Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte Literatūrinių ir
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Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte Literatūrinių ir
kalbotyra Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte Literatûriniø ir dalykiniø tekstø lyginimas Astutë BENIULIENË Vilniaus pedagoginis universitetas, Uþsienio kalbø fakultetas, Vokieèiø filologijos ir didaktikos katedra Studentø 39, Vilnius, LT-08106 astaben@delfi.lt Santrauka Ðis straipsnis skirtas stilistinës teksto interpretacijos klausimams ir gali bûti panaudotas kaip teorinë- metodinë medþiaga nagrinëjant funkciniø stiliø temà. Tyrinëjimo objektà sudaro du tekstai: V. Borcherto trumpas pasakojimas Die Stadt ir F. Linkës dalykinis tekstas (straipsnis ið enciklopedijos) Stadt. Pirmasis tekstas fiktyvus arba literatûrinis, antrasis nefiktyvus, t.y. dalykinis. Tekstai lyginami remiantis teksto interpretacijos metodika, kuri apima tiek lingvistiná, tiek stilistiná abiejø tekstø lygmená. Remiantis ðio lyginimo iðvadomis nustatomi pagrindiniai abiejø tekstø skirtumai. Jie apima tekstø struktûrà, turiná, leksikos parinkimà, stilistiniø priemoniø panaudojimà ir t.t. Skiriasi ne tik abiejø tekstø autoriø tikslai, tekstø apimtis ir t.t., bet svarbiausia þodynas: teksto Die Stadt kalba pasiþymi ekspresyvumu ir vadina- ma Bildsprache (vaizdinga/vaizdø kalba), o tekstas Stadt yra logiðkas, tikslus, t.y. neekspresyvus, kurio kalba apibudinama terminu Begriffssprache (sàvokø kalba). Ávairios pirmajame tekste pavartotos stilistinës ir emocionalumo priemonës sukuria ypatingà teksto nuotaikà, o antrasis tekstas yra dalykiðkas, sausas. Dar vienas esminis skirtumas Borcherto teksto atvirumas, kai skaitytojui paliekama galimybë fantazuoti ir laisvai aiðkinti bei interpretuoti tekstà. Linkës tekstà charakterizuoja uþdarumas, nes jame mintys reiðkiamos ir suprantamos tiesiogine prasme. Straipsnio pabaigoje pateikiamas paèiø svarbiausiø abiejø tekstø skirtumø sàraðas, kurá galima pritaikyti lyginant kitus skirtingø stiliø tekstus. Esminiai þodþiai: stilistinë interpretacija, literatûrinis tekstas, vaizdinga kalba, sàvokø kalba. The article deals with problems of text interpretation and can be used as theoreticalmethodological material while analysing the topic of functional styles. The object of the research concerns two texts: a short story by W. Borchert Die Stadt and a specific text (an article for on encyclopedia) Stadt by V. Linke. The first text is fictional or literary, the second non - fictional, i.e. factual. In comparing the texts the method of intersubject coherence is used, which includes the linguistic as well as the stylistic interpretations of both texts. On the basis of the linguistic interpretations the differences between the two texts are defined.They include both the structure and the content of the texts, as well as the usage of stylistic means. There is a difference not only in the aims and the 12 volume of the texts but the vocabulary as well: the vocabulary of Die Stadt is rich in expressiveness (Bildsprache), while the text Stadt is logical, precise, i.e. not expressive (Begriffssprache). Different stylistic and emotional means used in the first text create a particular atmosphere, while the second text is factual,dry. Another essential difference is the overtness (Offenheit) of Borcherts text, and covertness (Geschlossenheit) of Linkes text, because in the latter everything is expressed (directly) in a clearly understandable direct sense. The end of the article includes a list of the main differeces between the two texts, that can be used in comparing some other texts of different styles. Key words: stylistic textinterpretation, literary text, figurative language, notional language. Astutë BENIULIENË Summary Comparison of Literary and Factual Texts þ m o g u s i r þ o d i s 2 0 0 7 I I I kalbotyra 1. Einleitende Bemerkungen Eine der Aufgaben in dem Curriculum der stilistischen Textinterpretation (STI) besteht darin, die Studierenden in beide Fächer: Stilistik und STI einzuführen. Diese beiden linguistischen Disziplinen haben zum Gegenstand den Text. Erfahrungsgemäß sind Lernende meist schon zu Beginn des dritten Studienjahres für beide Gebiete gut motiviert und können ihre Alltagserfahrungen, ihr Sprachgefühl und ihr in unteren Semestern erworbenes Wissen über Text - und Stilanalyse - oft eher an literarischen als an Sachtexten vorgenommen - einbringen. Andererseits ist es am Anfang für Studierende recht schwierig, sich in der umfangreichen Literatur zurechtzufinden und zu theoretischem Grundwissen sowie zu praktischen Interpretationsfähigkeiten zu gelangen. Der vorliegende Beitrag hat die Absicht, durch den linguostilistischen Interpretationsvergleich eines literarischen bzw. fiktionalen und eines begrifflichen, d.h. nicht fiktionalen Textes (Fachtextes) Orientierung und Anleitung zu weiterführender Beschäftigung mit praktischer STI oder zu theoretischen Überlegungen anzuregen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses stehen zwei Texte: W. Borchert Die Stadt und V. Linke Stadt. Der Text von Borchert ist eine Kurzgeschichte, d.h. ein literarischer Text während der Text von Linke einen Lexikonartikel, also einen Fach - bzw. wissenschaftlichen Text darstellt. Nach der Funktionalstilistik gehören beide Texte unterschiedlichen Funktionalstilen an und zwar: dem Stil der schönen Literatur und dem der Wissenschaft. Der untenstehende Interpretations bzw. Vergleichsversuch lässt sich in Vorlesungen und Seminaren der STI einsetzen, um den Unterschied bei dem Interpretationsverlauf und bei der Unterscheidung der wichtigsten Merkmale von Texten unterschiedlichen funktionalen Stils zu illustrieren. Nach den einführenden Bemerkungen folgen beide Textbeispiele, anschließend die STI des Textes von Borchert. Der weitere Interpretationsschritt gilt dem Text von Volker. Abschließend wird ein Vergleich zwischen Die Stadt und Stadt unternommen und einige für STI relevante Ergebnisse beschrieben. Für die vorliegende Arbeit wurde der textimmanente Interpretationsansansatz (Maingueneau 2000) gewählt, der sich auf die Analyse des einzelnen literarischen Werkes konzentriert und nicht über den Text hinausgeht. Wolfgang Borchert Die Stadt Ein Nächtlicher ging auf den Schienen. Die lagen im Mond und waren schön wie Silber. Nur kalt, dachte der Nächtliche, kalt sind sie. Links weit ab ein verein samtes Geglüh, ein Gehöft. Und dabei ein rauhgebellter Hund. Das Geglüh und der Hund machen die Nacht zur Nacht. Dann war der Nächtliche wieder allein. Nur der 5 Wind machte seine langatmigen U-Töne an den Ohren vorbei. Und auf den Schienen tupfige Flecken: Wolken überm Mond Da kam der Mann mit der Lampe. Die schaukelte, als sie zwischen die beiden Ge sichter gehoben wurde. Der Mann mit der Lampe sagte: Na, Junge, wohin denn? 10 Und der Nächtliche zeigte mit dem Arm auf das Helle hinten am Himmel. Hamburg? Fragte der mit der Lampe Ja, Hamburg, antwortete der Nächtliche. Dann polterten unter ihren Schritten leise die Steine. Stießen sich klickernd. Und der Draht an der Lampe quietschte hin und her, hin und her. Vor ihnen lagen die Schtten 15 im Mond. Und die Schienen liefen silbern auf das Helle zu. Und das Helle am Him mel in dieser Nacht, das helle war Hamburg. So ist es aber nicht, sagte der mit der Lampe, so ist das nicht mit der Stadt. Es ist hell da, o ja, aber unter den hellen Laternen gehn auch welche, die Hunger haben. Das sag ich dir, du. 20 Hamburg! Lachte der Nächtliche, dann ist das andere gleich. Da muss man doch wissen wohin, immer wieder hin, wenn man daher gekommen ist. Man muß wieder hin. Und dann, das sagte er, als ob er sich viel dabei dächte, das ist das Leben! Das einzige Leben! 25 Die Lampe quietschte hin und her. Und der Wind uhte molltönig an den Ohren vorbei. Die Schienen lagen mondgeglänzt und kalt. Dann sagte der mit der pendelnden Lampe: Das Leben! Mein Gott, was ist das: sich an Gerüche erinnern, nach Türdrückern fassen. Man geht an Gesichtern vorbei. Man fühlt nachts den Regen im Haar. Dann ist schon viel. Da weinte hinter ihnen eine Lokomotive wie ein riesiges Kind voll Heimweh. 30 Und sie machte die Nacht zur Nacht. Dann ISSN 1392-8600 2. Textbeispiele 13 Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte Literatûriniø ir dalykiniø tekstø lyginimas polterte ein Güterzug hart an den Männern vorbei. Und er grollte wie Gefahr durch die sternbestickte seidige Nacht. Die Männer atmeten mutig dagegen. Und die runden rotierenden Räder rollten rattern unter den rostroten roten Waggons. Rasten rastlos rumpelnd davon-davon. Und viel ferner noch leise: davon-davon. 35 Da sagte der Nächtliche: Nein, das Leben ist mehr, als im Regen laufen und nach Tür drückern fassen. Das ist mehr, als an Gesichtern vorbeigehen und Gerüche erinnern. Das Leben ist: Angst haben. Und Freude haben. Angst haben, daß man unter den Zug kommt und Freude, daß man nicht unter den Zug gekommen ist. Freude, daß man weitergehen kann. 40 Dann lag an den Schienen ein schmales Haus. Der Mann machte die Lampe kleiner und gab dem Jungen die Hand: Also Hamburg! Ja, Hamburg,sagte der und ging. Die Schienen lagen schön blank im Mond. Und hinten am Himmel ein heller Fleck: Die Stadt Volker Linke Stadt Siedlung, Siedlungstyp, gekennzeichnet durch 1. relativ hohe Einwohnerzahl und geschlossene, meist mehrgeschossige Bebauung, woraus eine hohe Wohndichte resultiert, 2. hohe Konzentration von Arbeitsstätten im sekundären (Industrie, Gewerbe) und tertiären (Handel, Verwaltung, Kultur) Wirtschaftssektor; 3. soziale Schichtung und Viertelsbildung (u.a. Citybildung), 4. lebhafter Verkehr, bedingt durch die Segregation von Arbeits-,Wohn-,Versor gungs- und Freizeitstätten. 3. Zur Bestimmung des literarischen Textes und des Fachtextes einer spezialisierten gesellschaftlich-produktiven Tätigkeit ausgeübten sprachlich-kommunikativen Tätigkeit; er besteht aus einer endlichen, geordneten Menge logisch, semantisch und syntaktisch kohärenter Sätze oder satzwertiger Einheiten, die als komplexe sprachliche Zeichen komplexen Propositionen im Bewusstsein des Menschen und komplexen Sachverhalten in der objektiven Realität entsprechen. (Hoffmann 1985: 5). Die Aufgabenstellung der vorliegenden Abhandlung zielt mit den gegensätzlichen Begriffen literarische Sprache / Fachsprache darauf ab, an konkreten Textbeispielen eingehender darzustellen, was das Besondere, Spezifische literarischer Sprache in Abgrenzung zur Fachsprache ist. Durch diese Schwerpunktsetzung kommt es nicht darauf an herauszuarbeiten, warum es sich bei Borcherts Text um eine Kurzgeschichte handelt, denn es geht nicht um eine Erläuterung dieser Textgattung, sondern darum begrifflich zu erläutern, warum Borcherts Text ein Literaturwerk und der Lexikonartikel ein Fachtext ist und aufzuzeigen, worin die Unterschiede liegen. 4. Zur LSI des Textes Die Stadt Im Mittelpunkt von Borcherts Kurzgeschichte steht das Gespräch zwischen dem Nächtlichen und dem Mann mit der Lampe. Der Nächtliche ist ein junger Mann: Der Mann mit der Lampe sagte: Na, 14 Junge, wohin denn? (Z. 7). Er marschiert nachts, die Schienen entlang, auf das Helle (Z. 10) am Horizont zu. Das ist die Stadt Hamburg. Sie ist Gegenstand des Gesprächs und sie wird Astutë BENIULIENË Die Linguisten sind sich einig, dass literarische Texte vor allem schriftliche Texte sind, in denen sprachliche Mittel gezielt eingesetzt werden. Da Literatur Fiktion ist, sind literarische Texte fiktionale Texte. Für die Wahrnehmung als literarischer Text ist der Kontext wesentlich. Literatur ist eine spezifische Form der Verwendung von Sprache und das bedeutet Abweichung von der Norm. Literatur organisiert sich in Gattungen. Gattungen sind keine festen Kategorien. (www.uni-potsdam.de/u/slavistik). Was ist also die Fachsprache? Fachsprache ist das Mittel einer optimalen Verständigung über ein Fachgebiet unter Fachleuten. Sie ist gekennzeichnet durch einen spezifischen Fachwortschatz und spezielle Normen für die Auswahl, Verwendung und Frequenz gemeinsprachlicher und grammatischer Mittel. Sie existiert nicht als selbständige Erscheinungsform der Sprache, sondern wird in Fachtexten aktualisiert, die außer der fachlichen Schicht immer gemeinsprachliche Elemente enthalten. (Schmidt 1969: 9). Der Fachtext ist Instrument und Resultat der im Zusammenhang mit þ m o g u s i r þ o d i s 2 0 0 7 I I I unterschiedlich beurteilt. Der Nächtliche sieht in ihr das erstrebenswerte Ziel seines Lebens, von dem ihn nichts abhalten kann (Z. 20-23). Der Mann mit der Lampe ist dagegen anderer Meinung. Er sagt: So ist es aber nicht...so ist das nicht mit der Stadt. Das ist hell da, o ja, aber unter den hellen Laternen gehen auch nur welche, die Hunger haben (Z. 17-18). Das klingt wie eine gutgemeinte Mahnung, besonders nachdem er hinzufügt: Das sag ich dir, du (Z.19). Das Wesentliche des Gesprächs und der Kurzgeschichte ist die unterschiedliche Bewertug und Einschätzung der Großstadt. Die bewertenden Personen bleiben namenlos und werden durch konkretisierende Periphrasen mit dem Nächtlichen und dem Mann mit der Lampe bezeichnet. Das Ziel, die Stadt, nennt aber der Autor beim Namen Hamburg. Mit dieser Festlegung löst er im Leser bestimmte Assoziationen aus, die geprägt sind von der Vorstellung einer pulsierenden Weltstadt. Mit den elliptischen Stichworten und epiphorischer Wiederholung des Wortes Leben: Hamburg! ... das ist das Leben! Das einzige Leben! beginnt der Mann mit der Lampe seine Auffassung über das Leben mitzuteilen. Er drückt sich emotionell aus: Das Leben! Mein Gott, was ist das: Sich an Gerüche erinnern, nach Türdrückern fassen (...). ( Z. 26-28). Die Bilder der Stadt können als metonymische Perihprasen verstanden werden, bzw. vieldeutig sein: es können verschiedene Gerüche sein, und das Fassen nach Türdrückern lässt offen, um welche Türen es sich handelt, d.h. wohin man geht. Offen bleibt auch, ob man in ein Haus hineingeht oder es verlässt. Der Mann mit der Lampe hat wahrscheinlich seine Vergangenhei und Erfahrung im Sinne und man empfindet in seiner Aussage eine Art Wehmut und Resignation. Das kann man auch dadurch erklären, dass er sich erinnert, an Gesichtern vorbeigeht und nachts Regen im Haar fühlt und das alles als schon viel empfindet. Der Nächtliche widerspricht ihm: Nein das Leben ist mehr, als im Regen laufen und nach Türdrükern fassen. Das ist mehr, als (...) (Z.35-36). Und er drückt dieses Mehr zunächst abstrakt (Angst/ Freude haben), dann mit einem konkreteren Bild in Form der isolierten Hauptsätze aus: Angst haben, dass man unter den Zug kommt. Und Freude, dass man nicht unter den Zug gekommen ist. Freude, dass man weitergehen kann (Z. 37-39). Borchert lässt den Nächtlichen diese Worte in dem Moment aussprechen, nachdem ein Güterzug hart an den Männern vorbei polterte (Z. 30-31). Dadurch verbindet er das Bild, d.h. die Aussage des jungen Mannes mit der Wirklichkeit, wobei der Güterzug als metonymische Periphrase dessen verstanden werden kann, was der Nächtliche mit dem Unterden-Zug-kommen meint, d.h. dass die Wirklichkeit auch hart und mehr als enttäuschend sein kann. Denn der Güterzug grollte wie Gefahr durch die sternbestickte seidige Nacht. ... Und die runden rotierenden Räder und das Rattern rollten ratternd unter rostroten roten Waggons. (Z. 31-33). Das Rotieren der Räder und das rattern der rostroten Wagen können als metonymische Periphrasen für den unermüdlichen Lebenskampf in dem Strom des Schicksals (das Rotieren) aufgefasst werden, wobei sich der Mensch immer wieder gegen Widerstände durchzusetzen und sich zu behaupten versuchen muss. Das ist ein Vorgang, der laut (das Rattern) und manchmal auch blutig (Rot) vor sich geht und die Gefahr in sich birgt, zermalmt zu werden. Doch die Männer atmeten mutig dagegen. (Z. 31-32). Der Text ist sowohl expressiv als auch emotionell. Die beiden handelnden Personen begegnen sich in der Nacht auf Schienen. Die Stimmung der Nacht wird vor allem durch sich wiederholende Motive des Mondes, der Schienen und des Windes geschildert. (Mond: Z. 1,6,15, 25, 43; Schienen: Z. 1, 5, 14, 15, 25, 40, 43; Wind: 5, 24 ). Sie bestimmen auch gleichzeitig die Grundstimmung des Gesprächs, wobei Schienen nicht nur am häufigsten als Motiv klingt, sondern auch oft in einem Atemzug genannt werden ( ... Schienen. Die lagen im Mond und waren schön und blank wie Silber: Z. 1, auch Z. 14-15, und auch Z. 43: Die Schienen lagen schön blank im Mond. Aber die Stimmung ist nicht nur schön, denn die Schienen sind zwar schön blank, aber auch kalt. (Z. 2 und 25). Der Wind macht zwar langatmige Töne an den Ohren vorbei, aber das sind U-Töne (Z.5), das sind nicht helle, sondern dunkle Töne, die an das Ohr dringen und symbolhaft als Ausdruck des Unheimlichen, der drohenden Gefahr verstanden werden können. Dieses Gefühl verstärken auch die tupfigen Flecken (Z. 6) auf den Schienen, die die Wolken verursachen und die Schatten auf den glänzenden, silbernen Schienenstrang werfen. Nicht nur Schienen haben in dieser Kurzgeschichte die symbolhafte Bedeutung des Lebenswegs, sondern auch das Helle bzw. die Stadt, Hamburg. Das kann bedeuten, dass die Schienen in ihrer doppelten Natur (schön, aber kalt) zwar auf das helle verweisen, aber gleichzeitig die Frage aufwerfen, ob das Ziel, Hamburg, nicht auch zwiegesichtig ist, d.h. dass in ihm neben Licht -auch Schattenseiten vorhanden sind. Dann hat ISSN 1392-8600 kalbotyra 15 Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte wahrscheinlich auch der Mann mit der Lampe recht, indem er darauf hindeutet, dass dahin ... auch nur welche, die Hunger haben, gehen (Z. 18). An dieser Stelle bekommt auch die Periphrase der Mann mit der Lampe eine sinnvolle Deutung. Das metaphorische Attribut lässt schließen, dass der Mann aufgrund seiner Lebenserfahrung die Durchsicht besitzt (im Besitz des Lichtes ist), das ihm ermöglicht die Dinge richtig zu beleuchten bzw. zu beurteilen. Der Nächtliche tappt dagegen im Dunklen und lässt sich vom Hellen blenden. Die beiden Männer werden gegenübergestellt, denn der junge Mann ist erst dabei Erfahrungen zu sammeln, um Dinge richtig einschätzen zu können. Den Schein der Schienen hat er schon erkannt, sie sind kalt: Nur kalt, dachte der Nächtliche, kalt sind sie. (Z.2). Der Autor bestätigt das durch auktoriale Erzählperspektive: Die Schienen lagen mondbeglänzt und kalt. (Z.25). In der Schilderung der Nacht sind nicht nur die metaphorischen Lichtverhältnisse von Bedeutung. Zur Nacht gehören auch das vereinsamte Geglüh, ein Gehöft (Z. 3) und ein rauhgebellter Hund (Z.3), die die Nacht zur Nacht machen. (Z.4-5). Ähnlich finden wir auch von der voll Heimweh aufweisenden Lokomotive: Und sie machte die Nacht zur Nacht. (Z.30). In der Personifizierung der Lokomotive, weil sie mit einem riesigen Kind, das voll Heimweh aufweint, (Z. 29) verglichen wird, entdeckt man ein weiteres Symbol und zwar das für den jungen Mann, der ungeduldig Hamburg, seine Vaterstadt erreichen will. Diese Wortgruppe voll Heimweh aufweinen oder auch das Lachen (Z. 20) zeugen von starken Emotionen des jungen Mannes . Sonst verhalten sich die Männer zu einander eher kalt und nüchtern. Das verraten uns die Verben, insbesondere die neutralen verba dicendi: Der Nächtliche ging (Z.1), dachte (Z. 2), antwortete (Z. 12), sagte (Z. 35), sagte (Z. 42). Der Mann mit der Lampe kam (Z.7), fragte (Z. 11), sagte (Z.17), machte (Z. 40).Unterschiede in der Gefühlswelt machen sich durch die Gestik bemerkbar: der Nächtliche zeigte...(Z. 10), der Mann... gab dem Jungen die Hand (Z. 40-41). Viel dynamischer und mit Hilfe der expressiven Verben wird die Umgebung um die Männer geschildert: die Steine polterten, stießen sich klickend (Z. 13), der Draht an der Lampe quietschte hin und her (Z. 14-15), der Wind uhte (Z. 24), der Güterzug polterte (Z. 30, er grollte (Z. 31). So schafft Borchert das intensive nächtliche Bild und unterstüzt den Eindruck des Unheimlichen und des Gefahrdrohenden. 16 Die Syntax der Kurzgeschichte ist nicht kompliziert. Die Sätze sind kurz und meistens Hauptsätze: Ein Nächtlicher ging auf den Schienen. - Z. 7. Da kam der Mann mit der Lampe.- Z.40 usw. Häufig finden sich Ellipsen wie z.B. Z. 2, 3, 5, 13 u.a. Dadurch wird die Erzählweise hastig, unruhig und kalt. Parataxe ist worherrschend und sie wird durch die nebenordnende Konjunktion und verstärkt. Und auf den Schienen...- Z. 5. Und der Nächtliche zeigte...- Z. 10. Und das Helle am Himmel...- Z.15 . Und der Wind uhte molltönig...- Z24. Man findet im Text auch temporale Konjunktionen da und dann: Da weinte...-Z.29. Dann polterten...-Z. 13. Diese Konjunktionen verstärken den Erzählcharakter der Kurzgeschichte. Die Wiederholungen (Reduplikationen): Nur kalt...kalt sind sie. (Z.2), ...ein vereinsamtes Geglüh ... das Geglüh (Z.2-3), der Draht der Lampe quietschte hin und her, hin und her. (Z. 14, 24) ... liefen auf das Helle zu.... das Helle. (Z.15). ... muss man doch wieder hin, immer wieder hin.... (Z. 2021) betonen das Gesagte, akzentuieren den jeweiligen Sachverhalt. Manche Wiederholungen sind elliptische Ausrufesätze, die zur besonders starken Hervorhebung der Gefühle beitragen, aber sie werden nur in den Situationen verwendet, in denen es um den Hauptgedanken der Kurzgeschichte geht und zwar: um die Einschätzung des Lebens in der Stadt, in Hamburg, z. B. Das ist das Leben! Das Leben! (Z. 26). Hamburg! (Z- 20 und 41). In seiner Kurzgeschichte werwendet Borchert auch zahlreiche phonetisch-stilistische Mittel, die eher in der Lyrik anzutreffen sind. Sie verleihen dem Text eine gewisse Rhytmik, sie schaffen das akustische Bild der Umgebung und verleihen dem Text einen spezifischen und lyrischen Charakter. Häufig findet sich die Alliteration: Geglüh, Gehöft - Z. 3 ; Steine. Stießen - Z. 13; Schienen ... schmal Z. 40; Schienen ... schön blank - Z.43. Das Wichtigste, das Helle, kommt im Text durch Substantive, substantivierte Adjektive und Präpositionen mit einander verknüpfend immer wieder vor: ... Helle hinten am Himmel. Hamburg?Z. 10-11 . Helle am Himmel - Z. 15. ...hinten am Himmel ein heller Fleck - Z. 40. Die Bewohner von Hamburg haben Hunger - Z.18. Der Vorbeifahrende Güterzug wird mit dem immer wiederkehrenden Reibelaut r geschildert. Borchert lässt uns den Zug hörbar werden und durch diese Klangmalerei eine eindringliche Wirkung des Monotonen, des Gefährlichen und Beängstigenden mitempfinden: ... die runden rotierenden Räder Astutë BENIULIENË Literatûriniø ir dalykiniø tekstø lyginimas þ m o g u s i r þ o d i s 2 0 0 7 I I I kalbotyra rollten ratternd unter rostroten roten Waggons. Rasten rastlos rumpelnd davon - davon - davon. Und weiter noch einmal ... davon-davon - Z.33-35. Der intensive Gebrauch der Onomatopoetika im Zusammenhang mit den anderen Mitteln der Expressivität und Emotionalität verleiht der Kurzgeschichte eine eigentümliche und gefühlsbetonte Stimmung. 5. Zum Text Stadt (Lexikonartikel) Der zweite Text besteht eigentlich aus einem Satz, in dem sowohl asyndetisch als auch polysyndetisch die wichtigsten Merkmale einer Stadt aufgezählt werden. Der Text ist logisch aufgebaut, sachlich und klar. In dem Text geht es um eine Definition, wie sie in einer allgemeinen Enzyklopädie abgedruckt sein könnte. Die Definition gibt zuerst die höhere Gattung an: Siedlung. Durch den Susatz Siedlungstyp wird der Begriff Stadt als eine unter vielen möglichen Siedlungsformen gekennzeichnet. Demnächst folgen einige mögliche Merkmale, die die Stadt von diesen Siedlungsformen (wie z.B. das Dorf) abgrenzen. Diese Merkmale der Stadt sind konkrete Strukturmerkmale (Einwohnerzahl, Industrie, teritärer Wirtschaftssektor), die später zu abstrakteren Einheiten zusammengefasst werden (Handel, Verwaltung, Kultur). Zunächst werden äussere Merkmale der Stadt genannt (mehrgeschoßige Bebauung), um dann innere Strukturelemente aufzuzählen (soziale Schichtung, Viertelsbildung ). Zuletzt werden die für eine Stadt nicht wegzudenkende dynamische Eigenschaften, wie Segregation und Verkehr erwähnt. Die Lebensdynamik der Stadt kommt im Text auch durch Substantivierungen zum Ausdruck, wie Bebauung, Viertelsbildung, Citybildung, Konzentration, Segregation. Die lexikalische Ebene des Textes zeichnet sich auch durch zahlreiche Termini, meistens in Form von Zusammensetzungen aus: Siedlungstyp, Einwohnerzahl, Wohndichte, Viertelsbildung usw. 6. Vergleich zwischen Die Stadt und Stadt Die Kurzgeschichte von Borchert und der Lexikonartikel behandeln das gleiche Thema Stadt. Das sollte bedeuten, dass sie mit dem gleichen Wortund Begriffsmaterial arbeiten. Beide Texte aber erhalten durch Textgestaltung (Kontext) einen ganz anderen Sinn, durch den sie sich verschiedenen Textsorten zuordnen lassen. Die Definition Stadt benennt Tatsachen, die genau festgelegt sind. Das sind real vorhandene Angaben, die für jeden eindeutig sind (Zahl, Gräße u.a.). Die Vorstellung, die der Nächtliche von der Stadt hat, ist verschwommen. Dem Autor geht es dabei darum, die Phantasie des Lesers und seine eigenen Vorstellungen anzuregen. Der Autor erreicht das dadurch, dass der Leser die Periphrasen der Nächtliche, der Mann mit der Lampe, Geglüh, das Helle u.a. unteschiedlich aufnimmt und sieht. Die Vorstellung, die der Artikelautor durch seine Definition gibt, zielt dagegen auf Eindeutigkeit und Klarheit. Dem Dichter kommt es darauf an, das Gefühl des Lesers zu erreichen. Er will den Leser so bewirken, dass er sich in die Situation des Nächtlichen hineinversetzt, einfühlt auch das Weltversständnis des Mannes mit der Lampe (seine Vorstellung von der Stadt) nachempfindet, was Borchert sehr expressiv zeichnet. Der Wissenschaftler dagegen ist bestrebt, ,,bei der Vernunft zu bleiben und Stadt eindeutig zu beschreiben. Er will eine allgemeingültige Zusammenfassung der mannigfaltigen Vorstellungen mit Hilfe der allgemeinbekannten lexikalischen Mittel vorführen. Der Text ist insofern objektiv. Der Text von Borchert ist dagegen als subjektiv zu bezeichnen, weil die von ihm hervorgerufene Vorstellung offen bleibt. 7. Zusammenfassung Die Stadt fiktionaler Text Bildsprache Bilder Textes von Linke Stadt hat einige wichtige Unterscheidungsmerkmale hervorgehoben, die sich wie folgt verallgemeinen lassen: Stadt nichtfiktionaler Text Begriffssprache Begriffe ISSN 1392-8600 Der anhand der STI durchgeführter Vergleich des dichterischen (fiktionalen) Textes von Borchert Die Stadt und begrifflichen (nicht fiktionalen) 17 Zum Vergleich literarischer und begrifflicher Texte Literatûriniø ir dalykiniø tekstø lyginimas Vieldeutigkeit Subjektivität Offenheit (Raum zur persönlichen Vorstellung bzw. Deutung) Expressivität / Emotionalität Schaffung einer Stimmung Vernetzung sprachlicher und stilistischer Exspressivitätsmittel (Wortwahl, lexikalisch, syntaktisch und phonetisch stilistische Mittel) Sprachkunstwerk Ästhetische Absicht Diese Zusammenstellung der Hauptunterschiede eines literarischen und eines begrifflichen Textes lässt sich auch auf andere Texte übertragen. Sie zielt keinesfalls auf Vollständigkeit, sie ist eher ein erster Versuch zwei Texte unterschiedlicher Gattung Eindeutigkeit Objektivität Geschlossenheit (Eindeutigkeit) Rationalität Schaffung einer eindeutigen Vorstellung Festlegung durch konkrete Größen (Zahl, Größe, Länge Umfang u.a.) wissenschaftliche Definition Zweckhaftigkeit zu vergleichen und dadurch zur Erarbeitung einer universelleren Vergleichsmethode von Texten beizutragen. Die jahrelange Erfahrung der Arbeit mit Texten hat die Notwendigkeit des Textvergleichs bestätigt. Literatûra Beniulienë, A. 2004. Interpretation literarischer Texte. Vilnius. Fix,U. 2002. Textlinguistik und Stilistik für Einsteiger: ein Lehr-und Arbeitsbuch. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH. Hoffmann, L. 1993. Fachwissen und Fachkommunikation. Zur Dialektik von Systematik und Linearität in den Fachsprachen. In: Bungarten 1993, Bd. 2, 614. Hoffmann, L.1985. Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung. 2., völlig neu bearbeitete Auflage. Tübingen. Maingueneau, D. 2000. Linguistische Grundbegriffe zur Analyse literariscer Texte. Tübingen. Schmidt, W. 1969. Charakter und gesellschaftliche Bedeutung der Fachsprache, In: Sprachpflege. www.uni-potsdam.de/u/slavistik. w w w 2 . t u - b e r l i n . d e / f a k 1 / e l / board.cgi?id=DaF&action=view&gul=570+- Quellenverzeichnis Astutë BENIULIENË Borchert,W. 1961. Das Gesamtwerk. Reinbek. Rowohlt Verlag. Linke, V. 1996. Stadt. In: Gall U., Gierlich H., Laune V. Materialien zum Kursusunterricht. Bd. 2. Köln. 18