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Memorandum
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Deutschland – aktuelles Urteil: kein Regress
gegen Geschäftsführer für Kartellbußen?
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Im jüngsten Urteil in der Rechtssache ThyssenKrupp ./. Uwe Sehlbach (das „Sehlbach-Urteil“) hat das
Landesarbeitsgericht Düsseldorf (das „Gericht“) eine Klage der ThyssenKrupp AG („Thyssen“)
abgewiesen, in der Thyssen einen ehemaligen Geschäftsführer auf Schadensersatz für Kartellbußgelder
verklagt hatte, die vom Bundeskartellamt („BKartA“) gegen Thysssen verhängt worden waren. Dies ist
das erste Mal, dass ein deutsches Gericht darüber zu entscheiden hatte, ob Kartellbußgelder von
Mitgliedern der Geschäftsführung von kartellbeteiligten Unternehmen zurückverlangt werden können.
Durch Verneinung eines solchen Anspruchs bringt das Gericht Deutschland in Einklang mit anderen
Jurisdiktionen (wie z.B. dem Vereinigten Königreich). In dieser Mandantenmitteilung werden wir zunächst
das Sehlbach-Urteil im Detail analysieren (s.u. I.), bevor wir die deutsche Rechtslage mit der im
Vereinigten Königreich vergleichen und die Auswirkungen des Urteils untersuchen (s.u. II.).
I.
Das Sehlbach-Urteil
Das Gericht entschied im Sehlbach-Urteil in Berufung über mehrere Schadensersatzansprüche, die der
deutsche Stahlkonzern Thyssen gegen seinen früheren Arbeitnehmer Uwe Sehlbach gerichtlich geltend
gemacht hatte. Zum einen versuchte Thyssen, diejenigen Geldbußen, die das BKartA für die Beteiligung
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am sog. Schienenkartell gegen Thyssen verhängt hatte, von Sehlbach zurückzufordern.
Diese
Geldbußen beliefen sich auf €191 Mio. Zum anderen machte Thyssen Schadensersatz i.H.v. €100 Mio.
für eine außergerichtliche Einigung auf Schadensersatz mit einem vom Kartell betroffenen Kunden
(Deutsche Bahn AG – „DB“) geltend.
Herr Sehlbach war über einen Zeitraum von mehreren Jahren Geschäftsführer einer ThyssenTochtergesellschaft, die laut Entscheidung des BKartA am Schienenkartell beteiligt gewesen war.
Zusätzlich war Herr Sehlbach auch Vorstandsmitglied auf Thyssen-Konzernebene. Sein Arbeitsvertrag
wurde im Jahr 2011 beendet. Thyssen trägt vor, dass Herr Sehlbach aktiv am Kartell beteiligt gewesen
war (z.B. durch den Kauf und die Benutzung verschlüsselter Mobiltelefone, um der Entdeckung durch die
Behörden zu entgehen). Außerdem soll es Herr Sehlbach unterlassen haben, Thyssen während zweier
interner Compliance-Prüfungen auf das Kartell hinzuweisen. Alternativ trug Thyssen vor, dass Herr
Sehlbach schadensersatzpflichtig sei, weil er fahrlässig seine Aufsichtspflichten als Geschäftsführer
verletzt habe. Strafrechtliche Ermittlungen gegen Herrn Sehlbach und andere bzgl. einer möglichen
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Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf, 20. Januar 2015, Az. 16 Sa 459/14.
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Entscheidungen des BKartA vom 3. Juli 2012 (Az. B12 – 11/11) und 18. Juli 2013 (Az. B12 – 16/12 u. B12 –
19/12).
Copyright © 2015 Fried, Frank, Harris, Shriver & Jacobson LLP
A Delaware Limited Liability Partnership
07/03/15
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Beteiligung an der Begehung von Submissionbetrug sind zur Zeit anhängig (Submissionsbetrug ist in
Deutschland strafbar).
Das Gericht stellte in seinem Urteil im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch für die Kartellbußgelder
i.H.v. €191 Mio. folgendes fest:

Kartellbußgelder, die gegen Unternehmen verhängt wurden, können grundsätzlich nicht von
Arbeitnehmern, die für das Kartell verantwortlich bzw. daran beteiligt waren, zurückgefordert
werden, weil Geldbußen nach deutschem Recht quasi-strafrechtlichen Charakter haben.

Dem Gericht zufolge kann eine gegen eine Person (im Sehlbach-Fall Thyssen) als Strafe
verhängte Geldbuße nicht – als Schadensersatzklage „verkleidet“ – auf eine andere Person
abgewälzt werden. Strafen sind höchstpersönlich und als solche untrennbar mit derjenigen
Person verbunden, die die Tat, für die die Strafe verhängt wurde, begangen hatte.

Dies gilt insbesondere für Kartellbußgelder. Ihr Zweck ist es, Unternehmen zur Befolgung der
Regeln und Grenzen des Kartellrechts anzuhalten und, im Falle eines Verstoßes gegen diese
Regeln, das Unternehmen für den Regelverstoß zu bestrafen, indem es einen finanziellen
Nachteil in Gestalt einer Geldbuße zu tragen hat. Dem Gericht zufolge kann diese Bestrafung
des Unternehmens nicht erreicht werden, wenn das Unternehmen in der Lage wäre, die
Geldbuße auf diejenigen Arbeitnehmer abzuwälzen, die für die Kartellrechtsverletzung
verantwortlich sind. „Die Geldbuße muss beim Unternehmen verbleiben und die
Unternehmensträger treffen, um deren zukünftiges Verhalten zu beeinflussen. Die
Unternehmensträger sind diejenigen, die die Organvertreter ausgewählt, angestellt und bestellt
haben, so dass sie auch die finanzielle Verantwortung für alle Folgen des Organhandelns zu
tragen haben. Letztlich realisiert sich in der Geldbuße zu einem großen Teil ein betriebliches
Risiko. Die generalpräventive Wirkung beim Unternehmen würde entfallen, wenn sich der
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eigentliche Normadressat bei seinen Organmitgliedern ohne Weiteres entlasten könnte.“

Außerdem beinhaltet das deutsche GWB unterschiedliche Obergrenzen für Kartellgeldbußen
gegen Unternehmen einerseits und gegen natürliche Personen andererseits. Während die
Geldbußen für Unternehmen bis zu 10% des weltweiten Jahresgesamtumsatzs des jeweiligen
Unternehmens betragen können, sind Geldbußen gegen natürliche Personen auf € 1 Mio.
begrenzt (s. § 81 Abs. 4 GWB). Diese Unterscheidung wäre gegenstandslos, wenn das
Unternehmen die Geldbuße an natürliche Personen weiterreichen könnte.
Im Hinblick auf die Schadensersatzforderung über € 100 Mio. für die außergerichtliche Einigung zwischen
Thyssen und DB setzte das Gericht das Verfahren bis zu einer Entscheidung im strafrechtlichen
Verfahren gegen Herrn Sehlbach aus. Das strafrechtliche Verfahren wird Aufschluss darüber bringen, ob
Herr Sehlbach wissentlich oder zumindest fahrlässig am Kartell teilgenommen habe.
II.
Folgen des Sehlbach-Urteils und Ausblick
Das Sehlbach-Urteil scheint auf den ersten Blick im Widerspruch dazu zu stehen, dass Geschäftsführer
rechtlich dazu verpflichtet sind, sicherzustellen, dass sich das von ihnen geleitete Unternehmen an
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Sehlbach-Urteil, S. 34.
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Kartellrecht hält. Es wäre daher nicht völlig abwegig anzunehmen, dass eine gegen das eine gegen das
Unternehmen verhängte Geldbuße Folge des Verhaltens des Geschäftsführers selbst ist und daher von
diesem zurückgefordert werden kann.
Das Sehlbach-Urteil stellt jedoch klar, dass Geldbußen
höchstpersönlich gegen das Unternehmen verhängt werden und daher eine solche Abwälzung nicht
erfolgen darf.
Gleichzeitig bringt das Sehlbach-Urteil die Rechtslage in Deutschland auf eine Linie mit anderen
Jurisdiktionen, in denen Gerichte in der Vergangenheit festgestellt hatten, dass Geldbußen nicht von
Mitgliedern der Geschäftsführung/Angestellten zurückgefordert werden können.
Im Vereinigten
Königreich stellte der „Court of Appeal“ in Safeway vs. Twigger im Jahre 2010 fest, dass Unternehmen,
die von den britischen Wettbewerbsbehörden wegen Verstoßes gegen Kartellrecht bebußt worden waren,
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keinen Schadensersatz von Mitgliedern der Geschäftsführung bzw. Arbeitnehmern verlangen können. In
seiner Urteilsbegründung benutzt der „Court of Appeal“ ähnliche Gründe wie das Gericht im SehlbachUrteil, um Schadensersatzansprüche abzulehnen. So führe das Prinzip ex turpi causa non oritur actio
(„aus einer unehrlichen Sache entsteht kein Rechtsanspruch“) dazu, dass das Kartellrecht verletzende
Unternehmen keine Haftungsfreistellung von Mitgliedern der Geschäftsführung oder Arbeitnehmern
verlangen könne. Die Richter maßen dem Wortlaut des englischen Wettbewerbsgesetzes (sog.
„Competition Act 1998“) besondere Bedeutung zu, demzufolge die von britischen Wettbewerbsbehörden
auferlegten Geldbußen sich „persönlich“ gegen die betreffenden Unternehmen richten.
Es bleibt abzuwarten, ob die Entscheidung des Gerichts im Sehlbach-Urteil einer möglichen Revision
durch das Bundesarbeitsgericht standhalten wird. Das LAG Düsseldorf ließ eine Revision durch das
BAG zu. Beobachter gehen weitestgehend davon aus, dass Thyssen Revision einlegen wird.
Vorbehaltlich einer solchen Revision ist das Sehlbach-Urteil insofern wegweisend, als dass es sowohl für
Unternehmen als auch für Mitglieder der Geschäftsführung von Unternehmen Rechtssicherheit im
Hinblick
auf
mögliche
Schadensersatzansprüche
für
gegen
Unternehmen
verhängte
Kartellrechtsgeldbußen bietet. Die gleiche Frage wurde vom Gericht jedoch noch nicht in Bezug auf
Sekundäransprüche des Unternehmens für Schadensersatzzahlungen, die das Unternehmen selbst zu
leisten hatte, geklärt. Das Gericht könnte diesbezüglich zu einem anderen Ergebnis kommen, da zivile
Schadensersatzansprüche keinen quasi-strafrechtlichen Charakter haben und damit nicht persönlich auf
das Unternehmen abzielen. Sollten derartige Schadensersatzansprüche grundsätzlich abwälzbar sein,
dann müsste das Gericht zudem darüber entscheiden, ob eine vollständige Geltenmachung möglich ist,
oder ob eine Geltendmachung nur bis zu einer bestimmten Obergrenze gilt (z.B. bis zu einer von der
Geschäftsführerversicherung der Geschäftsführer abgesicherten Grenze i.H.v. € 1 Mio. – die
Maximalgeldbuße, die das BKartA gegen natürliche Personen verhängen kann).
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Safeway Stores Ltd & Others v Twigger & Others ([2010] EWCA Civ 1472).
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Authoren:
Dr. Tobias Caspary
Lars Görlitz
Diese Mandanteninformation dient nicht dazu, Rechtsrat zu erteilen. Keine rechtliche oder geschäftliche
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