Gedenkort an das Massaker von Abtnaundorf im

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Gedenkort an das Massaker von Abtnaundorf im
Mahnmal Abtnaundorf –
Gedenkort an das Massaker von Abtnaundorf im Konzentrationslager
„Leipzig-Thekla“ am 18. April 1945
Im September 1958 wurde an der Theklaer Straße in Leipzig-Abtnaundorf ein Obelisk eingeweiht. Er erinnert an eines der schrecklichsten Verbrechen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Leipzig. Mehr als 200 Häftlinge
wurden hier am 18. April 1945 in einer Baracke des Konzentrationslagers „Leipzig-Thekla“ verbrannt oder auf ihrer
Flucht über den Stacheldrahtzaun ermordet.
Die Stadt Leipzig plant in Zusammenarbeit mit einer Initiativgruppe die Aufwertung und Modernisierung des
Gedenkortes durch eine landschaftsarchitektonische Neugestaltung und zusätzliche Informationen.
Der folgende Text bietet ausführliche Hintergrundinforma-
Das Mahnmal in Abtnaundorf 2014 (Bild:
Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig)
tionen über den historischen Ort des Konzentrationslagers und das Massaker von Abtnaundorf.
Zwangsarbeit in Leipzig
Während des Zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 wurden ungefähr 100.000 Menschen nach Leipzig verschleppt, um für die deutsche Wirtschaft zu arbeiten, vor allem für die Rüstungsindustrie. Sie
kamen aus allen Ländern, die die deutsche Wehrmacht besetzt hatte, die meisten aus Polen und der
Sowjetunion. Darunter waren Kriegsgefangene und ab 1943 auch KZ-Häftlinge. Die überwiegende
Mehrheit aber waren junge Menschen, die in den von Deutschland besetzten Gebieten unter falschen
Versprechungen angeworben, zwangsrekrutiert oder deportiert und nach Deutschland verbracht wurden – so genannte zivile Zwangsarbeiter_innen.
Sie waren in etwa 500 Sammelunterkünften im Leipziger Stadtgebiet untergebracht – in Turnhallen,
Schulen, Gaststätten, Festsälen, Hotels, privaten Wohnungen oder in Barackenlagern. Ab 1943 wurden in Leipzig und der näheren Umgebung zudem sechs Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald eingerichtet.
Die Zwangsarbeiter_innen waren in allen Bereichen der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens ein1
gesetzt: besonders in der Rüstungsindustrie, aber auch in kleineren Handwerksbetrieben, bei der
Reichsbahn und der Post, in Krankenhäusern und in der Stadtverwaltung, oder als Haushaltshilfen in
Privathaushalten. 1944 machten die ausländischen Zwangsarbeiter_innen etwa ein Viertel der Arbeitskräfte in der deutschen Wirtschaft aus. Ohne sie wäre das wirtschaftliche und gesellschaftliche
Leben auch in der Stadt Leipzig während des Krieges zusammengebrochen.
Die
Lebensbedingungen
Zwangsarbeiter_innen
der
waren
sehr unterschiedlich und von vielen Faktoren abhängig. Ein wichtiges Kriterium war die Einordnung in die NS-Rassenideologie.
Danach wurden zivile Zwangsarbeiter_innen und Kriegsgefangene aus der Sowjetunion (heute
Ukraine, Russland, Belarus) sowie KZ-Häftlinge, unter denen
sich viele Jüdinnen/Juden sowie
Sinti und Roma befanden, am
Sowjetische Kriegsgefangene bei Aufräumarbeiten auf dem Leipziger
Augustusplatz (Bild: Stadtarchiv Leipzig)
schlechtesten behandelt.
Zwangsarbeit im Leipziger Nordosten
In Leipzig befanden sich während des Krieges wichtige Standorte der deutschen Rüstungsindustrie,
insbesondere der Luftrüstung. Durch die Nähe zum Flughafen Mockau und die gute Anbindung an
das Eisenbahnnetz sowie an die 1936 fertig gestellte Reichsautobahn siedelten sich viele Betriebe im
Nordosten der Stadt an.
Die Hugo-Schneider-Aktiengesellschaft (HASAG), der größte Rüstungsbetrieb Sachsens, befand sich
seit 1898 in Schönefeld, auf dem Gelände des heutigen Umweltforschungszentrums in der Permoserstraße. Die Firma produzierte vor allem Munition und Panzerfäuste und setzte dafür im Schönefelder
Werk mehr als 10.000 Zwangsarbeiter_innen, darunter mehr als 5.000 KZ-Häftlinge, ein.
Die Mitteldeutsche Motorenwerke GmbH (MMW) wurde 1935 als Konzerntochter von Auto Union
gegründet. Die Fabrikanlagen befanden sich zwischen Leipzig-Portitz und Taucha in einem Waldgebiet. Der Betrieb stellte Flugzeugmotoren her und beschäftigte auch ausländische zivile Zwangsarbei2
ter_innen, die in Taucha untergebracht waren.
Die Erla-Maschinenwerke GmbH war der größte Luftrüstungsbetrieb in Leipzig und seit 1934 im
Leipziger Nordosten ansässig.
Die Produktion der großen Rüstungsbetriebe förderte auch eine Zuliefererbranche, die ebenfalls Tausende von Zwangsarbeiter_innen beschäftigte.
Übersicht: Orte von NS-Zwangsarbeit im Leipziger Nordosten (Grafik: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig)
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Die Erla-Maschinenwerke GmbH
Im
Juli
1934
wurde
die
Erla-Maschinenwerke
GmbH
Leipzig
im
Auftrag
des
Reichsluftfahrtministeriums gegründet. Der Rüstungsbetrieb stellte für die Luftwaffe des Deutschen
Reiches bis 1945 insgesamt rund ein Drittel von über 33.000 Jagdflugzeugen des Typs Messerschmitt
Bf 109 her.
Die Erla-Werke hatten in Sachsen ingesamt 24 Produktionsstandorte, davon vier in Leipzig:
•
Werk I: 1935-1937 errichtet, Leipzig-Heiterblick
(Wodanstraße 40, nördlich der
LVB-Werkstätten)
•
Werk II: 1937 errichtet, an der süd-östlichen
Flanke des Flughafen Leipzig-Mockau
(Stralsunder Straße 81)
•
Werk III: 1937 errichtet, an der Kreuzung
Das ehemalige Hauptgebäude der Erla-Werke in
der Wodanstraße 40 (Bild: Jelena Rother)
Theklaer Straße/Heiterblickstraße.
•
Werk IV: 1940 errichtet, in der Leipziger Kammgarnspinnerei (Paffendorfer Straße 31, heute
Gondwanaland)
1936 wurde das Werk verstaatlicht. Die staatliche Luftfahrtkontor GmbH und die Sächsische Staatsbank übernahmen die Werke. Mit der Aufhebung des Versailler Vertrages im Jahr 1935 forcierte die
nationalsozialistische Regierung die Militarisierung Deutschlands und setzte auf die Entwicklung
neuer Technik.
Von 1935 bis 1945 lieferten die Erla-Werke mehr als 11.000 Jagdflugzeuge an die deutsche Luftwaffe.
Damit war der Betrieb der zweitgrößte Hersteller dieses Flugzeugtyps im Deutschen Reich. Von 1934
bis 1939 wuchs die Belegschaft der Firma von 111 auf 5.745 Beschäftigte.
Zwangsarbeit bei den Erla-Werken
Ab 1940 beschäftigten die Erla-Werke ausländische zivile Zwangsarbeiter_innen – zunächst in den
Reparaturwerkstätten in Antwerpen, und ab 1941 auch in Leipzig. Einige von ihnen waren im verbündeten Italien als Arbeitskräfte angeworben worden, die meisten jedoch durch das Leipziger Arbeitsamt vermittelt. Bis Mitte 1941 arbeiteten in den Leipziger Erla-Werken mehr als 400 zivile
Zwangsarbeiter_innen aus den besetzten Ländern Europas. Die Zwangsarbeiter_innen bekamen
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nicht die versprochenen Tariflöhne und konnten ihre Arbeitsverträge nicht kündigen. 1943 arbeiteten
ca. 16.000 Menschen unter Zwang für die Erla-Werke – 64% der gesamten Belegschaft.
Die Zwangsarbeiter_innen waren zum großen Teil in Barackenlagern untergebracht. Die Erla-Werke
mieteten aber auch Turnhallen, Gaststätten und Tanzsäle an. Ingesamt unterhielten sie 20 Lager im
Leipziger Stadtgebiet.
Die Unterkünfte für zivile Zwangsarbeiter_innen aus Westeuropa und verbündeten Staaten wie Italien wurden nicht bewacht. „Ostarbeiter_innen“ hingegen mussten grundsätzlich in umzäunten und
bewachten Lagern leben, die sie nicht verlassen durften. Auch in anderen Bereichen spiegelte sich die
rassistische Unterscheidung der Zwangsarbeiter_innen wider: Die „Ostarbeiter_innen“ hatten die
schwersten Arbeitsbedingungen und erhielten die geringsten Löhne und Lebensmittelrationen. Am
Arbeitsplatz unterlagen sie strenger Bewachung und wurden für kleinste Vergehen bestraft. Bei „Arbeitsbummelei“ drohte die Überstellung in ein Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager.
Im August 1941 errichteten die Erla-Werke ein Barackenlager an der Sandgrube, wo sich bis Ende
1938 der Sportplatz des jüdischen Sportvereins „Schild“ befunden hatte. 1943 lebten dort ungefähr 900
zivile Zwangsarbeiter_innen aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich und der Ukraine in 14
Baracken. Ab März 1943 wurde auf dem südlichen Teil des Lagers ein Konzentrationslager errichtet.
Luftaufnahme aus dem Zweiten Weltkrieg. (1) Werk III an der Theklaer Straße;
(2) Konzentrationslager „Leipzig-Thekla“; (3) Zwangsarbeitslager „An der
Sandgrube“, von März bis Dezember 1943 teilweise als KZ genutzt; (4)
Bahnstrecke Leipzig-Eilenburg.
(Bild: Luftaufnahme vom Dezember 1943, Amt für Umweltschutz)
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Das Konzentrationslager „Leipzig-Thekla“
Ab 1943 wurden in den Erla-Werken auch KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt.
Dazu wurden in den Werken in Leipzig, in Flöha bei Chemnitz und in Mülsen bei Glauchau Außen lager des Konzentrationslagers Buchenwald errichtet. Das Leipziger Lager trug den Namen „Leipzig-Thekla“. Es war das erste KZ-Außenlager in Leipzig und umfasste drei Lagerstandorte für jeweils
etwa 1.000 männliche KZ-Häftlinge. Die Organisation sowie die Versorgung und Bewachung der
Häftlinge oblag der SS.
Zunächst wurde der südliche Teil des Lagers „An der Sandgrube“ für die Unterbringung der ersten
KZ-Häftlinge genutzt, die im März 1943 ankamen. Sie wurden zum Lagerbau der geplanten Konzentrationslager am Werk I und Werk III eingesetzt. Im Dezember 1943 wurden die Gefangenen in das
fertige Lager am Werk III verlegt.
Das neue Lager war durch ein Tor direkt mit dem Werk III verbunden. Dort waren etwa 900 KZ-Häftlinge in fünf Holzbaracken untergebracht. Gleichzeitig entstand angrenzend an das Werk I ein
dritter Standort des KZ „Leipzig-Thekla“, ebenfalls für etwa 900-1.000 männliche KZ-Häftlinge.
Die meisten Häftlingstransporte kamen an den Bahnhöfen Leipzig-Thekla und Leipzig-Schönefeld an,
die sich in unmittelbarer Nähe zu den Konzentrationslagern befanden.
1943 waren bei den Erla-Werken bereits mehr als 2.000 KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit eingesetzt.
1944 wurden weitere 1.800 Häftlinge aus Buchenwald in das Außenlager „Leipzig-Thekla“ überstellt.
Unter ihnen waren Männer aus der Sowjetunion, aus Polen, Frankreich, Belgien und der Tschechoslowakei. Im März 1945 befanden sich noch knapp 1.500 KZ-Häftlinge in den Lagern.
Die KZ-Häftlinge wurden zur Zwangsarbeit in der Flugzeugproduktion, sowie bei Bau- und Auf räumarbeiten außerhalb der Werksgelände eingesetzt. Im Werk III arbeiteten ausschließlich KZ-Häftlinge. Ihre Arbeit, die sie unter Aufsicht der deutschen Meister und Vorarbeiter auszuführen hatten,
umfasste vor allem Tätigkeiten der Endmontage von Tragflächenteilen, Leiteinrichtungen und Fahrwerkaufhängungen. Sie mussten in Tages- und Nachtschichten je zwölf Stunden ohne Ruhetag arbeiten. Geringe Essensrationen und fehlendes Schuhwerk erschwerten die Lebensbedingungen zusätzlich. Schwer kranke und arbeitsunfähige Häftlinge wurden nach Buchenwald zurückgeschickt und
durch neue Arbeitskräfte ersetzt. Mehr als 100 Menschen starben in den Lagern. Weitere kamen bei
alliierten Bombardements gegen die Rüstungsbetriebe ums Leben.
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Pjotr Korschunkow
* 1919 in Stavropol (Sowjetunion)
† 2002 in Ust-Bargusin am Baikalsee
Fotograf und Bildhauer, Soldat in der Roten Armee
Korschunkow kam 1942 bei Smolensk in deutsche Kriegsgefangenschaft, durchlief mehrere Lager und kam im Februar 1945 aus
dem KZ Groß-Rosen in das KZ „Leipzig-Thekla“.
Er überlebte das Massaker von Abtnaundorf und kehrte in die
Sowjetunion zurück.
Kriegsende und Todesmärsche
Mit der Auflösung vieler Konzentrationslager im besetzten Polen kamen im letzten Kriegsjahr weitere 1.000 KZ-Häftlinge in das Außenlager „Leipzig-Thekla“. Das Lager war überfüllt.
Am 17. Februar 1945 traf ein Transport mit etwa 600 Häftlingen aus dem Außenlager Gassen des KZ
Groß-Rosen ein. Die erschöpften Häftlinge konnten nicht zur Arbeit eingesetzt werden, weshalb sie
auch nicht versorgt wurden. "Wir suchten nach Speiseresten, und wenn wir Regenwürmer fanden,
aßen wir sie auf", erinnerte sich der ehemalige Gefangene Piotr Pikulinski. In den folgenden Tagen
starben 37 Menschen.
Zwischen dem 9. und 11. April 1945 kamen vorübergehend 300 jüdische Frauen aus dem Buchenwalder Außenlager Hessisch-Lichtenau nach „Leipzig-Thekla“. Dafür wurde eine Baracke separat
umzäunt und vom Männerlager getrennt.
Im Februar/März 1945 waren mit Ausnahme von Werk III die meisten Produktionseinrichtungen der
Erla-Werke in Leipzig durch Bombardements zerstört. Es wurde kaum noch gearbeitet. Um ihre Verbrechen zu verwischen, bereiteten die Werksverwaltung und die SS die Auflösung der Lager vor. Am
13. April 1945 wurden etwa 1.500 Häftlinge auf einen „Todesmarsch“ getrieben, zu dem Tausende
Männer und Frauen anderer Leipziger Konzentrationslager stießen. Der etwa 500km lange Fußmarsch quer durch Sachsen kostete viele weitere Häftlinge das Leben. Von den Tausenden, die auf
diesen Marsch gingen, erlebten nur etwa 300 Menschen die Befreiung durch die Rote Armee bei Teplice (Tschechoslowakei).
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Das Massaker von Abtnaundorf
Nach dem letzten Appell am 17. April 1945 waren 304 kranke und nicht gehfähige und sterbende KZ-Häftlinge unter SS-Bewachung zurückgeblieben. Unter ihnen waren etwa 230 Häftlinge aus dem
KZ-Außenlager Gassen, die erst im Februar nach Leipzig gekommen waren.
Wenige Tage später, am 18. April 1945, fand in „Leipzig-Thekla“ ein Verbrechen statt, das als „Massa ker von Abtnaundorf“ international bekannt wurde. Zwölf SS-Männer sperrten die kranken Häftlinge in eine Baracke ein, übergossen diese mit Benzin und schossen sie mit Panzerfäusten und Maschi nengewehren in Brand. Viele Häftlinge, die aus der brennenden Baracke fliehen konnten, wurden von
den Tätern mit Maschinenpistolen getötet. Einigen Häftlingen gelang unter Ausnutzung des dichten
Rauches die Flucht zu den nahe gelegenen Lagern polnischer Zivilarbeiter_innen der Hugo-Schneider-AG (HASAG), die sie aufnahmen und verbargen. Andere wurden in der unmittelbaren Umgebung von der Zivilbevölkerung erschossen oder erschlagen.
Wie viele Menschen tatsächlich Opfer des Massakers geworden sind, konnte bis heute nicht festgestellt werden. Überlebt haben nachweislich 67 Personen. Die meisten Opfer bleiben bis heute vermisst. Die sterblichen Überreste von 84 Männern, von denen 18 identifiziert werden konnten, wurden
am 27. April 1945 auf dem Leipziger Südfriedhof beigesetzt (in der Mittelachse des Hauptweges vom
Nordtor zum Feierhallen- und Krematoriumskomplex).
Eine wenige Stunden später eintreffende Untersuchungseinheit der US Army dokumentierte und
filmte den Ort des Verbrechens. Diese Dokumente dienten als Beweismittel im Nürnberger Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher und erlangten damit internationale Bekanntheit.
Ankunft der US-Army im geräumten Lager
„Leipzig-Thekla“ nach dem Massaker von Abtnaundorf
(Bild: United States Holocaust Museum Archives
Washington)
Nach dem Massaker von Abtnaundorf
(Bild: Margaret Bourke-White)
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Am Massaker von Abtnaundorf waren nicht nur Mitglieder der SS beteiligt. Auch Angehörige der
Leipziger Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und des Volkssturms Schönefeld gehörten zu den Tätern,
ebenso wie etwa 35 Männer des Erla-Werkschutzes und Feuerwehrleute aus dem Erla-Hauptwerk.
Schon am 12. April 1945 hatte es Absprachen zwischen dem Leipziger Gestapo-Chef Fritz Anselmi,
dem Polizeipräsidenten General-Major Wilhelm von Grolman und dem Hauptlagerführer der Erla-Werke Walter Wendt über die Auflösung des Lagers und die Beseitigung der kranken Häftlinge gegeben. Auch der Betriebsdirektor der Erla-Werke, Arno Fickert, war davon in Kenntnis gesetzt. Den Befehl zur Ermordung der KZ-Häftlinge unterschrieb SS-Obersturmführer Michaelis.
Fast alle Täter wurden bis 1947 durch US-amerikanische Behörden ermittelt und zur Fahndung ausgeschrieben. Dennoch wurden die Verfahren erst 1975 eingeleitet. Die Ermittlungen dauerten mit
zeitlichen Unterbrechungen bis 1990 und wurden schließlich eingestellt. Nur Hauptlagerführer Walter
Wendt kam 1947 vor Gericht.
Walter Georg Wendt
* 1907 in Leipzig
† 1977 in Filderstadt (Baden-Württemberg)
SA-Oberscharführer, ab 1941 Hauptlagerführer des
Konzentrationslagers „Leipzig-Thekla“. Wendt oblag die Kontrolle
über den Lageraufbau sowie die Aufsicht und Verwaltung.
1947 während des Buchenwaldprozesses zu 15 Jahren Haft verurteilt.
Das Urteil wurde später in fünf Jahre Haft umgewandelt.
Erinnerungen der Überlebenden
Paul Dominikiewicz (1910-1945):
"13. April – Freitag. Schicksalhaftes Datum. Ein Unglückstag. Schon zwei Jahre Internierung; Und ich
versuche zu schreiben. Tatsächlich, wenn ich zurückblicke, finde ich, dass die Monate ganz schön
schnell vergangen sind, obwohl mir die Tage, die Stunden so lang vorkamen. Zwei Jahre ist es her, seit
man mich von den meinen fortgerissen hat. Zwei Jahre Elend, zwei Jahre, in denen ich jegliche
Freiheit verloren habe, in denen man mir jegliche Menschenwürde genommen hat, um mich zu einem
Nummer zu machen. Wie viele haben es nicht geschafft und sind in den zwei Jahren auf der Strecke
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geblieben? Ich frage mich, was der Monat April noch für mich bereit hält. Vergangenes Jahr, am 18.
April, wurde Henkel bombardiert und ich hätte dort fast Knochen gelassen. Ich bin nicht
abergläubisch und hoffe, dass, um mit der Tradition der vergangenen beiden Jahre zu brechen, mir
dieser April die Befreiung und alle Freuden, die damit einhergehen, bringen wird. Ich warte."
Paul Dominikiewicz wurde noch am 13. April 1945 mit vielen tausend weiteren Häftlingen auf den
sogenannten Todesmarsch geschickt. Am 7. Mai wurde er in Sadisdorf (bei Bad Schmiedeberg) von
einem 17-jährigen SS-Anwärter erschossen.
Ryszard Jackowski (*1925 in Warschau):
"...Wir konnten durch die Ritzen genau das Aufleuchten der Geschosse sehen. Es ist uns klar geworden, dass das Lager jetzt endgültig liquidiert wird und wir vernichtet werden sollen. Die Insassen
fingen an, laut zu schreien. Daraufhin fiel ein Feuerhagel von Maschinenwaffen auf uns herab. Es
wurde von der Lagerseite auf die Baracke geschossen. Wir begannen die Pritschen auseinander zu
brechen, um irgendeine Verteidigungswaffe zu haben und um hier herauszukommen. Die Türen und
Fenster gingen von der einen Seite auf das Lager und die Deutschen heraus, auf der anderen Seite
waren Fenster, die auf den Lagerzaun hinausgingen. [...] Auf dieser Seite der Baracke versuchte ich,
durch das von jemandem eingeschlagene Fenster zu gelangen. Es war schwer heraus zu kriechen; von
hinten schubste mich aber ein anderer Häftling einfach heraus. Ich fiel auf den Boden, bin aber gleich
wieder aufgestanden. Eine Rauchwolke umgab mich, und ich ging direkt auf den Zaun zu. Ich hatte
Holzschuhe an, die mir halfen, über den Zaun zu klettern. [...] Hinter dem Zaun war bereits ein Häft ling, der mir beim Heruntersteigen behilflich war. Auf dieser Seite gab es keine Deutschen, da dichte
Rauchwolken sich gebildet hatten. Plötzlich änderte sich die Windrichtung und wir wurden von den
Deutschen bemerkt, die von der anderen Barackenseite aus auf uns das Feuer eröffneten. [...] Fast auf
allen Vieren ist es mir gelungen, etwa 50 Meter zu kriechen. Ich war sehr schwach. Als ich mich umsah, stand die ganze Baracke in Rauch und Flammen; der Dachstuhl begann bereits zusammenzustürzen, und immer noch befanden sich Menschen in der Baracke. Ich sah Menschenkörper in gestreifter Kleidung an dem Drahtzaun hängen – offenbar waren es Häftlinge, die erschossen wurden
oder so erschöpft waren, dass sie nicht mehr weiter kamen. Ich lief weiter..."
Pjotr Korschunkow (1919-2002):
"Ich lag auf meiner Pritsche, als ich den Schrei "Wir brennen!" hörte. Gleichzeitig bemerkte ich den
Geruch von Qualm und ging zum Fenster. In diesem Moment kam es zu einer Detonation und ich
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verlor das Bewusstsein. Als ich zu mir kam stand die Baracke in Flammen. Überall hörte ich Menschenschreie und Maschinengewehrsalven. Trotz meiner Verwundung und halb erstickt durch den
Rauch, kroch ich zum Fenster, das durch die Detonation herausgeschlagen wurde. Vor dem Fenster bildete sich ein Berg aus sich bewegenden menschlichen Körpern, die nicht ins Freie gelangen konnten.
Andere krochen über diesen Berg von entkräfteten und toten Menschen, in der Hoffnung herauszukommen. Über diesen Berg kroch auch ich. Jemand, der hinter mir kroch, hielt mich an den Beinen.
Ich befreite mich und rutschte aus dem Fenster, das bereits in Flammen stand. Im schwarzen Rauch
konnte man kaum die Umrisse von Menschen erkennen. Unter dem Kugelhagel unter dem Schutz des
dunklen Rauchschwadens kroch ich zum Stacheldrahtzaun..."
Nachgeschichte und Erinnerung
Alle Zwangsarbeits- und Konzentrationslager der Erla-Werke wurden bis Ende Juni 1945 aufgelöst.
Auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) wurde die Erla-Maschinenwerke
GmbH demontiert und am 27.08.1949 liquidiert. Das Werk I und einige der dort befindlichen Lager
waren bereits durch Bombardements zerstört worden. Die Konzentrationslager sowie das Werk III in
Abtnaundorf waren unzerstört.
Schon im Januar 1946 wurde an der Theklaer Straße provisorisch ein Denkmal errichtet, das an die
Opfer des Massakers von Abtnaundorf erinnerte. 1957 wurde der Grundstein für das heutige
Mahnmal gelegt, das sich etwas abseits des früheren KZ befindet. Die Gestaltung übernahm der Bad
Lausicker Bildhauer Gustav Tschech-Löffler. Am 13. September 1958 wurde es feierlich eingeweiht
und ist seitdem zentraler Schauplatz jährlicher Gedenkveranstaltungen an die Leipziger Opfer des
Nationalsozialismus.
Einweihung des
Mahnmals 1958
(Bild: Fritz Bohne,
Stadtgeschichtliches
Museum Leipzig)
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Weitere Informationen:
Karl-Heinz Rother / Jelena Rother: Die Erla-Werke und das Massaker von Abtnaundorf, Leipzig 2013.
Erhältlich über den Bund der Antifaschisten e. V. Leipzig, Zschochersche Straße 21, 04229 Leipzig, Tel.
+49 (0)341 4934 731, bdaleipzig@web.de und in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig.
Bericht der Untersuchungsgruppe der U.S.Armee für Kriegsverbrechen Nr. 6822
vom 1.5.1945, RG338, National Archives. USA.
Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: +49 (0)341 235 2075
Email: gedenkstaette@zwangsarbeit-in-leipzig.de
Homepage: www.zwangsarbeit-in-leipzig.de
Impressum
Konzeption, Bildauswahl, Texte: Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, Jelena Rother, VVN-BdA
Leipzig, Siedlerverein „Moränensiedlung Portitz“ e.V., Bürgerverein Nord-Ost, Dr. Günther Schmidt.
Redaktion: Jelena Rother, Anne Friebel
Wir danken Dr. Johanna Sänger und Dr. Günther Schmidt für inhaltliche Zuarbeiten und dem
Kulturamt der Stadt Leipzig für die Unterstützung unseres Projekts.
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