Konzept-Broschüre - Lernort Zivilcourage
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Konzept-Broschüre - Lernort Zivilcourage
Konz ept f ür ei nen Lern ort Kisla u Was bietet dieses Heft? Anhang: Das Projekt Warum ein ne uer historische r Lernort? Die Aufgabe Was möchten wir erreichen? Der Ansatz Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten, die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Erich Kästner 1958 Warum Kislau? Der Ort Wie soll der Lernort auss ehen? Das Raumkonz ept Wie wollen wir arbeiten? Das Vermittlungskonzept S. 2 S. 4 S. 6 S. 8 Wie wollen wir arbeiten? Das Vermittlun gskonzept S. 10 Historisches L ernen für zivi les Widerstehen: D er Lernort-Ver ein S. 22 Literaturhinw eise S. 24 Anhang: Unser Gestaltungsko nzept für den Gesc hichtsparcour s des Lernorts Kislau S. 25 Ankommen: Die Lobby S. 12 Eintauchen: Die Zeitschleuse S. 14 Nachspüren: Der Geschichtsparcours S. 16 Aushandeln: Das Forum S. 18 Erkunden: Das Außengelände S. 20 S. 25 Unser Gestaltung skonzept für de n Geschichtsparcou rs des Lernorts Kislau 1. Wer weiß Eine Gesellscam besten, was gut für ein Land ist? haft im Umbr uch 2. Wofür lohn S. 28 Das frühe R t es sich auf die Straß ingen um die e zu gehen? Republik 3. Wie wollen S. 30 w Humanität con ir miteinander leben? tra Mensche nhass 4. Was verlet S. 32 Demokraten zt die Würde? im Fokus re chtsextremer Hetze 5. Wie vertei S. 34 Der Versuch, digt man die Freiheit? den Gang in di e Diktatur au fzuhalten 6. Wie bewah S. 36 Widerstehen re ich Haltung? im Angesicht der „Machter greifung“ 7. Wie viel W S. 38 illkür kann ic Verfolgung, „S h ertragen? chutzhaft“ un d KZs 8. Wie viel w S. 40 ill ic h ri skiere Früher politis cher Widerstn? and 9. Was mache S. 42 ic h, nachdem Bestehen im politischen Ex ich flüchten musste? il 10. Wie weit pa S. 44 ss e ich mich an? Leben unter dem NS-Regim e 11. Was gehen S. 46 m ic h die And Die Rettung von verfolgt eren an? en Menschen 12. Wofür se S. 48 tz e Verweigerung ich mein Leben ein? und Widerstan d im Krieg S. 50 2 WARUM EIN NEUER HISTORISCHER LERNORT? Die Aufgabe Die NS-Geschichte allein von ihrem Ende her zu erzählen, von den Leichenbergen, verschließt […] den Weg zurück zu den Anfängen. Die entscheidende Frage ist, wie sich diese Gewalt aus einer modernen Gesellschaft […] heraus entwickeln konnte. Harald Welzer 2002 Die Ausgangslage In Baden-Württemberg gibt es viele kleine und wenige größere Gedenkstätten, die sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus befassen. Wie beim Gros vergleichbarer Einrichtungen in Deutschland stehen dort entweder die Verfolgung und der Terror des NS-Regimes oder aber der späte Widerstand gegen die Diktatur ab 1939 im Mittelpunkt der Betrachtung. Alle diese Gedenkstätten leisten seit Jahren einen erfolgreichen Beitrag zur Erinnerungsarbeit und zur Demokratievermittlung. Die Perspektiven erweitern Wir vom Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. (LZW) möchten im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus vor allem zwei Fragen in den Vordergrund stellen, die wir als zentral für unsere Gesellschaft erachten: Wie lässt sich die Aushöhlung einer Demokratie 3 beizeiten erkennen und wie können wir ihr entgegensteuern? In diesem Sinne möchten wir auch die Vorgeschichte der NS-Diktatur und ganz konkret das Wirken von Menschen in den Fokus rücken, die sich dem Gang in die Diktatur entgegenstemmten und die Weimarer Republik gegen ihre Feinde verteidigten. Viele dieser Menschen setzten sich auch noch nach der NS-„Machtergreifung“ unter akuter Gefahr für Leib und Leben gegen das sich etablierende Regime ein. Neben dem späten Widerstand gilt es auch diesen frühen Widerstand in den Blick zu nehmen. Neue Vermittlungsformen entwickeln Für heutige Jugendliche ist die Zeit des Nationalsozialismus im Wortsinne Geschichte: Nur die wenigsten jungen Menschen haben heute noch einen persönlichen Bezug zu Zeitzeugen. Gleichzeitig steigt in unserer Migrationsgesellschaft die Zahl derer, die aus einer anderen Perspektive auf diesen Teil der deutschen und europäischen Geschichte blicken und neue Impulse einbringen. Vor diesem Hintergrund möchten sich junge Menschen dem Thema „Nationalsozialismus“ auf anderen Wegen nähern – ohne den Zwang zur Betroffenheit sowie mit Fragestellungen, die einen Bezug zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit eröffnen (vgl. unter anderem Schlag/ Scherrmann 2005 oder Knigge 2010). Auch die veränderte mediale Prägung der jüngeren Generation macht die Erarbeitung neuer Vermittlungsformen notwendig. Einen Lernort im badischen Landesteil schaffen Neben dem Dokumentationszentrum zum ehemaligen württembergischen KZ Oberer Kuhberg in Ulm wird mit dem Lernort in der ehemaligen württembergischen Gestapo-Zentrale Hotel Silber in Stuttgart demnächst eine zweite Einrichtung eröffnen, die eine Gesamtschau auf die württembergische Landesgeschichte in der NS- Zeit ermöglicht. Auch im badischen Landesteil möchten wir ein attraktives Angebot schaffen, das die NS-Geschichte in regionaler Perspektive zum Gegenstand macht. Vor allem Schulklassen und anderen Gruppen junger Menschen möchten wir einen Anlaufpunkt in verkehrsgünstiger und zentraler Lage bieten, an dem die badische Landesgeschichte jener Jahre zeitgemäß präsentiert und zur Diskussion gestellt wird. Deshalb planen wir einen Lernort auf dem Areal des ehemaligen badischen Konzentrationslagers Kislau, in dem zwischen 1933 und 1939 Hunderte Nazi-Gegner festgehalten wurden. Der aktuelle Sachstand 2014 hat der Landtag von Baden-Württemberg die Wichtigkeit des Projekts Lernort Kislau fraktionsübergreifend anerkannt: Für ein Anschubprojekt zur Errichtung des Lernorts wurden unserem Verein im Landesdoppelhaushalt 2015/16 Mittel bereitgestellt. Auf dieser Grundlage erarbeiten wir ein Vermittlungskonzept. Auch haben wir mit diesen Mitteln ein räumliches Konzept für einen Neubau vor den Mauern von Schloss Kislau entwickelt und im Frühjahr 2016 einen Architekturwettbewerb ausgelobt. Unsere Agenda In dieser Broschüre stellen wir den aktuellen Stand unserer Konzeptarbeit vor. Im engen Dialog mit jungen Menschen möchten wir das Konzept im weiteren Verlauf des Jahres 2016 verfeinern und justieren. Parallel dazu gilt es Mittel für den Bau einzuwerben sowie den institutionellen Unterhalt durch öffentliche Mittel zu sichern. Schülerinnen und Schüler des Leibniz-Gymnasiums Östringen Anfang 2016 im Generallandesarchiv Karlsruhe bei Aktenarbeiten für den Kislauer Infoparcours 4 WAS MÖCHTEN WIR ERREICHEN? Der Ansatz 5 die Gegenwehr gegen den Nationalsozialismus in der Weimarer Republik sowie auf den frühen Widerstand in den ersten Jahren der Diktatur richten. Damit rückt nicht zuletzt die Frage in den Blick, ob und wie lange es noch möglich gewesen wäre, den Gang in die Diktatur aufzuhalten. 2. Handlungsoptionen aufzeigen Geschichts- und Wertearbeit Hand in Hand Anhand des demokratischen Abwehrkampfs und Widerstands gegen den Nationalsozialismus in Baden möchten wir herausarbeiten, was ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen ausmacht, was es gefährdet und zerstört und was daraus folgen kann. Mit dieser Zielsetzung möchten wir die badische Landesgeschichte der Jahre 1918 bis 1945 am Lernort Kislau zeitgemäß aufbereiten. Vorrangig wenden wir uns an Schulklassen und andere Gruppen junger Menschen. Für sie entwickeln wir eine neuartige Kombination von Geschichts- und Wertevermittlung, die es erlaubt, Bezüge zwischen den historischen Ereignissen und der eigenen Lebenswelt herzustellen. Dabei sind wir von folgenden Motiven geleitet: 1. Den Anfängen wehren Dass die Demokratie auch in unserem Land tagtäglich aufs Neue verteidigt werden müsse, galt lange als ein wohlfeiler Allgemeinplatz. Erst in jüngerer Zeit bricht sich die Erkenntnis Bahn, dass wir gegen eine Erosion unserer politischen Kultur und letztlich auch unseres politischen Systems keineswegs so gefeit sind, wie wir dachten. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass mehr als ein Viertel der Bevölkerung demokratiefeindliche Einstellungen hegt (vgl. etwa Zick/Klein 2014). Über die Gräuel der NS-Diktatur sowie den späten Widerstand gegen das Regime hinaus möchten wir deshalb den Fokus auch auf „Du Opfer!“ gehört schon seit Jahren zu den oft gebrauchten Beschimpfungen auf deutschen Schulhöfen. Diese radikale Umwertung des Begriffs ist eines von vielen Indizien dafür, dass die klassische Täter-Opfer-Zentrierung, wie sie gerade mit Blick auf die NS-Zeit lange vorherrschte, ihre Ziele nur noch bedingt erreicht. Zwar bleibt eine Aufklärung über die Verbrechen der NS-Zeit weiterhin unverzichtbar, zugleich gilt es jungen Menschen aber auch positive Handlungsoptionen aufzuzeigen. In diesem Sinne möchten wir die Nazi-Gegner vor allem als aktiv Handelnde statt als gedemütigte Opfer zeigen. 3. Von „Menschen wie du und ich“ erzählen Wer heute nach den Namen von Widerstandskämpfern gefragt wird, dem fallen meist nur Georg Elser, die Geschwister Scholl oder der Graf Stauffenberg ein. Wir möchten auch jenen Menschen Augenmerk widmen, die die Weimarer Republik bereits vor 1933 aktiv gegen ihre Feinde verteidigt hatten und die vielfach auch unmittelbar nach der NS-„Machtergreifung“ Widerstand leisteten. Die meisten von ihnen stammten aus einfachen Verhältnissen, sie waren „Menschen wie du und ich“. Dies erleichtert es, sich mit ihnen und ihrem Handeln auseinanderzusetzen. 4. Räumliche Nähe schaffen Konkrete Beispiele aus dem eigenen regionalen Umfeld machen Geschichte auch und gerade für junge Menschen anschaulicher und begreifbarer. Diesem Umstand möchten wir Rechnung tragen: Wir nehmen die gesamte badische Landesgeschichte der Jahre 1918 bis 1945 in den Blick. Damit bieten wir sowohl räumlich als auch thematisch vielfältige Anknüpfungspunkte für die Bildungspläne des Landes. 5. Beteiligung und Dialog ermöglichen Wir möchten nicht nur Inhalte präsentieren, sondern die Besucherinnen und Besucher von Anfang an einbeziehen: Sie sind eingeladen, die Geschichte der Region zu erkunden und den Lernort Kislau aktiv mitzugestalten. Insbesondere mit jungen Menschen möchten wir – unabhängig von Vorwissen und Schulart – in einen Austausch über die heute vielfach allzu fern erscheinende Geschichte der Weimarer Republik und der NS-Diktatur treten und daraus Einsichten für die Gegenwart gewinnen. 6. Integriert forschen und vermitteln Die Geschichte von Widerstand und Verfolgung in Baden ist bislang nur lückenhaft erforscht. Auf Initiative unseres Vereins hat das Land zwei Promotionsstipendien bereitgestellt, mit denen ein Teil der klaffenden Lücken geschlossen werden kann. Viele andere Lücken sind noch offen. Am Lernort Kislau möchten wir künftig die gesamte Spannbreite von Widerstand und Verfolgung in Baden dokumentieren und direkt mit der Vermittlungsarbeit verknüpfen. Im engen Dialog mit dem Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg, das sich mit der Geschichte der württembergischen Konzentrationslager befasst, kann so mittelfristig die Widerstands- und Verfolgungsgeschichte des gesamten deutschen Südwestens erforscht werden. „Menschen wie Du und ich“ sowie einstmals bekannten Persönlichkeiten aus der badischen Landesgeschichte gibt die Zeichnerin Katja Reichert in unseren Motion Comics wieder ein Gesicht. 6 7 WARUM KISLAU? Kislau im Lagersystem des NS-Regimes Warum ein Lernort ausgerechnet hier? In Kislau verbindet sich die Wirkkraft eines authentischen Orts mit dem Vorzug optimaler Erreichbarkeit: Erbaut in der Spätrenaissance auf den Fundamenten einer mittelalterlichen Burganlage, diente das „auf der Kieselau“ des Kraichbachs bei Mingolsheim gelegene Schloss einst als Sommerresidenz der Speyerer Fürstbischöfe. Im Zuge der Säkularisierung verlor Kislau seine bisherige Bedeutung und ging in badischen Staatsbesitz über. Seither wurde das Bauensemble auf unterschiedliche Weise genutzt. Unter anderem diente es als Kaserne, Gefängnis, Arbeitshaus und „Frauenverwahranstalt“. Nach der Niederschlagung der Badischen Revolution 1849 waren vorübergehend auch Streiter für die demokratische Sache im Schloss inhaftiert. Kislau und Ankenbuck gehörten zu den wenigen frühen Lagern des NS-Regimes, die nicht von der SA, der SS oder der Gestapo befehligt wurden, sondern der Landesverwaltung unterstellt waren und es auch blieben – so in diesem Fall der des badischen Innenministeriums. Wie in den anderen frühen Lagern sollten freilich auch in Kislau und Ankenbuck die dort festgehaltenen Regime-Gegner gedemütigt, ausgebeutet und politisch neutralisiert werden. Mit der Auflösung des KZs Ankenbuck im März 1934 fiel Kislau die Rolle des einzigen Konzentrationslagers in Baden zu. Zeitweise waren dort mehr als 170 Männer gleichzeitig in zwei Schlafsälen zusammengepfercht. Im Frühjahr 1939 wurde das KZ Kislau als – sieht man vom Sonderfall Dachau ab – letztes der frühen Lager aufgelöst. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten dort mindestens 700 „Schutzhäftlinge“ um ihre Freiheit und um ihr Leben gebangt, und Dutzende waren von Kislau weiter nach Dachau, Buchenwald oder Mauthausen „verschubt“ worden. Das Konzentrationslager Kislau 1933 bis 1939 Kislau als Arbeits- und Durchgangslager Im kleinen Land Baden wurden im Frühjahr 1933 zwei Konzentrationslager errichtet: eines im Hofgut Ankenbuck bei Donaueschingen und eines im östlichen Gebäudekomplex von Schloss Kislau. Bei den „Schutzhäftlingen“, die ohne rechtliche Grundlage auf den Ankenbuck und nach Kislau verschleppt wurden, handelte es sich zunächst ausschließlich um erklärte politische Gegner der Nationalsozialisten: Kommunisten, Sozialdemokraten und Freigewerkschafter aus Baden sowie – in Kislau – aus der bayerischen Pfalz. Später wurden auch Zeugen Jehovas, couragierte Pfarrer und viele andere Menschen, die sich dem NS-System nicht beugen wollten, in Kislau inhaftiert. Wie schon vor 1933 beherbergte die Kislauer Schlossanlage auch während der NS-Zeit zugleich eine Landesarbeitsanstalt. In diese wurden Menschen eingewiesen, die man als „asozial“ abgestempelt hatte. Seit 1934 fungierte der Schlosskomplex darüber hinaus als Durchgangslager für zurückkehrende ehemalige deutsche Fremdenlegionäre. Bevor sie nach Hause weiterreisen durften, mussten sie sich hier einer Art „Umerziehung“ unterwerfen. Nach der Auflösung des Konzentrationslagers diente das Schloss darüber hinaus unter anderem wieder als Strafgefängnis für politische Häftlinge. Der Ort Das Bischofsschloss „auf der Kieselau“ 1. Haftort entschiedener Demokraten Gerade weil das Konzentrationslager Kislau nicht wie andere, spätere KZs für eine „Vernichtung durch Arbeit“ stand, ist dort der richtige Platz, um über die frühe politische Verfolgung hinaus auch das aktive Widerstehen gegen den Nationalsozialismus zu dokumentieren und zeitgemäß zu vermitteln. Genau jene Menschen nämlich, die in den Jahren vor der NS-„Machtergreifung“ am entschiedensten um den Erhalt der Demokratie gerungen hatten, gehörten – sofern sie nicht ins Ausland hatten flüchten können – zu den Ersten, die in Kislau und anderen frühen Lagern als „Schutzhäftlinge“ eingesperrt wurden. 2. Zentrale und verkehrsgünstige Lage Die verkehrsgünstige Lage an der Nahtstelle zwischen der Metropolregion Rhein-Neckar und der Technologieregion Karlsruhe macht Kislau als Standort eines außerschulischen Angebots für den badischen Landesteil in besonderem Maße interessant: Von Heidelberg wie von Karlsruhe aus ist Kislau mit der S-Bahn wie mit dem Auto jeweils in weniger als einer halben Stunde zu erreichen. Kislauer Häftlinge um 1939 südlich des Schlosses beim Unkrautjäten 8 9 WIE SOLL DER LERNORT AUSSEHEN? Nixdorf Consult GmbH einen Realisierungswettbewerb für den Lernort Kislau ausgelobt. Damit stehen gleich mehrere interessante Bauentwürfe zur Verfügung. Sobald die Finanzierung des Projekts Lernort Kislau gesichert ist, kann einer davon realisiert werden. Das Raumkonzept Schloss Kislau heute Raum für zeitgemäße Vermittlungsarbeit Die Kislauer Schlossanlage befindet sich im Besitz des Landes Baden-Württemberg. Heute ist dort eine Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bruchsal untergebracht. Eine Nutzung der historischen Räumlichkeiten zum Zwecke der historisch-politischen Bildungsarbeit ist also nicht möglich. Für die Realisierung des Lernorts stellt das Land deshalb ein insgesamt rund 1.800 qm umfassendes Wiesengrundstück in unmittelbarer Nähe des Schlosskomplexes zur Verfügung. Das Raumangebot des Lernorts Kislau soll den aktuellen Standards der Gedenkstätten- und Museumspädagogik entsprechen. Auf rund 400 qm Fläche soll sich dort eine zeitgemäße Vermittlungs- und Projektarbeit entfalten können. Ein Mehrzweckraum kann Platz für Workshops, Sonderausstellungen und Veranstaltungen bieten. Um eine räumliche Nähe zwischen dem Vermittlungsbereich und den Büros der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewährleisten, sollen darüber hinaus drei Arbeitsräume, eine kleine Bibliothek und ein ebenso kleines Archiv zur Verfügung stehen. Der Neubau als Chance Die Errichtung eines Neubaus bietet die Chance, den räumlichen Erfordernissen und dem methodisch-didaktischen Ansatz des künftigen Lernorts Kislau in optimaler Weise Rechnung zu tragen. Das neue Gebäude soll sich der Kislauer Schlossanlage harmonisch hinzugesellen, ohne auf einen eigenen architektonischen Akzent zu verzichten. Zugleich soll der Neubau einen Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft schlagen, soll Offenheit und Dynamik ausstrahlen und sich somit als ein „Haus der menschlichen Möglichkeiten“ im positiven Sinne präsentieren (vgl. Giesecke/ Welzer 2012). Arbeitsmöglichkeiten im Außengelände Das Außengelände des künftigen Lernorts Kislau muss mehreren Zwecken genügen. So gilt es zum einen, Parkmöglichkeiten für PKWs und Busse zur Verfügung zu stellen. Zum anderen soll mittelfristig eine Infrastruktur geschaffen werden, die es erlaubt, Teile des Vermittlungsangebots bei gutem Wetter ins Freie zu verlagern. Zu diesem Zweck sollen auf dem nördlich an das LernortGebäude angrenzenden Areal mehrere Sitzgruppen sowie ein Außenforum entstehen. Eine von Jugendlichen zu gestaltende Skulptur soll an all jene Menschen erinnern, die sich den Nationalsozialisten mutig entgegengestellt haben. Infoparcours entlang der Schlossanlage Rund um die Kislauer Schlossanlage und damit außerhalb des eigentlichen Lernort-Areals soll künftig ein Infoparcours Auskunft über die wechselvolle Geschichte des Ortes geben. Zusammen mit Schülerinnen und Schülern des Leibniz-Gymnasiums Östringen sowie mit Experten aus Bad Schönborn und Umgebung erarbeiten wir derzeit die Inhalte dieses Angebots. Via Wettbewerb zur besten Lösung Das Lernort-Gebäude soll vielfältigen Anforderungen gerecht werden: Es soll dem historischen Bauensemble von Schloss Kislau ebenso Rechnung tragen wie den räumlichen Ansprüchen, die sich aus unserem Vermittlungskonzept ergeben; es soll barrierefrei sein und den Kriterien eines nachhaltigen ökologischen Bauens entsprechen. Im Rahmen des Projektauftrags, den das Land Baden-Württemberg unserem Verein erteilt hat, haben wir deshalb in Kooperation mit der Blick auf die Kislauer Schlossanlage sowie auf das für den Lernort vorgesehene Gelände von Nordwesten 10 11 Aktive Teilhabe WIE WOLLEN WIR ARBEITEN? Das Vermittlungskonzept Ein Lernort für alle Kombination von Geschichts- und Wertevermittlung Der Lernort Kislau soll prinzipiell allen offenstehen. Geschichtsinteressierte sollen dort ebenso Informationen und Anregungen finden wie Menschen, die bislang nichts über die Weimarer Republik und die NS-Zeit wussten. In diesem Sinne folgen wir einem offenen Vermittlungsansatz, der Geschichte und eigene Lebenswelt, Reflexion und Interaktion miteinander verknüpft. Im Rahmen unserer Gruppenangebote möchten wir jungen Menschen ein Bewusstsein für den Wert der Demokratie vermitteln und sie in einem aktiven und reflektierten Handeln bestärken. Deshalb kombinieren wir eine biografisch akzentuierte Form der Geschichtsarbeit mit Methoden der Wertevermittlung und des Demokratietrainings. Indem sie sich mit den Haltungen und dem Handeln mutiger Demokratinnen und Demokraten in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit beschäftigen, sollen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sich zugleich auch mit ihren eigenen Werten auseinandersetzen. Was erwartet die Besucher am Lernort Kislau? Schon gleich im Eingangsbereich des Lernorts Kislau – der Lobby – sind die Besucherinnen und Besucher eingeladen, darüber nachzudenken, was ihnen persönlich wert und wichtig ist. Eine Zeitschleuse bindet die Lobby thematisch wie atmosphärisch an den historischen Bereich an. Durch sie gelangen die Besucherinnen und Besucher zurück ins Jahr 1918 und an den Beginn eines Geschichtsparcours. Entlang zwölf chronologisch angeordneter Themenfelder können sie die badische Landesgeschichte der Jahre 1918 bis 1945 erkunden und anhand allgemeingültiger Fragestellungen in einen Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt setzen. In einem Forum, das zentral in den Geschichtsparcours eingebettet ist, können sie die dabei gewonnenen Eindrücke reflektieren. Flexible Gruppenarbeit auf Augenhöhe Eine produktive Arbeitsatmosphäre stellt sich ein, wenn junge Menschen „ihren Themen in ihrer Geschwindigkeit und mit ihren Mitteln“ folgen können (Benzler 2010, S. 7). Deshalb möchten wir unsere Gruppenangebote so flexibel gestalten, dass wir bestmöglich auf die Interessen, Fähigkeiten und Vorkenntnisse der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingehen können. Jede Gruppe soll von zwei Vermittlerinnen oder Vermittlern betreut werden. Auf diese Weise können wir auch mit größeren Gruppen intensiv und erfolgreich arbeiten. Im Zusammenspiel mit den Hochschulen der Region möchten wir ein Ausbildungsprogramm entwickeln, das freie Mitarbeiter in die Lage versetzt, sich die nötigen Kompetenzen anzueignen. Bereits in die Konzeptionsphase des Lernorts Kislau waren und sind junge Menschen aktiv eingebunden. Auch im Rahmen der Arbeit am Lernort selbst möchten wir ihnen und anderen Besucherinnen und Besuchern Möglichkeiten der Teilhabe eröffnen: Sowohl in der Lobby als auch in einigen Themenfeldern des Geschichtsparcours erwarten sie partizipative Angebote. Deren Ergebnisse sollen ebenso in die Ausgestaltung des Lernorts mit einfließen wie die Ergebnisse von Projekttagen. Halbtägiges Basisangebot für Gruppen Unser Basisangebot für Schulklassen und andere Gruppen junger Menschen soll rund vier Stunden umfassen. Im Rahmen einer Gruppenübung treten die beiden Vermittler gleich eingangs mit den Besucherinnen und Besuchern in einen intensiven Dialog über deren persönliche Haltungen. Aufgeteilt in kleine Teams, verfolgen die Jugendlichen sodann auf dem Geschichtsparcours die Spur je einer von ihnen ausgewählten historischen Leitfigur. Darüber hinaus setzen sie sich an drei Stationen des Geschichtsparcours mit der Frage nach ihren eigenen Standpunkten auseinander. Gemeinsam mit den Vermittlern werten sie anschließend im Forum die Ergebnisse ihrer Erkundungen aus. Dabei rücken ihre eigenen Werte und Ziele genauso in den Blick wie die der Leitfiguren. Differenzierte Ganztagsangebote Je nach Interessenlage lässt sich das halbtägige Basisangebot durch Zusatzangebote zu einem Ganztagsbesuch am Lernort Kislau erweitern und unterschiedlich akzentuieren. Zur Auswahl sollen zum einen Gruppenübungen aus der Antidiskriminierungs- und Demokratiearbeit und zum anderen vertiefende Recherchen zu Personen und Ereignissen aus dem je eigenen lokalen Umfeld stehen. Lobby Infoparcours Zeitschleuse Geschichtsparcours 12. Wofür setze ich mein Leben ein? Verweigerung und Widerstand im Krieg 1. Wer weiß am besten, was gut für ein Land ist? Eine Gesellschaft im Umbruch 11. Was gehen mich die Anderen an? Die Rettung von verfolgten Menschen 2. Wofür lohnt es sich auf die Straße zu gehen? Das frühe Ringen um die Republik 10. Wie weit passe ich mich an? Leben unter dem NS-Regime 9. Was mache ich, nachdem ich flüchten musste? Bestehen im politischen Exil Forum 8. Wie viel will ich riskieren? Früher politischer Widerstand 7. Wie viel Willkür kann ich ertragen? Verfolgung, „Schutzhaft“ und KZs 3. Wie wollen wir miteinander leben? Humanität contra Menschenhass 4. Was verletzt die Würde? Demokraten im Fokus rechtsextremer Hetze 5. Wie verteidigt man die Freiheit? Der Versuch, den Gang in die Diktatur aufzuhalten 6. Wie bewahre ich Haltung? Widerstehen im Angesicht der „Machtergreifung“ 12 13 Ankommen: Die Lobby Einladende Atmosphäre Beim Betreten des Lernorts Kislau sollen die Besucherinnen und Besucher im doppelten Sinne ankommen – thematisch wie atmosphärisch. Deshalb möchten wir sie in einer lichten Lobby willkommen heißen, die an den Stil der Weimarer Moderne anknüpft und ihn in die Gegenwart übersetzt. Außer Schließfächern und einer Garderobe finden die Besucherinnen und Besucher in der Lobby eine ausreichende Menge mobiler Sitzgelegenheiten vor. Der „Museumsshop“ beschränkt sich auf einen Getränkeautomaten, einen Drehständer mit von uns produzierten Graphic Novels, Postkarten und anderem mehr sowie auf einen kleinen Tresen. Video-Installation Wertekanon Besucherinnen und Besucher, die den Lernort Kislau auf eigene Faust erkunden möchten, sollen mit dem Wertekanon gleich eingangs eine unkonventionelle Form der Auseinandersetzung mit der Materie vorfinden. Im Rahmen eines Formats „Mobiler Lernort“ werden wir junge Menschen vorab fragen, welche Werte ihnen mit Blick auf das menschliche Zusammenleben besonders am Herzen liegen. Ihre Antworten können sie in kurzen Filmsequenzen von maximal 15 Sekunden Länge festhalten und in eine Video-Installation einspeisen, die an einer Wand der Lobby zu sehen ist. Ein Zufallsgenerator setzt die Sequenzen ständig neu zusammen und lässt jeweils eine Person zu Wort kommen. Eine Video-Box bietet den Besucherinnen und Besuchern die Möglichkeit, den Wertekanon um einen eigenen Beitrag zu ergänzen. Auf diese Weise gibt der Wertekanon stets die jeweils aktuelle Bandbreite an Wertvorstellungen und Prioritäten wieder und wirft bei den Betrachterinnen und Betrachtern die Frage nach ihren eigenen Haltungen auf. Das gesamte Filmmaterial wird wohlgemerkt nicht online gestellt. Lobby-Arbeit mit Gruppen Wenn Schulklassen und andere Gruppen junger Menschen am Lernort Kislau zu Gast sind, nehmen zwei Vermittlerinnen oder Vermittler sie in Empfang. Nachdem die Jugendlichen Platz genommen haben, erläutern die Vermittler kurz, wie sie in den folgenden Stunden mit ihnen gemeinsam arbeiten möchten. 1. Gruppenübung Wertethermometer Mit der Gruppenübung Wertethermometer möchten wir die jungen Besucherinnen und Besucher in ihrer Lebenswelt abholen: Die Vermittler treffen Aussagen zu Werten wie Freiheit, Gerechtigkeit, Zusammenhalt oder Respekt. Entlang eines großen Thermometers sollen sich die Jugendlichen zu diesen Aussagen „positionieren“. Moderiert durch die Vermittler, sollen sie kurz erläutern, warum sie sich jeweils an eine bestimmte Stelle des Thermometers begebenhaben. Die Übung dient als „mind opener“. Die Antworten der Jugendlichen sollen von den Vermittlern zunächst nicht kommentiert, sondern erst später im Forum wieder aufgegriffen werden. 2. Teambildung für den Geschichtsparcours Anknüpfend an die Gruppenübung, erläutern die Vermittler das weitere Vorgehen: In Teams von jeweils drei bis fünf Personen sollen die jugendlichen Besucherinnen und Besucher auf dem Geschichtsparcours jeweils einer historischen Persönlichkeit nachspüren, die in der Weimarer Republik und in der NS-Zeit für ihre demokratischen Werte einstand. Zur Auswahl stehen sieben Badenerinnen und Badener unterschiedlichen Alters sowie unterschiedlicher Weltanschauung. Die Vermittler stellen diese Leitfiguren kurz vor und unterstützen die Jugendlichen bei der Bildung der Teams. 3. Aufbruch zum Geschichtsparcours Orientierungskarten helfen den Teams, sich auf dem Geschichtsparcours zurechtzufinden. Über eine räumliche Übersicht sowie knappe Informationen zu „ihrer“ jeweiligen Leitfigur hinaus geben wir ihnen auf den Karten auch einige Fragen mit auf den Weg, die ihnen helfen, sich mit Wirken und Werten der Person auseinanderzusetzen. Die Antworten auf die Fragen finden die Teams in vier je unterschiedlichen Themenfeldern des Geschichtsparcours. In drei dieser Themenfelder sollen sie an einem Fundort eine Wertsache auswählen, die ihrer Ansicht nach zu den jeweils beschriebenen Aktivitäten ihrer Leitfigur passt, und sie mitnehmen. Mithilfe dieser drei Objekte können sie später im Forum ihre Leitfiguren präsentieren. Zwei weitere Fragen auf den Orientierungskarten sollen die Jugendlichen zur Bestimmung ihrer eigenen Positionen anregen. Diese Fragen lassen sich nur in der Auseinandersetzung mit je einer Station des Geschichtsparcours beantworten: dem Weimarer Wahl-O-Mat in Themenfeld 1 sowie dem Wertelabyrinth in Themenfeld 3 (siehe hierzu näher S. 29 und 32f.). Anschließend durchqueren die Jugendlichen teamweise die Zeitschleuse. 14 15 Eintauchen: Die Zeitschleuse Reise in die Vergangenheit Aus der Lobby kommend, treten die Besucherinnen und Besucher durch einen schwarzen Vorhang in einen kleinen dunklen quadratischen Raum: die Zeitschleuse. Eine Audio- und Bildpräsentation von rund zwei Minuten Dauer nimmt sie dort mit auf eine Zeitreise zurück bis ins Jahr 1918 und damit an den zeitlichen Beginn des Geschichtsparcours. Anhand gezielt ausgewählter Fotografien und Audio-Sequenzen zu repräsentativen Ereignissen der vergangenen hundert Jahre gelangen sie Stück um Stück in die spannungs- und gewaltgeladene Krisenund Aufbruchszeit am Ende des Ersten Weltkriegs. Geschichtsabriss in Bild und Ton In einer Bildpräsentation, die mit zeitgenössischen Tondokumenten unterlegt ist, möchten wir Geschehnisse aus der globalen, nationalen und regionalen Geschichte in reduzierter Form miteinander verflechten. Statt die Fotografien mit erklärenden Bildlegenden zu versehen, möchten wir Redeausschnitte aus Nachrichtensendungen, Wochenschauen und frühen Radioberichten so montieren, dass sie „für sich sprechen“. Geräuschkulissen sollen das jeweils Gezeigte zusätzlich untermalen. Atmosphärische Anbindung Die Zeitschleuse soll Lobby und Geschichtsparcours nicht nur räumlich miteinander verbinden. In der relativen Enge des abgedunkelten Raums erleben die Besucherinnen und Besucher der medialen Beschleunigung zum Trotz einen Moment des Innehaltens und des Stillstands. Aus ihrer eigenen Lebenswelt tauchen sie in eine andere zeitliche Dimension ein; die Wertefragen, die wir eingangs aufgeworfen haben, werden in eine historische Betrachtungsweise überführt. Inhaltliche Anbindung Schon in der Zeitschleuse möchten wir die Besucherinnen und Besucher mit den zentralen Leitfragen konfrontieren, mit denen sie sich später auf dem Geschichtsparcours auseinandersetzen werden. Indem wir diese Fragen nicht nur dem dort zu verhandelnden Geschehen, sondern ganz dezidiert auch Ereignissen aus der jüngeren Vergangenheit zuordnen, erschließt sich ihre ungebrochene Aktualität. Während etwa das Foto eines im Jahr 2015 auf einer Pegida-Kundgebung gezeigten Galgens die Frage „Was verletzt die Würde?“ nahelegt, können Aufnahmen von einer Montagsdemonstration des Jahres 1989 oder vom Anti-AKW-Protest in Wyhl 1975 von der Frage „Wofür lohnt es sich auf die Straße zu gehen?“ flankiert werden. Dem Foto einer Notunterkunft für Heimatvertriebene nach 1945 wiederum kann die Frage „Was mache ich, nachdem ich flüchten musste?“ zugeordnet werden. Auch für andere Leitfragen des Geschichtsparcours lassen sich unschwer Anknüpfungspunkte in der deutschen und internationalen Nachkriegsgeschichte finden. Zeitliche Anbindung Über Nachkriegsereignisse von globaler Bedeutung wie 9/11, den Kosovo-Krieg oder den Fall der Berliner Mauer sowie regional verortete Ereignisse von nationaler Bedeutung wie den Studentenprotest der 1960er Jahre am Beispiel Freiburgs, den Wiederaufbau deutscher Städte am Beispiel Pforzheims oder die Zerstörungen des Krieges am Beispiel Mannheims soll die Zeitreise die Betrachterinnen und Betrachter in jenen Zeitraum zurückführen, den sie im Anschluss durchmessen werden. So sollen sie in der letzten halben Minute der Präsentation mit dem Zweiten Weltkrieg, Konzentrationsund Vernichtungslagern, HJ-Aufmärschen und der NS„Machtergreifung“, mit dem Massenelend während der Weltwirtschaftskrise, der Besetzung der linksrheinischen Gebiete des Reichs und der Unterzeichnung des Versailler Vertrags konfrontiert werden, um schließlich am Ende des Ersten Weltkriegs anzugelangen. Durch einen zweiten schwarzen Vorhang kann es nun weiter zum Geschichtsparcours gehen. 16 17 Nachspüren: Der Geschichtsparcours Widerstandsgeschichte als Demokratiegeschichte In der regionalen Dimension des Landes Baden möchten wir auf einer Fläche von rund 300 qm die Geschichte des Widerstands gegen den Nationalsozialismus und dessen „Steigbügelhalter“ in den Jahren 1918 bis 1945 erzählen. Vom Abwehrkampf gegen die Ultrarechten vor 1933 und der illegalen Inlandsarbeit nach der NS-„Machtergreifung“ über die politische Arbeit im Exil möchten wir einen Bogen bis hin zur Rettung verfolgter Menschen, Umsturzplanungen und anderen Widerstandsformen in den Spätjahren der Diktatur spannen. Zugleich möchten wir die wesentlichen Merkmale eines demokratisch verfassten Gemeinwesens, seine Gefährdungen und die Folgen seiner Zerstörung herausarbeiten. Verknüpfende Leitfragen Entlang zwölf chronologisch angeordneter Themenfelder möchten wir auf dem Geschichtsparcours vor allem die Frage nach konkreten Handlungsmöglichkeiten im Angesicht von Extremismus, Unrecht und Gewalt aufwerfen. Jedem der zwölf Themenfelder haben wir deshalb eine spezifische Leitfrage zugeordnet. Um die Zeitlosigkeit der Leitfragen zu unterstreichen und den Zugang zu ihnen zu erleichtern, sind sie nach Möglichkeit in Ich-Form formuliert. Inszenierung Wenn historische Vermittlungsarbeit in Museum oder Gedenkstätte eine nachhaltige Wirkung entfalten soll, muss sie gängige Vermittlungsmuster durchbrechen und zu einer pointierten Darstellungsform finden (vgl. etwa Tyradellis 2014). Auch wenn eine inszenierte Darstellung nicht jeden und jede zu überzeugen vermag – das Gros der Besucherinnen und Besucher weiß es zu schätzen, dass sie vieles im Wortsinne anschaulicher macht. Deshalb möchten wir am Lernort Kislau mit Rauminstallationen wie zum Beispiel einem Wertelabyrinth, einem Parolen-Stammtisch, einem Scheideweg oder einem Widerstandsnest arbeiten. Gezielter Medieneinsatz Audio- und Video-Angebote – so hat zuletzt das Hamburger Projekt „Wie wollt ihr euch erinnern?“ ergeben – erleichtern jungen Menschen den Zugang zu historischen Themen. Deshalb soll der Kislauer Geschichtsparcours neben einer gezielten Auswahl von Fotos, Plakaten und anderen Objekten auch eine Reihe von Film- und Tondokumenten bereithalten. Auszüge aus Aufsätzen, Briefen und Berichten sollen in vertonter Form abrufbar sein, und auch einige der animierten Bildergeschichten, die wir bereits seit geraumer Zeit für unser Geschichtsportal erstellen, sollen zum Einsatz kommen. In einigen Themenfeldern sollen die Besucherinnen und Besucher darüber hinaus interaktive Angebote vorfinden, die zum Nachdenken und Mitmachen einladen. Mehrere Vertiefungsebenen Der gesamte Geschichtsparcours soll auf mehreren Vertiefungsebenen erfahrbar sein: Während die zentralen Inhalte anschaulich, einfach und knapp präsentiert werden, sollen auch Besucherinnen und Besucher, die die Materie oder zumindest einzelne ihrer Aspekte genauer durchdringen möchten, ein interessantes Angebot vorfinden. Niemand wird mit Informationen überfordert, aber wer möchte, kann sich einen umfassenden Überblick über einzelne Themen verschaffen. Lebenslinien und Storytelling Um Geschichte lebendig und begreifbar zu machen, setzen wir auf die „Faszination des Biografischen“ (Meier 1989) sowie auf die Möglichkeiten eines musealen Storytelling (vgl. Lichtensteiger u. a. 2014). In allen Themenfeldern des Geschichtsparcours begegnen die Besucherinnen und Besucher mutigen und widerständigen, aber durchaus auch einmal zweifelnden oder verzweifelten Persönlichkeiten aus der badischen Landesgeschichte, erfahren etwas über ihr Handeln und über die zugrundeliegenden Motive. Sieben dieser Personen möchten wir gleich eingangs des Geschichtsparcours einführen. Sie alle sollen auch noch in drei jeweils unterschiedlichen weiteren Themenfeldern auftauchen. Die Lebenslinien dieser sieben Leitfiguren ziehen sich damit als „rote Fäden“ durch die Jahre 1918 bis 1945 und bieten zentrale Anknüpfungspunkte für die Gruppenarbeit. Suche nach Wertsachen In jedem der zwölf Themenfelder findet sich eine Kiste, die – als Fundort ausgewiesen – mit unterschiedlichsten Gegenständen und Objekten bestückt ist. Einige dieser Gegenstände beziehen sich unmittelbar auf das Wirken der Leitfiguren, die einem in diesem Themenfeld begegnen. Im Rahmen der Gruppenarbeit sollen die in der Lobby gebildeten Teams in drei Themenfeldern jeweils eine Wertsache heraussuchen, die ihrer Meinung nach eine Geschichte über Wirken und Werte „ihrer“ Leitfigur erzählt, und sie später ins Forum mitbringen. 18 19 Aushandeln: Das Forum Marktplatz der Werte Als räumliches Herzstück des Geschichtsparcours wie des gesamten Lernorts Kislau soll ein lichtes Forum die Besucherinnen und Besucher zum Verweilen einladen. Zentral inmitten des Parcours gelegen und von mehreren Seiten aus zugänglich, begreifen wir es gleich seinem antiken Vorbild als einen Platz des Austauschs wie des Aushandelns – in diesem Falle allerdings nicht von Preis-, sondern von Wertefragen. Mit seinen plenarförmig angeordneten Sitztreppen soll das Forum nicht nur Gruppen, sondern auch Einzelbesucherinnen und -besuchern Raum bieten, um die Eindrücke, die sie auf dem Geschichtsparcours gesammelt haben, zu verarbeiten. Vor den Sitztreppen soll je einer der in Themenfeld 3 des Geschichtsparcours zur Diskussion gestellten Grundwerte auf den Boden geschrieben sein: „Freiheit“, „Gleichheit“ und „Frieden“. An und auf den Treppenstufen sollen sich jeweils passende Passagen aus der UN-Menschenrechtscharta, aus dem Grundgesetz sowie aus anderen Texten finden, die zum Nachdenken und Diskutieren einladen. Austausch über Wertsachen... Nachdem sie den Geschichtsparcours in kleinen Teams erkundet haben, sollen Schulklassen und andere Gruppen junger Menschen im Forum wieder zusammentreffen, um einander von ihren Eindrücken zu berichten. Von den Vermittlerinnen und Vermittlern moderiert, können sie die Wertsachen, die sie zusammengetragen haben, vorstellen und den anderen Gruppenmitgliedern erläutern, in welcher Beziehung diese Objekte jeweils zu den von ihnen begleiteten Leitfiguren stehen. Gemeinsam mit den Vermittlern sollen sie überlegen, wie sich die einzelnen Leitfiguren in den auf dem Geschichtsparcours dargestellten Situationen jeweils verhalten und welche Antworten sie auf die Fragen gefunden haben, die den betreffenden Themenfeldern zugeordnet sind. Ziel dieses Austauschs ist es nicht, sämtliche zwölf Themenfelder „abzuarbeiten“; vielmehr sollen die Jugendlichen selbst definieren können, welche Themen sie im Verlauf des Gesprächs in den Vordergrund rücken möchten. können. Kurze Gruppenübungen wie Die Scholle ist voll oder Fluchthilfe machen Empathie und Zurückweisung, Zusammenhalt und Ausgrenzung am eigenen Körper erfahrbar. Damit bieten sie einen niederschwelligen Einstieg, um sich über Handlungsmöglichkeiten im eigenen privaten Umfeld auszutauschen. Die Übung Rules of Respect wiederum verwickelt die Beteiligten in Wertekonflikte, sie macht ihre eigenen Wertvorstellungen sicht- und damit auch verhandelbar. … und über eigene Werte Im Rahmen einer abschließenden Feedback-Runde möchten wir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bitten zu überlegen, was ihnen am Lernort Kislau gefallen und was ihnen nicht gefallen hat. Ebenso sollen sie uns wissen lassen, was wir aus ihrer Sicht künftig anders machen könnten. Von den „historischen“ Leitfragen ausgehend, möchten wir in einem nächsten Schritt wieder die eigene Lebenswelt und die eigenen Werte der Jugendlichen in den Mittelpunkt rücken. Den Eindrücken, die sie zuvor am Weimarer Wahl-O-Mat und im Wertelabyrinth gesammelt haben, soll in diesem Zusammenhang eine Scharnierfunktion zukommen. Über die Fragen, zu welcher politischen Strömung sie zu Beginn der Weimarer Republik tendiert und welcher der im Wertelabyrinth vorgestellten Organisationen sie damals den Vorzug gegeben hätten, möchten wir den Bogen zu denjenigen Themen spannen, die wir eingangs bereits im Rahmen der Übung Wertethermometer angeschnitten haben. Gruppenübungen zu Zusammenhalt und Respekt Je nach Verlauf der Gruppendiskussion sollen die Vermittler ergänzend auch Methoden aus dem Demokratietraining in die Arbeit im Forum einfließen lassen Abrundung der Gruppenarbeit Angebot für Einzelbesucher Auch Einzelbesucher sollen im Forum die Gelegenheit erhalten, sich mit den am Lernort Kislau gewonnenen Eindrücken auseinanderzusetzen: In und an den Treppenpodesten möchten wir ihnen Informationen und Anregungen vielfältigster Art rund um heutige Freiheits-, Gleichheits- und Friedensfragen sowie um die Frage nach aktuellen Herausforderungen und Gefahren für die Demokratie bieten. 20 21 Erkunden: Das Außengelände Sitzgruppen und Außenforum Auf einem Areal nördlich des Lernort-Gebäudes soll eine kleine Grünanlage entstehen, die zum Verweilen einlädt und bei gutem Wetter die Infrastruktur für das Arbeiten im Freien bietet. An mehreren Sitzgruppen finden dort jeweils bis zu sechs Personen Platz. Für größere Diskussionsrunden, Workshops und Präsentationen unter freiem Himmel soll ein Außenforum zur Verfügung stehen. Denkmal „Für die Wenigen unter den Vielen“ Im Rahmen eines Schulprojekts möchten wir eine Skulptur „Für die Wenigen unter den Vielen“ realisieren. Aufgestellt an prominenter Stelle unweit des Kislauer Wegs, soll sie an all diejenigen Menschen erinnern, die angesichts der nationalsozialistischen Gefahr nicht geschwiegen, sondern sich Unrecht und Gewalt entgegengestellt haben. Infoparcours rund um die Schlossanlage Entlang der zur Kislauer Schlossanlage hinführenden Straße sowie des an ihrer Ostflanke anschließenden Fuß- und Fahrradwegs sollen künftig Informationstafeln Auskunft über die ebenso spannende wie wechselvolle Geschichte von Kislau geben. Nicht nur den Besucherinnen und Besuchern des Lernorts möchten wir damit die Bedeutung des Bauensembles auf verständliche Weise näherbringen. Mit unserer Unterstützung entwickeln Schülerinnen und Schüler des Leibniz-Gymnasiums Östringen derzeit ein Konzept für den Infoparcours und erarbeiten denjenigen Teil der Inhalte, der die NS-Zeit betrifft. Für die Darstellung der jahrhundertelangen Vorgeschichte sowie der Jahrzehnte nach 1945 zeichnen im Rahmen eines Kooperationsprojekts ausgewiesene Kenner der Kislauer Schlossgeschichte aus Bad Schönborn und dessen Umgebung verantwortlich. In unser halbtägiges Basisangebot für Gruppen soll der Infoparcours nicht miteinbezogen werden, in ganz- und mehrtägige Gruppenangebote hingegen schon. 1. Zweitausend Jahre „Kieselau“ Am Rande jenes Abschnitts des Kislauer Wegs, der vom Lernort-Areal zum Hauptportal des Schlosses führt, soll nach jetzigem Planungsstand die fast zweitausend Jahre umspannende Geschichte der „Kieselau“ von der Errichtung eines Römerkastells am Ende des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung bis zur Gegenwart aufgerollt werden. Die NS-Zeit soll in diesem Zusammenhang eine Epoche unter vielen sein. 2. Kislau in der Zeit des Nationalsozialismus Entlang des Wegs, der östlich am Schloss vorbeiführt, möchten wir eingehender über die Geschichte von Kislau in der NS-Zeit informieren. An rund einem halben Dutzend Stationen möchten wir die Haftbedingungen der Insassen des Arbeitshauses, des Durchgangs- sowie vor allem natürlich des Konzentrationslagers und des nach dessen Schließung in Kislau eingerichteten Strafgefängnisses anhand konkreter Schicksale beleuchten. Als räumliche Orientierungspunkte für die einzelnen Tafeln bieten sich die direkt neben dem Hauptportal des Schlosses gelegene Haft- und Todeszelle von Ludwig Marum, der Osttrakt des Schlosses mit den einstigen Schlafsälen der KZ-Insassen, der ehemalige KZ-Appellplatz sowie der Kranken- und Küchenbau an. In Höhe des südlich gelegenen Hauptgebäudes des Schlosses soll eine letzte Tafel auf die gut erhaltenen Inschriften verweisen, die KZ-Häftlinge am Jahreswechsel 1933/34 bei Restaurationsarbeiten heimlich in die Decke des barocken Bischofsbads ritzten. Auch an die Schicksale der zehn Männer, deren Namen in der Inschrift genannt sind, möchten wir erinnern – so insbesondere an die Schicksale jener drei, die später dem NS-Terror zum Opfer fielen. Online-Infoparcours Ein begleitendes Online-Angebot soll über weitergehende schriftliche Informationen und Abbildungen hinaus auch mit Audio-Sequenzen mit Auszügen aus Kislauer Häftlingsbriefen etwa von Ludwig Marum, Stefan Heymann oder Emil Faller aufwarten. Auch Nachkriegsberichte von Adam Remmele, Max Faulhaber und anderen über Verhältnisse und Ereignisse in Kislau sollen online in Audio-Form verfügbar sein. 22 HISTORISCHES LERNEN FÜR ZIVILES WIDERSTEHEN Der Lernort-Verein Der Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. Gegründet im Frühjahr 2012, möchte der Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. die Geschichte von Abwehrkampf, Widerstand, Verfolgung und Exil im und aus dem ehemaligen Land Baden während der Weimarer Republik und unter der NS-Diktatur stärker in den Fokus von Forschung und Vermittlung rücken. Unter dem Motto „Historisches Lernen für ziviles Widerstehen“ dokumentieren wir das Wirken badischer Nazi-Gegnerinnen und -Gegner in den Jahren 1918 bis 1945 und bereiten es zeitgemäß auf. Unser Projekt-Team Lernort Kislau Auf der Basis der vom Land Baden-Württemberg im Landesdoppelhaushalt 2015/16 bereitgestellten Mittel ist ein professionelles Projekt-Team seit dem Frühjahr 2015 damit befasst, Gebäude-, Gestaltungs- und Vermittlungskonzepte für den Lernort Kislau sowie begleitende Angebote zu entwickeln. Eine Politikwissenschaftlerin, eine Germanistin, zwei Historiker sowie eine studentische Hilfskraft teilen sich derzeit zweieinhalb Vollzeitstellen. Auch die Expertise eines Kultursoziologen ist maßgeblich in die Arbeit mit eingegangen. Dank der vielfältigen Vorkenntnisse der Team-Mitglieder fließen im Projekt Erfahrungen in Forschung und Lehre, im Museums-, Archiv- und Unterrichtswesen, in der Kulturvermittlung, im Antidiskriminierungstraining, im Kommunikationsmanagement und in der Öffentlichkeitsarbeit zusammen. 23 Unsere Arbeitsgemeinschaft „Lernort“ Unser Engagement auf Landesebene Um die Arbeit des Projekt-Teams zu unterstützen und kritisch-konstruktiv zu begleiten, haben sich sachkundige Mitglieder des Lernort-Vereins in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden, die sich mehrmals pro Monat trifft. Der Gruppe gehören Geschichtsstudentinnen und -studenten, aktive und pensionierte Lehrerinnen und Lehrer aller Schularten sowie ein Pädagogikdozent an. In der baden-württembergischen Gedenkstättenlandschaft ist unser Verein von Anfang an auf große Offenheit gestoßen und mittlerweile bestens vernetzt: Im März 2016 wurde unsere Projektleiterin in den Sprecherrat der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Gedenkstätteninitiativen (LAGG) gewählt. Dass sich ein Mitglied unseres Vereins erfolgreich um die zum April 2016 bei der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) geschaffene Stelle eines Koordinators für die Jugendarbeit der Gedenkstätten beworben hat, gereicht uns sehr zur Freude. Das LAGG-Exkursionsseminar „Neue Wege der Erinnerung“ führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ende Juli 2016 auch in unser Projekt-Büro. Unser Online-Portal zum badischen Widerstand Mit finanzieller Unterstützung durch das baden-württembergische Kultusministerium haben wir ein OnlineGeschichtsportal zur badischen Landesgeschichte der Jahre 1918 bis 1945 erarbeitet. Unter der Web-Adresse www.lzw-portal.de finden sich Informationen zu Aktivitäten und Lebensstationen von Menschen in und aus Baden, die den Nazis aktiv entgegentraten. Kurze animierte Bildergeschichten – sogenannte Motion Comics – bilden das Herzstück des Portals. Aus der Perspektive jeweils einer Person stellen wir darin historisch verbriefte Ereignisse aus der badischen Landesgeschichte jener Jahre auf einfache, spannende und verständliche Weise dar. Unsere Fachkonferenz „Pietät contra Popkultur?“ Im November 2016 richten wir mit finanzieller Unterstützung durch die Landeszentrale für politische Bildung eine zweitägige Fachkonferenz zu aktuellen Herausforderungen und Chancen einer außerschulischen Vermittlung der NS-Geschichte aus. Unter dem Titel „Pietät contra Popkultur?“ möchten wir einen Brückenschlag zwischen Forschung und Vermittlung leisten, Vertreter der tradierten Gedenkstättenarbeit und neuerer Ansätze in einen fruchtbaren Austausch miteinander bringen sowie den Dialog zwischen schulischer und außerschulischer Geschichtsarbeit befördern. Die Initiative Kislau-Forum An seinem möglichen künftigen Wirkungsort ist unser Verein ebenfalls gut verankert: Im Jahr 2013 haben wir uns mit dem vom Bad Schönborner Kulturverein und den örtlichen Kirchen getragenen Aktionsbündnis „Zeichen setzen“ sowie vor Ort lebenden Einzelpersonen in der Initiative Kislau-Forum zusammengefunden. Die Initiative sieht sich dem historischen Erbe von Schloss Kislau in all seinen Facetten verpflichtet und möchte seinen Stellenwert als Kulturdenkmal steigern. In diesem Zusammenhang setzt sie sich für die Schaffung eines Informationssystems rund um die Schlossanlage sowie für die Errichtung des Lernorts Kislau ein. An den LZW-Ständen auf den Landesparteitagen der Grünen, der CDU und der SPD im Herbst 2015 informierten sich u. a. Gerlinde Kretschmann, Katrin Schütz sowie Dr. Nils Schmid MdL und Katja Mast MdB, während im LZW-Projekt-Büro an Konzepten gearbeitet wurde. 24 25 LITERATURHINWEISE Albert, Mathias u. a.: 17. Shell Jugendstudie. Jugend 2015. Frankfurt a. M. 2015. Benzler, Susanne (Hg.in): Einmischen, ja bitte! Politische Bildung für Jugendliche mit geringen Bildungschancen [Loccumer Protokolle 14/10]. Rehburg-Loccum 2011. Eckmann, Monique und Miryam Eser Davolio: Rassismus angehen statt übergehen. Theorie und Praxisanleitung für Schule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung. Zürich – Luzern 2003. Giesecke, Dana und Harald Welzer: Das Menschenmögliche. Zur Renovierung der deutschen Erinnerungskultur. Hamburg 2012. Gryglewski, Elke: Anerkennung und Erinnerung. Zugänge arabisch-palästinensischer und türkischer Berliner Jugendlicher zum Holocaust. Berlin 2013. Gryglewski, Elke u. a. (Hg.): Gedenkstättenpädagogik. Kontext, Theorie und Praxis der Bildungsarbeit zu NSVerbrechen. Berlin 2015. Gugel, Günther (mit Nadine Ritzi): Didaktisches Handbuch 1 „Werte leben“. Tübingen – Backnang 2011. Knoch, Habbo: Mehr Wissen und mehr Recht. Koordinaten einer zukünftigen Erinnerungskultur. Eine Replik auf Harald Welzer. In: Gedenkstättenrundbrief 163 (10/2011) S. 3-11. Lichtensteiger, Sibylle u. a. (Hg.): Dramaturgie in der Ausstellung. Begriffe und Konzepte für die Praxis [Edition Museum, Bd. 8]. Bielefeld 2014. Meier, Christian: Die Faszination des Biographischen. In: Frank Niess (Hg.): Interesse an Geschichte. Frankfurt a. M. – New York 1989, S. 100-111. Posselt, Ralf-Erik und Klaus Schumacher: Projekthandbuch Gewalt und Rassismus. Handlungsorientierte und offensive Projekte, Aktionen und Ideen zur Auseinandersetzung und Überwindung von Gewalt und Rassismus in Jugendarbeit, Schule und Betrieb. Mülheim a. d. R. 1993. Reemtsma, Jan Philipp: „Wie hätte ich mich verhalten?“ und andere nicht nur deutsche Fragen. Reden und Aufsätze. München 2001. Reemtsma, Jan Philipp: Wozu Gedenkstätten? In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25–26/2010, S. 3-9. Hilmar, Till (Hg.): Ort, Subjekt, Verbrechen. Koordinaten historisch-politischer Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus. Wien 2010. Schlag, Thomas und Michael Scherrmann (Hg.): Bevor Vergangenheit vergeht. Für einen zeitgemäßen Politikund Geschichtsunterricht über Nationalsozialismus und Rechtsextremismus. Schwalbach/Ts. 2005. Knigge, Volkhard: Zur Zukunft der Erinnerung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25–26/2010, S. 10-15. Tyradellis, Daniel: Müde Museen. Oder: Wie Ausstellungen unser Denken verändern könnten. Hamburg 2014. Welzer, Harald: „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis. Frankfurt a. M. 2002. Welzer, Harald: Für eine Modernisierung der Erinnerungs- und Gedenkkultur. In: Gedenkstättenrundbrief 162 (8/2011), S. 3-9. „Wie wollt ihr euch erinnern?“ Dokumentation des Partizipationsprojekts Beteiligung Jugendlicher an der konzeptionellen Entwicklung des Informations- und Dokumentationszentrums Hannoverscher Bahnhof. Hamburg 2012. Zick, Andreas und Anna Klein: Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. Hg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer. Bonn 2014. Zumpe, Helen: Menschenrechtsbildung in der Gedenkstätte. Eine empirische Studie zur Bildungsarbeit in NSGedenkstätten. Schwalbach/Ts. 2012. ANHANG 26 27 Unser Gestaltungskonzept für den Geschichtsparcours 1. Wer weiß am besten, was gut für ein Land ist? Eine Gesellschaft im Umbruch 12. Wofür setze ich mein Leben ein? Verweigerung und Widerstand im Krieg 2. Wofür lohnt es sich auf die Straße zu gehen? Das frühe Ringen um die Republik 11. Was gehen mich die Anderen an? Die Rettung von verfolgten Menschen 3. Wie wollen wir miteinander leben? Humanität contra Menschenhass 10. Wie weit passe ich mich an? Leben unter dem NS-Regime 4. Was verletzt die Würde? Demokraten im Fokus rechtsextremer Hetze 5. Wie verteidigt man die Freiheit? Der Versuch, den Gang in die Diktatur aufzuhalten 9. Was mache ich, nachdem ich flüchten musste? Bestehen im politischen Exil 8. Wie viel will ich riskieren? Früher politischer Widerstand 6. Wie bewahre ich Haltung? Widerstehen im Angesicht der „Machtergreifung“ 7. Wie viel Willkür kann ich ertragen? Verfolgung, „Schutzhaft“ und KZs Zwölf chronologische Themenfelder C. Vertiefungsebene Auf den folgenden zwölf Doppelseiten finden Sie unser vorläufiges Gestaltungskonzept für den Geschichtsparcours eines künftigen Lernorts Kislau. In zwölf mehr oder weniger chronologisch angeordneten Themenfeldern möchten wir die Geschichte der Weimarer Republik und der NS-Zeit biografisch akzentuieren und regional verorten. Jedem Themenfeld haben wir eine Leitfrage zugeordnet, die uns auch heute noch brisant erscheint. Unter der Rubrik „Vertiefende Angebote“ beschreiben wir, welche Fragestellungen und Ereignisse wir im jeweiligen Themenfeld doch noch etwas eingehender behandeln möchten. Diese Form der Hintergrundinformation in Text und Bild richtet sich vor allem an interessierte Einzelbesucherinnen und -besucher sowie an Teilnehmerinnen und Teilnehmer inhaltlich akzentuierter Projekttage (siehe S. 10). A. Inhaltliche Beschreibung Wo tun sich heute Entwicklungen und Tendenzen auf, die sich in einen Bezug zu den historischen Ereignissen setzen lassen? Diese Frage möchten wir nicht erst im Forum aufwerfen, sondern – wo immer sinnvoll und möglich – bereits auf dem Geschichtsparcours. Geschehen soll dies allerdings eher subtil als plakativ. In einigen der zwölf Themenfelder möchten wir deshalb zweiflüglige Zeitfenster einbauen, hinter denen sich jeweils ein Transfer in die Gegenwart eröffnet. Eingangs jeder Doppelseite umreißen wir zunächst den inhaltlichen Kontext des jeweiligen Themenfelds und erläutern den Bezug zur jeweiligen Leitfrage. B. Didaktisch-mediale Umsetzung Im nächsten Schritt beschreiben wir die Installationen sowie die medialen Angebote, mit denen wir im Themenfeld arbeiten möchten. Didaktisch reduziert und mit knappen Texten versehen, sollen sie möglichst einfach zu erfassen sein. Auf dieser Ebene soll sich der gesamte Parcours binnen ein bis anderthalb Stunden durchmessen lassen. Unserem Vermittlungskonzept (siehe S. 10) entsprechend, werden jugendliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres halbtägigen Gruppenangebots in der Regel allerdings nicht mehr als fünf der zwölf Themenfelder ansteuern. So sollen sie in Themenfeld 1 erstmals „ihrer“ Leitfigur begegnen und dort am Weimarer Wahl-O-Mat ihre Stimme abgeben. Des Weiteren werden sie Themenfeld 3 aufsuchen, um dort das Wertelabyrinth zu erkunden. Darüber hinaus werden sie sich vor allem darauf konzentrieren, in drei weiteren Themenfeldern Informationen über „ihre“ Leitfiguren einzuholen und Wertsachen dieser Personen einzusammeln. D. Gegenwartstransfer via Zeitfenster Das Gestaltungskonzept als Diskussionsgrundlage In seiner vorliegenden Form enthält das Gestaltungskonzept bereits zahlreiche konkrete Ideen für eine ebenso pointierte wie abwechslungsreiche Form der Geschichtsund Wertevermittlung. Dennoch verstehen wir es lediglich als Diskussionsgrundlage für einen intensiven Dialog, den es im weiteren Verlauf mit potenziellen Mittelgebern, Ausstellungsmachern sowie mit Vertreterinnen und Vertretern der wichtigsten Zielgruppe des Projekts zu führen gilt: mit Schülerinnen und Schülern. Verfeinerung im Dialog mit jungen Menschen Im Rahmen des Formats „Mobiler Lernort“ stellen wir unser Konzept für den Kislauer Geschichtsparcours ab der zweiten Jahreshälfte 2016 auf den Prüfstand: Gemeinsam mit Jugendlichen aus Schulen unterschiedlicher Art erproben wir die Angebote, die wir für die einzelnen Themenfelder vorgesehen haben, und entwickeln sie weiter oder justieren sie gegebenenfalls nach. Auf diese Weise soll ein Lernort entstehen, der nicht nur für, sondern tatsächlich auch mit jungen Menschen erarbeitet worden ist. Auswahl eines professionellen Ausstellungsbüros Sofern das Land Baden-Württemberg die Förderung des Projekts Lernort Kislau über den Jahreswechsel 2016/17 hinaus verlängert, möchten wir gleich zu Jahresbeginn 2017 einen Pitch zur Ermittlung desjenigen Ausstellungsbüros durchführen, mit dem sich das Gestaltungskonzept für den Lernort Kislau am besten umsetzen lässt. 28 Themenfeld 1 29 WER WEISS AM BESTEN, WAS GUT FÜR EIN LAND IST? tern eines parlamentarischen und Verfechtern eines Rätesystems, über die „Mannheimer Räterepublik“ und über die unselige Rolle der Freikorps. Beispielhaft werden der aus der Ortenau stammende Freikorpsführer Hermann Erhardt sowie der Karlsruher Anarchist Gustav Landauer vorgestellt, der im Mai 1919 von Freikorps-Männern auf bestialische Weise ermordet wurde. An einem Bildschirm können die Besucherinnen und Besucher die Ergebnisse der 1919 auf Reichs- und Landesebene durchgeführten Nationalversammlungswahlen sowie der badischen Kommunalwahlen abrufen. Eine Gesellschaft im Umbruch (1918/19) System inklusive Frauenwahlrecht und Sozialreformen eingeführt. Während die Anhänger der SPD und eines Teils der „bürgerlichen“ Parteien die politische Umwälzung frenetisch bejubelten, trauerten Rechtsliberale wie Konservative dem Kaiserreich nach. Darüber hinaus sah sich die junge Republik von Anfang an von gleich zwei Seiten bedroht: Die Anhänger der USPD und der neu gegründeten KPD wollten – mit je unterschiedlicher Virulenz – statt eines parlamentarischen ein Rätesystem installieren. In den Freikorps wiederum scharten ehemalige Offiziere Tausende demobilisierter Soldaten um sich mit dem Ziel, die Demokratie mitsamt ihrer Repräsentanten zugunsten eines rechtsautoritären Regimes gewaltsam zu beseitigen. „Wer weiß am besten, was gut für ein Land ist?“, so möchten wir deshalb ergebnisoffen fragen. Gedenkpostkarte für Ludwig Frank aus dem Jahr 1914 Worum geht es in diesem Themenfeld? Das erste Themenfeld des Geschichtsparcours soll sich der politischen Umbruchsituation der Jahre 1918/19 widmen. Angesichts der sich abzeichnenden Kriegsniederlage hatten die Vertreter der monarchistischen Ordnung die Geschicke des Deutschen Reichs in die Hände der Sozialdemokratie gelegt. Deren Führungspersonal hatte daraufhin umgehend ein demokratisches Installation „Gräberfeld“ Aus der Zeitschleuse kommend, finden sich die Besucherinnen und Besucher vor einem durch Holzkreuze angedeuteten kleinen Gräberfeld wieder. Auf einigen der Kreuze wird jeweils das Schicksal eines getöteten Soldaten aus Baden in zwei knappen Sätzen skizziert. Eines der Kreuze ist dem Mannheimer Reichstagsabgeordneten Ludwig Frank gewidmet, der sich noch unmittelbar vor Kriegsbeginn an vorderster Stelle für eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich engagiert hatte, um kurz darauf auf dem vermeintlichen „Feld der Ehre“ zu sterben. Andere der Kreuze belegen den elendigli- chen „Heldentod“ unbekannter junger Männer auf dem Schlachtfeld von Verdun und an anderen Schreckensorten. Installation „Nachkrieg“ Hinter dem Gräberfeld lässt eine Installation aus Barrikade, Reichskriegsflaggen und Gewehren die verrohte und gewaltaufgeheizte Nachkriegsatmosphäre erahnen. Krücken, Prothesen sowie eine fast leere Bettelmütze und ein karg gefüllter Essnapf illustrieren die Not und das Elend der Jahre 1918/19. Installation „Parteienspektrum“ Neben Gräberfeld und Barrikaden stoßen die Besucherinnen und Besucher auf eine Reihe lebensgroßer Pappfiguren. Jede dieser Figuren steht für eine historische Persönlichkeit aus der badischen Politik. Zusammen bilden sie das gesamte Spektrum der frühen Weimarer Republik ab. Ihr politisches Credo ist in jeweils einem kurzen, prägnanten Zitat gebündelt. Von links nach rechts gruppiert sehen wir den KPD-Mitbegründer Paul Schreck, das USPD-Mitglied Emil Julius Gumbel, die Sozialdemokraten Käthe Vordtriede und Adam Remmele, den linksliberalen Heidelberger Pfarrer Hermann Maas, Joseph Wirth als Vertreter der katholischen Zentrumspartei, den damals mit der DNVP sympathisierenden Historiker Gerhard Ritter aus Freiburg sowie den Freikorps-Aktivisten Robert Wagner, der später zur NSDAP finden sollte. Mit Ausnahme von Schreck und Wagner wird im Rahmen unserer Aufruf vom Februar 1919 Maikundgebung 1919 auf dem Karlsruher Marktplatz Gruppenarbeit jeweils eine dieser Persönlichkeiten ein Team als Leitfigur durch den Geschichtsparcours begleiten (siehe S. 10). In einigem Abstand zu den Erwachsenen steht der knapp zehnjährige Karl Schroth. Auch er wird als Leitfigur einige Themenfelder weiter wieder auftauchen. Weimarer Wahl-O-Mat An zentraler Stelle des Themenfelds findet sich der Weimarer Wahl-O-Mat. Im Multiple-Choice-Verfahren können die Besucherinnen und Besucher dort ihre Meinung zu rund einem halben Dutzend politisch-gesellschaftlicher Themen abgeben. Anschließend ermittelt der Wahl-O-Mat diejenige Partei der Weimarer Republik, mit deren Positionen die „Wählerin“ oder der „Wähler“ am ehesten übereinstimmt. Die Abstimmungsergebnisse werden von uns fortlaufend ausgewertet; der jeweils aktuelle Stand kann ebenfalls am Wahl-O-Mat abgerufen werden. Audio-Station „Propagandalieder“ An einer Audio-Station können die Besucherinnen und Besucher sich über Kopfhörer das KPD-Lied „Auf, auf zum Kampf“ sowie das SPD-Lied „Wann wir schreiten Seit‘ an Seit‘“ anhören. Die Texte dieser beiden Lieder sind auch schriftlich verfügbar – ebenso der Text des „Lieds der Brigade Ehrhardt“, in dem unverhüllt zum Mord an Kommunisten und Sozialdemokraten aufgerufen wird. Vertiefende Angebote Über die genannten Angebote hinaus finden Interessierte in Themenfeld 1 Texte und Dokumente vor, die über die politischen Ereignisse der Umbruchphase 1918/19 von der Ausrufung der Republik und dem Waffenstillstand über die Einberufung von Nationalversammlungen bis zur Unterzeichnung des Versailler Vertrags durch den gebürtigen Mannheimer Hermann Müller Aufschluss geben. Sie erfahren etwas über den Widerstreit zwischen Befürwor19 mit u. a. esregierung 19 Badische Land Adam Remmele d un rth Wi Joseph 30 Themenfeld 2 31 1. TV-Bericht „Generalstreik gegen Kapp-Putsch“ WOFÜR LOHNT ES SICH AUF DIE STRASSE ZU GEHEN? An einer angedeuteten Hauswand finden sich Reproduktionen von Plakaten, mit denen im März 1920 in Karlsruhe, Mannheim und anderen Städten Badens zum Generalstreik gegen den Kapp-Putsch aufgerufen wurde; die Hintergründe werden knapp skizziert. Inmitten der Plakate ist ein Fernsehbildschirm installiert, auf dem eine fiktive Nachrichtensendung zu sehen ist: Eine Sprecherin berichtet aus regionaler Perspektive über die Besetzung der Berliner Innenstadt durch die Putschisten sowie über die Flucht des Reichspräsidenten und der Reichsregierung nach Stuttgart. „Auf einen Aufruf der Freien und christlichen Gewerkschaften hin“ – so in etwa fährt sie fort – „ließen am gestrigen Dienstag auch in der Republik Baden sämtliche Beschäftigte 24 Stunden lang die Arbeit ruhen. Die Landesregierung lehnte jede Zusammenarbeit mit den Putschisten ab.“ Das frühe Ringen um die Republik (1920-1923) Der Mord an Rathenau ist nu r ein Glied in einer Kette wohlvorbereiteter Anschläge auf die Republik. Zu erst sollen die Führer der Re publik, dann so ll die Republik se lbst fallen. Joseph Wirth 192 2 Joseph Wirth 2. Live-Ticker „Demos gegen Politiker-Morde“ Aufruf zum Ge neralstreik ge gen den Kapp -Putsch Installationsfeld „Zeitsprung“ Trupp der Brigade Ehrhardt während des Kapp-Putschs Worum geht es in diesem Themenfeld? „Wofür lohnt es sich auf die Straße zu gehen?“, diese Frage war zu Beginn der 1920er Jahre existenziell für den Fortbestand der jungen Weimarer Republik: Angesichts der Eskalation rechtsextremistischer Gewalt sahen sich Demokratinnen und Demokraten immer wieder genötigt, klare Signale für Frieden, Freiheit und Demokratie zu setzen. Dies galt umso mehr nach dem Kapp-Putsch im März 1920: Wenn die junge Republik nicht schon wenige Monate nach der Gründung ihr Ende fand, so verdankte sich dies den Millionen von Menschen, die damals dem Aufruf der Gewerkschaften zum Generalstreik Folge leisteten. Dass die Gefahr nicht gebannt war, zeigten 1921 und 1922 die politisch motivierten Morde an den beiden Reichsministern Matthias Erzberger und Walter Rathenau. Tausende von Menschen gingen nun auf die Straße, um gegen Gewalt und für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu demonstrieren. Um die Ereignisdichte und die Dramatik erfahrbar zu machen, der die Menschen in Deutschland zu Beginn der 1920er Jahre ausgesetzt waren, möchten wir in Themenfeld 2 mit Mitteln der Verfremdung arbeiten: Die historischen Inhalte werden in heutige mediale Präsentationsformen überführt. Anknüpfend an die Alltagserfahrungen der Besucherinnen und Besucher, möchten wir damit gängige Vermittlungsmuster durchbrechen und durch Irritation Neugier wecken. Neben Reproduktionen zeitgenössischen Plakat- und Bildmaterials sowie Audio-Sequenzen mit Augenzeugenberichten finden die Besucherinnen und Besucher daher in Themenfeld 2 mehrere Bildschirme vor. Vor einer weiteren angedeuteten Hauswand mit Reproduktionen zeitgenössischer Dokumente sind zwei Computerbildschirme platziert. Im Stil eines Live-Tickers berichtet das fiktive Online-Magazin des „Badischen Staatsanzeigers“ jeweils über den Erzberger- und den Rathenau-Mord sowie über die Demonstrationen, mit denen Bürgerinnen und Bürger auch in vielen badischen Städten über Parteigrenzen hinweg ihre Empörung über die beiden Gewalttaten zum Ausdruck brachten. In diesem Zusammenhang kann die berühmte Rede, in der Reichskanzler Joseph Wirth die rechtskonservativen Feinde der Republik 1922 als Wegbereiter des Terrors anprangerte, online abgerufen werden. Demonstrationsaufruf vom Sommer 1922 3. Blog-Eintrag „Hitler in die Heilanstalt“ Auf dem dritten Computerbildschirm ist der fiktive Blog des damaligen badischen Staatspräsidenten und Innenministers Adam Remmele mit einem Eintrag vom Februar 1923 aufgerufen. Der Blog greift die Landtagsrede auf, in der Remmele damals auf drastische Weise Stellung zum Treiben Adolf Hitlers bezog. Blogkommentare bilden die teils zustimmenden, teils wütend ablehnenden Reaktionen ab, die diese Rede hervorrief. Audio-Station „Putsche 1920 und 1923“ An einer Audio-Station können die Besucherinnen und Besucher einen autobiografischen Bericht des damaligen badischen Staatspräsidenten Anton Geiß über die mit dem Kapp-Putsch in Zusammenhang stehenden Ereignisse in der Region abrufen. Auch einen Augenzeugenbericht über den Hitler-Putsch im November 1923 können sie sich an dieser Station anhören. Unterdessen zum Nazi-Gegner geläutert, schildert der Freiburger Putschist Helmuth Klotz aus der Rückschau die Münchener Vorgänge. Vertiefende Angebote Über die genannten Installationen hinaus bieten wir in Themenfeld 2 nähere Informationen über Hintergründe und Folgen der politisch motivierten Mordtaten jener Zeit sowie der Putschversuche der Jahre 1920 und 1923 an. Auch die soziale Not der Nachkriegs- und Inflationszeit sowie deren politische Folgen werden thematisiert. Zeitfenster Hinter einem zweiflügligen Zeitfenster finden die Besucherinnen und Besucher Informationen über unterschiedliche Formen des Straßenprotests aus jüngerer Zeit vor – von der klassischen Gewerkschaftsdemo über Greenpeace- und Occupy-Aktionen oder die iDemo der „Partei“ von 2013 bis hin zu aktuellen Pegida-Demonstrationen. „Wer ist Adolf Hitler aus München?“ Meine Herren von rechts! Ich will Ihnen darauf sagen: Wenn ich Zugriffsrechte hätte, würde ich diesen Herrn in eine Heil- und Pflegeanstalt schicken […]. Adam Remmele 1923 32 Themenfeld 3 33 WIE WOLLEN WIR MITEINANDER LEBEN? Humanität contra Menschenhass (1920er Jahre) Worum geht es in diesem Themenfeld? 1. Weggabelung „Freiheit für alle?“ Dass sich in der Weimarer Republik extrem unterschiedliche, vielfach unversöhnliche Weltanschauungen gegenüberstanden, soll in den beiden ersten Themenfeldern aufgezeigt werden. In Themenfeld 3 möchten wir verdeutlichen, dass diesen unterschiedlichen Anschauungen letztlich gänzlich unterschiedliche Menschenbilder zugrunde lagen. Anhand von Grundsatzfragen und konkreten Beispielen möchten wir den Unterschied zwischen einem aufklärerisch-humanistisch geprägten Menschenbild einerseits und einem von Hass und Gewaltbereitschaft geprägten Menschenbild andererseits herausarbeiten. „Wie wollen wir miteinander leben?“, so sollten sich die Menschen heute wie damals angesichts immer neuer Herausforderungen stets aufs Neue fragen. Eingangs des Wertelabyrinths finden sich die Besucherinnen und Besucher vor einem großen Schild mit der Frage „Freiheit für alle?“ Über einen kleinen Wegweiser mit der Aufschrift „Ja“ gelangen sie in einen kleinen Raum, in dem einige Organisationen vorgestellt werden, die sich in der Weimarer Republik für Meinungsfreiheit einsetzten. Sie lernen die Freiburger Journalistin Käthe Vordtriede und die Heidelberger Reformpädagogin Elisabeth von Thadden kennen, erfahren etwas über christliche Pfadfinder und sozialdemokratische Kinderrepubliken und können Dokumentarfilme über einige Jugendorganisationen abrufen. Wer hingegen einem Wegweiser mit der Aufschrift „Nein“ folgt, sieht sich in einem anderen Raum mit dem Prinzip von Führer und Gefolgschaft sowie mit dem damit einhergehenden Meinungsdiktat konfrontiert, das in der NSDAP und in der Hitler-Jugend vorherrschte. Ein Schild mit der Aufschrift „Einverstanden!“ weist den Weg in den nächsten „Nein“-Raum, ein Schild mit der Aufschrift „So nicht!“ den Weg in den ersten „Ja“-Raum. Installation Wertelabyrinth Im Wertelabyrinth, einem durch Stellwände gestalteten kleinen „Irrgarten“, sehen sich die Besucherinnen und Besucher mit drei Kernfragen menschlichen Zusammenlebens konfrontiert: Hat Freiheit für alle Menschen zu gelten? Haben alle Menschen prinzipiell das gleiche Recht auf Lebenschancen und Lebensglück? Und ist die Wahrung von Frieden im Inneren wie im Äußeren ein hohes und unbedingtes Ziel? An drei Stellen bietet das Wertelabyrinth die Möglichkeit, den historischen Ausprägungen und Auswirkungen einer positiven und einer negativen Antwort auf diese drei Fragen nachzuspüren. te einsetzten. So lernen sie die Mannheimerin Elisabeth Altmann-Gottheiner kennen, die als erste Hochschuldozentin Deutschlands im Bund Deutscher Frauenvereine aktiv war, und stoßen auf die Karlsruher Landtagsabgeordnete Kunigunde Fischer, die für gleiche Berufs- und Lebenschancen von Frauen stritt. Sie erfahren etwas über die von Emil Julius Gumbel mitgeprägte Deutsche Liga für Menschenrechte sowie über den Verein zur Abwehr des Antisemitismus, in dem sich der Freiburger Zentrumspolitiker Constantin Fehrenbach und der Heidelberger Pfarrer Hermann Maas engagierten. Über einen Wegweiser „Nein“ hingegen gelangen die Besucherinnen und Besucher in einen Raum, der anhand von Programmatik und Verfasstheit der NSDAP und der NS-Frauenschaft den Männlichkeitskult und das archaische Frauenbild der Ultrarechten thematisiert. Darüber hinaus werden sie mit Äußerungen zur „Minderwertigkeit“ bestimmter Gruppen und Völker sowie zur „Reinhaltung der Rasse“ durch „Zuchtwahl“ konfrontiert. Über ein Schild „Einverstanden!“ können sie in den nächsten „Nein“-Raum, via „So nicht!“ in den zweiten „Ja“-Raum gelangen. 3. Weggabelung „Frieden?“ Die Frage nach „Frieden“ berührt sowohl den inneren Frieden des Landes als auch die Frage nach dem Verhältnis zu anderen Nationen. Im „Ja“-Raum werden Georg Reinbold und mit ihm die überparteiliche Republikschutzorganisation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ eingeführt, in der Gewalt allenfalls als notwendiges Übel zur Verteidigung der Demokratie galt. Auf einem Bildschirm kann ein Dokumentarfilm über einen Reichsbanner-Aufmarsch abgerufen werden. Freie, christliche und liberale Gewerkschaften sowie die ihnen nahestehenden Sozialverbände werden als Vorkämpfer für sozialen Frieden im Inneren sowie für internationale Solidarität vorgestellt. Des Weiteren erfahren wir etwas über den Einsatz der aus Baden stammenden Reichspolitiker Hermann Müller und Ludwig Haas zugunsten einer internationalen Verständigung. Den Kaiserstühler Lehrer Wilhelm Hauser lernen wir als Repräsentanten der Deutschen Friedensgesellschaft kennen. Im „Nein“-Raum hingegen wird am Beispiel des SA-Aktivisten Karl Pflaumer der paramilitärische Gewaltkult behandelt, der in den Reihen der Ultrarechten vorherrschte. 2. Weggabelung „Gleichheit aller?“ Am Ende des „Ja“-Raums wie des „Nein“-Raums werden die Besucherinnen und Besucher mit der Frage konfrontiert, ob es eine „Gleichheit aller“ gebe oder nicht. Über einen Wegweiser „Ja“ gelangen sie in einen Raum, in dem Personen und Organisationen vorgestellt werden, die sich in der Weimarer Republik für Menschen- und BürgerrechMitglieder der Ladenburger Jungbanner-Gruppe um 1926 4. „Kluft der Weltanschauungen“ Aus dem letzten „Ja“-Raum kommend, werden die Besucherinnen und Besucher am Ende des Wertelabyrinths mit einem Schild „Solidarische Gesellschaft“ empfangen. Wer hingegen aus dem dritten „Nein“-Raum tritt, findet sich vor einem Schild „Ausgrenzungsgesellschaft“ wieder. Beide Ausgänge sind durch eine symbolische „Kluft der Weltanschauungen“ voneinander getrennt. Vertiefende Angebote Für Interessierte halten wir in Themenfeld 3 weitere Informationen zur Ideologie der Völkischen und speziell der NSDAP bereit. Auch der Weltanschauungskampf, der in der Weimarer Republik auf dem Gebiet von Kunst und Kultur tobte, wird thematisiert – von der Brandmarkung expressionistischer Malerei als „entartet“ bis hin zur Verteufelung von Jazz und Swing als „Negermusik“. Mit Zeitungsausschnitten aus badischen Blättern wird darüber hinaus illustriert, welch konträre und heftige Reaktionen der 1929 veröffentlichte Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque sowie dessen Verfilmung hervorriefen. Zeitfenster Hinter einem Zeitfenster finden die Besucherinnen und Besucher Informationen rund um das Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ sowie zu Phänomenen wie Hate Speech und Cyber-Mobbing. Darüber hinaus werden sie mit der Frage konfrontiert, ob soziale Netzwerke neue Formen einer Ausgrenzungsgesellschaft begünstigen. 34 Themenfeld 4 35 WAS VERLETZT DIE WÜRDE? Demokraten im Fokus rechtsextremer Hetze (1920er Jahre) Worum geht es in diesem Themenfeld? Nachdem in Themenfeld 3 Menschenbild und Wertekatalog des demokratischen Parteienspektrums umrissen und mit der Gegenwelt der Völkischen und anderer Extremisten in Kontrast gesetzt worden sind, möchten wir in Themenfeld 4 den Hass in den Blick nehmen, dem mutige Demokraten im vergifteten politischen Klima der Weimarer Republik ausgesetzt waren. „Was verletzt die Würde?“, so gilt es nicht nur mit Blick auf das historische Beispiel zu fragen. Installation „Präsident in Badehose“ Eingangs von Themenfeld 4 stoßen die Besucherinnen und Besucher auf eine lebensgroße Pappfigur von Friedrich Ebert, bekleidet lediglich mit einer Badehose. Sie erfahren, dass das 1919 aufgenommene Foto des Reichspräsidenten im Freizeitdress gleich zu Beginn der jungen Republik den Anstoß zu einer beispiellosen Diffamierungskampagne gab, der zahllose weitere Fälle geistiger Brandstiftung folgen sollten. verräter“ und „Systempolitiker“ vorgestellt, die Publizisten Emil Julius Gumbel und Hermann Kantorowicz über die üblichen Beleidigungen hinaus als „Demagogennaturen“ und „Verbrecher am deutschen Geist“. ten, die deren jeweiliges Wirken im Sinne von Demokratie und Menschenrechten schlaglichtartig beleuchten. Remmeles und Marums politischer Kampf gegen die Nazis und deren Verbündete wird ebenso dokumen- Hitler ist ein glänzende r Redner, ein ausgemachter Dema goge. Ein Mensch, unfähig einen eigene n Gedanken zu haben, aber gerade darin lieg t seine Stärke. Denn er sagt, was an jedem Stammtisch jeden Tag wiedergek äut werden kann. Alle diese öden und pla tten Dinge setzt er, von tosenden Heilrufe n begleitet, seiner Gefolgschaft Tag fü r Tag vor. Um einen Stammtisch mit Reichskriegswimpel und anderen völkischen Insignien herum sind die seinerzeit geläufigsten Schimpfwörter der Rechtsextremen stellvertretend jeweils einer Persönlichkeit zugeordnet. Die Landes- und Reichspolitiker Ludwig Marum, Adam Remmele und Joseph Wirth werden als „Novemberverbrecher“, „Volks- Wer Aufschluss darüber erlangen möchte, womit diese fünf Männer den unerbittlichen Hass nicht nur der Ultrarechten, sondern auch vieler vermeintlich „braver Bürger“ auf sich zogen, muss jeweils hinter die einzelnen ParolenWände treten: Dort, auf den Rückseiten, finden sich – ergänzt um knappe Informationen – Zitate der Genann- An zentraler Stelle des Themenfelds findet sich ein gläserner Raum oder eine nach unten hin offene „Glocke“, die bis zu fünf Personen Platz bietet. Wer den Raum betritt bzw. unter die Glocke schlüpft, sieht sich Hassgesängen und Gebrüll ausgesetzt. Dort können die Besucherinnen und Besucher erspüren, wie es sich anfühlen muss, mit einem wütenden Mob konfrontiert zu sein. Ein echtes Fenster soll den Blick auf eine Graffiti-Wand im Außenbereich freigeben. Im Rahmen mehrtägiger Projektarbeit soll diese Wand jeweils von einer Jugendgruppe oder Schulklasse für einen bestimmten Zeitraum gestaltet werden. Die Jugendlichen können dort Parolen, Zitate oder Bilder zum Thema „Würde“ hinterlassen. Die Besucherinnen und Besucher des Lernorts können sich damit auseinandersetzen, wie heutige Jugendliche für sich „Würde“ definieren. Interessierte finden in Themenfeld 4 weitergehende Informationen über die fortgesetzte Hetze gegen Gumbel sowie über den „Batschari-Reemtsma-Skandal“, der mit einer gezielten Rufmordkampagne gegen Marum einherging. Auch die letztlich vor Gericht ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Remmele und dem Polizisten und NSDAP-Aktivisten Karl Pflaumer – Remmeles späterem „Amtsnachfolger“ im Innenressort – wird dokumentiert. 4 „Hinter-Fragen“ Interaktiver „Raum der Widerworte“ Zeitfenster auf partizipative Graffiti-Wand Vertiefende Angebote Emil Julius Gumbel 192 Installation „Stammtisch-Hetze“ tiert wie Wirths aktiver Einsatz für die Republik und gegen ein Bündnis seiner Partei mit der ultranationalen DNVP, Kantorowicz’ Gutachten zur Kriegsschuldfrage oder Gumbels Engagement gegen Kriegsverherrlichung und eine auf dem rechten Auge blinde Justiz. Dem Wirken Gumbels in der Weimarer Republik widmet sich darüber hinaus der Motion Comic „Eine Kohlrübe als Kriegsdenkmal“. Ludwig Marum Hermann Kantorowicz Emil Julius Gumbel Zeitfenster Durch Öffnen eines Zeitfensters können sich die Besucherinnen und Besucher anhand aktueller Beispiele darüber informieren, wie freie Meinungsäußerung, Beleidigung und Volksverhetzung juristisch definiert sind und wie sie sich voneinander abgrenzen lassen. Reichspräsident Friedrich Ebert (rechts) im Sommer 1919 beim Bade Plakat des rechtsextremistischen Völkischen Blocks zur Reichstagswahl 1924 36 Themenfeld 5 37 WIE VERTEIDIGT MAN DIE FREIHEIT? Der Versuch, den Gang in die Diktatur aufzuhalten (1929-1933) Worum geht es in diesem Themenfeld? Im Zuge der Kampagne gegen den Young-Plan im Herbst 1929 stellte die NSDAP erstmals ihre hohe Mobilisierungskraft unter Beweis. In Baden zog sie nun in den Landtag ein. Ein Jahr darauf erzielte die Partei bei den Reichstagswie bei den badischen Kommunalwahlen große Erfolge. Beschimpfungen und Tätlichkeiten gehörten seither in diesen Gremien zum Alltagsgeschäft, und die Auseinandersetzung verlagerte sich zugleich wieder zunehmend auf die Straße. Hitler bedeutet Krieg, diese Erkenntnis hatte sich unterdessen bei vielen politischen Akteuren durchgesetzt. Die Frage „Wie verteidigt man die Freiheit?“ gewann vor diesem Hintergrund nachgerade existenzielle Bedeutung. Warum gelang es dennoch nicht, den Gang in die Diktatur aufzuhalten? Themenspektrum reicht von der Stalinisierung der KPD 1929 über die Aufkündigung der Großen Koalition 1930 und die Etablierung der „Notstandskabinette“, die verpasste Chance eines NSDAP-Verbots, die Reichspräsidentenwahl 1932 und das Ausbleiben eines Generalstreiks nach dem „Preußenschlag“ bis zum Bruch der Weimarer Koalition in Baden und zur politischen Lähmung der Nazi-Gegner angesichts der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. TF 2 Installation Scheideweg Obwohl die politischen Spielräume seit 1929 immer enger wurden, taten sich auch jetzt noch Handlungsoptionen auf, die zur Stabilisierung der Republik hätten beitragen können. Sinnlich erfahrbar machen soll dies ein nach rechts gekrümmter, sich verengender Weg, in dessen chronologischem Verlauf sich immer wieder Abzweigungsmöglichkeiten auftun – manche holprig, manche versperrt, andere mit ungewisser Perspektive. Kurz und knapp werden entlang dieses Scheidewegs politische Ereignisse sowie deren Folgen mit den jeweils möglichen Alternativen und deren Risiken kontrastiert. Das Installationsfeld „Abwehr“ Am Wegesrand finden die Besucherinnen und Besucher vier Stationen vor, in denen jeweils unterschiedliche Aktionsformen des Abwehrkampfs gegen den Aufstieg der Ultrarechten präsentiert werden: 1. „Wall of fame“ der wehrhaften Demokratie An einer stilisierten Hausmauer wird der Begriff „Wehrhafte Demokratie“ in zwei Sätzen erläutert. Exemplarisch werden an dieser „Wall of fame“ die Versuche badischer Demokraten vorgestellt, dem Aufstieg der NSDAP mit gesetzlichen Mitteln oder mittels exekutiver Gewalt zu begegnen. So erfahren die Besucherinnen und Besucher etwas über Joseph Wirths Aktivitäten als Reichsinnenminister 1930/31 oder über Adam Remmeles Wirken als durchsetzungsstarker Landesinnenminister, unter dessen Ägide die Polizei extremistische Umtriebe – anders als in anderen deutschen Ländern – rigoros unterband. Auch der spätere Nürnberger Ankläger Robert Kempner wird gewürdigt, der 1930 als junger Jurist maßgeblich an der Initiative Preußens zu einem NSDAP-Verbot beteiligt war. 2. Buchhandlung „Freiheit“ Adam Remmele In einem Schaufenster am Wegesrand sind Schriften ausgestellt, die den Einsatz badischer Demokraten für die Republik und gegen die extreme Rechte mit den Mitteln der Publizistik dokumentieren. Die von Joseph Wirth und Ludwig Haas herausgegebene Zeitschrift „Deutsche Repu- blik“ findet sich dort ebenso wie aufklärerische Schriften von Adam Remmele, Käthe Vordtriede, Alexander Schifrin und Emil Julius Gumbel oder Theodor Heuss’ Studie „Hitlers Weg“. Ein Zeitungsständer neben dem Schaufenster hält Reproduktionen von Aufsätzen und Zeitungsartikeln sowie Reproduktionen historischer Klebezettel bereit. 3. Interaktive Litfaßsäule Seit 1930 stand die Wahlwerbung der demokratischen Parteien ganz im Zeichen des Abwehrkampfs gegen die NSDAP und die KPD. Auf einer interaktiven Litfaßsäule finden sich Plakate von Zentrum, DDP, DVP, SPD, KPD und NSDAP aus den Jahren 1929 bis 1933. Mittels eines Touchscreens können die Besucherinnen und Besucher die Plakatmotive den einzelnen Parteien sowie den verschiedenen Wahl- und Abstimmungskampagnen zuordnen, mit denen sie im Verlauf des Scheidewegs konfrontiert werden. 4. Multimedia-Station „Frontbildung“ Eine Installation aus Schlagstöcken und zerrissenen Fahnen steht für die physische Konfrontation mit den Ultrarechten in Redesälen und auf den Straßen. An einer Audio-Station dokumentieren Auszüge aus Landtags- und Gemeinderatsprotokollen die Tätlichkeiten badischer NSDAP-Abgeordneter gegenüber Politikern gegnerischer Parteien. Ein Augenzeugenbericht dokumentiert die Mannheimer Saalschlacht zwischen Nazis und Kommunisten im Jahr 1928, ein anderer die Karlsruher Straßenschlacht zwischen Nazis und Reichsbanner-Leuten 1931. Ausschnitte aus zeitgenössischen Dokumentarfilmen zeigen Demonstrationszüge der „Eisernen Front“, die sich Ende 1931 in direkter Reaktion auf die Formierung der „Harzburger Front“ aus NSDAP, DNVP und Stahlhelm gründete. An einer zweiten Audio-Station können der „Marsch der Eisernen Front“ und das in den Reihen der KPD gesungene „Kampflied gegen den Faschismus“ abgerufen werden, in dem der Eisernen Front Betrug am Proletariat unterstellt wird. Die Texte beider Lieder werden mit dem des „Horst-Wessel-Lieds“ kontrastiert. Der Motion Comic „,Judenknechte‘ contra Nazis“ beschreibt eine Schlägerei im Mannheimer Bürgerausschuss zu Jahresbeginn 1932 sowie deren fragwürdiges juristisches Nachspiel. Vertiefende Angebote Über die skizzierten Angebote hinaus finden interessierte Besucherinnen und Besucher in Themenfeld 5 nähere Informationen über die „Sozialfaschismusthese“, die als damalige Generallinie der KPD ein wesentliches Hindernis für eine Bündelung aller verfügbaren Kräfte im Kampf gegen rechts darstellte. Desgleichen finden sie Informationen über die Hintergründe des Scheiterns der Großen Koalition 1930, über die Zeit der „Notverordnungskabinette“ sowie über den „Preußenschlag“. Schlagzeilen und Fotos illustrieren das soziale Elend jener Jahre, das durch TF2 die Weltwirtschaftskrise weiter verstärkt wurde. Plakate von DDP, DVP, SPD und Zentrumspartei zu den Reichstagswahlen der Jahre 1928 bis 1932 38 Themenfeld 6 39 WIE BEWAHRE ICH HALTUNG? Widerstehen im Angesicht der „Machtergreifung“ (1933) Worum geht es in diesem Themenfeld? Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 sowie die Auflösung des Reichstags wenige Tage darauf gaben den Auftakt zu einer geradezu erdrutschartigen Erosion rechtsstaatlicher Praxis und Prinzipien. In Themenfeld 6 möchten wir die Ereignisse in Baden in den ersten Monaten des Jahres 1933 beleuchten. Während sich viele vermeintliche Nazi-Gegner wegduckten und klaglos an die neuen Machtverhältnisse anpassten, blieben andere ihren Überzeugungen treu. „Wie bewahre ich Haltung?“, diese Frage mussten sich sowohl diejenigen Menschen, die direkt von Unrecht betroffen waren, als auch diejenigen stellen, die als freiwillige oder unfreiwillige Zuschauer Zeugen von Demütigung und Gewalt wurden. Augenzeugenberichte zweier Männer abgerufen werden, die den Ladenboykott in Baden-Baden und in Lörrach erlebten und ihn – anders als die breite Masse – bewusst brachen. 1. Installation „Machtergreifung“ 3. Installation „Schaufahrt“ Die Zerschlagung von Parteien und Gewerkschaften sowie ihrer Presseorgane im Frühjahr 1933 ist Gegenstand der ersten Installation. Auf der Seite der Ausgelieferten ist ein verwüstetes Redaktionsbüro nachgebildet. Auf der Zuschauerseite türmen sich vor einer angedeuteten Hauswand zerfledderte Aktenordner und Broschüren, Massen einzelner Papiere, zerbrochene Stühle und demolierte Schreibmaschinen. Auf einem Bildschirm läuft der Motion Comic „Randale in der Redaktion“, der die Erstürmung der Freiburger „Volkswacht“-Redaktion am 17. März 1933 aus der Perspektive von Käthe Vordtriede schildert. Der Ton kann über Kopfhörer abgerufen werden. Die dritte Installation ist der „Schaufahrt“ am 16. Mai 1933 gewidmet, mit der die Nazis die Verschleppung von Adam Remmele, Ludwig Marum und fünf weiteren bekannten Landespolitikern ins neu errichtete Konzentrationslager Kislau als demütigendes Schauspiel zu inszenieren trachteten. Auf der Seite der Ausgelieferten finden sich die Besucherinnen und Besucher auf einem engen Pritschenwagen wieder. Via Kopfhörer können sie Remmeles Bericht über den Ablauf der „Schaufahrt“ abrufen. Sie erfahren, wie er und andere angesichts einer gaffenden und johlenden Meute Gleichmut zu demonstrieren suchten. Auf der Zuschauerseite ist ein offener Wagen vor markanter Karlsruher Innenstadtkulisse zu sehen. Im Hintergrund finden sich Fotoaufnahmen der Aktion. Per Knopfdruck lässt sich ein Geräuschteppich unterlegen, der die damalige Situation akustisch wiederzugeben versucht: Neben den vielen Menschen, die die Männer auf dem Wagen beleidigten und verhöhnten, gab es nur wenige, die gegen den Mob anschrien – und damit ihre eigene Verhaftung riskierten. 2. Installation „Ladenboykott“ Video-Station „Haltung bewahren!“ Eingangs von Themenfeld 6 treffen die Besucherinnen und Besucher auf den badischen Staatspräsidenten Josef Schmitt. Gegen seine widerrechtliche Absetzung Anfang März 1933 reichte er – obwohl um die Vergeblichkeit seines Unterfangens wissend – Klage ein. Damit bewahrte Schmitt ebenso Haltung wie der Heidelberger Professor Alfred Weber, der sich dem Hissen der Hakenkreuzflagge an seinem Institut erfolgreich entgegenstellte. Beide Ereignisse sind Gegenstand je eines Motion Comics. net – drei historisch verbürgte Ereignisse aus den ersten Monaten des Jahres 1933 nachempfunden, in denen Menschen, die von den Nationalsozialisten zu „Volksfeinden“ erklärt worden waren, der Bedrohung trotzten. SA-Männer am 1. April 1933 vermutlich vor einem Berliner Geschäft Raum „Betroffene – Bystander – Beisteher“ Die Besucherinnen und Besucher betreten einen länglichen Raum, der leporelloartig in zwei Hälften geteilt ist. Die eine Hälfte ist als „Areal der Ausgelieferten“, die andere als „Areal der Zuschauer“ ausgewiesen. Türen und andere Übergänge ermöglichen es, zwischen beiden Arealen zu wechseln und so wahlweise die Perspektive der Ausgelieferten oder die der Zuschauer einzunehmen. Unter den Zuschauern wiederum gilt es sich als Bystander oder aber als Beisteher zu definieren. Im „Areal der Zuschauer“ deuten Pappsilhouetten einen pöbelnden Straßenmob an. Über den Köpfen der Besucherinnen und Besucher schweben Fragen wie „Wann werde ich vom Zuschauer zum Mittäter?“ und „Müsste ich jetzt nicht helfen?“ oder Aussagen wie „Jawohl, macht sie fertig!“ Im „Areal der Ausgelieferten“ hingegen sind – hintereinander angeord- Die zweite Installation hat den Ladenboykott am 1. April 1933 zum Thema, in dessen Verlauf die Geschäfte von Juden und Menschen jüdischer Herkunft mit Parolen beschmiert und ihre Kunden durch SA-Männer vom Einkauf abgeschreckt wurden. Auf der Ausgelieferten-Seite sind das Schaufenster eines angedeuteten Ladens und – darin sitzend – die lebensgroße Figur eines Mannes zu sehen. Über Kopfhörer können sich die Besucherinnen und Besucher einen Augenzeugenbericht über den stummen „Sitzstreik“ des Pforzheimer Ladenbesitzers Max Rödelsheimer anhören. Von der Zuschauerseite aus ist zu erkennen, dass die Fensterfront mit der Parole „Deutsche, kauft nicht bei Juden!“ sowie mit einem Davidstern beschmiert ist. An der Innenseite des Fensters – so sieht man von dieser Seite aus – hat der Ladenbesitzer eine bunte Postkarte mit dem Text „Wir sind alle Kinder Gottes“ befestigt. An einer Audio-Station können die Vertiefende Angebote Interessierte Besucherinnen und Besucher finden in Themenfeld 6 nähere Informationen über die einzelnen Etappen der NS-„Machtergreifung“ im Reich wie im Land – so nicht zuletzt über die „Nußbaum-Affäre“ sowie über die Verfolgungs- und Verhaftungswelle, die ihr Mitte März 1933 in ganz Baden folgte, über die Zerschlagung von Parteien und Gewerkschaften sowie über die „Gleichschaltung“ Badens. Auch der „Bystander-Effekt“ wird erläutert: Er bewirkt, dass Menschen in größeren Gruppen oft selbst offensichtliche Gräuel und andere Verbrechen tatenlos hinnehmen. Zeitfenster Beim Öffnen eines Zeitfensters stößt man auf Beispiele couragierten Verhaltens in neuerer Zeit – von Salman Rushdie, der trotz seit Jahrzehnten anhaltender Fatwa nicht von seiner Haltung abweicht, bis hin zu Exempeln mutigen Alltagshandelns, wie es etwa im Jahr 2009 Dominik Brunner lieferte. Wegweiser zum „Weg des geringsten Widerstands“ Eher beiläufig passieren die Besucherinnen und Besucher einen Wegweiser. Versehen mit der Aufschrift „Weg des geringsten Widerstands“, lenkt er den Blick in Richtung von Themenfeld 10, wo die Frage nach Anpassung und Verweigerung erneut Bedeutung erlangen wird. Josef Schmitt Käthe Vordtriede 40 Themenfeld 7 41 Galerie des Lageralltags WIE VIEL WILLKÜR KANN ICH ERTRAGEN? Verfolgung, „Schutzhaft“ und KZs (1933-1945) Worum geht es in diesem Themenfeld? Galerie der „Schutzhaft“-Schicksale Ausgehend vom Konzentrationslager Kislau, möchten wir uns in Themenfeld 7 mit dem eskalierenden System von Terror und Verfolgung befassen, das in Deutschland schon unmittelbar nach der NS-„Machtergreifung“ um sich zu greifen begann. Dementsprechend steht in diesem Themenfeld die Dokumentation im Vordergrund. Darüber hinaus möchten wir verdeutlichen, was der Verlust jeglicher rechtsstaatlicher Sicherheit sowie seelische und körperliche Misshandlungen für all jene, die in „Schutzhaft“ verschleppt wurden, bedeuteten. „Wie viel Willkür kann ich ertragen?“, so musste sich jeder fragen, der dem Verfolgungsapparat des Regimes schutzlos ausgeliefert war. Was es bedeutete, ohne jegliche Rechtsgrundlage in „Schutzhaft“ genommen und in eines der eilig eingerichteten frühen Konzentrationslager verschleppt zu werden, wird anhand ausgewählter Biografien von Häftlingen der beiden badischen Konzentrationslager Ankenbuck und Kislau verdeutlicht. Die Besucherinnen und Besucher begegnen nicht nur Adam Remmele und Ludwig Marum wieder, sondern lernen auch den Plankstädter Pfarrer Franz Stattelmann, die Landtagsabgeordneten Karl Großhans und Georg Lechleiter TF 2 sowie den KPD-Redakteur Stefan Heymann kennen, der von Kislau 1938 nach Dachau und von dort später weiter nach Buchenwald und Auschwitz verschleppt wurde. Auch Käthe Vordtriedes „Schutzhaft“-Aufenthalte im Gefängnis sind dokumentiert. Das Themenfeld als „Black Box“ Über den „Schaufahrt“-Bereich aus Themenfeld 6 gelangen die Besucherinnen und Besucher in einen ganz in Schwarz gehaltenen Raum. In dieser „Black Box“ wird das zusehends eskalierende Verfolgungs- und Terrorsystem der NS-Diktatur auch im Wortsinne schlaglichtartig beleuchtet. Abgeschrägte Wände und ein leicht nach vorne hin abfallender Boden machen die Willkür und das Unrecht, die seit 1933 in Deutschland herrschten, auch sinnlich erfahrbar. Ein schräg von oben nach unten verlaufender Spalt in der Wand gibt den Blick auf den östlichen Teil der Kislauer Schlossanlage frei, in dem zwischen 1933 und 1939 die KZ-Häftlinge untergebracht waren. sie mir Meine Freiheit können Würde ine me ht nic r nehmen, abe lz. Sto inen und me Ludwig Marum 1933 Vertiefende Angebote Ausgewählte Passagen aus der Kislauer Lagerordnung sowie aus Briefen von Ludwig Marum, Emil Faller, Stefan Heymann und anderen „Schutzhäftlingen“, aber auch aus späteren Schilderungen von Adam Remmele und Max Faulhaber lassen den Lageralltag im KZ Kislau sowie die Seelennot der Häftlinge plastisch werden. An einer Audio-Station können längere Passagen der Texte abgerufen werden. Der Motion Comic „Wortloses Widerstehen im KZ“ gibt eine im KZ Ankenbuck heimlich anberaumte Gedenkminute wieder, die für ihren Initiator Kurt Hilbig schlimme Folgen hatte. Der Motion Comic „Ein KZ wird vorgeführt“ befasst sich mit den Propaganda-Aktionen, mit deren Hilfe Kislau in der Öffentlichkeit zum harmlosen „Muster-KZ“ stilisiert wurde. Auch die Hintergründe des Ende März 1934 in Kislau verübten Mords an Ludwig Marum werden aufgezeigt. Installation „Gewissensfrage“ Auf einem einfachen kleinen Holztischchen finden sich ein Füllfederhalter sowie Faksimiles einer Erklärung, die „Schutzhäftlinge“ vor ihrer Entlassung abgeben mussten: Schriftlich hatten sie zu bekunden, dass sie sich nicht mehr gegen das Regime betätigen würden. War es Verrat an den eigenen Idealen, diese Erklärung zu unterschreiben? Oder war es umgekehrt ein sinnloses Opfer, die Unterschrift zu verweigern? Diese Fragen stehen auch im Wortsinne im Raum. Interaktive Landkarte zum KZ-System Auf einer interaktiven Landkarte lassen sich die Haftschicksale der vorgestellten Personen sowie die Häftlingsströme nachvollziehen, die während der NS-Zeit zwischen Baden und dem benachbarten Württemberg, aber auch von Baden nach Dachau, Buchenwald, Mauthausen und in andere Lager stattfanden. Darüber hinaus lassen Für interessierte Besucherinnen und Besucher hält Themenfeld 7 vertiefende Informationen zum Terror- und Verfolgungsapparat des NS-Systems sowie speziell zu den Verhältnissen in Baden bereit. Die Aushöhlung des Rechtssystems durch die Schaffung immer neuer Straftatbestände wird ebenso skizziert wie Aufgabe und Funktion der Gestapo, das quantitative Ausmaß der Verfolgung sowie die Opferzahlen. Auch die Haftbedingungen der „Asozialen“, der Fremdenlegionäre und der Gefängnisinsassen, die während der NS-Zeit in Kislau festgehalten wurden, werden dargestellt. Einlieferung von Adam Remmele, Ludwig Marum und fünf weiteren bekannten badischen Sozialdemokraten ins KZ Kislau TF2 sich auf der Landkarte die Haftorte und -zeiten einzelner Personen abrufen. Diese Form der Präsentation veranschaulicht, dass sehr viele aktive Nazi-Gegner mehrfach inhaftiert wurden und ein Großteil von ihnen 1944 dann auch der „Aktion Gitter“ zum Opfer fiel. „Gitterwand“ An einer Gitterwand werden exemplarisch Lagerschicksale badischer Häftlinge in der Spätphase des NS-Regimes dargestellt. Anhand der Beispiele von Stefan Heymann und seines 1939 nach Buchenwald verschleppten Genossen Paul Schreck ist in diesem Zusammenhang auch etwas über den Widerstand in den späten Konzentrationslagern zu erfahren. An Opfer der „Aktion Gitter“ wie Friedrich Dürr oder Karl Großhans wird ebenso erinnert wie an Gerhard Ritter, der im November 1944 wegen seiner Kontakte zu Carl Goerdeler ins KZ Ravensbrück verschleppt wurde. Installation „Fluchtwand“ An der dem Zugang gegenüberliegenden Seite der „Black Box“ finden sich die Besucherinnen und Besucher vor einem Mauerstück mit zusammengeknoteten Bettlaken wieder. An der Außenseite der Mauer erhalten sie Auskunft über die Bedeutung dieser Installation: Anhand der Schilderungen von Max Faulhaber wird an die Flucht des KPD-Politikers Robert Klausmann aus dem KZ Kislau nach Frankreich im Herbst 1933 erinnert. Auf einem Bildschirm können die Besucherinnen und Besucher den Motion Comic „Schutz vor ‚Schutzhaft‘ und KZ“ abrufen. Damit wird zugleich auf Themenfeld 9 verwiesen, das sich dem politischen Exil widmet. Deckblatt de r Kislauer Hä ftlingsakte von Stepha n Heymann 42 Themenfeld 8 43 WIE VIEL WILL ICH RISKIEREN? Früher politischer Widerstand (1933-1939) Worum geht es in diesem Themenfeld? 1. Installation „Gut getarnt“ „Wie viel will ich riskieren?“, mit dieser Frage waren im Frühjahr 1933 Millionen von Menschen konfrontiert, die sich noch zu Jahresbeginn als Mitglieder von Parteien, Gewerkschaften und anderen Vereinigungen öffentlich für den Erhalt der Weimarer Demokratie eingesetzt hatten. Nachdem ihre Organisationen zerschlagen worden waren, wagten nur relativ wenige Menschen den Schritt in die Illegalität. Für das kleine Baden ist von etwa 5.000 Personen auszugehen, die sich mehr oder weniger direkt am frühen Widerstand beteiligten. Auch sie mussten sich stets aufs Neue nach ihrer je persönlichen Risikobereitschaft befragen. Auf dem Tisch finden sich Reproduktionen von Broschüren über vermeintlich unpolitische Themen wie Pilzbestimmung oder Mathematik, die sich erst bei näherem Hinsehen als Tarnschriften erweisen. Den Beistelltisch ziert ein Vervielfältigungsapparat, an dem die Besucherinnen und Besucher Schriften selbst reproduzieren können. Der Kleiderschrank ist mit Bettzeug ausgepolstert und mit einem kleinen Hocker sowie einer an einer Seitenwand montierten Tischlade ausgestattet, auf der eine Schreibmaschine steht. An der Schrankdecke eine Glühbirne. Auf TFbaumelt 2 dem Waschbecken finden sich Rasierpinsel, Rasiercreme und Rasierer sowie die Reproduktion einer Broschüre mit dem Titel „Die Kunst des Selbstrasierens“. Das Fahrrad wiederum hat keinen Sattel. Sein offenes Rohr erweist sich als Versteck für kleine Heftchen, die auf ganz dünnem Papier gedruckt sind. In den Hohlräumen im Boden stoßen die Besucherinnen und Besucher auf weiteres Schriftenmaterial, auf Parteiabzeichen und anderes mehr. Rauminstallation „Widerstandsnest“ Durch eine „Zimmertür“ gelangen die Besucherinnen und Besucher in einen Raum, der mit zeittypischem Mobiliar der 1930er Jahre bestückt ist: einem kleinen Tisch mit drei oder vier Stühlen, einem Beistelltisch, einem Bett, einem geöffneten Kleiderschrank und einem Waschtisch. An einer Wand lehnt ein Fahrrad, wie es um 1933 gebräuchlich war. In den Bodendielen finden sich Hohlräume, die durch Anheben einzelner Dielen freigelegt werden können. Die Frage „Wie viel will ich riskieren?“ sowie – kleiner – die Fragen „Illegalität oder nicht?“ und „Macht Widerstand jetzt noch Sinn?“ hängen wortwörtlich im Raum. wie diesem schrieben Widerstandskämpfer heimlich verbotene Aufklärungsschriften, das Bettzeug diente der Schallisolierung. Auf Knopfdruck ertönt das Tippen einer Schreibmaschine. Auf diese Weise wird erfahrbar, warum es notwendig war, das Geräusch zu dämpfen. 3. Installation „Hintergrund“ Vertiefende Angebote Ein „Zimmerfenster“ gibt den Blick auf den Vervielfältigungsapparat frei. In einem kurzen Text wird erläutert, wie aufwändig die Reproduktion von Texten in den 1930er Jahren war. Durch weitere „Zimmerfenster“ können die Besucherinnen und Besucher das Fahrrad, den Waschtisch und die Hohlräume in den Bodendielen in den Blick nehmen. Kurz und knapp wird über die illegal ins Land geschmuggelten Zeitungen sowie über Tarnschriften informiert und erklärt, warum sie auf dünnem Papier gedruckt und heimlich in Fahrradrohren oder auf andere abenteuerliche Weise transportiert werden mussten. Ebenso wird erläutert, was es mit der seit 1934 verbreiteten Tarnschrift „Die Kunst des Selbstrasierens“ und ähnlichen Publikationen auf sich hatte. In einer kleinen Hängevitrine findet sich eine winzig kleine Tarnschrift. Nur durch Lupengläser ist der Text erkennbar. Interessierte Besucherinnen und Besucher finden in Themenfeld 8 weitergehende Informationen zum frühen Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Allgemeinen sowie in Baden im Speziellen. Die Ziele, die die einzelnen Gruppierungen im Rahmen ihrer illegalen Tätigkeit verfolgten, werden ebenso skizziert wie die Methoden, die sie dabei anwandten. Dargestellt werden nicht zuletzt der steigende Verfolgungsdruck sowie die Verhaftungswellen, denen der politisch wie der religiös motivierte Widerstand ausgesetzt waren. In diesem Zusammenhang wird auch erläutert, warum die SAP ihr illegales Netz in Baden wesentlich länger aufrechterhalten konnte als die anderen Arbeiterparteien. „Steckbriefe“ Wie sich der frühe Widerstand im Einzelnen vollzog und wie unerbittlich das NS-Regime ihn verfolgte, wird exemplarisch anhand einer Reihe von Personen verdeutlicht. Neben Widerstandskoordinatoren, Autoren illegaler Schriften und dem Leiter einer geheimen Verteilstelle lernen die Besucherinnen und Besucher auch einen ehemaligen Zentrumspolitiker kennen, der – da selbst weniger verdächtig – seine Wohnung für Zusammenkünfte von Sozialdemokraten und Kommunisten zur Verfügung stellte. Vorgestellt werden unter anderem ein 16-jähriger Schriftenkurier sowie eine junge Frau, die zwischen 1933 und 1935 Flugblätter verteilte. Der Einsatz einer Schülerin, die bis 1938 verbotene Schriften der Zeugen Jehovas aus der Schweiz nach Deutschland schmuggelte, findet ebenso Würdigung wie das fünf Jahre währende Wirken des Pforzheimers Karl Schroth in der Illegalität bis zu seiner Verhaftung 1938. 2. Installation „Rückseite“ Durch eine zweite Tür gelangen die Besucherinnen und Besucher wieder aus dem Zimmer hinaus. In Ecken und „Mauernischen“ finden sich Reproduktionen eines Flugblatts zum Mitnehmen. Mehrere Gucklöcher in den „Außenwänden“ gewähren von hinten Einblick in den Kleiderschrank. Neben den Gucklöchern finden sich Erläuterungen zu Sinn und Zweck der Installation: In Schränken Titelblatt einer illegalen Zeitung vom 1. Juli 1933 Zeitfenster TF2 Szenen aus unserem Motion Comic über den Karlsruher Fahrradkurier Eugen Kern Medien-Station „Streng geheim“ Hinter einem Zeitfenster finden sich Informationen zu Persönlichkeiten, die in heutiger Zeit viel riskieren, um unrechtmäßigem Handeln die Stirn zu bieten. So lässt sich zum Beispiel etwas über Roberto Saviano erfahren, der mutig weltweite mafiöse Strukturen aufdeckte und seither unter Polizeischutz im Untergrund leben muss. Darüber hinaus werden kontroverse Meinungen über das Handeln von Whistleblowern wie Edward Snowden einander gegenübergestellt. Auf einem Bildschirm kann der Motion Comic „Streng geheim und sehr gefährlich“ abgerufen werden, der das Wirken des Karlsruher Lehrlings Eugen Kern als Fahrradkurier in den Jahren 1933/34 thematisiert. An einer Hörstation verschaffen ausgewählte Sequenzen aus Berichten früher badischer Widerstandskämpfer einen Eindruck von der Gefahr, der sich die Beteiligten aussetzten. Eugen Kern 44 Themenfeld 9 45 WAS MACHE ICH, NACHDEM ICH FLÜCHTEN MUSSTE? Bestehen im politischen Exil (1933-1945) Worum geht es in diesem Themenfeld? Installation „Grenzland“ Seit dem Frühjahr 1933 fand ein regelrechter Exodus von Nazi-Gegnern aus Deutschland statt – unter ihnen vor allem Mandatsträger und Funktionäre von SPD, SAP, KPD und Freien Gewerkschaften, aber auch Künstler und Intellektuelle, die die Nationalsozialisten als „entartet“ klassifiziert hatten. Wer über sein politisches Engagement hinaus auch „rassisch“ nicht in die neue „Volksgemeinschaft“ passte, war doppelt von Verfolgung bedroht. In Themenfeld 9 möchten wir erfahrbar machen, wie Menschen ihre Vertreibung aus Deutschland erlebten und verarbeiteten. Darüber hinaus möchten wir aufzeigen, wie und warum viele von ihnen auch in der Fremde weiter gegen das NSRegime kämpften. „Was mache ich, nachdem ich flüchten musste?“, so lautet die Frage, mit der wir beide Aspekte in den Blick nehmen möchten. Von den westlichen und südlichen Rändern eines kleinen gelben Areals mit den Umrissen des Landes Baden aus führen Wegweiser hin zu wichtigen Fluchtorten – so gen Westen ins Saargebiet, nach Straßburg, Luxemburg und Paris, gen Südwesten nach Lyon, gen Süden nach Basel und Luzern. Am östlichen Rand weist ein Schild nach Moskau. Zu den Zielorten hin versperren stilisiertes Gestrüpp und Schlagbäume den Weg. An den Schlagbäumen sind jeweils kurz und knapp die Aufenthalts- und Lebensbedingungen beschrieben, TFdie2 deutsche Flüchtlinge im jeweiligen Land erwarteten. Auf dem mit blauer Farbe angedeuteten „Rhein“ findet sich ein Faltboot, in einem als „Bodensee“ ausgewiesenen Bereich ein Ruderboot. Die Emigration ist das Grauenhafteste, was es für einen politisch interessierten Menschen gibt. Denn plötzlich hört die Wirklichkeit auf. Emil Julius Gumbel im Rückblick Fluchtkoffer-Wand An einer Wand aufgebaut finden sich rund ein Dutzend „Fluchtkoffer“, die jeweils einem badischen Emigranten zugeordnet sind. An der Außenseite jedes Koffers wird das Exilschicksal des „Besitzers“ einschließlich seiner Fluchtstationen in zwei Sätzen umrissen. Wer die vorherigen Themenfelder aufmerksam durchmessen hat, kennt die meisten Namen bereits. So erfahren die Besucherinnen und Besucher anhand der Koffer etwas über Georg Reinbolds und Robert Klausmanns Wirken als Grenzsekretäre ihrer Parteien, über Alexander Schifrins publizistisches Wirken im Exil sowie über sein und Emil Julius Gumbels Engagement im Lutetia-Komitee. Käthe Vordtriedes und Audio-Stationen „Schlagbaum“ „Bibliothek des badischen Exils“ Wer Schlagbäume und Gestrüpp überwinden möchte, kann dies nicht auf direktem Wege tun, sondern muss sich seinen Weg an den Hindernissen vorbei bahnen. Jeder Schlagbaum steht für ein Nachbarland des Deutschen Reichs – und jeder hat eine andere Geschichte zu erzählen: Auf Knopfdruck lassen Audio-Sequenzen mit kurzen Ausschnitten aus den Fluchtberichten badischer Emigranten einen Eindruck vom jeweiligen Fluchtland entstehen. Unterlegt sind die Berichte mit anschwellendem Stimmengewirr in der entsprechenden Landessprache. In einer kleinen „Bibliothek des badischen Exils“ möchten wir neben Sachbüchern und Aufsätzen von Emil Julius Gumbel, Alexander Schifrin, Helmuth Klotz, Joseph Wirth sowie anderen Polit-Emigranten auch belletristische Werke von Schriftstellern aus der Region wie René Schickele und Alfred Döblin versammeln. Begehbare Karte „Fluchtorte“ Erste Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs vom 23. August 1933 Joseph Wirths publizistische Arbeit in der Schweiz wird ebenso gewürdigt wie Max Diamants Engagement in Spanien und in Varian Frys Fluchthilfenetz, Max Faulhabers und Jakob Otts Einsatz als Kriegsfreiwillige in der französischen Armee oder Heinrich Sterns Wirken als Arzt in der Résistance. Ein weiterer Koffer ist Adam Remmeles Bruder Hermann Remmele gewidmet, dessen Flucht in die Sowjetunion sich als tödlicher Fehler erwies. Mit dem Spanienkämpfer Walter Chemnitz und dem von den Ardennen aus agierenden liberalen Fluchthelfer Otto Hafner werden auch zwei neue Personen eingeführt. Wer die Grenzen überwunden hat, findet vor sich – angedeutet durch Stadtansichten – die erwähnten Fluchtorte. Von dort aus leiten weiterführende Wegweiser nach Marseille, Barcelona, Madrid und Lissabon. An jedem Fluchtort wird kurz dessen Bedeutung für das politische Exil der NS-Zeit umrissen. So werden Straßburg, das Saargebiet sowie Luxemburg als Sitze von Grenzsekretariaten benannt und die Arbeit des Pariser Lutetia-Komitees beschrieben, in dem mehrere Badener an prominenter Stelle aktiv waren. Das Wirken von Exilanten im Spanischen Bürgerkrieg wird ebenso „verortet“ wie die Bedeutung der Hafenstädte Marseille und Lissabon als Drehscheiben für die Flucht aus Europa in den Jahren 1940/41. An den Fluchtorten sind jeweils Dubletten der Koffer derjenigen Exilanten abgestellt, die dort eine Zeit lang Unterschlupf fanden. Auf diese Weise können die Besucherinnen und Besucher die vielfach sehr verschlungenen Fluchtwege der Personen nachvollziehen, die ihnen in Themenfeld 9 begegnen, und die häufig sehr dramatischen Bedingungen ihres Lebens im Exil erahnen. Vertiefende Angebote Über weitergehende Angaben zur politischen Emigration aus dem Deutschen Reich hinaus möchten wir in Themenfeld 9 über die Grenzsicherung des NS-Regimes sowie über die Aufenthaltstitel in den einzelnen Fluchtländern informieren. Zeitfenster: Fluchtobjekte heutiger Exilanten TF2 Beim Öffnen eines Zeitfensters stoßen die Besucherinnen und Besucher auf eine beleuchtete Vitrine mit verschiedenen Gegenständen. „Das habe ich mitgenommen, als ich meine Heimat verlassen musste“ lautet die Überschrift auf der einen Seite, „Das würde ich mitnehmen, wenn ich morgen meine Heimat verlassen müsste“ die Überschrift auf der anderen Seite der Vitrine. Im Rahmen themenspezifischer Projekte, die wir gemeinsam mit jungen Flüchtlingen und Schulklassen realisieren möchten, wollen wir mit den Jugendlichen darüber ins Gespräch kommen, was ihnen des Mitnehmens wert erschien oder erscheint. Die von ihnen benannten Objekte möchten wir, ergänzt um ihre Kommentare, in der Vitrine präsentieren. Titelblatt einer Ausgabe des KPD-Exilorgans „Die Rote Fahne“ aus dem Jahr 1936 Titelblatt einer von Alexander Schifrin 1938 im Exil unter Pseudonym veröffentlichen Schrift Alexander Schifrin um 1941 im US-Exil 46 Themenfeld 10 47 WIE WEIT PASSE ICH MICH AN? Leben unter dem NS-Regime (1933-1939) einige Spuren zu einem noch größeren Feld von Schuhabdrücken und nur ein oder zwei Spuren in eine andere Richtung. Anders als im ersten Feld sind im zweiten Feld die Schuhabdrücke gleichförmig ausgerichtet. Das erste Feld – so erfährt man – steht für die Mitglieder der Freien, christlichen und liberalen Gewerkschaften. Das zweite Feld symbolisiert die Mitglieder der Deutschen Arbeitsfront (DAF), die unmittelbar nach der Zerschlagung der Gewerkschaften im Mai 1933 gegründet wurde. Die Installation soll aufzeigen, dass sich ein großer Teil der Deutschen – obwohl die Mitgliedschaft gerade auch in der DAF keineswegs obligatorisch war – willig in die neue „Volksgemeinschaft“ überführen ließ. Straßenschild „Weg des geringsten Widerstands“ TF 2 Das Freiburger Gewerkschaftshaus im September 1933 nach der „Eroberung“ durch die Nazis und der Umbenennung in „Fritz-Plattner-Haus“ Worum geht es in diesem Themenfeld? „Wie weit passe ich mich an?“ Wie schon die vorige Leitfrage ist auch diese bewusst doppeldeutig gehalten: In Themenfeld 10 möchten wir der Frage nachgehen, wie es gelingen konnte, in Deutschland binnen kürzester Zeit eine vermeintlich perfekte Zustimmungsdiktatur zu etablieren. In welchem Maße ließen sich die Menschen durch die ausgeklügelte Propagandamaschinerie des NS-Regimes unwissentlich manipulieren und in welchem Maße beugten sie sich wissentlich oder gar willentlich dem Druck, der in der totalitären Diktatur auf sie ausgeübt wurde? Darüber hinaus möchten wir die Handlungsspielräume ausloten, die all jenen, die das NS-Regime weiterhin ablehnten oder zumindest kritisch hinterfragten, in den „Friedensjahren“ bis 1939 jenseits eines gefahrvollen Widerstands noch verblieben. Installation „Spuren der Selbstanpassung“ Auf dem Boden von Themenfeld 10 finden die Besucherinnen und Besucher eine größere Ansammlung unterschiedlichster Schuhabdrücke vor. Von diesen aus führen Ein Straßenschild mit der Aufschrift „Weg des geringsten Widerstands“, das in Richtung des Areals mit den gleichförmig ausgerichteten Schuhabdrücken weist, regt zum Nachdenken über Anpassung und Verweigerung an. Im Jahre 19 37 war De utschland bereits bis in die unte r sten, einfachsten Z ellen des V olksorganismus ver giftet. We nn wir eine Hitlergegne n r ein Vierte ljahr nicht mehr gese hen hatten, sprachen wir zunäc hst vorsic htig mit ihm weil er mit , tlerweile D enunziant geworden sein konnte . Käthe Vord triede im R ückblick Installation „Graue Masse“ Entlang einer Wand deuten lebensgroße graue Silhouetten eine Menschenmenge an. Über den Köpfen schweben Gedankenblasen, die unterschiedlichste Haltungen wiedergeben wie „Mir können die Nazis ja nichts anhaben…“ oder „Das wird ohnehin nicht lange gut gehen…“ oder „Am besten jetzt 'mal Klappe halten und Zähne zusammenbeißen…“ Galerie der Verweigerung Aus der „grauen Masse“ treten einzelne Personen im Wortsinne hervor, um ihre jeweils eigene Geschichte der Verweigerung oder des Protests zu erzählen. Unter ihnen finden wir den Heidelberger Pfarrer Hermann Maas wieder, der sich in der NS-Zeit als Mitglied der Bekennenden Kirche ebenso mutig von der Mehrheit seiner Kollegen abhob wie der katholische Ettlinger Stadtpfarrer Augustin Kast. Wir treffen auf einen Ladenburger Bauern, der ein von der örtlichen NSDAP zum Aufmarschplatz erkorenes Areal gemeinsam mit anderen Landwirten kurzerhand zum Acker umpflügte. Vorgestellt wird auch der Siegelauer Dorflehrer Adolf Klausner, der das in allen deutschen Klassenzimmern obligatorische Hitler-Porträt kurzerhand hinter der Schultafel verschwinden ließ und seinen Schülern über Jahre hinweg untersagte, den „Hitler-Gruß“ zu entbieten. Ein junger Mann aus der Freiburger Swing-Jugend berichtet, welchen Verfolgungen er und seine Freunde sich angesichts ihrer Vorliebe für diese „entartete“ Musik ausgesetzt sahen und was sie anstellen mussten, um ihrem Lebensstil dennoch Augustin Kast treu zu bleiben. Der Historiker Gerhard Ritter wiederum erzählt von seinem Bemühen, in Veröffentlichungen und auf Kongressen aufklärerische Akzente zu setzen, sowie von seinem Engagement in einem oppositionellen Gesprächskreis. Video-Station „Widerständiger Wirtshausstreit“ Der Motion Comic „Widerständiger Wirtshausstreit“ gibt eine Episode aus dem Jahr 1938 wieder: Obwohl unter Beobachtung durch die Gestapo stehend und bereits mehrfach inhaftiert, bringt Jakob Trumpfheller 1938 die Courage auf, sich öffentlich in ein Gespräch einzumischen, in dem über Juden gehetzt wird. Das trägt ihm eine weitere Haftstrafe ein. Vertiefende Angebote Über die Frage nach bewusster und unbewusster Anpassung hinaus möchten wir in Themenfeld 10 die „Gleichschaltung“ des politischen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland am BeispielTF2 Badens beleuchten. In diesem Zusammenhang möchten wir insbesondere Rolle, Funktion und regionale Ausprägungen der NS-Propaganda sowie von Massenorganisationen wie der DAF und der Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) thematisieren. Zeitfenster Beim Öffnen eines Zeitfensters stoßen die Besucherinnen und Besucher auf Informationen über massenpsychologische Phänomene wie Gruppendruck, Herdendrang oder Schwarmintelligenz. Werbeplakate der Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ aus dem Jahr 1934 sowie der NSDAP aus dem Jahr 1938 oder 1939 48 Themenfeld 11 49 WAS GEHEN MICH DIE ANDEREN AN? Die Rettung von verfolgten Menschen (1939-1945) denen die Schicksale dieser Anderen nicht egal waren – und die für die Rettung Verfolgter ein hohes persönliches Risiko auf sich nahmen. Rauminstallation „Rettungswege“ TF 2 Eingangs von Themenfeld 11 treffen die Besucherinnen und Besucher auf die Silhouetten von vier Persönlichkeiten, die während des Zweiten Weltkriegs andere Menschen vor dem sicheren Tod retteten: auf die des Emmendinger Klinikleiters Viktor Mathes, des Heidelberger Pfarrers Hermann Maas, der Freiburger Caritas-Mitarbeiterin Gertrud Luckner und des Ettlinger Kioskbetreibers Otto Hörner. Entlang des Wegs wird knapp über die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs mit dem Angriff auf Polen 1939, über den „Sitzkrieg“ im Westen sowie den „Blitzsieg“ über die westlichen Nachbarländer 1940 informiert. Vor sich erblickt man – jeweils nur angedeutet – zur Linken eine Klinikfassade, zur Rechten ein Wäldchen sowie einen Wegweiser und geradeaus eine kleine Gartenhütte. 1. Installation „Rettung von Euthanasie-Opfern“ 3. Wegweiser nach Südfrankreich Die Klinikfassade soll die Heilanstalt Emmendingen darstellen, deren Leiter Viktor Mathes sich aktiv gegen das „Euthanasie“-Programm der NS-Führung wandte. Am konkreten Beispiel können sich die Besucherinnen und Besucher über die Aktion T4 sowie über Mathes’ Bemühungen zur Rettung von Menschen mit Behinderungen in den Jahren 1939/40 informieren. Ein Wegweiser oder ein Fernrohr stellt an Themenfeld 10 vorbei einen räumlichen Bezug zu jenem Teil von Themenfeld 9 her, in dem die Rettung verfolgter Menschen aus dem besetzten Europa in den Jahren 1940/41 thematisiert wird. 2. Installation „Fluchthilfe“ Baumsilhouetten und -figuren formieren sich zu einem stilisierten „Wäldchen“. Mit Kriegsbeginn – so erfahren die Besucherinnen und Besucher – war rassistisch verfolgten Menschen jede Möglichkeit, Deutschland legal zu verlassen, versperrt. Es blieb nun nur noch die Flucht über die „grüne Grenze“, die sich freilich ohne genaueste Ortskenntnis, gefälschte Papiere und manches mehr kaum bewältigen ließ. Als Grenzland zur unbesetzten Schweiz kam Baden im Krieg eine besondere Rolle zu. In Text und Ton vorgestellt werden die Fluchthilfenetzwerke von Hermann Maas und Gertrud Luckner sowie das Meier-HöflerNetzwerk, durch dessen Hilfe zahlreiche Menschen aus ganz Deutschland im Bodenseeraum über die rettende Grenze gelangten. Grenzanlage zwischen Konstanz und Kreuzlingen in den 1930er Jahren Worum geht es in diesem Themenfeld? In Themenfeld 11 möchten wir uns mit der Verfolgung und Ermordung von Menschen mit Behinderung, Juden und Menschen jüdischer Herkunft, Sinti und Roma sowie anderen Bevölkerungsgruppen befassen, die die Nationalsozialisten für „minderwertig“ und „lebensunwert“ erklärt hatten. Unter dem Deckmantel der Euthanasie wurden im Schatten des von Deutschland im Septem- Jedes Mal fühle ich die grausame Mitschuld und Mi tverantwortung . Nur noch größer e Liebe zu Ihnen allen hilft sie trag en… ber 1939 entfesselten Krieges insgesamt rund 70.000 Menschen mit Behinderungen ermordet. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 schließlich machte sich die NS-Führung an die planmäßige „Endlösung“ der „Judenfrage“, der rund sechs Millionen Menschen zum Opfer fielen. „Was gehen mich die Anderen an?“, so mochte sich ein Großteil der deutschen Bevölkerung denken. Wir möchten Menschen in den Blick nehmen, Hermann Maas um Gertrud Luckner 1938 in einem Br ief 4. Installation „Versteck“ Eine idyllische Gartenhütte inmitten von Blumen und Büschen verweist auf eine weitere Form des Rettungswiderstands: Auch an einigen Orten Badens gab es Menschen, die Verfolgte über längere Zeiträume hinweg unter großen Gefahren versteckten und mit dem Lebensnotwendigsten versorgten. Sowohl der Ettlinger Kioskbetreiber Otto Hörner als auch der Durlacher Richter Gerhard Caemmerer gewährten rassistisch verfolgte Menschen heimlich in ihren Gartenhütten Unterschlupf. Die Geschichten dieser beiden Männer sowie der MenTF2 schen, die von ihnen gerettet wurden, werden exemplarisch erzählt. Dabei stehen auch die praktischen Herausforderungen im Blickpunkt, vor die die Beteiligten dabei gestellt waren: Wie ließen sich in einer Zeit, in der das Essen streng rationiert war und nur gegen Lebensmittelmarken abgegeben wurde, zusätzliche Esser miternähren? Wie ließen sich in einer einfachen Gartenhütte hygienische Bedürfnisse befriedigen, ohne dass es den Nachbarn auffiel? Wie konnte man begründen, dass aus dem Ofenrohr dieser Gartenhütte im Winter Rauch aufstieg? Und was machten die versteckten Menschen bei Fliegeralarm? Antworten auf all diese Fragen finden die Besucherinnen und Besucher an der Hausfassade, auf dem Tisch, in Schubladen und Regalen. Hermann Maas Vertiefende Angebote Wer mehr erfahren möchte, kann sich in Themenfeld 11 auch über die NS-Rassenideologie als Wesenskern der nationalsozialistischen Weltanschauung, über „Rassenzucht“, „Rassenhygiene“ sowie über die kumulative Radikalisierung der rassistischen Verfolgung im Schatten des Zweiten Weltkriegs informieren. Als weitere Beispiele für den seltenen Rettungswiderstand im Krieg werden unter anderem das Mannheimer Ehepaar Carl und Eva Hermann sowie der katholische Priester Heinrich Middendorf vorgestellt, der Verfolgte in seinem Stegener Ordenshaus versteckte. 50 Themenfeld 12 51 WOFÜR SETZE ICH MEIN LEBEN EIN? Verweigerung und Widerstand im Krieg (1939-1945) Worum geht es in diesem Themenfeld? Als Deutschland 1939 einen neuen Krieg entfesselte, war jeglicher Widerstand gegen das Regime längst niedergeschlagen. Aller Propaganda zum Trotz hielt sich die Kriegsbegeisterung der Bevölkerung in Grenzen. Angesichts des Ausmaßes freilich, das der Terror unterdessen entfaltet hatte, musste jegliche Form des Aufbegehrens als selbstmörderisch erscheinen. Erst im Zuge der Ausweitung des Krieges zum alles verzehrenden Flächenbrand regte sich wieder vereinzelt Widerstand. In Themenfeld 12 möchten wir die verschiedenen Ausprägungen des späten Widerstands in Baden vor- und die Motivationslagen der beteiligten Akteure zur Diskussion stellen. „Wofür setze ich mein Leben ein?“, so die Frage, mit der sie alle sich auseinandersetzen mussten: Waren Flugblattaktionen nun, mitten im Krieg, noch sinnvoll? War das Regime zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch von innen her zu stürzen? Und würde selbst nach einem erfolgreichen Attentat auf Hitler das Morden nicht weitergehen? War letztlich vielleicht einzig schon der Erweis, dass es weiterhin ein anderes, ein besseres Deutschland gab, den Einsatz des eigenen Lebens wert? Rauminstallation „Gefahrenstrecke“ Aus Themenfeld 11 kommend, können sich die Besucherinnen und Besucher in Themenfeld 12 entlang eines Wegs über den Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941, die Schlacht bei Stalingrad, die Reaktion auf die deutschen Luftangriffe in Form von Flächenbombardements deutscher Städte sowie über das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 informieren. Auf einer Seite des Wegs ist unter der Überschrift „Feld der Unehre“ eine Kriegsszenerie angedeutet, auf der anderen unter der Überschrift „Gesellschaft in Trümmern“ eine kriegsbeschädigte Stadt. Wandinstallation „Gesellschaft in Trümmern“ Die „Gesellschaft in Trümmern“ – damit ist die deutsche Zivilgesellschaft gemeint, die nicht nur moralisch, sondern angesichts sich mehrender Flächenbombardements zunehmend auch physisch am Boden lag. 2. Installation „Verschwörer-Ecke“ Mit dem konservativen Historiker Gerhard Ritter, dem SPD-Politiker Julius Leber und dem zentrumsnahen Juristen Reinhold Frank treten aus der „Gesellschaft in Georg Lechleiter Mut fanden: der 23-jährige Johann Heinz und der gerade erst 18-jährige Werner Mensch. Zusammen mit drei anderen Deserteuren wurden sie noch am 10. und 11. April 1945 bei Waldkirch hingerichtet. „Famous last words“ Am Ende der „Gefahrenstrecke“ finden sich Sprechblasen mit Auszügen aus den Abschiedsbriefen von Georg Lechleiter, Käthe Seitz, Reinhold Frank und Julius Leber aus der Todeszelle. Die vollständigen Texte sind als AudioSequenzen verfügbar. Gerhard Ritter 1. Installation „Vorboten“ Aus der „Gesellschaft“ treten einzelne Menschen hervor, die ein Zeichen gegen das Morden setzen wollten. So treffen wir abermals auf Georg Lechleiter, der nach Beginn des „Russlandfeldzugs“ mehr als zwei Dutzend Kommunisten und Sozialdemokraten um sich scharte, um gemeinsam eine Schrift namens „Der Vorbote“ herzustellen. Faksimiles dieser Schrift liegen verstreut auf dem Boden herum. Gleichermaßen wird der Freiburger Student Heinz Bollinger vorgestellt, der sich Ende 1942 der „Weißen Rose“ anschloss. Auch Flugblätter dieser Widerstandsgruppe sind nachgedruckt verfügbar. Während Bollinger die NSZeit im Zuchthaus überlebte, wartete auf Lechleiter, Seitz und mehr als zwei Dutzend ihrer Mitstreiter ein grausamer Tod durch das Fallbeil. Auf einem Bildschirm kann der Motion Comic „Flugblätter gegen den Nazi-Terror“ abgerufen werden, der Bollingers Geschichte erzählt. Wandanschlag zur Hinrichtung von 14 Mitgliedern der Lechleiter-Gruppe am 15. September 1942 Trümmern“ drei weitere Männer hervor, die aus unterschiedlichen Motiven mit unterschiedlicher Intensität und zu unterschiedlichen Zeitpunkten an den Planungen zum Umsturz des NS-Regimes beteiligt waren, welche am 20. Juli 1944 ein blutiges Ende fanden. Am Ende der „Gefahrenstrecke“ ist mit dem Wohnzimmer Constantin von Dietzes der erste Treffpunkt des Freiburger Kreises angedeutet. Die Besucherinnen und Besucher können auf einem Sofa Platz nehmen und über Kopfhörer AudioSequenzen aus den Berichten verschiedener Beteiligter der Aktionen abrufen. hte nd gerec o gute u s e igenen in e e s r Fü satz de in E r e d t reis. Sache is essene P er angem d s n e b e L ber 1945 Julius Le Unser Volk ist es sich selbst und seiner Verantwort ung vor Gott sc huldig, diejenigen zur Re chenschaft zu zie hen, die seinen Name n mit Blut und Dr eck besudelt haben. ober 1944 er im Okt Julius Leb ichtshof er sg lk vor dem Vo Installation „Kriegsende“ Weiße Fahnen markieren das Herannahen der alliierten Truppen und das Kriegsende. Blutflecken auf einigen der Fahnen verweisen auf die noch immer lauernde Todesgefahr. Wie real diese Gefahr war, illustrieren die Ermordung von Karl Fanz aus Bühl, der sich weigerte, eine Straßensperre gegen die näher rückenden französischen Truppen zu errichten, sowie des Mannheimers Adolf Doland, der zusammen mit zwei Freunden beim Einzug von USTruppen eine weiße Flagge gehisst hatte. Dem steht das Beispiel des Hettinger Pfarrers Heinrich Magnani gegenüber, der seine Gemeinde im Frühjahr 1945 erfolgreich vor Blutvergießen bewahrte. Galerie der Überlebenden In Form einer Art „Abspann“ werden im Übergang zur Lobby die weiteren Lebenswege einiger überlebender Protagonisten des Geschichtsparcours schlaglichtartig beleuchtet. Nach Sterbedaten sortiert, informieren Tafeln mit Fotos und knappen Texten über deren weitere Schicksale – beginnend mit Georg Reinbold, der schon bald nach Kriegsende den Strapazen des Exillebens erlag, und endend mit Gertrud Luckner, die 1995 hochbetagt starb. Aus der „Großen Denkschrift“ des Freiburger Kr eises von 1943 Wandinstallation „Feld der Unehre“ Vertiefende Angebote Sich dem verbrecherischen Morden von SS und Wehrmacht zu verweigern oder sich dem sinnlosen Sterben durch Desertion zu entziehen erforderte ein hohes Maß an Mut. Aus der Masse der Soldaten auf dem angedeuteten Schlachtfeld treten zwei junge Männer hervor, die diesen Auch über Ziele, Wesen und Opfer des rassistisch motivierten deutschen Angriffskriegs soll in Themenfeld 12 informiert werden. Darüber hinaus möchten wir eingehendere Erläuterungen zu den verschiedenen Formen des späten Widerstands bieten. Reinhold Frank IMPRESSUM ABBILDUNGSNACHWEIS Herausgeber Archiv der sozialen Demokratie, Bonn: S. 31 oben, 34, 37 Mitte, 37 rechts , 44, 51 Mitte Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. Ettlinger Straße 3a 76137 Karlsruhe 0721 / 8210 – 1070 info@lzw-verein.de www.lzw-verein.de Zeichnungen Katja Reichert Bundesarchiv Berlin: S. 30, 38 Deutsches Literaturarchiv Marbach: S. 39 rechts Gemeinfrei: S. 35 links, 37 links, 37 oben, 41 Mitte, 42, 45 oben, 45 Mitte, 47 rechts Kreisarchiv Rhein-Neckar: S. 32f. Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V.: S. 3, 23 Princeton University Archives: S. 45 unten Privatarchiv Klaus Kern: S. 43 rechts Privatarchiv Günter Wimmer: S. 8f. Katja Reichert: Titelblatt sowie S. 5, 12, 14, 16, 18, 20, 43 links Gestaltung Staatsarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe: S. 7, 29 unten, 35 oben, 39 links, 41 rechts, 50 unten, 51 rechts Werbeabteilung Stephany & Partner Gewerbepark Cité 4 76532 Baden-Baden Stadtarchiv Ettlingen: S. 47 links Druck Druckerei Berenz Waldstraße 8 76133 Karlsruhe Stadtarchiv Freiburg: S. 46, 48 rechts Stadtarchiv Heidelberg: S. 49 Stadtarchiv Karlsruhe: S. 29 links, 30 rechts, 36, 41 links Stadtarchiv Konstanz: S. 48 Stadtarchiv Mannheim: S. 28, 29 Mitte, 31 unten, 50 oben Universitätsarchiv Freiburg: S. 51 links Universitätsarchiv Heidelberg: S. 35 unten Universitätsarchiv Kiel: S. 35 rechts © Juni 2016 by Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. Alle Rechte vorbehalten. RAUM FÜR IHRE ANALOGEN ANMERKUNGEN UND IDEEN Lernort Zivilcourage & Widerstand e. V. Ettlinger Straße 3a 76137 Karlsruhe 0721 / 8210 – 1070 info@lzw-verein.de www.lzw-verein.de