abbildung 9: Vergleich von besichertem und unbesichertem Geldmarkt Die Krise am ABS-Markt schlug somit auf den Finanzmarkt über. Die in Abbildung 9 dargestellten Spreads spiegeln eine Unsicherheitsprämie wider, die rein ökonomisch nicht nachvollziehbar ist. Dies genau war jedoch das Problem der SachsenLB und der IKB. Liquiditätsknappheit führte zu steigenden Spreads. So formulierten Hagen/Rocholl: „Beide Institute mussten in den letzten Monaten steigende Liquiditätsanforderungen für diese Zweckgesellschaften abdecken, 93 deutlich übertrafen.“ die schließlich ihre Refinanzierungsmöglichkeiten Diese Liquiditätskrise verstärkt die Probleme einer flachen Zinsstruktur, werden doch Liquiditätsrisiken mit Bonitätsrisiken vermischt. Die Banken stehen vor einem Problem, das sie unterschätzt haben – Illiquidität im deutschen Bankensektor war ein bis dato noch nie wirklich eingetretenes Risiko. 3.2.3 Fehler bei externen Ratingagenturen Ein grundlegendes Problem ist weiterhin die Objektivität externer Ratings. Schon in 2004 formulierte Everling: Es „dürfte sich auch beim Rating die Auffassung durchsetzen, dass nur unabhängige Agenturen die für das Funktionieren der Finanzmärkte wichtigen Ratings 93 Hagen/Rocholl (2007), S. 4. Seite 21 Diskussionsbeitrag Nr. 13 glaubhaft liefern.“94 Gerade diese Glaubhaftigkeit ist jedoch nicht eingetreten. Bereits 1996 erkannte Schmidt, dass externe Ratings keiner Regulierung unterliegen und forderte Grundsätze ordnungsgemäßer Erteilung von Ratings95. Auch die Probleme der Anerkennung externer Ratings im Rahmen von Basel durchleuchtete Schmidt kritisch und kam zu der Auffassung, dass solche Grundsätze zur Erhaltung der Stabilität des Finanzmarktes und zum Zweck des Gläubigerschutzes unabdingbar seien96. Die schon seit langer Zeit inhärent befürchteten Probleme sind nun eingetreten. Selbst gute Bonitäten werden momentan nicht gehandelt97, der Markt misstraut dem Ratingurteil der externen Agenturen. Dies geschieht nicht zu unrecht, „…Ratingagenturen stehen unter Druck, weil man ihnen vorwirft, fragwürdige Wertpapiere zu lange zu gut bewertet zu haben.“98 Das Problem ist, dass die Ratingagenturen nicht von den Käufern, sondern von den Originatoren bezahlt werden99. Zudem sucht sich ein Auftraggeber bei strukturierten Produkten meist das Rating aus, welches für ihn am unkritischsten ist100. Dies wird auch als Rating Shopping bezeichnet101. Von einer Unabhängigkeit des Ratings kann nicht mehr die Rede sein. Zudem ist die Systematik externer Ratings aktuell in der Kritik. Der ZKA (Zentraler Kreditausschuss) kritisiert die Modellgläubigkeit und den zu starken Fokus der Ratingagenturen auf quantitative Daten102. Hierdurch reagierten die Ratingagenturen zu langsam auf die Krise und verloren einen Großteil ihrer Glaubwürdigkeit. Aber auch die Qualität der Ratings lässt zu wünschen übrig. Das beste Beispiel hierfür ist die Meldung von Moody’s, sich bei einem Rating schlichtweg vertan zu haben – statt AAA musste das Papier wegen eines Computerfehlers um bis zu vier Stufen schlechter bewertet werden103. Die Agentur zog sich bei der Begründung auf technische Fehler zurück. Allerdings lassen sich bei derselben Ratingagentur auch menschliche oder prozessuale Fehler beobachten: Moody’s hatte nicht entdeckt, dass einige der von der Agentur 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 gerateten Papiere keine einfachen Anleihen, sondern komplexe Everling (2004), S. 179. Vgl. Schmidt (2001), S. 2. Vgl. Schmidt (2001), S. 2 f. Vgl. Zeitler (2007), S. 15. Osman (2008.06.06). Vgl. Osman (2008.06.06). Vgl. Osman (2008.06.06). Erläutert in Schmidt (2001), S. 5. Vgl. Osman (2008.04.03). Vgl. Jones/Tett/Osman (2008). Seite 22 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Verbriefungsstrukturen waren, die statt mit Aa1 höchstens mit B3 bewertet werden sollte. Dies fiel erst 3 Jahre später auf.104 Beide Meldungen erschienen mit nur sechs Wochen Zeitversatz. Dies fördert die Glaubwürdigkeit der Ratings in keinem Maße. Die Probleme waren bereits länger bekannt. Doch die immer stärkere Abhängigkeit von externen Ratings führte dazu, dass diese das einzige Investitionskriterium auch für Banken wurden. Dies ist letztlich der Hauptgrund für die systematische Unterschätzung des Risikos. Dies betrifft nicht nur strukturierte Produkte – auch wenn die Probleme hier am eklatantesten sind – sondern alle Assets, die stark durch externe Ratings determiniert werden. 3.3 Risikomanagementprozess und Risikoüberwachung 3.3.1 Versagen des Risikomanagements Das Thema Liquiditätsrisikosteuerung ist noch relativ jung, erst seit etwa drei Jahren entwickeln sich sukzessive Methoden zur Steuerung dieser Risikoart105. Zudem ist diese Liquiditätskrise an den meisten Stellen rein mental getrieben, was die quantitative Messung des Risikos erschwert. Trotzdem hat in vielen Banken das Risikomanagement versagt. Zumindest in den Worst-Case-Berechnungen hätten die Liquiditätsrisiken berücksichtigt werden müssen106. Dies ist nicht geschehen, die Risiken wurden unterschätzt. Die BIZ (Bank für internationalen Zahlungsausgleich) stellt fest, dass keine „systemischen Schocks auf den Märkten berücksichtigt“107 worden sind. Aus Sicht der BIZ ist das Liquiditätsrisiko nicht adäquat berücksichtigt worden108, Banken müssen an dieser Stelle tätig werden. Diese Argumentation lässt sich gut mit den Erkenntnissen aus Kapitel 2.2 verbinden. Die quantitativen Anforderungen (Säule I) sind durch Liquiditätsrisiken nicht betroffen. Vielmehr sind die Fehler im Risikomanagement auf nicht adäquate Erfüllung der qualitativen Anforderungen der MaRisk (Säule II) zurückzuführen. Die Institute in Deutschland kamen nicht über die Säule I von Basel in eine Krise, sondern über Säule II. So heißt es im Jahresabschluss der IKB wörtlich: „Mit 7,1 % und 12,2 % zum 104 105 106 107 108 Vgl. Osman/Luttmer (2008.04.01). Der Status quo ist umfassend beschrieben in Zeranski (2007, Hrsg.). Vgl. BaFin (2007, MaRisk), AT 4.3.2 (3). FTD (2008.04.25). Vgl. FTD (2008.04.25). Seite 23 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Bilanzstichtag wurden die Mindestanforderungen an das regulatorische Kapital in Höhe von 4 % (Kernkapitalquote) bzw. 8 % (Gesamtkennziffer) im Konzern deutlich übertroffen.“109 Somit kommt den qualitativen Anforderungen der MaRisk eine besondere Bedeutung zu. Das Versagen des Risikomanagements ist folglich eine zentrale Ursache für die aktuelle Krise. Somit fordert der Vize-Präsident der Deutschen Bundesbank Zeitler „qualitative Stresstests […], die auch unerwartete Marktsituationen widerspiegeln und Verhaltensreaktionen Dritter einbeziehen.“110 3.3.2 Fehler in der Bankenaufsicht Auch die Bankenaufsicht muss sich aus Sicht der Autoren Vorwürfe gefallen lassen. So führt Sanio, Präsident der BaFin an, dass „die Aufsicht [nicht] habe ahnen können, dass auf der anderen Seite des Atlantiks alle Kreditvergabe-Standards außer acht gelassen wurden.“111 Im Rahmen der qualitativen Prüfungen über Basel II hätte die BaFin jedoch erkennen müssen, dass eine so genannte Blase am amerikanischen Hypothekenmarkt herrscht – dies wurde bereits in 2003 explizit erwähnt und analysiert112, so dass die BaFin dieses Problem und dessen Auswirkungen auf deutsche Banken hätte verstärkt prüfen und abwenden können. Die Aufsicht beging auch Fehler in Bezug auf externe Ratings. Sanio gibt zu, dass „Banken und Aufsicht […] gleichermaßen auf die AAA-Ratings vertraut“113 und das Risiko somit unterschätzt hätten. Dies hätte jedoch nicht geschehen dürfen, da die Ratings der externen Ratingagenturen explizit von der Bundesaufsicht im Rahmen der Säule I114 anerkannt werden müssen115. Dies impliziert eine entsprechende materielle und qualitative Prüfung durch die Bundesaufsicht, welche faktisch nicht erfolgt ist. Spätestens beim Bekanntwerden der Fehler in den Ratingagenturen116 hätte die Bundesaufsicht entsprechend reagieren müssen, um dem strukturellen Ratingproblem gerecht werden zu können. 109 110 111 112 113 114 115 116 IKB (2007), S. 39. Zeitler (2008), S. 9. BaFin (2008.05), S. 3. Vgl. Sachverständigenrat (2003), S. 31. BaFin (2008.05), S. 3. Vgl. §§ 41, 52, 53 SolvV. Vgl. BaFin (2008.02) und BaFin (2007.06). Vgl. Kapitel 3.2.3. Seite 24 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Darüber hinaus gibt die Bankenaufsicht zu Unrecht Entwarnung117, indem Sanio bemerkt: „Die Risiken der Bankportfolios sind ausreichend gedeckt.“118 Die Probleme sind aber noch nicht beseitigt, vielmehr muss mit weiteren Rückschlägen in 2008 gerechnet werden119 – nicht zuletzt durch die Tatsache, dass die EU (Europäische Union) die europäische Einlagensicherung als für den Krisenfall nicht ausreichend ansieht120. 3.4 Strategische Ausrichtung 3.4.1 Zukunftsfähigkeit des Drei-Säulen-Modells Das wohl zentralste Problem ist jedoch die strategische Ausrichtung deutscher Banken. Lange Zeit war der deutsche Bankenmarkt ohne Ertragsdruck, eine strategische Ausrichtung zur Erzielung von Geschäftserfolg war nicht oder nur kaum erforderlich. Dies hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert. Nicht nur die Anzahl an Banken und Filialen121, sondern auch die Anzahl der Beschäftigten ist in der letzten Zeit stark gesunken122. So kann Cartellieri schon in 1990 wie folgt zitiert werden: „Die Banken sind die Stahlindustrie der 90er Jahre.“123 Diese Vorhersage trat zwar erst zehn Jahre später ein als erwartet, doch die Strukturprobleme der deutschen Bankenlandschaft sind schon seit langer Zeit bekannt und können bei einem verteilten Markt – und ein solcher ist der deutsche Bankenmarkt – nur zu Fusionen und Kapazitätsabbau führen124. Seit Ende der 90er finden starke Umstrukturierungen statt, die Diskussion von Fusionen auch zwischen den drei Säulen ist in vollem Gang125. Doch die negative Wertung, wie sie die deutsche Bankenvereinigung vornimmt126, kann aus Sicht der Autoren nicht aufrecht erhalten werden. Die Probleme sind weniger die drei Säulen als vielmehr die fehlende strategische Ausrichtung der meisten deutschen Kreditinstitute. Seit nahezu 20 Jahren ist klar, wie sich der deutsche Bankenmarkt entwickeln wird, wenn es nicht zu tiefgreifenden strategischen Änderungen kommt. Doch dies hat auch bei den Privatbanken kaum zu einer konsequenten Ausrichtung geführt. Die wenigsten deutschen Privatbanken können als langfristig profitabel bezeichnet werden. Die fehlende rechtzeitige Fokussierung auf ein 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 Vgl. Göggelmann/Krüger (2008), S. 19. Sanio (2008), zitiert in Göggelmann/Krüger (2008), S. 19. Vgl. Hierzu die Ausführungen von Zeitler (2008), S. 3 f. Vgl. Hönighaus/Proissl (2008), S. 17. Vgl. Kapitel 2.1. Vgl. Deutscher Bankenverband (2007), S. 1. Cartellieri (1990), S. 37. Vgl. Middelhoff (2003), S. 3. Vgl. Kapitel 2.1. Vgl. Bankvereinigung NRW (2006), S. 2 f. Seite 25 Diskussionsbeitrag Nr. 13 funktionierendes Geschäftsmodell ist einer der Hauptfehler bzw. die Unterlassungssünde, die begangen worden ist. Am auffälligsten ist dies bei den deutschen Landesbanken zu erkennen127. So fordert Rüttgers, dass nicht nur die WestLB, sondern alle Landesbanken ein neues Geschäftsmodell benötigen128. Auch Zimmermann unterstützt dies, er geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert einen Zusammenschluss aller Landesbanken und eine Privatisierung derselben129. Obwohl die Landesbanken die auffälligsten Schwächen aufweisen, lassen sich die Problembereiche auch in Privatbanken finden. Dies lässt sich am Beispiel der Dresdner Bank verdeutlichen: Investment Banking scheint zurzeit kein ertragsreiches Geschäftsfeld zu sein, der strategisch einst so wertvolle Teilbereich wird konsequent abgebaut130. Die Dresdner Bank weist klassische Strategieprobleme auf, zu oft wurde die Ausrichtung in der Vergangenheit geändert. Die Allianz müht sich seit 2001 mit der Integration, mittlerweile wird nun sogar die Zerschlagung der Bank angedacht131, um für Fusionspläne mit der Postbank gewappnet zu sein. 3.4.2 Inkonsistenzen zwischen Strategie und Steuerungskonzepten Die MaRisk haben – über §25a KWG – auch das Thema Strategie im Fokus. So heißt es in AT 4.2: „Die Geschäftsleitung hat eine Geschäftsstrategie und eine dazu konsistente Risikostrategie zu erlassen.“132 Dies impliziert, dass die Aufsicht um strategische Risiken im Bankenbereich weiß und versucht, dem adäquat Rechnung zu tragen. Da jedoch nur die Risikostrategie, nicht aber die Geschäftsstrategie durch die Aufsicht geprüft werden darf133, ist das grundsätzliche Problem nicht beseitigt worden. Aber schon die Konsistenz- bzw. Stimmigkeitsprüfung der Risikostrategie führt zu Unstimmigkeiten. Eine empirische Untersuchung aus dem Jahr 2006134 analysierte den Stand der wertorientierten Steuerung in Deutschland und kam zu dem Schluss, dass viele Institute zwar angeben, wertorientiert zu steuern, dies aber de facto nicht tun. Somit 127 128 129 130 131 132 133 134 Vgl. Marquard (2008). Vgl. ManagerMagazin (2007). Vgl. Zimmermann (2008), S. 11. Vgl. Netzzeitung (2008). Vgl. Mai (2008). BaFin (2007, MaRisk), AT 4.2. Vgl. BaFin (2007, MaRisk, Anlage 1), S. 9. Vgl. Reuse (2007), S. 53 – 86 und Frère/Reuse (2008.03), S. 143 – 147. Seite 26 Diskussionsbeitrag Nr. 13 formulieren Frère/Reuse: „Dies ist an und für sich nicht kritisch – allerdings zeugt es möglicherweise von einer Inkonsistenz in der strategischen Ausrichtung des Institutes.“135 Es wird sich eher auf die periodischen Kennzahlen verlassen, die nicht aussagekräftig genug sind136. Dies wird in Abbildung 10 verdeutlicht. Gerade die CIR wird hier mit einer Bewertung von 1,34 als adäquate Größe zur Steuerung genannt. Dass die CIR aufgrund des wegfallenden Fristentransformationsaspektes keine starke Aussagekraft besitzt, wird nicht beachtet. Klassifizierung der Kennzahlen (p)eriodisch (w)ertorientiert a) Bankbarwert w Kennzahl Ja Nutzung? Nein 35 Wertung Anzahl der Wertungen 2,38 40 Note 16 b) Jahresüberschuss p 50 1 1,16 50 c) Value at Risk w 44 7 2,07 45 d) Return on Risk Adjusted Capital w 28 23 2,50 34 e) Risk Adjusted Return on Capital w 10 41 3,00 26 f) Economc Value Added w 5 46 2,95 22 g) Cost Income Ratio p 50 1 1,34 50 h) Return on Equity p 47 4 1,77 47 i) Bilanzwachstum p 48 3 2,20 49 j) Marktanteil w 29 22 2,32 37 18 k) Markenwert w 5 46 2,83 l) Deckungsbeitrag p 42 9 1,83 42 m) Deckungsbeitragsbarwert w 22 29 2,41 32 n) Balanced Scorecard w 13 38 1,96 24 Kumulierte Nutzung Ja Nein Kennzahlenart Note periodisch (5) 92,94% 7,06% 1,65 wertorientiert (9) 41,61% 58,39% 2,44 Quelle: Reuse (2007), S. 69 f. Abbildung 10: Nutzung und Wertung verschiedener Kennzahlen, n = 51 Solange Banken keine passenden Strategien besitzen und auch kein hierzu passendes Kennzahlensystem entwickelt haben, werden sie mit Effizienzproblemen zu kämpfen haben. Dieses Problem hatte Cartellieri bereits vor knapp 20 Jahren erkannt, aber die Auswirkungen werden erst jetzt deutlich. 135 136 Frère/Reuse (2008.03), S. 147. Vgl. Frère/Reuse (2008.03), S. 147. Seite 27 Diskussionsbeitrag Nr. 13 4 Lösungsansätze für Deutsche Banken Die Lösungsansätze für diese Probleme sind mehrschichtig und können an dieser Stelle nicht allumfassend behandelt werden. Nichtsdestotrotz soll dieses Kapitel einige Ansätze aufzeigen, deren Beachtung die Probleme im deutschen Bankensektor zumindest vermindern, vielleicht sogar beseitigen würde. 4.1 Optimierung Risikomanagement: Konsequentes Umsetzen der MaRisk Im ersten Schritt gilt es, die Umsetzung der MaRisk konsequenter zu verfolgen. Das Thema Stresstests wurde bereits Ende der 90er Jahre durch die europäischen Bundesbanken konkretisiert137 und ist auch in den MaRisk explizit gefordert138 – gerade für die nun schlagend gewordenen Liquiditätsrisiken139. Allerdings sind die rein quantitativen Tests kritisch zu sehen. Sie versagen in Zeiten der Irrationalität des menschlichen Verhaltens140. So wird Greenspan wie folgt übersetzt: „Implizit gestehen wir […] ein, dass die Modelle, wie wir sie derzeit verwenden, strukturell fehlerhaft sind.“141 Somit muss mehr Wert auf die qualitativen Methoden und Prozesse des Risikomanagements gelegt werden, so wie es in den MaRisk auch verankert ist. Dementsprechend fordert Zeitler eine Fokussierung auf qualitative Aspekte der Stresstests142. Die MaRisk sind der zentrale Ankerpunkt für die Qualität des Risikomanagements. Die Aufsicht hat hier ein sehr weitsichtiges Regelwerk erlassen, dessen Freiheiten im Rahmen der doppelten Proportionalität143 durch die Institute aber auch durch die Aufsicht mit Leben gefüllt werden muss. Dies muss konsequent gelernt und umgesetzt werden – von allen Beteiligten, auch den Jahresabschlussprüfern. Denn auch diese hätten im Rahmen der letzten Jahresabschlüsse einige Aspekte früher anmerken können. 137 138 139 140 141 142 143 Vgl. u.a. Deutsche Bundesbank (1998.10), S. 73 ff.; Deutsche Bundesbank (2004.10) und Grau (1999). Vgl. BaFin (2007, MaRisk), AT 4.3.2 Satz 3. Vgl. BaFin (2007, MaRisk), BTR 3 Satz 2. Vgl. Greenspan (2008). Greenspan (2008). Vgl. Zeitler (2008), S. 9. Definiert in DSGV (2007c), S. 19: „Wesentliches Element der MaRisk ist der Grundsatz der doppelten Proportionalität. Dieser besagt, dass: 1. der bankinterne Prozess proportional zur Größe, zum Geschäftsvolumen und der Risikostruktur sein muss und 2. die Prüfung durch die Aufsicht hinsichtlich der Häufigkeit und der Intensität der Prüfung proportional zur Ausgestaltung der bankinternen Prozesse sein muss.“ Seite 28 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Das Thema Stresstests ist nur ein Baustein von vielen. Wären von Aufsicht und Banken die MaRisk adäquat berücksichtigt worden, wären die Fehlentscheidungen am SubprimeMarkt eher aufgefallen und der Schaden hätte minimiert werden können. 4.2 Strategische Ausrichtung – Spezialisierung und Outsourcing Strategien sind das zentrale Problem im deutschen Bankensektor. Die strategische Ausrichtung der Banken muss eindeutiger werden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Banken ein in sich konsistentes Kennzahlensystem aufbauen – sonst führt dies zu strategischen Inkonsistenzen, welche durch das Management nur schwer zu eliminieren sind. In Bezug auf die Ausrichtung lässt sich folgendes festhalten: Ein Institut muss sich entweder als Qualitäts- oder Kostenführer aufstellen. Eine Mischung aus beidem wird langfristig keine Zukunft haben. Mehrere Möglichkeiten sind hier denkbar. Voigtländer schlägt eine Spezialisierungsstrategie vor, die das Drei-Säulen-Modell aufbricht: Quelle: Voigtländer (2004), S. 10. Abbildung 11: Mögliche neue Bankstrukturen Seite 29 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Auch wenn das Aufbrechen des Drei-Säulen-Modells aus Sicht der Autoren nicht sinnvoll erscheint, kann die Spezialisierung und das konsequente Auslagern der NichtKernkompetenzen ein Schlüssel zum Erfolg auch innerhalb der Säulen sein. An dieser Stelle waren die MaRisk sehr weitsichtig. Dem Thema Outsourcing ist ein ganzes Kapitel gewidmet144. Einen ähnlichen Weg geht Wiedemann145. Er unterscheidet in eine Vertriebsbank, eine Abwicklungsbank und eine Produktionsbank und fordert ebenfalls die Fokussierung auf die Kernkompetenzen146. Das Thema Universalbank ist somit in der Diskussion. Gerade Sparkassen und Volksbanken sollten hier jedoch vorsichtig sein. Der zentrale strategische Gedanke der örtlichen Präsenz kann durchaus Erfolg versprechend sein. Ziel muss es hier sein, Backoffice Tätigkeiten im zentralen Verbund zu zentralisieren, um Kosten zu sparen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Durchbrechung des Drei-Säulen-Modells halten die Autoren nur im Hinblick auf solche „austauschbaren“ Dienstleistungen für sinnvoll. Dies würde auch das in Kapitel 3 dargestellte Kostenproblem mittel- bis langfristig lösen. Eine Fokussierung auf nur eine Zentralbank pro Sektor im Sinne der Argumentation von Zimmermann147 ist im Sinne dieser Argumentation ebenfalls sinnvoll. Da die Landesbanken kein funktionierendes Geschäftsmodell aufweisen, reicht ein zentrales Institut zur Bereitstellung der Transaktionsfunktionen aus. 4.3 Multikanalvertrieb und professionelle Kundensegmentierung Dieser Punkt ist mit der strategischen Ausrichtung eng verbunden. Wird der Argumentation von Pohle gefolgt148, gibt es durchaus Kunden die bereit sind, Bankleistungen adäquat bezahlen. Die Aufgabe der Banken ist es nun, eine entsprechende Kundensegmentierung durchzuführen, um den richtigen Kunden über den richtigen Vertriebsweg auf die richtigen Produkte anzusprechen und auch die zahlungswilligen Kunden zu identifizieren. Wiedemann integriert diese Perspektiven in ein durchgängiges Modell: 144 145 146 147 148 Vgl. BaFin (2007, MaRisk), AT 9. Vgl. Wiedemann (2007), S. 9. Vgl. Wiedemann (2007), S. 10. Vgl. Zimmermann (2008), S. 11. Vgl. Pohle (2007), S. 46 ff. Seite 30 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Quelle: Wiedemann (2007), S. 13. Abbildung 12: Kundenstrukturen und Multikanalvertrieb Sparkassen und Volksbanken müssen ihre Kunden konsequent clustern. Nicht jeder Kunde benötigt Filialnetz und Beratung, somit sollte dieser Kunde auch gute Konditionen erhalten – aber dafür für jede Extraleistung auch zusätzliche Gebühren bezahlen. Unter solchen Umständen kann sich ein kostenloses Girokonto sogar für Regionalbanken lohnen. Eine konsequente Ausrichtung der Beratung und der Serviceleistungen auf die entsprechenden Kundengruppen ist somit ein zentraler Erfolgsfaktor für die Bank der Zukunft. 4.4 Methodisch korrekte Asset Allocation Fristentransformation war seit jeher eine zentrale Erfolgskomponente in der deutschen Bankenlandschaft. Durch das Wegbrechen der Erträge sahen sich die deutschen Banken gezwungen, in alternative Assets zu investieren. Die Kernideen von Markowitz149 spielen hier eine besondere Rolle. Allerdings funktionieren diese in der Praxis auf Basis der historischen Datenreihen nur bedingt. So formuliert Greenspan treffend: „So gibt es die gute alte Erkenntnis, dass Diversifizierung das Risiko verringert. Also werten Computer Unmengen historischer Daten aus, um negative Korrelationen zwischen den Preisen 149 Vgl. Markowitz (1952), diskutiert in Reuse (2004). Seite 31 Diskussionsbeitrag Nr. 13 handelbarer Assets zu finden.“150 Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Korrelationen nicht zeitbeständig sind und dass auf Basis der falschen Datenreihen optimiert wird. Für einen klassischen Privatkunden mag eine Portfoliooptimierung nach Markowitz funktionieren, für komplexe Bankportfolios ist hier eine erweiterte Analyse notwendig. Die Ergebnisse wären sonst relativ einfach: Das Bankportfolio bestünde nach Optimierung aus Rohstoffen, ABS-Strukturen und Private Equity. Dies entspricht jedoch gar nicht der Zielausrichtung einer Universalbank. Die qualitative Begrenzung der zur Verfügung stehenden Assets muss stärker in den Vordergrund gestellt werden. Banken müssen ihre strategischen Ausrichtungen auch konsequent auf die Asset Allocation übertragen. Es bieten sich aber auch komplexere Ansätze wie Copula-Funktionen151 an, um ein für Banken optimales aber vor allem stabiles Portfolio zu konzipieren. Letztlich dient eine Asset Allocation in den meisten Banken dazu, die vorhandenen freien Mittel zu optimieren, nicht jedoch ein gänzlich neues Geschäftsmodell zu kreieren. Wichtig ist, dass Asset Allocation und Kundengeschäftsbereiche korrekt voneinander abgegrenzt werden. In Zeiten sinkender Kundenerträge ist die Versuchung groß, die Risiken in der Asset Allocation zu erhöhen, um die Erträge zu kompensieren. Da eine Asset Allocation aber immer langfristig zu sehen ist, führt dies zu Ineffizienzen und im schlimmsten Fall sogar zu den Ergebnissen, die seit 2007 zu beobachten sind. 4.5 Optimierung der Strukturen und Prozesse der Aufsicht Die Struktur und die Prüfungsprozesse in der Bundesaufsicht sind aus Sicht der Autoren optimierungsfähig. Nachdem Sanio die MaRisk und deren viel versprechenden Ansatz der doppelten Proportionalität als gute Lösung verkauft hatte, formulierte er jüngst: „Die Subprime-Krise hat die über Jahre betriebene systematische Deregulierung des Finanzsystems als gefährlichen Irrweg entlarvt.“152 Der im April veröffentlichte DraghiReport des Financial Stability Forums153 bietet zwar gute Ansätze in Bezug auf externe Ratings, die dort geforderte stärkere Regulierung154 sollte jedoch nicht durchgesetzt werden. So fordert Zeitler: „Bei den regulatorischen Anpassungen sollte kein neuer ‚Regulierungsschub’, keine Art ‚Basel III’ ausgelöst werden. Im Gegenteil: das 150 151 152 153 154 Greenspan (2008). Vgl. hierzu Lesko (2006); Beck/Lesko (2006); Beck/Lesko/Schlottmann/Wimmer (2006); Mashal/Zeevi (2002) und Loeys/Ribeiro (2007). BaFin (2008.05), S. 3. Vgl. Financial Stability Forum (2008); diskutiert in BaFin (2008.05), S. 3. Auch diskutiert in VÖB (2008), S. 1 f. Seite 32 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Rahmenwerk von Basel II hat sich bei den Finanzmarktstörungen bestätigt.“155 Die Aufsicht sollte an dieser Stelle lernen, die selbst geforderte doppelte Proportionalität adäquat umzusetzen. Auch wird empfohlen, den Fokus weniger auf die reine Eigenkapitalausstattung zu legen. Diese zeigt Probleme nicht oder nur zeitverzögert an. Des Weiteren sollte überlegt werden, die Qualitätsstandards der nationalen Aufsichten stärker durch ein internationales Aufsichtsorgan überwachen zu lassen, um Mindestqualitätsstandards auch in der Aufsicht zu gewährleisten. Viele Fehler im Risikomanagementprozess der deutschen Kreditinstitute hätten so frühzeitig aufgedeckt werden können. 4.6 Reduzierung der Wichtigkeit externer Ratings Zur Vermeidung weiterer Probleme bei externen Ratings sollten diese mehrschichtig reguliert werden. Zum einen sind die durch Schmidt geforderten „Grundsätze ordnungsgemäßer Erteilung von Ratings“156 im europäischen und deutschen Recht zu verankern, damit diese von der Qualität und Vorgehensweise her verlässlicher werden. Der Draghi Report ist diesbezüglich ein erster Schritt in die richtige Richtung157. Rein operative Fehler158 könnten hierdurch vermieden werden. Da die Ratingagenturen einer adäquaten Selbstverpflichtung wahrscheinlich nicht zustimmen würden, bietet sich ein internationales Kontrollorgan an, welches auch aktuell durch die BaFin diskutiert wird159. Dieses Kontrollorgan müsste die Ratingagenturen zur Offenlegung Ihrer Ratingurteile zwingen. Zeitler forderte schon in 2007: „Hier solle eine verbesserte Transparenz der Ratingurteile über Art und Qualität des underlying den Marktteilnehmern zuverlässige Unterscheidungsmöglichkeiten bieten und damit die notwendige Vertrauensbildung sichern.“160 Letztlich muss ein solches Organ auch sicherstellen, dass die 161 Ratingagenturen ihren Ratingauftrag nicht mit Beratungsleistungen vermengen . Aber auch das Rating Shopping muss begrenzt werden. Eine Änderung des Gebührensystems dahingehend, dass auch die Agenturen bezahlt werden müssen, die 155 156 157 158 159 160 161 Zeitler (2008), S. 11. Vgl. Schmidt (2001), S. 2. Vgl. Financial Stability Forum (2008), S. 32 ff. Vgl. Jones/Tett/Osman (2008) und Osman/Luttmer (2008.04.01). Vgl. BaFin (2008.05), S. 3 und Osman (2008.05.30). Zeitler (2007), S. 15. Vgl. Osman (2008.04.03). Seite 33 Diskussionsbeitrag Nr. 13 angefragt, aber nicht beauftragt wurden, ist eine gute Möglichkeit zur Objektivierung des Ratings162. Des Weiteren ist eine systemische Erweiterung des Ratingsystems externer Ratingagenturen anzustreben. So prüft Moody’s, ob zusätzlich zum Rating nicht Angaben zur Stabilität und Verlustempfindlichkeit gegeben werden sollen163. So ist das Kürzel „.sf“ für strukturierte Produkte angedacht164. Solche Aspekte sind zwingend umzusetzen, sind doch die verschiedenen neuartigen Formen von strukturierten Produkten nicht mehr nur durch Kreditrisiken geprägt und somit nur bedingt mit klassischen Anleihen vergleichbar. Sollten die hier vorgeschlagenen Aspekte umgesetzt werden, müssten externe Ratings verlässlicher und transparenter werden und somit zur Stabilität des Finanzsystems beitragen. 162 163 164 Vgl. Osman (2008.06.06). Vgl. Moody’s (2008a) und Moody’s (2008b), diskutiert in Osman (2008.02.06) und Osman (2008.05.15). Vgl. Osman (2008.02.06). Seite 34 Diskussionsbeitrag Nr. 13 5 Fazit und kritische Würdigung 5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse Diese Arbeit hat aufgezeigt, dass die Probleme im deutschen Bankensektor mehrschichtig sind und sich schon seit dem Beginn der 90er Jahre abzeichnen. So können die Probleme zeitlich und kausal wie folgt aggregiert dargestellt werden. Fehlende strategische Ausrichtung Deutscher Banken Ertragsdruck durch geändertes Kundenverhalten Konkurrenz durch Direktbanken Kostendruck durch erhöhte IT Kosten Flache Zinsstruktur kaum Fristentransformat Zu hohes Investment in Subprime Engagements Verlassen auf externe Ratings Versagen des Risikomanagements Probleme in der Aufsicht Liquiditäts- und Vertrauenskrise Abbildung 13: Zusammenfassung der Probleme im deutschen Bankensektor Es wird deutlich, dass die aktuelle Liquiditäts- und Vertrauenskrise nur das Ende einer langen Reihe von Verkettungen ist. Sie ist somit das Ergebnis, nicht aber das Kernproblem des deutschen Bankensektors. Dieses ist in der strategischen Ebene zu suchen, ist es doch die mangelnde Anpassung der Bankstrategien an die sich ändernden Rahmenbedingungen, die letztlich zu einer Folge von Problemen geführt haben. Das überhöhte Investment in ABS-Strukturen wäre nicht geschehen, wäre der Ertragsdruck durch strategische Fehlentscheidungen nicht so groß gewesen. Selbst wenn die Liquiditätskrise bald beseitigt ist, werden die zentralen Probleme des deutschen Bankensektors nicht gelöst sein. Mehrschichtige Maßnahmen sind hierfür erforderlich. Seite 35 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Neben einer stärkeren Regulierung der externen Ratingagenturen ist vor allem eine stärkere Kontrolle der Aufsicht zu nennen. Auch die Umsetzung der MaRisk in all ihren Konsequenzen für das qualitative Risikomanagement ist etwas, was sowohl Aufsicht als auch Institute umsetzen müssen. Im Rahmen der Gesamtbanksteuerung ist eine methodisch korrekte Umsetzung einer Asset Allocation dringend erforderlich. Damit hätten ABS-Strukturen nicht den Stellenwert erhalten, den sie bis vor kurzem hatten. Als wichtigste Punkte sind jedoch die Anpassung an die Kundenbedürfnisse und die damit verbundene strategische Ausrichtung zu sehen. Diese beiden Maßnahmen sind zentrale Aspekte einer erfolgreichen Neuausrichtung der deutschen Banken. 5.2 Ausblick für die Zukunft Die strategische Neuausrichtung wird aus Sicht der Autoren zu folgendem Szenario führen: Die Anzahl der Banken wird weiter abnehmen. Die Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank165 ist nach dem Aufkauf der Hypovereinsbank und dem anstehenden Verkauf der Postbank nur ein Schritt auf dem Weg zur Konsolidierung des gesamten deutschen Bankensektors. Nur wenige große Privatbanken, einige wenige Landesbanken und größere Sparkassen und Volksbanken werden langfristig übrig bleiben. Um diesen Konsolidierungsbedrohungen zu widerstehen, müssen sich die Banken anders ausrichten. Die Banken der Zukunft werden hochspezialisiert und multikanalfähig sein. Alle Funktionen, die keine Kernbanktätigkeiten darstellen, werden ausgelagert oder gebündelt. Eine Sparkasse oder Volksbank wird nur noch den direkten Kundenvertrieb und die Gesamtbanksteuerung als Kernkompetenzen behalten. Ziel wird es zudem sein, die Nettovertriebszeit zu maximieren, um die Mitarbeiter im Vertrieb zu optimieren. Das Filialgeschäft wird wieder an Wichtigkeit gewinnen – für die entsprechenden wohlhabenden Kunden. Eine stärkere Kundensegmentierung mit der damit verbundenen Konsequenz im bereitgestellten Service ist dann die logische Konsequenz. Bis zu dieser Sollposition ist es noch ein langer Weg. Der Beginn lässt sich bereits abzeichnen und hat in den letzten Jahren bereits zu umfangreichen Umstrukturierungen 165 Vgl. u.a. Bartz/Fromme (2008). Seite 36 Diskussionsbeitrag Nr. 13 im Bankenbereich geführt. Es ist wichtig, die Mitarbeiter in den Banken hierauf vorzubereiten und auszubilden166, stellen sie in einer auf Vertrieb ausgerichteten Bank doch das zentrale Human Capital dar. Zentraler Punkt des Erfolges für deutsche Banken ist es nun, diesen Weg schnell und konsequent zu beschreiten. Auch wenn solch einschneidende Veränderungen im ersten Schritt unangenehm sind, sind sie doch die einzige Möglichkeit, langfristig am internationalen Bankenmarkt zu überleben. 166 Vgl. u.a. Spath/Engstler/Praeg/Vocke (2008), S. 2. Seite 37 Diskussionsbeitrag Nr. 13 Literaturverzeichnis BaFin (2007, MaRisk, Anlage 1): Erläuterungen zu den MaRisk in der Fassung vom 30.10.2007, Bonn/Frankfurt a.M., erhältlich auf: http://www.bafin.de/cln_109/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Rundschreibe n/Anlagen/rs__0705__ba__anlage__1,templateId=raw,property=publicationFile .pdf/rs_0705_ba_anlage_1.pdf, Abfrage vom 30.06.2008. BaFin (2007, MaRisk): Rundschreiben 5/2007 (BA) - Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Geschäftszeichen: BA 17-K 3106-2007/0010, Bonn/Frankfurt a.M., den 30.10.2007, erhältlich auf: http://www.bafin.de/cln_116/nn_721290/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/S ervice/Rundschreiben/2007/rs__0705__ba.html?__nnn=true, Abfrage vom 30.06.2008. BaFin (2007, MiFID): Rundschreiben 12/2007 (WA) - Umsetzung der MiFID, Geschäftszeichen: WA 14 - Wp2001-2007/0110, Bonn/Frankfurt a.M., den 21.12.2007, erhältlich auf: http://www.bafin.de/cln_109/nn_724456/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/S ervice/Rundschreiben/2007/rs__0712__wa.html, Abfrage vom 30.06.2008. BaFin (2007.06): Liste der für die bankaufsichtliche Risikogewichtung anerkannten Ratingagenturen samt Mapping, Bonn/Frankfurt a.M., den 28.06.2007, erhältlich auf: http://www.bafin.de/cln_042/nn_722552/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/S ervice/Auslegungsentscheidungen/Bankenaufsicht/ae__070628__ratingagentu ren.html?__nnn=true, Abfrage vom 30.06.2008. BaFin (2008.02): Benennung von Ratingagenturen und Exportversicherungsagenturen nach der SolvV (Stand: 20.02.2008), BA 27 - K 2122 - 2007/0001, Bonn/Frankfurt a.M., den 20.02.2008, erhältlich auf: http://www.bafin.de/cln_042/nn_722552/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/S ervice/Merkblaetter/mb__080220__ratingagenturen__exportvers.html?__nnn=t rue, Abfrage vom 30.06.2008. BaFin (2008.04): Jahresbericht 2007, Bonn/Frankfurt a.M. 2008. 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Seite 49 Folgende Bände sind bereits erschienen: Band 1: Essen 2004, ISBN 3-89275-038-6 Die Entwicklung der Europäischen Union – eine Public-Choice-Analyse Annette Mayer (Berlin) Band 2: Essen 2004, ISBN 3-89275-039-4 Stand und Entwicklung des Internationalisierungsprozesses der externen Rechnungslegung aus deutscher Sicht Thomas Kümpel (Essen) Band 3: Essen 2004, ISBN 3-89275-040-8 PERSONAL-SERVICE-AGENTUR. Eine Alternative der Arbeitnehmerüberlassung zur Lösung des Beschäftigungsproblems in Deutschland? Anja Seng, Silke Stöhrer (Essen) Band 4: Essen 2005, ISBN 3-89275-042-4 Total Outsourcing? Ein neuer alter Trend auf dem Prüfstand unter Verwendung des Transaktionskostenansatzes Peter Kürble (Essen) Band 5: Essen 2006, ISBN 3-89275-049-1 Interkulturelle Kompetenz: Methoden in der MBA Ausbildung und Strategien für die Managementpraxis Claudia Beier (Hg.) (Frankfurt am Main) Band 6: Essen 2006, ISBN 3-89275-045-9 Die Entwicklung des Kündigungsschutzgesetzes im Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes in Deutschland – Eine Dauerreform ohne Chance auf Erfolg? – Hildegard Gahlen, Silvia Sikkinga (Essen) Band 7: Essen 2006, ISBN 3-89275-046-7 Framework (IASB) versus GoB: Sinnvoller Auslegungsmaßstab oder leere Hülle? – Ein Vergleich der Rolle des Framework IASB und der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) für die Jahresabschlusserstellung und -prüfung – Agnes Aschfalk-Evertz (Berlin) Band 8: Essen 2007, ISBN 3-89275-047-5 The Benefits of Marketing Cooperations – Exemplified with „Der Club Bertelsmann“ – Thomas Laukamm (Düsseldorf) Carina Hauswald (Bochum) Band 9: Essen 2007, ISBN 3-89275-050-5 Status and Prospects of Automotive Ingredient Branding Burghard Hermeier (Essen) Dietmar Friedrich (Essen) Band 10: Essen 2007, ISBN 3-89275-051-3 Europäische Verfassung und Subsidiarität – Eine institutionenökonomische Untersuchung zur EU-Ordnungspolitik – Rüdiger Knaup (Bochum) Band 11: Essen 2008, ISBN 3-89275-054-8 Bewertung des Humankapitals als Herausforderung an das Personalcontrolling Rudolf Jerrentrup (Essen) Stefan Terhorst (Bochum) Band 12: Essen 2008, ISBN 3-89275-057-2 Empirische Studie REG.ING – Ingenieurausbildung für den regionalen Mittelstand in Offenbach Peter Scharf (Siegen) Bianca Krol (Essen) Über die Autoren Frère, Eric / Reuse, Svend / Svoboda, Martin Aktuelle Probleme im deutschen Bankensektor – eine kritische Analyse und mögliche Lösungsansätze FOM-Schriftenreihe: Beiträge für die Wirtschaftspraxis, Nr. 13 Essen 2008 Prof. Dr. Eric Frère studierte nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Anschließend promovierte er an der Ruhr-Universität Bochum am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik beim Präsidenten des RWIs. Nach Tätigkeiten beim Credit Commercial der France (CCF), Bayer UK und Bankhaus Lampe KG ist er seit mehr als fünfzehn Jahren selbstständiger Unternehmensberater für Corporate Finance und Asset Management. In dieser Funktion hat er unter anderem mehrere Börsengänge im geregelten Markt platziert und Venture Capital/Private Equity-Finanzierungen sowie strukturierte Finanzierungen realisiert. ISBN 3-89275-058-0 An der Fachhochschule für Oekonomie & Management lehrt er seit 1992 insbesondere Finanzwirtschaft, Corporate Finance, International Enterpreneurship und International Finance und wurde hier 2001 zum Professor berufen. Dipl.-Betriebsw. (FH), Dipl.-Inform. (FH) Svend Reuse, MBA ist gelernter Bankkaufmann und absolvierte berufsbegleitend mehrere Studiengänge, zuletzt den MBA. Er hat bereits mehr als 30 Veröffentlichungen in namhaften deutschen Verlagen publiziert. Als Abteilungsleiter Controlling der Sparkasse Mülheim ist er für die Themen Gesamtbanksteuerung und Risikomanagement verantwortlich. Des Weiteren ist er Dozent an der Fachhochschule für Oekonomie & Management und der Rheinischen Sparkassenakademie. Seit 2007 ist er Doktorand an der Masaryk Universität, Tschechien, Fachrichtung Finanzwesen. C 2008 by Akademie Verlag MA Akademie Verlagsund Druck-Gesellschaft mbH Leimkugelstraße 6,45141 Essen Tel. 0201 81004-351 Fax 0201 81004-610 Kein Teil des Manuskriptes darf ohne schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren – reproduziert werden. Auch die Rechte der Wiedergabe durch Vortrag oder ähnliche Wege bleiben vorbehalten. ISBN 3-89275-058-0 Doc. Dipl.-Ing Martin Svoboda, Ph. D. gehört als Dekan der Masaryk Universität (Brünn) und Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Finanzen und Kapitalmärkte zu den bekanntesten Finanzwissenschaftlern Tschechiens. Er beschäftigt sich seit 20 Jahren mit derivativen Finanzinstrumenten und hat entscheidend zur Entstehung des Zertifikate-Marktes im tschechischen Sprachraum beigetragen – u.a. auch als Herausgeber des ZertifikateJournals in Tschechien und der Slowakischen Republik 13 Beiträge für die Wirtschaftspraxis Wissenschaft & Praxis Das deutsche Bankenwesen ist durch die gravierenden Umbrüche in der internationalen Finanzwelt in starke Turbulenzen geraten. Subprime Krise, Insolvenzen von Kreditinstituten, staatliche Sicherungsmaßnahmen – Öffentlichkeit und Fachwelt diskutieren die Ursachen und Wirkungen dieser beunruhigenden Effekte in der jüngeren Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund leistet die vorliegende Arbeit einen aktuellen Diskussionsbeitrag zur sachlichen Ursachenforschung der Bankenkrise in Deutschland. Auf der Grundlage einer umfassenden Analyse der Strukturen und Merkmale des deutschen Bankenwesens werden differenzierte Handlungsempfehlungen zur Behebung struktureller Probleme sowie zur Vermeidung zusätzlicher Verwerfungen in der Kreditwirtschaft gegeben. Aktuelle Probleme im deutschen Bankensektor – eine kritische Analyse und mögliche Lösungsansätze Eric Frère / Svend Reuse / Martin Svoboda Die von Verbänden der Wirtschaft 1993 gegründete staatlich anerkannte gemeinnützige FOM Fachhochschule für Oekonomie & Management verfügt über 21 Standorte in Deutschland und weitere im Ausland. Weitere Informationen finden Sie unter: www.fom.de Akademie Verlag ISBN 3-89275-058-0 Akademie Verlag