1 Leitungsrecht - Sachverständige Irene Lindner
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1 Leitungsrecht - Sachverständige Irene Lindner
Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin 1 Leitungsrecht 1.1 Grundlagen für die Wertermittlung Die öffentlichen und privaten Unternehmen der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Fernwärme und Wasser sowie der Entsorgung von Abwasser sind vielfach darauf angewiesen für die Verlegung ihrer Leitungen fremde Grundstücke in Anspruch zu nehmen. Die für ihre Versorgungseinrichtungen benötigten Grundstücksflächen können sie jedoch nicht zum Eigentum erwerben. Die benötigten Leitungsrechte werden in der Regel als beschränkt persönliche Dienstbarkeiten entsprechend §§ 1090-1093 BGB im Grundbuch gesichert. Als Kunde eines Versorgungsunternehmens kann der Grundstückseigentümer nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21.06.1979 (BGBl. I S. 684), der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21.06.1979 (BGBl. I S. 676) oder der Verordnung über die Fernwärme vom 20.06.1980 (BGBl. I S. 742) zur Duldung einer Energieanlage verpflichtet sein. Grundlage ist hier ein Leistungsvertrag, der keiner dinglichen Sicherung bedarf. Private Grundstücke sind nicht immer optimal zu den Anschlussstellen belegen, so dass ein Hausanschluss nicht selten über ein benachbartes Grundstück geführt werden muss. Hier erfolgt die Sicherung des Rechts üblicherweise als Grunddienstbarkeit entsprechend §§ 1018-1029 BGB. Leitungsrechte können auch öffentlich-rechtlich z.B. in Bebauungsplänen gesichert sein. Vor Erstattung eines Verkehrswertgutachtens sind zum Erkennen eines vorhandenen Leitungsrechts mehr Recherchen nötig, als ausschließlich die Grundbucheinsicht. Ggf. sollte zusätzlich im Gutachten eine Freizeichnung in der folgenden Form erfolgen: Nicht eingetragene Rechte und Lasten: Sonstige nicht eingetragene Lasten sind nach Auskunft des Eigentümers nicht vorhanden. Diesbezügliche Besonderheiten sind ggf. zusätzlich zu dieser Wertermittlung zu berücksichtigen. Leitungsrechte sind im Allgemeinen mit Bau- und Nutzungsbeschränkungen verbunden. Zudem kann das Grundstück jederzeit zum Zwecke der Unterhaltung betreten werden. Praktisch wird dieses Recht zum Betreten äußerst selten ausgeübt. Gegenstand der Wertermittlung können sowohl das Recht oder die Belastung als auch das mit dem Recht belastete oder das begünstigte Grundstück sein. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 1 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Die Wertminderung (ggf. der Wertvorteil) ergibt sich aus dem wirtschaftlichen Nachteil (ggf. Vorteil), wobei auf objektive Gesichtspunkte abzustellen ist. Dabei sind folgende Aspekte in der Wertermittlung zu berücksichtigen: • • • • • • • • Leitungsart bzw. die damit verbundenen Beschränkungen; Größe und Lage der belasteten Fläche (Schutzstreifen); der Grad der Beeinträchtigung auf der belasteten (Teil)Fläche; bei Belastungen von Teilflächen, ggf. auch eine Auswirkung auf das Gesamtgrundstück; eine mögliche Änderung der Grundstücksqualität; die jeweilige Nutzung des Grundstücks und ggf. die Änderung der Nutzungsmöglichkeiten; merkantile (kaufmännische) Wertminderung; die ggf. vereinbarte Rente und deren Anpassungsmöglichkeit. Üblich ist eine einmalige Entschädigung für die Einräumung des Rechts. Vereinbart werden im Einzelfall auch jährlich zu zahlende Renten, die in der Regel an den aktuellen Bodenwert angepasst werden. 1.2 Besonderheiten für nach dem Grundbuchbereinigungsgesetz (GBBerG) zu entschädigende Leitungsrechte Rechte für Leitungen, die am 03.10.1990 auf dem Gebiet der DDR genutzt wurden, werden durch § 9 GBBerG begründet. Das Recht besteht, unabhängig davon, ob es im Grundbuch gesichert wurde. Bis zum 31.12.2010 müssen die Versorgungsunternehmen das Grundbuch durch Eintragung der Dienstbarkeit berichtigen lassen. Nach Eintrag des bestehenden Rechtes in das Grundbuch ist durch das jeweilige Versorgungsunternehmen ein Ausgleich zu zahlen, dessen Höhe sich nach dem Betrag richtet, der allgemein üblich ist. Die Zahlung erfolgt in zwei Raten. Die erste Rate ist am Tag der Grundbucheintragung aber nicht vor dem 01.01.2001 fällig. Die zweite Rate wird am 01.01.2011 gezahlt. Anspruchsberechtigt ist derjenige, der Eigentümer des belasteten Grundstücks am Tage des Entstehens des Rechtes war. Eine Verzinsung erfolgt nicht. Aufgabe des Sachverständigen ist es, die Wertminderung durch die Leitungsrechte in der Verkehrswertermittlung zu bestimmen. Das dingliche Recht entsteht nicht, soweit eine Duldungspflicht nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden vom 21.06.1979 (BGBl. I S. 684), der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21.06.1979 (BGBl. I S. 676) oder der Verordnung über die Fernwärme vom 20.06.1980 (BGBl. I S. 742) besteht. Die Belastung muss für den Grundstückseigentümer zumutbar sein. Das Versorgungsunternehmen kann auf die Dienstbarkeit verzichten. Im Einzelnen sind die Abgrenzungen der Fälle äußerst schwierig und nicht durch den Sachverständigen abschließend zu beurteilen. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 2 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Jedoch sollte der Sachverständige bevor er ein Gutachten erstellt (und in Rechnung stellt) eine weitestgehende Aufklärung betreiben und seinen Auftraggeber über die Risiken bei der Durchsetzung der Entschädigung informieren (dazu [2], [5] und [7]). Mit der Zulässigkeit der Regelungen des GBBerG hat sich der BGH mehrfach befasst (dazu Schmidt-Räntsch in [4]). Nicht eindeutig geklärt, ist die Wahl des Wertermittlungsstichtages. Im BGH-Urteil vom 28.11.2003 (V ZR 129/03 – OLG Brandenburg, LG Neuruppin, siehe Anlage) wird in einem Teilsatz auf die „heutigen Grundstückwerte“ verwiesen. Unter Würdigung dieser Formulierung und Regelungen aus dem Entschädigungsrecht begründet Niegel und Strotkamp ([6]und [7]), dass als Wertermittlungsstichtag der Tag der Grundbucheintragung anzunehmen sei, weil an diesen Tag auch die Zahlung der ersten Rate gebunden ist. Eine abschließende Auslegung des Gesetzes steht noch aus. In Übereinstimmung mit Zimmermann und Noack [5] erscheint es zweckmäßig als maßgeblichen Zeitpunkt für die Höhe des Ausgleichs den Tag zu beachten, an dem die jeweilige Dienstbarkeit entstanden ist, also der • • • 25.12.1993 für Rechte von Elektro-, Gas- und Fernwärmeleitungen; 11.01.1995 für Rechte von Wasserversorgungs- und Abwasserleitungen; 01.08.1996 für Rechte von Telekommunikationsanlagen. Unstreitig ist jedoch als Qualitätsstichtag der Tag des Inkrafttretens des GBBerG, also der 25.12.1993. Die Versorgungsunternehmen betreiben häufig die Grundbucheintragung auf dem Wege des Bescheinigungsverfahrens. Hier wird der Eintragungsgegenstand (nicht die Entschädigungssumme) öffentlich-rechtlich festgelegt. Die im Bescheinigungsverfahren erstellten Unterlagen sind eine gute Grundlage für die Wertermittlung. Im Folgenden wird ein Beleg gezeigt, in dem die Leitung im Maßstab 1:500 kartiert ist, so dass man die Maße der Karte entnehmen kann. Häufig werden die Anlagen und Schutzstreifen zusätzlich mit Maßangaben versehen. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 3 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 4 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin 1.3 Beispielrechnung Nr. 20, WertR 2006: Bodenwert des belasteten Grundstücks Die in [1] beschriebene Situation kann schematisch wie folgt dargestellt werden: Straße Ausgangswerte Grundstücksgröße Schutzstreifen relativer Bodenwert Einschränkung der Nutzbarkeit im Hinterland 800 m² 200 m² 150 €/m² 15% Berechnung Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 800 m² x 150 €/m² Wertminderung durch Leitungsrecht 200 m² x 150 €/m² x 15 % Bodenwert des belasteten Grundstücks Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 120.000,00 € -4.500,00 € 115.500,00 € 116.000,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 5 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Als praktisches Beispiel wird hier ein Vorhaben- und Erschließungsplan in einem kleinen Baugebiet in Sachsen-Anhalt gezeigt: Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 6 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Das Leitungsrecht ist parallel zur Straße ohne Bemaßung dargestellt. Formal hätte die Darstellung wie folgt aussehen müssen: 15.5 Mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zu belastende Flächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 und Abs. 6 BauGB) bei schmalen Flächen Auszug aus der Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichenverordnung 1990 - PlanzV 90)vom 18. Dezember 1990 (BGBl.1991 I S.58), 15. Sonstige Planzeichen Das oben dargestellte Leitungsrecht verläuft unmittelbar an der Straßengrenze. Der übliche Schutzstreifen ist hier nicht erforderlich, weil die Fläche zur Unterhaltung der Leitung von der Straße aus betreten werden kann und eine Aufgrabung nur bis unmittelbar an die Leitung heran erfolgen muss. Übliche Breiten der Schutzstreifen liegen je nach Leitung zwischen 2,00 und 10,00 m (jeweils von der Mitte der Leitung nach beiden Seiten gemessen), für Hochspannungsleitungen auch mehr. Es ist für den Sachverständigen in der Regel nicht möglich, die Breite der Schutzstreifen selbst zu bestimmen, zumal sich die technischen Vorschriften dazu immer wieder ändern. Eine Auskunft des Versorgungsunternehmens dann erforderlich, wenn das Recht nicht in der Grundakte näher beschrieben ist. Die Nutzungseinschränkung wird in der Literatur verschieden eingestuft (siehe [2], [3] u.a.). Dabei beziehen sich die Angaben der prozentualen Wertminderung in einigen Fällen auf die Gesamtfläche des Grundstücks und in anderen Fällen auf die belastete Fläche. Sachgerecht erscheint es wegen der unterschiedlich möglichen Grundstücksform und –größe grundsätzlich von der belasteten Fläche auszugehen und nur im Einzelfall für besondere Belastungen das Gesamtgrundstück zu betrachten. Hier soll ergänzend zu den vorliegenden Einschätzungen eine Tabelle veröffentlicht werden, die die Belastungen durch Fernwärmeanlagen in Berlin beschreibt und zwischen dem Versorgungsunternehmen und einem großen Grundstückseigentümer einvernehmlich abgestimmt wurde: Nutzung Verlegeart Bauland oberirdisch unterirdisch oberirdisch unterirdisch Nichtbauland ohne öffentliche Grünflächen Wertminderung in % geringe Beeinträchtigung 30 10 Wertminderung in % erhebliche Beeinträchtigung 70 50 50 20 Die Angaben beziehen sich auf die Wertminderung der belasteten Fläche. Ausgangswert für die Berechnung der Wertminderung soll hier der Bodenrichtwert sein, was eine massenhafte Einzelbewertung erspart. Für Nichtbauland wurde ein Wert aus dem Bodenrichtwert abgeleitet und nach oben begrenzt. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 7 von 31 Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Dipl.-Ing. Irene Lindner 1.4 Beispielrechnung Nr. 21, WertR 2006: Bodenwert des belasteten Grundstücks Die in [1] beschriebene Situation kann schematisch wie folgt dargestellt werden: Straße Ausgangswerte Grundstücksgröße Hochspannungsleitung Schutzstreifen relativer Bodenwert zulässige GFZ realisierbare GFZ merkantiler Minderwert 600 m² 220 KV berührt das Grundstück 100 €/m² 0,65 0,50 10% Berechnung Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 600 m² x 100 €/m² merkantiler Minderwert: 10 % geminderter Bodenwert Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit GFZ-Umrechnungskoeffizient Bodenwert des belasteten Grundstücks Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 60.000,00 € -6.000,00 € 54.000,00 € x 0,89 48.060,00 € 48.000,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 8 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Als praktisches Beispiel ist hier ein Grundstück in Berlin gezeigt. Über den Wert des Leitungsrechts können Leitungsbetreiber und Eigentümer bisher keine Einigung erzielen. Eine Hochspannungsleitung verläuft durch ein Mischgebiet in Berlin. Es gibt keinen rechtskräftigen Bebauungsplan. Der Schutzstreifen überdeckt das Grundstück nicht vollständig. Karte 1:5.000; Herausgeber Bezirksämter von Berlin und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Das Stadtplanungsamt hat schriftlich erläutert, dass in dem Gebiet eine GFZ von 1,9 üblich sei. Realisiert werden kann auf dem Grundstück nur eine GFZ von 0,8. In einem Gebiet, in dem Baurecht nach § 34 BauGB besteht, ist diese Aussage nicht sachgerecht. Es kann nur ein bestimmter Baukörper benannt werden, der sich in die Umgebung einfügt. Jedoch gibt die Einschätzung des Stadtplanungsamtes in diesem Fall eine von beiden Parteien anerkannte Grundlage für die Wertermittlung. Der Grundstückseigentümer errechnet die Wertminderung über die Gesamtfläche des Grundstücks analog der Beispielrechnung in der WertR 2006. Das Versorgungsunternehmen akzeptiert eine Wertminderung nicht über die Gesamtfläche, weil diese ja nicht vollständig vom Schutzstreifen erfasst sei. Zusätzliche Schwierigkeit ist die Bodenwertermittlung. Es kommt hier auf die Bodenqualität zum 25.12.1993 an. Die Berufsschule gehörte in der DDR zu einem Unternehmen, dass in der Nachbarschaft angesiedelt war. Sie wurde nach 1990 noch wenige Jahre betrieben. Dem Sachverständigen können keine sicheren Angaben zum Träger der Schule zum Zeitpunkt 25.12.1993 gemacht werden, so dass ein möglicher Gemeinbedarf nicht belegt werden kann. Deshalb hat er die Bewertung als Mischgebietsfläche vorgenommen. Zwischenzeitlich ist das Gebäude abgerissen und ein Autohaus errichtet worden. In unmittelbarer Umgebung des Bewertungsgrundstücks befinden sich heute Bürohäuser und Supermärkte. Die örtliche Situation stellt sich heute wie folgt dar: Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 9 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Das Grundstück wurde zwischenzeitlich mit einem Autohaus neu bebaut. Das Nachbargrundstück ist mit einem 6geschossigem Bürohaus bebaut. Blick nach Süden: Mischgebiet in geschlossener Bauweise, wobei Wohnen überwiegt. Nördlich des Grundstücks ist das Gebäude Nr. 41 erhalten. Davor wurde eine Tankstelle neu errichtet. Weiter nördlich befindet sich ein eingeschossiger Supermarkt. Nach 350 m befinden sich Wohnhäuser in geschlossener Bauweise. Wesentliche Grundlage für eine richtige Bewertung ist die Sachverhaltsaufklärung. In diesem Fall kann die Bodenqualität zu einem zurückliegenden Zeitpunkt nicht mehr vollständig aufgeklärt werden. Es handelte sich bis 1990 und handelt sich heute um eine Gewerbefläche innerhalb eines Mischgebietes. Die Bewertung als Mischgebietsfläche mit einer deutlichen baulichen Einschränkung über die Gesamtfläche des Grundstücks ist sachgerecht. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 10 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin 1.5 Leitungsrechte nach Beseitigung der Altbebauung In diesem Beispiel wurde eine Kindertagesstätte im Rahmen des Stadtumbau Ost abgerissen. Sie lag im Hofbereich von 6-geschossigen Plattenbauten an einer extra für sie unterhaltenen öffentlichen Zuwegung. Es bleibt unklar, welche Bodenqualität heute für dieses Grundstück vorliegt. Nach Auskunft der Stadtplanung handelt es sich um eine Grünfläche, wobei gleichzeitig festgestellt wird, dass sich eine Bebaubarkeit nach § 34 BauGB richtet. Marktnachfrage gibt es für einfache Reihenhäuser, deren Errichtung genehmigungsfähig ist. Auch hier bleibt für die Bewertung die Bodenqualität am Wertermittlungsstichtag maßgeblich. Es handelte ich um Gemeinbedarfsfläche mit geringem Bodenwert und geringer Einschränkung durch die vorhandene Leitung. Karte 1:5.000; Herausgeber Bezirksämter von Berlin und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Im oben gezeigten Beispiel gehen Hauptversorgungsleitungen mittig durch das Grundstück. In den Verhandlungen mit Versorgungsunternehmen ist es für den Eigentümer sinnvoll, die optimale Erschließung des Grundstücks für ein künftiges Bauvorhaben zu erreichen. Der Eigentümer entschließt sich deshalb, abweichend von den üblichen Verfahrensweisen das Grundstück verbunden mit dem Entschädigungsanspruch zu verkaufen. Von folgenden Werten ist auszugehen: Ausgangswerte Grundstücksgröße Schutzstreifen der Wasserleitung Bodenwert 11.01.1995 08.06.2006 Einschränkung der Nutzbarkeit Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 5.000 m² 300 m³ €/m² 280 120 15% 08.06.2006 in Berlin Seite 11 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Der Wert des belasteten Grundstücks ergibt sich wie folgt: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 5.000 m² x 120 €/m² Wertminderung durch das Leitungsrecht 300 m² x 120 €/m² x 0,15 Bodenwert des belasteten Grundstücks ohne Entschädigungsanspruch 600.000,00 € -5.400,00 € 594.600,00 € 595.000,00 € Aus der Grundlage des Bodenwertes zum 11.01.1995 (Wertermittlungsstichtag für Wasserleitungen) ist die Höhe der Wertminderung zu bestimmen, die für die Entschädigung maßgeblich ist. Der angegebene Bodenwert bezieht sich auf Bauland. Tatsächlich war das Grundstück mit einer Kindertagesstätte bebaut und ist dem Gemeinbedarf zuzurechnen. Hier soll die Bodenwertermittlung für Gemeinbedarf nicht diskutiert werden. In Berlin war zu diesem Zeitpunkt geregelt, das die Hälfte des Bodenwertes für Bauland für Gemeinbedarfsflächen anzusetzen ist. Es ergibt sich: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts am 11.01.1995 5.000 m² x 280 €/m² x 0,5 Wertminderung durch das Leitungsrecht 300 m² x 280 €/m² x 0,5 x 0,15 Bodenwert des belasteten Grundstücks ohne Entschädigungsanspruch Wertminderung durch das Leitungsrecht 700.000,00 € -6.300,00 € 693.700,00 € -6.300,00 € Die Wertminderung ist in zwei Raten je zur Hälfte zu entschädigen. Die erste Rate wird zeitnah mit der Grundbucheintragung gezahlt. Die zweite Rate ist am 01.01.2011 fällig. Eine Verzinsung ist vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht vorgesehen. Dabei entsteht dem Berechtigten ein Zinsverlust, der im BGH-Urteil vom 28.11.2003 (siehe Anlage) als verfassungsgemäß beurteilt wurde. Dieser Nachteil ist in der Wertermittlung wie folgt zu beachten: 1. Rate 2. Rate mit 3 % Kapitalmarktzins für kurzfristige Anlagen bis zum 01.01.2011 (4,5 Jahre) verzinst 3.150,00 € x 0,8755 Barwert der voraussichtlichen Entschädigung 3.150,00 € 2.758,00 € 5.908,00 € Tatsächlich ist die Zahlung der Entschädigung mit einigen Risiken behaftet. Im konkreten Fall kann das Versorgungsunternehmen auf die Dienstbarkeit ganz verzichten, für das Wertermittlungsobjekt einen Hausanschluss herstellen und die Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 12 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin übrigen Gebäude von der Straße aus versorgen. Deshalb ist der Barwert der voraussichtlichen Entschädigung mit einem Risikofaktor zu mindern. Strotkamp schlägt in [8] beispielhaft einen Faktor in Höhe von 0,9 vor. Dieser Wert ist für in Berlin zu bewertende Entschädigungen deutlich zu gering. Bis heute sind seit der gesetzlichen Regelung mehr als 12 Jahre vergangen. Tatsächlich ausgezahlt wurde bisher nach Aussage der Berliner Versorgungsunternehmen eine verschwindend geringe Entschädigungssumme. Häufiger wurden Leitungen verlegt. Im konkreten Fall ist unter Würdigung der Sachlage ein Risikofaktor von 0,5 angemessen. Es ergibt sich für den Bodenwert des belasteten Grundstücks mit Entschädigungsanspruch: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 5.000 m² x 120 €/m² 600.000,00 € Wertminderung durch das Leitungsrecht 300 m² x 120 €/m² x 0,15 -5.400,00 € Barwert der voraussichtlichen Entschädigung mit Risiko 50 % 5.907,00 € x 0,5 2.954,00 € 597.554,00 € Bodenwert des belasteten Grundstücks mit Entschädigungsanspruch 598.000,00 € In diesem Fall können die Kosten des Verfahrens zur Erlangung der Entschädigung höher sein, als die zu erwartende Entschädigung. Erhält der Sachverständige einen solchen Bewertungsauftrag, sollte er seinen Auftraggeber entsprechend beraten. Betrachtet man im konkreten Fall die Gesamtinvestition, wird der Bauherr gut beraten sein, auf einen vorhandenen Entschädigungsanspruch mündlich hinzuweisen und dadurch eine bevorzugte Behandlung bei der notwendigen Herstellung der Hausanschlüsse zu erwirken. Der Zeitgewinn kann deutlich wertvoller sein, als die Entschädigungshöhe. Kaufpreis für das Grundstück 598.000,00 € Planungskosten 50.000,00 € 648.000,00 € Abzinsung mit 3 % Kapitalmarktzins für kurzfristige Anlagen für 12 Monate 648.000,00 € x 0,9709 629.143,20 € Zinsverlust im ersten Jahr 18.856,80 € Gleichwohl ist o.g. Wertermittlung für die Bestimmung des Verkehrswertes des Grundstücks von wesentlicher Bedeutung. Im o.g. Beispiel war das Grundstück zum Wertermittlungsstichtag Gemeinbedarfsfläche. Hätte es sich bereits damals um Bauland gehandelt, ergäbe sich ein höherer Entschädigungsanspruch als die Wertminderung zum heutigen Tage ausmacht. Damit erhöht sich der Bodenwert des belasteten Grundstücks mit Entschädigungsanspruch über den unbelasteten Bodenwert. Hier wird die Auffassung vertreten, dass kein Käufer mehr als den aktuellen Bodenwert für das Grundstück zahlen wird, egal wie hoch der Entschädigungsanspruch berechnet wird. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 13 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner 1.6 Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Leitungsrechte in neuen Baugebieten Karte 1:5.000; Herausgeber Bezirksämter von Berlin und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Im gezeigten Grundstück unterhalten drei Versorgungsunternehmen am Rande der Freifläche Leitungen. Die Rechte sind noch nicht im Grundbuch eingetragen. Auf dem Grundstück soll ein Bauträger Einfamlienhäuser bauen. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan ist in Aufstellung. Es ist die Wertminderung durch die Leitungen zu ermitteln, um vor Entwicklung der Fläche das Grundbuch zu berichtigen und die Entschädigungszahlung zu erhalten. Die Gas- und die Wasserleitungen beeinflussen die Planung der Bebauung insoweit, dass die Gebäude mit einem großen Abstand zur Straße errichtet werden müssen. Damit wird fast die Hälfte des künftigen Gartenlandes vor dem Haus liegen. Deshalb wird die Wertminderung mit 50 % des Wertes der betroffenen Fläche eingeschätzt. In diesem Beispiel ist für das im Hinterland des Grundstücks vorhandene Stromkabel die „Kabellage unbekannt“. Es gibt wenig Vergleichsfälle, zur Bewertung des Risikos dieser unklaren Lage eines Leitungsrechts. Die Wertminderung wird doppelt so hoch angesetzt, als es für die wenig störende Lage sonst erforderlich wäre, also mit 30 %. Für die Bewertung ist von besonderer Bedeutung, dass die Bodenqualität zum zurückliegenden Wertermittlungsstichtag zu bestimmen ist. Das Grundstück war am Wertermittlungsstichtag, dem 25.12.1993 Bauerwartungsland. Für die Ermittlung der Wertminderung wird der Bodenwert über das deduktive Verfahren nach Sprengnetter [2] ermittelt. Dabei ist von dem Erkenntnisstand auszugehen, den ein Sachverständiger am Wertermittlungsstichtag haben konnte. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 14 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Zu diesem Zeitpunkt war die Nachverdichtung der Einfamiliehaussiedlung in diesem Bezirk von Berlin kurzfristig zu erwarten. Dafür war die Aufstellung eines Vorhabenund Erschließungsplanes erforderlich. Der Flächennutzungsplan weist bereits Wohnbaufläche bei offener Bauweise aus. Folgende Ausgangswerte werden angenommen: Ausgangswerte Grundstücksgröße 10.000 m² Schutzstreifen gesamt 2.000 m² Wasserleitung 1.000 m² Strom 600 m² Gas 800 m² Bodenwert für Bauland €/m² 25.12.1993 130 11.01.1995 148 01.08.1996 148 08.06.2006 80 Der Bodenrichtwert beträgt für die Lage des Bewertungsgrundstücks (einfache Lage) 115,00 €/m² zum Stichtag 31.12.1992. Das Bodenrichtwertgrundstück ist wie folgt definiert: Entwicklungsstufe = Art der Nutzung = beitrags- und abgabenrechtlicher Zustand = Geschossflächenzahl (GFZ) = Beschreibung des Bewertungsgrundstücks baureifes Land W (Wohnbaufläche) frei 0,2 Wertermittlungsstichtag Entwicklungszustand Art der Nutzung beitrags- und abgabenrechtlicher Zustand Geschossflächenzahl (GFZ) Grundstücksfläche 25.12.1993 Bauerwartungsland W (Wohnbaufläche) teilweise pflichtig 0,2 10.000 m² = = = = = = Bodenwertermittlung des Bewertungsgrundstücks Es ist im GBBerG geregelt, dass die aus den Wertermittlungsergebnissen abzuleitende Entschädigungssumme nicht über der Gesamtbelastung liegen darf. Die Gesamtbelastung an dem Grundstück wird von einigen Sachverständigen in Teilwerten berechnet, die unterschiedliche Wertermittlungsstichtage und Werteinschränkungen berücksichtigen. Hier wird die Auffassung vertreten, dass die Gesamtbelastung für den Tag des Inkrafttretens des GBBerG zu bestimmen ist. Um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten wird bei diesem Einzelfall die Wertminderung einheitlich festgestellt. Nachfolgend wird der Bodenrichtwert an die allgemeinen Wertverhältnisse zum Wertermittlungsstichtag 25.12.1993 und die wertbeeinflussenden Zustandsmerkmale des Bewertungsgrundstücks angepasst. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 15 von 31 Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Dipl.-Ing. Irene Lindner Erläuterung I. Umrechnung des Bodenrichtwerts auf den beitrags-/abgabenfreien Zustand tatsächlicher b/a-Zustand des Bodenrichtwerts (frei) = 115,00 €/m² b/a-freier Bodenrichtwert (Ausgangswert für weitere Anpassung) = 115,00 €/m² II. Zeitliche Anpassung des Bodenrichtwerts Richtwertgrundstück Bewertungsgrundstück Stichtag 31.12.1992 Anpassungsfaktor × 25.12.1993 Erläuterung Mittlere Bodenwertsteigerung 1,13 III. Anpassungen wegen Abweichungen in den wertbeeinflussenden Zustandsmerkmalen Lage einfache Lage einfache Lage × 1,00 GFZ 0,2 0,2 × 1,00 W (Wohnbaufläche) W (Wohnbaufläche) × 1,00 Art der Nutzung angepasster b/a-freier Bodenrichtwert = 129,95 €/m² beim Bewertungsobjekt noch ausstehende Beiträge u.ä. − 20,00 €/m² insgesamt − geschätzte Kosten 20,00 €/m² vorläufiger angepasster b/a-pflichtiger Bodenwert für baureifes Land = 109,95 €/m² sonstige wertbeeinflussende Umstände + 0,00 €/m² angepasster b/a-pflichtiger Bodenwert für baureifes Land = 109,95 €/m² Erläuterung IV. Berücksichtigung von Risiken, Kosten und Wartezeiten bis zur „Baureife“ Abzinsung über die Dauer des Bodenordnungsverfahrens Abzinsungsfaktor (1/(1+z)n) × 0,971 n = 1 Jahre; Abzinsungszinssatz z = 3,00 % umfangreiche Grenzvermessung erforderlich relativer Bodenwert für ungeordnetes (Brutto-)Rohbauland (mit einer Wartezeit von 1 Jahren bis zum Abschluss des Bodenordnungsverfahrens) Abzug wegen Unsicherheit der Rechtskraftwerdung des Bebauungsplans (5 %) relativer Bodenwert von Bauerwartungsland (unmittelbar vor Rechtskraft des Bebauungsplans) Abzinsung über die Dauer des Aufstellungsverfahrens für den Bebauungsplan Abzinsungsfaktor (1/(1+z)n) n = 2 Jahre; Abzinsungszinssatz z = 3,00 % übliche Dauer eines Bebauungsplanverfahrens relativer Bodenwert für Bauerwartungsland (nach dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan) (mit einer Wartezeit von 2 Jahren bis zur Rechtskraft des Bebauungsplans) relativer Bodenwert für das Bauerwartungsland = 106,76 €/m² − 5,34 €/m² = 101,42 €/m² × 0,943 = 95,64 €/m² = 95,64 €/m² Erläuterung V. Ermittlung des Bodenwerts relativer Bodenwert für das Bauerwartungsland Fläche Bodenwert für das Bauerwartungsland Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 95,64 €/m² × 10.000 m² = 956.400,00 € rd. 956.400,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 16 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Der Bodenwert für das Bauerwartungsland beträgt zum Wertermittlungsstichtag 25.12.1993 insgesamt 956.400,00 €. Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts am 25.12.1993 10.000 m² x 95,64 €/m² Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 50 % auf 2.000 m² x 95,64 €/m² Bodenwert des belasteten Grundstücks Wertminderung gesamt 956.400,00 € -95.640,00 € 860.760,00 € -95.640,00 € Die Gesamtsumme der Wertminderung ist auf die drei Versorgungsunternehmen sachgerecht aufzuteilen. Im Einzelnen ergibt sich: Wasserleitung 1.000 m² Wertminderung: 50 % 0,5 Bodenwert für Bauerwartungsland am 11.01.1995 111,35 €/m² Anteil Wasserleitung 55.675,00 € Gas 800 m² Wertminderung: 50 % 0,5 Bodenwert für Bauerwartungsland am 25.12.1993 95,64 €/m² Anteil Gas 38.256,00 € Strom 600 m² Wertminderung: 30 % 0,3 Bodenwert für Bauerwartungsland am 25.12.1993 95,64 €/m² Anteil Strom 17.215,00 € Summe Einzelwerte 111.146,00 € Die Summe der Einzelwerte liegt über der Gesamtbelastung, weil sich die Schutzstreifen überlagern. Die zur Auszahlung kommende Entschädigungssumme darf die Gesamtsumme der Wertminderung nicht übersteigen. Deshalb ist über das Verhältnis der Einzelwerte zur Summe der Einzelwerte die Gesamtbelastung auf die einzelnen Versorgungsunternehmen aufzuteilen: Anteil in % Wertminderung 55.675 € 50% Wasserleitung 47.908 € 38.256 € 34% Gas 32.919 € 17.215 € 15% Strom 14.813 € 111.146 € 100% 95.640 € In dem Baugebiet ist die Erschließung durch Leitungen für bis zu 20 neue Einfamilienhäuser zu schaffen. Wahrscheinlich werden die vorhandenen (alten) Leitungen innerhalb dieser Maßnahme in den Straßenraum verlegt. Das Gutachten ist eine gute Verhandlungsbasis. Die Darlegung der Entschädigungsansprüche verbessert die Position für den Investor deutlich. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 17 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner 1.7 Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Leitungsrechte im Konflikt mit Investitionsvorhaben Im folgenden Beispiel wird ein belastetes Grundstück zum Verkauf angeboten. Der Grundstückseigentümer soll die Entschädigung klären und einnehmen. Das Grundstück wird danach als mit Leitungen belastetes Grundstück ohne Entschädigungsanspruch und mit berichtigtem Grundbuch verkauft. Es ist ein Möbelmarkt geplant. Die Investition steht unter Zeitdruck. Das Grundstück wird von Leitungen „zerschnitten“. Leitungsplan mit Projektskizze Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 18 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Folgende Ausgangswerte werden zugrunde gelegt: Ausgangswerte Grundstücksgröße Schutzstreifen gesamt Regenkanal Wasserleitung Telefon Fernheizung abgeschnittene Grundstücksteile Bodenwert 25.12.1993 11.01.1995 01.08.1996 08.06.2006 3.500 m² 2000 m² 500 m² 500 m² 100 m² 600 m² 300 m² €/m² 320 360 300 120 Der Kaufpreis soll dem Verkehrswert des belasteten Grundstücks zum heutigen Tage entsprechen. Die Wertminderung ergibt sich einerseits aus der tatsächlichen Baubeschränkung und andererseits aus einem merkantilen Minderwert, der der Tatsache Rechnung trägt, dass dauerhaft vier Versorgungsunternehmen das Grundstück in Anspruch nehmen. Hier soll die Bewertung vereinfacht dargestellt werden, um die Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten: Berechnung Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 3.500 m² x 120 €/m² merkantiler Minderwert: 10 % geminderter Bodenwert Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 70 % Bodenwert des belasteten Grundstücks 420.000,00 € -42.000,00 € 378.000,00 € -264.600,00 € 113.400,00 € 115.000,00 € Über den als Kaufpreis zugrundezulegenden Wert gibt es zwischen Eigentümer und Investor schnell Einigung. Parallel wird mit den vier Versorgungsunternehmen die Entschädigung vor Verkauf besprochen. Es ergibt sich: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts am 25.12.1993 3.500 m² x 320 €/m² merkantiler Minderwert: 10 % geminderter Bodenwert Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 70 % Gesamtsumme der Wertminderung Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 1.120.000,00 € -112.000,00 € 1.008.000,00 € -705.600,00 € 302.400,00 € 817.600,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 19 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Diese Summe liegt deutlich über dem (unbelasteten) Grundstückswert am heutigen Tage. Eine Zahlung in dieser Höhe kann nicht erwartet werden. Die Aufteilung der Wertminderung auf die einzelnen Leitungen erfolgt nach folgender Rechnung: Regenkanal Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 50 % Bodenwert am 11.01.1995 Anteil Regenkanal Wasserleitung Bezugsfläche Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 95 % Bodenwert am 11.01.1995 Anteil Wasserleitung Telefon Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 20 % Bodenwert am 01.08.1996 Anteil Telefon Fernheizung Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 30 % Bodenwert am 25.12.1993 Anteil Fernheizung 500 m² 0,5 360 €/m² 90.000,00 € 500 m² 1.500 m² 0,95 360 €/m² 513.000,00 € 100 m² 0,2 300 €/m² 6.000,00 € 600 m² 0,3 320 €/m² 57.600,00 € Summe Einzelwerte 666.600,00 € Die Summe der Einzelwerte liegt unter der Gesamtbelastung, weil • der merkantile Minderwert und • die zwischen den Leitungen nicht nutzbaren Freiflächen nicht berücksichtigt wurden. Da aber dem Grundstückseigentümer ein voller Ersatz der Wertminderung gegenüber den Verursachern zusteht, ist eine Aufteilung der Gesamtbelastung proportional zu den Einzelwerten erforderlich: Regenkanal Wasserleitung Telefonleitung Fernheizung Einzelwerte 90.000 € 513.000 € 6.000 € 57.600 € 666.600 € Anteil in % 14% 77% 1% 9% 100% Gesamtbelastung 110.387 € 629.206 € 7.359 € 70.648 € 817.600 € Fast 4/5 der Wertminderung entfällt auf eine Wasserleitung, die zwei Grundstücke versorgt. Insgesamt verlaufen zwei Leitungen innerhalb der geplanten Baufläche. Die Verlegung dieser Leitungen in den Randbereich des Grundstücks ist preiswert. Das Versorgungsunternehmen ist bereit, die Umverlegung auf seine Kosten vorzunehmen. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 20 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Der Umverlegungsplan sieht wie folgt aus: Leitungsplan mit Projektskizze Tatsächlich verbleiben die Leitungen auch nach der Verlegung aus der unmittelbaren Baufläche im Randbereich des Grundstücks. Die Leitungen führen auch dann noch zu Wertverlusten, wenn sie im Bereich der künftigen Stellplätze verbleiben. Es ergibt sich nach Verlegung der Wasserleitung und der Regenentwässerung an den östlichen Rand des auf dem Grundstück vorhandenen Regenkanals folgende Wertminderung: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts am 25.12.1993 3.500 m² x 320 €/m² merkantiler Minderwert: 5 % geminderter Bodenwert Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 15 % Gesamtsumme der Wertminderung Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 1.120.000,00 € -56.000,00 € 1.064.000,00 € -159.600,00 € 904.400,00 € 215.600,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 21 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Die Aufteilung auf die Einzelleitungen kann wie folgt vorgesehen werden: Regenkanal Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 50 % Bodenwert am 11.01.1995 Anteil Regenkanal Wasserleitung Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 50 % Bodenwert am 11.01.1995 Anteil Wasserleitung Telefon Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 20 % Bodenwert am 01.08.1996 Anteil Telefon Fernheizung Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 30 % Bodenwert am 25.12.1993 Anteil Fernheizung 500 m² 0,5 360 €/m² 90.000,00 € 200 m² 0,5 360 €/m² 36.000,00 € 100 m² 0,2 300 €/m² 6.000,00 € 600 m² 0,3 320 €/m² 57.600,00 € Summe Einzelwerte 189.600,00 € Die Summe der Einzelwerte weicht erheblich von der Summe der Gesamtbelastung ab. Hier wird die Auffassung vertreten, dass der Grundstückseigentümer Anspruch auf die volle Entschädigung hat. Die Aufteilung der Wertminderung erfolgt wiederum im Verhältnis zu den Einzelwerten: Regenkanal Wasserleitung Telefonleitung Fernheizung Einzelwerte 90.000 € 36.000 € 6.000 € 57.600 € 189.600 € Anteil in % 47% 19% 3% 30% 100% Wertminderung 102.342 € 40.937 € 6.823 € 65.499 € 215.600 € Für die nach Leitungsverlegung auf dem Grundstück verbleibenden Leitungen bleibt eine Wertminderung vorhanden, auch wenn jetzt nicht mehr der Baukörper jedoch die Stellplätze betroffen sind. Die Versorgungsunternehmen bestehen in den Verhandlungen auf eine Entscheidung für Verlegung oder Entschädigung, auch weil innerhalb dieser Unternehmen die jeweils zuständigen Abteilung separat planen und arbeiten. Streitig sind 143.279 €, auf die der Verkäufer nicht verzichten darf. Eine Entscheidung fällt vorerst weder für die Verlegung noch für die Entschädigung. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 22 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Beschrieben sind oben die Verhandlungen mit einem der vier betroffenen Unternehmen. Wichtig ist, dass sich die Umverlegung von zwei Leitungen auch auf die Höhe der Wertminderung durch die unverändert verbleibenden Leitungen auswirkt und zwar wie folgt: Regenkanal Wasserleitung Telefonleitung Fernheizung vor Umverlegung 110.387,00 € 629.206,00 € 7.359,00 € 70.648,00 € nach Umverlegung 102.342,00 € 40.937,00 € 6.823,00 € 65.499,00 € Die Belastungen vermindern sich insbesondere dadurch, dass Flächen jetzt uneingeschränkt genutzt werden können, die vor der Umverlegung zwischen den Leitungen lagen. Der Investor trägt üblicherweise in der Wartezeit Finanzierungs- und Projektkosten. Ihm wird mitgeteilt, dass sich nach der Leitungsumverlegung der Verkehrswert und damit der Kaufpreis des (weniger belasteten) Grundstücks wie folgt ändern wird: Bodenwert des Grundstücks ohne Berücksichtigung des Rechts 3.500 m² x 120 €/m² merkantiler Minderwert: 5 % geminderter Bodenwert Wertminderung durch die eingeschränkte Bebaubarkeit: 15 % Bodenwert des belasteten Grundstücks 420.000,00 € -21.000,00 € 399.000,00 € -59.850,00 € 339.150,00 € 340.000,00 € Für den Investor sind die Kostensteigerungen nicht hinnehmbar. Damit ist der Verkauf gescheitert. Das Grundstück bleibt wirtschaftlich interessant, weil es ein guter Einzelhandelsstandort ist. Es gibt neue Nachfragen. Die Klärung zu Umverlegung und Entschädigungszahlung ist dennoch bisher nicht möglich. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 23 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner 2 Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Überbau 2.1 Grundlagen für die Wertermittlung Der Eigentümer eines Grundstücks, welches zwar rechtswidrig, aber nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich überbaut worden ist, hat den Überbau zu dulden, sofern er dem nicht rechtzeitig widersprochen hat (§ 912 BGB). Der Überbau kann auch durch nachträgliches Teilen eines Gebäudes in zwei Grundstücke entstehen. Festgestellte Überbauungen sind aus den Katasterunterlagen ersichtlich (Vermessungsrisse). Wird ein Überbau festgestellt, ist der Eigentümer des überbauten Grundstücks durch eine Geldrente zu entschädigen oder er kann vom Verursacher des Überbaus den Abkauf der betroffenen Grundstücksfläche verlangen. Die Geldrente ist jährlich vorschüssig zu entrichten. Für die Höhe der Rente ist die Größe der durch den Überbau entstandenen Nachteile maßgeblich. Das Maß der Nutzungsverluste ist die angemessene Verzinsung der überbauten Grundstücksfläche (OLG Stuttgart vom 06.11.1975 – 15 U 121/75). Maßgebend ist i.d.R. der Bodenwert des benachbarten Grundstück. Das gilt auch, wenn Straßenland überbaut wurde (BGH, Urteil vom 26.11.1971 – V ZR 11/70). Auch die Wertminderung des Restgrundstücks ist bestimmend (BGH, Urteil vom 16.11.1990 – V ZR 297/89). 2.2 Beispielrechnungen der WertR 2006 Beispielrechnung Nr. 22, WertR 2006: Ermittlung der Überbaurente Beispielrechnung Nr. 23: Bodenwert des begünstigten Grundstücks Beispielrechnung Nr. 24: Bodenwert des belasteten Grundstücks Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 24 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Ausgangswerte Grundstücksgröße Überbauung Bodenwert zum Zeitpunkt des Überbaus im Jahre 1965 aktueller Bodenwert Liegenschaftszinssatz wahrscheinliche Lebensdauer des Gebäudes 450 m² 3,00 x 20,00 m 60 €/m² 200 €/m² 6,00% 100 Jahre Berechnung Jährlicher Nutzungsverlust der überbauten Grundstücksteilfläche Bodenwertverzinsungsbetrag 60 m² x 60 €/m² x 6 % jährliche Überbaurente Bodenwert des Grundstücks 450 m² x 200 €/m² Barwert der Überbaurente 216,00 € x 17,61 Bodenwert des begünstigten Grundstücks abgezinster Bodenwert des überbauten Grundstücksteils 60 m² x 200 €/m² x 0,0029 Barwert der Überbaurente 216,00 € x 17,61 Bodenwert des nicht überbauten Grundstücks (450 m² - 60 m²) x 200 €/m² Bodenwert des belasteten Grundstücks Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 216,00 € 216,00 € 90.000,00 € -3.803,76 € 86.196,24 € 86.000,00 € 34,80 € 3.803,76 € 78.000,00 € 81.838,56 € 82.000,00 € 08.06.2006 in Berlin Seite 25 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Kritik des Modells der WertR 2006: Der Liegenschaftszinssatz ist der angemessene Verzinsungssatz für bebaute Grundstücke. Das Gebäude gehört aber dem Geschädigten nicht. Es bleibt Bestandteil des Stammgrundstücks. Deshalb ist die Verzinsung mit dem Renditezinssatz für unbebaute Grundstücke, dem Erbbauzinssatz sachrichtig. Erbbauzinssätze sind in Berlin: Gewerbegrundstücke Mietwohngrundstücke Einfamilienhausgrundstücke produzierendes Gewerbe 65- 8% 6% 4,5 % 3% In der o.g. Beispielrechnung würde sich deshalb mit dem Erbbauzinssatz für Einfamilienhäuser eine Überbaurente in Höhe von 162,00 € ergeben. Der in der Beispielrechnung zugrunde gelegte Fall entspricht durchaus der Praxis. Es kann unter heutigen Verhältnissen nicht befriedigen, als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer Grundstücksfläche von 60 m² jährlich 216,00 € zu erhalten. Die geringe Höhe der Rente ist mit dem „Alter“ der Regelung zu begründen. Das BGB regelt den Überbau seit 1900 unverändert. Damit konnten die enormen Preissteigerungen in den 50er bis 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts (bzw. ab 1990) keinen Einfluss haben. Eine Anpassung der Überbaurente an die konjunkturelle Entwicklung erfolgt nicht. Im Übrigen unterscheidet sich diese Regelung beim „unechten“ Überbau, also wenn die Abstandsflächen in das Nachbargrundstück fallen. Dort wird die Höhe der Rente regelmäßig konjunkturell angepasst. Seit einigen Jahrzehnten besteht für alle neuen Gebäude eine Einmessungsverpflichtung. Man kann davon ausgehen, dass dadurch ein Überbau zeitnah festgestellt wird. Der Sachverständige sollte dem Auftraggeber in Kenntnis der Gesetzlichen Regelungen empfehlen, den Abkauf der überbauten Fläche nach § 915 BGB zu verlangen. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 26 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Hinweis: Insbesondere bei der Bewertung von Rechten und Belastungen ist es erforderlich, Zinseszins- und Rentenrechnung anzuwenden, die hier nicht behandelt wird. Man kann die Formeln direkt anwenden oder Nachschlagetabellen einsehen, hier aus: Sprengnetter, Hans Otto: Grundstücksbewertung Arbeitsmaterialien, Loseblattsammlung, WertermittlungsForum, Sinzig 2006 Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 27 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin 2.2 Veränderte Fallgestaltung zu den Beispielrechnungen Nr. 22 – 24, WertR 2006 Das in der WertR 2006 unterstellte Fallbeispiel kann nicht allgemein gültig angewandt werden. Hier soll der gleiche Fall in einem Gebiet der offenen Bauweise mit 18,00 m² breiten Grundstücken bewertet werden. Vorgegeben ist eine Abstandsfläche von 3,00 m zwischen Gebäudekante und Grundstücksgrenze. Bei einer Überbauung um 3,00 m muss zu dem vorhandenen Gebäude auf dem belasteten Grundstück ein Abstand von 6,00 m gehalten werden. Damit sind 9,00 m auf der rechten Grundstücksseite verbraucht. Links ist wiederum ein Abstand von 3,00 m einzuhalten. Damit ergibt sich eine mögliche Gebäudebreite von 6,00 m. Straße Es gibt sicher Architekten, für die ein solches Gebäude eine Herausforderung darstellt. Der übliche Bauherr wird es eher nicht erwerben. Damit ist das belastete Grundstück als Baugrundstück sehr schwer vermarktbar, also der Verkehrswert deutlich reduziert. Im Gegenzug stehen dem Eigentümer des begünstigten Grundstücks bei einer üblichen Gebäudebreite von 12,00 m auf seinem Grundstück weitere 6,00 m Baufläche zur Verfügung. Er kann einen Anbau, zwei Garagen oder eine Terrasse realisieren. Damit steht im ein deutlich höherer Grundstückswert zur Verfügung. Er gewinnt nicht nur 60 m² Bauland sondern 6,00 m der gesamten Grundstückstiefe (soweit die Bebauung baurechtlich zugelassen ist). Es ergibt sich eine Berechnung, die schematisch wie folgt dargestellt wird: Ausgangswerte Grundstücksgröße Grundstückstiefe bei 18,00 m -breite Überbauung Bodenwert zum Zeitpunkt des Überbaus im Jahre 1965 aktueller Bodenwert Liegenschaftszinssatz wahrscheinliche Lebensdauer des Gebäudes Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 450 m² 25 m 3,00 x 20,00 m 60 €/m² 200 €/m² 6,00% 100 Jahre 08.06.2006 in Berlin Seite 28 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Berechnung Jährlicher Nutzungsverlust der überbauten Grundstücksfläche Bodenwertverzinsungsbetrag 60 m² x 60 €/m² x 6 % jährliche Überbaurente Bodenwert des Grundstücks 450 m² x 200 €/m² Barwert der Überbaurente 216,00 € x 17,61 Wert der zusätzlich zur Verfügung stehenden Baufläche, 216,00 € 216,00 € 90.000,00 € -3.803,76 € vermindert um 20 %, weil die ortsübliche Bebauung schon realisiert ist 25,00 m x 6,00 m x 200 €/m² x 0,8 Bodenwert des begünstigten Grundstücks abgezinster Bodenwert des überbauten Grundstücksteils 60 m² x 200 €/m² x 0,0029 Barwert der Überbaurente 216,00 € x 17,61 Bodenwert des nicht überbauten Grundstücks abzüglich Wertminderung wegen Baueinschränkung um 40 % (450 m² - 60 m²) x 200 €/m² x 0,6 Bodenwert des belasteten Grundstücks 24.000,00 € 110.196,24 € 110.000,00 € 34,80 € 3.803,76 € 46.800,00 € 50.638,56 € 50.000,00 € Es ist in der Praxis sehr wohl möglich, dass das begünstigte Grundstück eine deutliche Werterhöhung erfährt, auch wenn man unterstellt dass bei einer gutgläubigen Überbauung immer der Baukörper errichtet wird, der dem (ursprünglichen) Grundstück angemessen ist. Im Gegenzug können sich deutliche Einschränkungen für das belastete Grundstück ergeben. Tatsächlich wird in der Mehrheit der Fälle nur um wenige Zentimeter überbaut, so dass die Überbaurente in Cent zu bemessen ist. Ein entsprechendes Gutachten ist für den Sachverständigen nicht wirtschaftlich und guter Anlass beim Auftraggeber auf gütige Einigung hinzuwirken. Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 29 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin 2.3 Stützmauer auf dem Nachbargrundstück Im folgenden Beispiel besteht eine Altbebauung seit mehr als 100 Jahren. Die Gebäude stehen wegen der Hanglage etwa 2,00 m höher als die Straße. Die Straße hat sich zwischenzeitlich zu einer Geschäftslage entwickelt. Unter der Annahme das sein Gebäude auf der Grundstücksgrenze steht, hat ein Gewerbetreibender in Verlängerung der Hauskante eine Stützmauer errichtet, um Stellplätze anzulegen. Die Stützmauer steht 0,30 m auf dem Nachbargrundstück. Straße Ausgangswerte Grundstücksgröße in Anspruch genommene Fläche Bodenwert Liegenschaftszinssatz wahrscheinliche Lebensdauer des Mauer 450 m² 0,30 x 10,00 m 200 €/m² 6,00% 60 Jahre Berechnen Sie die Überbaurente! Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 30 von 31 Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19, 13403 Berlin Literatur: [1] Wertermittlungsrichtlinien 2006, WertR 2006, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung [2] Sprengnetter, Hans Otto u.a.: Grundstücksbewertung - Lehrbuch, Loseblattsammlung, WertermittlungsForum, Sinzig 2004 [3] Kleiber, Simon, Weyers: Verkehrswertermittlung von Grundstücken, Bundesanzeigerverlag 2002 [4] Schmidt-Räntsch, Jürgen: Die BGH-Rechtsprechung zu Leitungsrechten und – kosten, Zeitschrift für Vermögens- und Immobilienrecht, 11/2004, S. 473 – 504 [5] Zimmermann, Angela; Noack, Jürgen: Wertermittlung von Leitungsrechten auf der Grundlage des Grundbuchbereinigungsgesetzes (GBBerG) und der Sachenrechts-Durchführungsverordnung (SachenR-DV), GuG 03/05, S. 129-135 [6] Niegel, Volker, Entschädigung von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten nah dem Grundbuchbereinigungsgesetz § 9 Abs. 2, Wertermittlungsforum Aktuell, Heft 3/2004, S. 118-120 [7] Strotkamp, Hans-Peter; Niegel, Volker: Der Ausgleichsbetrag nach § 9 Grundbuchbereinigungsgesetz – Zur Frage des Wertermittlungsstichtages, Wertermittlungsforum Aktuell, Heft 2/2005, S. 1-4 [8] Strotkamp, Hans-Peter: „Zins- und Rentenrechnung; Berücksichtigung von häufig vorkommenden Rechten bei der Verkehrswertermittlung“, Seminarunterlagen zur Studienreihe zum "geprüften Sachverständigen (WF) für Immobilienbewertung" , Wertermittlungsforum Akademie [9] Strotkamp, Hans-Peter: „Spezielle Rechte und Belastungen“, Seminarunterlagen zum Zertifizierungsstudium, Wertermittlungsforum Akademie Anlage: BGH-Urteil vom 28.11.2003 (V ZR 129/03 – OLG Brandenburg, LG Neuruppin) Dipl.-Ing. Irene Lindner Von-der-Gablentz-Straße 19 13403 Berlin Telefon: 030 31561987 Fax: 030 31561989 buero@irene-lindner.de www.immobilienwert-lindner.de Vhw-Seminar WertR-2006 – Teil 2 Bewertung von Wegerechten, Leitungsrechten und Überbau 08.06.2006 in Berlin Seite 31 von 31