DA medienübergreifende Bürgerbeteiligung

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DA medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Diplomarbeit
Technische Universität Berlin
Fakultät VI – Architektur, Umwelt und Gesellschaft
Studiengang Stadt und Regionalplanung
Vorgelegt von:
Chris Haller
Matrikelnummer: 198778
Eingereicht bei:
Prof. Dr. Uwe-Jens Walther
Fachgebiet Stadt- und Regionalsoziologie
Betreut durch:
Prof. Dr. Uwe-Jens Walther
Berlin, 28. September 2006
'People of Earth, your attention please,' a voice said, and it was wonderful. Wonderful
perfect quadraphonic sound with distortion levels so low as to make a brave man
weep. 'This is Proststenic Vogon Jeltz of the Galactic Hyperspace Planning Council,'
a voice continued. 'As you will no doubt be aware, the plans for development of the
outlying regions of the Galaxy require the building of a hyperspatial express route
through your star system, and regrettably your planet is one of those scheduled for
demolition. The process will take slightly less than two of your Earth minutes. Thank
You.' The PA died away. Uncomprehending terror settled on the watching people of
Earth. The terror moved slowly through the gathered crowds as if they were iron
filings on a sheet of board and a magnet was moving beneath them. Panic sprouted
again, desperate fleeing panic, but there was nowhere to flee to. Observing this, the
Vogons turned on their PA again. It said: 'There’s no point in acting all surprised
about it. All the planning charts and demolition orders have been on display in your
local planning department in Alpha Centauri for fifty of your Earth years, so you've
had plenty of time to lodge any formal complaint and it's far too late to start making a
fuss about it now'. The PA fell silent again and is echo drifted off across the land. The
huge ships turned slowly in the sky with easy power. On the underside of each a
hatchway opened, an empty black square. By this time somebody somewhere must
have manned a radio transmitter, located a wavelength and broadcast a message
back to the Vogon ships, to plead on behalf of the planet. Nobody ever heard what
they said, they only heard the reply. The PA slammed back into life again. The voice
was annoyed. It said: 'What do you mean you've never been to Alpha Centauri? For
heavens' sake mankind, it's only four light years away you know. I'm sorry, but if you
can't be bothered to take an interest in local affairs that's your own lookout'.1
1
Adams, Douglas: The Hitchhiker's Guide to the Galaxy, S. 35f.
I
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
III
Abkürzungsverzeichnis
1.
V
Einführung
1
1.1
Einleitung
1
1.2
Erkenntnisinteresse und Ziel der Arbeit
2
1.3
Methodisches Vorgehen
3
TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN
7
2.
7
Grundlagen der Bürgerbeteiligung
2.1
Rahmenbedingungen
2.1.1 Selbstverständnis der Öffentlichkeit
2.1.2 Selbstverständnis des Staates
2.1.3 Selbstverständnis der Stadtplanung
7
8
9
10
2.2
Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung
2.2.1 Formelle Bürgerbeteiligung
2.2.2 Informelle Bürgerbeteiligung
2.2.3 Leistungsfähigkeit informeller Bürgerbeteiligung
11
11
13
13
2.3
Neue Entwicklungen in der Bürgerbeteiligung
2.3.1 ePartizipation und eDemocracy
2.3.2 mDemocracy
2.3.3 Anschlussfähigkeit von ePartizipation
15
15
17
18
3.
Grundlagen der Kommunikation
21
4.
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
25
4.1
5.
Kommunikationsbeziehungen
25
4.2
Kommunikationsmedien
4.2.1 Medien der Information – Massenmedien
4.2.2 Medien der Konsultation – Interpersonelle Medien
4.2.3 Medien der Partizipation – Interaktive Medien
27
29
31
33
4.3
Beteiligungsmethoden
4.3.1 Methoden der Information
4.3.2 Methoden der Konsultation
4.3.3 Methoden der Partizipation
34
34
36
36
4.4
Medienübergreifende Kommunikation
38
4.5
Zwischenfazit
41
Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
43
5.1
Zusammensetzung der Teilnehmer
43
5.2
Begleitende Öffentlichkeitsarbeit
46
5.3
Erarbeitung von Ergebnissen
47
5.4
Einbettung in den politischen Prozess
49
TEIL II: EVALUATION DER FALLSTUDIEN
53
6.
53
Ableitung der Hypothesen
III
7.
Fallstudien
57
7.1
Bürgerhaushalt Lichtenberg
7.1.1 Ziele des Projekts
7.1.2 Prozessbeschreibung
7.1.3 Überprüfung der Hypothesen
57
58
59
64
7.2
Berlin Mauerdialog
7.2.1 Ziele des Projekts
7.2.2 Prozessbeschreibung
7.2.3 Überprüfung der Hypothesen
71
73
76
79
TEIL III: SCHLUSSFOLGERUNGEN
89
8.
89
Erkenntnisse
8.1
Handlungsempfehlungen
93
8.2
Ausblick
95
Anhang
VII
Abbildungsverzeichnis
VII
Übersichtenverzeichnis
VIII
Literaturverzeichnis
IX
Gesprächspartner Experteninterviews
XV
Interviewleitfaden für Experteninterviews
XVI
Medienwahl
XVII
IV
Abkürzungsverzeichnis
BauGB
Baugesetzbuch
Bd.
Band
B-Plan
Bebauungsplan
eAdministration
Electronic Administration
ebd.
Ebenda
etc.
et cetera
eDemocracy
Electronic Democracy
eGovernment
Electronic Government
ePartizipation
Elektronische Partizipation
eVoting
Elektronisches Wählen
FNP
Flächennutzungsplan
H.
Heft
Hrsg.
Herausgeber
IuK
Informations- und Kommunikationstechnologien
mDemocracy
Mobile Democracy
MMS
Multimedia Messaging Service
NGO
Non Government Organizations, Nichtstaatliche Einrichtungen
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
PDF
Portable Document Format
SMS
Short Message Service
u.a.
und andere
UMTS
Universal Mobile Telecommunication System
vgl.
vergleiche
zit. in
Zitiert in
V
VI
Kapitel 1: Einführung
1.
Einführung
1.1 Einleitung
„Demokratie ist Kommunikation. Natürlich ist sie mehr als das, aber will man den
Grundgedanken einer politischen Meinungsbildung und demokratischen Entscheidungsfindung auf den Punkt bringen, kann Demokratie nur als permanenter Kommunikationsprozess zwischen Regierenden und Regierten verstanden werden.“2
Wie viele andere Bereiche, steht auch politische Kommunikation heute der Herausforderung sich rasant verändernder Kommunikationsgewohnheiten in unserer Gesellschaft gegenüber. Computer und Mobiltelefone haben sich über die letzten Jahre
von einer gesellschaftlichen Randerscheinung zur Selbstverständlichkeit entwickelt.
In Ergänzung zu herkömmlichen Wegen der Kommunikation stellt das Internet in der
Zwischenzeit eine Vielzahl weiterer bereit: Von statischen Websites, über klassische
Online-Kommunikation wie E-Mail, Chat und Foren bis hin zur Internet-Telefonie
vereinigt es viele Kommunikationskanäle. Mobiltelefone werden neben der Telefonie
zum Versenden von Textnachrichten und zum Abrufen von Informationen genutzt.
Unterschiedliche Zielgruppen haben diesbezüglich eigene Nutzungsmuster und Präferenzen entwickelt. Diese Entwicklungen gehen einher mit einer Verschiebung und
Vervielfältigung der Werte in unserer Gesellschaft, die unter dem Schlagwort Pluralisierung der Lebensstile diskutiert werden. Die Regierten gibt es nicht, politische
Kommunikation steht folglich der Herausforderung gegenüber, eine Vielzahl heterogener Gruppen erreichen zu müssen.
Demgegenüber ist das demokratische Ziel, die Betroffenen am Prozess der Entscheidungsfindung zu beteiligen. um politische Entscheidungen zu legitimieren, aktueller denn je. Vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen und der wachsenden
Komplexität öffentlicher Aufgaben, funktionieren alte Konzepte des Regierens „von
oben“ nicht mehr. In der Hoffnung bürgerschaftliches Engagement zur Unterstützung
öffentlichen Aufgaben zu wecken, werden der Öffentlichkeit vermehrt Angebote zur
politischen Mitgestaltung gemacht.
Durch den Wandel von Politik, Gesellschaft, Kommunikation und Technologie haben
sich neue Herausforderungen und Potenziale für die Bürgerbeteiligung ergeben.
2
Ewert, B.; Fazlic, N.; Kollbeck, J.: E-Demokratie, S. 3.
1
Kapitel 1: Einführung
1.2 Erkenntnisinteresse und Ziel der Arbeit
Die Potenziale neuer digitaler Kommunikationswege für die Bürgerbeteiligung wurden in den letzten Jahren unter den Schlagwörtern ePartizipation und eDemocracy
(Vgl. Kapitel 2.3.1) ausführlich diskutiert. In zahlreichen Studien zum Thema zeigte
sich, dass neue Verfahren der Bürgerbeteiligung die alten nicht ablösen, sondern
beide durch ihre unterschiedlichen Stärken nebeneinander stehen.
Zu den Stärken von Bürgerbeteiligungsverfahren im Internet zählen beispielsweise
der niedrigschwellige Zugang, die anschauliche Darstellung von Informationen sowie
die Unabhängigkeit von Zeit und Ort der Angebote. Strukturierung und Transparenz
von Diskursen können durch die asynchrone und textbasierte Kommunikation im
Internet gefördert werden. Von jungen Familien oder Jugendlichen, wird erwartet,
dass sie Mitwirkungsangebote im Internet eher annehmen. Dennoch bleiben der
fehlende Zugang zum Internet und mangelnde Kompetenzen auf unabsehbare Zeit
Hürden für die Beteiligungsverfahren im Internet. Auf der anderen Seite wurden auch
die Methoden klassischer Bürgerbeteiligung in Präsenzveranstaltungen verfeinert
(Vgl. Kapitel 4.3). Ihre Stärken liegen beispielsweise im Bereich der Repräsentativität
der Teilnehmer, der sozialen Interaktion und Vertrauensbildung als auch der Versammlung als gesellschaftlichem Ereignis mit entsprechendem Nachrichtenwert für
die Presse.
Viele Autoren legen deshalb nahe, dass Beteiligungsmethoden mittels „Neuer Medien“ als Ergänzung klassischer Formen angewandt werden sollen.3 Bürgerbeteiligung soll medienübergreifend oder mehrkanalig durchgeführt werden, um die
Stärken verschiedener Methoden zu verbinden und deren Schwächen auszugleichen. Diese Forderungen sind allerdings bislang in der Praxis kaum angekommen,
entsprechende Fallbeispiele sind rar. Dementsprechend gibt es bislang kaum Untersuchungen oder Forschungsvorhaben4 die sich mit den Potenzialen „medienübergreifender Bürgerbeteiligung“5 auseinandersetzen. Daher ist es Ziel der Arbeit, erste
Fallbeispiele medienübergreifender Bürgerbeteiligung auf den Prüfstand zu stellen
und auf diese Weise neue Erkenntnisse über die positiven Auswirkungen dieser
3
Vgl. z.B. Hoecker, Beate: Mehr Demokratie via Internet?, S. 40 oder Holtkamp, Lars: E-Democracy in deutschen
Kommunen, S. 55.
4
Mit Ausnahme des Forschungsprojekts „Medienmix in der lokalen Demokratie“ des Instituts für Informationsmanagement in Bremen.
5
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung steht vorerst als Platzhalter für Beteiligungskonzepte mit einer übergeordneten Kommunikations- und Beteiligungsstruktur, die traditionelle und neue Elemente der Stadtplanung
verknüpfen.
2
Kapitel 1: Einführung
Vorgehensweisen auf Beteiligungsverfahren zu erlangen. Die zentrale Frage der
Arbeit lautet dementsprechend: Haben Verknüpfungen von unterschiedlichen Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien positive Auswirkungen auf Beteiligungsverfahren? Die Ergebnisse der Evaluation beider Fallstudien geben Aufschluss
über die Potenziale medienübergreifender Bürgerbeteiligung und sollen abschließend
als Handlungswissen für die Praxis aufbereitet werden.
1.3 Methodisches Vorgehen
Im Mittelpunkt des methodischen Vorgehens zur Klärung eingangs gestellter Frage
steht die Evaluation zweier Fallstudien. Nach Kromrey haben Evaluationsprojekte
grundsätzlich vier verschiedene Aspekte, die vor der Untersuchung präzisiert werden
müssen: „Irgendetwas wird von irgendjemandem nach irgendwelchen Kriterien in
irgendeiner Weise bewertet“6. Der Autor dieser Diplomarbeit übernimmt dabei die
Rolle des Evaluators. Die drei weiteren Aspekte können bei der Evaluation von Pilotprogrammen zu Beginn der Untersuchung nicht ausreichend präzisiert werden7: Vor
der Entwicklung des Forschungsdesigns musste zuerst der Forschungsgegenstand
definiert werden. Da über Effekte von medienübergreifender Bürgerbeteiligung bislang kaum Literatur besteht, war es nicht möglich die Wirkungsdimensionen als abhängige Variablen vorab festzulegen. Daran anschließend konnten ebenfalls keine
Aussagen zu den Kriterien getroffen werden. Bei dieser für die Evaluation von Pilotprogrammen typischen Problematik empfiehlt Kromrey die notwendigen Hypothesen
und Indikatoren im Wechsel zwischen Datenerhebung und Interpretation zu entwickeln. Dementsprechend wurde in dieser Arbeit ein mehrstufiger Prozess gewählt: Zu
Beginn der Untersuchung wurden anhand einer breiten Literatur- und Internetrecherche die Rahmenbedingungen von medienübergreifender Bürgerbeteiligung dargestellt (Vgl. Kapitel 2 und 3). Darauf aufbauend wurde ein einfaches Modell
medienübergreifender Bürgerbeteiligung entwickelt, das die Kommunikationsbeziehungen in Beteiligungsprozessen in Verbindung zu den Beteiligungsmethoden und
Kommunikationskanälen setzt (Vgl. Kapitel 4), um daran mögliche Verknüpfungen
aufzuzeigen (Vgl. Kapitel 4.4 und 4.5).
An dieser Stelle wurde ein erster Schritt in die Evaluation der Fallstudien gemacht.
Anhand einer detaillierten Prozessbeschreibung wurden die medienübergreifenden
6
7
Vgl. Kromrey, Helmut: Evaluation – ein vielschichtiges Konzept, S. 107f.
Vgl. ebd., S. 121.
3
Kapitel 1: Einführung
Verknüpfungen der beiden Projekte herausgearbeitet (Vgl. Kapitel 7.1.2 und 7.2.2).
Diese gaben erste Aufschlüsse über die zu erwartenden positiven Auswirkungen.
Geleitet von diesen Annahmen wurden zum Abschluss des Theorieteils die Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren herausgearbeitet (Vgl. Kapitel 5). Diese bildeten die Grundlage für die Präzisierung des Forschungsgegenstands, mittels drei
zentraler Hypothesen (Vgl. Kapitel 6). Die Operationalisierung dieser Hypothesen
stellte sich weiterhin als schwierig dar: Dies lag zum einen daran, dass entsprechende Daten zur Überprüfung möglicher Kriterien entweder nicht aufgenommen, unterschiedlich aufgenommen oder nicht verfügbar waren.8 Zum anderen waren beide
Projekte bereits abgeschlossen, der Autor hatte demnach keinen Einfluss auf die
Rahmenbedingungen des Projekts, um die Einflüsse der Programmumwelt abzugrenzen.9 Die Auswahl der Kriterien war deshalb geleitet von der Verfügbarkeit von
quantitativen Daten und konzentrierte sich auf qualitative Informationen aus mehreren Experteninterviews mit zentralen Akteuren der Projekte.
Nach diesen Festlegungen konnte schließlich die Evaluation der Projekte durchgeführt werden (Vgl. Kapitel 7). Trotz der Unterschiedlichkeit von Evaluationsvorhaben
müssen alle Evaluationsverfahren nach Kromrey letztendlich drei zentrale Dimensionen aufweisen: Ziele, Maßnahmen und Effekte.10 Für beide Fallstudien wurde in
einem ersten Schritt die jeweilige Zielstellung in Bezug auf die zu prüfenden Hypothesen herausgearbeitet (Vgl. Kapitel 7.1.1 und 7.2.1). An zweiter Stelle stand die
bereits durchgeführte Prozessbeschreibung als unabhängige Variable der Untersuchung. Als letztes fand mit der Prüfung der Hypothesen die Messung der Wirkung
bzw. der abhängigen Variablen statt (Vgl. Kapitel 7.1.3 und 7.2.3). Diese stellt den
zentralen Kern der Untersuchung dar, konnte aber, wie bereits erwähnt, nicht von
den Einflüssen der Programmumwelt abgegrenzt werden.
Diese Erkenntnisse werden zum Schluss der Arbeit zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen und in Handlungsempfehlungen für medienübergreifende Beteiligungsverfahren übergeleitet (Vgl. Kapitel 8).
Auf Grund der Vielseitigkeit des Themas, der gewählten Fallstudien und der zur Abgrenzung getroffenen Definitionen erhebt diese Arbeit keine Ansprüche auf Allgemeingültigkeit, sondern will lediglich einen Standpunkt in der Diskussion um
8
Laut Anfrage beim Bezirksamt Lichtenberg, vgl. Gröber, Silvia: Telefonat am 07.08.2006.
Vgl. Kromrey, Helmut: Evaluation – ein vielschichtiges Konzept, S. 118.
10
Vgl. ebd., S. 116.
9
4
Kapitel 1: Einführung
medienübergreifende Bürgerbeteiligung zur Disposition stellen, von dem aus einige
Aspekte des Themas näher betrachtet werden.
Auswahl der Fallstudien
Ausgewählt wurden zwei medienübergreifende Beteiligungsprojekte, die als Verknüpfung von Online-Dialogen mit anderen Beteiligungsformen konzipiert waren. Dabei
integrieren beide Projekte unterschiedliche Beteiligungsmethoden und Kommunikationskanäle und bieten deshalb einen geeigneten Rahmen, um die Wirkung medienübergreifender Bürgerbeteiligung zu überprüfen11:
Fallstudie 1: Im Projekt „Bürgerhaushalt Lichtenberg“ wurden 2005 die Einwohner
des Berliner Bezirks an der Aufstellung des kommunalen Haushaltsplans beteiligt.
Dafür wurde ein mehrkanaliges Konzept entwickelt, bei dem die Teilnehmer in Präsenzveranstaltungen, per Post und im Internet in jeweils unterschiedlichen Phasen
Haushaltsvorschläge aufstellen, diskutieren und bewerten konnten. Ergänzt wurde
dies durch eine breite Informationskampagne über verschiedene Wege.
Fallstudie 2: Der „Berliner Mauerdialog“ war ein Beteiligungsangebot in Vorbereitung
für die Aufstellung des Bebauungsplans zur Erweiterung der Gedenkstätte an der
Bernauer Straße im Rahmen des Gedenkkonzepts Berliner Mauer. Der zentrale
Online-Dialog wurde durch mehrere Mitwirkungsangebote vor Ort erweitert und die
Öffentlichkeitsarbeit eng in den Prozess integriert.
Verwendete Methoden der empirischen Sozialforschung
In der Beschreibung des Forschungsdesigns wurden die in der Untersuchung angewandten Methoden der empirischen Sozialforschung bereits erwähnt. Für die Zwecke
dieser Diplomarbeit wurden die Literatur- und Internetrecherche, Experteninterviews
und eine ergänzende statistische Datenanalyse ausgewählt.
Literatur- und Internetrecherche: Zur inhaltlichen Erarbeitung der Grundlagen
wurde eine interdisziplinäre Literatur- und Internetrecherche durchgeführt. Darüber
wurde versucht, den aktuellen Stand der theoretischen Diskussion verwandter Felder
zusammenzutragen. Ausführliche Literatur zum Thema selbst liegt bislang nicht vor,
entsprechende Konferenzen wurden nicht dokumentiert, und Abschlußberichte erster
Forschungsvorhaben stehen noch aus.12
11
Weitere Auswahlgründe liegen im persönlichen Bezug zu den beiden Projekten. Der Autor war am Bürgerhaushalt Lichtenberg als Teilnehmer und am Mauerdialog als Online-Moderator beteiligt.
12
Vgl. Westholm, Hilmar: Interview am 21.08.2006.
5
Kapitel 1: Einführung
Experteninterviews: Als Experten gelten einerseits Personen, die über Personengruppen oder Entscheidungsprozesse einen bevorzugten Zugang zu Informationen
haben oder andererseits Verantwortung tragen für die Konzeption, Umsetzung oder
Kontrolle einer Problemlösung.13 Die Auswahl der Experten entsprach diesen grundlegenden Kategorien: Experteninterviews wurden einerseits zum besseren Verständnis des Forschungsstands geführt und dienten andererseits als qualitative empirische
Grundlage für die Evaluation der Fallstudien.
Die relevanten Fragenkomplexe wurden in Anlehnung an die Forschungspraxis als
Interviewleitfaden (vgl. Anhang) ausgearbeitet. Die Abfolge der Fragen gab lediglich
den Rahmen der Gespräche vor. Letztendlich lag das Erkenntnisinteresse dieser
Arbeit weniger auf der Vergleichbarkeit als vorrangig auf der Vollständigkeit aller
Interviews. Deshalb wurden der Ablauf und die inhaltliche Vertiefung jeweils an die
Interviewsituation angepasst. Die Auswertung der Ergebnisse orientierten sich an
den von Meuser und Nagel vorgeschlagenen sechs Schritten: Transkription, Paraphrase, Überschriften, Thematischer Vergleich, Soziologische Konzeptionalisierung
und Theoretische Generalisierung. Für das Erkenntnisinteresse im Rahmen der Evaluation beschränkte sich die Analyse vor allem auf die ersteren Schritte. Auf Grund
des beschriebenen iterativen Vorgehens wurde in Bezug auf konkrete Fragestellungen innerhalb der Evaluation mehrmals Rücksprache mit den Interviewpartnern
gehalten.
Statistische Datenanalyse: Die statistische Datenanalyse beschränkt sich auf ein
rein deskriptives Vorgehen. „Die beschreibende (deskriptive) Statistik zielt darauf ab,
die in einem Datensatz enthaltenen Informationen möglichst übersichtlich darzustellen, so dass `das Wesentliche´ schnell erkennbar wird"14.
13
14
Vgl. Meuser, Michael; Nagel, Ulrike: ExpertInneninterviews, S. 443.
Vgl. Kromrey, Helmut: Empirische Sozialforschung, S. 392.
6
Teil 1: Theoretische Grundlagen
TEIL I: THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.
Grundlagen der Bürgerbeteiligung
Zu Beginn der Arbeit werden Bürgerbeteiligungsverfahren in den gesellschaftlichen
Rahmen eingeordnet, ihre Bedeutung für den Bereich der Stadtplanung herausgearbeitet und schließlich der relativ neue Bereich der eDemocracy15 vorgestellt.
Im System der repräsentativen Demokratie lassen sich die Möglichkeiten der Bürger,
Einfluss auf Verwaltungsentscheidungen zu nehmen, grundlegend in Entscheidungsund Mitwirkungsrechte unterscheiden. Der Wahlakt stellt die unmittelbare Form der
Teilnahme dar, zum Beispiel bei der Wahl der Bürgervertreter und auch in Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden. Mitwirkungsrechte hingegen erlauben Bürgern das
Einbringen der eigenen Meinungen und Ideen, die letztendliche Entscheidungshoheit
bleibt aber in unserer repräsentativen Demokratie den gewählten Entscheidungsträgern vorbehalten. Unter Bürgerbeteiligung werden in dieser Arbeit vorrangig die
Mitwirkungsrechte der Bürger verstanden. Bürgerbeteiligung hilft Interessenvielfalt
und Gegensätze besser sichtbar zu machen: Potentielle Kompromisse sollen herausgearbeitet und die Qualität von Entscheidungen soll verbessert werden. Sie zielt
auf eine verbesserte Entscheidungsgrundlage ohne ein Ersatz für die politische Verantwortung der Gewählten sein zu wollen.16 Erfolgreiche Beteiligung kann zur Erhöhung der Legitimation von Planungsmaßnahmen beitragen, die Akzeptanz
gegenüber Entscheidungen erhöhen, Widerstand abbauen und das zur Bearbeitung
komplexer Probleme notwendige Wissen unterschiedlicher Akteure einholen und in
den Prozess einbinden. (vgl. Kapitel 2.2.3)
2.1 Rahmenbedingungen
„Die Beteiligung der Bürger an Planungen, der Erstellung von Leitbildern und der
Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erfreut sich in Deutschland wachsender Aufmerksamkeit.“17 Um die Hintergründe dieser Aussage ein wenig genauer beleuchten
15
Bürgerbeteiligung mittels neuer Medien.
Vgl. Swoboda, Hannes: Demokratisierung im Planungsprozess, S. 8.
17
Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 4.
16
7
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
zu können, wird einführend ein Blick auf die Rahmenbedingungen von Bürgerbeteiligung geworfen. Über die letzten Jahrzehnte hat sich die demokratische Landschaft in
Deutschland stark gewandelt. Sowohl auf Seiten der Bürger als auch des Staates
lassen sich Ursachen für diese Veränderungen finden.
2.1.1 Selbstverständnis der Öffentlichkeit
In unserer Gesellschaft hat über die letzten Jahre ein Wertewandel zu Gunsten individueller Entfaltungsmöglichkeiten stattgefunden. Sicherheit, Ordnung oder Leistung
sind „alte“ Werte, die auf Pflichtbewusstsein und Akzeptanz basieren. Demgegenüber gibt es heute eine Tendenz hin zu neuen Idealen, wie Mitspracherecht, Chancengleichheit oder Unabhängigkeit. Dies spiegelt sich in der Ablehnung klassischer
Rollen wider. Auf das gesellschaftliche Zusammenleben bezogen bedeutet dies,
dass der individuelle Entscheidungsspielraum der Bürger zugenommen hat, zu Ungunsten einer Ausrichtung am Wohl der Gesellschaft.18 Des Weiteren lässt sich eine
Pluralisierung der Lebensstile feststellen. Es findet also nicht nur eine Verschiebung,
sondern auch eine Vervielfältigung der Werte statt. Neben traditionellen Lebensstilgruppen oder Milieus haben sich neue herausgebildet.19 Die politische Kommunikation wird dadurch vor neue Herausforderungen gestellt: Um die gesamte Bevölkerung
zu erreichen, muss politische Information und Partizipation20 heute stärker darauf
zugeschnitten werden heterogene Gruppen zu erreichen. Ein weiterer Effekt des
geschilderten Einstellungswandels ist eine verringerte Bereitschaft sich dauerhaft am
politischen Prozess zu beteiligen. War früher das Beteiligungsinteresse der Öffentlichkeit stärker an Organisationen21 geknüpft, ist dies einer kontextorientierten Beteiligung gewichen.22 – Das politische Interesse und die Bereitschaft sich zu engagieren
stehen heute in engerem Zusammenhang mit dem Entscheidungsgegenstand. Die
Forderungen der Bürger nach Beteiligung an Entscheidungen, die ihre konkrete
Lebenssituation betreffen, sind dementsprechend laut.23
Dies ist letztendlich eine Erklärung für die viel besprochene Problematik der Politikverdrossenheit. In der Wahrnehmung der Bürger ist hier weniger das demokratische
System problematisch als der Entscheidungsprozess: Sie misstrauen der Lösungs18
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 12.
Vgl. Sinus Sociovision: Informationen zu den Sinus Milieus 2005, S. 7ff.
20
Im Gegensatz zu anderen Arbeiten wird Partizipation in dieser Arbeit nicht synonym mit Bürgerbeteiligung
verwendet, sondern als Stufe der Bürgerbeteiligung, vgl. Kapitel 2.3.
21
Beispielsweise Parteien, Bürgerinitiativen, oder NGOs.
22
Vgl. Böge, Wolfgang: Empirische Bestandsaufnahmen zur Partizipationsbereitschaft, S. 7f.
23
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S.15.
19
8
Teil 1: Theoretische Grundlagen
kompetenz von Regierungssystemen bei der Bearbeitung von komplexen Problemlagen und fragen sich, warum ihre Meinung keinen Einfluss im Entscheidungsfindungsprozess hat. Das heißt, dass die „Mängel der demokratischen Praxis (und im
übrigen wachsende soziale Ungleichheit) die Beteiligung unterminieren“24. Allerdings
betrifft die Beteiligungskrise hauptsächlich Parteien und Wahlen, während im Bereich
der informellen Bürgerbeteiligung sowie im vorpolitischen Bereich das Engagement
der Bürger zunimmt.25 Wo aber der Politikverdrossenheit nicht mit zusätzlichen Beteiligungsmöglichkeiten entgegengewirkt wird, schlagen sich die rückläufigen Wahlbeteiligungen in einem wachsenden Legitimitätsproblem nieder.
2.1.2 Selbstverständnis des Staates
Legitimationsprobleme ergeben sich nicht nur aus der rückläufigen Wahlbeteiligung
und Politikverdrossenheit. Galt der Staat früher in allen Fragen als lösungskompetent
und zuständig, muss sich das politische Selbstverständnis heute einer zunehmenden
technischen, sozialen und wirtschaftlichen Komplexität anpassen. Der Staat ist dadurch in der Zwischenzeit nur noch bedingt lösungskompetent.26 Verstärkt wird das
Problem durch den Wandel zur Informations- und Wissensgesellschaft. Die funktionelle Differenzierung der Gesellschaft in viele autonome Teilsysteme führt dazu,
dass es nicht das Wissen oder die Lösung gibt. Wissen ist kontextabhängig und kann
von anderen Akteuren abgelehnt werden.27 Für das politisch-administrative System
bedeutet dies zum einen eine gesteigerte Abhängigkeit von Information und Expertise, zum anderen, dass es unter den Betroffenen und Akteuren ein breit gefächertes
Spektrum an Alternativen gibt – das „Wissen der Bürger wird zur Irritationsinstanz“28
im Entscheidungsprozess. Zur Bewältigung von Konfliktsituationen ist daher eine
verstärkte Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren erforderlich. Es
wird zunehmend schwieriger, Planungen von oben nach unten durchzusetzen.
Der „kooperative“ Staat
Vor diesem Hintergrund hat sich das Selbstverständnis des Staates über die letzten
Jahrzehnte gewandelt. Die Einbußen an hierarchischer Steuerungsfähigkeit soll der
24
Leggewie, Claus: Von der elektronischen zur interaktiven Demokratie, S. 3.
Vgl. ebd., S. 3ff.
26
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 18.
27
Vgl. Baecker, Dirk: Organisation als System, S. 69ff.
28
Vgl. Priddat, Birger: E-Government als Virtualisierungsstrategie des Staates, S. 19.
25
9
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
„kooperative Staat“29 durch einen Steuerungsmodus, der auf Verhandlung und Kooperation basiert, kompensieren. Der Staat erkennt dabei an, dass er nicht mehr
direkt planen und anordnen kann, sondern nur noch „Mitspieler in einem Netz von
Handelnden“ ist.30 Dabei soll „Kooperation (...) dazu dienen, staatliche Leistungsfähigkeit bei zunehmender Komplexität gesellschaftlicher Probleme, Unsicherheit von
Entwicklungen und Ressourcenknappheit sicherzustellen“31.
Dadurch ändern sich ebenfalls die grundlegenden Funktionen des Staates. Nach
Hesse32 obliegen dem Staat zwei zentrale Funktionen: zum einen die Orientierungsfunktion, welche dem Staat die Zuständigkeit zuspricht, zu entscheiden, welche gesellschaftlichen Probleme zu behandeln und frühzeitig aufgegriffen werden sollen;
zum anderen die Organisationsfunktion, die dem Staat Zuständigkeit über die Aushandlungsverfahren gibt. Ritter33 fügt den beiden noch die Vermittlungsfunktion und
die Letztentscheidungsfunktion hinzu. Erstere spricht ihm die Verantwortung für die
Kooperation zwischen den Akteuren aus den Sphären Staat und Kommunen, Wirtschaft und Gesellschaft zu, das heißt alle für eine Thematik wichtigen Akteure in ein
Verhandlungssystem einzubinden. Die Letztentscheidungsfunktion sichert ihm die
Sanktionsgewalt. Dadurch kann der Staat sicherstellen, dass im Aushandlungsprozess die Gemeinwohlinteressen nicht zwischen Partikularinteressen untergehen.
Hierarchische Steuerung soll nicht aufgegeben werden, sondern ist als „Rute im
Fenster“ auch im kooperativen Staat notwendig.34
Auf Grund direkter Betroffenheiten sowie leichter identifizierbarer Akteursstrukturen
versucht staatliches Handeln vor allem auf lokaler Ebene vermehrt unterschiedliche
Akteure durch Einbeziehung ihrer Interessen zur Mithilfe zu bewegen.35 Das führt
dazu, dass Bürgerbeteiligung nicht mehr nur als Instrument zur Lösung von Konfliktfällen angesehen, sondern mehr und mehr zur Routinemaßnahme wird.36
2.1.3 Selbstverständnis der Stadtplanung
In der Stadtplanung hat sich das technische Planungsverständnis der 1970er Jahre
29
Vgl. Ritter, Ernst-Hasso: Der kooperative Staat.
Vgl. Fürst, Dietrich: Die Neubelebung der Staatsdiskussion, S. 266.
31
Benz, Arthur: Kooperative Verwaltung, S. 59.
32
Vgl. Hesse, Joachim Jens: Staatliches Handeln in der Umorientierung.
33
Vgl. Ritter, Ernst-Hasso: Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat.
34
Vgl. Braun, Dietmar: Politische Gesellschaftssteuerung zwischen System und Akteur, S. 168.
35
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 88f.
36
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 20.
30
10
Teil 1: Theoretische Grundlagen
zu einem kommunikativen Verständnis von Planung gewandelt, was Healey37 als
„communicative turn in planning“ beschreibt. Dabei hat sich eine große Vielfalt unterschiedlicher Kooperations- bzw. Kommunikationsformen herausgebildet. Unter Planern
hat
sich
die
Erkenntnis
durchgesetzt,
dass
Fachwissen
im
Entscheidungsprozess unbeachtet bleibt, wenn es den unterschiedlichen Beteiligten
nicht vermittelt werden kann.38 Diese Vermittlung kann nur gelingen, wenn Planung
nicht nur als Verstandesarbeit, sondern ebenso als Verständigungsarbeit gestaltet
wird, um sowohl Sachwissen als auch Kreativität erfolgreich in das Verfahren einfließen zu lassen. Deshalb ist heute die Gestaltung der Kommunikation zwischen den
beteiligten Akteuren ein ebenso großer Bestandteil des Planungsprozesses wie die
Auseinandersetzung mit Sach- und Fachfragen.39 In der planungstheoretischen Diskussion stehen daher heute weniger substantielle Aspekte („theory in planning“),
sondern vermehrt prozessuale Aspekte der Planung („theory of planning“) im Vordergrund.40
Die Steuerung des Kommunikationsprozesses wird eine umso schwierigere Aufgabe,
je komplexer das Thema und die Akteurskonstellation sind. Die heterogene Öffentlichkeit einzubinden, stellt die Planer vor große Herausforderungen und wird in Kapitel 5.1 ausführlicher betrachtet.
2.2 Bürgerbeteiligung in der Stadtplanung
Auf städtischer Ebene, speziell im Bereich der Stadtplanung, ist die Bürgerbeteiligung einerseits ein formell festgeschriebener Prozess und andererseits ein informelles Mittel der Politik ihren Bürgern in einem bestimmten Rahmen Einfluss auf den
Entscheidungsfindungsprozess zu geben.
2.2.1 Formelle Bürgerbeteiligung
Die für die Stadtplanung wichtigste Form der formellen Bürgerbeteiligung ist die in §
3 des Baugesetzbuchs festgelegte Beteiligung der Öffentlichkeit: „(1) Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung, [...]
öffentlich zu unterrichten; ihnen ist die Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung zu
geben.“ In der Bauleitplanung ist dafür gesetzlich ein zweistufiges Beteiligungsver-
37
Vgl. Healey, Patsy: Planning Through Debate.
Vgl. Selle, Klaus: Planung und Kommunikation, S. 11.
39
Vgl. Selle, Klaus: Nachhaltige Kommunikation und Bürgerorientierung, S. 4.
40
Vgl. Faludi, Andreas: Planning Theory.
38
11
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
fahren vorgeschrieben. Dieses gilt sowohl für das Erstellen von Bebauungsplänen
als auch für Flächennutzungspläne.
Die vorgezogene oder frühzeitige Bürgerbeteiligung (§ 3 Abs. 1 BauGB)
Die erste Stufe folgt als so genannte vorgezogene oder frühzeitige Bürgerbeteiligung
der Erstellung eines ersten Planentwurfs. Ziel der frühzeitigen Bürgerbeteiligung ist
es die Betroffenen einzubinden, um sie vor negativen Auswirkungen zu schützen,
bevor die Planung zu konkret geworden ist.41 § 3 Abs.1 BauGB lautet: „Die Öffentlichkeit ist möglichst frühzeitig über die allgemeinen Ziele und Zwecke der Planung,
sich wesentlich unterscheidende Lösungen, die für die Neugestaltung oder Entwicklung eines Gebiets in Betracht kommen, und die voraussichtlichen Auswirkungen der
Planung öffentlich zu unterrichten; ihr ist Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung
zu geben.“
Wichtige Bestandteile des Gesetzestextes sind: Die Grundlage für das Beteiligungsverfahren bildet die ausführliche Information über Ziele und Zwecke von Planungen
sowie über die Auswirkungen der Planungen auf das Plangebiet. Außerdem die
Frühzeitigkeit des Verfahrens – es soll bereits ein diskussionsfähiges Planungskonzept vorliegen, das allerdings noch ausreichend flexibel ist, um die Ergebnisse der
Beteiligung zu berücksichtigen. Schließlich soll der Bevölkerung die Gelegenheit zu
Äußerung und Erörterung gegeben werden. Dies beinhaltet eine Erläuterung der
Planvorstellung sowie einen Dialog darüber zwischen der Gemeinde und ihren Bürgern. Erörterung wird hierbei als diskursives Verfahren definiert, in dem aus verschiedenen Blickwinkeln das Für und Wider der Problematik diskutiert wird. 42
Der Rahmen dieser Beteiligung wird vom Gesetz nicht weiter ausgeführt. Hier haben
sich über die Jahre in den Städten verschiedene Formen ausgebildet, die auf das
Repertoire informeller Beteiligungsformen zurückgreifen.
Öffentliche Auslegung (§ 3 Abs. 2 BauGB)
Wenn die Planungen abgeschlossen sind und ein Entwurf entstanden ist, der per
Satzung gesetzlich festgesetzt werden soll, findet die öffentliche Auslegung des
Planwerks statt. Diese zweite Stufe der formellen Bürgerbeteiligung im Bauleitplanverfahren ist auf die Dauer eines Monats begrenzt. Der Termin wird ortsüblich bekannt gegeben, meistens in der lokalen Presse oder dem Amtsblatt. Der Planentwurf
41
42
Vgl. Selle, Klaus: Normen.
Vgl. ebd.
12
Teil 1: Theoretische Grundlagen
sowie der dazugehörige Erläuterungsbericht (FNP) beziehungsweise die Begründung (B-Plan) können von allen interessierten Bürgern auf dem städtischen Bauamt
eingesehen werden. Anregungen und Bedenken werden schriftlich eingereicht und
sind nach Ablauf der Frist von der Gemeinde zu prüfen und abzuwägen. 43
Im Gegensatz zum deliberativen Ansatz der frühzeitigen Bürgerbeteiligung ist der
Grad der Partizipation in der zweiten Stufe beschränkt auf einen Weg – die Rückmeldung vom Bürger zur Gemeinde.
2.2.2 Informelle Bürgerbeteiligung
In der Stadtplanung wird Kommunikation häufig mit der geschilderten gesetzlich
vorgeschriebenen Beteiligung gleichgesetzt. In der Praxis sind diese Verfahren oftmals zur Routine erstarrt, weil sie von Planern alter Schule als „lästiges Übel“ empfunden werden und zum Zeitpunkt der Durchführung die Vorbereitungen der Planung
schon so weit fortgeschritten sind, dass sich auch interessierte Bürger mangels Einflussmöglichkeiten abwenden, oder verhärtete Fronten entstehen, die in wenig konstruktiven Protesten enden.44 Deshalb haben sich in der Praxis neben der formell
festgeschriebenen Art der Bürgerbeteiligung informelle Verfahren entwickelt, die
mehr auf einen Dialog mit der Bevölkerung zielen. Diese werden von der Verwaltung
bei Fragen eingesetzt, für die eine formelle Beteiligung nicht oder erst später im
Prozess vorgeschrieben ist. Der Handlungsspielraum ist hier häufig größer und die
Themen sind nicht auf einzelne Planungsentscheidungen begrenzt, sondern oft im
Bereich der Leitbildfindung oder strategischen Ausrichtung zu finden.45 Einige exemplarische Methoden der informellen Beteiligungsverfahren werden in Kapitel 4.3
ausführlicher beschrieben.
2.2.3 Leistungsfähigkeit informeller Bürgerbeteiligung
Sinning fasst unter dem Begriff „Leistungsfähigkeit kommunikativer Planungsinstrumente“46 mögliche Leistungen informeller Beteiligungsverfahren in der Freiraumentwicklung zusammen, die sich auf die Gesamtebene der Stadtplanung übertragen
lassen. Die Potenziale können grundsätzlich in fünf Bereichen zusammengefasst
werden:
43
Vgl. Selle, Klaus: Normen.
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 29ff.
45
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 7.
46
Vgl. Sinning, Heidi: Kommunikative Planung, S. 75.
44
13
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
Integration von Interessen und Akteuren erhöhen
Eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage und Sicherstellung ausgewogener
Planungsentscheidungen kann durch Mitwirkungsmöglichkeiten breiter Akteursgruppen und einem öffentlichen und transparenten Planungsprozess zur Konsensfindung
und Konfliktregelung erreicht werden. Entgegenstehende Faktoren finden sich in den
verschiedenen Auswahlmechanismen städtischer Akteure, Kapazitätsgrenzen bei
Beteiligungsverfahren oder der Problematik bereits getroffener Vorentscheidungen,
bzw. des Beteiligungszeitpunkts.47
Akzeptanz schaffen und Identifikation stiften
Akzeptanz und Identifikation sind maßgebliche Faktoren, um im Planungsprozess
Problembewusstsein zu vermitteln und die Umsetzung von Maßnahmen zügig voranzutreiben. Die Vermittlung der Qualitäten, Gewährleistung der Zufriedenheit mit
den erarbeiteten Ergebnissen sowie die Stärkung der Eigenverantwortung der beteiligten Akteure können Akzeptanz und Identifikation unterstützen. Vorsicht ist geboten, wenn unterschiedliche Wahrnehmungen und Wertvorstellungen einzelner
Teilgruppen vorliegen. 48
Qualität von Lösungen verbessern
Die Steigerung der Qualität von Entscheidungen hängt maßgeblich von der Verknüpfung der Sach- und Prozessebene ab – erarbeitete Pläne sollten den Vorstellungen
der Akteure und der Realität gerecht werden, was nur über die kommunikative Vermittlung von unterschiedlichen Positionen und Fachwissen geschehen kann.49 Ermöglicht werden kann dies durch eine breite, zugängliche Informationsgrundlage, die
Ermittlung von Interessen und Positionen, einen diskursiven Zielfindungsprozess und
die Einbindung externen Sachverstands in den Entscheidungsfindungsprozess. Die
Kurzsichtigkeit der Politik und institutionalisierte Interessen können diesem Potenzial
entgegenstehen.50
Lernprozesse ermöglichen
Kommunikative Instrumente können Lernprozesse sowohl von inhaltlicher als auch
institutioneller Natur anregen. Dies können inhaltliche Qualifizierungsprozesse sein,
47
Vgl. Sinning, Heidi: Kommunikative Planung, S. 74.
Vgl. ebd., S. 83.
49
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 43.
50
Vgl. Sinning, Heidi: Kommunikative Planung, S. 87.
48
14
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Kooperationen zwischen Akteuren oder Hilfe für Akteure bei der Anpassung an Problemsituationen.51 Abhängig ist dies von der Akteurskonstellation.
Umsetzungsorientierung fördern
Gekoppelt mit einer projektorientierten Stadtplanung können kommunikative Instrumente dazu beitragen, Umsetzungsdefiziten vorzubeugen. Im Kommunikationsprozess können Widerstände frühzeitig erkannt, Partner für die Umsetzung gewonnen
werden und Planungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Interessenunterschiede zwischen den beteiligten Akteuren und eine fehlende Rechtsverbindlichkeit der Verfahrensergebnisse können dem entgegenstehen.52
2.3 Neue Entwicklungen in der Bürgerbeteiligung
Der Aufstieg der Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) hat ein neues
Umfeld für Bürgerbeteiligung geschaffen, das dialogorientiert, einfach zu benutzen,
inklusiv und unabhängig von Raum und Zeit ist.53 Genauso wie diese neuen Medien
in den letzten Jahren unsere Gesellschaft verändert haben – wie Menschen arbeiten,
einkaufen und kommunizieren – haben sie neue Kommunikationswege zwischen
Bürger und Regierung geschaffen.
2.3.1 ePartizipation und eDemocracy
Dazu wird als Erstes eine Begriffsbestimmung der zentralen Schlagwörter eGovernment, eDemocracy und ePartizipation durchgeführt, die diese neuen Kommunikationswege beschreiben: Der Diskurs um eGovernment bildet das übergreifende
Modell. Dieses besteht aus zwei verschiedenen Säulen – zum einen der Steigerung
der Verwaltungseffizienz durch elektronische Bürger- und Informationsdienste (eAdministration) und zum anderen der Stärkung bürgerschaftlicher Mitwirkung (eDemocracy). eDemocracy wiederum lässt sich weiter differenzieren in elektronische Wahlen
(eVoting) und elektronische Mitwirkungsangebote (ePartizipation)54. ePartizipation
„beschreibt jene Elemente der Bürgerbeteiligung, die eine aktive Teilhabe an politischen Diskurs- und Entscheidungsprozessen mit Hilfe des Internets ermögli-
51
Vgl. Sinning, Heidi: Kommunikative Planung, S. 92.
Vgl. ebd., S. 96.
53
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 5.
54
In dieser Arbeit werden im Folgenden die Begriffe eDemocracy und ePartizipation synonym verwendet, das
heißt, die kleinere Säule „eVoting“ wird nicht weiter betrachtet und nur eDemocracy-Diskurse werden in der
Analyse berücksichtigt.
52
15
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
chen“55.ePartizipation ist dabei mehr, als das „e“ vermuten lässt: Ebenso wie im
Diskurs um eGovernment lässt sich auch für ePartizipation feststellen, dass die Neugestaltung der Verfahren und nicht deren Digitalisierung im Vordergrund steht. „Ziel
ist vielmehr, mit Hilfe von luK neue zeitgemäße Beteiligungsverfahren zu entwickeln
und als Teil einer neuen Verwaltungs- und Entscheidungskultur zu etablieren.“56
Abb. 1: Übersicht eGovernment
57
Kontrovers diskutiert wird in der Literatur die Frage, ob eDemocracy helfen kann den
Trend der Öffentlichkeit zur Politikverdrossenheit aufzufangen. ePartizipationsAngeboten wird dabei die Fähigkeit zugeschrieben, wenig am politischen Prozess
beteiligte Gruppen, wie beispielsweise Jugendliche, für politisches Engagement zu
gewinnen.58 Demgegenüber stellt Bimber für die USA fest, dass „die amerikanische
Bevölkerung im Allgemeinen durch neue Technologien nicht engagierter im politischen System ist“59. Auch wenn die Verbreitung von Internetanschlüssen und Endgeräten zur Nutzung neuer Medien stark zunimmt, trennt der digitale Graben immer
noch Bürger mit Zugang zu diesen Kommunikationskanälen und solche ohne. Auf
der einen Seite sind dies sozial schwache Gruppen, die sich einen Internetzugang
nicht leisten können, auf der anderen Seite beispielsweise ältere Bevölkerungsgruppen, die nicht über die entsprechenden technischen Fähigkeiten verfügen. Die Gefahr einer weiteren Benachteiligung dieser Gruppen führt die meisten Autoren zur
Aussage, dass ePartizipation im Hinblick auf eine faire Demokratie nur ein Zusatzangebot im Kanon herkömmlicher Beteiligungsmethoden sein kann und darf.60
Dennoch weist das Internet einige Stärken auf, durch die es besonders für die politische Kommunikation geeignet ist. Die Verbreitung von Informationen ist einfach und
kostengünstig. Für die entsprechenden Zielgruppen gilt das auch für die Teilnahme
an und die Handhabung von Beteiligungsangeboten. Dazu können sich durch die
55
eParticipation, Initiative: Studie Elektronische Bürgerbeteiligung in deutschen Großstädten, S. 8.
Vgl. Märker, Oliver u.a.: Ungenutztes Wissen, S.18.
57
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S.95.
58
Vgl. Bethell, Matthew; Howland, Lydia: Logged off?
59
Bimber, Bruce: Information and American Democracy, S. 229.
60
Vgl. Local e-Democracy National Project: What works, S. 5.
56
16
Teil 1: Theoretische Grundlagen
besonderen Charakteristika von Online-Anwendungen Vorteile ergeben. Beispielsweise kann die Anonymität helfen, heikle Themen zur Sprache zu bringen. In Bezug
auf deliberative Verfahren kann das Internet hier dazu beitragen Hierarchien und
Machtunterschiede aus einem Diskurs herauszuhalten.61 Dem Problem des Maßstabs in Diskursen kann im Internet durch die Ungleichzeitigkeit der Diskussion und
die technischen Möglichkeiten der Diskussionsführung begegnet werden. Die Einschränkungen von Präsenzveranstaltungen wie Hitzigkeit, Querulantentum und Resignation können online leichter umgangen werden.62 Online-Bürgerbeteiligung hat
über die letzten Jahre den Status des Exoten abgelegt und wird heute entweder als
Bestandteil breit angelegter Beteiligungsverfahren oder als eigenständiges Verfahren
angeboten. Gesetzlich wurde dem mit der Novellierung des BauGB63 im Jahre 2004
begegnet. Seitdem kann die Öffentlichkeitsarbeit und -beteiligung unter Einsatz neuer Medien durchgeführt werden.
2.3.2 mDemocracy
Ein Teilbereich von eGovernment-Stragien zielt vermehrt auf die Anwendung mobiler
Technologien (Mobiltelefone, PDAs64) zur Kommunikation. Die Verbreitung dieser
Technologien ist rasant und weist in der Zwischenzeit eine breite Reichweite in der
Bevölkerung auf.65 Während der Zugang zu Informationen und Services der Verwaltung der Hauptantrieb hinter der Entwicklung ist, finden sich unter dem Schlagwort
mDemocracy66 auch erste beteiligende Anwendungen. Einfache Anwendungen, wie
beispielsweise ein Benachrichtigungsservice, können zur Mobilisierung von Zielgruppen genutzt werden.67 Zentraler Kern der Bestrebungen ist das mVoting, das elektronische Abstimmen oder Wählen mittels Textnachrichten (SMS). Einzelne Versuche
wurden auch im Bereich der Konsultation durchgeführt.68 Hier wird jedoch der grundlegende Unterschied zwischen online und mobilen Formen der Beteiligung offensichtlich: Ausführliche Schilderungen und breite Kommunikation werden in
61
Vgl. Witschge, Tamara: Online Deliberation, S. 13.
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 17.
63
Neuer § 4a Abs. 4: Bei der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung können ergänzend elektronische Informationstechnologien genutzt werden. Soweit die Gemeinde den Entwurf des Bauleitplans und die Begründung in
das Internet einstellt, können die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange durch
Mitteilung von Ort und Dauer der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 und der Internetadresse eingeholt
werden; die Mitteilung kann im Wege der elektronischen Kommunikation erfolgen soweit der Empfänger hierfür
einen Zugang („die elektronische Signatur“) eröffnet hat.
64
Personal digital assistants.
65
Vgl. Ahmed, Nahleen: An overview of e-participation models, S. 15.
66
Mobile Democracy.
67
Vgl. Local eDemocracy National Project: SMS inLewisham, S. 6f.
68
Vgl. NECCC Research and Development workgroup: M-Government, S. 4.
62
17
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
absehbarer Zeit mittels Mobiltelefon nicht möglich sein.69 Die anfallenden Kosten
stellen für die Nutzer weitere Barrieren dar, die sich mit einem demokratischen Beteiligungsverständnis nicht vereinbaren lassen. Die Ausgrenzung bestimmter regionaler
Gruppen durch eine unvollständige Netzabdeckung stellt eine weitere Barriere dar.70
Auf Grund seiner weiten Verbreitung und der niedrigen Hemmschwelle bieten mobile
Technologien der Bürgerbeteiligung dennoch gerade bei einfachen Anwendungen
interessante Anwendungsfelder (vgl. Kapitel 4.2).
2.3.3 Anschlussfähigkeit von ePartizipation
Um die vorgestellten neuen Möglichkeiten in den Bereichen ePartizipation und
mDemocracy erfolgreich einzusetzen, müssen sie in den bestehenden institutionellen
Rahmen eingefügt werden.
Kubicek, Westholm und Wind71 haben dafür ein Modell der "Anschlussbedürftigkeit
interaktiver Medien" entwickelt. Dabei unterscheiden sie folgende Ebenen:
Technische Anschlussfähigkeit: Angebote der ePartizipation müssen so konzipiert
werden, dass sie sich einerseits in die technische Infrastruktur der Verwaltung einpassen, andererseits die Ansprüche an die Nutzer sowohl in Bezug auf Kompetenz,
als auch Hard- und Softwareausstattung nicht überfordern.72
Rechtliche Anschlussfähigkeit: Diesbezüglich müssen auf Seiten der Verwaltung
entsprechende Rechtsnormen wie etwa das BauGB angepasst werden73 und Maßnahmen des Datenschutzes wie die Entwicklung der digitalen Signatur weitergeführt
werden.74
Organisatorische Anschlussfähigkeit: ePartizipation muss nicht nur technisch,
sondern auch organisatorisch und personell in die Verwaltungsabläufe integriert
werden. Daraus kann die Notwendigkeit der Anpassung von Zuständigkeiten und
Organisationsmodellen hervorgehen.
Ökonomische Anschlussfähigkeit: ePartizipations-Angebote müssen sowohl auf
Seiten der Verwaltung, als auch der Bürger eine Kosten-Nutzen-Analyse überstehen,
um initiiert und angenommen zu werden.
Kulturelle Anschlussfähigkeit: Grundlage für eine glaubwürdige Umsetzung von
Angeboten der ePartizipation ist eine lokale "Beteiligungskultur", der nicht ein hoheit69
Vgl. Baumberger, Petra; Brücher, Heide: Using Mobile Technology to Support eDemocracy, S. 3.
Vgl. ebd., S. 6.
71
Vgl. Kubicek, Herbert u.a.: Stand und Perspektiven der Bürgerbeteiligung via Internet, S.74ff.
72
Vgl. Westholm, Hilmar: Mit eDemocracy zu deliberativer Politik?, S.17.
73
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S.108.
74
Vgl. Westholm, Hilmar: Mit eDemocracy zu deliberativer Politik?, S.18.
70
18
Teil 1: Theoretische Grundlagen
liches, sondern ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Kommune und Bürger
zugrunde liegt. 75
Politische Anschlussfähigkeit: Die Öffnung des politisch-administrativen Systems
ist die Basisvoraussetzung, um positive Effekte auf den anderen skizzierten Ebenen
der Anschlussfähigkeit zu erzielen. 76
Dieses Modell zeigt als Abschluss des ersten Kapitels den übergeordneten Rahmen
auf, in den positive Wirkungen medienübergreifender Bürgerbeteiligung eingeordnet
werden können. In Kapitel 5 werden diejenigen Aspekte dieser umfassenden Kategorien weitergehend betrachtet, die für die Evaluation der Fallstudien relevant sind.
75
76
Vgl. Kubicek, Herbert u.a.: Stand und Perspektiven der Bürgerbeteiligung via Internet, S.74ff.
Vgl. Westholm, Hilmar: Mit eDemocracy zu deliberativer Politik?, S.22.
19
Kapitel 2: Grundlagen der Bürgerbeteiligung
20
Teil 1: Theoretische Grundlagen
3.
Grundlagen der Kommunikation
„Der gesamte Planungsprozess – von der Definition des Problems bis zur Umsetzung der gefundenen Lösung – ist eine Kommunikationsaufgabe“77 – dieses Zitat von
Selle verdeutlicht, dass Kommunikation eines der zentralen Elemente der Stadtplanung und des politischen Prozesses ist. Zur Klärung, was unter Kommunikation zu
verstehen ist und wie sie funktioniert, sind im Laufe der Zeit unterschiedliche Kommunikationsmodelle entwickelt worden. Diese stammen aus verschiedenen Disziplinen und betrachten jeweils andere Aspekte von Kommunikation. Letztendlich kann
im Rahmen dieser Arbeit keine umfassende Darstellung der unterschiedlichen Kommunikationsmodelle geleistet werden. Zum besseren Verständnis von Kommunikationsprozessen in der Bürgerbeteiligung werden dennoch stellvertretend zwei
Schemas aus unterschiedlichen Disziplinen vorgestellt werden.
Allgemein beschreibt der Begriff Kommunikation den verbalen Kontakt zwischen
Menschen unter Zuhilfenahme von Worten. Auch über nonverbale Kommunikation
wie Mimik, Gestik und Körperhaltung können Informationen ausgetauscht werden.78
Grundlegend gehen alle Kommunikationsmodelle von folgender Konstellation aus: Es
gibt einen Sender, von dem eine Nachricht ausgeht, die vom Empfänger aufgenommen wird. Die Nachricht wird vom Sender verschlüsselt (Codierung), der Empfänger
setzt sie in ihren ursprünglichen Zustand zurück (Dekodierung). Die Nachricht gelangt über Medien vom Sender zum Empfänger, beispielsweise in Form geschriebener oder gesprochener Sprache.79
Abb. 2: Sender-Empfänger-Modell80
Wie erfolgreiche Kommunikation funktionieren und durch welche Faktoren sie gestört
werden kann, soll an Hand von zwei Kommunikationsmodellen dargestellt werden.
77
Selle, Klaus: Planung und Kommunikation, S. 11.
Vgl. Lexikon der Psychologie: Kommunikation.
79
Vgl. ebd.: Kommunikation.
80
Quelle: Eigene Darstellung.
78
21
Kapitel 3: Grundlagen der Kommunikation
Modell Kommunikationsquadrat
Als Weiterentwicklung der Kommunikationsmodelle von Bühler und Watzlawick unterscheidet Schulz von Thun in seinem psychologischen Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation vier Seiten einer Nachricht81:
-
Sachinhalt: Sachinformationen, die der Sender dem Empfänger mitteilen
möchte.
-
Selbstoffenbarung: Informationen, die der Sender über seine Person
preisgibt. Dabei unterscheidet er gewollte Selbstdarstellung und ungewollte
Selbstenthüllung. Der Empfänger entnimmt diese Informationen aus der Betonung, Mimik oder Gestik des Senders.
-
Beziehung: drückt das Verhältnis zwischen Sender und Empfänger aus
bzw. wie diese empfunden wird, beispielsweise Hierarchien.
-
Appell: Teil der Nachrichten, der den Empfänger unbewusst oder absichtlich
zu einem bestimmten Verhalten oder Handeln veranlassen soll.
Abb. 3: Kommunikationsquadrat82
Die Aufgliederung des Inhalts einer Nachricht in die genannten vier Seiten nimmt
Schulz von Thun vor um Kommunikationsprobleme besser analysieren zu können:
„Je nachdem, auf welcher Seite er (der Empfänger - KS) besonders hört, ist seine
Empfangstätigkeit eine andere: den Sachinhalt sucht er zu verstehen. Sobald er die
Nachricht auf die Selbstoffenbarungsseite hin ‚abklopft‘, ist er personaldiagnostisch
tätig (‚ Was ist das für eine(r)?‘ bzw. ‚Was ist im Augenblick los mit ihr/ihm?‘). Durch
die Beziehungsseite ist der Empfänger persönlich besonders betroffen (Wie steht der
Sender zu mir, was hält er von mir, wen glaubt er vor sich zu haben, wie fühle ich
mich behandelt?). Die Auswertung der Appellseite schließlich geschieht unter der
Fragestellung ‚Wo will er mich hinhaben?‘ bzw. in Hinblick auf die Informationsnutzung (‚Was soll ich am besten tun, nachdem ich das nun weiß?‘)“83. Beispielsweise
81
Vgl. Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden, S. 14.
Quelle: Eigene Darstellung nach Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden.
83
ebd., S. 44.
82
22
Teil 1: Theoretische Grundlagen
hören auf dem „Beziehungsohr“ insbesondere unsichere bzw. auf dem „Appellohr“
besonders hilfsbereite Menschen.
Jede der vier Seiten hat eine besondere Bedeutung für die Gestaltung von partizipativen Beteiligungsangeboten, wenn Verwaltungsangestellte und Politiker mit Bürgern
oder Bürger untereinander ins Gespräch kommen. Beispielsweise muss das „Hoheitsgefälle“84 zwischen Verwaltung und ihrer Umwelt berücksichtigt werden, wenn
Nachrichten formuliert oder Moderationsstrategien entworfen werden.
Encoding-Decoding-Modell
An dieser Stelle wird der Blick auf die Massenkommunikation gerichtet: 1980 entwickelte Stuart Hall mit seinem Encoding-Decoding-Modell einen der zentralen Ansätze
zur Analyse der Medienrezeption. Wie Schulz von Thun hat Hall das Modell in Auseinandersetzung mit anderen medienwissenschaftlichen Ansätzen entwickelt. Halls
Theorie öffnete den Weg zu einer neuen Medienwirkungsforschung, die den Rezipienten in einer aktiven Rolle sieht. Er stellt fest, dass Medienbotschaften nicht zwingend die gleiche Bedeutung für Sender und Empfänger haben. Verständigung ist nur
dann möglich, wenn die Produzenten und Rezipienten medialer Inhalte kulturelle
Codes miteinander teilen.85 Diese Konventionen ermöglichen dem Rezipienten zu
interpretieren, wie die Botschaft des Produzenten gemeint war. Das heißt, der Prozess der Medienkommunikation besteht aus zwei Seiten: Produktion und Rezeption.
Eine Botschaft wird nicht nur bei der Encodierung, durch die eigentliche Darstellung
der Inhalte, sondern auch durch den Prozess der Decodierung erzeugt.86 Zwar legen
Medientexte durch den kulturellen Kontext den Empfängern eine Lesart nahe, dennoch können unterschiedliche Interpretationen vorliegen, wenn andere Codes bei der
Decodierung verwendet werden. Dabei wird die Vorzugslesart (Rezipient akzeptiert
die Wertungen der Botschaft) unterschieden von der ausgehandelten Lesart (Rezipient gleicht die Botschaft mit seinem Erfahrungswissen ab) und der oppositionellen
Lesart (Rezipient widersetzt sich der Botschaft).87
84
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 103.
Vgl. Kubicek, Herbert u.a.: Bürgerinformation durch "neue" Medien?, S. 27.
86
Vgl. Hall, Stuart: Encoding/Decoding, S. 128ff.
87
Vgl. ebd., S. 135.
85
23
Kapitel 3: Grundlagen der Kommunikation
Abb. 4: Encoding-Decoding-Modell88
Dies verdeutlicht grundsätzlich die Problematik, dass Beteiligungsangebote vor dem
Hintergrund allgemeiner Politikwahrnehmung in der Öffentlichkeit stattfinden. Das
heißt, Darstellung und Formulierung von Informationen sollten Transparenz, Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit des Angebots transportieren89, ohne Widerstand hervorzurufen oder belanglos zu erscheinen.90 Gerade im Bereich der Decodierung hat der
Wertewandel in der Gesellschaft eine große Bedeutung – es wird schwieriger Botschaften einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.
In beiden Kommunikationsmodellen wird offensichtlich, dass Medien der Kommunikation Grenzen der Vermittlung setzen.91 Das heißt die Wahl des Mediums muss der
Art der Mitteilung und dem Adressaten angepasst sein. Im Folgenden werden deshalb die unterschiedlichen Arten der Kommunikation in der Bürgerbeteiligung in Bezug zu den Methoden und den Medien gesetzt.
88
Quelle: Eigene Darstellung nach Hall, Stuart: Encoding/Decoding, S.130.
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 44ff.
90
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
91
Vgl. Kubicek, Herbert u.a.: Bürgerinformation durch "neue" Medien?, S. 28ff.
89
24
Teil 1: Theoretische Grundlagen
4.
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Ziel dieses Kapitels ist es den theoretischen Kern medienübergreifender Bürgerbeteiligung darzustellen. Dafür werden die verschiedenen Kommunikationsaktivitäten der
Bürgerbeteiligung zusammengefasst und zu den Beteiligungsmethoden und den
verfügbaren Kommunikationsmedien in Bezug gesetzt. An Hand dieses Modells kann
dann im Weiteren die Verknüpfung unterschiedlicher Methoden und Medien genauer
betrachtet werden.
4.1 Kommunikationsbeziehungen
Auch wenn das Spektrum der Kommunikationsbeziehungen in der Stadtplanung groß
ist, lassen sie sich an Hand der Akteurskonstellation als zentralem Unterscheidungsmerkmal zu wenigen Kategorien zusammenfassen.92 Dafür finden sich in der
Literatur verschiedene Systeme. Ein viel zitiertes Modell ist die „Ladder of Participation“ von Arnstein93, das Machtaspekte integriert. Ein weiteres Modell stammt von
Selle94, das sich als Schichtenmodell an den historischen Phasen von Bürgerbeteiligung orientiert. Beide Modelle sind auf Grund ihrer Nebenaspekte auf die Kommunikationsmedien kaum übertragbar. Deshalb wird auf das Modell der OECD
zurückgegriffen, mit seinen drei Stufen: Information, Konsultation und Partizipation.95
Abb. 5: Stufen der Bürgerbeteiligung96
92
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 36.
Vgl. Arnstein, Sherry R.: A ladder of citizen participation.
94
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 36 ff.
95
Vgl. OECD: Citizens as Partners, S. 23.
96
Quelle: Eigene Darstellung nach OECD: Citizens as Partners, S. 23.
93
25
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Information
Information lässt sich als Ein-Weg-Kommunikation beschreiben, die von der Öffentlichen Hand in Richtung der Bürger geht. Die Stufe der Information umfasst zwei Aspekte.97 Zum einen zielt die Mobilisierung darauf, die Aufmerksamkeit interessierter
oder betroffener Bürger für die Beteiligungsangebote zu wecken oder durch Einladungsverfahren eine spezielle Teilnehmerstruktur zu erzielen. Zum anderen stellt die
Verwaltung der Öffentlichkeit Informationen zum Stand der Planung und deren Rahmenbedingungen zur Verfügung. Dazu zählt sowohl der passive Zugang zu Informationen auf Nachfrage von Bürgern als auch die aktive Aufbereitung von Information
durch die Verwaltung.98 Diese Angebote stellen die Grundlage für die weiteren Stufen
dar, um gleiche Teilnahmevoraussetzungen für alle Prozessbeteiligten zu gewährleisten.
Konsultation
Auf dieser Stufe der Beteiligung suchen die Entscheidungsträger Rückmeldung von
der Bevölkerung. Die Anliegen der Betroffenen sollen eingeholt und im Planungsprozess berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich um eine Zwei-WegeKommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern: Die Öffentlichkeit bringt ihre Anliegen im Rahmen des vorgegebenen Themas ein, diese werden von der Verwaltung
zusammengefasst und beispielsweise als Abwägungsmasse in den Entscheidungsprozess integriert – die Ergebnisse werden in Betracht gezogen.
Partizipation
Diese Stufe der Bürgerbeteiligung eröffnet der breiten Öffentlichkeit die Teilnahme
am Entscheidungsfindungsprozess. Durch deliberative Kommunikation (Mehr-WegKommunikation zwischen Bürgern untereinander und mit der Verwaltung) können die
verschiedenen Interessen und Handlungsalternativen genauer herausgearbeitet und
kann die Öffentlichkeit direkt an der Konsensfindung beteiligt werden. Die erarbeiteten Ergebnisse fließen in die Politikformulierung ein und erhöhen die Planungssicherheit und Legitimität. Die letztendliche Entscheidung bleibt aber dem politischadministrativen System überlassen.99
Vor dem Hintergrund der weiteren Untersuchung ist die Notwendigkeit der Verknüp97
Diese wichtige und selten klar getroffene Differenzierung geschieht in Anlehnung an: Local e-democracy
National Project: Deeper and wider community engagement, S. 22.
98
Vgl. OECD: Citizens as Partners, S. 23.
99
Vgl. ebd., S. 23.
26
Teil 1: Theoretische Grundlagen
fung einzelner Ebenen zu betonen: Konsultation und Partizipation können ohne eine
Mobilisierung der Öffentlichkeit und eine transparente Informationsbereitstellung nicht
funktionieren.
Die Stufe Kooperation ist im Modell der OECD nicht vorhanden und soll hier außer
Acht gelassen werden. Das gemeinsame Handeln und Entscheiden von staatlichen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vereinigungen im intermediären Bereich ist
zwar sinnvollerweise die höchste Stufe der Bürgerbeteiligung in anderen Modellen,
die das Thema Bürgerbeteiligung genereller betrachten, ist aber nicht Teil des Untersuchungsrahmens.
Diese drei Stufen der Bürgerbeteiligung stellen das Grundgerüst dar, in das im
nächsten Kapitel die Kommunikationsmedien und im darauf folgenden Kapitel die
Beteiligungsmethoden eingeordnet werden.
4.2 Kommunikationsmedien
Die Untersuchung medienübergreifender Kommunikation muss auf einer sinnvollen
und für die Zwecke dieser Arbeit anwendbaren Definition von Medien gründen.100 In
Anlehnung an Schulz werden unter Medien „kulturelle Produkte, die der sozialen
Kommunikation dienen“101, verstanden. Dabei wird eine weitere Differenzierung vorgenommen, die für den Verlauf der Arbeit wichtig ist: Getrennt werden die Kommunikationstechnologie und die darauf basierende Kommunikation mittels Medien. Als
Kommunikationstechnologie werden beispielsweise Computer und das Internet verstanden, die als technische Grundlage von Kommunikation dienen. Auf dieser kann
der Austausch von Informationen mittels Medien stattfinden. Als Medien, Kommunikationsmedien oder Kommunikationskanäle102 werden in dieser Arbeit synonym die
Formen der Kommunikation bezeichnet, also E-Mail, Flyer, Textnachrichten (SMS)
oder Ähnliches. Diese Unterscheidung ist wichtig in Hinblick auf Multifunktionsgeräte
wie Computer oder Mobiltelefone103, welche die Nutzung unterschiedlicher Kommunikationsmedien ermöglichen und deshalb nicht in die Analyse integriert werden
100
Dies stellt ein grundsätzliches Problem dar, weil in der Literatur der Begriff Medien sehr unterschiedlich verwendet wird und geprägt ist von spezifischen Aspekten der jeweiligen Fachdisziplinen. Allein im Feld der Kommunikationswissenschaft wird der Begriff der Medien mehrdeutig verwendet. Dazu kommen die technische
Betrachtung des Begriffs im Bereich der Informatik und weiter die kognitive, semiotische, linguistische, soziologische Betrachtung – alles Teilaspekte dieser Arbeit, die aber nur am Rande betrachtet werden können.
101
Schulz, Winfried: Medialisierung, S. 2.
102
Der Begriff Kanal wird in der Literatur auch häufig in seiner technischen Bedeutung verwendet, soll aber hier
gleichbedeutend mit dem Begriff Medium benutzt werden.
103
Vgl. Schulz, Iren: Report Medienkonvergenz Monitoring, S. 4.
27
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
können.104
Die Kommunikationsmedien lassen sich weiter aufgliedern. In Hinblick auf die verschiedenen Stufen der Bürgerbeteiligung werden Kommunikationsmedien in Anlehnung an Everett Rogers105 als Massenmedien, interpersonelle Medien und interaktive
Medien klassifiziert.106 Maßgebliches Unterscheidungskriterium ist die Beziehung
zwischen den Kommunikationsteilnehmern. Es zeigt sich, dass die Kommunikationsbeziehungen der drei Medientypen denen der Bürgerbeteiligungsstufen entsprechen:
Massenmedien unterstützen One-to-many-Kommunikation. Deshalb eignen sie sich
grundsätzlich nur für die Beteiligungsstufe der Information. Botschaften, die über
Massenmedien gesendet werden, erreichen zwar viele Empfänger, ihnen fehlt jedoch
ein Rückkanal.107
Interpersonelle Medien unterstützen One-to-one-Kommunikation. Sie entsprechen
damit der Stufe der Konsultation. Ebenfalls können interpersonelle Medien, wie beispielsweise Mund-zu-Mund-Propaganda Aufgaben der Mobilisierung übernehmen108
– die Zuordnung ist an dieser Stelle nicht exklusiv.
Schließlich unterstützen interaktive109 Medien Many-to-many-Kommunikation. Entsprechend der Beteiligungsstufe Partizipation ermöglichen interaktive Medien wechselseitige Beziehung zwischen zwei oder mehreren Gesprächsteilnehmern.
Massenmedien
interpersonelle Medien
interaktive Medien
one-to-many
one-to-one
many-to-many
passives Publikum
aktives Publikum
Kontrolle des Kommunikationsflus-
Kontrolle des Nachrichtenflusses durch alle Teilnehmer am Kommunikati-
ses durch Produzenten der Nach-
onsprozess
richt
Information
Konsultation
Partizipation
Übersicht 1: Zusammenhang zwischen Kommunikationsbeziehungen und Medien
Aufgeschlüsselt nach diesen Kategorien werden die für die weitere Untersuchung
relevanten Kommunikationsmedien vorgestellt.110
104
Dass vernetzte Computer heute genutzt werden können, um zu telefonieren oder Videos anzusehen, verdeutlicht die Notwendigkeit zwischen Technologie und Medien zu unterscheiden.
105
Vgl. Rogers, Everett: Communication Technology, S. 3ff.
106
Dies stellt die im Bereich der ePartizipation übliche Unterscheidung dar, vgl. beispielsweise Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, oder Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige
Stadt- und Regionalplanung.
107
Vgl. Rogers, Everett: Communication Technology, S. 4.
108
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
109
Interaktiv bedeutet in diesem Zusammenhang „wechselseitig“ und „aufeinander bezogen“. Vgl. Duden – Das
große Fremdwörterbuch: Interaktion.
110
Der ursprüngliche Gedanke war an dieser Stelle eine große Matrix zu erstellen, die diese Merkmale für jedes
einzelne Medium darstellt. Auf Grund der Fülle von Medien und Auswahlkriterien ist dies allerdings in diesem
28
Teil 1: Theoretische Grundlagen
4.2.1 Medien der Information – Massenmedien
Folgende Massenmedien sind für die Bürgerbeteiligung von Bedeutung:
Fernsehen
Das Fernsehen ist zuvorderst ein Unterhaltungskanal, zu dem 98% der deutschen
Haushalte Zugang besitzen und ihn durchschnittlich 220 Minuten am Tag nutzen.111
Grundsätzlich ermöglicht es eine breit gestreute Zielgruppenansprache. Über Spartensender können bis zu einem gewissen Grad gezielt regionale Zielgruppen angesprochen werden. Das Medium ermöglicht die bildhafte Darstellung der Information,
ist jedoch limitiert im Informationsumfang.112 Die Produktion von Inhalten ist im Vergleich zu anderen Kanälen aufwendig; ihre Verbreitung wird durch Journalisten gefiltert.
Fernsehberichterstattung
kann
Beteiligungsprojekten
eine
besondere
Aufmerksamkeit verleihen, spielt aber auf Grund seiner hohen Anforderungen selten
eine Rolle in der Öffentlichkeitsarbeit.113
Radio
Die technische Reichweite des Radios entspricht der des Fernsehens. 97% der deutschen Gesamtbevölkerung nutzen das Radio mit einer durchschnittlichen Dauer von
221 Minuten am Tag.114 Durch die Vielzahl lokaler Radiosender können Informationen zielgruppenspezifischer verbreitet werden. In der Produktion ist das Radio günstiger und schneller. Ebenso wie das Fernsehen ist das Radio eher ein zusätzliches
Element für die Öffentlichkeitsarbeit.115
Tageszeitungen, Zeitschriften
51% der Deutschen lesen täglich eine Tageszeitung. Zwar ist die Nutzungsdauer von
Zeitungen und Zeitschriften mit 40 Minuten am Tag geringer als bei Fernsehen und
Radio.116 Weil der Konsument aber beim Lesen selbst aktiv werden muss, können
mehr Informationen innerhalb einer kürzeren Zeit übermittelt werden. Durch die grö-
Rahmen nicht zu leisten. Lediglich die Grundlagen sollen dargestellt werden, um den Einsatz unterschiedlicher
Medien in den Fallbeispielen analysieren zu können.
111
Vgl. Eimeren, Birgit van; Ridder, Christia-Maria: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis
2005, S. 492 und 496.
112
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 47.
113
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
114
Vgl. Eimeren, Birgit van; Ridder, Christia-Maria: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis
2005, S. 492 und 496.
115
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
116
Vgl. Eimeren, Birgit van; Ridder, Christia-Maria: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis
2005, S. 495ff.
29
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
ßere Glaubwürdigkeit der Printmedien hat dieser Kanal einen stärkeren Einfluss auf
die Meinungsbildung der Leser.117 Zielgruppenbezug und lokale Ausrichtung führen
darüber hinaus zu geringeren Streuverlusten. Jüngere Zielgruppen werden von Zeitungen jedoch weniger gut erreicht.118
Alle drei klassischen Massenmedien haben den Nachteil, dass die Informationsverbreitung von Journalisten, als so genannten Gatekeepern, gefiltert wird.119 Das
heißt, Beteiligungsthema und -verfahren müssen medienwirksam sein, um über diese
Kanäle transportiert werden zu können. Um eine begleitende Presseberichterstattung
schon vor Projektbeginn zu sichern, können Medienpartnerschaften eingegangen
werden.120
Flyer, Infobroschüren, Plakate
Mit einfachen Printerzeugnissen wie Postern, Flyern oder ähnlichen Medien können
auf günstige Weise sehr unterschiedliche Zielgruppen angesprochen werden.121
Aufwändigere Aktionen wie Infoscreens in U-Bahnen oder Poster an Litfasssäulen
bedürfen eines größeren Budgets und entsprechenden Vorlaufs.122
Websites, Mobiltelefonportale
In seiner Basisfunktion stellt das Internet123 die Möglichkeit bereit Inhalte zu publizieren. Um Informationen aufzufinden und zu konsumieren, müssen Rezipienten eine
vergleichsweise aktivere Position einnehmen als bei anderen Massenmedien. Die
Zielgruppe muss zu den Angeboten geleitet124 und durch unterstützende Kommunikation zur Wiederkehr animiert werden.125 Hervorzuheben sind die Zeit- und Ortsunabhängigkeit der Angebote sowie die Möglichkeit der Verlinkung von Information,
was dem Internet eine besondere Rolle als vertiefendem Kanal gibt, bei dem jeder
117
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 47.
Vgl. ARD: Mediennutzung und Freizeitbeschäftigung 2005.
119
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 44.
120
Vgl. Lührs, Rolf u.a.: Online Diskurse als Instrument politischer Partizipation, S. 8.
121
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
122
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 48.
123
Insgesamt nutzen 60% der Bevölkerung das Internet mindestens gelegentlich (vgl. Eimeren, Birgit van; Frees,
Beate: ARD/ZDF-Online-Studie 2006, S. 404). Die tägliche Nutzung liegt dabei allerdings mit 28% immer noch
weit hinter anderen Massenmedien (vgl. Eimeren, Birgit van; Ridder, Christia-Maria: Trends in der Nutzung und
Bewertung der Medien 1970 bis 2005, S. 495f.). Dabei stellt der technische Kanal Internet über seine Dienste und
Protokolle unterschiedliche Kommunikationskanäle bereit, von einfacher Informationsbereitstellung bis zum
interaktiven Dialog. Diese werden jeweils einzeln in den unterschiedlichen Medienkategorien betrachtet.
124
Es ist zwischen Push- und Pull-Medien zu unterscheiden, also ob der Rezipient selbst ausgewählte Informationen aktiv anfragt, z.B. per Mausklick (pull), oder ob das Medium die Vermittlung der Inhalte steuert, wie etwa
eine Fernsehsendung, die ihm die Inhalte aufbereitet und aufgereiht präsentiert (push).
125
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 48.
118
30
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Nutzer die Ausführlichkeit und Geschwindigkeit der Informationsaufnahme selbst
bestimmen kann.126 In der Zwischenzeit lassen sich solche Informationen auch auf
Mobiltelefonen127 mit Internetzugang (UMTS) abrufen. Die kleinen Displays, höhere
Kosten für die Datenübertragung und schlechtere Dateneingabemöglichkeiten stellen
aber auch zukünftig Barrieren für den Benutzer dar.128
4.2.2 Medien der Konsultation – Interpersonelle Medien
Der Kategorie der interpersonellen Medien lassen sich folgende Kommunikationskanäle zuordnen129:
Persönliches Gespräch
Die direkte Kommunikation ist entsprechend der für diese Arbeit getroffenen Definition ebenfalls ein Medium. Der Face-to-Face-Dialog, bei dem sich die beiden Gesprächspartner gegenübersitzen, hat den Vorteil, dass auch indirekte Signale des
Gegenübers, wie Mimik und Gestik, der Verständigung dienen. Dadurch kann eine
Vertrauensbasis entstehen, die über computervermittelte Kommunikation schwer zu
erzeugen ist.130 In der Bürgerbeteiligung finden persönliche Gespräche in unterschiedlichen Formen statt, von informellen Gesprächen bis zu Rückmeldungen auf
Bürgerversammlungen. Eine Erweiterung findet das persönliche Gespräch in den
Methoden der Präsenzveranstaltungen. In moderierten Diskussionsrunden direkt auf
die Gesprächspartner eingehen zu können sowie darüber hinausgehende informelle
Vernetzungsmöglichkeiten sind besondere Qualitäten von Präsenzveranstaltungen.
Als Nachteile sind die geringer werdende Redezeit mit zunehmender Gruppengröße
zu nennen sowie andere typische Merkmale wie dominante Vielredner, Abschweifungen vom Thema, geringe Tiefe auf Grund von Zeitknappheit.131 Unter Anwendung
der entsprechenden Methoden stellen Präsenzveranstaltungen in gewisser Weise
126
Vgl. Schröter, Frank: Anforderungen und Qualitätskriterien für online-gestützte Beteiligungsangebote, S. 36f.
Exkurs Mobiltelefon: Insgesamt 75 Millionen Deutsche besitzen heute ein Mobiltelefon, was einer Reichweite
von mehr als 90% der Gesamtbevölkerung entspricht. Damit übersteigt die Zahl der Mobiltelefone in der Zwischenzeit die angemeldeten Festnetzanschlüsse (vgl. Conceptbakery: Mobile – Zahlen, Daten, Fakten). Als
Kommunikationsmedien haben sich neben der Telefonie in der Zwischenzeit die Nachrichtendienste SMS und
MMS etabliert sowie verstärkt Multimediaanwendungen. Während Ältere verstärkt als Zielgruppen für die Mobiltelefonie erkannt werden, sind es die Jugendlichen, die verstärkt Zusatzfunktionen im Bereich Multimedia und
mobile Internetnutzung nachfragen (vgl. Büllingen, Franz; Stamm, Peter: Mobilmedia – Mobile MultimediaDienste, S. XI ff.).
128
Vgl. Baumberger, Petra; Brücher, Heide: Using Mobile Technology to Support eDemocracy.
129
Alle diese Kanäle können nicht nur auf der Ebene der Konsultation Anwendung finden, sondern im Sinne der
Mund-zu-Mund-Propaganda oder im Schneeball-Verfahren auch zur Mobilisierung eingesetzt werden. Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 49.
130
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 75.
131
Vgl. ebd., S. 89.
127
31
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
interaktive Medien dar.
Telefon, Mobiltelefon
Das Kommunikationsmedium Telefonie wird von 98% der Bevölkerung genutzt.132
Vor allem ältere Bevölkerungsschichten bevorzugen diesen Kanal auf Grund seiner
intuitiven Bedienung. Auf Grund des hohen Personalaufwands findet das Telefon
meist nur Anwendung als Rückkanal bei Nachfragen (Bürgertelefon) und für Hilfestellung oder bei Telefonumfragen.
Textnachrichten (SMS, MMS)
Diese Services ermöglichen Besitzern von Mobiltelefonen kurze Textnachrichten
auszutauschen. Durch die weite Verbreitung von Mobiltelefonen und PDAs sowie die
einfache Bedienung hat die Nutzung von SMS in den letzten Jahren stark zugenommen.133 Die Nachrichten sind in ihrer Länge stark beschränkt, aber schnell auszutauschen. Im Hinblick auf Beteiligungsverfahren eignen sich Textnachrichten zur
Benachrichtigung, Übermittlung von einfachen Umfragen oder Statements oder zunehmend als Rückkanal für Massenmedien.134
E-Mail
Das Kommunikationsmedium E-Mail hat auf Grund seiner einfachen Handhabung
eine weite Verbreitung unter Internetnutzern. Sie ermöglicht den direkten persönlichen Austausch ähnlich wie bei einem Brief. Als Bestandteil des Internets eignet sich
das Medium besonders um auf weiterführende Informationen und Angebote im Internet zu verweisen.
Durch seine Vielfältigkeit kann das Medium E-Mail allen drei Kategorien zugeordnet
werden. In Form von Mailing-Listen und Newsgroups ermöglicht sie als interaktives
Medium die Kommunikation innerhalb einer Gruppe.135 In Form von Rundmails eignet sie sich als Medium zur Zielgruppenansprache.
Formulare, Umfragen
Formulare sind eine der Standardanwendungen zur Dateneingabe und -übermittlung
132
Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland: Ausstattung privater Haushalte mit Informations- und Kommunikationstechnik.
133
Vgl. Büllingen, Franz; Stamm, Peter: Mobilmedia – Mobile Multimedia-Dienste, S. XII.
134
Vgl. Local eDemocracy National Project: SMS in Lewisham, S. 6ff.
135
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 25.
32
Teil 1: Theoretische Grundlagen
im Internet.136 Sie stellen eine Grundlage für viele Internet-Technologien dar, sind
aber auch in Form von Meinungsumfragen ein verbreitetes Werkzeug in der Bürgerbeteiligung.
4.2.3 Medien der Partizipation – Interaktive Medien
Der Kategorie der interaktiven Medien lassen sich folgende Kommunikationskanäle
zuordnen137:
Online-Foren, Bulletin Boards, Dialogsoftware
Diskussionsplattformen im Internet sind dynamische Anwendungen, die ungleichzeitige, textbasierte Dialoge ermöglichen, das heißt, die Diskussionsteilnehmer können
ihre Arbeitszeit selbst auswählen und themenspezifische Präferenzen setzen. Um
Argumentationsketten abzubilden, werden Diskussionsbeiträge und darauf bezogene
Kommentare entweder starr als Baumstruktur (threaded)138 oder über spezifische
Ansichten und Rankings dargestellt. Technisch gesehen reicht die Bandbreite der
Online-Foren von einfachen Datenbankanwendungen bis hin zu komplexer Dialogsoftware.139
Chat
In Chats tauschen zwei oder mehrere Teilnehmer Nachrichten über das Internet aus.
Im Vergleich zu Foren handelt sich hierbei um synchrone, textbasierte Kommunikation. Chats haben sich als nützliches Werkzeug, vor allem zur Ergänzung von ungleichzeitigen Diskussionen erwiesen.140 So gehören Live-Chats mit Politikern heute
zum gängigen Repertoire von Online-Diskursen141, in denen Moderatoren die sonst
teilweise chaotischen Zustände in Chatrooms in ruhige Bahnen leiten.
Wiki
Das Medium Wiki ermöglicht gemeinschaftliches Schreiben.142 Per Knopfdruck können Inhalte verändert werden; neue Inhalte lassen sich ohne großen Aufwand hinzu-
136
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 25.
Alle diese Kanäle können nicht nur auf der Ebene der Konsultation Anwendung finden, sondern im Sinne der
Mund-zu-Mund-Propaganda oder im Schneeball-Verfahren auch zur Mobilisierung eingesetzt werden. (Vgl.
Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 49).
138
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 25f.
139
Siehe beispielsweise Lührs, Rolf u.a.: Online Diskurse als Instrument politischer Partizipation, S. 6.
140
Vgl. Coleman, Stephen; Gøtze, John: Bowling Together, S. 25.
141
Vgl. pol-di.net e.V./politik-digital.de: Facilitating active citizenship, S.10.
142
Das wahrscheinlich anschaulichste Beispiel hierfür ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die weltweit mehr
als 100.000 Autoren hat. Vgl. http://www.wikipedia.org.
137
33
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
fügen. Das macht sie besonders interessant für das gemeinschaftliche Erarbeiten
von Inhalten. Durch eine Versionskontrolle ist es möglich, Änderungen rückgängig zu
machen und alte Arbeitsstände wiederherzustellen. So wird Teamarbeit unterstützt
und Hierarchien werden durch gegenseitige Kontrolle ersetzt.143 In der Bürgerbeteiligung wurde dies bislang nur vereinzelt als Instrument der Kooperation verwendet
oder beispielsweise in Online-Dialogen, in denen Bürger über Wikis mithelfen die
Gesamtdiskussion in ein gemeinsam erarbeitetes Schlussdokument überzuleiten.144
Nachdem in diesem Kapitel die Eigenschaften ausgewählter Kommunikationsmedien
in Bezug auf mögliche Einsatzgebiete in der Bürgerbeteiligung vorgestellt wurden,
werden im nächsten Kapitel ihre konkrete Anwendung innerhalb der Beteiligungsmethoden aufgezeigt.
4.3 Beteiligungsmethoden
In der Bürgerbeteiligung hat sich über die Jahre ein breiter Kanon an Beteiligungsmethoden entwickelt. Jedes Format hat eigene Stärken und ist für bestimmte Kommunikationsprozesse besonders geeignet. Dabei haben sich über die letzten Jahre
verstärkt Methoden entwickelt, die die Potenziale der IuK nutzen. Im Folgenden werden die Beteiligungsmethoden an Hand der ihnen zugrunde liegenden Kommunikationsbeziehungen den unterschiedlichen Beteiligungsstufen zugeordnet. Auf Grund
der großen Menge an Methoden, die sich seit den 1990er Jahren noch einmal stark
erweitert haben145, kann hier nur eine Auswahl dargestellt werden, die bewusst in
Hinblick auf die Fallstudien getroffen wurde:
4.3.1 Methoden der Information
Kommunikationsmaßnahmen, die sich für die Mobilisierung der breiten Öffentlichkeit
anbieten, sind beispielsweise146:
-
Infomaterial an die privaten Haushalte per Post, Flyer oder E-Mail
-
Benachrichtigungen per Flyer, Poster, SMS oder Werbeplakate
-
Berichterstattung in den lokalen und regionalen Medien
-
Sprechstunden vor Ort, telefonisch oder per Chat
143
Vgl. Chavan, Abhijeet: Developing an Open Source Content Management Strategy for E-government, S. 8f.
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
145
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 100.
146
In Anlehnung an Herzberg, Carsten: Bürgerhaushalt in Großstädten, S. 11.
144
34
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Zielsetzung und Durchführung des Beteiligungsangebots müssen aus den Maßnahmen deutlich hervorgehen.147
Zur Information der Bürger werden Methoden eingesetzt, die mehr Inhalte vermitteln,
als dies bei der ersten Ansprache möglich ist. Vertiefende Informationsangebote sind
wichtig um die Qualität der Beteiligung zu fördern148 und sollten die Methoden der
Konsultation und Partizipation gezielt ergänzen.
Bürgerspaziergänge
Um die Öffentlichkeit über die lokalen Gegebenheiten zu informieren, bietet es sich
häufig an, an den Ort des Geschehens einzuladen. Stadtspaziergänge ermöglichen
allen Beteiligten das Plangebiet zu erkunden. Die alltägliche Umgebung kann in einem unterschiedlichen Kontext wahrgenommen werden und Information können mit
den Alltagserfahrungen der Anwohner und Teilnehmer verknüpft werden. Pläne können sichtbarer und erlebbarer vorgestellt, sofort mit der Realität verglichen und neue
Ideen und Vorschläge unmittelbar zur Sprache gebracht werden.149 Aktionen vor Ort
lockern das Programm und die Arbeitsatmosphäre von Bürgerbeteiligung auf, gerade
wenn diese sich über mehrere Phasen erstreckt.
Online-Informationsportal
In der Stadtplanung bieten Internetauftritte besondere Vorteile bei der Darstellung
von komplexen Informationen. Der zeit- und ortsunabhängige Zugang zu Informationen qualifiziert das Internet besonders für diese Aufgabe. Auf Grund der Wiederverwendung von Inhalten aus Printerzeugnissen überwiegen bislang bei der
Informationsdarstellung noch textbasierte Elemente. Vermehrt findet die Informationsvermittlung zum besseren Verständnis über Multimedia statt. Dadurch können
Plandarstellungen über animierte Grafiken, Videoclips oder aufwändige Visualisierungen vom Nutzer interaktiv betrachtet werden.150 Einschränkungen ergeben sich
hier erneut durch unterschiedliche Nutzerausstattung in Bezug auf Übertragungsraten. In diesen Fällen ist eine Doppelstrategie notwendig: Nutzern müssen die Darstellungen
in
unterschiedlichen
Qualitäten
bereitgestellt
werden,
was
einen
Mehraufwand in der Erstellung bedeutet. Das Internet ist als Medium zur Informationsbereitstellung in der Planung heute gängige Praxis geworden, wenn auch noch
147
Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 37ff.
149
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
150
Vgl. Sinning, Heidi: Zielgruppengerechte Ansprache beim Einsatz Neuer Medien, S. 23.
148
35
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
mit unterschiedlichen Qualitätsstandards.151
4.3.2 Methoden der Konsultation
Bürgerumfragen
Über Umfragen kann die öffentliche Meinung zu geplanten Vorhaben oder gegenüber
politischen Entscheidungen eingeholt und im politischen Prozess berücksichtigt werden. Dabei wird aus der Grundgesamtheit eine Zufallsgruppe ausgewählt, die zu
einer Reihe von Fragen Stellung nimmt. Umfragen können face-to-face, telefonisch,
postalisch oder online durchgeführt werden. Erstere beide Optionen haben den Vorteil, dass über einen bestimmten Auswahlschlüssel eine Repräsentativität, das heißt
die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Allgemeinheit, erreicht werden kann. Im
Internet oder bei Antworten per Post besteht die Gefahr, dass die Selbstselektion der
Teilnehmer das Ergebnis verzerrt, zum Beispiel, wenn die Umfrage auf einer Website
geschaltet wird, die nur von einer bestimmten Zielgruppe frequentiert wird.
4.3.3 Methoden der Partizipation
21st Century Town Meeting
Das Prinzip des 21st Century Town Meeting wurde ursprünglich in den USA von
America Speaks entwickelt und ist in Präsenzveranstaltungen mit bis zu 5000 Teilnehmern angewandt worden. Das deliberative Konzept ermöglicht den Teilnehmern
verschiedene Blickwinkel zu verstehen und gemeinsame Positionen zu entwickeln.152
Der Schwerpunkt der Veranstaltung liegt auf Kleingruppendiskussionen. Deren Ergebnisse werden zentral gesammelt, zusammengefasst und abschließend im Plenum mittels elektronischer Wahlapparate (Keypads) priorisiert.153Die Methode wurde
auch schon erfolgreich im Internet durchgeführt. Hunderte registrierte Nutzer haben
als Kleingruppen in Foren diskutiert, deren Ergebnisse in einem mehrwöchigen Prozess iterativ zusammengefasst und in der Großgruppe priorisiert wurden. 154
In etwas einfacherer Form lässt sich das Konzept auch als interaktive Bürgerversammlung (eMeeting) durchführen. Durch die Möglichkeit, Feedback über die Keypads einzuholen, erhält die Versammlung einen lebendigen Charakter und lässt sich
auf der Stufe der Konsultation einordnen.
151
Vgl. Sinning, Heidi: Zielgruppengerechte Ansprache beim Einsatz Neuer Medien, S. 25.
Brigham, Steve; Lukensmeyer, Carolyn: Taking Democracy to Scale, S. 353ff.
153
Vgl. Hasselblad-Torres, Lars; Lukensmeyer, Carolyn J.: Public Deliberation, S. 25.
154
Vgl. ebd., S. 43f.
152
36
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Online-Dialog
Als etabliertes Konzept von Online-Dialogen soll hier stellvertretend die Vorgehensweise des Berliner Büros Zebralog155 vorgestellt werden. Der Online-Dialog findet auf
einer Informations- und Diskussionsplattform im Internet statt. Angemeldete Teilnehmer können ihre Meinungen und Ideen als Beiträge verfassen. Über Rankings, vertraute Autoren oder Kategorien kann der Diskurs übersichtlich strukturiert und den
Teilnehmern der Einstieg in die Diskussion erleichtert werden.156 Andere registrierte
Teilnehmer können zu jedem der Argumente Stellung nehmen. Die Moderation der
Diskussion gewährleistet eine faire Gesprächskultur und eine interaktive und verzweigte Kommunikationsstruktur. Daraus resultieren eine stärkere Bezugnahme der
Nutzer aufeinander und ein schnelleres Zurechtfinden mit den Funktionen des Forums. Im Verlauf der Diskussionsphasen findet so unter den Teilnehmern ein
Verständigungs- und Qualifizierungsprozess statt.157Am Ende des zeitlich begrenzten
Online-Dialogs wird mit den Teilnehmern ein gemeinsames Ergebnis formuliert, das
an die Politik übergeben wird.
Open Space
Die Methode Open Space wurde in den 1980er Jahren von Harrison Owen „entdeckt“: Aus seiner Beobachtung, dass die meisten Ergebnisse in Konferenzen durch
informelle Gespräche in der Kaffeepause entstehen, formte er das Grundkonzept.158
Open-Space-Veranstaltungen haben keine Tagesordnung – sie basieren auf der
Selbstorganisation der Teilnehmer. Zu Beginn wird im Plenum aus der Problemstellung die Arbeits- und Zeitplanung entwickelt. Allen Beteiligten steht die Möglichkeit
offen ihre Anliegen auf die Tagesordnung zu setzen. In der Gruppenphase verteilen
sich die Teilnehmer entsprechend ihren Interessen auf die einzelnen Themengruppen und erarbeiten Lösungen. Die Methode vertraut darauf, dass die Teilnehmer
Experten für ihre Themen sind und damit alles zur Problemlösung notwendige Wissen im Raum versammelt ist.159 Am Ende der Kleingruppenphase werden alle Ergebnisse zusammengefasst und die nächsten Arbeitsschritte beschlossen. Dieser
offene Rahmen der Selbstorganisation führt zur Freisetzung von Kreativität und fördert unerwartete Problemlösungen.
155
http://www.zebralog.de/.
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
157
Vgl. ebd.
158
Vgl. Owen, Harrison: Raum für den Frieden, S. 51.
159
Vgl. Baumann, Frank u.a.: Neue Tendenzen bei Bürgerbeteiligungsprozessen, S. 41.
156
37
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Die Vorstellung der unterschiedlichen Beteiligungsmethoden verdeutlicht zum einen
ihre verschiedenen Einsatzgebiete in Abhängigkeit von der Kommunikationsaufgabe
und zum anderen ihre unterschiedlichen Stärken. Die Wahl der richtigen Beteiligungsmethoden wird letztendlich an Hand einer Vielzahl von Kriterien getroffen, auf
die in Kapitel 5 noch ausführlicher eingegangen wird.
In Hinblick auf die Fragestellung der Arbeit – „Haben Verknüpfungen von unterschiedlichen Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien positive Auswirkungen auf Beteiligungsverfahren?“ – wurde im letzten Kapitel die enge Beziehung
zwischen Beteiligungsmethoden und den verwendeten Kommunikationsmedien deutlich.160 Im folgenden Kapitel wird daran anschließend der Aspekt der Verknüpfung
genauer betrachtet.
4.4 Medienübergreifende Kommunikation
Medienübergreifend bedeutet, dass sich Kommunikation auf mehrere Medien ausdehnt.161 Das heißt, es findet während des Kommunikationsprozesses eine Verknüpfung von unterschiedlichen Medien statt.
Um zu verstehen, wie medienübergreifende Kommunikation in der Bürgerbeteiligung
aussehen kann, wird ein Seitenblick auf die Medien-, Marketing- und Werbebranche
geworfen. In diesen Branchen werden medienübergreifende Konzepte bereits seit
längerer Zeit diskutiert und sind heute gängige Praxis. Anhand dieses Exkurses sollen einige Aspekte von medienübergreifender Verknüpfung verdeutlicht werden.
Exkurs: Medienübergreifende Kommunikation
Multi-Channel Marketing beruht auf der alten Erkenntnis, dass unterschiedliche Käufersegmente über andere Wege erreicht werden. Unter dem Schlagwort Medienmix
zielte dieses Prinzip ursprünglich darauf, die Marke so im Kopf des Käufers zu platzieren, dass er im Laden aus Reflex zum „richtigen“ Produkt greift.162 Der Wandel
vom Konzept Medienmix zum heutigen Multi-Channel Marketing geht auf zwei unterschiedliche Entwicklungen zurück: Zum einen hat in der Marketingbranche ein Umdenken stattgefunden. Im Zentrum der konzeptionellen Überlegungen steht heute
160
Im Folgenden wird die Kombination aus Methode und Medium als Beteiligungskanal bezeichnet.
Vgl. Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache: –übergreifend.
162
Vgl. Banta Corp.: Developing Effective Multi-Channel Marketing Strategies, S. 1.
161
38
Teil 1: Theoretische Grundlagen
nicht mehr das Produkt, sondern der Kunde. Kundenbeziehungen können nur über
erfolgreiche Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden initiiert und gepflegt
werden. Auf der anderen Seite stehen heute mehr Kommunikationskanäle zur Verfügung als früher. Dazu kommt, dass mit dem Aufkommen des Internets in der Zwischenzeit Transaktionen über andere Kanäle durchgeführt werden können, als
klassischerweise im Laden.
Unterschiedliche Kommunikationskanäle
Für jede Phase der Kundenkommunikation von Werbung bis zum Kauf stehen heute
unterschiedliche Kanäle zur Verfügung.163 Multi-Channel-Strategien zielen auf „die
Bereitstellung der richtigen Kanäle für die richtigen Kunden mit den richtigen Inhalten
und die Vernetzung und Synchronisation dieser Kanäle, um die höchstmögliche Profitabilität der Kundenbeziehungen zu erreichen“164. Unternehmen können auf diese
Weise unterschiedliche Vorteile erreichen, beispielsweise eine bessere Kundenbindung, Kostensenkungen oder neue Geschäftsprozesse.
Vergleichbar zur Bürgerbeteiligung müssen die Kommunikationskanäle in Bezug auf
die Zielgruppen und die Inhalte des jeweiligen Kanals ausgewählt werden.
Verknüpfung unterschiedlicher Phasen
Durch Synchronisation können Unternehmen erreichen, dass während des Kommunikationsprozesses die Kanäle gewechselt werden können. Das heißt, wird beispielsweise die Transaktion im Internet für den Kunden zu kompliziert, kann er einen
Mitarbeiter anrufen, der seine bisherigen Vorgänge einsehen kann und ihm von diesem Punkt an weiterhilft. Dieses so genannte Cross-Channeling stellt einen weiteren
Vorteil einer guten Multi-Channel-Strategie dar. Cross-Channeling beschreibt Kommunikationsprozesse, „in deren Verlauf der Kunde den Kanal bewusst oder vom
Unternehmen gesteuert wechselt, und so die Kosten für das Unternehmen gering
gehalten werden“165. So kann etwa die Informationstiefe des Internets genutzt werden, um Kunden von den Vorzügen des Produkts zu überzeugen und Kaufwillige
können anschließend direkt an Beratungshotlines oder Filialen weitergeleitet werden.
Je nach Erfahrung des Kunden, der Emotionalität und Komplexität des Anliegens,
wird der Kunde von einem Kanal auf einen anderen wechseln.166 Dies entspricht der
163
Vgl. Banta Corp.: Developing Effective Multi-Channel Marketing Strategies, S. 2.
Grimm, Sebastian; Röhricht, Jürgen: Die Multichannel Company, S. 112.
165
ebd., S. 176.
166
Vgl. ebd., S. 176.
164
39
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
medienübergreifenden Verknüpfung unterschiedlicher Stufen, bzw. Phasen der Bürgerbeteiligung.
Verknüpfungen innerhalb einer Phase
Auch im Bereich des Journalismus werden Inhalte nicht mehr nur über ein Medium
zur Verfügung gestellt, sondern wie beispielsweise bei der Financial Times167 via
Tageszeitung, Internet, Mobiltelefon, PDA und Radio.168 Noch stärker ausgeprägt
sind diese Tendenzen in der Werbebranche. Bei Crossmedia-Werbekampagnen
werden Medien mit breiter Streuung aber geringer Inhaltstiefe, wie das Fernsehen,
genutzt, um möglichst viele Menschen anzusprechen und über entsprechende Verknüpfungen auf Medien verwiesen, die mehr Information transportieren können, wie
beispielsweise das Websites. Dem Rezipient wird ein Reiz geboten, den Kommunikationskanal zu wechseln, um den Rest der Information zu erhalten und die Botschaft
zu verstehen.169 Kommunikation findet auf diese Weise innerhalb einer Kommunikationsphase über mindestens zwei Kanäle statt, mit dem Vorteil, die Stärken unterschiedlicher Medien zu nutzen und den Rezipienten dabei aktiv in die nächsten
Prozessschritte einzubinden.
Medienübergreifende Verfahrenselemente
Die konkreten Verknüpfungen von Methoden und Medien in medienübergreifenden
Strategien werden im Folgenden als medienübergreifende Verfahrenselemente bezeichnet. Grimm und Röhricht170 listen einige Beispiele solcher Verfahrenselemente
in Unternehmen auf:
-
E-Mail-Coupons können in den Filialen eingelöst werden.
-
Auch zu Produkten, die nur in den Filialen bereitstehen, können Informationen
im Internet abgerufen werden.
-
Rückgabe von Artikeln aus beliebigen Kanälen in beliebigen Kanälen;
-
Kunden können Produkte im Internet kaufen und in der Filiale abholen.
Dies sind nur einige Beispiele, die konkrete Prozesse medienübergreifender Strategien veranschaulichen.
Die zentrale Erkenntnis dieses Exkurses ist, dass Unternehmen ebenso wie Bürger167
Sie wirbt deshalb mit dem Slogan: One Brand – All Media.
Vgl. Borowski, Karin: One Brand – All Media, S. 235ff.
169
Vgl. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger: Warum Crossmedia besser wirkt, S. 11.
170
Vgl. Grimm, Sebastian; Röhricht, Jürgen: Die Multichannel Company, S. 173.
168
40
Teil 1: Theoretische Grundlagen
beteiligungsverfahren verschiedene Kommunikationsinhalte haben. In Unternehmen
sind das beispielsweise Information, Service und Transaktion, die ähnlich den Stufen
der Bürgerbeteiligung in Beziehung zueinander stehen, aber nicht zwangsläufig in
einer bestimmten Reihenfolge stattfinden müssen. Von welchen Medien die jeweiligen Kommunikationsinhalte transportiert werden, hängt dabei von den Zielgruppen
bzw. Kunden und dem Beteiligungsgegenstand bzw. Produkten ab. Eine Verknüpfung der Kanäle kann entweder zwischen unterschiedlichen Phasen der Kommunikation stattfinden oder innerhalb einer Phase. Dabei können unterschiedliche Ziele
verfolgt werden, deren Wirkungsdimensionen für Bürgerbeteiligungsverfahren in
Kapitel 5 weiter herausgearbeitet werden.
4.5 Zwischenfazit
Aus den vorangegangenen Überlegungen wird in dieser Arbeit medienübergreifende
Bürgerbeteiligung folgendermaßen definiert:
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung beschreibt Beteiligungsverfahren, die
über eine Auswahl von unterschiedlichen Methoden und Kommunikationsmedien durchgeführt werden. Diese werden vernetzt, um die Stärken der verschiedenen Informations- und Beteiligungskanäle zu nutzen.
Zur Veranschaulichung medienübergreifender Bürgerbeteiligung wird an dieser Stelle
ein idealisiertes Szenario entworfen.
Bürgerbeteiligung bei der Erarbeitung eines regionalen Leitbilds
In diesem stark vereinfachten Anwendungsbeispiel werden Bürger an der Erarbeitung eines regionalen Leitbilds beteiligt: Weil die Maßnahme von regionaler Bedeutung
ist,
stehen
die
Projektverantwortlichen
vor
der
Herausforderung,
Mitwirkungsangebote für eine weit verstreut lebende Öffentlichkeit zu gestalten. Um
mit vertretbarem Aufwand die Ideen und Bedenken möglichst vieler Menschen in das
Leitbild einfließen zu lassen, entscheiden sie sich für die Beteiligungsmethode 21st
Century Town Meeting. Diese soll in einigen Großstädten der Region in zentralen
Workshops und ergänzend im Internet durchgeführt werden für diejenigen, die keine
Zeit haben, den Termin in ihrer Nähe wahrzunehmen, oder denen die Anreise aus
dem Umland zu weit ist.
41
Kapitel 4: Medienübergreifende Bürgerbeteiligung
Abb. 6: Veranschaulichung der Medien- und Methodenwahl171
Diese idealtypische Darstellung veranschaulicht, wie durch die Anwendung einer
Methode über zwei Kommunikationsmedien unterschiedliche Zielgruppen beteiligt
werden können. Die Zusammenführung der Ergebnisse soll in diesem Fall eine einfache Form der Vernetzung darstellen.
171
Quelle: Eigene Darstellung.
42
Teil 1: Theoretische Grundlagen
5.
Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
Als Abschluss des Theorieteils werden in diesem Kapitel die Maßstäbe erarbeitet, an
denen positive Wirkungen medienübergreifender Kommunikation in der Bürgerbeteiligung gemessen werden können. Diese Qualitätskriterien stellen eine Auswahl dar,
die in Hinblick auf die erwarteten Wirkungsdimensionen von medienübergreifender
Bürgerbeteiligung getroffen wurde. Sie werden anschließend als Hypothesen ausformuliert und anhand der hier erarbeiteten Maßstäbe operationalisiert.
5.1 Zusammensetzung der Teilnehmer
Jedes Beteiligungsprojekt steht vor der Frage, die richtigen Teilnehmer zur Lösung
des Planungsproblems oder die Betroffenen von Maßnahmen zu integrieren. Wichtigstes Kriterium ist die Frage nach den zu beteiligenden Zielgruppen in Bezug zur
Zielstellung des Projekts. Dazu müssen die Adressaten der Beteiligungsangebote
genauer betrachtet werden, denn „die Bürgerinnen und Bürger oder die Betroffenen“172 gibt es nicht.
Ungleichheiten auffangen
Ungleich sind Bürger in unterschiedlicher Hinsicht. Es lassen sich zahlreiche Attribute, wie Alter, Geschlecht, Bildung, Wertvorstellungen und eine lange Liste weiterer
aufzählen, die bei der Konzeption von Beteiligungsprojekten zu berücksichtigen sind,
weil sie in unterschiedlicher Weise Einfluss auf die Zusammensetzung der Teilnehmer haben: Ein wesentlicher Faktor bei der Konzeption von Beteiligungsprozessen
ist die Motivation einzelner Zielgruppen zur Teilnahme. Stark wirken sich in diesem
Zusammenhang Betroffenheiten aus, beispielsweise wenn Eigentum von Planungen
erfasst wird.173 Traditionelle Werte können ebenso zu aktiver Beteiligung führen, wie
Neugierde oder der Reiz am Spielen, den offene Planungssituationen und
Workshops ausüben können.174 Die Relevanz der Thematik steht stark im Zusammenhang mit den vorangegangenen Motivationen. Wenn Teilgruppen der Öffentlichkeit keinen Zusammenhang zwischen dem Beteiligungsgegenstand und ihrer
persönlichen Lebenswelt sehen, werden sie die entsprechenden Mitwirkungsangebo-
172
Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 142.
Vgl. Holtkamp, Lars: E-Democracy in deutschen Kommunen, S. 55.
174
Vgl. Dienel, Peter: Wie können die Bürger an Planungsprozessen beteiligt werden? S. 153.
173
43
Kapitel 5: Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
te nicht annehmen, wahrscheinlich noch nicht einmal wahrnehmen. Dies zeigt sich
auch in Bezug auf die Lebenslage der potenziellen Teilnehmer. Gerade benachteiligte Bevölkerungsgruppen, wie allein erziehende Mütter oder Arbeitslose, haben weniger Zeit oder andere Sorgen, als sich an der Erörterung von Fragestellungen zu
beteiligen, von denen sie nicht unmittelbar betroffen sind.175 In diesem Zusammenhang muss auch das verfügbare Zeitbudget der Zielgruppen Beachtung finden. Bürgerbeteiligungsangebote gehen von der verfügbaren Freizeit der zu Beteiligenden
ab, was einerseits eine Konkurrenzsituation mit anderen Angeboten darstellt und
andererseits als spärliche Ressource angesehen werden sollte, im Sinne einer zeiteffizienten Prozessgestaltung.176 Negative als auch positive Erfahrungen der Zielgruppen mit Bürgerbeteiligung wirken sich auf ihre Bereitschaft zur erneuten Teilnahme
aus. Sind die Hoffnungen und Erwartungen potenzieller Teilnehmer schon einmal
enttäuscht worden, wird ihnen ihre Zeit zu schade sein, um sich erneut auf ein entsprechendes Angebot einzulassen.177 Wenn sie dennoch teilnehmen, kann Misstrauen im Prozess zur Verhärtung von Problemlagen führen. Ungleichheit besteht auch
im Hinblick auf die Artikulationsmöglichkeiten. Bildung und vor allem beruflicher Hintergrund spielen diesbezüglich eine große Rolle. Einwirkungsmöglichkeiten werden
von Bevölkerungsgruppen stärker wahrgenommen, deren Kenntnisse oder Routine
größer ist, mit entsprechenden Mitteln umzugehen. Dies gilt auch für die technischen
Fertigkeiten im Umgang mit den Neuen Medien.
Aus dieser Zusammenschau wird deutlich, dass standardisierte Informations- und
Beteiligungsverfahren weder eine repräsentative Momentaufnahme der öffentlichen
Meinung darstellen, noch alle Interessen und Betroffenheiten zu Tage fördern. Es ist
zu erwarten, dass bei Beteiligungsangeboten mit offener Ansprache über herkömmliche Wege die Struktur der Teilnehmer sehr stark sozial selektiv ist. „Es beteiligen
sich vornehmlich organisierte Interessen und sozialaktive Minderheiten. Dabei dominieren Hochausgebildete, Angehörige höherer beruflicher Positionen, Männer in
mittleren Jahrgängen, der öffentliche Dienst. Schwach vertreten sind hingegen ausländische Mitbürger/innen, Jugendliche, Frauen, ältere Arbeitnehmer, Behinderte
sowie untere Einkommensschichten“.178 Das heißt, pauschalen Angeboten, wie sie in
175
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 145.
Vgl. ebd., S. 18.
177
Vgl. ebd., S. 18.
178
Vgl. Reinert, Adrian: Bedingungen von erfolgreicher Bürger(innen)beteiligung.
176
44
Teil 1: Theoretische Grundlagen
der formellen Bürgerbeteiligung gängige Praxis sind, liegen ganz eigene Selektivitäten zu Grunde – ein einfaches, an alle gerichtetes Verfahren gibt es nicht.
Selektivitäten entgegenwirken
Es gibt zwei verschieden Möglichkeiten diesem Problem zu begegnen: Repräsentative Verfahren anzuwenden oder differenzierte Kommunikationsangebote zu schaffen.
Sollen Ergebnisse jenseits der „üblichen Beteiligten“ erarbeitet werden, bieten sich
Verfahren an, die eine Zufallsauswahl bilden oder interessenorientiert arbeiten. Die
Planungszelle von Peter Dienel ist eine Methode aus den 70er Jahren, in denen
Bürger, die per Losverfahren ausgewählt werden, unter Anleitung von Experten ein
Bürgergutachten erstellen.179 Ein weiteres Beispiel ist das Stellvertreter-Modell von
Sellnow. Hier werden vorhandene Interessenlagen identifiziert, beispielsweise die
Anliegen unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer, deren Positionen dann von Stellvertretern im Lösungsfindungsprozess übernommen werden.180 Beide Verfahren finden
mit einer begrenzten Anzahl zufallsausgewählter Teilnehmer statt und basieren auf
speziellen Verhaltensspielregeln, die auf die entsprechenden Verfahren zugeschnitten sind.
Je nach Beteiligungsziel, kann es kontraproduktiv sein, eine begrenzte Anzahl von
Beteiligten nach repräsentativen Gesichtspunkten auszuwählen. Netzwerkbildung,
das Auflösen von verhärteten Situationen oder die Steigerung der Aufmerksamkeit
gegenüber Verhaltensweisen sind beispielsweise Ziele, die eine große, breit gestreute Teilnehmerstruktur voraussetzen. In längerfristig angelegten Beteiligungsverfahren
kann dies nur über eine Gesamtstrategie realisiert werden, die entsprechende zielgruppenorientierte Kommunikationselemente bereitstellt, wie beispielsweise begleitende Workshops oder Versammlungen.181 Wichtigstes Ziel ist dabei möglichst viele
Zielgruppen zu erreichen, unter besonderer Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen
Motivationen.
Zu erwähnen bleibt noch das Phänomen der „aktivierungsresistenten Betroffenen“182,
zumeist sozial benachteiligter Menschen, die sich nicht für ihr Umfeld engagieren
wollen oder können und damit auch unter noch so großem Aufwand nicht für Mitwir179
Vgl. Dienel, Peter: Wie können die Bürger an Planungsprozessen beteiligt werden? S. 155.
Vgl. Apel, Heino u.a.: Wege zur Zukunftsfähigkeit, S. 38ff.
181
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum?, S. 150.
182
Vgl. Hinte, Wolfgang: Bewohner ermutigen, aktivieren, organisieren.
180
45
Kapitel 5: Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
kungsangebote gewonnen werden können.
Multiplikatoren einbeziehen
Multiplikatoren sind Akteure auf lokaler Ebene, die eine besondere Position in der
Öffentlichkeit einnehmen. Dies bezieht sich vor allem auf den Einfluss, den sie auf
ihre sozialen Netzwerke haben. Durch ihre besondere Fähigkeit Informationen oder
Meinungen weiterzugeben, haben sie eine hervorgehobene Bedeutung für die
Verbreitung von Wertvorstellungen, Meinungen oder Kenntnissen in bestimmten
Teilöffentlichkeiten.183 Im erweiterten Sinne zählt deshalb auch die Presse zu den
Multiplikatoren.184 Bei der Kommunikation mit schwer zu erreichenden Zielgruppen
können Multiplikatoren eine zentrale Rolle einnehmen. Dabei ist zwischen formellen
und informellen Vertretern bestimmter Gruppen zu unterscheiden: Formelle Vertreter,
wie beispielsweise Vereinsvorstände, sind zwar wichtige Partner, jedoch verfügen
informelle Netzwerke oftmals über wirkungsvollere Strukturen. Besondere Bedeutung
muss deshalb der Identifikation und gezielten Ansprache von Schlüsselpersonen als
Erfolgskriterium für die Zielgruppenansprache zugeschrieben werden. Denn bestehende Organisationen sind oft bereits gut im Prozess verankert, während über die
Einbindung von Multiplikatoren aus anderen Netzwerken der Kreis üblicher Beteiligter
durchmischt werden kann.185
5.2 Begleitende Öffentlichkeitsarbeit
Oeckl definiert Öffentlichkeitsarbeit als „Arbeit in der Öffentlichkeit, Arbeit für die
Öffentlichkeit, Arbeit mit der Öffentlichkeit“186. Somit ist Öffentlichkeitsarbeit als Teil
der Kommunikationsstruktur ein elementarer Erfolgsfaktor von Bürgerbeteiligung187:
Identifizierte Zielgruppen nehmen Beteiligungsangebote nicht wahr, wenn sie sich
nicht angesprochen fühlen. Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur wichtig für die Mobilisierung der Teilnehmer, sondern hat weitere Aufgaben im Bereich der Information und
im Hinblick auf die Verfahrensgestaltung. Gute Öffentlichkeitsarbeit sorgt dafür, dass
Politik und Öffentlichkeit das Verfahren aufmerksam verfolgen können, Teilnehmer
sich langfristig beteiligen und die Ergebnisse nach Abschluss publik gemacht wer-
183
Vgl. Der Brockhaus: Multiplikatoren.
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
185
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum? S. 152f.
186
Oeckl, Albert: Handbuch der Public Relations, S. 43.
187
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
184
46
Teil 1: Theoretische Grundlagen
den.188 Öffentlichkeitsarbeit, die Arbeit mit der Presse, mit Multiplikatoren als auch
mit der Öffentlichkeit umfasst, ist kostengünstig. Andere Teile des Kommunikationsmixes sind kostenintensiver, wie die klassische Werbung, und werden deshalb seltener genutzt. Sie werden lediglich zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit
eingesetzt189, so zum Beispiel kleine Plakat- und Flyeraktionen für Bürgerversammlungen vor Ort.190 Ein weiterer wichtiger Teil der Zielgruppenansprache ist die Pressearbeit. Bereits bei der Verfahrensgestaltung muss darauf geachtet werden,
bestimmte medienwirksame Elemente, wie beispielsweise Ortsbegehungen, oder
Auftakt- und Schlussveranstaltungen mit Politikern in den Ablauf einzuplanen. Denn
Massenmedien berichten nur bei entsprechendem Neuigkeitswert und Bildhaftigkeit.191 Die auf diese Weise erzeugte Medienresonanz kann der Bürgermeinung eine
stärkere Position im politischen Entscheidungsprozess zukommen lassen.
5.3 Erarbeitung von Ergebnissen
Die Qualität der Ergebnisse von Beteiligungsverfahren hängt maßgeblich vom Arbeitsprozess ab, in dem sie entstanden sind.
Verfahrensziele festlegen
Die Vorstellung der Potenziale in Kapitel 2.2.3 verdeutlichte, welche Ziele auf einer
übergeordneten Ebene von Bürgerbeteiligung verfolgt werden können. Im Verfahren
selbst bleibt zu klären, mit welchem konkreten Ziel die Öffentlichkeit beteiligt werden
soll. Die internen Ziele von Beteiligungsverfahren lassen sich nach Märker192 wie
folgt zusammenfassen:
-
informieren: Teilnehmer sollen über Planungen informiert werden.
-
formieren: Teilnehmer erzeugen Ideen und Lösungsvorschläge
-
bewerten: Teilnehmer bewerten die erzeugten Lösungsvorschläge
-
entscheiden: Teilnehmer entscheiden über Annahme oder Ablehnung von Lösungsvorschlägen
Die Ziele können einzeln oder kombiniert verfolgt werden. Es ist zu betonen, dass
eine klare Zielstellung als Grundlage der Konzeption von Kommunikationsprozessen
188
Vgl. Langer, K.; Oppermann, B.: Verfahren und Methoden der Bürgerbeteiligung, S. 23.
Deswegen wird der Bereich Werbung in dieser Arbeit nicht wie in der Kommunikationswissenschaft üblich von
der Öffentlichkeitsarbeit getrennt betrachtet, sondern dieser angegliedert.
190
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
191
Vgl. Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 46.
192
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 208.
189
47
Kapitel 5: Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
in Beteiligungsverfahren notwendig ist.
Konsens erarbeiten
Das Modell der deliberativen Demokratie stellt die argumentative Diskussion in den
Mittelpunkt eines demokratischen Entscheidungsprozesses. Entscheidungen sollen
Diskurse vorgelagert werden, die eine Vielfalt von Interessen, Argumenten und Perspektiven einbeziehen.193 Das Äußern und Austauschen von Argumenten im Sinne
eines rationalen Diskurses wird dabei als Deliberation bezeichnet – mit dem Ziel
einen kollektiven Willen zu erzeugen.194Im Vergleich zu einem traditionellen Beteiligungsverständnis unterscheiden sich deliberative Verfahren in ihrem Umgang mit
Wissen: Während in konsultativen Verfahren, wie Meinungsumfragen, Wissen unreflektiert abgefragt bzw. ausgetauscht wird, findet im Diskurs eine Wissensverarbeitung statt. Die Teilnehmer diskutieren unterschiedliche Standpunkte sowie mögliche
Kompromisse und erstellen abschließend Handlungsempfehlungen.195 Die Wahldemokratie wird dabei nicht abgelöst: Entscheidungen werden weiterhin im Sinne des
repräsentativen Demokratiemodells über Mehrheiten getroffen, jedoch wird die Entscheidungsvorbereitung beratschlagend durchgeführt.
196
Wenn sichergestellt ist,
dass die Ergebnisse in die Entscheidung einfließen, erhöht sich nicht nur deren Legitimation sondern auch die Zufriedenheit der Öffentlichkeit mit dem Prozess.
Geeignete Diskussionsformen finden
Um die Redezeit fair zu verteilen, ist ein Meinungsaustausch innerhalb einer Face-toface-Diskussion grundsätzlich nur mit einem Publikum von weniger als 30 Teilnehmern möglich. Wie in Kapitel 4.3 vorgestellt, wurden Beteiligungsmethoden entwickelt, die durch Teilgruppenbildung Diskussionen in Veranstaltungen mit mehr als
100 Teilnehmern ermöglichen.197 Je nach Art der Vorgehensweise können dabei
homogene Kleingruppen gebildet werden, um zielgruppenspezifische Positionen zu
erarbeiten. Oder es werden heterogene Kleingruppen gebildet, um verschiedene
Blickwinkel in der Diskussion zusammenzubringen. 198 An Diskursen im Internet können mehrere hundert Teilnehmer ohne Kleingruppenbildung teilnehmen.
193
44.
Vgl. Leggewie, Claus: Die Politik als ein Handlungs- und Wirkungsrahmen internetgestützter ITA-Diskurse, S.
194
Vgl. Hurrelmann, Achim u.a.: Wie ist argumentative Entscheidungsfindung möglich? S. 545ff.
Vgl. Jones, Bryan: Reconceiving Decision-Making in Democratic Politics S. 21.
196
Vgl. Leggewie, Claus: Die Politik als ein Handlungs- und Wirkungsrahmen internetgestützter ITA-Diskurse, S.
44.
197
Vgl. Langer, K.; Oppermann, B.: Verfahren und Methoden der Bürgerbeteiligung, S. 19.
198
Vgl. ebd., S. 19.
195
48
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Unterstützende Moderation
Für eine zielgerichtete Diskussion ist sowohl auf Präsenzveranstaltungen als auch
online eine unterstützende Moderation des Diskurses notwendig.199 Auf der Mesoebene sollten von der Moderation der roten Faden der Beteiligung festgelegt werden:
Alle Einzelschritte von der Anfangsinformation, über Präsenz- und Online-Phasen bis
zur Auswertung müssen organisiert und abgestimmt werden. Darunter sind auf der
Mikroebene die Moderationsmethoden angesiedelt.200 Dazu gehören einleitende und
abschließende Statements, provokante Nachfragen, das Ordnen der Diskussionsstränge, das Zusammenfassen von Ergebnissen oder Visualisierungen.201
Teilergebnisse integrieren
Je nachdem, wie in Kleingruppen oder in unterschiedlichen Phasen gearbeitet wurde,
müssen die Zwischenergebnisse in entsprechenden Integrationsschritten zu einem
gemeinsamen Ergebnis zusammengeführt werden.202 Das kann eine Zusammenführung durch neutrale Moderatoren sein, das heißt, die Ergebnisse werden so ausgewogen wie möglich zusammengefasst und dabei Schwerpunkte und Positionen
herausgearbeitet. Das wird umso schwieriger, je ausführlicher die Diskussion ist.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Ergebnisse vorzusortieren und eine Gewichtung durch die Teilnehmer vornehmen zu lassen, beispielsweise über ein Votum
oder eine abschließende Umfrage. Schließlich können mehrere Phasen als Schleifen
dienen, in denen die Kleingruppen oder deren ausgewählte Vertreter die Entwurfsversionen überarbeiten, bis sich auf eine endgültige Fassung geeinigt werden kann.
Diese Schritte sind notwendig, um die Akzeptanz und Qualität des Ergebnisses sicherzustellen.203
5.4 Einbettung in den politischen Prozess
Der Umgang mit den Ergebnissen muss bereits vor dem Start des Beteiligungsverfahrens geklärt sein.
Zeitpunkt der Beteiligung abstimmen
Ein Blick auf den Politikzyklus hilft, geeignete Zeiträume für Beteiligungsangebote im
199
Vgl. Local e-Democracy National Project: What works, S. 22.
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 225f.
201
Vgl. Bundesministerium des Innern: Online-Foren in der Bundesverwaltung, S. 15.
202
Vgl. Langer, K.; Oppermann, B.: Verfahren und Methoden der Bürgerbeteiligung, S. 22.
203
Vgl. ebd., S. 23.
200
49
Kapitel 5: Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
Entscheidungsprozess besser identifizieren zu können: Die Akzeptanz des Beteiligungsangebots auf Seiten der Bürger hängt stark mit ihren Einflussmöglichkeiten auf
die politische Entscheidung ab. Diese verringern sich stark mit dem Fortschreiten des
Prozesses.
Abb. 7: Politikzyklus204
Die Offenheit bzw. der Spielraum für die Mitwirkung nimmt erwartungsgemäß von der
ersten Problemwahrnehmung bis zur Implementierung ab. Das heißt, im Sinne der
Öffentlichkeit bietet sich eine frühe Beteiligung an.205 Andererseits entsteht ein breites Interesse am Verfahren in der Bevölkerung erst, wenn Entscheidungen konkret
werden, weil dann Probleme und Betroffenheiten erst wahrnehmbar werden.206 Daraus ergibt sich ein Zielkonflikt für die Planung von Beteiligungsangeboten: Es muss
gelingen, den Kommunikationsprozess so zu gestalten, dass Interesse an einem
Thema frühzeitig geweckt wird, bevor sich die Entscheidung verfestigt hat, oder es
droht die Gefahr, bei einem zu späten Beteiligungszeitraum auf verhärtete Fronten zu
treffen oder maßgebliche Einwände nicht beachtet zu haben. Dies lässt jedoch nicht
den Rückschluss zu, dass es einen richtigen Zeitpunkt für Bürgerbeteiligung gibt.
Verschiedene Beteiligungsmethoden gehen auf die unterschiedlichen Entscheidungsspielräume ein207. Gerade bei hoher Betroffenheit und starkem Widerstand
gegen die sich abzeichnenden Entscheidungen können Mitwirkungsangebote auch in
späteren Phasen des Politikzyklus sinnvoll und notwendig sein.
Ergebnisse im politischen Prozess verankern
Wichtig ist, bereits vor Beginn des Prozesses eine Entscheidung von Seiten der
204
Quelle: Eigene Darstellung nach Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadtund Regionalplanung, S. 99.
205
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 99.
206
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum? S. 182.
207
Vgl. Kubicek, Herbert; u.a.: eDemocracy, S. 4ff.
50
Teil 1: Theoretische Grundlagen
Politik zu haben, wie mit den Ergebnissen verfahren wird, das heißt, wie diese im
Entscheidungsfindungsprozess berücksichtigt werden sollen. 208 Leere Versprechungen führen zu Enttäuschung bei den Teilnehmern, die ihre Arbeit nicht gewürdigt
sehen.209 Trotz der dominanten Entscheidungsstrukturen in der Politik haben sich
drei Wege als Erfolg versprechend erwiesen: Erstens die Kenntnisnahme durch den
Gemeinderat als Minimalversion, bei der die Argumente in die Abwägung einfließen,
zweitens die differenzierte Antwort des Gemeinderats, mit einer Selbstverpflichtung
zur anschließenden Rechtfertigung, warum bestimmte Vorschläge nicht umgesetzt
wurden, und drittens der Beschluss des erarbeiteten Konzepts, als stärkste Form
politischer Anerkennung, deren Anwendung eher im Bereich kooperativer Verfahren
liegt als im Bereich der in dieser Arbeit untersuchten Beteiligungsverfahren.210
208
Vgl. Langer, K.; Oppermann, B.: Verfahren und Methoden der Bürgerbeteiligung, S. 24.
Vgl. Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum? S. 46.
210
Vgl. Langer, K.; Oppermann, B.: Verfahren und Methoden der Bürgerbeteiligung, S. 24
209
51
Kapitel 5: Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren
52
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
TEIL II: EVALUATION DER FALLSTUDIEN
6.
Ableitung der Hypothesen
Im theoretischen Teil der Arbeit wurden ein einfaches Modell medienübergreifender
Bürgerbeteiligung entworfen (vgl. Kapitel 4) und die Rahmenbedingungen (vgl. Kapitel 3) und Qualitätskriterien von Beteiligungsverfahren (vgl. Kapitel 5) dargestellt.
Diese Erkenntnisse werden an dieser Stelle genutzt, um die zentrale Fragestellung
der Arbeit zu operationalisieren: „Haben Verknüpfungen von unterschiedlichen Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien positive Auswirkungen auf Beteiligungsverfahren?“ Die zu erwartenden Wirkungsdimensionen werden hier als
Hypothesen formuliert. Die Bedingungen zur Überprüfung dieser Hypothesen werden
anhand aus dem Theorieteil abgeleiteter Kriterien anschließend in den Fallstudien
überprüft:
1. Hypothese – Zielgruppen
Wie in der Vorstellung der unterschiedlichen Kommunikationsmedien in Kapitel 4.2
deutlich geworden ist, unterscheidet sich deren Nutzung und Verbreitung innerhalb
unterschiedlicher Zielgruppen. Es ist deshalb zu erwarten, dass durch medienübergreifende Bürgerbeteiligung unterschiedliche Zielgruppen angesprochen und beteiligt
werden können. Daraus kann folgende Hypothese abgeleitet werden: Durch medienübergreifende Verfahrenselemente werden die gewünschten Zielgruppen in den
Beteiligungsprozess integriert. Um diese Hypothese zu begründen, müssen drei
Bedingungen erfüllt sein: Erstens muss das Projekt Maßnahmen für eine breite Zielgruppensprache aufweisen, wenn alle notwendigen Bevölkerungsgruppen mobilisiert
werden sollen (Vgl. Kapitel 4). Zweitens sollte die Konzeption zielgruppenspezifische
Beteiligungskanäle aufweisen, die den Gewohnheiten und Bedürfnissen der potenziellen Teilnehmer entsprechen (Vgl. Kapitel 4). Und drittens sollte sich an der Zusammensetzung der Teilnehmer zeigen, dass sich alle identifizierten Zielgruppen
beteiligt haben. (Vgl. Kapitel 5.1)
2. Hypothese – Teilnehmerbindung
Nach der Mobilisierung der Teilnehmer stellt sich in mehrphasigen Projekten die
53
Kapitel 6: Ableitung der Hypothesen
Herausforderung, diese möglichst langfristig einzubinden. Der Exkurs in Kapitel 4.4
legt nahe, dass durch medienübergreifende Verfahrenselemente die Teilnehmerbindung im Beteiligungsverfahren erhöht werden kann. Daraus lässt sich folgende
Hypothese formulieren, die anhand der Fallstudien überprüft werden soll: Medienübergreifende Verfahrenselemente stärken die Teilnehmerbindung. Um diese Hypothese zu begründen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Konzeption des
Projekts muss Maßnahmen zur Teilnehmerbindung aufweisen, die Teilnehmer dauerhafter in den Prozess integrieren. Und es sollte wiederkehrende Teilnehmer in
aufeinander folgenden Phasen geben.
3. Hypothese – Ergebnisqualität
Werden alle für die Fragestellung des Projekts notwendigen Zielgruppen langfristig
eingebunden, lässt sich nach dem Verständnis der deliberativen Demokratie (Vgl.
Kapitel 5.3) erwarten, dass die Qualität der Ergebnisse zunimmt, weil sie aus einem
breiteren Spektrum von Ideen und Meinungen entstanden sind und somit die Resultate von einer breiteren Gruppe getragen werden. Daraus lässt sich folgende Hypothese formulieren: Durch medienübergreifende Verfahrenselemente verbessert sich
die Qualität der Ergebnisse. Soll sich diese Hypothese als gültig erweisen, müssen
folgende drei Bedingungen erfüllt sein: Wie sich bei der Betrachtung der unterschiedlichen Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien in Kapitel 4 gezeigt hat,
weisen diese unterschiedliche Stärken für die Erarbeitung von Ergebnissen auf der
Stufe der Partizipation auf. Demnach muss erstens eine geeignete Methoden- und
Medienwahl in Bezug auf die Beteiligungsziele getroffen worden sein. Zweitens wurde in Kapitel 5.3 die Notwendigkeit der Zusammenführung von Teilergebnissen bei
Verfahren, die über mehrere Phasen oder unterschiedliche Beteiligungskanäle
durchgeführt werden, deutlich. Es muss folglich ein integriertes Endergebnis vorliegen. Drittens müssen die Ergebnisse so erarbeitet werden, dass eine Verankerung
im politischen Entscheidungsprozess gewährleistet werden kann (Vgl. Kapitel 5.4).
54
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Zielgruppen
Maßnahmen
für
eine
breite
Zielgruppensprache
zielgruppenspezifische
Beteili-
Teilnehmerbindung
Ergebnisqualität
Maßnahmen zur Teilnehmer-
geeignete Methoden- und
bindung
Medienwahl
wiederkehrende Teilnehmer
integriertes Endergebnis
gungskanäle
Zusammensetzung der Teil-
Verankerung
im
politischen
nehmer
Entscheidungsprozess
Übersicht 2: Hypothesen und Bedingungen
Anhand dieser Hypothesen wird im nächsten Kapitel die Evaluation der Fallbeispiele
durchgeführt.
55
Kapitel 6: Ableitung der Hypothesen
56
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
7.
Fallstudien
7.1 Bürgerhaushalt Lichtenberg
Der Bürgerhaushalt Lichtenberg folgt dem Ideal der Bürgerkommune – Bürger werden in die Gestaltung der Politik einbezogen, in der Hoffnung, dass sie sich im Gegenzug an der Umsetzung beteiligen und Engagement für das Gemeinwesen zeigen.
Die Beteiligung an der Gestaltung der Haushaltspolitik ist ein tiefgehendes Mitwirkungsangebot, denn die öffentlichen Finanzen legen fest, welche gesellschaftlichen
Vorstellungen umgesetzt werden.
Grundstein für das Projekt Bürgerhaushalt Lichtenberg war die Koalitionsvereinbarung von PDS und SPD zur Verwaltungsmodernisierung in Berlin. Diese Neuordnungsagenda wurde vom Senat im April 2003 verabschiedet. Vor diesem
Hintergrund beschloss das Bezirksamt von Lichtenberg im Juni 2003 die Einwohner
an der Aufstellung des Haushalts zu beteiligen. Durch Beschluss des Rats der Bürgermeister im September 2003 wurde das Projekt in die Neuordnungsagenda aufgenommen und erhielt somit eine erweiterte Finanzierung und externe Begleitung.211
Nach anfänglichen Terminschwierigkeiten sollte der erste Bürgerhaushalt zum Haushaltsjahr 2007 umgesetzt werden. Weil das Projekt Pilotcharakter hatte und vor allem
auf die Größe bezogen keine vergleichbaren Vorbilder existieren212, werden in den
Jahren 2004 und 2005 mehrere Workshops durchgeführt, auf denen das Verfahren
erarbeitet, die Verwaltung vorbereitet und der Haushalt lesbar gestaltet wird.213 Um
die Komplexität des Bezirkshaushalts für die Bürger verständlich zu gestalten, wurden Leitlinien für einen lesbaren Haushaltsplan erarbeitet.214 Als Grundlage dafür
hatte der Bezirk vorher die Haushaltsführung vom kameralistischen System auf den
Produkthaushalt umgestellt. Produkthaushalte bilden zusätzlich zum Ressourceneinsatz einer Verwaltung die Ergebnisse ihrer Arbeit ab. 215 Durch das Zusammenfassen
einzelner Verwaltungsleistungen zu Produkten wurde der Bürgerhaushalt transparenter und für die Bürger verständlicher.
Nachdem in Zusammenarbeit von Lenkungs- und Projektteam die Rahmenkonzepti-
211
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 4f.
Vgl. Herzberg, Carsten: Bürgerhaushalt in Großstädten, S. 8.
213
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 6.
214
Vgl. Herzberg, Carsten: Bürgerhaushalt in Großstädten, S. 7.
215
Vgl. EPOS.NRW Nordrhein-Westfalen: Informationsband Produkthaushalt, S. 5.
212
57
Kapitel 7: Fallstudien
on „Beteiligungsverfahren für den Bürgerhaushalt Berlin-Lichtenberg“ abgestimmt
war, wurde dieses im Mai 2005 von der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen.216
7.1.1 Ziele des Projekts
Hauptziel des Bürgerhaushalts war die gemeinsame Gestaltung von Politik in Zusammenarbeit mit den Bürgern innerhalb eines neuen Politikverständnis: Vor dem
Hintergrund knapper Kassen sollte durch das Verfahren erstens ein besseres Verständnis der Bürger für die Probleme der Haushaltspolitik geschaffen werden. Und
zweitens sollte das Wissen der Bürger über die dringlichsten Probleme im Bezirk
genutzt werden, um mit den knappen Ressourcen sinnvoll Schwerpunkte zu setzen.
Auch „unbürokratische Lösungen und neue Denkanstöße“217 waren gewünscht, da
diese in der Verwaltungsroutine oftmals untergehen. 218
Zielgruppen
Das Projekt sollte getragen werden von einer möglichst breiten und repräsentativen
Zusammensetzung der Teilnehmer. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass Ansichten und Ideen aus allen Teilen der Bevölkerung in das Verfahren eingebracht
werden.
Einbettung
Da die Verwendung der Haushaltseinnahmen zum großen Bereich durch Gesetze
geregelt ist, sind die Gestaltungsspielräume der Bürger auf die Bereiche beschränkt,
die nicht zu den öffentlichen Pflichtaufgaben gehören. Zu diesen so genannten steuerbaren Aufgaben gehören in Lichtenberg beispielsweise die Finanzierung von Einrichtungen, Förderprogrammen und Instandhaltungsmaßnahmen. In diesem Bereich
konnten die Teilnehmer über Priorität, Umfang und Qualität der Maßnahmen beraten
und mitwirken. Das System der repräsentativen Demokratie in Deutschland lässt eine
direkte Abstimmung über den Bürgerhaushalt im Sinne eines direktdemokratischen
Votums nicht zu. Deshalb sollte der Bürgerhaushalt in letzter Instanz in der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen werden. Noch vor Beginn des Verfahrens
verpflichteten sich jedoch die Verordneten, die Vorschläge des Bürgerhaushalts in
den Beratungen zum Haushaltsplan zu berücksichtigen. Auf der Auftaktveranstaltung
216
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 4ff.
Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
218
Vgl. ebd.
217
58
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
unterschrieben sie eine Erklärung, den Bürgerhaushalt frei von parteipolitischen
Auseinandersetzungen zu halten und alle Ideen umzusetzen, die sich mit dem Haushaltsrecht decken und politisch vertretbar sind. Vor den Bürgern sollten sie nach
Abschluss der Haushaltsberatungen über alle nicht beachteten Vorschläge Rechenschaft mit jeweiliger Begründung ablegen.219
7.1.2 Prozessbeschreibung
Das Verfahren zum Bürgerhaushalt bestand aus vier Phasen, die jeweils durch Meilensteine, wie Veranstaltungen oder Zusammenführung der Ergebnisse, getrennt
waren.
Abb. 8: Verfahren Bürgerhaushalt Lichtenberg220
Die erste Phase der Information und Mobilisierung startete im Juli 2005 mit einer
vorbereitenden Fragebogenaktion. 10000 Fragebögen wurden an Bürger Lichtenbergs geschickt, die per Zufallsprinzip ausgewählt worden waren. In der Befragung
wurde als Vorbereitung für die weiteren Angebote die grundsätzliche Zufriedenheit
der Einwohner Lichtenbergs mit ihrem Bezirk abgefragt sowie ihr Interesse, am Projekt teilzunehmen. Daraus ließen sich erste Rückschlüsse auf Schwerpunkte der
Diskussion und die zu erwartende Teilnahme ableiten. Das Versenden der Fragebögen verknüpfte zu diesem frühen Zeitpunkt die Umfrage mit Information über das
Projekt. Weiter wiesen Presseerklärungen auf das Pilotprojekt hin, ein Brief der Bürgermeisterin wurde als Einladung an 25000 Haushalte versandt, Informationsbroschüren erklärten das komplexe Verfahren, Flyer und Plakate wurden in den
219
220
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
Quelle: Eigene Darstellung.
59
Kapitel 7: Fallstudien
Stadtteilen ausgelegt und Miniposter wurden in den Hausaufgängen der Großwohnsiedlungen aufgehängt.221 Alle Materialien wiesen sowohl auf die Auftaktveranstaltung hin, als auch auf die zentrale Internetadresse. Um den Zusammenhang der
unterschiedlichen Angebote zu verdeutlichen wurde eine Wort-/Bildmarke entwickelt.
Ein Logo mit griffigem Slogan („wir rechnen mit Ihnen“) sollte den Wiedererkennungswert des Projekts steigern und seine Vorteile hervorheben.222 Die umfangreiche Dokumentation auf der Internetseite war erreichbar über dieselbe Plattform, auf
der im Folgenden der Online-Dialog stattfand. Auch die explizite und persönliche
Einladung der Zielgruppen, beispielsweise über Multiplikatoren, gehörte zur Öffentlichkeitsarbeit dazu. Dafür wurden neun Mini-Veranstaltungen durchgeführt, bei denen in Zusammenarbeit mit Vereinen schwer zu erreichenden Zielgruppen der
Bürgerhaushalt erklärt und für ihre Mitarbeit geworben wurde.223
Die zweite Phase begann mit einer groß angelegten Auftaktveranstaltung. Hier wurde
das gesamte Verfahren erläutert und die Abgeordneten unterzeichneten öffentlich
eine Absichtserklärung über die Berücksichtigung der Ergebnisse im Haushaltsplan.
Des Weiteren präsentierten die zuständigen Verwaltungsabteilungen auf einem
„Markt der Möglichkeiten“ ihre Anteile am Haushaltsplan, ihre Produkte und beantworteten Fragen. Besucher konnten bereits ihre ersten Ideen schriftlich verfassen,
die in einer „Ideenbox“ gesammelt wurden.224
Die anschließende Beteiligungsphase gliederte sich in drei verschiedene Kanäle: den
Online-Dialog, fünf Bürgerversammlungen und den Postweg.
221
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
Vgl. ebd.
223
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 7.
224
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
222
60
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Abb. 9: Online-Dialog
225
Abb. 10: Open-Space-Veranstaltung
226
Direkt im Anschluss an die Auftaktveranstaltung wurde der Online-Dialog eröffnet.
Die Diskussion im Internet dauerte knapp zwei Monate und bestand aus drei Phasen.
In der Meinungsphase wurden zuerst die Probleme und Handlungsfelder herausgearbeitet. Zur Eröffnung des Online-Dialogs wurden dazu die Ergebnisse der ersten
Fragebogenaktion sowie erste Ideen aus der Auftaktveranstaltung als Startbeiträge
aufbereitet und eingestellt. Im Laufe der Diskussion kristallisierten sich Beiträge heraus, die als Vorschläge für den Bürgerhaushalt zusammengefasst werden konnten.
Diese wurden über ein spezielles Formular als Änderungsvorschläge eingereicht und
konnten ab diesem Zeitpunkt von anderen Teilnehmern im Stile eines Wiki-Artikels
umformuliert werden.
227
In der zweiten Online-Phase, der Informationsphase, wur-
den offene Fragen und die rechtliche Umsetzbarkeit durch Rückfragen an die Verwaltung geklärt. In der dritten Phase konnten die geprüften Vorschläge dann über einen
Haushaltsrechner priorisiert werden. Dafür war eine besondere Registrierung notwendig, um festzustellen, welche Teilnehmer als Bürger Lichtenbergs wirklich stimmberechtigt waren. 228 Der Haushaltsrechner war konzipiert als Umfragemodul, in dem
aus den verschiedenen Vorschlägen ausgewählt werden konnte. Ziel war es, die
Auswahl in Einklang mit dem Lichtenberger Budgets zu bringen. Aus der Gesamtheit
der erstellten Online-Haushaltspläne entstand so bis Ende November eine priorisierte
Liste der 20 meist gewählten Vorschläge.229 Prozessbegleitend wurden von der Mo-
225
Quelle: Zebralog.
Quelle: Zebralog.
227
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
228
Vgl. ebd.
229
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
226
61
Kapitel 7: Fallstudien
deration in regelmäßigen Abständen Rundmails mit der Zusammenfassung des Diskussionsstands und wichtigen Terminen an die Teilnehmer geschickt. Dadurch sollte
dauerhaftes Engagement gefördert, auf die Präsenzveranstaltungen hingewiesen
und phasenübergreifend informiert werden, bis hin zur abschließenden Information
über den Gang der Ergebnisse in der Politik. 230 Während des Online-Dialogs wurde
eine Schüleraktion durchgeführt. Die Online-Moderatoren besuchten Schulen Lichtenbergs und führten den Schülern in den Computerräumen den Bürgerhaushalt
vor.231
Vorschläge wurden auch auf den fünf dezentralen Bürgerversammlungen als zweitem Baustein der Beteiligungsphase erarbeitet. Auf den Veranstaltungen Ende Oktober 2005 wurden noch einmal Informationen über das Verfahren präsentiert, bevor im
interaktiven Teil der Veranstaltung Vorschläge im Diskurs erarbeitet wurden. Als
Vorgehensweise wurde dabei auf die Methode Open Space zurückgegriffen. Um
Themengebiete zu sammeln, trafen sich die Teilnehmer erst im Plenum und teilten
sich dann den Themen entsprechend in Kleingruppen auf, um ihre Ideen zu konkretisieren. Am Ende jeder Veranstaltung kamen die Beteiligten wieder im Plenum zusammen, um per Abstimmung die wichtigsten 20 Vorschläge zu identifizieren.232
Außerdem wurden auf jeder Veranstaltung zwei Stellvertreter gewählt, die ein Redaktionsteam für die nächste Phase bildeten.233 Als dritter Weg, Vorschläge einzubringen, blieb noch die postalische Einsendung.
Abb. 11: Plenum Open-Space-Veranstaltung234
Es folgte die dritte Phase, in der die Vorschläge aufbereitet und gewichtet wurden.
230
Vgl. Hertzsch, Wenke: Interview am 06.09.2006.
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
232
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 89.
233
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 7.
234
Quelle: Zebralog.
231
62
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Bereits nach Abschluss der dezentralen Bürgerversammlungen machte sich das
Redaktionsteam unterstützt von Verwaltungsmitarbeitern Mitte November an die
Arbeit, die 100 Vorschläge aufzubereiten. Nach Abschluss des Online-Dialogs kamen
weitere 20 Vorschläge hinzu.235 Zuerst wurden Duplikate aussortiert und dann alle
Vorschläge nach den Kriterien Zuständigkeit des Bezirksamts, steuerbares Produkt
und technische Umsetzbarkeit geprüft. Dadurch halbierte sich die Zahl der Vorschläge. Die Vorschläge wurden einheitlich für die Entscheidung aufbereitet und in einer
Gesamtliste zusammengefasst.236
Abb. 12: Sitzung Redaktionsteam237
Die Endabstimmung fand wiederum über drei verschiedene Beteiligungskanäle statt.
Alle Teilnehmer des Online-Dialogs konnten an einer Umfrage im Internet teilnehmen. Die Gesamtliste wurde zudem an 5000 repräsentativ ausgewählte Lichtenberger versandt, von denen 763 ihre priorisierten Listen zurückschickten. Schließlich
konnte noch live auf der Abschlussveranstaltung an der Abstimmung teilgenommen
werden.238 Auf der zweiten zentralen Bürgerversammlung versammelten sich zum
Abschluss des aktiven Teils des Projekts am 21.Januar 2006 rund 300 Bürger. Nach
der Begrüßung durch die Bezirksbürgermeisterin hatten die Anwesenden die Gelegenheit, über die Gesamtliste abzustimmen. Die Wahlergebnisse aus dem Internet
und den Fragebögen wurden mitgeteilt. Die drei verschiedenen „Hitlisten“ wurden
anschließend an die Politik übergeben.239
In der abschließenden Ergebnisphase stehen die politische Entscheidungsfindung in
der Bezirksverordnetenversammlung, in die die Ergebnisse eingeflossen sind und die
235
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 7f.
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
237
Quelle: Zebralog.
238
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
239
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 8.
236
63
Kapitel 7: Fallstudien
darauf folgende Rückmeldung der Politik an die Bürger. Das Bezirksamt errechnete
im Frühjahr die genauen Kosten der Vorschläge, von denen die Bezirksverordnetenversammlung bis auf fünf Vorschläge alle in den Haushaltsplan übernahm. Am 21.
Juni schließlich waren die Bürger eingeladen, um mit den Politikern die Auswahl der
Vorschläge zu diskutieren.240
7.1.3 Überprüfung der Hypothesen
Hypothese 1 – Zielgruppen
„Durch medienübergreifende Verfahrenselemente werden die gewünschten Zielgruppen in den Beteiligungsprozess integriert.“
Bedingung 1 – Maßnahmen für eine breite Zielgruppensprache:
Die Zielgruppenansprache war breit gestreut angelegt. Dazu zählten die postalische
Einladung an 25000 Haushalte, das Erstellen der Informationsbroschüren, um den
komplexen Sachverhalt zu vermitteln und die Verteilung von Postern an Multiplikatoren. Zur Information über Veranstaltungen wurden gezielt Flyer und Miniposter in den
Hausaufgängen der Großwohnsiedlungen aufgehängt oder in Einkaufscentern verteilt.241 Alle Materialien wiesen sowohl auf die Veranstaltungen hin als auch auf die
zentrale Internetadresse. Um speziell Jugendliche einzubeziehen, wurden mehrere
Projekte in Zusammenarbeit mit dem Medienkompetenzzentrum in Lichtenberg
durchgeführt. Dazu zählte ein Filmprojekt über den Bürgerhaushalt, das als Inspiration während der Auftaktveranstaltung vorgeführt wurde und das Erstellen von Postkarten, die verteilt in soziokulturellen Zentren speziell Jugendliche ansprechen
sollten.242 Die Anfangsumfrage hatte eine doppelte Funktion. Neben der Umfrage
hatte das Anschreiben auch die Funktion der Werbung für das Projekt. Teil der Postsendung war die Broschüre über den Bürgerhaushalt sowie die Möglichkeiten der
Teilnahme, um weitere Teilnehmer anzusprechen. 243 Die Presse spielte als Multiplikator eine große Rolle bei der transparenten Darstellung des Prozesses und unterstützte die Mobilisierung neuer Teilnehmer. Die intensive Pressearbeit sorgte für ein
großes Presseecho mit mehreren Beiträgen auf dem Fernsehsender RBB sowie der
Berichterstattung über alle großen Veranstaltungen des Projekts in den Berliner Ta-
240
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 12,
242
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
243
Vgl. ebd.
241
64
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
geszeitungen.
244
Wichtig waren die Medienpartnerschaften mit den lokalen Zeitun-
gen, der Wohnungsbaugenossenschaften und Einkaufscenter, weil dazu beitrugen,
das Angebot stärker an die Bürger heranzutragen und Misstrauen abzubauen.245 Für
eine große Medienwirksamkeit sorgten die Unterstützung des Projekts durch die
Bürgermeisterin von Lichtenberg, die vielen medienwirksamen Veranstaltungen und
seine Eigenschaft als nationales Pilotprojekt.246 Die Einführung einer einheitlichen
Marke „Bürgerhaushalt Lichtenberg“ war wichtig, um den Zusammenhang der Einzelelemente zu verdeutlichten und dem Projekt einen hohen Wiedererkennungswert
zu verleihen.247
Über unterschiedliche Maßnahmen fand im Projekt Bürgerhaushalt Lichtenberg eine
breit angelegte Mobilisierung der Zielgruppen statt. Die erste Bedingung kann somit
als erfüllt gelten.
Bedingung 2 – zielgruppenspezifische Beteiligungskanäle:
Während der Beteiligungsphase konnten die Teilnehmer ihre Ideen über drei verschiedene Kanäle einbringen: im Internet, auf fünf Bürgerversammlungen und auf
dem Postweg. Die Teilnahme über die unterschiedlichen Kanäle war ausgeglichen,
was dafür spricht, dass die Auswahl der Beteiligungskanäle den unterschiedlichen
Präferenzen der Teilnehmer entsprach: Jeweils 300 Teilnehmer kamen zur Auftaktund Abschlussveranstaltung, insgesamt 600 zu den fünf dezentralen Bürgerversammlungen. Im Online-Dialog waren rund 500 Nutzer aktiv.248 Von den OnlineTeilnehmern waren rund ein Drittel jünger als 24 Jahre alt und rund die Hälfte hatte
mindestens einen Hochschulabschluss.249 Dies verdeutlicht, dass die Beteiligung
über das Internet andere Zielgruppen ansprach als die Präsenzveranstaltungen.250
Auch der Postweg wurde von einigen Teilnehmern wahrgenommen. Um dem Vorwurf zu entgehen, über die drei großen Kanäle nur Beteiligungseliten zu erreichen,
wurden ergänzende Veranstaltungen konzipiert. Dazu zählten Mini-Veranstaltungen,
über die spezielle Zielgruppen eingebunden wurden, die auf anderem Wege nicht
erreicht werden konnten.251 Auch die ergänzende Maßnahme. den Online-Dialog zu
244
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 12.
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
246
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg.
247
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
248
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
249
Vgl. Zebralog: Statistische Auswertung des Online-Dialogs.
250
Ausführlichere Aussagen können an dieser Stelle leider nicht getroffen werden, weil der ursprünglich für Juli
2006 angekündigte Evaluationsbericht bis zum Abschluss dieser Arbeit nicht vorlag.
251
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 7.
245
65
Kapitel 7: Fallstudien
einem Teil des Schulunterrichts zu machen. war erfolgreich, was sich in der ungewöhnlich ausgeglichenen Altersstruktur des Beteiligungsprojekts widerspiegelt. Die
zweite Bedingung kann ebenfalls als erfüllt gelten.
Bedingung 3 – Zusammensetzung der Teilnehmer:
Alle Veranstaltungsformen zusammengerechnet waren etwa 4000 Lichtenberger an
der Aufstellung des Bürgerhaushalts beteiligt – eine große und den hohen Erwartungen an das Projekt entsprechende Zahl. 252 Auch wenn die Evaluation des Projekts
noch nicht abgeschlossen ist253, kann die Zusammensetzung der Teilnehmer in einzelnen Aspekten bewertet werden. Grundsätzlich waren alle Altersgruppen vertreten.254 Dabei ist die vergleichsweise hohe Beteiligung Jugendlicher am Projekt
hervorzuheben. Des Weiteren lässt sich ein ausgeglichener Mix von organisierten
und nichtorganisierten Teilnehmern feststellen. Insgesamt kann zwar nicht von einer
repräsentativen Auswahl gesprochen werden255, wichtigstes Anliegen war es jedoch,
allen Interessen und Bedürfnissen der Lichtenberger eine Plattform zu bieten, was
ablesbar am breiten Spektrum der Vorschläge gelungen ist.256
Soweit das im Rahmen der bislang verfügbaren quantitativen Daten möglich ist, kann
diese dritte Bedingung ebenfalls als erfüllt angesehen werden. Die für Bürgerbeteiligungsprozesse großen Beteiligungszahlen sind vor allem ein Erfolg des Einsatzes
unterschiedlicher Beteiligungskanäle und der projektbegleitenden Öffentlichkeitsarbeit.257 Die angestrebte Zusammensetzung der Teilnehmer wurde erreicht. Die erste
Hypothese erweist sich demnach für dieses Projekt als gültig.
Hypothese 2 – Teilnehmerbindung
„Medienübergreifende Verfahrenselemente stärken die Teilnehmerbindung.“
Bedingung 1: Maßnahmen zur Teilnehmerbindung:
Um die Teilnehmer über mehrere Phasen hinweg an das Verfahren zu binden, erwies sich als vorteilhaft, dass die Teilnehmer des Online-Dialogs bei der Anmeldung
ihre E-Mail-Adresse hinterlegen mussten. Rundmails ermöglichten es, durch ihre
Eigenschaft als Push-Medium Teilnehmer direkt über kommende Termine und den
252
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 139.
Laut Anfrage beim Bezirksamt Lichtenberg, vgl. Gröber, Silvia: Telefonat am 07.08.2006.
254
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 154.
255
Vgl. ebd., S. 154.
256
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
257
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 155.
253
66
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
weiteren Umgang mit Ergebnissen zu informieren.258 Demgegenüber war es schwieriger, das Publikum von Präsenzveranstaltungen über die Gesamtdauer des Projekts
anzusprechen und zu informieren. Zwar halfen ergänzende Angebote, Interesse für
die folgende Beteiligungsphase zu wecken, wie die Ideenbox bei der Auftaktveranstaltung, das Infomaterial, das der Anfangsumfrage beigefügt war, oder Werbematerial wie Kugelschreiber oder Kühlschrankmagneten.259 Allerdings sind all diese Wege
teurer und schwieriger gezielt einzusetzen als Rundmails. Weiterhin hat es sich gezeigt, dass es zwar sinnvoll ist, den Online-Dialog vor Ort bei der Auftaktveranstaltung vorzustellen, um ein Bewusstsein für die Existenz des Angebots zu schaffen
und Berührungsängste abzubauen. Jedoch sind Teilnehmer selten bereit, Artikel
direkt vor Ort an bereitgestellten Computern zu verfassen.260 Dies verdeutlicht die
Notwendigkeit, ergänzend Flyer anzubieten. Flyer sind ein Bindeglied, das interessierte Besucher zu Hause daran erinnert, die Online-Angebote vom eigenen Rechner
wahrzunehmen.261
Es wird deutlich, dass zur Bindung der Teilnehmer Maßnahmen gekoppelt wurden,
das heißt versucht wurde, kommende Phasen in der jeweils aktuellen zu verankern.
Online-Maßnahmen konnten gezielter eingesetzt und Informationen zeitlich besser
abgestimmt werden. Maßnahmen der Teilnehmerbindung waren vorhanden, die
erste Bedingung wurde erfüllt.
Bedingung 2: Wiederkehrende Teilnehmer:
Die verschiedenen Beteiligungskanäle unterschieden sich stark in ihrer Bindungskraft. Die Teilnahme am Online-Dialog stellte für viele Teilnehmer ein niedrigschwelligeres Angebot zur Meinungsäußerung dar als die Bürgerversammlungen. Dennoch
litt der Beteiligungskanal Internet unter dem Problem, dass Teilnehmer das Angebot
möglicherweise schneller wieder verlassen, wenn andere Internetseiten als interessanter erscheinen.262 Demgegenüber hatten die Präsenzveranstaltungen im Format
Open Space für mehrere Stunden die volle Aufmerksamkeit der Teilnehmer. Ergebnisse mussten jedoch in diesem knappen Zeitrahmen erarbeitet werden, denn die
Teilnehmer kehren nicht zurück, während häufig wiederkehrende Teilnehmer im
258
Vgl. Hertzsch, Wenke: Interview am 06.09.2006.
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
260
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
261
Vgl. Hermann, Sabine: Interview am 04.09.2006.
262
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
259
67
Kapitel 7: Fallstudien
Online-Dialog ausführlichere Vorschläge entwickelten.263
Zur Abstimmung über die Ergebnisse wurden die Online-Teilnehmer über E-Mails
eingeladen. Darauf folgend beteiligten sich rund 40 % der Online-Teilnehmer an der
Gewichtung der Ergebnisse und später ebenfalls 40 % an der Endabstimmung über
die Vorschläge.264 Gemessen an den Rücklaufzahlen der Anfangsumfrage und der
Endabstimmung, die jeweils rund 15 % Rücklauf hatten,265 ist dies als viel zu bewerten, auch wenn durch die direkte Ansprache bereits am Verfahren interessierter Personen eine höhere Teilnehmerbindung zu erwarten gewesen wäre.266 Dabei bleibt
unklar, ob beispielsweise Teilnehmer des Online-Dialogs den Beteiligungskanal gewechselt haben und stattdessen an der Gewichtung auf der Abschlussveranstaltung
teilgenommen haben.
Zur zweiten Bedingung lässt sich letztendlich nur die Aussage treffen, dass Teilnehmer über Präsenzveranstaltungen für die Zeit des Angebots intensiver, aber schwieriger langfristig einzubinden waren, während Online das Gegenteil der Fall war.
Maßnahmen zur Stärkung der Teilnehmerbindung sind vorhanden; die zweite Hypothese kann tendenziell als erfüllt bezeichnet werden, wobei diese Aussage lediglich
auf wenigen Anhaltspunkten beruht.
Hypothese 3 – Ergebnisqualität
„Durch medienübergreifende Verfahrenselemente verbessert sich die Qualität der
Ergebnisse.“
Bedingung 1: Eignung der Methoden und Medien:
Die Auswahl der Methoden Open Space und Online-Dialog ermöglichte einer großen
Anzahl von Beteiligten ihre Anliegen in flexibler Weise zu äußern und als konkrete
Vorschläge in den Prozess einzubringen. 267 Dabei spielte die Arbeit der Moderation
eine große Rolle beim gemeinschaftlichen Erarbeiten der Vorschläge, sowohl in den
Präsenzveranstaltungen als auch im Online-Dialog.268 In beiden Beteiligungskanälen
brachten die Beteiligten eine Vielzahl guter Vorschläge hervor und zeigten in den
Kleingruppen bzw. den Wiki-Artikeln ihre Fähigkeit zum Konsens. Auch in der anschließenden Gewichtung zeigten sich klare Prioritäten, was auf eine gemeinsam
263
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
Vgl. Zebralog: Statistische Auswertung des Online-Dialogs.
265
Vgl. Klein, Hendrikje: Bürgerhaushalt in Berlin-Lichtenberg für das Haushaltsjahr 2007, S. 6 und S. 8.
266
Vgl. Hagedorn, Hans: Rücksprache am 11.09.2006.
267
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 154.
268
Vgl. Hertzsch, Wenke: Interview am 06.09.2006.
264
68
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
entwickelte Problemsicht schließen lässt.269 Dennoch beinhaltete jede Beteiligungsform
unterschiedliche
qualitative
Faktoren.
Während
in
den
Open-Space-
Veranstaltungen sehr intensiv gearbeitet wurde, konnten die Ergebnisse bei begrenzter Zeit weniger Details und Struktur aufweisen als ein mehrmals überarbeiteter Vorschlag aus dem Online-Dialog.270 Beide Verfahren wiederum legten großen Wert auf
die Entwicklung der Ergebnisse in einer deliberativen Form, wodurch sich die Qualität
ihrer Ergebnisse von den postalischen Einsendungen abhob, die als Einzelmeinungen in den weiteren Prozess eingingen.
Abb. 13: Diskussionsbeiträge im Online-Dialog271
Weil alle Kanäle dazu beitrugen, dass eine Vielzahl unterschiedlicher Meinungen als
Vorschläge in den Prozess einging, war die Auswahl der Methoden für das Verfahren
geeignet, auch wenn die Qualität der Vorschläge letztendlich unterschiedlich war. Die
erste Bedingung ist demnach erfüllt.
Bedingung 2: Integriertes Endergebnis:
In einer ersten Stufe wurden Vorschläge im Online-Dialog veröffentlicht, welche über
die Ideenbox auf der Auftaktveranstaltung und die erste Fragebogenaktion eingegangen waren. Damit bildeten sie den Start der Diskussion, ohne dass die Verfasser
jedoch an der weiteren Diskussion beteiligt waren. Die Konsensfindung fand nur
innerhalb des jeweiligen Beteiligungskanals statt – zwischen den einzelnen Beteiligungskanälen gab es keinen direkten Austausch. Das lag zum einen daran, dass die
Moderationsteams von Präsenzveranstaltung und Online-Dialog getrennt arbeiteten
269
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 154.
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
271
Quelle: Zebralog.
270
69
Kapitel 7: Fallstudien
und nur über eine zentrale Person in der Verwaltung miteinander in Kontakt kamen.272 Zum anderen sah das Konzept eine Zusammenführung der Ergebnisse erst
als Abschluss der Beteiligungsphase vor. Die unterschiedlichen Vorschläge wurden
vorher durch das Redaktionsteam aufbereitet, damit sich die qualitativen Unterschiede der Vorschläge aus verschiedenen Beteiligungskanälen nicht negativ auf den
Diskurs auswirkten. Über die Gewichtung der zusammengeführten Vorschlagsliste
trafen sich die Teilnehmer der unterschiedlichen Beteiligungskanäle im Gesamtprozess, in dem sich die besten Argumente durchsetzten.273 Über das Redaktionsteam
und die entsprechenden Schritte der Gewichtung wurde letztendlich gewährleistet,
dass trotz der enormen Informationsfülle die Ergebnisse übersichtlich und handhabbar blieben.274
Die Teilergebnisse wurden zwar zur abschließenden Gewichtung zusammengefasst,
die Endabstimmung in den drei Beteiligungskanälen wurden der BVV allerdings als
drei getrennte Ergebnislisten übergeben. Die Integration der Ergebnisse fand demnach nur auf der inhaltlichen Ebene statt, endete aber vor der Endabstimmung.275
Die Bedingung ist demnach nur teilweise erfüllt.
Bedingung 3 – Verankerung im politischen Entscheidungsprozess:
Letztendlich erwies sich das Modell eines Wettbewerbs der Vorschläge als sinnvoll.
Durch das Redaktionsteam und die zwei Stufen der Gewichtung wurde gesichert,
dass die Vielzahl der Vorschläge handhabbar blieb und als Abschluss des Prozesses
ein Ergebnis stand, das nach den Kriterien Machbarkeit und Priorität aufbereitet war.
Auf diesem Wege gelang es, die Bürgermeinung nahtlos in den politischen Prozess
zu integrieren, in einer für Bürger, Beteiligte und Presse nachvollziehbaren Weise.
Dass von den 42 Vorschlägen nur fünf nicht umgesetzt wurden276 spricht für ein
erfolgreiches Verfahren. Die Anliegen und Probleme der Bürger wurden aufgegriffen
und als konstruktive Vorschläge in den politischen Prozess integriert.
Inhaltlich fällt dabei auf, dass die Vorschläge insgesamt finanziell ausgewogen waren, obwohl nicht explizit nach Einsparmöglichkeiten gefragt wurde. Die meisten
272
Vgl. Hagedorn, Hans: Rücksprache am 11.09.2006.
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
274
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 154.
275
Diese Schwächen sollen im nächsten Jahr konzeptionelle Änderungen aufgreifen. Das Internet wird die
zentrale Stelle für alle Vorschläge, die auf diese Weise schon vor der Arbeit des Redaktionsteams miteinander in
Berührung kommen sollen. Zudem sollen auch die Abstimmungsergebnisse zusammengeführt werden und als
eine Gesamtliste an die BVV übergeben werden (Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006).
276
Vgl. Online Plattform Bürgerhaushalt Lichtenberg.
273
70
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Anregungen waren mit geringem finanziellem Aufwand realisierbar. Dies ist zum
einen darauf zurückzuführen, dass die Vorschläge häufig Verbesserungsvorschläge
für existierende Maßnahmen waren. Zum anderen beziehen einige der Vorschläge
aktive bürgerliche Mitarbeit ein, die finanzieller Unterstützung bedurfte. Das zeigt,
dass kooperative Potenziale geweckt werden konnten, denen in zukünftigen Verfahren mehr Aufmerksamkeit zukommen soll, um über den Haushaltsplan hinaus Strukturen zu schaffen, die dieses Potenzial aufgreifen.277
Damit ist diese letzte Bedingung ebenfalls gegeben. Auch wenn die Ergebnislisten
letztendlich nicht zusammengeführt wurden, lässt sich an der Umsetzung fast aller
Vorschläge durch die Politik feststellen, dass das breite Spektrum der Meinungen
über das medienübergreifende Verfahren in die Ergebnisse Einzug gefunden hat.
Somit wurde eine hohe Qualität der Ergebnisse erzielt, womit sich die dritte Hypothese im Projekt ebenfalls bestätigt hat.
7.2 Berlin Mauerdialog
Im Jahr 2006 ist die Berliner Mauer mehr als 16 Jahre nach ihrem Fall beinahe komplett aus dem Stadtbild verschwunden. Wie kein anderes Bauwerk symbolisiert sie
die Zeit des Kalten Krieges, die Teilung von Berlin, Deutschlands und der ganzen
Welt in der Nachkriegszeit und die politische Unterdrückung der Bevölkerung der
ehemaligen DDR. Der historische Moment der Wende 1989/90 wurde begleitet vom
zügigen Abriss des verhassten Bauwerks als Akt der Befreiung, unterstützt von Presse, Öffentlichkeit und Politik.278 In den letzten 15 Jahren wandelte sich die Perspektive hin zum historischen Gedenken, das im Widerspruch zwischen Abriss zur
Überwindung und Erhalt zur Erinnerung steht. Der Abriss jedoch war ein zu großer
Erfolg, der nur wenige Spuren der Mauer zurückgelassen hat.
277
278
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 154.
Vgl. Flierl, Thomas: Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer, S. 5.
71
Kapitel 7: Fallstudien
Abb. 14: Mauerreste an der Bernauer Straße279
Eines von drei großen zusammenhängenden Ensemblen, die noch erhalten sind,
stellt die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße dar. Der Beschluss
zum Erhalt wurde bereits 1991 getroffen. Die Einweihung der Gedenkstätte zog sich
bis 1997 und die Eröffnung des dazugehörigen Dokumentationszentrums, das vom
Verein Berliner Mauer betrieben wird, bis 1999 hin.280 Weil die verbliebenen Mauerund Gedenkorte nicht zueinander in Beziehung stehen, wurde in den letzten Jahren
vermehrt bemängelt, dass die Geschichte und der Schrecken der Mauer für Touristen und nachfolgende Generationen am Originalschauplatz nicht mehr nachvollziehbar
sind.
Dies
nahmen
Mitte
2005
der
Deutsche
Bundestag
und
das
Abgeordnetenhaus von Berlin zum Anlass, in miteinander abgestimmten Beschlüssen die Aufstellung eines „integrierten Gesamtkonzepts für die Dokumentation und
die Erinnerung an die Berliner Mauer“281 zu beschließen, als Zeugnis der Teilung
Berlins und zum Gedenken an die Maueropfer. Dieses Gesamtkonzept wurde von
einem breit gefächerten Ausschuss erarbeitet und am 20. Juni 2006 vom Senat beschlossen. Das Konzept macht Aussagen zu allen zentralen Orten der Berliner Mauer, bezieht diese aufeinander und weist ihnen Themen entsprechend ihrer
historischen Bedeutung zu. Der Ausbau der Gedenkstätte Bernauer Straße kristallisierte sich frühzeitig als Schwerpunkt des Konzepts heraus. Mit der Festsetzung des
Bereichs als Gebiet außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung282 zog der Senat
von Berlin noch vor Beschluss des Konzepts die Aufstellung des entsprechenden
Bebauungsplans an sich, um die Umsetzung planungsrechtlich zu sichern. Für die
konkrete Ausgestaltung soll im Anschluss an die frühzeitige Bürgerbeteiligung ein
279
Quelle: Eigene Aufnahme.
Vgl. Flierl, Thomas: Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer, S. 6f.
281
Vgl. ebd., S. 14.
282
Nach §9 AbS. 1 Satz 1 Nr.1 AGBauGB.
280
72
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Wettbewerb ausgeschrieben werden.283 Um das Erweiterungskonzept für den Bereich Bernauer Straße der Öffentlichkeit vorzustellen und städtebauliche und gestalterische Anregungen für die konkrete Umsetzung einzuholen, wurde von der
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und dem Verein Berliner Mauer der Auftrag
an die Agentur Zebralog gegeben, einen städtebaulichen Dialog durchzuführen.
284
Abb. 15: Konzept Erweiterung der Gedenklandschaft Berliner Mauer an der Bernauer Straße
7.2.1 Ziele des Projekts
Hauptaufgabe des Projekts war es, die konkurrierenden Nutzungs- und Gestaltungsansprüche herauszuarbeiten und alle relevanten Akteure zu ermutigen, ihre Interessen in den planerischen Entscheidungsprozess einzubringen. Das Thema ist nicht
nur durch die große historische und persönliche Bedeutung der Berliner Mauer für
unterschiedliche Zielgruppen relevant, sondern auch durch das Konfliktpotenzial
unterschiedlicher, sich entgegenstehender Ansprüche an diesen Raum285:
-
Bürger und Besucher der Stadt sollen die Realität des Todesstreifen erfahren
können,
-
die geschichtliche Entwicklung der Mauer soll ablesbar bleiben,
283
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.
285
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
284
73
Kapitel 7: Fallstudien
-
die städtebauliche und kulturelle Barriere zwischen den ehemals getrennten
Stadtteilen aus Ost und West soll abgebaut werden,
-
Eigentümer sollen ehemals unrechtmäßig enteignete Grundstücke wieder
bebauen können,
-
der Raum soll seine Rolle zur Naherholung für die umliegenden Wohngebiete
erfüllen können.
Ein weiteres Ziel, das sich im Dialog verstärkt herausbildete, war es, Zeitzeugenberichte der Mauer zu dokumentieren. Entsprechende Initiativen des Dokumentationszentrums erfassten bislang meist nur direkte Opfer der Berliner Mauer. Im Dialog
wurde jedoch offensichtlich, dass viele der Anwohner, Berliner und Touristen eigene
Schicksale mit der Mauer verbinden, denen bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.286 Diesen Stimmen eine Plattform zu geben war neben den inhaltlichen Zielen ein weiterer Schwerpunkt.
Zielgruppen
Ziel des Projekts war es, Entwicklungsstrategien zu erarbeiten, die von möglichst
vielen Akteuren unterstützt werden. Aus den vorangestellten Interessenlagen und
Ansprüchen wird offensichtlich, dass die Zielgruppen des Mitwirkungsangebots auf
Grund des Themas sehr heterogen und breit gefächert sind. Auf der einen Seite
waren die Anwohner eine leicht zu identifizierende Zielgruppe.287 Allerdings war auch
diese Zielgruppe in sich nicht homogen, weil beispielsweise die Sozialstruktur auf der
ehemaligen Ost- und Westseite bis heute unterschiedlich ist. Gerade auf der ehemaligen Westseite im Stadtbezirk Wedding leben viele ältere Bewohner, die den Mauerbau miterlebt haben und deshalb einen starken persönlichen Bezug zum Ort haben.
Des weiteren spielte die Zielgruppe der Grundstückseigentümer eine große Rolle,
denn auf Grund der Vergangenheit des Ortes, sollte vermieden werden, ehemals
enteignete Grundstücke erneut zu enteignen, das heißt, die Lösungsfindung sollte im
Einklang mit den Grundstückseigentümern stattfinden. Die Bewohner der angrenzenden Quartiersmanagementgebiete und das Sanierungsgebiet stellten eine Zielgruppe dar, die in einem an Frei- und Erholungsflächen unterversorgten Bereich von
Berlin wohnen.288 Das Dokumentationszentrum vertritt in seiner Aufgabe viele organisierte Gruppen, wie beispielsweise Opferverbände, die als weitere Zielgruppen
286
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
288
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
287
74
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
hinzukamen.289 Da das Thema Berliner Mauer durch die Verabschiedung des Gedenkkonzepts Aufmerksamkeit in ganz Berlin erhielt, waren politik- und geschichtsinteressierte Berliner auf einer stadtweiten Ebene ebenfalls als Zielgruppe anzusehen.
Da es letztendlich ebenfalls darum ging die Interessen der Touristen zu berücksichtigen, gab es eine weitere Zielgruppe, die im Dialog eine Außenperspektive einnahm.
Damit lies sich schließlich eine generelle Zielgruppe auf deutscher und internationaler Ebene identifizieren, die quasi stellvertretend die Rolle der zukünftigen Besucher
und Nutzer vertritt. 290
Die Konzeption des Projekts Mauerdialog musste gewährleisten, dass möglichst all
diese unterschiedlichen Zielgruppen angesprochen wurden und ihre Meinung einbringen konnten.
Einbettung
Die Zusammenführung zweier unterschiedlicher Entscheidungsfindungsprozesse
stellte sich im Projekt als schwierig heraus. Auf der einen Seite war das Gesamtkonzept als Rahmen bereits beschlossen und gab damit konzeptionelle Eckpunkte für
den Bereich der Bernauer Straße vor. Auf der anderen Seite war der Zeitpunkt im
Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans vergleichsweise früh. Da das Beteiligungsangebot sich auf das Bebauungsplanverfahren und die Vorbereitung eines
Gestaltungswettbewerbs bezog, sind die Möglichkeiten der Einflussnahme als ernsthaft und vergleichsweise groß zu bewerten. Jedoch bedeutete dies eine besondere
Herausforderung für die Bürgerbeteiligung, den unveränderbaren Rahmen des Gesamtkonzepts von den realen Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten abzugrenzen.291 Als informelles Beteiligungsverfahren war das Angebot ein vorbereitender
Schritt für die Erarbeitung des Bebauungsplans. Die qualitativen Anregungen aus der
Dialogphase sollten von der Verwaltung aufgenommen und in einem weiteren Schritt
auf einer interaktiven Bürgerversammlung von der Öffentlichkeit gewichtet werden.292
Diese Veranstaltung stellte gleichzeitig den Auftakt der frühzeitigen Bürgerbeteiligung
als erster Stufe der formellen Beteiligung nach dem BauGB dar. Des Weiteren sollen
diese Anregungen in die Anforderungen des Gestaltungswettbewerbs einfließen.
289
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
Vgl. ebd.
291
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
292
Vgl. ebd.
290
75
Kapitel 7: Fallstudien
7.2.2 Prozessbeschreibung
Das Beteiligungsverfahren fand im Sommer 2006 statt. Zentrales Element der Öffentlichkeitsarbeit und der Beteiligungsangebote war eine Online-Plattform mit Informationen rund um das Thema Mauer und das Plangebiet sowie einem Diskussionsforum.
Abb. 16: Verfahren Berliner Mauerdialog
293
Das gesamte Verfahren wurde begleitet von Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit,
die jeweils abgestimmt waren mit den Mitwirkungsangeboten.294 Zur Ansprache der
lokalen Bevölkerung wurden insgesamt 10000 Flyer gedruckt, die Thema und Anliegen kurz beschrieben und grafisch ansprechend darstellten sowie deutlich auf die
einzelnen Beteiligungsmöglichkeiten hinwiesen.295 Dafür wurden die Webadresse
sowie die SMS-Telefonnummer prominent platziert. An einigen Orten, wie dem Dokumentationszentrum, oder bei Veranstaltungen, wie der Langen Nacht der Wissenschaften und den Bürgerspaziergängen, lagen vor Start des Dialogs Mailinglisten
aus. Hier konnten sich Interessierte eintragen und wurden persönlich wahlweise über
E-Mail oder postalisch zur Teilnahme an den Mitwirkungsangeboten eingeladen.
Multiplikatoren waren ein weiterer zentraler Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit. Über
einen großen Verteiler wurden verschiedene Stellvertreter und Organisationen angesprochen, um bei der Verbreitung des Angebots zu helfen.296 Die Multiplikatoren
wurden telefonisch angesprochen und die konkreten Informationen anschließend per
E-Mail versandt. Dadurch konnten diese die Informationen direkt an ihren E-
293
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an Zebralog: Präsentation am 05.09.2006.
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
295
Vgl. Agentur Sally Below Cultural Affairs: Bericht Öffentlichkeitsarbeit, S. 2.
296
Vgl ebd., S. 1.
294
76
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Mailverteiler weiterleiten oder das Angebot ohne großen Aufwand in ihren Veranstaltungskalender einstellen. Als Multiplikatoren wurden auch unterschiedliche Websites
eingebunden, die über Hyperlinks auf das Angebot verwiesen, wie beispielsweise
das Portal Berlin.de.297
Als erste Veranstaltung, noch vor dem öffentlichen Start der Bürgerbeteiligung wurde
eine Wahrnehmungswerkstatt als Vorbereitungsspaziergang durchgeführt. Auf diese
Weise konnten die verschiedenen Interessenlagen der zentralen Akteure erfasst und
diese als Multiplikatoren eingebunden werden. Dazu gehörten Mitarbeiter des Dokumentationszentrums, der anliegenden Quartiermanagementbüros, Grundstückseigentümer, Vertreter lokaler Vereine sowie Verwaltungsmitglieder. Diese wurden zu
einem dreistündigen Vor-Ort-Termin eingeladen und erarbeiteten während des geführten Spaziergangs die Inhalte für die folgenden Bürgerspaziergänge durch die
Gedenklandschaft.298 Das Gedenkkonzept wurde am 20. Juni 2006 öffentlichkeitswirksam in einer Sondersitzung des Senats im Dokumentationszentrum an der Bernauer
Straße
verabschiedet.
Die
mediale
Aufmerksamkeit
anlässlich
des
Beschlusses sollte genutzt werden, um für den gleichzeitigen Start der OnlineDiskussion zu werben.299
Das Internet war der zentrale Ort für Information, Meinungsbildung und Meinungsaustausch. Kern des Beteiligungsangebots war der moderierte Online-Dialog. Hier
konnten die planerischen Herausforderungen am ehemaligen Mauerstreifen diskutiert
werden. Neuen Teilnehmern wurde als niedrigschwelliger Zugang direkt im Anschluss an die Anmeldeprozedur eine offene Frage („Was verbinden Sie mit der
Berliner Mauer?“) gestellt.300 Diese Statements konnten ebenso per SMS eingesandt
werden. Die Telefonnummer wurde auf den Materialien der Öffentlichkeitsarbeit abgedruckt und die Antworten in den Online-Dialog eingestellt. Die Benutzer wurden
anonym angemeldet und erhielten eine Antwort-SMS, mit einem Verweis auf das
Online-Forum und die Möglichkeit, dort weiter zu diskutieren. Weiter wurden Fußballer des Hertha BSC Berlin geworben, um mit Beiträgen über ihre Sicht auf die Mauer
den Online-Dialog einzuleiten.301 Anfangsstatements wurden ebenfalls von den politisch Verantwortlichen verfasst, wie der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg JungeReiher und der Vorsitzenden des Vereins Berliner Mauer Gabriele Camphausen, die
297
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
299
Vgl. ebd.
300
Vgl. Online-Plattform Mauerdialog.
301
Vgl. Agentur Sally Below Cultural Affairs: Bericht Öffentlichkeitsarbeit, S. 2.
298
77
Kapitel 7: Fallstudien
dann im Online-Dialog veröffentlicht wurden.302 Die Moderation der Diskussion erarbeitete den methodischen Ablauf und gewährleistete eine faire und ergebnisorientierte Gesprächskultur unter den Teilnehmern.303 Am Ende des Online-Dialogs wurde
mit den Teilnehmern ein gemeinsames Ergebnis formuliert. Dieser Konsenstext wurde als „Wiki-Artikel“ erstellt, der von allen Teilnehmern umformuliert und weiterentwickelt werden konnte.
Abb. 17: Wiki-Artikel im Online-Dialog304
Abb. 18: Bürgerspaziergang305
Interessenten, die keinen Online-Zugang hatten, konnten ihre Anregungen ergänzend per Post einsenden. Im Rahmen des Gesellschaftskunde-Unterrichts an der
anliegenden Ernst-Reuter-Schule fand begleitend ein Workshop mit Schülern der
Klasse 11 statt. Als erste Generation, die nach dem Fall der Mauer geboren wurde,
diskutierten sie das Thema „Erinnerung an die Mauer“ aus ihrer Perspektive. Die
Ergebnisse der Diskussion wurden anschließend im Online-Dialog veröffentlicht.306
Begleitend zum Online-Dialog fanden an zwei Wochenenden Bürgerspaziergänge
am Mauerstreifen entlang der Bernauer Straße statt. Auf dem Plangebiet wurden
sechs Stationen aufgestellt, an denen je ein Experte des Dokumentationszentrums
und ein Moderator des Online-Dialogs standen und den jeweiligen Schwerpunkt des
Gedenkkonzepts vorstellten, Fragen beantworteten und Meinungen einfingen. Die
Statements wurden nach Ende des Bürgerspaziergangs als Beiträge in den OnlineDialog eingestellt. Die Route war so konzipiert, dass die Besucher tiefere Einblicke in
302
Vgl. Online-Plattform Mauerdialog.
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
304
Quelle: Online Plattform Mauerdialog.
305
Quelle: Eigene Aufnahme.
306
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
303
78
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Teilaspekte des Konzepts bekamen und motiviert wurden, ihre Ideen und Eindrücke
entweder im Gespräch zu äußern oder in den Online-Dialog einzubringen.307 Dies
wurde durch das Verteilen von „Visitenkarten“ des Dialogs und Erfassen von EMailadressen unterstützt. Beiträge konnten an einem Computer-Terminal, das im
Dokumentationszentrum vor Ort aufgestellt war, verfasst werden. Zusätzlich zu den
zwei Terminen war die Routenbeschreibung im Web abrufbar, so dass Bürgern und
Touristen zeitunabhängig eigene Erkundungen starten konnten.308
Abb. 19: eMeeting309
Am 5. September fand die Abschlussveranstaltung des Projekts in Form eines eMeetings statt. In dieser Veranstaltung wurden die Vorschläge des Online-Dialogs durch
die anwesenden Bürger gewichtet. Die Teilnehmer konnten ihre Meinung durch Keypads interaktiv einbringen: Jeder Teilnehmer hatte ein kleines Gerät mit Ziffernblock
über das er Fragen zur Gestaltung der Gedenkstätte und des Mauerstreifens beantwortete und Ergebnisse des Online-Dialogs gewichtete. Die Ergebnisse wurden von
einem zentralen Computer gesammelt und live auf der Leinwand dargestellt.
7.2.3 Überprüfung der Hypothesen
Hypothese 1 – Zielgruppen
„Durch medienübergreifende Verfahrenselemente werden die gewünschten Zielgruppen in den Beteiligungsprozess integriert.“
Bedingung 1 – Maßnahmen für eine breite Zielgruppensprache:
Um die unterschiedlichen Zielgruppen zur Teilnahme zu motivieren, war auch im
Projekt Mauerdialog die Öffentlichkeitsarbeit fest im Verfahren verankert. Zur Mobili307
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Vgl. Online-Plattform Mauerdialog.
309
Quelle: Zebralog.
308
79
Kapitel 7: Fallstudien
sierung der Anwohner wurden Flyer zum einen in die umliegenden Briefkästen verteilt und zum anderen an zentralen Stellen im Quartier mit hohem Publikumsverkehr
ausgelegt, wie dem Dokumentationszentrum, Cafes oder Bibliotheken. Durch die
gezielte Auswahl konnten verschiedene lokale Zielgruppen angesprochen werden.310
Über den Wahrnehmungsworkshop vor Start der Beteiligungsphase und über das
Internet wurden gezielt Multiplikatoren geworben.311 Diese wurden über ein Telefonat
persönlich angesprochen. Um ihnen die Arbeit zu erleichtern wurde den Personen
ein gut aufbereitetes Paket bestehend aus Teasern, Infotext und Logo per E-Mail
zugesandt zur einfachen Weiterleitung an ihr Klientel oder zur Einstellung auf ihrer
Website.312 Die Einbindung der Presse als Multiplikator gestaltete sich wegen der
gleichzeitig stattfindenden Fußball-WM als schwierig, da die meisten Massenmedien
auf Grund der Nachrichtenfülle ausgelastet waren. Zudem konnten lange Zeit keine
Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt werden, weil der Start wegen
terminlichen Schwierigkeiten bei der Erarbeitung des Gedenkkonzepts mehrfach
verschoben wurde.313 Dennoch berichteten lokale Tageszeitungen sowie der RBB
über die Bürgerspaziergänge.314 Als Multiplikator diente die Presse nur bedingt, weil
in der Berichterstattung315 die Webadresse und der Online-Dialog nicht entsprechend
präsentiert wurden.316 Anfangsstatements von Personen des öffentlichen Interesses,
beispielsweise die Fußballspieler von Hertha BSC Berlin, sollten Aufmerksamkeit für
den Online-Dialog herstellen. Auf Grund der Sommerferien konnten allerdings kaum
Personen geworben werden.317 Des Weiteren wurden Websites als Multiplikatoren
eingebunden, wie die Plattform Berlin.de, die eine hohe Zuschauerfrequenz bei politikinteressierten Berlinern hat.
Auf Grund des geringen Budgets wurden wenige, aber dafür meist effektive Mittel der
Zielgruppenansprache genutzt, die zum einen die Anwohner und zum anderen weltweit Interessierte mobilisierten. Die erste Bedingung kann als erfüllt gelten.
310
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
Vgl. ebd.
312
Vgl. Agentur Sally Below Cultural Affairs: Bericht Öffentlichkeitsarbeit, S. 4.
313
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
314
Vgl. ebd.
315
Weil bei der Verabschiedung des Gedenkkonzepts, auf der anschließenden Pressekonferenz und in der
Pressemitteilung nicht auf den Online-Dialog hingewiesen wurde, blieb der erwartete Aufmerksamkeitsschub aus,
der Start der Diskussion verlief schleppend, bis andere Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit griffen (Vgl. Riedel,
Daniela: Interview am 31.08.2006).
316
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
317
Vgl. ebd.
311
80
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Bedingung 2: zielgruppenspezifische Beteiligungskanäle:
Der zentrale Beteiligungskanal des Mauerdialogs war der Online-Dialog. Dieser war
eingebettet in das Webangebot der Senatsverwaltung und für Berliner, nationale und
internationale Teilnehmer leicht erreichbar. Um Zielgruppen, die keinen Zugang zum
Internet haben, einzubinden, wurden im Projekt mehrere klassische Informationskanäle durch Rückkanäle erweitert. Das Angebot der Bürgerspaziergänge war einerseits ein generelles Informationsangebot. Andererseits wurden Kommentare der
Teilnehmer von der Online-Moderation gesammelt und anschließend im OnlineDialog veröffentlicht. Auf diesem Weg konnten die älteren Anwohner, Menschen
ohne Internetzugang sowie Touristen direkt vor Ort ihre Meinung in den Dialog einbringen. Für diese Zielgruppen wurde zudem ein Computer-Terminal vor Ort aufgestellt als weitere Möglichkeit der Teilnahme am Online-Dialog.318 Durch seine
zentrale Platzierung im Dokumentationszentrum vor Ort hatte es zusätzlich eine
Funktion als Werbemaßnahme für das Projekt. Der Postweg, als ergänzender Weg
der Teilnahme, wurde nicht genutzt. Junge Teilnehmer wurden über ein Schulprojekt
an der Ernst-Reuter-Schule integriert. Die Schüler führten eine Diskussion zum Thema „Berliner Mauer“ im Unterricht, deren Ergebnisse anschließend im Online-Dialog
veröffentlicht wurden.319 Einen weiteren Zugang für junge Zielgruppen stellte das
Angebot, Statements per SMS abzugeben, dar. Im Falle dieses Verfahrenselements
wurde jedoch der Vorteil gegenüber der Teilnahme im Internet nicht erkennbar. Der
Kommunikationsweg Flyer-SMS-Internet erwies sich als umständlich und wurde
deshalb nicht genutzt.320 Für die abschließende Gewichtung der Ergebnisse wurde
eine Präsenzveranstaltung durchgeführt. Diese Veranstaltung war als Auftakt der
frühzeitigen Bürgerbeteiligung an die Anwohner gerichtet. Vor dem Hintergrund, dass
25 % der Teilnehmer der Dialog-Phase nicht aus Berlin kamen, lässt sich jedoch
feststellen, dass dadurch eine Zielgruppe den Prozess nicht bis zum Ende begleiten
konnte.321
Zur Diskussion wurde im Projekt Mauerdialog nur der Weg des Online-Dialogs bereitgestellt. Dennoch wurden über ergänzende Workshops sowie eine Erweiterung
klassischer Informationsangebote wie die Bürgerspaziergänge erreicht, dass auch
318
Die Nutzung des Terminals kann nicht erfasst werden.
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
320
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
321
In der ursprünglichen Konzeption für den Mauerdialog war eine Internetumfrage vorgesehen, deren Ergebnisse in das finale Votum während des eMeetings live hätten eingehen sollen. Dieser Baustein wurde auf Grund von
Kostenersparnissen gekürzt.
319
81
Kapitel 7: Fallstudien
die Meinung anderer Zielgruppen, die über den Weg des Online-Dialogs nicht erreicht werden können, in den Diskurs eingebracht wurden. Die Bedingung kann
demnach als erfüllt gelten.
Bedingung 3 – Zusammensetzung der Teilnehmer:
Das Interesse an der Diskussion zur Berliner Mauer war groß. Den Online-Dialog
besuchten insgesamt rund 10.000 Personen. 237 registrierte Benutzer verfassten
360 Beiträge im Forum. Das Altersspektrum der Autoren reichte von 15 bis 86 Jahren. Schwerpunktmäßig nahmen vor allem Menschen zwischen 27 und 55 an der
Diskussion teil, angeführt von der Gruppe der 35- bis 45-Jährigen. Auffällig war im
Online-Dialog der hohe Anteil an Männern mit 68 %. Das Verhältnis von Menschen,
die auf Ost- und Westseite der Mauer aufgewachsen waren, hielt sich die Waage.
Die Mehrheit der Teilnehmer, insgesamt 75 %, stammten aus Berlin; 57 % aus dem
direkten Umfeld des Plangebiets. Das verdeutlicht ein starkes Interesse der Anwohner an der Diskussion. Hervorzuheben ist umgekehrt, dass 25 % der Teilnehmer aus
anderen Teilen Deutschlands kamen und sieben Teilnehmer von außerhalb Deutschlands.322 Damit war diese Zielgruppe ebenfalls vertreten. Auf den Spaziergängen
nahmen am ersten Wochenende rund 600, am zweiten rund 800 Personen teil.323 Je
nach Station unterschieden sich die Zahlen. Genaue Daten wurden nicht erhoben,
jedoch lässt sich feststellen, dass das Angebot vor allem von einem älteren Publikum
wahrgenommen wurde.324 Einige der Teilnehmer äußerten im Gespräch, dass sie
Teilnehmer des Online-Dialogs waren, das heißt, die Bürgerspaziergänge wurden
beiden Ansprüchen gerecht, ergänzende Informationsquelle für Online-Teilnehmer
und Mitwirkungsangebot für Menschen ohne Zugang zum Online-Dialog zu sein.
Auch beim abschließenden eMeeting stellten die männlichen Teilnehmer mit 57 %
die Mehrheit der 60 Anwesenden. Bei der Altersstruktur zeigte sich eine für Präsenzveranstaltungen ungewöhnliche Verteilung: ein Drittel der Anwesenden war jünger
als 35, insgesamt 65 % jünger als 45 Jahre alt. Nur eine Person war älter als 65
Jahre.325 Ob dies auf die Maßnahmen der Mobilisierung oder das Format der Veranstaltung zurückgeführt werden kann, bleibt offen. Ausgeglichen waren auch hier die
Anzahl der Ost- und Westdeutschen. Das Publikum bestand außerdem zu zwei Drit-
322
Vgl. Zebralog: Interne statistische Auswertung.
Vgl. ebd.
324
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
325
Vgl. Zebralog: Interne statistische Auswertung.
323
82
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
teln aus direkten Anwohnern und einem Drittel Berliner.
Es kann davon ausgegangen werden, dass alle der vorher identifizierten Zielgruppen
ihre Stimme im Projekt geäußert haben. Letztlich war die aktive Teilnahme der älteren Anwohner in den beiden Hauptkanälen, dem Online-Dialog und dem eMeeting,
zwar gering. Ihre Meinung wurde jedoch über den Bürgerspaziergang in den Prozess
integriert. Das hauptrangige Ziel, die Anwohner zu beteiligen, wurde erreicht. 326 Die
Bedingung kann trotz einer leichten Benachteiligung älterer Teilnehmer als erfüllt
gelten.
Die starke Beteiligung jüngerer Zielgruppen und die Integration von Zielgruppen
außerhalb Berlins in den Prozess kann als ein Erfolg der Auswahl der Beteiligungskanäle und der zielgerichteten Öffentlichkeitsarbeit gewertet werden.327 Das Projekt
hat die gewünschten Zielgruppen integriert, damit erweist sich die erste Hypothese
für dieses Projekt als gültig
Hypothese 2 – Teilnehmerbindung
„Medienübergreifende Verfahrenselemente stärken die Teilnehmerbindung.“
Bedingung 1: Maßnahmen zur Teilnehmerbindung:
Als erfolgreiche Maßnahme der Teilnehmerbindung erwies sich die Strategie, die
Anmeldung zum Online-Dialog für Interessierte schon einen Monat vor dem Start
freizuschalten. Die Teilnehmer wurden in der Anmeldungsprozedur gebeten, inspiriert von einer offenen Frage, ein erstes Statement als Startbeitrag zu verfassen.
Dadurch war beim Start des Dialogs bereits ein Stamm an Teilnehmern vorhanden.
Diese konnten per Rundmail zum Auftakt eingeladen werden und das Vorhandensein
erster Beiträge beugte Starthemmungen vor.328 Rundmails waren auch in diesem
Projekt ein Kernelement der Teilnehmerbindung. Dies wurde daran offensichtlich,
dass in den Gesprächen auf den Bürgerspaziergängen Teilnehmer sich als Nutzer
des Online-Dialogs zu erkennen gaben.329 Andersherum wurde auf den Spaziergängen über Flyer und Mailinglisten versucht, Teilnehmer zum weiterführenden Dialog
im Internet zu motivieren. Einige der Spaziergänger kündigten an, ihre Gedanken
einzubringen und nahmen das Angebot der Flyer wahr, um sich zu Hause in Ruhe
damit auseinanderzusetzen. Die Bereitschaft, sich in die bereitliegenden Mailinglisten
326
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Vgl. Agentur Daponte: Bürgerhaushalt Lichtenberg, S. 155.
328
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
329
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
327
83
Kapitel 7: Fallstudien
einzutragen, war hingegen gering.330 Dies könnte auf das wachsende Bewusstsein
gegenüber Spam E-Mails zurückzuführen sein. Mailinglisten waren dennoch eine
sinnvolle Ergänzung als Maßnahme der Teilnehmerbindung, weil sie den Besuchern
die Wahl zwischen postalischer und elektronischer Benachrichtigung ermöglichten
und es den Veranstaltern erlaubten gezielter zu informieren. Online-Teilnehmer
konnten das Informationsangebot der Bürgerspaziergänge zeitunabhängig wahrnehmen. Dafür stand die Routenbeschreibung zum download im Internet bereit. Auf
diese Weise können Nutzer flexibler auf die Angebote zurückgreifen.
Der Start des Online-Dialogs und die Verknüpfungen zwischen den Spaziergängen
und dem Online-Angebot sind als Maßnahmen der Teilnehmerbindung als erfolgreich
einzuschätzen, die Bedingung kann als erfüllt gelten.
Bedingung 2: Wiederkehrende Teilnehmer:
Die Anmeldeprozedur im Online-Dialog wurde gut angenommen, 71 Nutzer meldeten
sich schon vor dem Auftakt des Dialogs an, wovon die Mehrheit einen Startbeitrag
verfasste.331 Wie bereits erwähnt kann aus den Äußerungen einiger Teilnehmer der
Spaziergänge geschlossen werden, dass die Verweise zwischen Online-Dialog und
Bürgerspaziergängen erfolgreich waren. Auf Grund fehlender Daten kann diese Aussage jedoch nicht weiter untermauert werden. Auch die Daten der Abschlussveranstaltung liefern keine genaueren Aussagen zur Teilnehmerbindung. Mit 57 % der
Anwesenden hat zwar die Mehrheit den Online-Dialog verfolgt, wovon rund 25 % als
Nutzer registriert waren und sich aktiv in den Diskurs eingebracht haben. Allerdings
fehlen Vergleichswerte, um diese Zahlen zu reflektieren.
Zu dieser Bedingung kann anhand der Datenlage und fehlender Vergleichswerte
keine Aussage getroffen werden. Verfahrenselemente, die eine stärkere Teilnehmerbindung anstrebten, waren vorhanden, deren Wirkung konnte jedoch kaum beurteilt
werden, weshalb sich die zweite Hypothese für das Projekt Mauerdialog nur unter
Vorbehalten als gültig erweist.
Diskussion Hypothese 3 – Ergebnisqualität
„Durch medienübergreifende Verfahrenselemente verbessert sich die Qualität der
Ergebnisse.“
330
331
Vgl. Riedel, Daniela: Rücksprache am 14.09.2006.
Vgl. Zebralog: Interne statistische Auswertung.
84
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
Bedingung 1: Eignung der Methoden und Medien:
Sowohl im Online-Dialog als auch auf den Bürgerspaziergängen wurden viele ausführliche Meinungen geäußert, die häufig geprägt waren von persönlichen Eindrücken und Erlebnissen. Das zeigt zum einen, dass Erfahrungen und Betroffenheiten in
der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Berliner Mauer noch lange nicht verarbeitet sind. Zum anderen wurde daran ebenso offensichtlich, dass die Erarbeitung
des Gedenkkonzepts über zwei Jahre hinter den verschlossenen Türen der Stadtverwaltung stattgefunden hat. Viele der Diskussionsteilnehmer hatten den Prozess
nicht verfolgt und waren demnach noch auf einer anderen Diskussionsebene.332
Beides führte dazu, dass im Online-Dialog viele Einzelmeinungen und Erfahrungsberichte geäußert wurden, die Teilnehmer jedoch wenig miteinander diskutierten.333 Der
Dialog im Internet war für die Erarbeitung von Ergebnissen in Hinblick auf die Emotionalität des Themas vorteilhaft. Die Teilnehmer mussten sich zwar mit einer gültigen
E-Mailadresse einloggen, durften ihren Benutzernamen aber frei wählen. Dadurch
konnten sie ihre Meinung anonym abgeben. Dies ermöglichte es den Teilnehmern,
tabuisierte Themen anzusprechen und freier über ihre Erfahrungen zu sprechen. Bis
auf sehr wenige Ausnahmen ging dieses Konzept auf und brachte Themen zur Sprache, die im direkten Gespräch möglicherweise nicht aufgekommen wären.334 Der
Online-Dialog eignete sich zudem, weil die Phase der Verarbeitung und Reflektion
des Themas Zeit brauchte, bevor viele der Teilnehmer weitergehende Gedanken zur
Gestaltung der Gedenkstätte formulieren konnten. In Anbetracht der vielschichtigen
Problemwahrnehmung war dafür jedoch selbst die insgesamt 16 Tage lange Diskussionsphase des Projekts sehr knapp bemessen. Inhaltliche Schwerpunkte wurden
zwar herausgebildet, doch zeigte sich, dass die intensiven persönlichen Wahrnehmungen vieler Teilnehmer nur als Stimmungen, häufig jedoch nicht als konstruktive
Anregungen aufgenommen werden konnten.335 Die ergänzenden Angebote eigneten
sich, um die Eindrücke und Meinungen der Teilnehmer der Bürgerspaziergänge in
den Online-Dialog zu tragen. Letztendlich waren sie jedoch keine gleichwertige Möglichkeit am Diskurs teilzunehmen.
Die Auswahl der Beteiligungsmethode Online-Dialog entsprach den Anforderungen
der Projektziele. Die ergänzenden Angebote unterstützten den Dialog, konnten den
332
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Vgl. ebd.
334
Vgl. ebd.
335
Vgl. ebd.
333
85
Kapitel 7: Fallstudien
fehlenden Zugang einiger Zielgruppen zum Diskurs größtenteils wettmachen. Die
Bedingung ist für das Projekt erfüllt.
Bedingung 2: Ein integriertes Ergebnis:
Im Vergleich zum Bürgerhaushalt Lichtenberg fand im Projekt Mauerdialog die deliberative Auseinandersetzung nur über einen Beteiligungskanal statt. Die Ideen und
Meinungen der Teilnehmer von ergänzenden Angeboten wurden während des Prozesses in diesen Kanal überführt. Als positiv für die Integration der Teilergebnisse
aus den unterschiedlichen Angeboten stellte sich dabei die zentrale Organisation
über einen Anbieter dar. Um Inhalte und Verfahren beiden Seiten nahe zu bringen
und in die anderen Medien zu transportieren, bewährte sich, dass dieselben Moderatoren online und auf den Präsenzangeboten tätig waren.336 Auf den Bürgerspaziergängen agierten die Moderatoren als Transporteure für Anwohner, die keinen
Zugang zum Internet haben. Sie gaben den Stand der Diskussion vor Ort weiter und
nahmen die Argumente und Stimmungen der Gespräche vor Ort auf, um sie in den
Online-Dialog zu transportieren. Dass dies nur bedingt möglich war, zeigte sich an
der Emotionalität des Themas: Die direkten Kontakte vor Ort, weinende oder fluchende Teilnehmer und die räumlichen Gegebenheiten waren Elemente, die sich
online nur schwer vermitteln ließen.337 Dementsprechend fand zwischen den Kommunikationskanälen nur bedingt Austausch von Gedanken statt; die Moderation war
letztendlich die Schnittstelle für diesen Austausch.
Die Zusammenfassung des Dialogs über Wiki-Artikel wurde fast ausschließlich von
der Moderation vorgenommen. Dies lag einerseits daran, dass die veranschlagten
zwei Wochen zu kurz waren, um entsprechend Zeit für diese Phase bereitzustellen.
Andererseits sollten im Vergleich zum Bürgerhaushalt Lichtenberg nicht Einzelvorschläge formuliert werden, die durch ihre Konkurrenz zueinander stärker im Interesse
der Teilnehmer liegen.338 Die abwägende Zusammenfassung größerer Themengebiete entsprach entweder nicht den Interessen und Fähigkeiten der einzelnen Teilnehmer oder wurde als klassische Aufgabe der Moderation aufgefasst.
Letztendlich wurden alle Teilergebnisse projektbegleitend zusammengeführt, ein
weitergehender Meinungsaustausch fand allerdings nur im Online-Dialog statt. Die
anderen Ideen erhielten auf diesem Wege Einzug in das Endergebnis, haben jedoch
336
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
Vgl. ebd.
338
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
337
86
Teil 2: Evaluation der Fallstudien
am Diskurs nur bedingt teilgenommen. Dieser Nachteil relativierte sich auf Grund der
geringen Bezugnahme der Teilnehmer aufeinander innerhalb der Diskussion. Eine
Integration der Ergebnisse fand statt, womit die Bedingung als teilweise erfüllt gelten
kann, auch wenn die Vorgehensweise den Ansprüchen eines deliberativen Diskurses
nur bedingt gerecht wird.
Bedingung 3: Verankerung im politischen Entscheidungsprozess:
Das eMeeting stellte einen effektiven Weg dar, um die zentralen Ergebnisse des
Diskurses im Rahmen der Bürgerversammlung abschließend zu gewichten. Das
Format ermöglichte allen Anwesenden sich aktiv einzubringen. Der lebendige Charakter der Veranstaltung und die unmittelbare Darstellung der Ergebnisse wurden
von der Presse aufgenommen und führten zu einer positiven Resonanz in der Berichterstattung. Auf diesem Wege wurden gute Voraussetzungen geschaffen, um die
Ergebnisse erfolgreich in den weiteren Prozess einzugliedern. Als Auftakt der frühzeitigen Bürgerbeteiligung im Bebauungsplanverfahren bildete die Veranstaltung eine
Schnittstelle zwischen informeller und formell vorgeschriebener Beteiligung. Weil die
Verantwortlichen des Verfahrens anwesend waren und direkt zu den Ergebnissen
Stellung nahmen, kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse einen
hohen Stellenwert im weiteren Verfahren haben werden. Die Bedingung gilt als erfüllt.
Die ergänzenden Beteiligungsangebote haben einige der Nachteile des OnlineDialogs aufgefangen. Mit der Einschränkung, dass Ältere und Menschen ohne Internetzugang ihre Meinungen zwar einbringen, aber nur bedingt am Austausch der
Meinungen teilnehmen konnten, haben sich alle drei Bedingungen als gegeben erwiesen. Trotz dieses Mangels lässt sich feststellen, dass das Ergebnis durch die
Vielzahl an unterschiedlicher Perspektiven, die es integriert, eine Qualität aufweist,
die ohne ein medienübergreifendes Vorgehen nicht hätte erreicht werden können.
Die dritte Hypothese erweist sich als gültig, wenn auch mit Einschränkungen.
87
Kapitel 7: Fallstudien
88
Teil 3: Schlussfolgerungen
TEIL III: SCHLUSSFOLGERUNGEN
8.
Erkenntnisse
Vor dem Hintergrund des Wandels von Gesellschaft, Politik, Kommunikation und
Technologie steht Bürgerbeteiligung vor neuen Chancen und Herausforderungen.
Ziel der Arbeit war es zu klären, ob medienübergreifende Bürgerbeteiligung diese
Chancen aufgreift und durch die Verknüpfung von herkömmlichen und elektronischen
Verfahren positive Auswirkungen für Beteiligungsprojekte initiieren kann. Diese Frage
stellte sich im Kontext der wissenschaftlichen Diskussion um Öffentlichkeitsbeteiligung, die erst langsam ihren Blick auf die Möglichkeiten medienübergreifender
Kommunikation richtet.
Im Theorieteil der Arbeit wurden die Potenziale unterschiedlicher Medien und Beteiligungsmethoden für die verschiedenen Kommunikationsbeziehungen in der Bürgerbeteiligung
dargestellt.
Davon
ausgehend
wurde
medienübergreifende
Bürgerbeteiligung folgendermaßen definiert:
Medienübergreifende Bürgerbeteiligung beschreibt Beteiligungsverfahren,
die über eine Auswahl von unterschiedlichen Methoden und Kommunikationsmedien durchgeführt werden. Diese werden vernetzt, um die Stärken der
verschiedenen Informations- und Beteiligungskanäle zu nutzen.
Auf Grundlage dieser Definition konnte in der Evaluation der Projekte Bürgerhaushalt
Lichtenberg und Mauerdialog gezeigt werden, dass positive Wirkungen in Bezug auf
die Einbindung unterschiedlicher Zielgruppen, die Teilnehmerbindung und die Qualität der Ergebnisse erreicht werden konnten.
In Bezug auf den ersten Effekt, der Zusammensetzung der Teilnehmer, haben beide
Fallstudien gezeigt, wie wichtig eine vorausgehende Identifizierung der Zielgruppen
ist. Den vielfältigen Zielgruppen wurden beide Projekte dadurch gerecht, dass in den
meisten Phasen entsprechende Kommunikationskanäle für die unterschiedlichen
Teilnehmer bereitgestellt wurden. Die Konzeption des Bürgerhaushalts sah eine
größere Zahl an Beteiligungskanälen vor, die allerdings nur wenig vernetzt waren.
Auf der anderen Seite war im Mauerdialog die Diskussion auf einen Hauptweg ausgerichtet, den Online-Dialog, der in verschiedene ergänzende Angebote eingebettet
war. Trotz des unterschiedlichen medienübergreifenden Vorgehens gelang es beiden
89
Kapitel 8: Erkenntnisse
Projekten, die gewünschten Zielgruppen einzubinden. Weiter wurde offensichtlich,
dass die zentralen Beteiligungsangebote, ob im Internet oder auf herkömmlichem
Wege, bestimmte Zielgruppen dennoch nicht erreichen. Teil des medienübergreifenden Vorgehens beider Projekte war es deshalb, den Dialog über ergänzende Angebote zu diesen Gruppen zu tragen. Diese fanden meist als kleine Veranstaltungen
oder Workshops statt, die speziell auf die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppen ausgerichtet waren und deren Ergebnisse in den Diskurs zurückflossen. Schließlich zeigte
sich die Tragweite einer starken Verflechtung zwischen den Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und den Beteiligungsangeboten. In Lichtenberg erzeugte die Gestaltung
des
Gesamtangebots
unter
dem
Mantel
einer
einheitlichen
Marke
medienübergreifend eine erhöhte Aufmerksamkeit und einen Wiedererkennungswert.
Diese Marke über Multiplikatoren, wie Presse, Persönlichkeiten und Organisationen,
zu vermitteln, war ein Erfolgsfaktor beider Projekte, der zu einer größeren Bekanntheit der Angebote und Wahrnehmung der Ergebnisse führte. Dies wurde unterstützt
durch die Einbindung pressewirksamer Auftakt- und Abschlussveranstaltungen und
anderer Termine vor Ort. Insgesamt wurde deutlich, dass ohne ein medienübergreifendes Gesamtkonzept beide Projekte die identifizierten Zielgruppen nicht im selben
Maße hätten erreichen können.
Der Effekt einer stärkeren Bindung der Teilnehmer ließ sich nur bedingt nachweisen.
Beide Fallstudien offenbarten mehrere Verfahrenselemente, über die versucht wurde,
Teilnehmer gezielt von einer Phase zur nächsten oder zwischen unterschiedlichen
Angeboten zu leiten. Beispielsweise wurden Elemente wie die Ideenbox auf der Auftaktveranstaltung oder Anfangsstatements schon vor Beginn der Diskussion eingesetzt, um eine enge Verbindung zwischen Vorlauf und Diskussionsphase
herzustellen. Sie erweiterten klassische Informationsangebote durch interaktive Elemente, die das Interesse der Teilnehmer auf die weiteren Angebote lenken sollten.
Weitere Verfahrenselemente wurden eingesetzt, um die Teilnehmer dauerhaft an den
Prozess zu binden. Von Mailinglisten, Rundmails bis zu Werbeartikeln wie beispielsweise Kühlschrankmagneten wurden den Teilnehmern unterschiedliche Angebote
gemacht, sich langfristig an die Beteiligungsprojekte zu binden. Deutlich wurde, dass
Online-Elemente diesbezüglich eine stärkere Wirkung haben auf Grund ihrer Eigenschaft als Push-Medien. Angebote an die Teilnehmer, das Verfahren langfristig zu
verfolgen, nachzuvollziehen und an den jeweiligen Schritten teilzunehmen, sind
90
Teil 3: Schlussfolgerungen
durch mehrere medienübergreifende Elemente gemacht worden. Dennoch befinden
sich diese Konzepte noch in einer frühen Entwicklungsphase. Um den Teilnehmern
besser vermitteln zu können, wann ihre Interaktion gefragt ist und welchen Effekt sie
zu diesem Zeitpunkt auf den Gesamtprozess haben, muss zukünftig mehr darauf
geachtet werden, klare Ablaufmodelle zu entwickeln339, speziell wenn unterschiedliche Beteiligungskanäle angeboten und aufeinander abgestimmt werden sollen.
Schließlich ist es beiden Projekten gelungen, das breite Spektrum an Teilnehmern
und Meinungen in das Endergebnis überzuleiten. Es zeigte sich, dass die Auswahl
der Beteiligungsmethoden in beiden Projekten zugeschnitten war auf die Anforderungen der Aufgabenstellung. In Lichtenberg sollten die Teilnehmer bei der Erarbeitung unterschiedlicher Vorschläge unterstützt werden. Darauf wurde der OnlineDialog ausgerichtet und die Methode Open Space ausgewählt. Es zeigte sich, dass
die Vernetzung zwischen den Methoden organisatorisch und auf Grund der qualitativen Unterschiede innerhalb der Beteiligungskanäle schwierig war. Im Mauerdialog
bewährte sich der Online-Dialog als zentraler Beteiligungskanal, weil die textbasierte
Kommunikation und die Möglichkeit, anonym zu bleiben Vorteile für die Diskussion
über ein emotionales Thema boten. Dennoch wurde die vertrauensbildende Funktion
von Präsenzveranstaltungen als wichtiger ergänzender Teil der Konzeption deutlich.
Beide Projekte verdeutlichen die Notwendigkeit einer begleitenden Moderation. Im
Mauerdialog spielte diese eine stärker inhaltliche Rolle als in Lichtenberg, sowohl als
Transporteur der Inhalte nach außen als auch beim Zusammenfassen der Ergebnisse. Im Projekt Bürgerhaushalt Lichtenberg nahm die Moderation stärker eine leitende
Funktion ein.
Beide Projekte lassen die Frage offen, ob ein Konsens über unterschiedliche Medien
hinweg gefunden wird, das heißt medienübergreifende Deliberation stattfinden kann.
Wie die Fallstudie Mauerdialog zeigt, können Beiträge zwar in andere Kommunikationskanäle überführt werden, auf diese Weise sind die ursprünglichen Teilnehmer
aber nicht weiter am Diskurs beteiligt. Das gleiche Problem betrifft das ergänzende
Angebot Beiträge per Post einzusenden. In der Fallstudie Lichtenberg spielte dies
eine untergeordnete Rolle, weil Ideen entwickelt wurden, die nebeneinander stehen
konnten und hinterher im Prozess über mehrere Iterationsschleifen zusammenge-
339
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
91
Kapitel 8: Erkenntnisse
führt wurden, das heißt, sich Teilnehmer und Argumente im Prozess trafen.340 Im
Mauerdialog hingegen gestaltete sich dies schwieriger, weil ein zusammenfassendes
Ergebnis als vorläufiger Abschluss formuliert werden sollte. Letztendlich zeigen beide
Fallstudien, dass die Instanz eines Redaktionsteams oder der Moderation in Verbindung mit einem iterativen Prozess die „medienübergreifenden Elemente“ sind, welche bis auf weiteres den wechselseitigen Austausch von Gedanken und Meinungen
über mediale Grenzen hinweg gewährleisten.
Als erfolgreich erwies sich in beiden Projekte die Gewichtung der Inhalte auf einer
Abschlussveranstaltung, in der die jeweiligen Entscheidungsträger anwesend waren.
Dadurch wurden die Ergebnisse nicht nur für den politischen Entscheidungsprozess
aufbereitet, sondern über die Stellungnahmen der Politiker vor Ort bzw. in einer
Rechtfertigung direkt in diesem verankert. Die Teilnehmer erfuhren dadurch eine
besondere Wertschätzung ihrer Ergebnisse, und die anwesende Presse konnte direkt im Anschluss über die Ergebnisse berichten.
Insgesamt kann festgestellt werden, dass in beiden Projekten die Qualität der Ergebnisse durch ein breiteres Spektrum an Meinungen und Ideen verbessert und durch
die entsprechenden medienübergreifenden Elemente gesichert werden konnte. Auf
Grund der potenziellen Probleme beim Transfer von Meinungen zwischen unterschiedlichen Beteiligungsmethoden zeigt sich jedoch, dass die Qualität des Gesamtdiskurses sehr stark von der Konzeption des Verfahrens abhängt.
Auch wenn ein Methodenmix in der Bürgerbeteiligung letztendlich nichts Neues ist,
konnte diese Arbeit zeigen, dass durch medienübergreifende Verknüpfung von Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien weitergehende Synergieeffekte entstehen, die bislang nicht möglich waren. Alle positiven Wirkungen sind letztendlich
jedoch projektabhängig und können nur durch eine abgestimmte medienübergreifende Konzeption erreicht werden. Die zentrale Forschungsfrage: Haben Verknüpfungen
von unterschiedlichen Beteiligungsmethoden und Kommunikationsmedien positive
Auswirkungen auf Beteiligungsverfahren?, kann demnach positiv beantwortet werden, auch wenn genauere Aussagen darüber, wie stark diese Wirkungen sind und
welche anderen positiven Wirkungen entstehen können, weiterer Forschung bedarf,
und die Verfahren in folgenden Projekten weiterentwickelt werden müssen.
340
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
92
Teil 3: Schlussfolgerungen
8.1 Handlungsempfehlungen
Die vorangegangenen Erkenntnisse der Untersuchung werden abschließend zu einer
knappen Liste von Handlungsempfehlungen zusammengefasst. Diese Liste ist exemplarisch und nicht abschließend, es bleibt zu beobachten, wie sich in der Praxis
neue Verfahren etablieren und die zur Verfügung stehenden Medien im Verfahren
vorteilhaft integrieren.
Zehn Handlungsempfehlungen für erfolgreiche medienübergreifende Bürgerbeteiligung:
1. Timing: Um zu gewährleisten, dass medienübergreifende Angebote über unterschiedliche Kanäle gleichberechtigt stattfinden, müssen die einzelnen Elemente aufeinander abgestimmt werden. Dies gilt sowohl für Phasen, in denen
über unterschiedliche Kanäle vergleichbare Ergebnisse erarbeitet werden, als
auch für ergänzende Angebote und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit.
2. Öffentlichkeitsarbeit: Durch eine medienübergreifende Öffentlichkeitsarbeit
kann das Beteiligungsangebot verständlich und als ernst gemeintes Angebot
vermittelt werden. Eine Kombination aus einfachen Maßnahmen mit breiter
Reichweite und wenig Inhalt (E-Mails, Flyer, Multiplikatoren) mit einem tiefen
Informationsangebot (Internet, Veranstaltungen, Bürgerspaziergängen) hilft,
unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen und zu informieren.341
3. Teilnehmerbindung: Um Teilnehmer bei medienübergreifenden Projekten
über alle Phasen zu beteiligen, sollte sich das Verfahren an einer zentralen
Zeitleiste orientieren, die breit kommuniziert wird. Dies sollte unterstützt werden durch Möglichkeiten der gezielten Information. Dazu zählen Instrumente
wie Mailinglisten, Rundmails, Flyer etc. die einen niedrigschwelligen Zugang
zu den Beteiligungsangeboten bieten.
4. Internetauftritt: Der Internetauftritt sollte das Rückgrat von Beteiligungsprozessen sein, selbst wenn die Beteiligung nur über Präsenzveranstaltungen
341
Vgl. Below, Sally: Interview am 24.08.2006.
93
Kapitel 8: Erkenntnisse
stattfindet.342 Hier laufen alle Fäden zusammen: Informationen werden in großer Tiefe bereitgestellt, Beteiligung findet über einen Online-Dialog oder andere Formate statt, und die Ergebnisse werden transparent dokumentiert.
5. Medienübergreifender Start: Durch die Integration von bestehenden Beiträgen (Zeitungsartikel, Leserbriefe, Statements von Prominenten) in Beteiligungsangeboten343 kann Aufmerksamkeit generiert und der Start der
Diskussion beschleunigt werden. Dazu zählt, Teilnehmer schon vor dem Start
des Dialogs zu sammeln (Online-Registrierung, Mailinglisten) und Fragen oder
erste Statements als Aufhänger für die Diskussion zu nutzen (Online, SMS,
Fragebögen, Postkarten). Eine große Auftaktveranstaltung verschafft den folgenden Beteiligungsangeboten Aufmerksamkeit bei potenziellen Teilnehmern
und Presse.
6. Kompatible Beteiligungsmethoden: Wenn unterschiedliche Beteiligungskanäle in einer Phase angeboten werden, sollten Beteiligungsmethoden gewählt
werden, die zusammenpassen. Dies kann beispielsweise die Kombination
Open Space/Online-Dialog sein, oder Methoden wie das 21st Century Town
Meeting, welches face-to-face und online durchführbar ist. Die Methoden und
Kanäle, über die sie angeboten werden, sollten anhand der spezifischen Anforderungen des Projekts ausgewählt werden, um ihre jeweiligen Stärken auszunutzen.
7. Erweiterungsangebote: Instrumente der Information (Spaziergänge, Infoveranstaltungen) sollten durch Rückkanäle erweitert werden, um Teilnehmer und
Meinungen in die eigentlichen konsultativen oder partizipativen Angebote überzuleiten.
8. Ergebniszusammenführung: In verschiedenen Beteiligungskanälen erarbeitete Ergebnisse sollten über entsprechende Zwischenschritte, entweder über
ein Redaktionsteam oder die Moderation aufbereitet und wieder an alle Zielgruppen zurückgegeben werden, zur Gewichtung oder weiteren Bearbeitung.
342
343
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 249.
94
Teil 3: Schlussfolgerungen
Nur so kann ein Austausch unter den verschiedenen Zielgruppen stattfinden,
mit gegenseitigem Verständnis im Hinblick auf ein gemeinsames Ergebnis.
9. Durchgängigkeit: Medienübergreifende Konzepte sollten durchgängig gestaltet werden, um Teilnehmer nicht von bestimmten Phasen des Verfahrens auszugrenzen. Wenn Teilnehmer für den Prozess gewonnen werden und sich
einbringen, sollte ihnen ermöglicht werden, bis zum Ende des Verfahrens teilzunehmen.344
10. Medienübergreifender Abschluss: Eine abschließende Veranstaltung ist
sinnvoll, um die Ergebnisse vorzustellen und abschließend zu gewichten, um
sie im politischen Prozess zu verankern und eine mediale Aufmerksamkeit zu
generieren, welche die Ergebnisse nach außen trägt.345 Der Transfer der Ergebnisse in die Öffentlichkeit sollte durch unterschiedliche Massenmedien und
Bereitstellung in verschiedenen Medien stattfinden (Tageszeitungen, Broschüren, Downloads)346.
8.2 Ausblick
Die Ergebnisse dieser Arbeit sind ein Schritt, die Konzeption von medienübergreifender Bürgerbeteiligung zu evaluieren und als Handlungsempfehlungen zusammenzufassen. Nach Aussage der meisten Interviewpartner befindet sich dieses Feld gerade
in einer ersten Entwicklungsstufe347, Innovationen müssen in weiteren Projekten
ausprobiert und über Begleitforschung reflektiert werden. Von großem Interesse
dürfte hier der Abschlussbericht des Projekts Medienmix in der Bürgerbeteiligung
sein, der Ende des Jahres veröffentlicht wird.348
Insgesamt müssen vor allem die Kommunikationsschnittstellen zwischen den einzelnen Methoden und Kommunikationsmedien weiter erforscht werden. Die Probleme
dieser Arbeit sollten bei der Konzeption zukünftiger Evaluationsprojekte in Betracht
gezogen werden. Um medienübergreifende Verfahren sinnvoll auswerten zu können,
müssen in allen Kanälen vergleichbare Daten aufgenommen werden. Gerade bei der
344
Im Falle des Mauerdialogs wäre beispielsweise eine Online-Umfrage als Ergänzung eine Möglichkeit gewesen, die Teilnehmer von außerhalb Berlins an der Gewichtung der Ergebnisse zu beteiligen.
345
Vgl. Riedel, Daniela: Interview am 31.08.2006.
346
Vgl. Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 250.
347
Vgl. Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006 und Westholm, Hilmar: Interview am 21.08.2006.
348
Vgl. Westholm, Hilmar: Interview am 21.08.2006.
95
Kapitel 8: Erkenntnisse
tiefer gehenden Untersuchung der Verknüpfungen ist es notwendig, bereits vor Start
der Beteiligungsprojekte eine projektbegleitende Datensammlung zu konzipieren.
Von großem Interesse für weitere Innovationen im Bereich der medienübergreifenden Bürgerbeteiligung wird es sein, Fallbeispiele in verwandten Feldern weiter zu
beobachten und als Inspiration heranzuziehen. Als beispielhaft können hier die Kampagne 1000 Fragen der Aktion Mensch349 und das Projekt DroppingKnowledge350
gelten. Erstere führte über mehrere Beteiligungskanäle einen Diskurs über Bioethik
durch, der begleitend über Plakataktionen veröffentlicht wurde, um neue Phasen des
Diskurses einzuleiten. Und letzteres Beispiel sammelte medienübergreifend die
drängendsten Fragen der Menschheit, für die bei einem zwischenzeitlichen Höhepunkt, von über 100 weltweiten Vordenkern in einer Präsenzveranstaltung auf dem
Berliner Bebelplatz Antworten gesucht wurden, die eine weitergehende globale Diskussion im Internet anregen sollten.
Es bleibt abzuwarten, wie die beiden Lager der Präsenzmoderation und ePartizipation weiter aufeinander zugehen und ihre jeweiligen Stärken in medienübergreifenden
Konzepten für Bürgerbeteiligungsverfahren zusammenführen.
349
350
http://www.1000fragen.de/.
http://www.droppingknowledge.org.
96
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Übersicht eGovernment ................................................................................16
Abb. 2: Sender-Empfänger-Modell ............................................................................21
Abb. 3: Kommunikationsquadrat................................................................................22
Abb. 4: Encoding-Decoding-Modell ...........................................................................24
Abb. 5: Stufen der Bürgerbeteiligung.........................................................................25
Abb. 6: Veranschaulichung der Medien- und Methodenwahl.....................................42
Abb. 7: Politikzyklus...................................................................................................50
Abb. 8: Verfahren Bürgerhaushalt Lichtenberg..........................................................59
Abb. 9: Online-Dialog.................................................................................................61
Abb. 10: Open-Space-Veranstaltung .........................................................................61
Abb. 11: Plenum Open-Space-Veranstaltung............................................................62
Abb. 12: Sitzung Redaktionsteam .............................................................................63
Abb. 13: Diskussionsbeiträge im Online-Dialog.........................................................69
Abb. 14: Mauerreste an der Bernauer Straße............................................................72
Abb. 15: Konzept Erweiterung der Gedenklandschaft Berliner Mauer an der Bernauer
Straße........................................................................................................................73
Abb. 16: Verfahren Berliner Mauerdialog...................................................................76
Abb. 17: Wiki-Artikel im Online-Dialog .......................................................................78
Abb. 18: Bürgerspaziergang ......................................................................................78
Abb. 19: eMeeting......................................................................................................79
VII
Anhang
Übersichtenverzeichnis
Übersicht 1: Zusammenhang zwischen Kommunikationsbeziehungen und Medien .28
Übersicht 2: Hypothesen und Bedingungen ..............................................................55
Übersicht 3: Aspekte der Medienwahl - Information ...............................................XVII
Übersicht 4: Aspekte der Medienwahl - Konsultation und Partizipation .................XVIII
VIII
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Schulz von Thun, Friedemann: Miteinander Reden, Bd. 1+2, Hamburg, 1981
Schulz, Iren: Report Medienkonvergenz Monitoring - Theoretische und methodische Grundlagen,
Leipzig, 2005
Schulz, Winfried: Medialisierung - Eine medientheoretische Rekonstruktion des Begriffs - Beitrag zur
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Erfurt, 2004
Selle, Klaus: Kommunikation ohne Wachstum. Übers Schrumpfen reden? in: Rösner, Britta; Selle,
Klaus: KiP - Kommunikation im Planungsprozess Bd. 3. Kommunikation gestalten Beispiele und Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis, Dortmund, 2003
Selle, Klaus: Nachhaltige Kommunikation und Bürgerorientierung. Stärken, Schwächen, Erfolgsfaktoren, Hannover, 1999
Selle, Klaus: Planung und Kommunikation. Gestaltung von Planungsprozessen in Quartier, Stadt und
XIII
Anhang
Landschaft. Wiesbaden, Berlin, 1996
Selle, Klaus: Was? Wer? Wie? Warum? Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Nachhaltigen
Kommunikation. Dortmund, 2000
Sinning, Heidi: Kommunikative Planung. Leistungsfähigkeit und Grenzen am Beispiel nachhaltiger
Freiraumpolitik in Stadtregionen, Stadtforschung aktuell, Bd. 85, Opladen, 2003
Sinning, Heidi: Zielgruppengerechte Ansprache beim Einsatz Neuer Medien – Theoretische Einordnung und multimediales Potenzial des Internets, in: Heidi Sinning (Hrsg.): Virtuelle
Planungskommunikation - Perspektiven für zielgruppengerechte Ansprache, RaumPlanung spezial, Ausg.9, S.7-30, 2005
Sinus Sociovision: Informationen zu den Sinus Milieus 2005, Heidelberg, 2005, http://www.sinussociovision.de/Download/informationen%20012005.pdf, Zugriff am 13.07.2006
Statistisches Bundesamt Deutschland: Ausstattung privater Haushalte mit Informations- und Kommunikationstechnik in Deutschland, Wiesbaden,
2003,http://www.destatis.de/basis/d/evs/budtab6.php, Zugriff am 17.08.2006
Swoboda, Hannes: Demokratisierung im Planungsprozess. in: Wien (Hrsg.): Planung Initiativ - Bürgerbeteiligung in Wien, Wien, 1994
Verband Deutscher Zeitschriftenverleger: Warum Crossmedia besser wirkt – Ergebnisse der VDZPilotstudie, Berlin, 2004
Westholm, Hilmar: Mit eDemocracy zu deliberativer Politik? Zur Praxis und Anschlussfähigkeit eines
neuen Mediums, In: Institut für Technikfolgenabschätzung der österreichischen Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): ITAmanu:script, Ausg. 12, Wien, 2002,
http://www.oeaw.ac.at/ita/pdf/ita_02_06.pdf, Zugriff am 26.07.2006
Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner – Zielgruppengerechte Ansprache durch einen konsequenten Medienmix, in: Heidi Sinning (Hrsg.): Virtuelle Planungskommunikation - Perspektiven für zielgruppengerechte Ansprache, RaumPlanung spezial, Ausg.9, S.43-56,
2005
Witschge,Tamara: Online Deliberation: Possibilities of the Internet for Deliberative Democracy, Euricom Colloquium Electronic Networks & Democratic Engagement, 2002
XIV
Gesprächspartner Experteninterviews
Below, Sally: Sally Below Cultural Affairs, Öffentlichkeitsarbeit Mauerdialog, Interview am 24.08.2006
Hagedorn, Hans: Zebralog, Projektleiter Online-Dialog im Bürgerhaushalt Lichtenberg, Interview am
30.08.2006
Hermann,
Sabine:
Daponte,
Öffentlichkeitsarbeit
Bürgerhaushalt
Lichtenberg,
Interview
am
04.09.2006
Hertzsch, Wenke: Difu - Deutsches Institut für Urbanistik, Online-Moderation Bürgerhaushalt Lichtenberg, Interview am 06.09.2006
Riedel, Daniela: Zebralog, Projektleiterin Mauerdialog, Interview am 31.08.2006
Westholm, Hilmar: IFIB, Projektleiter "Medienmix in der Bürgerbeteiligung, Interview am 21.08.2006
XV
Anhang
Interviewleitfaden für Experteninterviews
Einleitende Fragen:
-
Was verstehen Sie unter medienübergreifender Bürgerbeteiligung?
-
Was für Vorteile bieten medienübergreifende Verfahren im Vergleich zu klassischen
Angeboten oder ePartizipation?
Projektbezogene Fragen:
-
Was waren Anlass und Grund den Prozess medienübergreifend zu gestalten?
-
Wie kann die Beziehung zwischen Präsenz- und Online-Aktivitäten in Bezug auf ihre
Funktion im Projekt beschrieben werden?
Wie wurden Elemente der Öffentlichkeitsarbeit und Mitwirkungsangebote verknüpft, um verschiedene
Zielgruppen einzubinden?
-
Wie sahen die Mobilisierungsstrategien und Beteiligungsangebote für unterschiedliche
Zielgruppen aus?
-
Wie wurden die Angebote von unterschiedlichen Zielgruppen angenommen?
Welche Verknüpfungen, oder Verfahrenselemente, wurden konzipiert um das Verfahren effizienter zu
gestalten?
-
Wie wurde die Öffentlichkeitsarbeit in das Beteiligungsverfahren integriert?
-
Wurden verschiedene Phasen des Projekts medienübergreifend verknüpft?
-
Wie hat die medienübergreifende Kommunikation zwischen den Beteiligten (Auftraggebern, Projektteam und Teilnehmern) funktioniert?
Durch welche Verfahrenselemente wurde im Verfahren die Ergebnisqualität gesichert?
-
Wie wurden die Ergebnisse der einzelnen Beteiligungskanäle zusammengeführt?
-
Waren alle Kanäle gleichberechtigt berücksichtigt, oder gab es Verzerrungen?
-
Hat das Verfahren dazu beigetragen bessere Ergebnisse zu erzielen?
Welche Barrieren sind während des Verfahrens in Bezug auf die medienübergreifende Konzeption
aufgetreten?
Ausblick:
-
Welche Erfahrungen und Lehren können aus dem Projekt gezogen werden für die Gestaltung medienübergreifender Beteiligungsverfahren?
-
Wo befinden wir uns auf dem Weg zu medienübergreifender Bürgerbeteiligung?
XVI
Medienwahl
Medien der Information:
Aspekt
Beschreibung
Beispielhafte Veranschaulichung
Reichweite
Wie weit ist das Medium verbreitet?
Offener Kanal Berlin oder ARD
Informationsmenge
Wie ausführlich oder komplex sind
Flyer oder Website
die zu vermittelnden Informationen?
Medienwirksamkeit
Neuigkeitswert, Anschaulichkeit und
Fernsehen oder Tageszeitung
Bildhaftigkeit der Information?
Gatekeeper
Dürfen
die
Informationen
durch
Website oder Tageszeitung
Journalisten gefiltert werden?
Multiplikatoren
Stehen Multiplikatoren zur Verbrei-
Lehrer verteilen Flyer oder Flyer
tung zur Verfügung?
werden an zentralen Orten ausgelegt
Ansprache
Sollen die Zielgruppen zielgerichte-
E-Mail oder Werbebanner
tet oder breitgestreut angesprochen
werden?
Vermittlung
Welche
Sprache
sprechen
die
Jugendslang oder Türkisch
Zielgruppen?
Verbreitung
Wie sehen die Nutzungsgewohnhei-
SMS oder Tageszeitung
ten der Zielgruppe aus?
Format
Welche Formate werden von der
Bravo oder Die Zeit
Zielgruppe nachgefragt?
Darstellungsform
Welche Formsprache ist die Ziel-
Knallbunt
gruppe gewohnt?
schwarz-weiß
oder
konservativ
Übersicht 3: Aspekte der Medienwahl - Information
351
Medien der Konsultation und Partizipation:
Aspekt
Beschreibung
Veranschaulichung
Beteiligungsziel
Was soll erarbeitet werden?
Konfliktlösung oder Ideenfindung
Identität
Wie wichtig ist der soziale Aspekt
Diskussion am Runden Tisch oder
einer Zusammenkunft im Vergleich
Anonymer Chat
zum Schutze der Anonymität des
Internets?
Präferenzen
Welche
werden
Kommunikationswege
von
den
SMS oder Brief
Zielgruppen
bevorzugt genutzt?
Ort
Leben die Zielgruppen räumlich
Präsenzveranstaltung oder Online-
verstreut oder konzentriert?
Dialog
351
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Westholm, Hilmar: Nicht alle sind Onliner, S. 46ff., Below, Sally:
Interview am 24.08.2006 und Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
XVII
Anhang
Phasen
Sind
mehrere
Zwischenphasen
notwendig um das Beteiligungsziel
Eine
Präsenzveranstaltung
oder
Multi-channel Angebote
zu erreichen?
Moderation
Antwortmodus
Soll der Meinungsaustausch durch
Chaotisches
Online-Forum
einen Moderator geleitet werden?
Moderierter Online-Dialog
Wie soll auf andere Meinungen
Limitiert
reagiert werden können?
Präsenzveranstaltung vs. Ausführ-
durch
Zeitrahmen
vs.
der
lich im Online-Dialog
Ausführlichkeit
Dauer
Wie ausführlich werden die ausge-
Kurzes Statement per SMS oder
tauschten Statements oder Mei-
Langer schriftlicher Beitrag oder
nungen sein?
Vortrag
Wie viel Zeit soll den Teilnehmen
Präsenzveranstaltung oder Online-
zur
Dialog
Gedankenfindung
werden
(Synchron,
gegeben
asynchrone
Kommunikation)
Form
Soll der Schwerpunkt auf vertrau-
Schriftliche oder mündliche Diskus-
ensbildendem persönlichen Kontakt
sion
und Emotion, oder Klarheit und
sachlicher Argumentation liegen?
Übersicht 4: Aspekte der Medienwahl - Konsultation und Partizipation352
352
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Märker, Oliver: Online-Mediation als Instrument für eine nachhaltige Stadt- und Regionalplanung, S. 209 und Hagedorn, Hans: Interview am 30.08.2006.
XVIII
XIX
Anhang
XX