flugunfallkommission gutachten und vorschläge
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flugunfallkommission gutachten und vorschläge
FLUGUNFALLKOMMISSION B ü r o : Radetzkystraße 2 1031 W I E N Telefax: 713 03 26 Tel.: 71162 Kl. 9204, 9208 Wien, am 3. November 1993 Pr.Zl. 74.321/14-FUK/93 GUTACHTEN UND VORSCHLÄGE betreffend den Flugunfall mit dem Motorflugzeug Type Cessna F150L, Kennzeichen OE-XXX, am 1. April 1991 um ca. 10:30 Uhr UTC*) auf dem Teischnitzkees (Großglockner), Tirol. Zusammensetzung der Flugunfallkommission (bestellt mit Bescheid des Bundesministeriums für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 23. April 1991, Pr.Zl. 74.321/5-FUK/91): Dr. Rolf NEIDHART Vorsitzender Erich TUSCHER Sachverständiger für Flugbetrieb Der Flugunfall wurde im vereinfachten Verfahren untersucht. ───────────────────────────────────────────────────────────── *) Alle in diesem Bericht angeführten Zeiten entsprechen Universal Coordinated Time = Lokalzeit minus 2 Stunden (auf Lokalzeiten wurde entsprechend hingewiesen). - 2 INHALTSÜBERSICHT Seite ALLGEMEINES ........................................ 3 1.UNTERSUCHUNG ..................................... 4 1.1Flugverlauf ..................................... 1.1.1Flugvorbereitung .............................. 1.2Verletzung von Personen ......................... 1.3Beschädigung des Luftfahrzeuges ................. 1.4Andere Beschädigungen ........................... 1.5Besatzung ....................................... 1.5.1Verantwortlicher Pilot ........................ 1.5.2Passagier ..................................... 1.6Luftfahrzeug .................................... 1.7Flugwetter ...................................... 1.8Navigationsanlagen .............................. 1.9Funksprechverkehr ............................... 1.10Flugplatz- und Bodeneinrichtungen .............. 1.11Flugschreiber .................................. 1.12Prüfung des Bruches ............................ 1.12.1Lage des Bruches ............................. 1.12.2Zustand des Bruches .......................... 1.13Angaben über Feuerausbruch ..................... 1.14Andere Angaben ................................. 1.14.1Gerichtsmedizinische Untersuchungen .......... 1.14.2Ausbildung und Flugtraining des Piloten ...... 1.14.3Normale Betriebsverfahren .................... 1.14.4Gewicht und Schwerpunktlage .................. 1.15Technische Untersuchung ........................ 1.16Sonstiges ...................................... 1.16.1Überlebensaspekte ............................ 1.16.2Such- und Rettungsdienst (SAR) ............... 1.16.3Notsender (ELT) .............................. 4 8 9 9 9 9 9 10 10 11 12 12 13 13 13 13 13 14 14 14 14 15 16 16 17 17 18 19 2.BEURTEILUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN ............... 20 2.1Beurteilung ..................................... 2.2Schlußfolgerungen ............................... 2.2.1Unfallart ..................................... 2.2.2Wahrscheinliche Unfallursachen ................ 20 21 21 22 3.VORSCHLÄGE ....................................... 22 3.1Sofortmaßnahmen ................................. 22 3.2Vorschläge der Flugunfallkommission ............. 22 ANHÄNGE ............................................ 26 - 2 A L L G E M E I N E S Luftfahrzeug Motorflugzeug Type Cessna F150L, Kennzeichen OE-XXX Triebwerk Kolbenmotor Rolls-Royce O-200-A Eigentümer und Halter Luftfahrtunternehmen Besatzung Pilot männlich, 51 Jahre, tot Passagiere Männlich, 50 Jahre, schwer verletzt Unfallort Teischnitzkees, am Fuße des Stüdlgrates, Großglocknermassiv, Bezirk Lienz/Osttirol, ca. 3350 m MSL. Datum und Zeitpunkt des Unfalles 1. April 1991, ca. 10:30 Uhr Art des Fluges Privatflug (VFR) Phase des Fluges Reiseflug Datum und Zeitpunkt der Verständigung des Bereitschaftsdienstes 1. April 1991, 15:12 Uhr Datum und Zeitpunkt des Eintreffens der Flugunfallkommission am Unfallort 2. April 1991, 10:20 Uhr - 2 Teilnehmer an der Untersuchung Flugunfallkommissionsmitglieder: Erich TUSCHER Sonstige: Beamte des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Kriminalabteilung, und des Gendarmeriepostens Huben Kurze Darstellung des Flugunfalles Das Luftfahrzeug näherte sich dem Gipfel des Großglockners auf der Leeseite. Es geriet in eine unkontrollierte Fluglage und stürzte links-trudelnd ab. Der Pilot wurde getötet, sein Passagier wurde schwer verletzt; das Luftfahrzeug wurde zerstört. 1. U N T E R S U C H U N G 1.1FLUGVERLAUF Der Flugverlauf einschließlich des Unfallherganges wurde aufgrund der Aussagen des Fluggastes und der Augenzeugen in Verbindung mit den Erhebungen der Flugunfallkommission am Unfallort wie folgt rekonstruiert: Der Abflug des Motorflugzeuges Type Cessna F150L, Kennzeichen OE-XXX, erfolgte um 08:19 Uhr auf Piste 31 des Flugfeldes Vöslau. Der verantwortliche Pilot saß auf dem linken Sitz. Auf dem rechten Sitz saß ein Fluggast. Der Flug führte zunächst in annähernd westlicher Richtung nach Mariazell, von dort des Wetters wegen weiter nach Süden und entlang der "Gastarbeiterroute" (Liesing- und Paltental) weiter bis zum Dachstein, dessen obere Regionen in Wolken waren. Hier meinte der Pilot, daß sie nun entweder umkehren oder vor dem Rückflug zwecks Betankung zwischenlanden müßten, wobei hiefür das Flugfeld St. Johann/Tirol ins Auge gefaßt wurde. - 2 Aufgrund der gebesserten Sichtverhältnisse (man konnte bereits bis zum Großglocknergebiet sehen) entschlossen sie sich zum Weiterflug. Der Flug führte sodann südlich des Ankogel über Mallnitz zum Großglockner. Zeugenaussagen (auszugsweise): Fluggast: "[...] Wegen des Wetters hatten wir vor dem Unfallflug kein festes Ziel vereinbart. Wir wollten uns vielmehr nach den örtlichen Gegebenheiten richten. Vor allen Dingen habe ich in keiner Phase versucht, auf den Pi-loten hinsichtlich der Flugroute irgendwie Einfluß zu nehmen. Als Photoamateur und Bergfreund wollte ich ein paar Erinnerungsbilder machen, doch wäre mir als Objekt jedes Ziel recht gewesen. [...] Der Glockner war von allen Seiten frei. Ich erinnere mich auch nicht, daß starke Turbulenzen geherrscht hätten. Im Anflug sah ich den Großglocknergipfel zunächst von vorne, dann rechts von mir. Eine Umrundung hat nicht stattgefunden. Ich erinnere mich nur noch, daß beim Absturz sich alles um mich zu drehen anfing. [...] Wir hatten beide nur Beckengurten angelegt. Schultergurte waren meines Wissens nach gar nicht vorhanden. [...]" Zeuge A: "[...] Um ca. 11:00 Uhr [Anm.: Lokalzeit] stiegen wir über das sogenannte "Leitl" auf in Richtung Kleiner Glockner. Bereits am Beginn des Aufstieges war der Großglockner vollkommen vom Nebel frei. Die Sicht war hervorragend. Der Wind blies noch immer sehr stark und kam, wie bereits angeführt, aus Nord-Ost. Kurz bevor wir den Gipfel des Kleinglockners erreichten, begegneten uns zwei Tourengeher, die vom Gipfel talwärts gingen. [...] plötzlich sagte der eine Tourengeher schaut's, der stürzt jetzt ab!" Dadurch aufmerksam gemacht, blickten wir auf und ich sah westlich von meinem Standort ein - 2 kleines Flugzeug, das senkrecht zum Teischnitzkees "abtrudelte". Das meine ich so, daß das Flugzeug mit dem Propeller nach unten und sich um die Achse (Längsachse) drehend (spiralförmig) dem Teischnitzkees zuflog. Das ganze dauerte höchstens 10 Sekunden, dann verschwand das Flugzeug hinter dem Stüdlgrat. [...] Dies dürfte um 12:30 Uhr [Anm.: 10:30 Uhr UTC] gewesen sein. Dies deshalb, da wir den Gipfel des Großglockners um 13:00 Uhr erreicht hatten. Die Wegdauer vom Standpunkt der Beobachtung bis zum Gipfel beträgt ca. 30 Minuten. [...] Ich habe von meinem Standort praktisch gerade hinüber (Richtung Westen) geschaut. Ich schätze, daß das Flugzeug eine Höhe von 3600 m hatte, als wir es erstmals wahrnahmen. [...] Ich schätze die Windgeschwindigkeit mit über 60 km/h. Der Wind blies gleichmäßig." Zeuge B: "[...] Ich habe dabei die Normalroute über die Adlersruhe benützt. Gegen 12:10 und 12:15 Uhr [Anm.: Lokalzeit] war ich im Bereich des Kleinglockners im Aufstieg. Dabei habe ich beobachtet, wie über das Teischnitztal, also aus Richtung Süden, in Gipfelhöhe des Großglockners ein Sportflugzeug dem Glocknergipfel zuflog. [...] Ich habe das Flugzeug nur von vorne gesehen. Als das Flugzeug dem Gipfel zuflog, war es in einem stabilen Flug. Plötzlich begann das Flugzeug zu schwanken, stellte sich auf den Kopf und flog fast senkrecht in Spiralenform in Richtung Teischnitzkees. Es war wie ein Sturzflug. Zu diesem Zeitpunkt herrschte im Gipfelbereich ein sehr heftiger Wind aus Richtung Nord. [...] Das Flugzeug flog im Sturzflug und nach zwei Spiralbewegungen ist es aus meiner Sicht hinter dem Stüdlgrat verschwunden. [...] Der Wind war im Gipfelbereich heftig und böig." - 2 Zeuge C: "[...] gingen wir über das Ködnitzkees zur Burgwartscharte. Bei der Rast bemerkten wir ein Sportflugzeug im Bereich des Glocknergipfels. Zum angeführten Zeitpunkt herrschte ein kräftiger Nordostwind, wie an der Wolkenbewegung im Bereich des Glocknergrates zu erkennen war. [...] Um etwa 12:30 Uhr [Anm.: Lokalzeit] bewegte sich das genannte Sportflugzeug in ca. 3600 m Seehöhe im Bereich der Adlersruhe von Osten in Richtung Westen, um scheinbar den Glocknergipfel im Südwesten zu umfliegen. Das Flugzeug flog langsam, jedoch ohne bemerkbare Motoraussetzer. Wenige Augenblicke später sahen wir es in trudelnder Spiralbewegung bei sehr raschem Höhenverlust hinter dem Stüdlgrat verschwinden." Gendarmeriebeamter der Flugeinsatzstelle Lienz (Hubschrauberpilot) während eines Erkundungsfluges im Bereich des Großglockners: "[...] Im Raum Huben nahm ich auf der Notfrequenz plötzlich Signale wahr. [...] Aufgrund der Wetterlage war mir klar, daß es sich nur um einen Flugnotfall im Leebereich (Abwindfeld) des Glockners handeln konnte. Ich flog sofort in diese Richtung und im Bereich der Stüdlhütte konnten wir das Wrack eines Flugzeuges auf dem Teischnitzkees (am Fuße des Großglockners) ausmachen. Ich drehte sofort ab und flog zum Flugplatz zurück, wo ich Flugretter und Arzt aufnahm. In der Zeit zwischen 16:02 und 16:35 Uhr [Anm.: Lokalzeit] wurde die Bergung durchgeführt. [...] Zum Zeitpunkt der Auffindung und Bergung herrschte starker Nordwind und im Unfallbereich Leewirkung mit guter Sicht." Der Pilot erlag seinen schweren Verletzungen; der Fluggast überlebte schwer verletzt. Am Luftfahrzeug entstand Totalschaden. - 2 1.1.1Flugvorbereitung Vor dem Abflug lagen auf dem Flugfeld Vöslau die Flugwetterübersichten von 05:00 Uhr, die Wetterbeobachtungsmeldungen der österreichischen Flugplätze und der Beobachtungsstellen (insbesondere Sonnblick) von 08:00 Uhr nebst Wetterkarten zur Einsichtnahme auf. Da es jedem Piloten selbst überlassen bleibt, sich entsprechend zu informieren, war nicht mehr eruierbar, ob der Pilot in die erwähnten Unterlagen Einblick genommen hatte. Weiters haben die Piloten die Möglichkeit, mittels telefonischer Direktleitung mit dem Flugwetterdienst auf dem Flughafen Wien-Schwechat in Verbindung zu treten. Von dieser Möglichkeit wurde kein Gebrauch gemacht. Vom Piloten wurden eine ICAO-Karte und eine Österreich-Karte 1:500.000 nebst Kursdreieck und Flugplatzkarten mitgeführt. Im vorhandenen Kartenmaterial waren keine Eintragungen (Kurslinien) über eine beabsichtigte Streckenführung zu finden. Ebensowenig fanden sich Unterlagen über eine Berechnung von Flugzeiten, Kraftstoffverbrauch, etc. (Flugdurchführungsplan). Das Luftfahrzeug OE-XXX war vor dem Abflug auf dem Flugfeld Vöslau mit 66 l Flugbenzin AVGAS 100 betankt worden. Laut Auskunft des Tankwartes waren beide Tanks voll. Der mitgeführte Kraftstoffvorrat betrug demnach 98 l (85 l ausfliegbar) und hätte im Normalbetrieb für eine Flugzeit von rund vier Stunden gereicht. Der Flug wurde als nicht-kontrollierter Flug durchgeführt. Gemäß § 25 leg.cit. stand es dem Piloten frei, hiefür einen Flugplan abzugeben; es wurde kein Flugplan abgegeben. - 2 Anläßlich der luftfahrtbehördlichen Abfertigung gab der verantwortliche Pilot kein bestimmtes Flugziel an, sondern erwähnte nur, daß er "in Richtung Niederöblarn" fliegen wolle. 1.2VERLETZUNG VON PERSONEN Art der Verletzung tödlich schwer verletzt Besatzung 1 - Passagiere 1 Dritte - 1.3BESCHÄDIGUNG DES LUFTFAHRZEUGES Am Luftfahrzeug entstand Totalschaden. 1.4ANDERE BESCHÄDIGUNGEN Keine. 1.5BESATZUNG 1.5.1Verantwortlicher Pilot Männlich, Jahrgang 1939, österreichischer Staatsbürger; Inhaber des Privatpilotenscheines Nr. XXXX, ausgestellt am 11. Juli 1972 vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZ), gültig bis 11. Juli 1991. Berechtigung: Gewichtsklasse A (einmotorige Landflugzeuge mit einem Gewicht bis 2000 kg) Besondere Berechtigungen: Beschränkte Sprechfunkber. Sonstiges: Fliegen ohne Tragen einer Korrektionsbrille verboten Flugerfahrung (lt. Flugbuch Nr. 1): Die erste Eintragung erfolgte am 18. Juli 1971, die letzte (Flug Nr. 430) am 13. Oktober 1990. Gesamt: 277:52 Stunden, 430 Starts davon als verantwortlicher Pilot: 176:19 Stunden, 213 Starts in den letzten drei Monaten: - - 2 Auf dem Unfallmuster (Cessna 150/152): Gesamt: 186:14 Stunden, 313 Starts davon als verantwortlicher Pilot: 137:58 Stunden, 185 Starts in den letzten drei Monaten: 1.5.2Passagier Der Passagier war nicht Inhaber eines Zivilluftfahrerscheines. 1.6LUFTFAHRZEUG Motorflugzeug Type Cessna F150L, Kennzeichen OE-XXX Hersteller: Reims Aviation, Reims/Frankreich Werknummer / Baujahr: 0938 / 1973 Gesamtflugzeit (Stand: 25. März 1991): 5152:17 Stunden (9355 Starts) bzw. 149:54 Stunden (489 Starts) seit letzter 1000-Stunden-Kontrolle. Wartungsarbeiten/Kontrollen: Letzte Kontrolle (50-Stunden) am 7. März 1991 bei 5148:09 Stunden (9336 Starts); nächste Kontrolle bei 5199:00 Stunden fällig. Triebwerk: Kolbenmotor Rolls-Royce O-200-A Werknummer / Baujahr: 20 R 772 / 1966 Gesamtbetriebsstunden (Stand: 25. März 1991): 6913:57 Stunden bzw. 1495:06 Stunden seit letzter Grundüberholung. Wartungsarbeiten/Kontrollen: Letzte Kontrolle (50-Stunden) am 7. März 1991 bei 6909:49 Stunden. Luftschraube: 2-Blatt-Propeller McCauley 1A101/HCM6948 Werknummer / Baujahr: G10357 / unbekannt Bordpapiere, Ordnungszahl 1770, ausgestellt vom BAZ: -Eintragungsschein Nr. 6 vom 27. Juli 1989 -Luftfahrzeug-Zulassungsschein vom 5. Juni 1973 -Lufttüchtigkeitszeugnis vom 26. Juni 1984 - 2 Verwendungsart: Zivilluftfahrerausbildung Einsatz-/Navigationsarten: Personenbeförderung, Grundschulungsflüge, Sichtflüge bei Tag, Flüge mit Luftfunkstelle, Nachtsicht-Platzflüge Letzte Feststellung der Lufttüchtigkeit am 8. März 1990 bei 4897:39 Stunden Gesamtflugzeit (8499 Starts); der Weiterbestand der Lufttüchtigkeit ist bei Nachprüfungen gemäß § 40 ZLLV 1983 festzustellen (spätestens am 8. März 1992). -Lärmzulässigkeitsbescheinigung vom 26. Juni 1984 -Berichtigung des Wiege- und Beladeplanes vom 29. Jänner 1979 Nachweis der Haftpflichtversicherung: Wiener Städtische, Pol.Nr.: 58-H956.053-J, zum Unfallzeitpunkt bestand Versicherungsschutz. Bewilligung für eine Luftfahrzeugfunkstelle, Zl. 61.97013/1973, ausgestellt am 14. Juni 1973 von der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, unbefristet gültig in Verbindung mit dem Bescheid vom 6. August 1973, Zl. 91.384-13/1973 (2. Abänderung). 1.7FLUGWETTER Bericht über die Wetterlage vom 1. April 1991 am Großglockner, herausgegeben von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (Auszug): Am 1. April 1991 herrschte im Gebiet der Hohen Tauern eine Tiefdruckrandlage. Die Reste einer abgeschwächten Kaltfront machten sich im Osten Österreichs noch durch stärkere Bewölkung bemerkbar. In den Hohen Tauern war es zumeist aufgelockert bewölkt, nur die höheren Gipfel waren in Wolken eingehüllt. In der Zeit zwischen 12 und 13 Uhr [Anm.: Lokalzeit] herrschte am nahegelegenen Sonnblickgipfel (3100 m) Nebel, der Rauhfrost absetzte; die Hauptwindrichtung war Nordost, die Windgeschwindigkeit lag bei 20 km/h, Böen von über 60 km/h traten nicht auf. Die Lufttemperatur lag in der Höhe von 3300 m bei -11°C, in 4000 m bei -16°C. [...] in den wolkenfreien Gebieten - 2 lag die Sichtweite bei über 70 km; innerhalb der Wolken, die häufig Berggipfel umgaben, lag die Sichtweite bei 40 m. Ob das Gebiet des Teischnitzkees des Großglockners in Wolken eingehüllt war, ist zwar unter den gegebenen Wetterbedingungen als möglich anzusehen, jedoch aufgrund fehlender örtlicher Informationen nicht mit Sicherheit feststellbar. In der Zeit von 12 bis 13 Uhr traten keine Niederschläge auf. Vor dem Abflug standen u.a. folgende Wetterinformationen zur Verfügung: FLUGWETTERÜBERSICHT VFR BIS FL 150, ÖSTERREICH MITTE 0600/1200 UTC (AUSGABE 1. APRIL 1991, 05:00 UHR): SCHWACHER HOCHDRUCKEINFLUß 5000 FT MSL 300-330/10-15 KT 10000 FT MSL 360-030/15-25 KT 15000 FT MSL 360-020/20-30 KT WOLKEN/SICHT/WETTER: IM W SCT, IM E ANFANGS BKN, SPÄTER SCT/BKN SC 5000-7000 FT MSL. BKN, IM W SCT AC 10000-12000 FT MSL. MORGENS VEREINZELT ST-FELDER IN BODENNÄHE/SICHT 10-20 KM, ANFANGS VERBREITET, SPÄTER LOC IN DUNST 3-6 KM. VEREINZELT IN MORGENNEBEL 500-1000 M. NULLGRADGRENZE: 3500-4000 FT MSL, ANSTEIGEND. BESONDERE VERMERKE: KEINE. ANGABEN FÜR SEGELFLIEGER: WEGEN ABSCHIRMUNG KAUM NUTZBARE THERMIK. VORHERSAGE BIS ECET (LOWS 1809 UTC, LOWL 1804 UTC): KEINE ÄNDERUNG. GAFOR 13DDO 14MDD 17XMD 18MDD 21 22DDO 56 60DOO 65DDO 70 71MDD Aktuelle Wettermeldungen: 0800 Uhr LOIJ 00000KT 18 KM 4SC060 5AC120 04/02 1020 BKN LOWS VRB03KT 9999 1CU040 3AC100 08/01 1019 NOSIG LOWZ 00000KT 20 KM 7AC100 03/MOO 1018 BKN Sonnblick 0800 Uhr 11146 03014/30KT 0100 48FZFG 7ST/// M11/M12 DRSN BKN 1.8NAVIGATIONSANLAGEN Nicht betroffen. - 2 1.9FUNKSPRECHVERKEHR Es fand kein auf den Unfall bezughabender Sprechfunkverkehr zwischen OE-XXX und einer anderen Luftfahrzeug- oder Bodenfunkstelle statt. 1.10FLUGPLATZ- UND BODENEINRICHTUNGEN Nicht betroffen. 1.11FLUGSCHREIBER Nicht eingebaut; nicht vorgeschrieben. 1.12PRÜFUNG DES BRUCHES 1.12.1 Lage des Bruches Die Unfallstelle befand sich südlich des Großglockners auf dem Teischnitzkees, am Fuße des Stüdlgrates in einer Höhe von ca. 3350 m MSL. Der Gletscher fällt nach Südwesten mit ca. 25° ab. Das Luftfahrzeug befand sich in Normallage. Die Rumpflängsachse (Propellerachse) wies in Richtung 160°; die Querachse verlief etwa in der Fallinie des Hanges (rechte Tragfläche hangabwärts). Die Rumpfspitze hatte sich bis zur Motorverkleidung im Schnee eingegraben. 1.12.2Zustand des Bruches Die linke Tragfläche war im äußeren Drittel nach oben abgeknickt. In ihrer Gesamtheit war sie von unten her gestaucht. Die Beplankung war an einigen Stellen aufgeplatzt.Die rechte Tragfläche war nahezu unbeschädigt. Der Heckausleger (Rumpf) war im Bereich des Heckfensters abgerissen und nach unten bzw. ca. 20° nach rechts in Flugrichtung gesehen abgeknickt. Die beiden Rumpfteile waren noch über den Rumpfboden miteinander verbunden. Das Leitwerk wies lediglich an der rechten Dämpfungsfläche beim Rumpfanschluß eine Delle auf. Andere Beschädigungen waren nicht erkennbar. Die Motorverkleidung war von unten her stark deformiert. Das Bugrad war nach hinten weggebrochen, Bugradsteuerung und Flatterdämpfer waren abgerissen. - 2 Der Propellerspinner war leicht eingedrückt. Die Luftschraube wies keine sichtbaren Verformungen auf. Front- und Heckscheibe waren zertrümmert. Instrumentenanzeigen, Schalter- und Hebelstellungen: Fahrtmesser: Äußerlich unbeschädigt, Anzeige Null Höhenmesser: 11100 ft, 1020 HPa Variometer: Äußerlich unbeschädigt, Anzeige Null Drehzahlmesser: Äußerlich unbeschädigt, Anzeige Null, Betriebsstundenzähler 5303:21 Stunden Die Anzeigen von Öldruck, Öltemperatur, Kraftstoffvorrat und Amperemeter waren entweder auf Null oder in Bezug auf den Unfall in nichtssagenden Stellungen. Magnetkompaß: Gemischregler: Gashebel: Vergaservorwärmung: Einspritzpumpe: Sprechfunkgerät: VOR-Empfänger: 160° Ca. 1/3 gezogen Vollgas AUS (gedrückt) Verriegelt 127,70 MHz, AUS 110,05 MHz, EIN 1.13ANGABEN ÜBER FEUERAUSBRUCH Es brach kein Brand aus. 1.14ANDERE ANGABEN 1.14.1Gerichtsmedizinische Untersuchungen Bei der von Prof. Dr. HENN, Vorstand des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck, durchgeführten Untersuchung des Piloten wurde als Todesursache Erstickung bei Einatmung von Blut aus dem NasenRachenraum und Bruch des Schädeldaches und der Schädelbasis mit Gehirnverletzungen festgestellt. Hinweise, daß der Absturz auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Piloten zurückzuführen sei, konnten nicht festgestellt werden. Die Blutalkoholbestimmung erbrachte beim Piloten 0,0 Promille. Die Untersuchung auf Kohlenmonoxid verlief negativ. - 2 1.14.2Ausbildung und Flugtraining des Piloten Der Pilot hatte seine Ausbildung im Juli 1971 begonnen. Die Privatpilotenprüfung legte er im Dezember des gleichen Jahres ab. Seine Ausbildung beendete er im Juli 1972 mit dem Navigations-Dreieckflug. Danach hatte er eine Flugerfahrung von 33:15 Stunden bzw. 257 Flügen. Bei seinen gewissenhaft durchgeführten Flugbucheintragungen fällt auf, daß keine Gefahreneinweisung aufscheint. In der Folgezeit hatte der Pilot immer wieder längere Trainingspausen (6-12 Monate). Er bevorzugte längere Flüge mit relativ wenig Landungen (2-14 Flüge pro Jahr). In den letzten Jahren wurden die Flüge fast ausschließlich vom Flugplatz Vöslau aus ohne Zwischenlandung auf anderen Flugplätzen durchgeführt. Der Pilot hatte sein Flugtraining im wesentlichen auf die Mindesterfordernisse der Zivilluftfahrt-Personalverordnung, BGBl.Nr. 219/1958, für die Verlängerung der Grundberechtigung für Privatpiloten ausgerichtet (25 Stunden innerhalb der letzten 24 Monate, davon mindestens 10 Stunden bzw. 12 Landungen in den letzten 12 Monaten). 1.14.3Normale Betriebsverfahren Auszug aus dem Flughandbuch "Reims/Cessna F150L", Ausgabe 1, Seite 4-14 ÜBERZIEHEN Die Überzieheigenschaften sind sowohl bei eingefahrenen als auch bei ausgefahrenen Klappen konventionell. [...] Das Überziehwarnhorn gibt ein ständiges Signal, das bei einer Geschwindigkeit von 5-10 MPH vor dem tatsächlichen Überziehen einsetzt und weiter ertönt, bis die Fluglage des Flugzeuges geändert ist. - 2 TRUDELN Trudeln ist bei diesem Flugzeug zugelassen. Für das Beenden und Abfangen eines unbeabsichtigten oder beabsichtigten Trudelns ist folgendes Verfahren anzuwenden: 1)Gasbedienknopf in Leerlaufstellung zurückziehen. 2)Seitenruder entgegengesetzt zur Drehrichtung voll ausschlagen. 3)Nach einer Vierteldrehung das Handrad mit einer raschen Bewegung über die Neutralstellung hinaus vorschieben. 4)Sobald die Drehung aufhört, das Seitenruder in die Neutralstellung bringen und das Flugzeug weich aus dem resultierenden Sturzflug abfangen. Bei länger anhaltendem Trudeln kann es vorkommen, daß das Triebwerk stehenbleibt; auf das Beenden des Trudelns hat dies jedoch keinen nachteiligen Einfluß. [...] 1.14.4Gewicht und Schwerpunktlage ┌─────────────┬─────────────┬────────────┐ │Masse [kg] │Hebelarm [m] │Moment [mkg]│ ┌────────────┼─────────────┼─────────────┼────────────┤ │Leermasse* │ 490,0 │ 0,835 │ 408,5 │ │Öl │ 5,0 │ │ 1,0 │ │Kraftstoff │ 36,0 │ 1,060 │ 38,2 │ │Insassen │ 160,0 │ 0,990 │ 158,4 │ ├────────────┼─────────────┼─────────────┼────────────┤ │Gesamt │ 691,0 │ 0,870 │ 604,1 │ └────────────┴─────────────┴─────────────┴────────────┘ * Angaben laut BERICHTIGUNG DES WIEGE- UND BELADEPLANES (Stand 29. Jänner 1979) Laut Flughandbuch beträgt das höchstzulässige Start- und Landegewicht 726 kg. Der zulässige Schwerpunktbereich liegt bei einem tatsächlichen Fluggewicht von 691 kg zwischen 0,83 und 0,95 m (interpoliert). - 2 1.15TECHNISCHE UNTERSUCHUNG Alle Steuerelemente zu den Querrudern und zum Leitwerk waren kraftschlüssig und - soweit sie nicht durch unfallbedingte Verformungen blockiert wurden - gängig. Kraftstoff (ca. 50 l) und Motoröl waren ausreichend vorhanden. Infolge der Querneigung war der linke Tank nahezu leer, der rechte voll. Beim Öffnen des rechten Tankdeckels trat Kraftstoff aus. Aus dem Vergasergehäuse (Vergaser abgerissen) trat ebenfalls Kraftstoff aus. Die Zündkerzen zeigten ein normales Kerzenbild und wiesen keine Verbrennungsrückstände auf. Die Kurbelwelle war drehbar. 1.16SONSTIGES 1.16.1Überlebensaspekte Notarzt der Flugeinsatzstelle Lienz: "[...] Ich habe einen Teil der Frontscheibe weggenommen und beim weiteren Hineinbeugen gesehen, daß über dem Oberschenkel des [Anm.: rechts] sitzenden Mannes eine weitere Person lag, die mit dem Oberkörper und Kopf bis unter das Armaturenbrett vorgebeugt war. Ich glaube, daß der Mann noch auf dem linken Sitz gesessen ist und die Füße nach vorne in den Fußraum zu den Pedalen gehalten hat. Der Art nach, wie der Mann gesessen ist, glaube ich, daß er mit dem Bauchgurt angegurtet war. [...]" Das Luftfahrzeug war mit Becken- und einteiligen Schultergurten ausgerüstet. Die Insassen hatten jedoch nur die Beckengurte angelegt. Der Aufschlag erfolgte gegen die Hangneigung und war dementsprechend heftig, wenngleich der tiefe Schnee dämpfend wirkte. Die schweren Kopfverletzungen, die der Pilot erlitt, wären möglicherweise vermeidbar gewesen, wenn er den Schultergurt angelegt hätte. - 2 1.16.2Such- und Rettungsdienst (SAR) Auszug aus der Abteilungsanweisung Nr. 21 für das BAZ als Such- und Rettungszentrale, Abschnitt SAR XI, betreffend Ausstrahlung von ELT (Emergency Locator Transmitter), Stand 25. Jänner 1988: "Erfolgt die Meldung über den Empfang einer ELT-Ausstrahlung, so ist nach Möglichkeit folgendes festzuhalten bzw. zu veranlassen: 1.Wo, bzw. auf welcher Strecke wird die ELT-Ausstrahlung empfangen? 2.Konnte von einer Flugsicherungsstelle ein Peilwert ermittelt werden? 3.Die Einsatzleiter/Betriebsleiter auf den in Frage kommenden Flugplätzen sind zu ersuchen, zu überprüfen, ob ein Empfang vorhanden ist. Bestätigt ein Einsatzleiter/Betriebsleiter, ist zu ersuchen, das Nötige zu veranlassen, damit der ausstrahlende ELT so bald als möglich ausgeforscht werden kann. [...] 4.Die Funkleitstellen der ÖPT [Österreichische Post- und Telegraphenverwaltung] sind zu verständigen und um Ausforschung zu ersuchen. [...] 5.Bei Bedarf sind über die Flugsicherungsstellen an- und abfliegende Luftfahrzeuge zu ersuchen, die Ausstrahlung zu überprüfen. 6.Konnte der ausstrahlende ELT nicht ausgeforscht werden, so sind im Einvernehmen mit dem Leiter der Abt. 7 bzw. dessen Stellvertreter die Luftfahrzeuge OE-BAX oder OE-BAY bereitzustellen und entsprechende Besatzungen zu mobilisieren. Der Start des Suchflugzeuges sollte sobald als möglich erfolgen. [...] ELT-Peilung durch Satelliten [SARSAT/COSPAS] Bei Empfang einer ELT-Aussendung ist das French-MissionControl-Center in Toulouse um Zusammenarbeit bei der Auffindung eines mit einem ELT ausgerüsteten Luftfahrzeuges zu ersuchen. [...]" Durchführung der Such- und Rettungsmaßnahmen: Der Absturz wurde gegen 10:30 Uhr von mehreren Alpinisten beobachtet, die sich östlich des Stüdlgrates aufhielten (Unfallstelle westlich des Grates). Aufgrund ihres Standortes war es ihnen nicht möglich, den Aufschlag zu beobachten (siehe ANHANG A). - 2 Da kein Aufschlaggeräusch hörbar war, nahmen sie an, daß das Luftfahrzeug rechtzeitig abgefangen wurde. Keiner der Augenzeugen entdeckte während des weiteren Aufbzw. Abstieges das Wrack des Luftfahrzeuges. Laut Protokoll der Such- und Rettungszentrale (RCC) wurde sie annähernd zur selben Zeit von der Bezirkskontrollstelle Wien informiert, daß die Besatzung eines in Flugfläche 320 fliegenden Luftfahrzeuges im Bereich des Flugplatzes Zell/See das Signal eines Notsenders höre. Im Tagesbericht der Bezirkskontrollstelle Wien findet sich hiezu die Eintragung "10:30 Uhr, ELT-Empfang Raum Zell/Großglockner; getroffene Maßnahmen: RCC". RCC beschränkte sich laut Protokoll auf eine telephonische Nachforschung beim Flugplatz Zell/See um 10:32 Uhr, welche ergebnislos blieb. Peilwerte einer Flugsicherungsstelle oder des SARSAT/COSPAS-Satelliten standen nicht zur Verfügung. Um 12:20 Uhr meldete die Bezirkskontrollstelle Wien "Keine ELT-Meldungen mehr", was im RCC-Protokoll vermerkt wurde. Bis zur Auffindung des Luftfahrzeuges scheinen im RCC-Protokoll keine weiteren Eintragungen zum Sachverhalt auf. Das Wrack des Luftfahrzeuges OE-XXX wurde gegen 13:30 Uhr vom Piloten eines Hubschraubers des Bundesministeriums für Inneres (Flugeinsatzstelle Lienz) während eines Routinefluges entdeckt. Der Empfang des Notsendersignales war laut Aussage des Piloten nur schwach hörbar. Er kehrte zunächst zur Flugeinsatzstelle Lienz zurück und nahm einen Notarzt sowie einen Flugretter auf, welche zwischen 14:02 und 14:35 Uhr die Bergung der Flugzeuginsassen durchführten. 1.16.3Notsender (ELT) Das Luftfahrzeug war mit einem Notsender des Fabrikats Dorne & Margolin, S/N DMU158-1, ausgerüstet. Die NotsenderBatterie (selbes Fabrikat) wurde am 1. August 1989 eingebaut und wäre am 1. Oktober 1991 zu erneuern - 2 gewesen (TBO 26 Monate). Sie sollte einen ununterbrochenen Betrieb des Notsenders von 48 Stunden Dauer gewährleisten. 2. BEURTEILUNG UND SCHLUSSFOLGERUNGEN 2.1BEURTEILUNG Das Luftfahrzeug war ordnungsgemäß zum Luftverkehr zugelassen und haftpflichtversichert; ein gültiges Lufttüchtigkeitszeugnis war ausgestellt. Hinweise auf ein technisches Gebrechen wurden nicht gefunden. Gewicht und Schwerpunkt lagen im zulässigen Bereich. Der mitgeführte Treibstoffvorrat war für das geplante Flugvorhaben (Zwischenlandung auf dem Flugplatz St. Johann/ Tirol) ausreichend. Der Pilot war im Besitz der zur Durchführung des Fluges erforderlichen Berechtigung; sie war am Unfalltag gültig. Seine Flugerfahrung und sein Flugtraining waren gering; sie entsprachen den gesetzlichen Mindesterfordernissen. In der Behebung von Gefahrenzuständen, z.B. Beenden des Trudelns, war er offenbar nicht ausgebildet, jedenfalls aber mit Sicherheit nicht ausreichend trainiert. Die zur Verfügung stehende Höhe von ca. 300 m über Grund wäre zur Beendigung des Trudelns ausreichend gewesen. Es wurden keine Hinweise auf eine psychische oder physische Beeinträchtigung des Piloten gefunden. Das Luftfahrzeug war auf der Südflanke des Großglockners einer starken Leewirkung ausgesetzt. In einer Flughöhe von 3600-3700 m MSL befand es sich somit an seiner Leistungsgrenze. Zum Halten der Flughöhe mußte langsam, d.h. mit großem Anstellwinkel, geflogen werden. Aufgrund der Aussage des Fluggastes, er habe den Großglocknergipfel zunächst von vorne, dann rechts von ihm - 2 gesehen, wäre es denkbar, daß der Pilot durch einen kräftigen Seitenruderausschlag eine Drehung um die Hochachse herbeiführen wollte, um das Fotographieren aus dem rechten Seitenfenster zu ermöglichen. Das (ungewollte) Herbeiführen des Linkstrudelns wäre damit erklärbar. Allerdings müßte zuvor die Überziehwarnung angesprochen haben. Ob der Pilot diese Warnung, die nicht immer ausgeprägt hörbar ist, überhört hat, bleibt unklar. Belange der Flugsicherung scheiden als Unfallursache aus. Der Pilot hatte keinen Flugplan abgegeben. Das Luftfahrzeug war mit einem betriebsbereiten Notsender ausgerüstet; dieser löste aus. Die Ausstrahlung war jedoch zum Zeitpunkt der Auffindung (3 Stunden nach dem Unfall) bereits schwach. Ob und wie lange der Notsender mit voller Leistung abstrahlte, ist unbekannt. Anhand der Eintragungen im RCC-Protokoll konnte nicht geklärt werden, ob (außer der telephonischen Anfrage beim Flugplatz Zell/See) im Sinne der Abteilungsanweisung Nr. 21 des BAZ vorgegangen wurde. Das verunglückte Luftfahrzeug wurde durch Zufall vom Piloten eines Hubschraubers des Bundesministeriums für Inneres 3 Stunden nach dem Unfall entdeckt. 2.2SCHLUSSFOLGERUNGEN 2.2.1Unfallart Unkontrollierter Flugzustand (Trudeln) 2.2.2Wahrscheinliche Unfallursachen Pilot: - Unterschreiten der Mindestfluggeschwindigkeit - Unzureichende Kenntnisse und Erfahrungen bei der Behebung unkontrollierter Flugzustände - 2 3. V O R S C H L Ä G E 3.1SOFORTMASSNAHMEN Keine. 3.2VORSCHLÄGE DER FLUGUNFALLKOMMISSION 3.2.1a)Die Ausbildung sollte durch das BAZ intensiver überwacht werden. b)Die Zivilluftfahrt-Personalvorschriften sollten dahingehend gändert werden, daß nach einer mehr als dreimonatigen Trainingspause ein Überprüfungsflug durch einen Fluglehrer zu erfolgen hat. c)Das Beenden einer Trudelbewegung sollte von allen Privatpiloten in regelmäßigen Zeitabständen mit einem hiezu befugten Fluglehrer geübt werden. d)Zusätzlich zu den Bauchgurten sollten von allen Flugzeuginsassen auch stets Schultergurte angelegt werden. 3.2.2a)Verläuft die Ausforschung eines ausstrahlenden Notsenders auf Flugplätzen negativ, sollten unverzüglich großräumige Suchmaßnahmen eingeleitet werden; ein außerhalb eines Flugplatzes ausstrahlender Notsender, muß als ausreichend verläßliches Indiz für einen Absturz oder eine Bruchlandung angesehen werden (siehe auch ANHANG B). Zur besseren Lokalisierung von ausstrahlenden Notsendern sollten die Piloten von im mutmaßlichen Unfallgebiet operierenden Luftfahrzeugen, u.a. auch jene der Allgemeinen Luftfahrt, um Mitwirkung (Hörbereitschaft auf der Notfrequenz) ersucht werden. b)Neben Flugplatzkontrollstellen und Flugsicherungshilfsstellen sollten auch Flugplatzbetriebsleiter angehalten werden, während der Betriebszeit des Flugplatzes - 2 für eine ständige Überwachung der Notfrequenz 121,50 MHz zu sorgen, um Fehlalarme von Notsendern frühzeitig erkennen zu können. Fehlalarme werden erfahrungsgemäß von im Flugplatzbereich befindlichen Notsendern ausgelöst (siehe ANHANG C). c)Piloten, welche das Signal des eigenen oder eines fremden Notsenders empfangen, sollten unverzüglich die nächste Flugverkehrsdienststelle oder die RCC in Kenntnis setzen. d)Eine stichprobenweise Erhebung bei den laut Abteilungsanweisung Nr. 21 des BAZ in Suchaktionen einzubindenden Funküberwachungsstellen der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung (Funkleitstellen) ergab, daß diese zwar grundsätzlich über stets einsatzfähiges Personal mit mobilen UKWPeilgeräten verfügen, dieses jedoch in zu geringem Maße einbezogen wird. Im konkreten Fall wußte die für das Bundesland Salzburg zuständige Funküberwachungsstelle überhaupt nicht, daß sie zu Sucheinsätzen in der Zivilluftfahrt herangezogen werden könnte. Mit den Funküberwachungsstellen der Post- und Telegraphendirektionen sollten daher Absprachen getroffen werden, um durch eine geregelte Vorgangsweise rasche und wirksame Sucheinsätze (Peilung von Notsendern) sicherzustellen. Weiters sollten die Funküberwachungsstellen in die regelmäßig stattfindenden SAR-Übungen des BAZ eingebunden werden. 3.2.3a)Häufige, durch Notsender ausgelöste, Fehlalarme beeinträchtigen im Ernstfall die Effizienz des Such- und Rettungsdienstes. Um einem gehäuften Auftreten von Fehlalarmen durch ungewolltes Abstrahlen des Notsenders vorzubeugen, sollte im Rahmen der Ausbil- - 2 dung sowie mittels AIC auf die im Österreichischen Nachrichtenblatt für Luftfahrer I-B veröffentlichten Verfahren betreffend Überprüfung von Notsendern bzw. Vermeidung von Fehlauslösungen (siehe ANHANG C) hingewiesen werden. Darüberhinaus sollte darauf geachtet werden, daß der Notsender vor einem Ausbau aus dem Luftfahrzeug ausgeschaltet und bis zum neuerlichen Einbau in diesem Zustand belassen wird. Ebenso sollte nach Außenlandungen und vor dem Abrüsten von Segelflugzeugen der Notsender ausgeschaltet und erst nach dem Aufrüsten bzw. vor dem nächsten Flug wieder in betriebsbereiten Zustand gebracht werden. b)Prinzipiell sollte im Rahmen der Vorflugkontrolle auch überprüft werden, ob sich der Notsender in betriebsbereitem Zustand (Schalter in der Stellung ARMED bzw. AUTO) befindet. Die zur Vorflugkontrolle verwendete Checkliste sollte einen diesbezüglichen Punkt enthalten. Die Überprüfung des Notsenders auf eine etwaige Ausstrahlung sollte Bestandteil der Checkliste für das Abstellen des Luftfahrzeuges werden. Gegebenenfalls, z.B. nach einer beobachteten harten Landung, sollte die Flugzeugbesatzung zur Überprüfung des Notsenders gesondert aufgefordert werden. 3.2.4Die für Notsender vorgesehenen Wartungsverfahren sollten neu überdacht werden. - 2 3.2.5Vor Antritt eines Fluges, welcher über alpines oder dünn besiedeltes Gebiet führt, sollte zur Sicherstellung des Alarmdienstes ein vollständig ausgefüllter Flugplan ohne Verzicht auf eine Landemeldung abgegeben werden. Auch bei nicht-kontrollierten Flügen sollte die Flugzeugbesatzung nach Möglichkeit mit einer Flugverkehrsdienststelle, z.B. Fluginformationszentrale (FIC), in Funkkontakt stehen. Der Leiter der Flugunfallkommission Dr. Rolf NEIDHART