Operationsverfahren bei Leistenbruch/Leistenhernien
Transcription
Operationsverfahren bei Leistenbruch/Leistenhernien
Leistenhernien (Leistenbruch) Leistenhernien sind krankhafte Vorwölbungen von Organen aus dem Bauchraum, die durch eine Schwachstelle in der Bauchwand in den Leistenkanal hineinziehen. Der Leistenkanal hat eine röhrenförmige Struktur und zieht schräg durch die vordere muskuläre Bauchwand. Beim Mann verlaufen in diesem Kanal die Samenstrangstrukturen (Samenleiter, Blutgefäße, Nerven), bei der Frau das Mutterband. Bei Männern treten Leistenhernien etwa 6 bis 8 mal häufiger auf als bei Frauen. Der Leistenbruch kann angeboren sein oder im Laufe des Lebens entstehen. Ursachen für die Entstehung von Leistenbrüchen ist fast immer ein erhöhter Druck in der Bauchhöhle. Daher treten Leistenhernien häufig bei Patienten mit Prostatavergrößerungen oder chronischer Verstopfung auf. Eine weitere Ursache ist die sogenannte Schwäche des Bindegewebes. Hernien können außer im Leistenkanal auch in fast allen sonstigen abdominellen Regionen auftreten (Nabelbrüche, sonstige Bauchwandbrüche, Zwerchfellbrüche, Narbenbrüche). Das häufigste Symptom einer Leistenhernie ist die plötzlich bemerkte, manchmal schmerzlose Vorwölbung der Bauchwand neben dem Schambeinhöcker. Diese Vorwölbung ist zunächst häufig nur im Stehen oder beim Pressen sichtbar und verschwindet beim Liegen. Bei voller Blase oder vollem Darm kommt es häufig zu leichten Schmerzen, zu Einklemmungsgefühlen beim Sitzen. Lange bestehende Leistenhernien können sehr groß werden, bis in den Hodensack reichen oder von außen durch die Kleidung sichtbar werden. Große, weit austretende Hernien verschwinden auch im Liegen nicht mehr spontan. Die Patienten können die im Bruchsack liegenden Organe meist durch vorsichtige Massage wieder in den Bauchraum zurückbefördern. Diese Hernien verursachen Beschwerden beim Pressen, beim Stuhlgang oder beim Wasserlassen. Ein Sonderfall – und sehr gefährlich – ist die eingeklemmte Leistenhernie. Hier kann weder der Patient noch ein Arzt die im Bruchsack fixierten Organe wieder in den Bauchraum zurück-befördern. Der nach außen verlagerte Darm ist oft prall geschwollen, hart und droht zu platzen. Meist bestehen sehr starke Bauchschmerzen aufgrund der Abklemmung des Darmes und seiner Blutgefäße. Da die Unterbrechung der Blutversorgung innerhalb weniger Stunden zum Absterben des eingeklemmten Darmabschnittes führen kann, ist in solchen Fällen immer eine Notoperation erforderlich. Eine Leistenhernie schließt sich nicht wieder von allein. Da die Größe des Bruches aber mit der Zeit zunimmt, sollte eine operative Behandlung möglichst bald nach der Diagnosestellung erfolgen. Konservative Maßnahmen wie Bruchbänder sind ungeeignet. Sie dienen ausschließlich der Behandlung schwerst erkrankter Patienten, denen keine Operation mehr zugemutet werden kann. Bei der operativen Behandlung einer Leistenhernie wird der Bruchsack freigelegt, eröffnet und sein Inhalt (meist Fettgewebe oder Dünndarmschlingen) wieder in den Bauchraum zurückverlegt. Anschließend wird die Bruchpforte verschlossen. Dieses kann entweder konventionell durch eine mehrschichtige Naht erfolgen (offene Operation) oder aber minimal-invasiv (laparoskopisch) durch Verstärkung der vorderen Bauchwand mit einem Kunststoffnetz über einen transperitonealen (TAPP) oder total extraperitonealen (TEP) Zugang. Im Laufe von über 100 Jahren Leistenhernienchirurgie sind viele Verfahren entwickelt und auch wieder verworfen worden. Die nachstehenden OP-Verfahren haben sich zur Behandlung eines Leistenbruches am besten bewährt: • Offene Leistenhernienoperationen: OP nach Shouldice, Lotheissen/Mac-Vay, Kirschner und Bassini • • Laparoskopische LH-OP’s: TAPP, TEP, (spannungsfreie, minimal-invasiv) Kombinationsoperationen: Lichtenstein-OP (offene Operation, kombiniert mit einer Verstärkung der vorderen Bauchwand durch ein Netz, sowie Plug-Techniken Offene Leistenbruchoperationen Wir bevorzugen bei den offenen Operationen das Verfahren nach Shouldice. Hierbei wird durch einen schrägen Leistenschnitt von 5 – 7 cm Länge der meist am Samenstrang anliegende Bruchsack freigelegt und von diesem abpräpariert. Der Bruchsack wird eröffnet, die Bauchhöhle ausgetastet, dann wird die überstehende Bruchsackwand abgetragen. Anschließend wird die geschwächte Hinterwand des Leistenkanals durch 2 Nahtreihen gedoppelt. (Fasciendopplung). Darüber erfolgt in zwei weiteren fortlaufenden Nahtreihen die Annaht der Bauchwandmuskulatur an den Unterrand des Leistenbandes. Der Samenstrang wird in den Leistenkanal zurückgelegt und die Aponeurose des M. obliquus externus über diesem verschlossen. Der Eingriff dauert etwa 25-45 Minuten. Nach Angaben der Fachliteratur ist in 4 – 8 % der Fälle mit einem Rezidiv (Wiederauftreten der Hernie am gleichen Ort) zu rechnen, oft innerhalb der ersten 18 Monate nach der Operation. Vorteile der offenen Operationsverfahren In Abwandlungen seit über 100 Jahren bekannte Operationsmethode. Der Eingriff kann auch in Regionaloder Lokalbetäubung sowie ambulant durchgeführt werden, die Kosten für den Eingriff sind vergleichsweise gering. Nachteile der offenen Operationsverfahren Die Reparatur erfolgt gegen den Muskelzug der Bauchmuskeln. Dieses verursacht Schmerzen und kann bei schwacher Gewebestruktur ein Ausreißen der Nähte zur Folge haben. Die notwendige Präparation des Samenstranges kann zur Hodenschädigung führen. Die Ausheilung benötigt mehrere Wochen. Dieses führt zu entsprechend langer Arbeitsunfähigkeit und zu länger anhaltenden Schmerzen. Die kindliche Leistenhernie wird in einer einfachen, abgewandelten offenen Form über einen winzigen Hautschnitt operiert. Hier ist in aller Regel nur der Verschluß des Bruchsackes und eine Einengung des Leistenringes erforderlich. Eine aufwändige plastische Rekonstruktion der vorderen Bauchwand ist nicht erforderlich. Laparoskopische Leistenhernienoperationen Bei den minimal-invasiven, spannungsfreien Operationsverfahren unterscheidet man zwischen den transperitonealen (TAPP) und extraperitonealen Verfahren (TEP). Wir führen je nach Situation (einseitige oder beidseitige Hernien, größere Voroperationen, zusätzliche Fragestellungen im Bauchraum) beide Verfahren durch. Das Netz wird in beiden Fällen exakt auf die gleiche Position gebracht, es liegt zwischen der Muskulatur der vorderen Bauchwand und dem Bauchfell, welches das Netz vollständig abdeckt einen direkten Kontakt mit dem Darm verhindert. Zunächst wird der Bauchraum über einen Minischnitt im Bereich des Bauchnabels eröffnet und mit CO2 aufgefüllt, dann wird über einen Port eine Miniaturkamera eingesetzt, über welche der Bauchraum vollständig untersucht und die Bilder des Bauchraumes auf einen Monitor übertragen werden. Anschließend werden über zwei 5 mm-Ports im rechten und linken Mittelbauch spezielle laparoskopische Operationsinstrumente eingesetzt. Das Peritoneum (Bauchfell) wird von der inneren Bauchwand abpräpariert, der Bruchsack wird in die Bauchhöhle gezogen. Anschließend wird ein vorgeformtes Polyproylenenetz so auf der vorderen Bauchwand ausgebreitet, dass das in der Bauchdecke vorhandene Loch (Bruchpforte) und alle sonstigen Schwachstellen in der Umgebung von dem Netz abgedeckt werden. Bei großen Leistenbrüchen kann das Netz entweder an der Muskulatur angenäht werden, es kann mit winzigen Titan-Klämmerchen vor dem Verrutschen gesichert oder mit einem biologischen Klebstoff auf die Muskulatur aufgeklebt werden. Bei den transperitonealen Verfahren wird das geöffnete Bauchfell über dem Netz zusammengenäht, so dass keinerlei Kontakt mehr zwischen diesem Netz und den Bauchorganen besteht. Bei den extraperitonealen Verfahren legt sich das Bauchfell nach dem Ablassen des CO2 von alleine auf das eingebrachte Netz. In beiden Fällen ist die vordere Bauchwand ist sofort wieder stabil und für normale Tätigkeiten (Laufen, Treppen steigen, Radfahren) belastbar. Nur schwere körperliche Tätigkeiten sollten 10 Tage bis zur festen Einheilung des Netzes vermieden werden. Die Operation dauert 30-40 Minuten, sie erfordert eine Vollnarkose. Vorteile des Verfahrens: Minimal-invasive Operationsmethode mit 3 winzigen Hautschnitten und entsprechend geringen Schmerzen. Die Bauchwand wird durch den Eingriff kaum verletzt, die Reparatur ist unbeeinflusst vom Muskelzug (spannungsfrei). Ideale Methode bei schwachem Gewebe, bei Menschen, die sich schwer körperlich belasten müssen, bei Rezidivhernien, bei beidseitigen Leistenbrüchen, die einfach in einer Sitzung operiert werden können und bei Patienten, die einen sofortigen hohen Aktivitätsdrang haben, (z. B. Patienten, die sich keine Arbeitsunfähigkeit erlauben können, Sportler) Nachteile des Verfahrens: Seit etwa 15 Jahren in Deutschland verbreitete Methode, Langzeitergebnisse sind erst über diesen Zeitraum vorhanden, theoretische Bedenken gegen permanent im Körper bleibende Netze. (Diese Bedenken werden durch keinerlei wissenschaftliche Fakten gestützt), das Verfahren erfordert eine Vollnarkose, das Operationsverfahren ist teuer, eine High-Tech-Ausrüstung des Operationssaales erforderlich. Kombinationsverfahren Hierunter zählen wir alle Verfahren, die eine offene Operation mit einer Verstärkung der vorderen Bauchwand durch ein Kunststoffnetz kombinieren oder einfach die Bruchpforte durch ein Kunststoffmaterial abstopfen (Plug-Technik). Wir operieren auf diese Weise, wenn Alters- oder Krankheitsgründe gegen eine Narkose sprechen, gleichzeitig aber das Gewebe im Leistenkanal für eine Reparatur mit körpereigenem Gewebe zu schwach ist, so dass ein baldiges Rezidiv zu befürchten wäre. Bei den Plug-Techniken werden Kunststoffnetze über relativ kleine Hautschnitte nach Entfernung des Bruchsackes in das Loch der vorderen Bauchwand eingeschoben und auf verschiedene Weise dort fixiert. Da es bei diesen Verfahren gelegentlich zu Schmerzausstrahlungen und Fremdkörpergefühlen kommt und die Verfahren kaum zu einer Verstärkung der Leistenhinterwand führen, gehören sie bei uns nicht zu den empfohlenen Operationsverfahren. Das bevorzugt empfohlene Operationsverfahren der Abteilung für Allgemeine Chirurgie im St. AntoniusHospital Gronau für ausgewachsene Menschen ist die spannungsfreie laparoskopische transperitoneale oder extraperitoneale minimal-invasive Operationsmethode, da • • nur sehr selten Rezidive auftreten, • • die Schmerzen erheblich geringer sind als bei konventionellen Leistenbruchoperationen • nur sehr kurzfristig Arbeitsunfähigkeit besteht • die vordere Bauchwand unmittelbar nach der Operation schon stabil ist • die eingesetzten Netze sich als unproblematisch erwiesen haben; sie sind der eigentliche Grund die Patienten sehr früh belastbar sind, Wundinfektionen praktisch keine Rolle spielen und für den deutlichen Fortschritt in der Leistenhernienchirurgie, Wir empfehlen das offene OP-Verfahren nach Shouldice bei Patienten mit kleinen indirekten Leistenhernien, bei jungen Menschen, die sich noch im Wachstum befinden, bei jungen Frauen mit noch bestehendem Kinderwunsch. Anhang - Bilder aus der chirurgischen Abteilung der St. Antonius-Gronau GmbH