Erfahrungsbericht aus Cadiz im WS 2005/06
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Erfahrungsbericht aus Cadiz im WS 2005/06
Erfahrungsbericht aus Cadiz im WS 2005/06 verfaßt von: Studiengang: Annelie Morgenroth Medizin, 4. Studienjahr Anmeldung: Als ich mich im Januar 2005 dazu entschloß, in Cadiz zu studieren, war ich zunächst sehr überrascht, wie einfach dies ist, denn es war noch nicht einmal eine Bewerbung nötig. Ich habe mir lediglich die Anmeldeformulare aus dem Akademischen Auslandsamt abgeholt und diese ausgefüllt. Finanziell wurde der Aufenthalt zum größten Teil vom Amt für Ausbildungsförderung in Heidelberg (Tel.: 06221/540) getragen. Zusätzlich bekommt jeder Erasmusstudent ein Stipendium vom jeweiligen Akademischen Auslandsamt. Krankenversicherung: Von vielen Krankenkassen bekommt man auf Nachfrage eine Europäische Krankenversichertenkarte, die fast die gleichen Leistungen abdeckt, wie die Deutsche. Allerdings ist der Krankenrücktransport nicht enthalten. Für diesen Fall müßte man eine private Zusatzversicherung abschließen, worauf ich jedoch verzichtet habe. Flugbuchung: Sehr zu empfehlen ist ein Flug mit Condor, da diese Fluggesellschaft sehr kulant und zuverlässig ist und bei mir sogar 10 Kilo Übergepäck ohne Zuzahlung toleriert hat. Im Internet bekommt man die Flüge oft zu absoluten Schnäppchenpreisen (zw. 30 und 100 Euro). Die Flüge bei Ryan Air sind zwar auch günstig, jedoch muß hier für jedes Kilo Übergepäck bezahlt werden. Sprachkenntnisse: In der Oberstufe des Gymnasium hatte ich bereits drei Jahre Spanisch. Es empfiehlt sich allerdings sehr, vorhandene Kenntnisse vor Antritt des Auslandsstudiums aufzufrischen. Ich habe deshalb einen 4-wöchigen Sprachkurs in Sevilla in einer sehr kleinen Sprachschule direkt im Zentrum absolviert. Die Schule heißt Alhambra Instituto Internacional (Adresse: General Castanos 27, 41001 Sevilla, Tel: 0034-954502043). Sie ist auf jeden Fall weiterzuempfehlen, da der Unterricht in sehr kleinen Gruppen (5-10 Personen) stattfindet und die Lehrer sehr geduldig und kompetent sind. Dieser Kurs ist allerdings teurer (mit Unterkunft ca.700 Euro) als der Intensivkurs an der Uni in Cadiz. Während des Semesters habt ihr zudem die Möglichkeit, nachmittags oder abends von montags bis donnerstags für je zwei Stunden einen Sprachkurs an der Uni zu absolvieren. Anmelden könnt ihr euch zu Semesterbeginn (Kosten: 50 Euro pro Modul). Wetter: Selbst im Wintersemester braucht man in Cadiz keine dicke Jacke, denn die Temperaturen liegen dann so zwischen 8 und 15 Grad. Dies allerdings draußen wie drinnen, da es in den Wohnungen keine Heizungen gibt. Frostbeulen sollten sich daher vor Ort unbedingt einen Heizlüfter zulegen. Cadiz liegt übrigens zurecht an der Costa de la Luz, an der Küste des Lichtes, denn hier scheint eigentlich fast immer die Sonne. Freut Euch also auf milde Winter und heiße, trockene Sommer mit Durchschnittstemperaturen von 30 Grad. Badesachen nicht vergessen!!! Anreise: Wie bereits erwähnt, sind die Flüge so billig, daß es sich nicht lohnt, mit dem Auto nach Cadiz zu reisen. Cadiz hat jedoch keinen eigenen Flughafen. Der nächste Flughafen ist Jerez de la Frontera, der mit dem Bus in einer guten Stunde von Cadiz zu erreichen ist. Der Flug dorthin dauert von Hamburg etwa 3:30 Stunden. Vom Flughafen fahren im Abstand von 2 oder 3 Stunden Busse nach Cadiz. Eine Fahrkarte kostet nur 2,60 Euro. Die schnellere Alternative wäre ein Taxi bis zum (Bus-)Bahnhof für 12 Euro und von hier aus mit dem Bus oder Zug weiter nach Cadiz. Endlich in Cadiz: In Cadiz angekommen, solltet ihr als erstes ins Oficina Internacionales in die Calle Ancha Nr. 16 gehen. Dort meldet ihr euch an und bekommt sehr nett erklärt, welche Oficinas ihr als nächste abarbeiten müßt. Bei Verständigungsproblemen macht euch keine Sorgen, denn es gibt dort auch Angestellte mit sehr guten Deutschkenntnissen. Ich wurde nach der Anmeldung im Oficina Internacionales zu meiner Koordinatorin in die Medizinische Fakultät geschickt, wo ich mir meine Fächer ausgesucht habe. Wohnungssuche: In fast allen Fakultäten bzw. im Oficina Internacionales hängen Wohnungsanzeigen an den Pinnwänden. Im Unigebäude (Servicios Generales) in der Calle Doctor Maranon könnt ihr euch auch Wohnungsangebote ausdrucken lassen. Die Studentenwohnungen sind meistens möbliert und die Mieten liegen zwischen 100 und 300 Euro, die Nebenkosten sind niedriger als in Deutschland. Besonders zum Sommersemester ist es relativ schwierig, ein schönes Zimmer zu finden. Daher sollte man min. zwei Wochen vor Semesterbeginn auf Wohnungssuche gehen. Konto: Es ist nicht notwendig, ein spanisches Konto zu eröffnen. Mit eurer EC-Karte könnt ihr bequem an jedem Bankautomaten Geld abheben, dies allerdings nur gegen eine Gebühr von ca. 3,50 Euro. Noch ein paar Worte zur Stadt: Cadiz ist mit etwa 155 000 Einwohnern die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz an der Atlantikküste Andalusiens. Um 1100 v. Chr. von den Phöniziern als wichtige Handelsniederlassung gegründet, gehört Cadiz zu den ältesten Städten Europas. Sie liegt auf einer 9km langen Halbinsel, die nur durch eine schmale Landzunge mit dem Festland verbunden ist. Die Puerta Tierra aus dem 18. Jahrhundert bildet den Übergang von der Altstadt zur Neustadt. Die Altstadt besteht aus schmalen Gassen und zahlreichen kleinen Plätzen. Im Winter spielt sich das Leben hauptsächlich hier ab. Besonders beliebt bei den Jugendlichen sind die sogenannten Botellons, bei denen man sich auf einem der Plätze zum feucht-fröhlichen Beisammensein trifft. Außerdem gibt es in der Altstadt zahlreiche gemütliche Bars, die zu leckeren Tapas und Getränken zu fairen Preisen einladen. Zu empfehlen ist die Bar „Las Palomas“ in der Calle Enrique de las Marinas. Die meisten Unigebäude befinden sich in der Altstadt. Die Vorlesungen für die Medizinstudenten finden entweder in der medizinischen Fakultät in der Altstadt, in der Neustadt gegenüber vom Krankenhaus Puerta del Mar oder außerhalb von Cadiz in Puerto Real statt. Dies hängt davon ab, zu welchem Krankenhaus ihr zugeteilt werdet. In der Regel bekommen die Erasmusstudenten jedoch einen Platz in der Neustadt. Die Neustadt ist bei weitem nicht so schön wie die Altstadt. Sie wird von einer viel befahrenen Hauptstraße, der Avenida Andalucia, durchzogen. Klotzartige Bettenburgen, Hotels, Restaurants und Supermarktketten prägen das Bild. Trotz der weniger überzeugenden Architektur zieht es im Sommersemester alle in die Neustadt. Grund dafür, sind die traumhaften, weiten Strände. In der Altstadt gibt es lediglich einen kleinen Strand, den Playa de la Caleta. Das halbrunde weiße Kurhaus Balneario de la Palma und die vielen kleinen Fischerboote verleihen diesem Ort jedoch ein ganz besonderes Flair. Uni: Ich habe Augenheilkunde und Innere Medizin belegt. Die Vorlesungen waren täglich von 8-10 Uhr. Danach hatten wir bis um 1 Uhr Praktika, so daß nachmittags noch genügend Zeit zum Lernen oder für Sprachkurse blieb. In den Praktika durften wir leider fast gar nichts selbständig machen. In meinen insgesamt zehn Wochen Praktika durften wir nur etwa fünf Anamnesegespräche selbständig führen. Meistens lief ich mit drei anderen Medizinstudenten bei der Visite mit oder verfolgte die ambulante Sprechstunde. Ich habe in dieser Zeit, die Praktika an meiner deutschen Uni wirklich zu schätzen gelernt. Was die Klausuren anbelangt, so kann ich euch nur raten, solche mit MC-Fragen nach Möglichkeit zu umgehen. Meine Klausuren waren zum einen zeitlich sehr knapp bemessen (weniger als 90 sec. pro Frage) und zum anderen zumindest für mich schwer zu verstehen. Außerdem liegt die Bestehensgrenze manchmal bei 75 Prozent. Erkundigt euch am besten rechtzeitig bei Kommilitonen oder Professoren. Viele Professoren bieten für Erasmusstudenten auch mündliche Prüfungen oder Klausuren mit offenen Fragen an. Freizeit: Cadiz ist vor allem für Wassersportler und Strandliebhaber ein wahres Paradies. Aber auch Fiestabegeisterte kommen auf ihre Kosten. Sie dürfen den Karneval Ende Februar auf keinen Fall verpassen, denn dann ist die ganze Stadt eine einzige Party. Der Karneval in Cadiz ist schließlich der Berühmteste im ganzen Land. Kostüme sind Pflicht und jeder zeigt, was an Originalität in ihm steckt und so sieht man fast eine Woche lang lustige Gestalten in den Gassen und Bars von Cadiz. Tag und Nacht wird getanzt, getrommelt und natürlich auch viel getrunken. Die Fiestas sind aber auch nach Karneval ein wichtiger Bestandteil der andalusischen Kultur. Malerische Strände, Sherry und Flamenco unter afrikanischer Sonne sorgen nicht nur bei den Gaditanos, den Einwohnern von Cadiz, für gute Stimmung, sondern ziehen gerade zu Zeiten der Billigflüge tausende Touristen besonders aus England und Deutschland magnetartig an. Hinzu kommen die 300 bis 400 Erasmusstudenten pro Semester, von denen fast die Hälfte aus Deutschland kommen. Stellt euch also bitte darauf ein, daß ihr nicht der oder die einzige Deutsche in Cadiz sein werdet. Es erfordert sehr viel Disziplin, möglichst kein Deutsch zu sprechen und sich nur darauf zu konzentrieren, spanische Kontakte zu knüpfen. An dieser Stelle möchte ich noch auf den starken Dialekt der Gaditanos zu sprechen kommen, der die Kommunikation trotz vorhandener Spanischkenntnisse der „Nichtspanier“ erheblich erschwert. Sehenswertes in Andalusien: In Andalusien gibt es wirklich viel zu entdecken. Nutzt also die Wochenenden oder Feiertage für Kurzreisen in die Umgebung. Es lohnt sich! Lest am besten in Reiseführern nach, welche Orte euch am meisten interessieren würden. Reisen in Andalusien ist ziemlich günstig. Wenn ihr nicht mit dem Bus reisen wollt, könnt ihr euch auch mindestens einen Tag vor Reiseantritt einen Leihwagen im Internet unter www.spanien-leihwagen.com buchen (Kosten: ab 50 Euro für drei Tage). Mein schönstes Erlebnis war Whale Watching in der Straße von Gibraltar. Im Internet findet ihr dazu nähere Informationen unter www.dolphinresort.org Mein Fazit: Für mich hat sich der Auslandaufenthalt auf jeden Fall gelohnt, da ich viele wertvolle Erfahrungen gesammelt und viel von dem wunderschönen Andalusien gesehen habe. Stünde ich jedoch noch einmal vor der Wahl des Studienortes, würde ich mich gegen Cadiz entscheiden, da meine Erwartungen an einen Auslandsaufenthalt dort nicht erfüllt wurden. Zum einen bestanden für mich erhebliche Integrationsschwierigkeiten, zum anderen ist der starke Dialekt der Gaditanos zum Erlernen des „Hochspanisch“ wenig geeignet und selbst für Nordspanier schwer zu verstehen. Meiner Erfahrung nach sind die Gaditanos zwar freundlich, jedoch auch oberflächlich. Ich vermißte ihr Interesse für andere Länder und Kulturen, eine gewisse Weltoffenheit. Obwohl der Tourismus in Andalusien mittlerweile die Haupteinnahmequelle darstellt, sprechen die wenigsten Gaditanos Fremdsprachen wie Englisch oder Deutsch. Traditionspflege scheint wichtiger als Fortschritt. Hektik und Alltagsstreß lehnen die meisten strikt ab. Vielleicht dauerte es deshalb ganze zwei Wochen, einen wichtigen Termin bei der für mich verantwortlichen Koordinatorin der medizinischen Fakultät zu bekommen. Wundert euch also bitte nicht, wenn alles etwas länger dauert oder unkoordiniert abläuft, was sowohl die Uni als auch das tägliche Leben anbelangt. Im Krankenhaus habe ich mit meiner Praktikumsgruppe oft über eine Stunde auf unseren verantwortlichen Arzt gewartet. Ich bewunderte in diesen Situationen immer die Gelassenheit meiner spanischen Kommilitoninnen und lernte mit der Zeit, auch ruhiger zu werden. Mit meinem Fazit möchte ich jedoch nicht allen von einem Auslandssemester in Cadiz abraten, sondern lediglich meine eigenen Erfahrungen schildern. Ich habe durchaus deutsche Erasmusstudenten in Cadiz kennengelernt, die sich dort sehr wohlfühlten, andere wiederum teilten meine Ansichten und Eindrücke. Am besten ihr macht eure eigenen Erfahrungen. Bei Fragen stehe ich euch gerne zur Verfügung. Schreibt mir doch einfach eine E-mail: anneliemorgenroth@gmx.de Lubmin, den 21.03.2006