Der Dieb. Die Daten.
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Der Dieb. Die Daten.
Der Fürst. Der Dieb. Die Daten. TATSACHENBERICHT von HEINRICH KIEBER 1 INHALT Seite Vorwort 4 Urheberrechte / Hinweis / Erklärung / Abkürzungen 6 Kapitel: K1 1997 – ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS 9 K2 Zimmer unter den Alten 97 K3 Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld 101 K4 Ein Kübel voll Schweineblut 124 K5 Die Welt des schmutzigen Geldes 133 K6 Heiligsprechung unter Vollnarkose 152 K7 Dicke Post für Hans-Adam 167 K8 Wenn Herr KIEBER eine Reise tut 196 K9 Chaos-Tage ohne Ende 252 K10 Heinrich! Mir graut's vor Dir! 274 K11 Die Polizei – Dein Freund & Helfer ! 284 K12 Holländischer Käse 296 K13 Ein Essen für Sechs Euros 318 K14 Weisswein und Rotes Blut 323 K15 Heinrich's Tod in Utrecht 335 K16 Vier mal 9 mm 370 K17 Explosives Gutachten und Freies Geleit 384 K18 Ach wie gut das niemand weiss.... 388 K19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe 398 K20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam 408 K21 Blutspur auf dem Rheindamm 425 K22 Es muss sich was ändern, damit... 452 K23 Überraschung! Überraschung! 479 2 K24 Führt die Todesstrafe wieder ein 501 K25 Der Feind hört mit 505 K26 Gnade im Sonderangebot 524 K27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome 543 K28 Listen, Listen - wer hat noch keine? 553 K29 Zürcher Geschnetzeltes 571 K30 Afrikanische Hitze 592 K31 D A V I D 601 K32 My BIG Brother is watching YOU! 613 K33 Skandal! Skandal! Wirklich, der Skandal? 620 K34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins? 623 K35 Gib mir Deine Kohle! 630 K36 Letzter Akt! Vorhang auf für ..... 636 EPILOG 647 INTERNETLISTE 650 3 Vorwort Geschätzte Leserin, Geschätzter Leser Was haben wir in den vergangenen Monaten nicht alles über den „grössten Steuerskandal Deutschlands - die Liechtenstein-Affäre - die grösste Sensation 2008‚ weltweit lesen können. Jede und jeder hatte dazu etwas zu sagen. Die Steuerfahndung, der BND, Finanzminister Peer Steinbrück, Kanzlerin Angela Merkel, Parteien von rechts bis links, diverse sonstige Behörden, die Medien, ja selbst ein Bischof und natürlich Fürst Hans-Adam und sein Clan, plus seine Regierung in Liechtenstein und die LGT Banken- und Treuhandgruppe. Pünktlich zum Karneval 2008 brach eine weltweite FasnachtsSchnitzeljagd nach tausenden Steuersündern aus. Völlig zu Recht, wie auch die solide Mehrheit meint. Zu einer anderen Hetze, ganz nach seinem Geschmack hat Hans-Adam schnell geblasen: die auf den Dieb, den Bankdaten-Terroristen, wie die hohen Finanz-Herren aus Vaduz ihn nun nannten. Der Dieb, ja der war ich. Der kleine Tropfen Öl, na ja, vielleicht waren es doch ein paar Gallonen, die ich in das nur scheinbar lupenreine Trinkwasser des Fürstenhaushaltes sowie der Liechtensteiner Regierung geworfen hatte, hat unglaubliche Wellen geschlagen. Für viele Menschen ist es schon erstaunlich, ja geradezu faszinierend beobachten zu können, mit welcher multimedialer Kraftanstrengung Hans-Adam und seine MarionettenRegierung geradezu paranoid und krankhaft ständig damit beschäftigt sind, die Weltöffentlichkeit und insbesondere auch das eigene Volk zu täuschen, bzw. einer fortdauernden Gehirnwäsche zu unterziehen. Beim Volk den Hasspegel auf mich ja extrem hoch zu halten. Damit der Fokus immer schön auf den ‚bösen, bösen‚ Kieber bleibt. Und niemand wirklich einmal richtig der Sache auf den Grund geht und in Frage stellt. ERSTENS über die Art und Weise wie die Hohen-Finanz-Herren in Liechtenstein ihre oft schmutzigen Bank/Treuhand-Geschäfte tätigen, bzw. ausgeführt hatten. 4 Und ZWEITENS über die Wahren Gründe seitens des Datendiebs und die Wahren (illegalen und durchaus kriminellen) Handlungen von Hans-Adam und seiner Regierung in der ganzen Angelegenheit ‚der Fürst- der Kieber-die Daten‚ . Zu dem was in den verschiedenen Medien berichtet wurde, kann ich nur in ganz, ganz wenigen Fällen meine Zustimmung geben. Über vieles habe ich bloss den Kopf schütteln können. Oft musste ich auch schmunzeln, denn ganz ohne Humor lässt sich dieses eher traurige Multi-Akt-Drama nicht durchstehen. Ein paar Seiten in einer Zeitung oder ein TV-Interview reichen einfach nicht aus, um die wahren Hintergründe, die zu dieser einmaligen Sensation führten, aufzuzeigen. Knallharte Hintergründe, deren Veröffentlichung Hans-Adam und seine Vasallen unbedingt verhindern wollen. In diesem Buch, meinem Buch, gebe ich euch einen sehr tiefen und detaillierten Einblick in die Umstände, wie es geschehen konnte, dass das was 1997 mit meiner Folter tief im südamerikanischen Kontinent begonnen hatte, elf Jahre später mit der öffentlichen Zündung der deutschen Datenbombe endete. Wie es soweit kommen konnte, dass z.B. Leute wie Klaus Zumwinkel live im Frühstücksfernsehen abgeführt wurden. Es ist eine bewegende Geschichte, bitter für alle Seiten, obendrein oft peinlich. Ich kann enthüllen wie Hans-Adam seine heiligste aller heiligen Kühe, die LGT Gruppe, krampfhaft schützte und seinen mittelalterlichen Herrschaftsanspruch verteidigte. Wie er sein Geld, seine Macht und Position als Staatsoberhaupt missbrauchte, um mit Hilfe der Marionetten-Regierung in Vaduz die Veröffentlichung der Daten zu verhindern und sie alle nicht davor zurückschreckten, dafür Methoden anzuwenden, die meilenweit entfernt von Gut und Böse waren. Natürlich kriege auch ich mein Fett im Buch ab. Ehrenwerte Personen gibt es in dieser Geschichte wenige. Ich bin zuversichtlich, dass jeder von euch am Ende des Buchs ein eigenes, komplettes Bild über diesen Skandal machen kann. Nun denn, ich wünsche euch reichlich Lesevergnügen. Vielen Dank Heinrich Kieber Washington, D.C. Valentinstag, 15.Februar 2009 PS Am Ende des Buches findet ihr eine Liste mit interessanten Internetwebseiten. 5 Urheberrechte/ Hinweis / Erklärung / Abkürzungen Urheberrechte © Heinrich Kieber 2009 Alle möglichen Rechte (Copyright) zu diesem Buch und den Fotos / Zeichnungen liegen ausschliesslich bei Heinrich KIEBER. Das Buch darf nur für den PRIVATEN Gebrauch verwendet werden. Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung vom Rechteinhaber darf für KOMMERZIELLE Zwecke aus diesem Buch nichts kopiert, weitergegeben, veröffentlicht, zitiert oder anderweitig verwendet werden. Hinweis Für dieses Buch habe ich so oft wie möglich Originaltexte verwendet. Alle Originaltexte haben als Unterscheidung zur restlichen Niederschrift links und rechts einen b r e i t e r e n Seitenrand, sind also als Textblock beidseitig nach innen verschoben. Kurze Originalzitate haben jeweils am Anfang das Zeichen OZA- und am Ende das Zeichen -OZE. Bei dem in Buch genannten BANKDIREKTOR handelt es sich um Herrn Dr. Pius Schlachter der LGT Bank. Bei dem in Buch genannten PROFESSOR handelt es sich um den Kriminalpsychologen Herrn Dr. Thomas MUELLER. Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr oft kurze Anmerkungen. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer mit „ Anm.: “ an. An wenigen Stellen musste ich – von Dritten angeordnet - aus rechtlichen Gründen und in einigen Fällen aus Sicherheitsüberlegungen 6 diverse Originalnamen und/oder Originalindizien abkürzen oder ganz umbenennen. Auch musste ich Textstellen ganz oder teilweise weglassen, was dann mit dem Zeichen ‚OT Entfernt‚ gekennzeichnet ist. Alle erwähnten Plätze, Städte, Länder, Sachdetails und Zeitangaben entsprechen den wahren Örtlichkeiten oder Gegebenheiten. In meiner nächsten, kommenden Veröfftenlichung werde ich eine unzensierte Version frei vorlegen können. Erklärung zu Zeichnungen, Fotos und dem Diagramm Die drei Bleistiftzeichnung im Buch sind Originalabdrucke von Handzeichnungen, die ich im September 1997 für das Landgericht Vaduz habe anfertigen lassen. Alle Fotos in diesem Buch (Ausnahme Titelseite) sind Originalabzüge von den Fotos die ich im Dezember 1997 (Kette und ich) oder Februar 1998 (Turmnachbau) für das Gericht habe herstellen lassen. Die abgebildete Person auf den Fotos bin ich selber. Alle Fotos wurden von meinem Vater Alfons erstellt. Wie tief die Wunden (zwei runde Verbrennungspunkte und horizontale Schürfwunde) waren, kann man auf einigen Fotos noch sehr gut sehen, obwohl die Wunden damals schon neun Monate alt waren und auch medizinisch behandelt wurden. Das Drei-Seiten-Diagramm wurde an Ostern 1998 von mir für das Gericht angefertigt. Der Originaltitel: "Psychogramm vom Opfer - Grafik über den Psychoterror und die seelische Grausamkeit während der Gefangenschaft". Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge) AVOR = Arbeitsvorbereitung (fürs Scannen von Treuhanddokumente) BAK = Belegartenkatalog (Index zu jedem Treuhanddokument) DB = Drittbegünstigter (einer Stiftung) DL / LF = Durchlaucht / Landesfürst Hans-Adam 7 EB = Erstbegünstigter (z.B. einer Stiftung) FL = Fürstentum Liechtenstein IT = EDV / IT Abteilung KKZ = Kriegskommandozentrale (in Vaduz) KYC = (Englisch) Know Your Customer („Kenne Deine Kunden‚Profile) LG = Landgericht Vaduz LR = Landrichter LTV = LGT Treuhand Vaduz (alte firmeninterne Abkürzung) NGO’s = Nicht-Regierungs-Organisationen OG = Obergericht Vaduz OGH = Oberster Gerichtshof Vaduz OT = Originaltext OT Entfernt = Weggelassene Textstellen (siehe unter Hinweis) OZA- = Start Original-Kurzzitat -OZE = Ende Original-Kurzzitat RA = Rechtsanwalt / Rechtsanwälte SR = Stiftungsrat (einer Liechtensteiner Stiftung) STA = Staatsanwaltschaft / Staatsanwalt / Staatsanwältin StGB = Strafprozessgesetzbuch StPO = Strafprozessordnung UR = Untersuchungsrichter oder- richterin VR = Verwaltungsrat (bei Liechtensteiner Anstalten, AG’s) WB = Wirtschaftlicher Berechtigter (z.B. einer Stiftung) ZB = Zweitbegünstigter (z.B. einer Stiftung) 8 Kapitel 1 1997 - ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS SWISSAIR Flug Nr. SR 143, von Buenos Aires nach Zürich, 30 Minuten seit Take-Off, C-Class, 1. Reihe rechts, Fensterplatz. Ein Mann sitzt zittern, schwitzend und mit sehr ängstlichen Augen unruhig auf dem ihm gerade neu zugewiesenen Platz. Nicht nur ist sein Verhalten äusserst verdächtig (Gott sei Dank waren dies noch die "Vor 9/11"Zeiten, sonst hätte er es gar nicht bis in das Flugzeug geschafft), nein, er hat auch noch seltsame, blutbesudelte, weisslich-gelbe Stofffetzen um seinen Hals und die beiden Handgelenke gewickelt. Seit dem Abflug hat er nicht aufgehört zu weinen. Sonst eher eine Plaudertante, konnte er praktisch fast nicht mehr sprechen. Es reichte aber aus, dem netten Steward in der Economyklasse, der sich Sorgen um ihn machte, zu erzählen, dass er vor Jahren selber 5 Jahre lang mal bei der SWISSAIR gearbeitet hatte und damit ein Flugzeug, diese Flugzeug irgendwie Heimat für ihn bedeutete. Damit er sich besser, vor allem in Ruhe erholen konnte offerierte der Steward ihm einen Sitz in der praktisch leeren Businessklasse bis zum Zwischenstopp in San Paulo. Klar erkennbar war es, dass der Passagier Furchtbares durchgemacht haben musste. Dieser Passagier war ich. Je weiter ich weg von Argentinien war, desto besser ging es mir und desto weniger glaubte ich, dass mir noch mehr Leid & Terror zugefügt werden konnte. Ich war sehr abgekämpft, leiblich und vor allem psychisch. Wie in Trance erlebte ich die Ankunft am Mittwoch, den 9. April 1997 morgens früh um 06.15 Uhr in einer sauberen, heilen Welt namens Airport Zürich. Auch der Gang durch die Passkontrolle, die Gepäckausgabe und der Zoll. Ich versuchte einige Leute telefonisch zu erreichen, um sie eindringlich zu bitten, mich am Flughafen abzuholen. Doch waren sie entweder schon bei der Arbeit oder einfach nicht erreichbar. Mit dem Zug fuhr ich dann via dem Zürcher Hauptbahnhof nach Sargans im Schweizer Rheintal und von dort mit dem Linienbus zur Haltestelle des Spital Vaduz, wo ich um 09.10 Uhr eintraf. Mit samt meinem Koffer und den Taschen schleppte ich mich ins Spital. Der untersuchende Arzt Dr. M. Moser verfasste folgenden Bericht: Datum: 10.04.1997 / Zeit 09.20 Uhr Diagnose / Behandlung Kieber Heinrich / 30.03.1965 / Meldina 312 / FL-9493 Mauren 9 Angaben des Patienten: Der Pat. ist heute Morgen am Flughafen Kloten/ZH aus Argentinien angekommen. Laut Bericht hat er dort einen Freund besucht, den er in Spanien kennen gelernt hat. Der Freund habe ihm noch Geld geschuldet, deshalb wollt er dies in Argentinien eintreiben. Dort angekommen sei er jedoch eingesperrt und am rechten Bein angekettet worden. In Todesangst habe er mehrmals versucht, sich das Leben zu nehmen (siehe Bericht). Gegen Bezahlung eines Lösegeldes sei er schliesslich freigelassen worden. Die Wundversorgung sei durch einen Laien auf der Hazienda des Freundes vorgenommen worden. Beschreibung der Verletzungen: 1. Im Bereich des rechten Handgelenkes, volarseitig, in der mittleren Handgelenklinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die Wunde verheilt, es liegen drei Nähte in sito. Die Wunde ist zum Teil mit weisslichem Wundpuder verklebt. Im Bereich der Finger keinerlei Sensibilitätsstörungen oder motorische Ausfälle. 2. Im Bereich des linken Handgelenks, volarseitig, im Bereich der mittleren Handgelenkslinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die Wunde ist leicht entzündet, mit gelblichem Sekret bedeckt, drei in sito liegende Wundnähte, die aus Zahnseide oder irgendeinem, bei uns nicht verwendeten Material bestehen. Die Sensibilität im Bereich der Langfinger unauffällig. Der Daumen und der Daumenball jedoch deutlich mit herabgesetzter Sensibilität. Hier ist die Zweipunktdiskriminierung nicht möglich. Die Motorik der Langfinger ist ebenfalls nicht beeinträchtigt. Der Daumen kann operiert werden. Die Kraft der Oppositionsbewegung ist jedoch herabgesetzt (schmerzbedingt?). Das Spreizen der Finger ist unauffällig. Die Sensibilität im Bereich des Handrückens und der Handinnenfläche ist unauffällig. 3. Unterhalb der Fossa interjugularis findet sich eine 7 cm lange Wunde, rechts lateral davon eine oberflächliche ca. 3 cm lange Wunde. Die Wunden sind mit weisslichem Puder verklebt, es liegen einige Nähte in sito. Der Patient gibt an, bei seiner Verletzung sei die Wunde so tief gewesen, dass aus der Luftröhre Luft nach aussen entweichen konnte. Derzeit ist jedoch diesbezüglich keinerlei (Atmungs-) Beeinträchtigung festzustellen. 10 4. An der linken Halsseite, am Vorderrand des Musculus dernoclaidum mastoideus im mittleren Drittel, eine ca. 3 cm klaffende Wunde. Die Wunde ist ebenfalls mit weisslichem Puder verklebt, eine Naht am Wundrand noch in der Haut vorhanden. Die Wunde befindet sich direkt oberhalb der Carotis!! 5. Im Bereich des rechten Unterschenkels lateral, dorsalseitig, drei etwa ein Zentimeter im Durchmesser messende Krusten. Ansonsten hier nichts zu sehen. Neurostatius: Der Patient ist grob neurologisch unauffällig. Er ist klar zu sich, seiner Person, zeitlich und örtlich orientiert. Keine Hinweise auf eine Psychose. Der Patient ist doch sehr agitiert, was auf den Schlafmangel und die Erlebnisse der vergangenen Tage zurückzuführen ist. Diagnose: Schnittwunde im Bereich beider Handgelenke volarseitig, unterhalb der Incisura interjuguleris, sowie im Bereich der linken Halsseite. Behandlung: Entfernen der Wundnähte, reinigen aller Wunden, Beta-isotoner-Verbände. Der Pat. ist Tetanusgeschützt. Eine Wundkontrolle ist am Samstag, den 12.04.1997, vorgesehen. Mit freundlichen Grüssen Dr. M. Moser , Assistenzarzt / rb (Anhang: 4 Fotos der Verletzungen) Nach der Arztuntersuchung, wobei auch Fotos von allen Verletzungen gemacht wurden, kamen die zwei Liechtensteiner Kriminalbeamten Hr. Büchel und Hr. Kindle zu mir ins Spital. Ich schilderte ihnen aufgeregt die Erlebnisse der letzten zwei Wochen. Je mehr ich ins Detail ging, umso so grösser wurden ihre Augen, ebenso wie ihr Entsetzen. Wir vereinbarten, dass ich am nächsten Tag zu ihnen (Kripo) kommen soll, um eine umfassende Anzeige auf Tonband zu machen. In einem Gästezimmer von Freunden in Vaduz konnte ich den bitter nötigen Schlaf – mit Hilfe von kleinen, ärztlich verordneten Pillen – für fast 24 Stunden lang nachholen. WAS IN ALLER WELT IST IN ARGENTINIEN PASSIERT? Am nächsten Morgen wurde ich von den Kripobeamten im Polizeigebäude empfangen und in ein Sitzungszimmer gesetzt. Dort wurde ich mit ausreichend leeren Tonbandkassetten versorgt und man bat mich meine Anzeige auf Band zu sprechen. 11 Beginn Originaltext (OT) meiner Anzeige: Anm.: Ich bitte die Leser zu Berücksichtigen, dass ich zum Zeitpunkt meiner Aussage/Anzeige noch sehr stark unter dem Schock des gerade erlebten stand und meine gesprochenen Worte eins zu eins in die Niederschrift übernommen wurden. Daher die oftmals sehr langen Sätze, die wenigen unfertigen Sätze, Wort- oder Satzwiederholungen und verkehrte Satzaufbauten. Weitere Details, die ich zusätzlich zur Tonbandaussage in schriftlicher oder mündlicher Form bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft (STA) und dem Untersuchungsrichter (UR) gemacht habe, sind auch integriert im OT wiedergegeben. Guten Tag Heute ist der 11. April 1997 und ich bin hier in einem Sitzungszimmer der Landespolizei Liechtenstein um meine Aussage auf Band aufzunehmen. Diese Aussage soll gleichzeitig Dokument für mich und Anzeige gegen die Täter sein und ich werde in Hochdeutsch sprechen, was die Abschrift meiner Aussage erleichtern wird, und auch damit ich eine gewisse Distanz zu dem Geschehenen machen kann. Mein Name ist Kieber Heinrich, geb. 30.03.1965 in Mauren, Bürger von Mauren, z. Z. nicht angemeldet im Land, da ich mich Ende November letztes Jahr (1996) von Mauren wieder nach Australien abgemeldet hatte, wo ich auch ursprünglich hin wollte, aber noch ein paar persönliche Sachen und Angelegenheiten in Europa erledigen wollte, bevor ich wieder zurückgehe. Jetzt mache ich noch ein paar Angaben zu Namen der Personen, die involviert waren bei dieser Entführung und Geschehnissen, das wären: Ich selber natürlich, dann als Organisatoren die zwei Personen, der Spanier Mariano Marti-Ventosa Roqueta aus Barcelona und Herr Helmut Roegele und sein Frau Salud Hidalgo, beide aus Sant Pol de Mar, nördlich von Barcelona, Katalonien, Spanien. Ich werde später dann die genaue Abschrift und Daten, die ich zu diesen Personen habe, auf einem Blatt vermerken. Zur Vorgeschichte: Den besagten Mariano kenne ich seit ursprünglich 1981, weil er der Freund von einer Deutschen war, die Helga heisst und mit deren Tochter Ruth besuchte ich damals in die Schweizerschule in Barcelona. Aber erst 1992/1993, um die Jahreswende, als ich zufällig das erste Mal aus Australien zurück war, um in Bern auf der australischen Botschaft meine Niederlassungspapiere zu 12 regeln, erfuhr ich, dass Mariano und seine Freundin Helga in Zürich waren wegen irgendeinem komischen Geschäft, das sie da hatten, und da habe ich sie natürlich besucht, weil ich sowieso 2 bis 3 Monate warten musste bis meine Papiere für Australien geregelt waren, im Zuge dieses Wiedersehens hat mich Mariano dazu überredet, dass ich ihm einen Kredit von ca. CHF 240'000.-gewähre, den er mir zu 12 % verzinsen wollte; was ich auch gemacht habe, weil ich wusste, Mariano hat Gutsbesitz in Spanien und ein riesiges Boot und das Übliche halt, was man sich als geistige Absicherung nimmt. Ich habe natürlich auch ein Dokument über diese Schuld, das er mir gegeben hatte. Ich ging dann ungefähr im März 1993 nach Australien zurück und wartete seit damals auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Ich hatte viel Briefkontakt mit Mariano, hin und zurück von Australien, auch von Neuseeland aus und er versprach mir immer, dass er zahlen wird, im Moment aber kein Geld hatte: "Liquiditätsprobleme", dies und das und jenes und ich habe natürlich nur geduldig gewartet. Ich habe nie gross gedrückt, denn ich wusste, dass er fast alle seine Besitztümer im Namen seiner Frau oder Söhne hatte, wie es in Spanien üblich ist, damit die Steuerbehörden oder andere Kreditoren nichts wegnehmen können. Also, wenn ich Druck gemacht hätte, dann hätte ich sicher NIE etwas erhalten. Ich kam dann Mitte 1995 das erste Mal wieder nach Europa, nach Spanien zurück, weil ich mich um meine Schuld, also um die Schuld, die er gegenüber mir hat, kümmern wollte, und ich wurde dann vertröstet, ja, vielleicht in diesem Jahr (1995) oder eben im nächsten Jahr bekäme ich mein Guthaben sicher zurück. Ich blieb dann ein Weilchen in Spanien, habe auf seinem Boot gewohnt, das ich übrigens zeitweise, das heisst vom September 1995 bis Ende September 1996 sogar als Garantie vollständig besass, aber nur Ärger mit ihm und dem Boot hatte. Mit der Zeit merkte ich, dass Mariano nicht fähig war, mir die Schuld zurückzuzahlen, ohne dass er irgendwo eine Hypothek aufnimmt oder was immer er herbeizaubert. Zu Herrn Helmut Roegele ist zu sagen, dass ich den auch schon länger kenne und dass wir im letzten Jahr ein Immobiliengeschäft gemacht haben, womit er nachher nicht zufrieden war und eine erfolglose Anzeige in Spanien gegen mich erstattet hatte, die auch zu einer Aussage seinerseits führte und dann aber stillgelegt 13 wurde, weil es Aussage gegen Aussage war. Helmut Roegele (wie auch Mariano Marti-Ventosa Roqueta) hatte akute flüssige Geldsorgen und Helmut musste dringend eine seiner Wohnungen um jeden Preis verkaufen. Am Anfang dieses Jahres als Mariano mir erzählt hat, dass er mir jetzt seine Schuld zurückbezahlen könnte und zwar hätte er auf seiner Hazienda (also Farm) in Argentinien einen Hypothekarkredit beantragt, weil er gewisse Änderungen auf der Farm vornehmen wolle und die Kreditsumme um seine Schuld gegenüber mir erhöht hatte, damit er mich bezahlen kann. Ich soll doch bitte rüberkommen und dort könnte ich es auch kriegen, d.h. am 1. April, das sagte er mir im Februar so, dass er am 1. April die Unterschrift bei der Bank in Argentinien tätigen würde und ich doch ganz gerne rüberkommen könnte, seine Farm besuchen und dann bei derselben Bank, die den Kredit auszahlt auch ein Konto eröffnen könnte und er mir die Schuld, die er gegenüber mir hat, mit Zinseszinsen und Kosten, überweisen würde. Ich hab mich darüber zwar gefreut, obwohl über 4 Jahre verstrichen sind, seit ich ihm das Darlehen gegeben habe und ich eigentlich nicht mehr geglaubt habe, dass es noch was kommen wird; trotzdem aber wollte ich Argentinien und seine Farm kennen lernen, von der er mir früher viel erzählt hat. Dort, wo auch seine drei Söhne mit deren Frauen und Kinder auf der Farm wohnen, wollte ich ihn besuchen. So kam es, dass ich in der 3. Woche März tatsächlich ein Ticket am Flughafen Zürich mit der Lufthansa für ca. CHF 1500.gekauft habe. Ein Flug Zürich-Frankfurt-Buenos Aires direkt, für den Dienstag, 25. März, mit Rückflug Buenos Aires-FrankfurtZürich am 21. April 1997 fest gebucht. Ich hätte aber die Möglichkeit für eine Gebühr den Rückflug auf ein anderes Datum zu ändern. Ich habe meinen Freunden oder Familie, meiner Mutter, nicht viel darüber erzählt, was ich machen würde, ich ging einfach für einen Monat, so habe ich mir gedacht, in die Ferien, und wenn er zahlt dann ist gut, wenn er nicht zahlt, dann kann ich auch nichts machen, das ist halt im Leben, dass man nicht alles haben kann. Wie ich dann meine Tasche gerichtet habe mit Kleider dementsprechend für Herbstwetter, es soll dann ja noch warm sein, so im letzten Fax, den er mir gegeben hat, wo er mir hoch und heilig schreibt, dass er alles bezahlen werde und 14 ich mir keine Sorgen machen solle und so weiter und so fort. Ich habe meine Ausweispapiere und dummerweise auch noch mein Reisegeld, das ich Bar auf mir hatte, (ungefähr CHF 8000. — in Schweizerfranken und US$ 1‘500. —) mitgenommen. Am Dienstag war Abflug und am Mittwoch vor Ostern , den 26. März kam ich um 07.30 Uhr früh Lokalzeit in Buenos Aires an, fuhr in das Hotel SALLES in Buenos Aires, weil ich wusste, Mariano ist dort - wie er mir am Telefon vorher gesagt hatte - weil seine nicht-geschiedene, erste Frau, die Mutter seiner Kinder, Carmen, angeblich am selben Tag nach Spanien fliegen würde. Ich bin im Hotel angekommen und mir wurde vom Türsteher mitgeteilt, dass Mariano und seine Frau gerade zur Tür hinausgegangen sind. Ich habe dann den ganzen Tag gewartet und schaute mir Buenos Aires ein wenig an, eigentlich nur vom Hoteleingang aus und am Abend kam dann Mariano, wie üblich ganz gut gelaunt und hektisch und erzählte mir von dem Problem mit seinem alten Mercedes Coupe, das er nach Argentinien mitgebracht hatte, ein blauer SLC-Type mit Argentinischem KFZ-Nr. daran, der kaputt war. Die Zylinderkopfdichtung war angeblich geplatzt und es kam Wasser heraus. Also sind wir am Abend, bevor es dunkel wurde, noch in Buenos Aires herumgefahren um eine anständige Werkstatt zu finden, die nicht zu teuer war für ihn und die fanden wir auch. Mariano wollte eigentlich, dass ich schon an jenem Tag, dem Mittwoch, weiterfliege oder weiterfahre nach Bahia Blanca. Das liegt eine Stunde Flugzeit, so glaube ich, 500 km südlich von Buenos Aires und dort würde sein Sohn Marco, der mit leicht rötlichen Haaren, ja fast keine Haare mehr, mich abholen. Mariano sprach auch von einem Empfang für mich wie für einen "König" und er sagte auch, dass er eine Überraschung für mich habe, wobei ich darauf tendierte, dass es sich um meinen Geburtstag handeln sollte, der am kommenden Sonntag stattfand, mein 32. Geburtstag. Ich aber sagte zu Mariano, ich fahre gerne mit dir mit dem Auto runter, damit ich die Landschaft ein wenig sehen kann und er müsste nicht alleine fahren. Warum sollte ich jetzt mit dem Flugzeug fliegen? Ich hatte ja Zeit, ich musste ja nicht pressieren um auf die Farm zu kommen und so kam es, dass ich diese Nacht von Mittwoch auf Donnerstag doch in Buenos Aires im 2-Bett-Hotelzimmer blieb, 15 welches Marino schon die Tage vorher belegt bzw. gebucht hatte. Ich musste also kein eigenes Zimmer buchen oder im Hotel einchecken. Am Donnerstag assen wir zusammen Frühstück und Mittagessen und waren damit beschäftigt in die verschiedenen Garagen zu fahren um sein Auto reparieren zu lassen. Am Nachmittag hat er wieder gesagt, er würde mir sogar das Ticket für den Flug von Buenos Aires nach Bahia Blanca bezahlen, was ich ungewöhnlich fand, weil er sonst nie Leute so einlädt oder nie etwas ausgibt in diesem Stil. Ich habe dann, da ich ja nichts vermutete, das Ticket akzeptiert und wir haben nachgeforscht wann ein Flug ist. Er wollte unbedingt, dass ich am Abend fliege - im Nachhinein weiss ich jetzt natürlich schon weshalb ich am Abend fliege sollte - und der Abflug war, so glaube ich, um 19.10 Uhr oder 19.15 ab dem Inlandsflughafen in Buenos Aires. Er fuhr mich dorthin, kaufte das Ticket - ohne Name - für ungefähr US$ 68.-, er bezahlte es mit seiner goldenen Kreditkarte von der Banco Santander oder Banco Atlantico; beide aus Spanien.. Er hat sich verabschiedet und hat gesagt sein Sohn, Marco, er ist ungefähr gleich alt wie ich, er werde mich in allen Ehren empfangen und ich solle dann warten. Mariano käme dann in den nächsten Tagen runter, sobald das Auto fertig repariert sei. Ich hatte kurze blaue Hosen (Jeans-Shorts) und ein T-Shirt mit kurzen Ärmeln an. Mit meinem mitgenommenen Gepäck kam ich dann abends um 20.30 Uhr oder sogar erst 21.00 Uhr in Bahia Blanca zum ersten Mal in meinem Leben an. Ich hatte noch einen Adressenaustausch mit einer Nachbarin, die neben mir im Flugzeug sass. Während der Gepäckausgabe kam schon der Sohn von Mariano, Marco, obwohl er sich als Mario ausgab, den anderen Sohn, den es gibt, aber im nachhinein wusste ich ja, dass er Marco war, dieser leicht Rothaarige. „Marco‚ fuhr nicht den Bronco, einen grossen amerikanischen braunen Ford, entgegen dem was Mariano mir gesagt hatte, sondern einen Fiat 600 oder Seat 600, sogar mit noch den alten Kennzeichen aus Barcelona. Das Auto, das sie auch aus Spanien als Haushaltsgut mitgebracht haben, als die Söhne nach Argentinien ausgewandert sind. Der kleine Wagen stand draussen auf dem Flughafenparkplatz: wir haben meine grosse, weiche, blaue Reisetasche hinten hinein 16 gestopft und meine Anzugtasche, wo auch meine Dokumente und mein Geld und alles drin war, auf den hinteren Sitz geworfen. Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz und geplant war, die Strecke, die ca. 90 bis 100 km lang ist, von Bahia Blanca Richtung Saavedra und dann zur Farm, die ungefähr 15 km von dem Dorf Saavedra entfernt liegt, gleich in Angriff zu nehmen. Die Farm heisst "Estanzia San Francisco" und der Haupteingang der Farm sollte eigentlich über die Strasse "Camino de la Ermita" erreicht werden. Als wir dann endlich – es war schon stockdunkel - abfuhren , sagte mir Marco, dass es ein kürzerer Weg wäre, wenn wir den hinteren Teil der Farm anfahren und nicht den Umweg über das Dorf Saavedra machen und dann von dort auf die normale Zufahrtsstrasse Richtung Haupteingang der Farm fahren würden. Wir fuhren also von dem Parkplatz beim Flughafen in Bahia Blanca weg. Ich konnte mir natürlich die Schilder, die ich gesehen habe, nicht alle merken, weil ich auch nichts dergleichen erwartet habe, was nachher geschehen ist. Irgendwann fuhren wir rechts von der geteerten Strasse weg auf einen breiten weissen Sand-, Gesteins- oder Geröllweg, also nicht geteert, sogar ein Stück über eine Wiese und während dieser gut dreiviertel bis 1 Stunde Fahrt redeten wir über das Leben auf der Farm etc. etc. Auf den letzten Metern bevor wir mit dem Auto anhielten, schon auf dem Farmgrundstück, sagte Marco, dass er noch eine Türe schliessen müsse, bevor wir zum Haupthaus fahren. Ich habe mich nicht darüber gewundert, im Nachhinein ist es natürlich komisch, dass auf einer so grossen Farm, wo niemand oder fremde Menschen weit und breit sind, irgendeine Türe geschlossen werden muss, wo doch sonst alles immer offen gelassen wird. Wir fuhren die letzten 150 Meter auf Gras und im Wagenscheinwerferlicht konnte ich dann einen runden Turm erkennen, an dem wir links davor anhielten. Der Motor wurde abgestellt, Marco sprang aus dem Auto. Das Wagenlicht war aus. Bevor das Wagenlicht ausging, konnte ich noch weiter vorne rechts ein anderes Auto parkiert erkennen, ich glaubte es neben einem Schopf, Baracke zu sehen. Ich bin aber nicht sicher, ob dies ein Schopf war, also eine kleine Halle oder ein kleines Gebäude. Die Fahrerwagentür blieb offen, ich sass im Auto, nichts ahnend und dann ging es los: 17 Auf einmal kam von hinten ein maskierter Mann mit einer Pistole in der Hand zum Fahrersitz, setzte sich und forderte mich, mit der Pistole auf mich gerichtet, blutrünstig auf sofort hinauszugehen. Ich natürlich, wie vermutlich jeder der so was nicht erwartet hat, habe im Schock reflexartig den Pistolenlauf mit meiner Hand umschlossen und versucht die Pistole, die auf mich gerichtet war, wegzudrücken, weil ich dachte, da passiert noch was, der drückt noch ab und ich bin tot. Aber das hat mir nicht viel geholfen, weil dann zwei andere Männer mit Maskierung, eine Art Skimütze, die Beifahrertür aufrissen. Einer von denen hatte eine deutlich erkennbare Maschinenpistole, eine alte, wobei das Magazin seitlich, also 90 Grad horizontal herausragte, und nicht wie normal von unten eingesteckt war. Ich konnte einem von den Dreien einen Fausthieb verpassen, sie natürlich schlugen zurück, wobei dann meine Brille über dem Nasenbein zu Bruch ging und ich die Brille verlor. Dadurch gab es eine triefe Schramme, wo dann auch das Blut zu fliessen begann. Sie zerrten mich brutal aus dem Wagen und da ich ja ziemlich kräftig gebaut bin, war das nicht so einfach. Sie stülpten mir einen weiss-gelblichen Sack über den Kopf, wobei, wie ich später sah, es sich um einen Getreidesack oder ähnliches handelt, worin man Getreide abfüllt. Ich konnte trotzdem noch auf den Boden runter schauen und wurde zuerst über Gras und dann über Beton in einen Raum geschleppt und gezogen. Der Raum war bestückt mit Naturstein in verschiedenartigsten Formen, eher kleinen Stücken, die in Zement rundherum eingelegt waren, wobei der Zement ziemlich dick zwischen den Natursteinrillen aufgetragen wurde. Beim Eintritt in diesen Raum, wo das Licht brannte, konnte ich auf der linken Seite einen Elektroschweissapparat erkennen, ich wusste, dass es ein solcher Apparat ist, weil obendrauf die Gesichtsschutzmaske, die man bei solcher Apparatur verwendet, lag. Ich wurde dann bäuchlings auf eine Matte oder Bett geworfen, die Hände wurden mir hinten mit einer dicken Schnur fest übereinander zusammengebunden und zwei oder eineinhalb der drei Personen setzte sich dann auf mich und ich habe gezittert wie Laub im Herbst und um mein Leben gebeten. Ich habe sie angefleht, mich nicht umzubringen. Ich wusste nicht, warum das 18 alles geschehen sollte, darum möchte ich hier auch noch hinzufügen, dass ich eigentlich die ersten Sekunden dachte, dass wir, d.h. der Sohn von Mariano, „Marco‚, und ich, Opfer anderer Verbrecher wurden, die die Farm oder wem immer das Gebäude gehörte, überfielen. Mir wurde dann der rechte Schuh, Marke Timberland, samt dem Socken, abgezogen. Währenddessen haben sie mir auch den Knäuel wieder aus dem Mund genommen. Der weisse Sack über meinem Knopf hatte sich rot verfärbt und da haben sie sehr wahrscheinlich gedacht, sie müssten mir dem den Knäuel, den sie mir vor dem Haus in den Mund gestopft hatten, damit ich vermutlich nicht schreien konnte oder so, wieder wegnehmen, da ich sonst eventuell nicht atmen konnte, da die Nase stark blutete. Heute weiss ich, warum sie mir überhaupt einen Knäuel gegeben haben, weil der Turm nicht weit weg vom Hauptwohnhaus der Farm liegt und sie vermeiden wollten, dass ich anfange zu schreien und das es jemand von den Angestellten oder den Leuten, die dort auf der Farm wohnten, hören könnten. Während mir Tücher, also Textilstoffteile auf mein rechtes Bein, das ja frei war, weil ich ja kurze Hosen an hatte, gelegt wurden, hörte ich wie der Elektroschweissapparat in Betrieb gesetzt wurde. Ich dachte an grausame Folter oder so und hab nur um mein Leben gefleht, damit sie mich nicht umbringen. Es war dann aber so, dass mir ein Eisenstück an mein rechtes Bein oberhalb der Ferse angeschweisst wurde und obwohl sie mir schützende Tücher auf mein Ober- und Unterbein gelegt hatten, die Funken, die so ein Elektroschweissapparat abgibt, hatten doch zwei Stellen an meinem unteren Schenkel an der Wade verbrannt, die man heute noch sehr gut erkennen kann. Ich zitterte und nachdem sie ihre Schweissarbeit erledigt hatten, wurde mir der Sack vom Kopf weggenommen und sie tupften das Blut in meinem Gesicht mit einem schmutzigen Lappen weg und ich glaube, es war nicht Blut aus der Nase, sondern es war Blut aus einer Wunde ausserhalb des Nasenflügel, die dadurch entstanden war, als die Brille beim Wegschlagen zerbrochen wurde und dadurch einen Schnitt in das Fleisch gemacht hatte. Sie hoben meinen Kopf und unterlegten ihn mit einem Kissen. Ich spürte auch wie sie eine zusammengefaltete Decke auf meine Beine legten. Es wurde kein Wort gesprochen während der 19 ganzen Angelegenheit, ich habe nur zwei Mal den Namen Mario, Mario gerufen, in der Annahme, dass es sich ja um Mario handelte, obwohl es ja der Marco war und nicht der Mario, der das alles gemacht hat mit seinen Gehilfen, die ich nicht erkennen konnte, weil sie ja maskiert waren. Eine braune, schwere Metalltür wurde zugeschlagen, ein Riesenlärm und das Licht brannte noch. Ja, bevor sie gegangen sind, habe ich gespürt wie sie meine Hosentaschen leerten, wo ich ungefähr US$ 180.— in kleinen Noten hatte, mein Münzportemonnaie - und auch einen kleinen goldfarbenen Schlüssel, der zum Schloss gehört, das ich an der Anzugstasche befestigt hatte, wo die Dokumente drin waren. Obwohl die Verbrecher schon ein Weilchen den Raum verlassen hatten und ich ja auf dem Bauch lag, mit Gesicht zur Wand, traute ich mich nicht umzudrehen, weil ich nicht wusste, ob noch jemand im Raum ist. Ich zitterte noch lange und hatte Angst und dachte nur warum, warum, warum. Ich drehte mich nach einer Weile um und habe den Raum liegend angeschaut. Erst nach weiteren zwei Stunden getraute ich mich aufzustehen und musste Folgendes feststellen. Es wurde eine schwere Kette an mein Bein geschweisst und unter dem Ring, der um mein Bein war, ein Stoffstück unterlegt und auf meine Haut darunter ein schwarzes Gummistück und dann die kalte Kette. Es war ein Stück von einem Rohr, ich nehme an, es war das Endstück eines Rohres mit einem Gewinde daran, also Rillen für ein Gewinde. Das Eisenstück war nicht rundherum geschlossen, sondern war 2 bis 3 cm offen, dort wo zwei Gliedstücke, je eins links und rechts auf den Ring geschweisst wurden, vermutlich vorher schon, und dann ein weiteres Gliedstück auf die zwei Gliedstücke darauf geschweisst und an diesem dritten Gliedstück hängte dann eine zwei bis drei Meter lange, schwere Stahlkette, die an der Wand eingelassen war. Anm.: Alle Zeichnungen wurden für das Landgericht Vaduz angefertigt. In Zeichnung auf der nächsten Seite und der Zeichnung auf Seite 42 hat die Zeichnerin aus praktischen Gründen den in meiner Aussage beschriebenen Kasten mit dem Stromzähler und der Steckdose (für das Elektroschweissgerät) weiter unten an die Wand skizziert, anstelle weiter oben, wo es an die Turmwand angeschraubt war. 20 21 Den Raum beschreibe ich wie folgt: Es ist ein runder Raum, es ist ein Wasserturm, sehr feucht und kalt und wenn man bei der Türe hinein kommt war links mein Feldbett. Neben meinem Feldbett an der Wand war ein Fenster in der Grösse eines normalen Fensters mit zwei Flügelfenstern zum Öffnen. Am Kopfende des Bettes war ein alter Ofen ohne Türchen für die zwei Stellen, wo man Holz hinein gibt und es ist ein so genannter Wasserofen, weil es am Wassersystem angeschlossen ist damit man Heisswasser produzieren kann und gleichzeitig kochen kann. Oberhalb des Ofens ist ein ca. 50 Liter grosser, silberner Wasserbehälter, der das gekochte Wasser, dann auffangen sollte. Neben dem schmutzigen, schwarzen Ofen stand ein kleines Möbelstück, wie so ein Mini-Mini-Sekretär mit einem Fach, das man mit der Tür schliessen konnte und das vierte Bein war gebrochen, sodass man es entweder an die Wand oder an den Ofen anlehnen musste, wenn man darauf etwas schreiben oder essen wollte, weil sonst das Stück umkippen würde. Weiter nach rechts schwingend im runden Kreis sieht man dann einen Durchgang ohne Türe, dieser Durchgang führt zu einem kleinen Gang, wo links ein Waschbecken eingemauert ist mit Sims und unter dem Sims an der Aussenwand des Waschbecken konnte ich ein verschobenes, rechteckiges Herstellerkennzeichen erkennen. Es war alles ziemlich schmutzig. Vorbei an diesem Waschbecken konnte ich in einen Raum, wo links ein schmutziges WC mit einem losen, nicht angeschraubten, schwarzem WC-Deckel war, oberhalb der Wasserbehälter für das WC, sehen, dass es mit flüssigem Klebstoff schon mehrmals repariert worden. Vor allem das Abflussrohr, das sich zur Hälfte im Raum befand und zur anderen Hälfte in der Wand verschwand und unten wieder heraus kam. Die Wasserspülbetätigung war eine Schnur, eine schwarze Plastiknylonschnur, die herunter hing und am Ende 2 bis 3 Knoten hatte. Rechts davon ist eine Dusche in die Wand eingelassen, d.h. die Duschvorrichtung kam aus der Wand heraus und dort wo sich der Wasserstrahl verbreiten kann, wurde die Wand und der Boden im 90 Grad Winkel, also links und rechts, die Wand und der Boden braun angemalt. Sonst war alles weiss in diesem runden Raum und in diesen zwei Nebenräumen. 22 Gegenüber der Dusche war ein Spülbecken mit je Kalt- und Warmwasserhähnen separat angebracht, alles sehr dreckig. Und darüber, an die Wand geschraubt ein Spiegelschrank mit einem kleinen Abstellfach darunter. Der Wasserablauf der Dusche ist ohne Gitter im Boden und rechteckig. Das Wasser funktionierte nicht, weder für das erste noch das zweite Waschbecken oder die Dusche oder das WC, es gab kein Wasser. Im WC war nur eine Füllung im Tank der WC-Spülung vorhanden. Die Eisenkette wurde so angelegt, dass es genau reichte, damit ich vom Bett bis zum WC gehen konnte. Es war alles sehr schmutzig und dreckig, trotzdem waren auf der rechten Seite des Waschbeckens, im so genannten „Badezimmer‚, ein hellblaues Handtuch und eine neue Seife in der Seifenschale. Es gab drei Fenster, ein Fenster, wie schon beschrieben, oberhalb meines Bettes, ausserhalb dieses Fensters war ein Lattenrost, der geschlossen war. Es war ein Lattenrost aus braunem Metall und war zu, nur bei ungefähr die Grösse eines A4-Blattes im Lattenrost konnte man die Latten verstellen und man konnte dann etwas hinausschauen. Draussen am Fenster war noch ein Metallgitter, ein Ausbruchgitter, das aber sicher schon vorher dort war, als man den Turm baute. Das Fenster im Gang, zwischen dem Badezimmer und dem Hauptraum war mit zwei Kippfenstern versehen, viel kleiner als das im Zimmer wo ich schlief, in meinem Raum, und an dem Fenster vor dem grossen Waschbecken und dem kleinen Fenster im Badezimmer wurden von aussen an die Gitterroste Wellbleche, die man zum Dachbauen nimmt, zugeschnittene Wellbleche mittels Draht befestigt, damit man nicht herausschauen kann oder andere Leute nicht hinein schauen konnten. Ich konnte nur schräg hoch in den Himmel durch einen Schlitz schauen und sonst sah ich nichts von diesen zwei kleinen Fenstern. Es war also unmöglich dort auch hinauszugelangen. Ich hatte riesige Angst und betete und eigentlich war mir nicht kalt, obwohl ich in kurzen Hosen war und im kurzen Hemd. Nachdem ich alles inspiziert hatte und feststellen musste, dass die Kette fest in der Wand eingemauert war, ich vermutete auch, dass die Kettenvorrichtung, die an der Wand war, erst frisch 23 gemacht wurde, weil es weiss gestrichen war und auch die ersten Kettenglieder von der Wand mit weisser Farbe überzogen waren. Ich muss auch sagen, dass man überall im runden Raum, der übrigens auch auf der gegenüberliegenden Seite meines Bettes eine Rundtreppe in den oberen Stock hatte, die weiss gemalt war und das Geländer, wo man die Hand drauflegt, ist braun gemalt, alles aus Beton. An vielen Stellen konnte man sehen, dass Regale und Aufhängevorrichtungen, die in diesem Raum offenbar früher vorhanden waren, weggeschraubt wurden, weil man die alte Farbe darunter sah und auch die riesengrossen Löcher von Schrauben mit Dübeln. Vermutlich wollten sie, dass ich nichts wegnehmen konnte, womit ich einen Wächter oder wen auch immer erschlagen konnte oder verletzen würde, darum gab es überall Stellen mit diesen Abzeichnungen mit ehemals vorhanden Regalen, Schränken und anderem Zeug. Ich legte mich dann ins Bett auf mein Kissen, das einen riesengrossen Blutfleck vorwies von den Stunden, die ich regungslos auf dem Kissen lag, und legte mich schlafen. 24 25 Freitag vor Ostern. Den ganzen Tag habe ich kein Essen erhalten, das Zeitgefühl ging mir auch weg, weil mir meine Uhr auch weggenommen wurde, jedoch so ca. mittags hörte ich ein Auto, es war ein Diesel. Ich lag noch auf dem Bett und bekam Herzflattern. Ich lag seitlich gekauert auf dem Bett und von draussen hörte ich laut Schlösser öffnen, als würden 50 Schlösser daran sein, und ein Geknalle und sehr laute Geräusche. Mit einem Tritt, vermutlich wurde die Türe immer so aufgeknallt, sodass ich mehr erschrak: ich sah zwei Männer, die leicht gebückt wie beim Skifahren mit gespreizten Beinen und einer Pistole, die mir alt erschien und einem Revolver, ein silberner mit einem langem Lauf, der mir neu erschien, auf mich gerichtet vor der Tür standen, vermummt. Einer kommt auf mich zu und deutet mit dem Revolverlauf oder Pistolenlauf, in dem Fall, auf mein Kissen und zwar auf den Blutfleck auf dem Kissen. Ich vermutete, dass er den Blutflecken meinte und ich sagte dass es das Blut von gestern Abend war. Er deutete ohne Worte an, ich solle mein Kopf unter das Kissen begeben und mit den Oberarmen und Händen von aussen das Kissen an meinen Kopf drücken damit ich nicht sehe wer kommt oder was sie tun. 26 Ich tat es und spürte den Revolverlauf auf meinem Kopf. Ich hatte Angst und zitterte andauernd. Sie kontrollierten die Kette und hoben mein Bein und rüttelten daran. Ich glaube auch, sie kontrollierten das andere Ende der Kette um zu schauen, ob ich nicht was gemacht habe. Es wurde dann von einem der Männer in Spanisch gesagt, dass ich, falls ich versuchen sollte zu fliehen oder sonst was machen würde, oder wenn ich ausschlagen würde, sie mich ohne Skrupel umbringen würden. Die Männer gingen und dies nicht ohne dass sie die Tür mit einem Riesenschwung zuknallten, was mich noch mehr ängstlich machte. Ich weinte und weinte und weinte. Wenn der Wind ein wenig kam, das spürte ich, weil ich meine Fenster offen hatte, dann setzte sich die Wasserpumpe in Bewegung, was für mich bedeutete, dass es eine Windwassermühle sein musste. Wenn man in einer solchen Situation ist und lange Zeit zum Denken hat, dann kommt automatisch der Fluchtgedanke. Die verfluchte Kette war aber nicht so leicht loszukriegen. Ich habe dann, als es ein wenig hell wurde, an jenem Freitag, die Fenster nochmals inspiriert und festgestellt, dass es unmöglich sein wird durch diese Fenster ohne Werkzeuge oder andere Hilfsmittel zu entkommen. Beim Laufen, wenn man es so nennen kann, innerhalb dieser 3 kleinen Raumebenen, hat sich dauernd die Kette verdreht, was dann zu einem kürzeren Radius meiner Bewegungsmöglichkeit führte. Ich musste dann immer öfters im Tag mich nach links um meine eigene Achse drehen damit sich die Kette wieder entwindet. Ich weinte oft und betete wieder und fragte mich warum, warum nur? Sie haben mir am Freitag nichts zu essen gegeben, aber ich hatte sowieso keinen Hunger. Am selben Tag, ich schätze so um 22.00 Uhr abends, bekam ich wieder Besuch, der sich wie immer in den folgenden Besuchen so abspielte. Ich hörte meistens ein Auto heranfahren, meistens ein Diesel, Riesenlärm, dann die Türschlösser geöffnet, dann ein Schlag an die Türe, Waffen, Kontrolle der Kette, kein Wort zu mir und dann gingen sie wieder. Ich konnte mehr oder weniger schlafen in der Nacht von Freitag auf Samstag. Samstag früh bekam ich wieder Besuch, sie brachten mir meine Brille, die sie mit Schnellklebstoff zusammengeflickt hatten und Schreibpapier 27 mit Schreiber und die zwei Nachrichtenmagazine, die ich mir in Frankfurt am Flughafen gekauft hatte, das eine war der SPIEGEL Nr. 13 von diesem Jahr und die rosarotfarbene Financial Times. Es kam wieder zu Morddrohungen von einem der Bewacher auf spanisch und wieder mit den Angaben, ich soll ja nicht versuchen zu fliehen, weil ich sonst tot bin. Es kam dann so, dass ich mehr oder weniger beruhigt war, da ich doch dachte, sie seien ein wenig human, da sie ja mir was zum Lesen brachten und auch Früchte und altes Brot bei diesem Besuch am Morgen. Ich versuchte dann den SPIEGEL Nr. 13 als Abwechslung zu lesen und musste an die Story der Entführung des Hamburgers Industriellen Reemtsma denken und es gab auch sonst in diesem SPIEGEL einige Seiten, die mich sehr traurig stimmten wie z.B. gab es eine Werbung einer Autofirma mit einem Besenfresserzitat und der Besen, den dieser Mann in der Hand hielt, den hätte ich gerne gehabt um den Saustall, wo ich mich befand, aufzuräumen. Dann gab es noch eine Werbung im SPIEGEL Nr. 13 von einer Telefongesellschaft, einer Mobiltelefonfirma, mit einem abgebildeten Mobiltelefon und eine Nummer im Display : die Nummer, die dort eingegeben war, die fing mit 01 80 an und die war eigentlich nur 3 bis 4 Nummern anders als die Nummer meines besten Freundes in Zürich, die auch 01 865 u.s.w. war, 28 was hätte ich bloss gegeben damit ich ihn anrufen könnte. Der Preis pro Minute war dort in der Anzeige 69 Pfennig; ich habe mir gedacht, auch wenn die Minute 690 Mark kosten würde, ich hätte ihn so gerne jetzt angerufen. Ich habe alles über die Tage verteilt gelesen ausser ein paar Artikel: z.B. einer der über Selbstverletzungen geschrieben war, wie sich Leute, aus welchen Gründen auch immer, Selbstverletzungen am eigenen Fleisch zutun. Es ist auch zu sagen, dass die Financial Times in solchen Situationen nicht das geeignete Lesemittel ist über Geld und Kurse nachzulesen. Die Zeitung habe ich dann nur als Tischdecke für das schmutzigen kleinen Möbelstücklein verwendet. Ich öffnete das kleine Look-Out wie man auf Englisch sagt, also dieser kleine Lattenrost vom Hauptfenster, den ich verschieben konnte und sah ein paar Bäume vor mir und rechts davor einen künstlich aufgehäuften Erdhügel in dieser Waldlichtung und weiter weg sah ich dann die gelbe Wiese mit ein paar Kühen. Später musste ich auf das WC und spülte das WC. Die Hände konnte ich ein wenig waschen indem ein paar kl. Tropfen aus der Wasseranlage kamen. Am Nachmittag desselben Tages bekam ich wieder Besuch. Wie befohlen verdeckte ich mein Gesicht damit ich nichts sehen konnte und wie üblich wurde mir die Pistole auf den Kopf oder auf die Brust gedrückt, falls ich dummes Zeug vorhatte. Es wurde mir eine Notiz hinterlegt, die mit Schreibmaschine geschrieben worden war, aber auf Faxpapier gedruckt war. Ich nehme an, sie haben es mit dem Faxgerät des Hauses kopiert. Darauf stand auf Spanisch, dass ich Angaben machen soll über meine Geschäfte oder vor allem über mein Vermögen, das ich besass. Es sollte so aussehen, als wäre dieses ein Fax von Übersee gewesen, von Europa. Zu jenem Zeitpunkt schrieb ich noch normal mit dem mir verteilten Papier und Kugelschreiber an Mariano. Ich schrieb warum, wofür, wie viel und was das alles bedeuten soll. Ich sass auf dem weissen Plastikstuhl, den habe ich noch vergessen zu beschreiben. Ich hatte einen weissen Plaststuhl, so wie man sie für Gartenstühle verwendet, auch in diesem Raum. Ich schrieb ihm, ob er sich nicht schäme mich als Freund dort so zu haben. Ich bat ihn dringend, mich zu besuchen damit wir darüber reden könnten, vor allem am nächsten Tag, an 29 meinem Geburtstag am Sonntag, 30.03., zu kommen. Ich war traurig für mich selber, für meine Familie und für seine Familie auch. Ich ass einen Apfel und das alte Brot und war ein wenig beruhigt an jenem Tag, weil ich keine Besuche mehr erwartete und dadurch für mich selber alleine sein konnte. Ich hoffte auf eine ruhige Nacht. Den Brief den ich an Mariano geschrieben habe, habe ich unter der Türe so durchgesteckt, damit ein Ecken des Briefes noch in meinem Raum lag und ich so sehen konnte, wann und ob er weggenommen wurde. Müde und mit der schweren Eisenkette an meinem rechten Bein, schlief ich im Bett mit den zwei Decken ein. Sonntag, 30. März, mein 32. Geburtstag. Ich wachte früh auf und dachte an Flucht, aber wie konnte ich flüchten, ich kannte die Farm nicht und war in der Nacht gekommen, also ist es sehr schwierig. Falls ich je aus diesem Turm raus kommen sollte, wohin ich dann rennen sollte, links rechts oder wohin, weil ich ja nicht wusste wo Sicherheit für mich sein könnte. Ich hätte ja in die falsche Richtung rennen können 30 und dann 30 km lang in der Wildnis herumirren, das ging also nicht, aber wenn man eingesperrt ist, dann denkt man sowieso an Flucht. Die Kette, wie konnte ich die Kette lösen. Ich erinnerte mich, dass man, wenn man verheiratet ist oder Leute die verheiratet sind und sie den Ehering loswerden wollen, es mit Seife probieren. Da ich ja eine Seife hatte, dachte ich mir, aha, ich werde warten bis es Abend ist, weil während dem Tag wegzuspringen, da würden sie mich auf 100 km auf dem freien wohl Feld sehen, also wollte ich, wenn schon, in der Nacht weg. Also dachte ich mir gut, ich werde mit dem Versuch, die Kette mit Wasser und Seife über meinen Fuss zu ziehen, warten. Meine Nerven lagen frei. Auf einmal bekam ich grössere Angst: Nach einer halben Stunde hatte ich meine Meinung geändert und sagte zu mir, wer weiss, was noch passiert, es ist besser, wenn ich es jetzt versuche. Ich zog so meinen rechten Schuh aus und auch den Socken und da ich kein fliessend Wasser hatte, benützte ich ein wenig Wasser von der WC Schlüssel, seifte meinen nackten Fuss samt dem Eisenring ein und nahm auch das Tuch und das Gummiband unter dem Eisenring weg und versuchte mit aller Gewalt den Eisenring über meinen Fersen und Vorderfuss zu stülpen. Es ging aber nicht, der Verschluss, also dieser Eisenring war ja nicht ganz geschlossen und die dementsprechenden Ecken, die dieser Ring hatte, stachen sehr fest auf meine Ferse, wo ich mich leicht verletzte, ich war verzweifelt, denn selbst mit Seife ging es einfach nicht. Ich war traurig und weinte und trocknete meinen eingeseiften Fuss mit dem Handtuch ab und war sehr bemüht den Stahlring auch von der Seife zu befreien, was mir nicht ganz gelang, weil sich die Seife auch in den feinen Rillen des Gewindes festgesetzt hatte. Ich war traurig, weil ich realisierte, dass die Kette so angemacht wurde, dass es für ewig war, was mein Tod bedeutete. Ich weinte, weil ich an meine Familie dachte und dass mich keiner so schnell vermissen würde, weil ich keine genauen Angaben gemacht habe, wo ich jetzt noch mal hinging, und zudem hatte ich auch realisiert, dass es auf einer solch grossen Farm eine Leiche loszuwerden kein Problem wäre. Wer sollte mich je da finden? Ich bekam auch Panik, weil ich die Seife nicht vollständig vom Ring entfernen konnte, und ich befürchtete, dass wenn bei 31 einer Kontrolle die Wächter nicht die Dümmsten sind, und erkennen, dass es dort Seife daran hat und dann vielleicht erkennen oder erraten, was ich vorgehabt hatte. Ich hatte Angst, dass sie mich dafür foltern werden oder anderswie bestrafen würden. Ich blieb den ganzen Vormittag im Bett. Spät abends am Sonntag bekam ich wieder Besuch. Es war Lärm mit Autos, Tür aufgeschlagen, Revolver auf Kopf und kein Wort. Sie nahmen den Brief, den ich die Nacht zuvor unter die Tür gelegt hatte dann weg, brachten mir Kaltes zum essen und zum trinken Wasser. Die Kette wurde kontrolliert. Ich hatte Riesenangst, falls sie die Seifereste entdecken würden und ich dachte mir, wenn sie es entdecken würden, dann würde ich sagen, dass ich meine Füsse gewaschen habe. Aber dann war das Problem, sie würden mich fragen mit was, mit Urin oder mit was, wenn kein Wasser vorhanden ist. Sie gingen dann aber wieder. Anm.: Auf den 2 Fotos (nächste und übernächste Seite) kann man sehr gut die 2 eingebrannten Stellen an meiner rechten Wade erkennen, die von Funken beim Anschweissen der Kette herstammen. Auf dem 2. Foto ist auch die noch nicht verheilte horizontale Schürfwunde wunde der Kette gut sichtbar (2-3 cm oberhalb meines rechten Daumens). Die für das Landgericht Vaduz nachgebaute Kette samt „Mauerstueck“ befindet sich heute im Keller des Landgerichts, im „Argentinien-Akt“. 32 Das WC füllte sich ohne dass ich es spülen konnte und auch tagsüber war der Raum gefüllt mit dem Lärm von der Wasserpumpe draussen. Mariano kam doch nicht, wie ich ihn gebeten habe an meinem Geburtstag. Ich weinte und war traurig, weil sie mir nicht nur meine Freiheit genommen hatten, sondern auch meine Fluchtmöglichkeit, aber wohin sollte ich auch flüchten. In der Nacht hörte ich oft Schüsse und auch Hunde. Das war kein gutes Zeichen. Ich war mir auch bewusst, falls ich überhaupt von der Kette wegkommen sollte, ich dann weiterhin nicht aus dem Raum flüchten konnte, da die Fenster so zugenagelt waren, also war es aussichtslos. Der Fluchtgedanke ist dabei gestorben. Nervös schlief ich ein. 33 Am nächsten Tag, Montag, 31. März. Es ist der Geburtstag meiner Mutter, sie ist 60 Jahre alt geworden. Ich weinte wieder, aber weniger, weil ich nicht mehr soviel weinen konnte. Ich las den SPIEGEL nochmals, denn man muss ja etwas tun, um die Zeit totzuschlagen, um auf einen anderen Gedanken zu bekommen. Der Tag ist ja sehr, sehr lang. Ich schreibe wieder an Mariano. Diesmal etwas unterwürfiger. Bitte ihn zu kommen, offeriere ihm mein ganzes Geld und schreibe auch, wie er es sich aneignen kann, hoffte auf baldige Freilassung, hoffte auf seinen Verstand, etc. etc. 34 An diesem Montag bekam ich Vormittags wieder Besuch. Wie üblich ein Auto, ein Dieselfahrzeug, das ich nicht sehen konnte von der kleinen Fensteröffnung aus, die ich hatte. Wieder Waffen, wieder vermummt und wieder Morddrohungen. Sie brachten Essen und eine Notiz von Mariano. Die Notiz von Mariano, ich wusste sie war von ihm, aber sie wurde nie von ihm unterschrieben. Es war sogar, dass darin stand, dass Mariano angeblich für wichtige Geschäfte nach Europa zurückkehren musste. Ich wusste aber und konnte an der Art und Weise wie es geschrieben war, erkennen, dass es Mariano's Stil war. Auf der Notiz stand, dass die Zeit auslaufe und es wurde Besuch aus Europa angekündigt. Sie legten mir Rechnungen vor. Rechnung in „Anführungszeichen‚, denn es waren Forderungen an mich, absurde Forderungen an mich, wo sie vermutlich meine späteren Geldzahlungen rechtfertigen wollten. Ich habe sie im Detail nicht gelesen, weil wissen Sie, wenn man in Gefangenschaft ist, dann unterschreibt man alles. Ich hätte auch unterschrieben, wenn sie mir gesagt hätten, ich soll schreiben, wie ich John F. Kennedy ermordet hätte. Es ist egal, man unterschreibt einfach alles, es ist zwecklos, man will nur lebendig aus der Sache wieder herauskommen. Es kam auch der Gedanke an Mord. Ich meine den Mord an Wächtern um hier herauszukommen, aber wie. Wenn man bei der Türe herein kommt, links oben an der Wand, kam ein Stromkabel aus der Wand heraus in einen kleinen Kasten mit drei runden Sicherungsknöpfen und dann in einen grauen Kasten führt, wo man die elektrische Wasserpumpe ein- und ausschalten kann. Neben dem Stromkabel war auch ein Stromzähler der Marke ABB von 1992 mit dem Zählerstand von entweder 2030 oder 3020, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich habe mir überlegt, ob ich eventuell die Wächter, wenn sie zur Tür hereinkommen, mit einem Stromschlag erledigen könnte. Bin mir aber nachher unsicher geworden, weil ich mich mit Strom nicht gut auskenne und nicht gewusst hätte, welches Kabel wo zu was führte und zudem dachte ich, mit einer Kette am Bein würde evt. der Strom wie eine Erdung an mir vorbeigehen. Wenn nicht ein Stromschlag dann vielleicht die Waffe entnehmen dachte ich mir, was aber nicht so einfach sein wird, weil ich nicht nahe genug an die Waffe gekommen wäre, damit ich meine Hand hätte anlegen können 35 und ich kein Tumult riskieren wollte, was sicher mein Tod bedeutet hätte. Der Gedanke an eine Schlägerei kam auch, aber einen gegen zwei oder drei und ich dann noch angekettet; dies ist nicht sehr hilfreich. Für einen Rest, für andere Möglichkeiten, hatte ich einfach keine Kraft oder war zu dumm dazu. Ich selber war sehr schmutzig, weil ich fast eine Woche in derselben Kleidung gesteckt habe und die Luftfeuchtigkeit in diesem Wasserturm, Wasserwindmühle, ziemlich hoch war. Auch begann der Stahlring in der Nacht zu kratzen, wovon man heute noch die Schürfwunden erkennen kann. Ich bekam wieder Besuch mit denselben Vorzeichen wie Lärm, das Auto, die Waffen, die Türe und Morddrohungen. Es gab auch erste Schläge auf meinen Kopf, wobei ich nicht wusste, womit ich das verdiente oder was ich getan hatte. Bei jener Visite wurde mir wieder Essen, Brot und Früchte und sogar meine blaue Jacke gebracht, weil sie vermutlich vermutet hatten, dass ich während des Tages, wenn ich nicht im Bett bin, eigentlich frieren sollte, weil die Sonne nur ganz klein, also der ganze Raum immer im Schatten war. Zu meiner Überraschung brachten sie auch mein kleines Necessaire, also meine Badeutensilien, Reinigungsutensilientasche mit, was wie folgt beinhaltete: Es war eine Hygienetasche und es war ein Nagelklipser drin, mit einer Fingernagelreinigungsvorrichtung, ein Rasiermesser von der Marke Gillette, kein Schaum, ein paar kleine Seifen von Hotels, sonst gaben sie mir nichts und es gab auch keine Antwort auf meine Bitten, die ich im Brief davor formuliert hatte. Sie checkten wieder die Kette, diesmal sehr gründlich und knallten die Türe beim Hinausgehen zu und verriegelten sie mit massivem Lärm. Wisst ihr, wenn man selber nicht in einer solchen Lage war, ist es vermutlich nicht so einfach für Aussenstehende nachvollziehbar: wie und warum ich das, was ich später tat, machte und wie und warum ich dazu kam. Wenn man sich in Händen solcher Verbrecher befindet, dann macht man sich sicherlich Gedanken, wie stehen die Chancen, dass man lebend aus dieser Gefangenschaft herauskommt. Jeder der so was miterlebt hat, wird vermutlich zugestehen, dass es zum ersten Gedanken an möglichen Selbstmord kommt. 36 Die Gründe warum ich an Selbstmord gedacht habe, waren die Folgenden: Ich hatte Todesangst auszustehen unter diesem psychischen und sonstigem Terror, und ich habe nie von den Entführern gehört, dass, falls ich dies und dies erfülle, ich dann freikomme. Während der ganzen Zeit sagten sie das nicht. Ich bin selber kein Feigling und möchte hier sagen, es ist anders, wenn sich jemand wegen einer verlassenen Freundin oder eines verlorenen Arbeitsplatzes in Freiheit vor den Zug wirft oder sich sonst irgendwie umbringt. Dann ist er vielleicht in meinen Augen ein Feigling oder dumm, weil wegen einer Freundin oder anderen zerbrochenen Beziehungen oder eines verlorenen Arbeitsplatzes sollte man sich nicht umbringen. Aber in einer Gefangenschaft sieht die Sache ganz anders aus. Ich hatte auch Riesenangst vor Folter, weil sie es auch in zweideutigen Andeutungen so gemacht hatten, was auch eine sexuelle Folter beinhaltet hätte. Es ist nämlich so, dass ich dort realisieren musste, dass sie mir nicht nur meine Freiheit, sondern auch meine Fluchtmöglichkeiten genommen hatten und das Einzige, was einem noch übrig blieb war die Macht über Leben und Tod d.h. die Macht über sein eigenes Leben d.h. ich konnte noch selber bestimmen, wann ich sterben wollte oder nicht. So entschied ich mich die zwei kleinen Rasierklingen, die in dem Wegwerf-Giletterasierapparat darin waren, heraus zu nehmen. Ich tat es mit der Fingernagelreinigungsvorrichtung am Nagelknipser. Ich brach die zwei Klingen heraus, lernte mit verschlossenen Augen wie ich ohne mich zu schneiden erkennen konnte, welche Seite das Messer und welche Seite nur diese angehefteten oder angeschweissten kleine Metallstreifen waren. Ich wickelte sie je in ein Stück Zeitungspapierchen hinein und steckte eine Klinge in die vordere, rechte kl. Münztasche von meiner kurzen Jeanshose und die andere habe ich mir in die linke Po-Hosentasche gesteckt. Der Grund darin liegt da, ich vermutete, falls sie mich foltern oder sonst was mit mir machen würden oder nur meine Hände gefesselt auf den Rücken binden würden, so hätte ich doch noch eine Möglichkeit mit der rechten Hand auf den Rücken gebunden in die linke Potasche zu greifen und das Messerchen, das eine Länge von ca. 2 cm und ca. eine Breite von 0,5 bis 1 mm hatte, heraus zu nehmen und vielleicht dadurch die Schnur um meine 37 Hand oder sogar meine Blutvenen aufzuschneiden. Den Rest der Klinge, also den Rest der Vorrichtung zum Rasieren habe ich in altes Brot rein gesteckt. Die Lage wurde auch sonst unangenehm. Das WC war verstopft und Mücken und anderes Zeug verbreiteten sich in meinem Raum. Ich schrieb wieder an Mariano, wobei ich jedes Mal immer unterwürfiger wurde, und ich flehte ihn an, mich freizulassen, wobei ich natürlich auch sagte, dass ich von seiner Geldschuld nichts mehr haben wollte, da mich diese Geldschuld in diese Lage gebracht hatte. Komischerweise fühlte ich mich nach den getätigten Dingen mit der Rasierklinge besser, da ich glaubte, ich alleine entscheide, wann ich sterben will oder nicht. Das war das Letzte was mir blieb. Ich bin ein lebensfroher Mensch und sonst nie depressiv oder sonst was, aber ich hatte nur dies und ich wollte nicht, dass sie es mir wegnehmen könnten. Natürlich ausser sie kämen mir zuvor und davor hatte ich natürlich wieder Angst. Ich möchte hier auch hinzufügen, dass ich gedacht habe, was kann ich mir selber noch Schönes machen, bevor ich diese Welt verlassen sollte und das Einzige, was mir in den Sinn kam, wäre eventuell eine letzte Masturbation an Gedanken an die letzte Frau die ich lieben durfte. Ich überlegte mir dann, was dann passieren würde, wenn ich ihre Bedingungen, die sie mir ja nicht konkret gestellt hatten, erfüllen würde. Lassen sie mich frei, davon schrieben sie aber nichts. Ich dachte ich kannte Mariano gut, aber ich kannte ihn zumindest so gut: er würde nie einen Mord planen, ich glaubte es nicht. Abgesehen davon ist er ein riesiger Feigling. Aber ich war mir sicher, er würde im Effekt jemanden umbringen lassen, weil im späteren Gespräch einem der Bewacher, er war ein Farmknecht, sagte dieser auch, dass in Argentinien ein Menschenleben nicht viel wert hat und dass es für die Angestellten nicht möglich war sich den Befehlen des Gutsherrn, selbst wenn es Mordbefehle wären, zu widersetzen. Also Mariano müsste sich nicht mal die Finger selber schmutzig machen. Ich überlegte mir auch, dass es selbst nach meinen Zahlungen keinen Grund geben würde, warum mich Mariano freilassen sollte. Sicher gebe es Gründe, aber auf der anderen Seite war die Leichtigkeit mit der er mich 38 auf der Farm verschwinden hätte lassen können viel grösser und das beunruhigte mich. Es wäre anders gewesen, wenn er mich in Spanien oder in Vaduz entführt hätte und mich gefangen genommen hätte. Da ist die Lage komplizierter. Auf einer grossen Farm, wo kein Mensch genau weiss, wo ich bin und da gibt es mögliche Unfälle oder da ist einfach die Leichtigkeit eines solchen Vorhabens viel grösser und dadurch auch viel präsenter im Kopf von Mariano, nehme ich an. Wir haben immer noch Montag, Geburtstag meiner Mutter und ich musste ihn in den Briefen immer ständig davon überzeugen, dass ich kein Rachemensch bin, wie z.B. die Argentinier oder die Latinos im Generellen. Ich will hier nur heil rauskommen und werde niemand etwas sagen. Ich schrieb so, dass er gar nicht darauf eingehen sollte, sondern sagte nur, ich will hier raus und das Geld ist mir nicht wichtig. Ich will einfach auch Dinge erfüllen, meine Träume, wie Heirat, Familie, Kinder und ein ruhiges Leben führen. Ihr müsst verstehen, dass man alles macht, was sie verlangen, weil man Ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist. Am Montagnachmittag, spät, bekam ich wieder Besuch. Wieder der Lärm eines Wagens, der sich ankündigte, und ich bekam sofort Herzflattern. Die Türe wurde wieder massiv aufgeschlagen und die Waffe an den Kopf gehalten und die Kette wieder kontrolliert. Eine Notiz von Mariano mit Schreibmaschine geschrieben, ohne seine Unterschrift darauf, wurde mir wieder zugesteckt. Er glaubte mir nicht oder sie glaubten mir nicht in Bezug auf mein Geld und wie man es transferieren könnte oder meine einzige geschilderte Möglichkeit wie ich an das Geld kommen könnte und er sagte auch, dass Morgen der letzte Tag sei und dass die Zeit zu Ende gehe. Das war alles. Das Essen ist wieder kalt gewesen. Ich glaubte durchzudrehen, obwohl mein Geist ganz scharf blieb. Ich versuchte zu schlafen, konnte aber nicht. Dienstag, 1. April. Mein ganzer Körper schmerzte und ich hatte eine unruhige Nacht hinter mir. Ich war traurig und glaubte, dass ich hier nie rauskommen werde. Ich überzeugte mich davon selbst, wartete 39 aber ab. Es war mir sehr kalt, ich kontrollierte die Rasierklingen in meinen Hosen und merkte mir wieder auf welcher Seite die scharfe Klinge war. Ich liess alles nochmals durch meinen Kopf gehen und es widersträubte mir, daran zu denken, dass ich bald soweit kommen könnte, mir selber das Leben zu nehmen. Es kann ja nicht sein, dass ich gehe, ohne dass ich meiner Familie, meinen Freunden, meinen besten Freunden und der Welt ADIOS gesagt hätte. Aber von hier aus konnte ich ja niemanden erreichen. So geschah es, dass ungefähr am Mittag wieder Besuch kam. Ich begab mich wieder in die übliche Position, eingekauert unter meine Bettdecke, das Gesicht unter das Kissen und die Hände und Oberarme vor meinem Gesicht. Ich hörte mehrere Personen, Schritte und zu meiner völligen unglaublichen Überraschung stand da Verdammt noch Mal dieser Verbrecher Helmut Roegele mit seiner Frau Salud Hidalgo und zwei Wächtern mit gezogenen Revolvern und Pistole vor mir im Raum. Ich möchte noch anfügen, dass ich bei einem dieser Besuche beim Wächter klar erkennen konnte, dass der silberne Revolver mit Patronen in der Trommel voll geladen war. Ich begann erst dann zu realisieren, dass wahrhaftig Helmut Roegele und Mariano das alles ausgeheckt hatten. Die zwei Wächter waren maskiert und mit Waffen, Helmut und seine Frau nicht. Sie kamen in sehr gepflegtem Stil daher. Ich zitterte am ganzen Körper am ganzen Leib. Helmut schrie mich auf Spanisch an und dann auf deutsch und er sagte: "Ja, jetzt können wir Dir das antun." Ich kniete auf vom Bett und kniete vor ihm auf dem kalten Boden mit meinen kurzen Hosen und sagte: „Ich habe Euch doch nichts getan und ich flehe um mein Leben." Die Worte von Helmut waren sicher ein grosser Teil des Auslösungsprozesses, was ich mir dann später angetan habe. Er sagte: „Wir kriegen dein Geld sowieso. Entweder du machst es uns als Überweisung oder du wirst hier einen "Unfall" erleiden." Er sagte es in vollem Ernst. Er sagte wortwörtlich: "Ermordet wirst du hier sicher nicht, wir sind nicht so blöd und machen uns die Hände schmutzig, sondern du wirst z.B. einen "Reitunfall" oder von einem "hohen Baum fallen" und der Arzt wird dies als Unfall bestätigen und mit den Rechnungen, die du in Gefangenschaft unterschrieben hast oder mit den 40 Schuldanerkennungen werden wir gegen deine Erben losgehen.‚ Die Erben wären mein Vater Alfons Kieber oder meine Mutter Maria, da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Er hat es mit einer solchen Deutlichkeit gesagt, dass ich keinen Anlass dazu hatte, an seinen Worten oder den möglichen Taten seiner Mittäter zu zweifeln, auf keinen Fall. Er legte mir zwei Rechnungen vor um die Transaktionen wohl ein wenig legaler, wenn man so sagen kann, zu gestalten. Ich las nur eine Forderung von 80 Millionen Peseten von ihm und eine Forderung von 150 Mio. Peseten von Mariano und ich dachte nur, das ist mein Ende. Erstens, wieso dachten die ich hätte so viel Geld und zweitens wie konnten sie mir so was unterschieben, da ich ihnen doch absolut gar nichts schulde! Im Gegenteil, Mariano schuldet mir sogar viel und das weiss er und Helmut ganz genau. Ich habe die Postenaufstellung nicht gelesen, was dann dazu führte, dass die Frau von Helmut sich aufgeregt hat und geschrienen hat: "Willst du sie nicht lesen?" Ich habe geantwortet: "Ich kann es nicht." Sie forderte ihren Mann auf, es mir vorzulesen, aber das tat er nicht. Ich unterschrieb aber, ich wurde genau beobachtet und Helmut hat darauf geachtet, dass ich meine genaue Unterschrift mache und nicht eine schusslige. Ich musste also zuerst auf der Zeitungen, die ich als Tischdecke benutzte, zuerst 2 bis 3 Mal meine Originalunterschrift üben, weil ich so zitterte und ich mich erst beruhigen musste. Dann im vierten Anlauf unterschrieb ich auf das Papier von Helmut, das ich erst gar nicht gelesen hatte. Die massiven Drohungen, die darauf folgten möchte ich nicht wörtlich wiederholen, weil ich sie nicht ganz verstehen konnte, aber es war einfach eine massive Drohung, die sicherlich jedem eingefahren wäre. Sie machte noch den Kommentar auf spanisch, seine Frau, dass ich halt noch weiter leiden muss, weil sie mir nicht glaubten, dass ich nur soviel Geld, 41 42 wie ich dem Mariano aus dem Kerker geschrieben habe, habe, was mich gezwungenermassen zu der Annahme brachte, dass ich noch gefoltert werden sollte, da ja die normale Haft, wenn man es als normal bezeichnen kann, die ich bis anhin durchgemacht hatte, ohne grosse Folter, dass das das Wenigste oder das Einfachste in deren Augen war oder das weniger Schlimmste in deren Augen, was ich bis anhin erlebt habe. Sie wollten noch mehr Tortur und er hat es auch so ausgedrückt. Sie sind dann schon nach 20 Minuten gegangen, nicht ohne einen weiteren Besuch am Abend anzukündigen und ich setzte, da ich ja leben möchte, einen ersten, erzwungenen und vordiktierten, handgeschriebenen Brief an Herrn Bankdirektor Bröll der BAWAG in Österreich in Feldkirch auf. Ich schrieb ein normaler Brief an ihn und bat um Überweisung mit dem nötigen Codewort, obwohl ich ja nicht wusste, wohin das Geld zu überweisen war, weil sie mir noch keine Angaben dazu gemacht haben. Da schrieb ich einfach den Überweisungsauftrag und liess dann den Platz leer damit Helmut oder Mariano dies selber einfüllen konnten, wohin es überwiesen werden soll. Da kommt mir wieder in den Sinn, dass ich – als ich die Financial Times im Kerker gelesen hatte, ich auf einen speziellen Artikel gestossen bin; in der Aufregung fällt mir jetzt der Inhalt nicht mehr ein: es hatte aber zu tun mit Angaben über Vermögen oder so; in meiner Angst, dass Helmut, der auch Englisch kann, den Artikel sehen würde und mich beschuldigen würde, ich hätte Aussagen zu meinem Vermögen, auf Grund der Worte, wie im Artikel verwendet wurde, "verfälscht". Ich bekam wieder eine Panik und riss den Artikel aus dem Blatt und zerkaute den ganzen Artikel und ass ihn auf. Ich spürte, dass meine Situation hoffnungslos war, und dass mein Ende nah war. Es lag einfach in der Luft. Wiederholt hatten sie ja nie von Freiheit gesprochen, kein Mensch hat von Freiheit gesprochen, nach Erfüllung der Bedingungen und sie hätten mich ohne Probleme Monate so halten können, ohne dass mich je jemand gefunden hätte. Ich war traurig, weil ich nicht "Good Bye" und "Auf Wiedersehen" zu meiner Familie, meinen Freunden und allen Leuten, die ich kenne und die mich geliebt haben, hätte sagen können. Ich erinnere mich dann an einen Sonntagsartikel oder einem Samstagartikel in dem Magazin vom 43 Tagesanzeiger in Zürich, wo ein Journalist ein Buch geschrieben hat "Das war es also" und er Leute interviewt hat, die Dinge im Leben erlebt haben und die sich dann schon in gewissen Altersstufen gefragt haben, ob es das schon war. Ich musste mich dann auch wahrhaftig, als 32-jähriger Mann plus zwei Tage selber fragen, ob es DAS wirklich schon war. Ob ich nie mehr das Licht, die Sonne, Vaduz, meine Familie, meine eigene "zukünftige" Familie, Frau und Kinder erleben werde. Das machte mich sehr, sehr traurig. Da ich auch vermutete, dass sie mir nicht glauben werden, wegen der tatsächlichen Höhe meines Vermögens, musste ich annehmen, dass sie mich töten werden. Von späterer Freiheit sprach ja niemand. Ich schrieb den handgefertigten Brief an Herrn Bröll zu Ende, es waren eineinhalb Seiten, und unterschrieb ihn korrekt. Auf dem Brief waren auch die genauen Angaben des Kontos und des Lösungswortes darauf. Ironischerweise hiess das Lösungswort Teklanika und das ist ungefähr der Name eines Flusses in Alaska, wo ich 1989 mit meiner damaligen Freundin, die ich sehr geliebt habe, auf Besuch war. Im Denali-National- Park in Alaska sagten wir uns, falls wir eines Tages heiraten werden und ein Kind haben sollten, dann werden wir es, wenn es ein Mädchen werden sollte, Teklanika nennen, weil uns dieser Name sehr gefallen hat. Und ich war nun dort in dem Raum und musste Teklanika schreiben und nachher meinen eigenen Tod bestimmen. Meine Sinne waren sehr geschärft. Die Zuhörer mit schwachem Herz sollten jetzt nicht weiterhören und die anderen bitte ich um Verzeihung, falls ich zu detailliert vorgehe. Ich war mir sicher, dass beide Verbrecher, Helmut und Mariano, vor allem Mariano mit seiner 1,5 Mil. CHF-Forderung "enttäuscht" sein würde und er sicher schon das Geld in Gedanken ausgegeben hat. So ist er und er wird bestimmt böse, weil er nicht im Geringsten so nahe an das Geld kommt, an diese Summe, die er sich erwünscht hat von mir und als Profit aus dieser Operation schlagen wollte. Nebst dem Verlust und nebst dem Nichtbezahlen seiner Schuld dazu. Ich dachte mir, ich könnte mir eigentlich auch am Abend nach dem letzten üblichen Besuch das Leben nehmen. Damit ich sicher war, wenn ich verblute, dass ich auch genug Stunden habe, um zu sterben. Mir 44 kam dann die Angst, dass ich vielleicht nachher keine Gelegenheit dazu hätte über mein Leben selbst zu bestimmen, weil doch die Worte von Helmut und seiner Frau und die Andeutungen der Wächter, dass es mir noch schlechter ergehen sollte und dass ich noch leiden musste, als nur diese in deren Augen "einfache Gefangennahme", wobei natürlich meine eigene ANSICHT darüber wichtiger und vor allem die ECHTE ist. Ich war ja der Gefangene und nicht sie. Meine Gefühle dazu waren natürlich die Ausschlaggebenden und meine Eindrücke und nicht deren die draussen frei herumlaufend konnten. Ich hatte keine Zeit mehr und wollte auch nicht einen Abschiedsbrief schreiben, weil ein Abschiedsbrief, wenn ich tot bin, da war ich mir sicher, sie einen Brief an meine Mutter oder meinen Vater nicht übergeben werden würden, darum hätte es auch keinen Sinn gemacht einen zu schreiben. Ich stand auf vom weissen Plastikstuhl mit all meinen Sinnen sehr geschärft und auch die Augen wie ein Adler geschärft. Ich zog meine Jacke aus, die ich an hatte und legte mich auf das Bett. Ich hatte natürlich selber nie Erfahrung mit einem Selbstmordversuch, warum auch, und bin auch sonst kein Mediziner. Ich dachte einfach, dass es mit Handgelenken aufschneiden genügen sollte und dann das Blut fliessen sollte und einfach der Herzstillstand eintritt, weil kein Blut mehr kommt oder das Gehirn stirbt, weil kein Blut mehr kommt. Natürlich habe ich mir auch gedacht, dass ich gegen die Wand rennen könnte, aber mit der Kette am Fuss kann ich nicht genug Anlauf nehmen und zudem war ich mir nicht sicher, ob das funktioniert. Auch die Glasscheiben habe ich mir vorgestellt als Selbsttötungswaffe, aber die Rasierklingen schienen mir schon sauberer und schärfer als das Glas. Ich legte mich also auf mein Bett und nahm zuerst mit der rechten Hand die rechte Klinge aus der vorderen Münztasche meiner kurzen Hose und ohne dass ich grossen Schmerz empfand, schnitt ich mit der rechten Hand einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal mit schräg, dem schräg angesetztem kleinen Messer in das linke Handgelenk. Beim 5. Mal machte es "SSSSch", wobei ich vermutlich eine Vene oder einen Nerv angeschnitten hatte. So dachte ich jedenfalls. Das Blut floss nicht gleich und nicht so wie ich es mir erdacht hatte und gar nicht so wie es im Film immer ist. Ich wollte mit einer frischen Klinge, mit der 2. Klinge, die linke Hand aufschneiden, 45 musste aber feststellen, dass ich ja auf dem Bett lag, auf dem Rücken, so musste ich wieder aufstehen mit der rechten Hand nach hinten in die linke Po-Tasche greifen, die Klinge aus dem Papier auswickeln, in die linke Hand geben, die komischerweise nicht geschmerzt hat, und dann zwei- bis dreimal mit schräg angesetztem Messer tief in das rechte Handgelenk schnitt. Wieder machte es "SSSSch". Ich lag wieder auf dem Bett und legte die Hände auf den Boden damit das Blut auch gut fliessen konnte. Ich dankte Gott und noch anderen Leuten für das, was sie für mich getan hatten und ich bat Gott um Verzeihung auch für das was ich getan hatte und dass er mich bitte in den Himmel nimmt und mir meine Familie verzeihen werde. Komischerweise verspürte ich keinen Schmerz, nur vielleicht einen kleinen, brennenden Stich in meinen Händen. Ich war bereit zu sterben und auch hatte ich nicht eine Sekunde lang, nachdem ich die Hände aufgeschnitten hatte, das Bedürfnis es abzubrechen, ich wollte sterben, weil die Täter mich überzeugt hatten, dass sie mich umbringen werden und mich dadurch zum Selbstmord getrieben hatten. Ich will noch jetzt dazu sagen, dass ich all meinen Mut, den ich je in meinem Leben gehabt hatte, zusammennehmen musste, damit ich mir solchen Schaden, solche Verletzungen beifügen konnte. Es ist falsch zu glauben, dass es einfach war, sondern im Gegenteil, man muss seinen ganzen Mut aufbringen um sich selber das Leben so zu nehmen. Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, wäre es einfacher und schmerzfreier erledigt gewesen und viel schneller, aber das hatte ich ja nicht. Zudem musste ich leider wiederum feststellen, dass das Blut nicht so floss, wie ich es vermutet hatte, und ich dadurch in eine Lage kam, wo ich feststellte, dass ich SO nicht sterben werde, nicht sterben konnte. Ich musste aber sterben; es gab keinen Weg zurück. Die zweite Rasierklinge, die noch in meiner linken Hand, zwischen den zwei Fingern blutverschmiert klebte, nahm ich mit der rechten Hand weg und setzte mit dieser Hand zum hoffentlich finalen brutalen Schnitt in die linke Halsschlagader an; ich wusste, dass wenn diese durchtrennt oder massiv angeschnitten ist, das Blutfliessen ohne Hilfe von Aussen nicht gestoppt werden kann. Die kleine Klinge bohrte sich links ca. unterhalb des Unterkiefers ins Fleisch und beim Herunterschneiden versuchte ich den Druck auf die Klinge zu 46 erhöhen, so dass ich die tief irgendwo darunter liegende Haupthalsschlagader zerschneiden kann. So, das sollte genügen, so war ich überzeugt. Wie sich jetzt (Anm.: später im Spital Vaduz) herausstellte, habe ich die Hauptschlagader um ca. 0,4 cm verpasst. Minuten, die mir wie Sekunden erschienen vergingen und der Tod wollte nicht kommen. Verdammt noch mal.... So stand ich, stand ich wieder vom Bett auf und glauben Sie mir, es ist möglich wieder aufzustehen, obwohl man beide Handgelenke zerschnitten hat und wenn man auch ohne grossen Erfolg versucht hat, seine "eigene Kehle" durchzuschneiden. Ich nahm eine Decke vom Bett, umwickelte die Decke um meine rechte Faust und schlug in beide kl. Fenster, die oberhalb von meinem Bett waren, ein. Es war ein Riesenkrach und die Scheiben flogen überall herum. Ich suchte mir ein Stück, dass längste Stück mit dem spitzigsten Spitz aus und legte mich wieder hin. Das Glas, in einer Form eines Dreiecks, hielt ich in meiner linken Hand, zwischen Daumen und den anderen Fingern und mit der rechten Hand suchte ich nach den Pulsadern, bzw. dem heftig schlagenden Puls in der „Halsgrube‚. Ich konnte links und rechts von der Halsgrube dort den Puls stark spüren, aber am stärksten spürte ich ihn an der kleinen Mulde am Halsansatz. Ich legte die Glasspitze darauf an und hielt mit der linken Hand das Glas fest und mit der rechten Hand machte ich eine Faust, holte mit dem Arm aus und schlug mit voller Wucht, was ich noch konnte, auf das Glasmesser drauf, damit es einen Stich gibt. Es gab einen starken Schnitt in meinen Hals und ich hörte auch Luft entweichen. Ich vermute, dass es die Luftröhre war und dachte, wenn sich Blut in die Lungen füllt, dass ich dann so sterben konnte. Ich wollte aber ganz sicher gehen und setzte das Glas nochmals links, ein wenig von mir ausgesehen nach links, die Spitze versetzte ich nach links und – nach einer Drehung des Glasstücks - schlug nochmals zu und liess das Glas danach auf meinen Bauch fallen. Es strömte sehr viel Blut heraus und floss herunter, links und rechts von meinem Hals und in meine Haare. Auch hatte ich jetzt tiefe Schnitte am linken Daumen und Zeigefinger. Ich legte die Arme wieder hinunter auf den Boden und hoffte, dass Gott mich zu sich nehmen würde. Ich wollte sterben. Da ich sicher war, dass sie mich umbringen würden oder 47 zuerst foltern würden und davor hatte ich Angst. Ich spürte, komischer Weise keinen grossen Schmerz, konnte aber noch durch die Nase und dieses Loch atmen. Ich wartete auf den Tod und wartete und wartete und betete zu Gott, er solle mir verzeihen und mich zu ihm aufnehmen, wie wir es in der Schule gelernt hatten, in unserer Schule. Es war komisch, ich dachte, es müssten langsam die Sinne nachlassen, die Augen und die Ohren oder so, aber es war nicht dementsprechend, ich konnte die Vögel klar hören und die Decke des Zimmers gut beobachten und ich konnte auch meine Zehen bewegen und ich verstand nicht wie so was möglich war. Dann auf einmal fing der Körper selber an, ohne dass ich es wollte, komische Laute von sich zu geben, das heisst der Unterteil von meinem Kiefer war wie gelähmt und mein Herz pumpte wild daher und die Lunge oder der Magen füllte sich mit Luft und die Laute waren so wie eine Kuh schreit. Ich lag da, vielleicht 15 - 20 Minuten und wartete auf den Tod, der kam nicht, aber dafür kamen die Wächter, weil sie vielleicht mein Schreien gehört hatten oder nicht, ich weiss es nicht. Ich war nicht bewusstlos und ich hörte die Tür aufgehen und sah zwei vermummte Gestalten dort, mit Waffen in denen Händen und der eine, das war dann der Sohn Mariano's, Mario, ich habe ihn dann erkannt, weil sie, als sie mich gesehen haben in dieser Blutschweinerei, die aussah wie auf einem Schlachthof, sie die Kapuzen abgenommen haben und die Waffen weggeschmissen, irgendwo hin, und einer von beiden schrie dann, ich weiss nicht welcher, "der verdammte Sauhund" hat sich umgebracht. Später dann kam der Knecht zu meinem Bett, und fragte: "Warum, warum, hast du das getan?‚ Ich sagte nur, nein ich sagte nichts, eigentlich, ich wollte nur alleine gelassen werden. Und habe vielleicht geflucht, dass es mir nicht gelungen ist meinem Leben ein Ende zu setzen. Sie haben sofort die Handtücher oder das Handtuch aus dem Badezimmer geholt und der eine Sohn, Mario, hatte ein Mobiltelefon und hat sofort, weiss Gott wen, angerufen und einer sagte noch, sie müssten den Papa, also den Mariano informieren, dass der eine habe sich umgebracht, der Vollidiot oder versucht sich umzubringen und dann ging das Gerenne los. Sie haben noch kurz, denn ich lag nochmals ca. 1015 Minuten so da, mir mit einem Handtuch meine Halsverletzung und die Hände eingewickelt. Ich hörte auch, weil 48 sie nicht wussten wie mit der neuen Lage umzugehen, dass sie darüber referiert haben, ob sie mich sterben lassen sollten, gleich totschlagen sollen oder ob sie mir helfen sollten. Jetzt hatten sie natürlich ein Problem. Sie hatten einen halbtoten Gefangen und kein Geld. Dies war natürlich ein Problem und da ich jetzt weiss, dass sie nur für das Geld, so geldscharf waren die und mich natürlich für das Geld "operiert" hatten. Darum hatten sie mir auch geholfen, sonst hätten sie mich sterben lassen, denn früher oder später wäre ich mit dem Blutverlust sowieso gestorben, da bin ich mir ganz sicher, das haben sie auch gemeint. Dann hatten sie einen Knecht beauftragt, ich kenne seinen Namen nicht, er hat nur gesagt, ich soll ihn auf Spanisch "den Vogel" nennen. Dann haben sie mir das Hemd vom Leibe gerissen, die Hose behielt ich an. Man darf nicht vergessen, dass ich noch die Kette am Bein hatte. Sie schmierten die Glasscherben weg und hoben auch noch den vorhandenen Fensterrahmen links und rechts auf der Fassung und brachten das ganze Fenster mit den zerbrochenen Scheiben ins Freie. Ich konnte mich selbst nicht mehr bewegen und war in Ekstase oder so. Sie richteten meinen Körper auf und die Beine schoben sie von Richtung Bett auf den Boden, sodass ich dann so eingeknickt auf dem Bett sass und diese Handlung mit mir geschehen liess. Ich habe dann nichts gesagt und sie haben eine zweite Matratze eine alte, echte Matratze, das andere war ja nur ein Schaumstoff mit einem Stoff überzogen, vom oberen Stock die Treppe hinunter geschleift und sie gegenüber von der Wand, wo ich jetzt mein Bett hatte, hingelegt, d.h. unter die Steinwendeltreppe. Sie schleppten mich über den Boden oder noch besser gesagt schleiften mich über den Boden samt Kette auf die andere Seite und legten mich hin. Es gab Diskussionen über was zu tun war, der Knecht kam zu mir und sagte: ‚Enrique, ich muss dich jetzt‘ nähen. Ich wollte oder stammelte etwas von Spital oder Arzt, aber sie gingen nicht darauf ein. Er war ja nur der Handlanger, und ein Knecht hat in Argentinien sowieso nichts zu sagen, sie sind wie Leibeigene bei diesem Gutsherrn Mariano. Ich lag dann dort, und ich weiss heute, dass einer der Söhne dann wie verrückt ins Dorf gefahren ist und bei der Apotheke Verbandszeug, Tetanusspritze, Infusion, Nadel und weiss Gott was, geholt hat und auch Gaze. Dieser Stoff wird da zum 49 Verbinden gebraucht. Der Unfall passierte so ungefähr um 14:00 Uhr / 14:30 Uhr, mein Selbstmordversuch. Ich blieb dann eingedeckt liegen und der Knecht kniete sich einmal links, einmal rechts unter der Wendeltreppe in die Ecke und fing an beim Hals, die Haut, zusammen zunähen. Es gab natürlich keine Betäubungsmittel und zudem habe ich gar nichts gespürt, ich vermute, dass ich um die Gegend der Verletzungen sowieso schon so sehr, ich weiss den medizinischen Ausdruck nicht, aber sicher schon sehr betäubt war, da es ihn doch Mühe kostete die Nadel durch meine Haut zu stecken, da heisst ich die Nadel nicht spürte. Nachdem er den Hals zusammengenäht hatte, nähte er vier Stiche auf das linke Handgelenk und drei Stiche in die rechte Hand. Alles wurde mit Gaze verbunden und ich blieb dann unter der Decke ohne Hemd auf einem Kissen aus Kunststoffwolle liegen. Die Kette blieb noch daran. Später bekam ich dann Besuch vom Sohn Marco, weil ich um einen Arzt beim Knecht gebeten hatte. Marco sagte ganz kalt mit dem kältesten Blick, den ich je in einem Mann oder Menschen gesehen habe: „Heinrich, du musst selbst gesund werden hier, wenn nicht, dann müssen wir dich umbringen, weil wir können auf keinen Fall einen Arzt hierher kommen lassen oder dich ins Spital bringen, weil du sonst die Polizei rufen würdest und das ganze Unternehmen samt der Hazienda in Gefahr bringen würdest.‚ Nämlich selbst in Argentinien ist die Polizei auch reaktionsfähig und nicht dumm, wenn ich das so sagen darf. Ich weinte nur, weil ich dachte, entweder heisst es, als ich wieder zu normalen Gedanken kam und dort lag, verfluchte ich es, dass ich es nicht geschafft hatte, meinem Leben ein Ende zu machen, denn ich wollte doch von dieser Situation rauskommen und jetzt war es noch schlimmer. Jetzt lag ich zwar halbwegs verpflegt, aber immer noch in diesem scheiss, verdammten, kühlen, kalten, dreckigen, schmutzigen Verliess und immer noch die Kette am Bein und es hatte sich nichts geändert. Der Sohn Marco, der Rothaarige, sagte mir auch, falls ich nicht, falls es zu Komplikationen kommen könnte, wie zu einer Infektion oder Lungenentzündung oder so, sie natürlich keinen Arzt rufen könnten und ich dann im Ofen verbrannt würde. Sie haben dort einen grossen Ofen, wo sie jeweils die Reste der Kühe oder der Kuh, die sie pro Monat für den Eigengebrauch schlachten, verbrennen, damit sie keine 50 Restspuren hinterlassen. Ein Vergraben käme nicht in Frage, da es früher oder später zu Funden meiner Gebeine kommen könnte, wobei ein Ofen mit so hoher Temperatur nichts übrig lassen werde von mir. Ich war natürlich nicht gerade fröhlich über solche Nachrichten und was mich natürlich anstrengte selbst gesund zu werden, so gut wie ich es selbst in der Hand hatte. Mich wundert es heute, dass ich nicht an den Verletzungen einer Entzündung gestorben bin, denn dem Knecht seine Hände sahen schwärzer und dreckiger als die eines Kaminfegers aus. Am Abend spät kamen sie mit einer Infusionslösung, weil ich soviel Blut verloren hatte. Dummerweise, wie man heute noch an den Unterarmen links und rechts erkennen kann, konnten sie keine vernünftige Vene finden, d.h. ich musste soviel Blut verloren haben, dass sich die Venen im Unterarm links und rechts nicht deutlich zu erkennen gab, weil sie zuwenig mit Blut gefüllt war. So kam es, dass ich links sieben Einstiche mit der blöden Scheissnadel links und zwei oder drei Einstiche rechts im Unterarm bekam. Sie haben auch die Flasche mit der Infusion so hoch über mir an die Wand genagelt und aufgehängt, dass der Flüssigkeitsdruck so stark war, dass die Lösung wie aus einem voll offenen Wasserhahnen sprudelte. Und nicht wie es sein sollte mit kleinen Tropfen. Sowieso, die Infusionslösung ging nicht in eine Vene hinein, sondern in die Haut dazwischen und es bildeten sich Schwellungen in der Haut. Ich musste ihn darauf hinweisen, dass die Nadeleinstiche nicht korrekt sind und er versuchte es dann bis zu 10 Mal oder so und dann haben wir gesagt, lassen wir es lieber sein. Da lag ich nun wie ein halbtoter Hund an einer Kette und schmutzig war ich auch noch dazu, weil ich mich ja nicht waschen und die Wäsche auch nicht wechseln konnte. Die Unterhosen und Hosen konnte ich nicht wechseln, weil man sie nicht über die Kette ausziehen konnte. 51 Währenddem ich gepflegt oder behandelt wurde, räumten sie mit grosser Gründlichkeit die andere Raumseite auf und nahmen die andere Matratze weg. Das Bettgestell, das auch durchblutet war, das habe ich gesehen, d.h. dass das Blut durch die Schaumstoffmatratze floss und dann auf die Federn und auf das Bettgestell durchtropfte. Auch wurden alle Scherben aufgeräumt und die Fensterrahmen aus den Angeln genommen und weggenommen. Von nun an hatte ich einen ständigen Bewacher, es war der Knecht, der vor mir auf dem Stuhl sass und mich beobachtete, ich weiss nicht, ob die Angst grösser war, dass ich mir noch einmal was antun könnte und sie dadurch das Geld nicht erhalten könnten, oder ob die Bewachung und Beobachtung wirklich dazu da war, um zu schauen, ob ich nicht doch sterben würde. Mir tat alles weh, die Öffnung in der Speiseröhre, wie sie mir jetzt sagten, ich dachte es sei die Luftröhre, aber sie sagten nein, es sei die Speiseröhre und es wäre die Luft vom Magen herausgekommen. Ich habe bis gestern, bis zu meinem Besuch bei Herrn Dr. Moser im Spital Vaduz selbst geglaubt, dass es die Speiseröhre ist, aber er hat mir gesagt dass die vordere Röhre die Luftröhre ist, jetzt 52 weiss ich auch nicht, was ich denken soll. Egal, es tat mir alles weh, ich hatte Angst wegen der Öffnung, wegen dem Loch in der damals noch Speiseröhre, wie ich noch glaubte, weil mir nur die Haut zugenäht wurde. Sie sorgten sich um mich. Logischerweise mussten sie mich ja aufpäppeln damit ich die Kohle organisieren konnte und wegen meines miserablen Zustandes und ob wirklich keine Gefahr bestand, dass ich fliehen konnte, ich wollte auch nicht mehr fliehen, ich wollte entweder nur Tod oder lebendig aus diesem Haus, aus dieser Geschichte, aus diesem Raum, aus diesem Land weg. Obwohl ich mich in so schlechtem Zustand befand, hatten sie mich trotzdem in der Kälte gelassen, ich weiss nicht wieso. Spät am Abend, ich konnte sowieso nicht schlafen, weil die Matratze, die sie mir untergelegt haben, hatte ein Riesenloch in der Mitte, sodass mein Gesäss im Loch lag und ich dann mit den Rippen auf einer gewissen Kante lag und dazu mir der ganze Rücken und der ganze Körper schmerzte. Ich wollte auch nicht schlafen, weil ich mit einem Auge, dem linken, hinüber zur Tür geschaut habe, die jetzt offen blieb, sie haben die Tür nicht mehr zugeschlossen und vor mir auf dem Stuhl oder zeitweise auch neben den Stuhl der Bewacher sass. Im oberen Stock hat der Knecht im Bett geschlafen oder er beobachtete mich. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass Mariano mit seinen drei Söhnen, wobei der dritte Sohn, Pedro, den ich nie gesehen hatte, und ich nicht weiss, ob er auch informiert war, d.h. ich habe ihn dort nie gesehen, aber ich habe in einmal in Spanien kennen gelernt. Ob Mariano mit seinen Söhnen, Mario und Marco, doch nicht zum Schluss gekommen sind, dass sie mich wegen meinen schweren Verletzungen und der Gefahr, dass ich nicht durchkommen könnte oder was immer, dass sie doch entschieden mich gleich zu beseitigen. Ich hatte auch Riesenangst als der Knecht mein Hals zugenäht hatte und dann, der anwesende, unmaskierte Mario mit seinem Messer das Ende der Schnur durchtrennte. Ich lag nur bewegungslos da und schaute mit meinen Augen unter den Lidern hervor und sah wie Mario mit seinem grossen, langen Messer an meiner Kehle die Schnüre vom Nähen abtrennte. Ich hatte solche Angst und ich glaubte fest, dass er mir im Effekt die Kehle durchschneiden könnte um diesem Drama und diesem Problem ein Ende zu machen. Sehr, sehr spät am Abend kamen dann überraschend der Verbrecher 53 Helmut und seine Frau zu meinem Bett. Ich lag ja nicht mehr auf einem Gestell, sondern nur noch auf der nackten Matratze auf dem Boden. Ich flehte Helmut Roegele an, da ich fälschlicherweise dachte, dass er ist der Einzige von dieser Bande hier, der noch ein wenig menschlich auf mich wirkte und meine Tränen kamen mir in die Augen und ich flehte sie an, mich nicht alleine zu lassen und hier wie ein Hund verrecken zu lassen. Sie schworen mir und sagten auch, dass sie angeblich von dem Ganzen zuvor nichts gewusst hätten, erst nach dem Nachtessen wurde es ihnen erzählt und sie hätten sich angeblich sehr aufgeregt und verstanden nicht, warum Mariano mich nicht in ein Spital bringen wolle, d.h. sie verstehen es schon, aber sie wollten es nicht machen. Ich erzählte ihnen von den missglückten Infusionseinführungen, dass wenn ich nicht an meinen Verletzungen oder einer Vergiftung oder Entzündung von den dreckigen Händen des Knechts sterben werde, dass ich sicher hier in dieser Kälte und bei dieser Luftfeuchtigkeit an einer Lungenentzündung sterben werde, da ich sonst schon schwach war. Sie versprachen mir, dass sie sich um mich kümmern würden und ich solle so schnell wie möglich gesund werden, damit ich hier herauskomme natürlich nachdem ich Ihre Bedingungen, d.h. ihre Geldforderungen bezahlt hätte. Denn sie hatten sich nun auf das eingelassen, diese Herren und Verbrecher und sie wollten auf keinen Fall jetzt ohne einen Pfennig Verdienst diese Lage beenden, nur weil ich versuchte, mich umzubringen. Das Einzige das es wirklich zu jenem Zeitpunkt bewirkt hat, war dass sie mir geglaubt haben, dass ich nur das habe, was ich habe und keinen Pfennig mehr. Mittwoch, 2. April. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich mit einem Auge auf den Bewacher schaute und aufpassen musste, dass er sich nicht die Hose verbrannte, weil er vor dem Stuhl einen Gaskocher aufgestellt hatte und vor mir eingenickt war und die Beine und damit seine Hosen ziemlich nah am Feuer dieser Gasflamme gestreckt hatte. Zweitens habe ich immer die Tür beobachtet, die nicht verschlossen wurde, weil ich vermutete und überzeugt davon war, dass es zu einer Kurzschlussreaktion kommen könnte von Seiten der Verbrecher und dass sie in der 54 Nacht kommen und mich erschiessen, die Möglichkeit war sehr, sehr gross, dass es passieren würde, um dieser unvorhergesehen Wendung, die ihr Verbrechen genommen hatte, ein Ende zu bereiten. Mir ist dann auch aufgefallen, dass an der Aussenseite der Stahltüre offenbar extra für diese Gefangenschaft mehrere zusätzliche Riegel mit Schliessvorrichtung daran angeschweisst wurden. Nochmals, am Mittwoch morgen kam Marco und sagte mir, dass ich, wenn ich nicht selber gesund werde, sie mich erschiessen oder umbringen müssten. Wobei sie es nicht selber machen würden, weil die ganze Familie Marti-Ventosa Roqueta Feiglinge sind. Es waren solche Leute, die dir von hinten in den Rücken fallen und dies vermutlich einfach ihren Angestellten übertragen würden, mit der Begründung, dass es lebensnotwendig für den Erhalt der Einheit und den Erhalt dieser Farm ist, dass man mich beseitigen muss, weil sonst alle im Knast oder wo immer landen würden, nehme ich an. Auch bat ich um einen Arzt oder um ein Spital, weil ich nicht glauben konnte, dass mit diesen kleinen Korrekturen, die der Knecht an mir verübt hatte, überleben würde. Obwohl sie mir auch noch eine Tetanusspritze in den Hintern geschossen haben und noch eine andere Spritze, die sie beim Arzt im Dorf oder sonst wo gekauft hatten, ich konnte nicht glauben, dass das so heilen würde. Zudem war ja mein seelischer Zustand auch nicht der Beste und das heisst es war eigentlich eine sehr verrückte Lage, weil ich ja noch angekettet war und wieder in der Scheisse des Kerkers drin war. Der Knecht blieb die ganze Zeit bei mir, Tag und Nacht, und es gab auch einige, peinliche Situationen, wo ich auf den Stuhlgang musste und ich mich aber schämte. Für den Urin war es kein Problem, denn da konnte ich in eine leere Mineralwasserflasche aus Plastik meine Blase entleeren und auf die Toilette musste ich im Moment nicht gehen, da ich ja sowieso nicht viel gegessen hatte. Ich blieb dann den ganzen Tag im Bett liegen und dauernd kamen Leute und fragten nach meinem Bewusstsein, nach meinen Gefühlen und ich sagte, ich könne meine Hände, meine Arme und nichts bewegen. Mein Hals war ganz starr. Das Herz und das Hirn waren sehr geschärft. Ich weiss nicht auf wessen Treiben hin entschieden wurde, dass sie mich verlegen würden und zwar aus diesem Raum heraus und in einen anderen Keller. Jetzt kommt mir noch in den Sinn, dass ich 55 für mich selber, wenn ich dachte, dass ich mal rauskomme, ich mir soviel wie möglich merken muss von den Details dieses Gefängnisses. Ich weiss z.B. als ich dort auf dieser Matratze auf dem Boden unter der Rundtreppe lag, dort eine Stelle gibt, wo der weisse Verputz und die Farbe weggebröckelt ist und die Form, die es hinterlässt auf dem dunklen, grauen Betongrund ist die Form einer Maus oder einer Ratte, einer ganz Kleinen. Zudem müssen jetzt beim betonierten Treppengeländer von dieser Rundtreppe zwei bis drei Löcher in die Betonmauer eingehämmert sein, wo sie den Nagel eingeschlagen haben damit man die Infusionsflasche aufhängen kann, die, die sie ja nicht gut brauchen konnten, die Infusionslasche. Zudem kann jeder ganz klar erkennen warum, denn falls es zur Anklage kommt, sie sagen würden, ja das hat der Heinrich sich selber beigebracht, weil er depressiv war, obwohl mich alle Leute die mich kennen, sofort verstehen würden oder sofort die Hand ins Feuer legen würden, dass ich mir nie selber ohne diese zwingenden Massnahmen oder Umstände unter denen ich mich befunden hatte, ich mir das Leben nehmen würde und zudem ist dann die grosse Frage hier, wenn die, die als meine Freunde gelten oder galten, Mariano und Kompagnon, warum holten sie denn keinen Arzt oder haben mich ins Spital gebracht, als ich mir solche Verletzungen zufüge und ich weiss ganz genau, dass es keinen einzigen Arzt in Argentinien oder sonst wo gibt, der mich vom 1. April an bis ich zu meiner Abreise aus Argentinien gesehen hat, weil ich eben in Gefangenschaft war und sie es nicht riskieren konnten, dass ein Arzt mich aufsucht, weil der Arzt ja vermutlich dann zur Polizei gegangen wäre und weil er vermutlich auch die Verletzungen oder die Kette gesehen hätte. 56 Auf jeden Fall haben sie dann entschieden, dass ich aus dem kalten Keller in das Haupthaus verlegt werden sollte, wo ich besser genesen kann. Ja, das Problem lag daran, dass die restlichen Familienangehörigen, vor allem die Frauen, glaube ich, nicht informiert waren, und sie mussten es also so herdrehen, dass ich in der Nacht oder im Dunkeln oder ganz geheim in ein Zimmer in diesem grossen Haus eingeschleust werde. Ich konnte mich mit meiner letzten Kraft und mit Hilfe von ihnen dann vom Bett aufstehen und trotzdem musste ich wieder vier bis fünf Stunden auf dem weissen Stuhl in dem leer geräumten Raum warten, weil es wieder Komplikationen gab. Die Komplikationen gab es daraus, dass Helmut und Mariano sich zugehend uneinig wurden, wie der Weiterverlauf dieser Angelegenheit sich entfalten sollte, Helmut hatte schlechte Karten, weil er selber mit seiner Frau auf dieser Farm, dem Mariano und seinen Söhnen und der ganzen Angelegenheit ausgeliefert war, wobei ich ihn hier nicht in Schutz nehmen möchte, weil er ein Hauptinitiator zusammen mit Mariano von dieser Angelegenheit ist und dann natürlich selber verantwortlich ist für die Lage, in der er glaubte sich zu befinden. Ich musste also vier bis fünf Stunden auf diesem Stuhl warten und das Zimmer wurde ganz, ganz leer geräumt. Alle Spuren 57 wurden soweit wie möglich entfernt. Natürlich, bevor ich gehen konnte, haben sie eine Eisensäge gebracht, es war, glaube ich, eine grüne "Black and Decker", auf jeden Fall war es eine grüne, elektronische Eisensäge, die sie dann nicht benutzen konnten, weil der Strom ausgefallen war. Ich natürlich, in meiner Elendsverfassung, glaubte eher an einen Trick, dass sie wieder versuchen würden etwas mit mir zu machen, und ich war so geängstigt, dass ich mir vorstellen konnte, dass sie mit dem Eisenschneider vielleicht mein Bein abhacken könnten. Sie waren böse, dass ich mir so was zugetan habe und dass ich die ganze Organisation auf den Kopf gestellt hatte. Den Eisenschneider konnten sie dann nicht verwenden, weil es keinen Strom gab, so sprang der Marco weg und brachte eine Handeisensäge und ich habe mein Fuss nicht gesehen, weil ich ja dafür unbeweglich liegen bleiben musste und habe nur gehofft, dass sie mir nicht weh tun. Der Knecht war auch da und hat mich beruhigt und hielt den Eisenring fest und abwechslungsweise haben sie dann die Kette oder den Eisenring aufgesägt. Es war für mich eine grosse Erlösung, dass ich nach einer Woche an dieser Kette, 24 Stunden lang, endlich frei war. Sie zogen mir meinen Socken und meinen Schuh wieder an, den sie vorher ausgezogen hatten, vor dem Abtrennen, nein, sie zogen mir beide Schuhe und den Socken aus und steckten meine Füsse unter die Bettdecke. In diesem Zwischenraum, der zum Badezimmer geht, haben sie den Gaskocher aufgestellt und heisses Wasser gekocht. Ich musste leider wieder Angst haben, weil ich dachte, sie hätten mir meine Schuhe und meine Socken ausgezogen - um die sie sich eine ganze Woche nicht gekümmert hatten- weil sie vielleicht meine Fusssohlen verbrennen wollten, damit ich nicht wegflüchten könne. Mir sagten sie, dass dies ab und zu bei solchen Situationen sein muss, dass man die Füsse in kochendes Wasser stellt und dadurch die Fusssohlen aufschwollen und natürlich keine Möglichkeit für mich bestehen würde, wegzurennen, da ich nicht mehr auf den Füssen stehen könnte. Ich hatte solche Angst, so Angst, wie noch nie in meinem Leben während der ganzen Geschichte. Sie haben mir dann Tee gemacht und nicht die Fusssohlen verbrannt und ich trank ihn NICHT, denn mein Körper war ganz auf Alarm eingestellt, aufpassen was geht und weil ich eben wusste, dass es ganz feige Leute sind, die mich 58 eigentlich nur von hinten umbringen, d.h. mir gut zulächeln würden. Dies war ein grosses Problem, denn wenn man schon in Gefangenschaft ist, dann finde ich, ist es wahrscheinlich besser, wenn man direkt konfrontiert wird und es wird gesagt, erschiesst mich oder anstelle man fälschlich schon in solcher Lage ist, dass man ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist und dass sie wie sie es mit mir gemacht haben, mich dauernd in der Unwissenheit liessen, was genau geschehen wird und mich falsch informierten, bewusst, und ich dadurch mehr Angstzustände bekam, als dass ich mich hätte beruhigen können. Am Schluss konnte ich keinem von allen Leuten mehr trauen und war sehr traurig darüber. Jetzt kommt mir noch in den Sinn, dass an dem Besuch, an dem Tag, wo mich Herr Helmut und seine Frau und die zwei Bewacher zum ersten Mal besucht haben, das war kurz vor meinem Selbstmordversuch, dass ich beim Flehen um mein Leben und wo ich gemerkt habe, sie glauben mir nicht, dass ich gesagt habe, dann sollen sie mich, wenn sie mich umbringen, mich bitte mit der Pistole erschiessen und daraufhin hat Helmut gesagt: "Nein, so einfach machen wir es dir nicht, wir werden dich einem grausameren Tod, einen grausamen Unfall erleben lassen, wo du noch lange halb tot bei Bewusstsein sein bleibst und dann stirbst." Ja, das ist mir noch in den Sinn gekommen. Ich sass also, als mir die Kette gelöst wurde, auf dem Stuhl und wartete nochmals weitere drei Stunden. Meine Nerven wurden wieder auf das Äusserste gespannt, weil dauernd der Sohn Marco oder Mario immer rein kamen und raus gingen und geflüstert haben mit meinem Knecht und ich wusste nicht, was los ging. Einmal sagten sie, der Deutsche – Helmut - habe einen Lügendetektorapparat organisieren können und sie werden mich daran anschliessen und wenn sie mir Fragen stellen würden über mein Vermögen und es nicht stimme, das was ich habe, dass das alles ist und wenn dann der Lügendetektor das herausfände, ich dann gefoltert werde. Ich konnte es nicht glauben, dass ich am Tag zuvor oder waren es zwei Tage, ich bin mir nicht mehr sicher, ob es schon Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag war, wo ich diese drei Stunden auf dem Stuhl auf die Verlegung wartete, denn ich hatte solche Angst, dass ich vielleicht, bedingt durch meine Gemütslage und meine Nerven beim Lügendetektor versagen werde und dass dieser vielleicht falsch reagieren würde, 59 weil ich wusste ja, ich habe ja nicht mehr Geld, aber vielleicht würde durch meine Situation das Resultat des Lügendetektors anders herauskommen und ich dadurch gefoltert werde. Ich habe dann wieder geweint und gesagt, dies ist alles was ich habe, und ich will hier nur raus. Der Knecht hat mich versucht zu beruhigen. Er war der Menschlichste von allen, wenn man es so nennen darf, und ich habe schon mal gehört und ich weiss, dass wenn gefangene Leute oder so westliche Gefangene über längere Zeit gefangen sind, versuchen sie halt an jeder Hoffnung, allem Positiven, wenn man es so nennen kann, jedem positiven Gedanken eines der Bewacher oder der Verbrecher, man versucht sich daran anzuhängen und das Menschliche zu sehen und man wünscht sich, dass es doch so Leute sind, wie Sie und ich zusammen und dass wir uns nie fähig sehen, so etwas anderen Menschen anzutun. Zudem wussten sie ganz genau, dass, wenn sie mir wieder falsche Informationen gaben und mir Angst machten, dass ich am Ende meiner Nerven war und dadurch noch mehr Angst hatte. Es kamen sehr oft Momente, wo man meine ganze Hand und beide Arme stark zitterten und ich konnte es nicht stoppen, dass sie zitterten. Also ich konnte auch nicht etwas in meine Hand nehmen oder so, sie zitterten einfach so stark, dass ich es nicht verstecken konnte und dummerweise zitterte ich um mein Leben und zitterte, weil ich Angst hatte, sie würden mir nicht glauben, dass ich die Wahrheit sage. Sie wiederum nahmen genau das Gegenteil an, nämlich dass wenn ich zitterte, sie vermuteten, dass ich so Angst hätte, weil ich nicht die Wahrheit gesagt hätte und nicht deshalb‚ weil sie mit der Folter gedroht hatten. Das ist die Ironie darin. Ich wartete und wartete und mir wurde schlecht, weil ich einfach nicht wusste, warum wir warteten. Auf einmal kam der Täter Helmut herein – mit etwas, ich habe es zuerst gar nicht gesehen - einem Kuvert, darin war ein Brief. Er sagte mir heuchlerisch: "Entschuldigung Heinrich, wir konnten dich nicht früher verlegen wegen den Söhnen von Mariano." Ich weiss genau, wenn Mariano so was sagt, ist es immer er selber, er schiebt gerne die Schuld auf andere Leute, weil "die Söhne von Mariano", die angeblich wirklich nichts wussten, sie haben nur die Befehle ausgeführt von Mariano, sie wussten angeblich nicht genau, warum‚ was, wieso, Geld und so. Die Söhne von Mariano eben, wollten, dass ich das 60 unterschreibe. Ich sagte: "Klar, ich unterschreibe alles, was mir vorgelegt wird, es ist mir Wurst." Wiederum musste ich mit Hilfe der zwei Wächter, dem Knecht und dem einen Sohn von Mariano, Marco, aufstehen. Sie haben mir unter die Arme gegriffen und mir das kleine Möbelstück gebracht, wo die rosarote Zeitung schon weg war, alles war eigentlich schon weg und ich musste dort auf der Rückseite des Kuvert wieder meine Unterschrift üben, damit es nicht verzittert ausschaute. Ich habe es gemacht und dann habe ich die Unterschrift auf ein maschinen geschriebenes Papier gesetzt, das, wie ich erkennen konnte, ungefähr die Abschrift von meinem handgeschriebenen Brief war, den Letzten, den ich geschrieben habe an, den an Bankdirektor Bröll in Feldkirch und die zusätzlichen Angaben, die darauf waren, waren eben Angaben mit Bankkonten und so, die ich selber nicht wusste, Kontos wohin das Geld hinkam. Ich glaube eine Überweisung würde auf ein Konto in Spanien gemacht, das der Firma gehört, einer Briefkastenfirma von Panama und es ist dieselbe alte Briefkastenfirma aus Panama, die heisst "Maritim Compania Naviera S.A." oder so ähnlich; die ist auch Besitzerin der Hazienda "Estanzia San Francisco", also der Farm San Francisco und das andere Konto war ein Geschäftskonto von Helmut Roegele. Ich habe es unterschrieben und dann musste ich wieder warten und wieder warten und der Knecht stand immer neben mir und machte einen Kreis um mich herum und machte mich ganz nervös. Der andere Sohn von Mariano, jeweils der Marco oder Mario, kamen abwechslungsweise zur Tür herein und flüsterten und standen drinnen vor der Tür und öffneten die Tür ganz wenig und schauten hinaus was vor sich ging und was nicht vor sich ging und so. Ich habe gedacht, die würden mir nur sagen, dass sie mich in Sicherheit bringen würden, aber in Wirklichkeit würden sie mich umbringen. Ich habe den Fax und den Brief unterschrieben und vielleicht hätten sie ja Glück gehabt und hätten das Geld so gekriegt, wie es von mir aufgesetzt wurde, weil wir alle noch nicht wussten, weder ich noch die andere Seite, dass es in dem spezifischen Fall, wie ich das Geld bei der BAWAG hatte, das Buch selber erforderlich war, das Sparbuch in dem das Geld verbucht war. 61 Schlussendlich, als es dunkel wurde, denn ich habe darum gebeten, mich nicht in der Dunkelheit zu verlegen, weil ich wusste, dass Dunkelheit der Tod bedeutet. Ich bin bei Dunkelheit auf die Farm gekommen und bin überfallen worden, und ich wusste Dunkelheit, das hat kein gutes Omen. Trotzdem wurde es dann dunkel und endlich kam Helmut wieder und hat gesagt, er würde mich zum Haupthaus begleiten, das übrigens nicht weit weg liegt. Dies hat er mir zum ersten Mal gesagt, ich wusste ja nicht wie weit und wo dieser Wasserturm war oder wie viele Wassertürme es auf dieser Farm gibt. Sie stülpten mir eine dieser Skimasken über den Kopf und halfen mir auf die Beine. Es war das erste Mal, dass ich halbwegs laufen konnte und wäre eigentlich nach vorne hingefallen, vermutlich aus Blutmangel oder so, und da mussten sie mich angestrengt auffangen, weil ich über 100 kg schwer bin. Ich wurde in ein Auto gebracht, ein grosser Jeep, ein Amerikaner, wie ich später erkennen konnte und sass in der Mitte. Rechts von mir sass Helmut und links wurde das Auto von Mario gesteuert. Ich glaube es war auch sein Dienstwagen, also Arbeitsauto. Meine rechte Hand hat mir so weh getan und ich habe die Hand von Helmut gehalten. Die Skimütze war nicht ganz dicht; also mussten sie mir aus einer Tasche, die sie hatten, worin sich ein Leintuch befand, das weisse Leintuch um meinen Kopf wickeln, damit ich den Weg vom Wasserturm zum Haupthaus nicht sah. Ich habe die Hand von Helmut ganz fest gedrückt und ich bat Helmut auf Deutsch: "Du kennst den Weg, du bist schon hierher gefahren, pass auf, dass er nicht einen falschen Weg fährt." Ich habe wieder Angstzustände bekommen, weil Mario, der den Wagen fuhr, war nicht die normale Route gefahren, weil ich hörte wie Helmut zu Mario auf Spanisch sagte: ‚Ja, wohin fährst du? Warum fährst du so? Wo fährst du hin?" Ich hatte solche Angst, ich dachte, jetzt haben sie den Helmut auch überrumpelt oder sie spielten mir alle etwas vor und weil Helmut offensichtlich ohne zu lügen erkannt hat, dass es nicht derselbe Weg ist und Mario nur sagte, er solle sich beruhigen, er fahre einen Umweg damit die Angestellten und die Frauen vom Haupthaus mich nicht erkennen oder sehen würden. Ich hatte solche Angst, ich dachte, sie würden mich an eine Waldlichtung fahren und ich hätte eine Kugel im Kopf. Ich sagte das im Auto zu Helmut. Es war eine Fahrt von, ich weiss nicht, es 62 kam mir länger vor als es war, aber ich schätze so ca. drei bis vier Minuten, mehr nicht mit seinen Umwegen. Ich habe Helmut gebeten, dass wenn sie mich erschiessen, bitte eine Kugel in den Kopf, nur bitte keine Folter. Ich habe aber das Wort Folter nicht mal in den Mund genommen, weil es dumm ist die Leute auf Ideen zu bringen, die sie vielleicht im Moment gar nicht hatten oder an die sie gar nicht dachten im Moment und wenn sie merkten, dass ich vor irgend etwas sehr viel Angst hatte, dann würden sie mich extra damit foppen oder mich ängstlich machen, weil sie wissen würden, dass genau dieses Thema mich sehr beängstigte. Ich habe darum gebeten: "Nur eine Kugel im Kopf, falls es soweit ist. Bitte lasst mich als Mensch sterben und nicht als ein Schwein oder eine Kuh." Wahrhaftig, er hat das Auto angehalten und dann wurde mir das Leintuch vom Kopf abgewickelt und die Mütze auch. Ich konnte dann sehen, ich war beruhigt, denn ich konnte ein kleines drei mal zwei Meter grosses Kinderschwimmbecken auf der Wiese erkennen, auch Kinderspielzeug, ein Gartenstuhl mit rundem Tisch aus Metall und zwei Stühlen. Ich wurde an der Hand unterstützt, weil ich selber nicht gut laufen konnte und durch eine Tür in das Hausinnere gebracht. Es war ein Haus aus den 30er Jahren, gross gebaut und mit sehr viel Holz. Ich wurde die Treppe hoch und dann in ein Zimmer gebracht. Ich war sehr beruhigt für den Moment, weil im Zimmer meine blaue Tasche war und meine Anzugtasche. Das Zimmer war durch eine Tür zu betreten, hinter der Türe war ein Gang und von diesem Gang aus ging eine Tür in ein Zimmer, die andere Tür in ein Badezimmer, die andere Tür in mein Zimmer und noch ein Badezimmer und ein weiteres Zimmer. Der Knecht, mein Bewacher, war auch bei mir und für ihn, glaube ich, war es das erste Mal, dass er in einem solchen Haus gewohnt hat oder solch ein Badezimmer gesehen hat, weil er sehr arm ist. Er hat eine Frau und vier Kinder, wie er mir sagte, aber ich wusste nicht, was ich glauben sollte und was nicht, sie haben mich so viel irregeführt. Das Zimmer, wo ich war, war mit zwei Einzelbetten aus schönem Holz belegt. Ein Tisch, vermutlich original eine andere Farbe, aber dann mit brauner Farbe dick übermalen mit einem Stuhl und einem weiteren Stuhl ohne Armlehnen oder beide mit Armlehnen, ich glaube, einer ohne und einer mit. Auf 63 dem Tisch hatte es ein kleines Regal fest montiert, einer zweiten Tischplatte nach hinten, worauf man Sachen abstellen konnte. Das Zimmer hatte zwei Fenster. Eines in eine Richtung und das andere in die andere Richtung. Das Zimmer war ein Eckzimmer des Hauses. Beide Zimmerfenster waren wie alle Zimmer im Haus mit Eisengitter zugemacht, gegen Diebe und sonstiges Zeug, original gebaut. In der Wand vor meinem Bett, wo ich schlief, waren an der Wand, wo das Fenster in der Mitte ist, links und rechts Bücherregale eingelassen. Dann gab es einen grossen Schrank, das Zimmer hat eine Decke von mindestens 2,5 Meter oder drei Meter Höhe, es war sehr hoch. Der Schrank selber war mindestens 2,5 Meter mit drei oder vier Türen. Zwischen den zwei Betten war ein weisser, alter ein Meter mal 1,5 Meter grosser Teppich, der Rest des Bodens im Zimmer war mit Holz belegt. Es gab peinliche Situationen, weil der Bewacher immer bei mir bleiben musste und ich war ja sehr stinkig und dreckig und meine Haare waren von der Halsverletzung voll vom Blut verklebt. Ich konnte mich natürlich nicht selber waschen und sie liessen mich in Bezug auf das Geld einen halben Tag in Ruhe, dass ich mich erholen konnte. Der Verband wurde gewechselt, es war Donnerstag, mit Sicherheit. Der Verband wurde gewechselt und ich wurde ins Badezimmer geführt und dem Knecht wurde aufgetragen mich zu waschen, was nicht eine peinliche Situation für mich war. Ich sass nackt in der Badewanne mit halbvollem, warmen Wasser und rote Farbe floss überall herunter, vom getrockneten Blut. Er hat dann alles, ausser meinen Händen und dem Hals, gründlich mit Seife gereinigt und ich konnte aus meinem eigenen Gepäck frische Unterwäsche und ein Pyjama anziehen. Mir tat alles weh und im Spiegel sah ich aus <wie Leute ausschauen, wenn sie im KZ waren, vielleicht, ich weiss nicht, nur so dünn war ich nicht. Auf jeden Fall konnte ich am Donnerstagabend früh ins Bett. Mir wurde das Essen auf verschiedenen Tablaren gebracht. Ein gelbes, dann ein braunes, angestrichenes Holztablar, darauf einem Teller, schön angerichtet von der Köchin und mit Wasser, aber ich traute ihnen nicht. Ich hatte im Boden der durchsichtigen Plastikflasche, im Wasser weisses Pulver gesehen, ich wusste also nicht, ob sie mich so umbringen wollten oder ob sie mich so betäuben wollten. Auf jeden Fall habe ich das Wasser immer ausgeleert, wenn der 64 Knecht nicht da war. Er hat nicht mit mir gegessen, er ging nach unten und hat mit dem Personal gegessen. Wobei natürlich immer alle Türen, zuerst meine Zimmertüre mit lautem Knalle und dem Schlüssel abgeschlossen wurde und dann die nächste Türe vom Gang in die restlichen Räume des Hauses ging, wurde immer abgeschlossen mit einem Schlüssel, der aussen steckte. Aber wie gesagt, ich hatte sowieso keine Fluchtgedanken mehr gehabt. Ich wollte nur heil hier raus und wenn es vielleicht länger gedauert hätte, hätte ich vielleicht ohne Kette eine bessere Möglichkeit gehabt, wegzukommen, weil ich doch nachher näher an den Autos war und näher im Hauptgebäude. Aber trotzdem, ich hätte ja nicht gewusst wohin ich fahren sollte, und ich will nicht daran denken, was für Konsequenzen es gehabt hätte, wenn ich ein Auto geschnappt hätte und sie mich wieder geschnappt hätten, daran will ich nicht denken. Sie glaubten mir jetzt, sie wollten bloss feststellen, wenn sie das Fax an die Bank in Feldkirch schickten, ob es dann so gemacht werden könne, wie es im Fax stand. Übrigens, alle Anrufe wurden von Marianos Telefon, seinem Mobiltelefon, dass er in Argentinien hat, ausgeführt und ich bin sicher, dass wie in den meisten Ländern, wenn die Telefonrechnung kommt, dass bei den Abrechnung die ganzen Nummern, die man angewählt hat mit dem Datum, Zeit, Uhrzeit und Dauer und Gesprächskosten erscheinen wird. Marianos Mobil-Nummer ist von Europa aus ist 0054 68441800, das ist die Mobilnummer von Mariano und von diesem Mobil aus haben wir dann die Gespräche geführt, die sie mich gezwungen haben zu führen. Es hiess also am Donnerstagabend, dass wir am Freitag früh aufstehen müssen, weil wir ja 5 Stunden hinter Europa sind, zeitlich gesehen, sie wollten zuerst den Fax schicken und ich hatte die Nummer nicht. Ich sollte anrufen und fragen, ob es so in Ordnung sei. Also am Donnerstagabend ging ich ins Bett und der Knecht hat im selben Raum über mich gewacht und mir dauernd gesagt: "Mach keinen Blödsinn, sonst legen wir dich um." Er ist zwar oft zu mir gekommen und hat geflüstert, sag es niemandem, sag es niemandem und er hat mir erzählt, dass ihnen, also den Bewachern, etwas ganz anderes erzählt wurde, warum ich hier bin und so. Also, er hat es mir so gesagt, ob es stimmt weiss ich nicht, dass Mariano's Söhne den Bewachern und einigen Mitbewohners gesagt haben, dass ich ein 65 Terrorist sei und, dass ich zu allem fähig wäre und sehr kampffähig sei und so weiter und dadurch müsste äusserste Vorsicht angewendet werden zu dem Zeitpunkt, wo sie mich festnehmen würden und für die Zeit danach. Er erzählte mir auch, dass er sich nicht den Befehlen von Mariano widersetzen kann, weil sie sind wie Leibeigene und er hat vier Kinder und eine Frau zum Pflegen und das ganze Zeug und ich wusste nicht, wenn er mir das in angeblicher Vertrautheit erzählte, ob es gut für mich ist oder nicht, weil ich wollte nichts riskieren. Ich wollte nichts Persönliches wissen, ich wollte nur meine Sachen erfüllen und was sie von mir verlangten und bat: "Lasst mich frei, dass ich noch einmal mein Land Liechtenstein, meine Familie und Freunde, wieder sehen kann und mein Leben als wiedergeborener 32-jähriger Mann von vorne anfangen kann." Ich ging also zu Bett, es war die erste Nacht in diesem Bett. Es war ein gutes Bett mit weissen Kissen und Laken und ich habe zwei Decken über mir gehabt und beide Betten waren mit einer violetten, künstlichen Tagesdecke bedeckt. Die Fenster waren von aussen grün gestrichen und braun von innen. Das Holz war abgeschmirgelt und die Fenster hatten Fliegengitter. Ich konnte ein Fenster für die frische Luft öffnen. Freitagmorgen. Der erste Freitag im April, morgens um 03.00 Uhr wurde ich geweckt und musste humpelnd unterstützend von den Wächtern mit Helmut zusammen ins Freie gehen, weil sie vermuteten oder wussten, dass der Empfang vom Mobiltelefon im Freien natürlich besser sei als im Haus drinnen. Sie haben dann, schon zu diesem Zeitpunkt, den Fax nach Feldkirch abgeschickt. Ich habe dann, ich nehme an, es war dort zwischen 09:30 Uhr oder 10:00 Uhr angerufen und mit einer fröhlichen Miene nach Feldkirch telefoniert. Ich glaube, die Sekretärin hat das Telefon abgenommen, und ich habe gesagt: "Ja, Grüss Gott, da ist Kieber Heinrich aus Argentinien." Helmut und die mich gefangen genommen haben, befahlen mir, ich solle einfach sagen, ich sei in Buenos Aires. Sie haben genau aufgepasst, dass ich keinen Fehler machte und ich solle ja nichts verraten, sonst sei ich ein toter Mann. Ich habe dann gefragt, ob Herr Bröll da sei und das wurde verneint. Er käme erst später. Ich 66 fragte, ob sie das Fax erhalten und gelesen haben. Sie hatten ihn nicht gelesen, weil er an Direktor Bröll gerichtet war. Dann hat sie gesagt, ich soll in einer Stunde nochmals anrufen. Auch wurde mir bei allen Telefonaten, die mir aufgezwungen wurden, eine Pistole an meinen Hinterkopf gedrückt. Es war eine kleine, teilweise braun, teilweise blanker Stahl. Eher eine Ladypistole. Diese hatte ich vorher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es muss die von Helmut oder seiner Frau gewesen sein, denn jedes Mal, wenn er zu mir ins Zimmer kam, zog er sie aus seiner Tasche. Aber während jedem Telefongespräch, also Anruf nach Europa, überreichte er, ja er, die Knarre immer einem der Söhne von Mariano. Nie dem Knecht, diesen hatte ich nie mit einer Waffe gesehen, ausser er wäre einer von diesen gewesen, die vermummt früher in meinen Kerker stürmten. Einer der Söhne setzte also den kalten Lauf an meine Kopfrückseite. Dies weil es Helmut ja nicht selber machen konnten, die Pistole halten, weil er ja immer ständig sein Ohr mit am Mobiltelefon hatte, um mitzubekommen, was gesprochen wird. Er war also immer Kopf an Kopf mit mir. Einmal hielt einer der Söhne die Knarre an meine linke Schläfe, was Helmut aber sofort energisch ablehnte, aus Angst, der Sohn könnte abdrücken und die Kugel würde ja durch meinen Kopf aus der meiner anderen, rechten Seite, in seinen Kopf fliegen. Helmut verlangte dann vom Waffenhalter, den Lauf gerade, vorne auf meine Stirn zu setzten. Ich bin dann wieder ins Zimmer gebracht worden und legte mich auf mein Bett und hoffte, dass jetzt alles ein gutes Ende nehmen würde. Ich glaube eine Stunde später haben wir angerufen und Herr Bröll war dort, und ich habe gefragt, ob es so, wie im Fax gewünscht gehe? Und Herr Bröll hat gesagt, es geht nicht so, leider nicht. Während dem Telefongespräch mit dem Mobil habe ich ja immer das Telefon so abgewinkelt von meinem Ohr gehabt damit es Helmut auch verstehen konnte auf Deutsch, was gesagt wurde. Ich habe natürlich dem Helmut vorher gesagt, dass es verdächtigt sein würde, wenn ich jetzt mit Herrn Bröll Hochdeutsch sprechen würde, da wir ja sonst immer in unserem Dialekt reden. Herr Bröll hat mir erklärt, man kann nur was abheben oder verschicken kann, wenn ich mit dem Sparbuch komme oder jemand anders, und mit dem Codewort. Ich habe Herrn Bröll, weil ich Angst hatte, Helmut würde mir nicht 67 glauben und so, gebeten: "Bitte erklären Sie DAS meinem Bekannten hier." Er hat gesagt, das könne er nur mir sagen, dann habe ich ihn gebeten, erklären sie einfach generell was es auf sich hat mit solchem Typ von Sparbüchern in Österreich. Er hat dann mit Helmut am Telefon gesprochen, da wusste natürlich Herr Bröll nicht, wer es war, und dann haben wir aufgehängt. Vorher haben wir gesagt, dass wir später nochmals anrufen würden, nein wir haben gesagt, wir würden es organisieren, dass das Buch abgeholt werde und falls alles gut gehen würde, würde am kommenden Montag jemand erscheinen und Herr Bröll sagte, dass er dort sei, nur nicht zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr, dann wäre aber seine Sekretärin, Frau Türtscher dort und die wisse über den Fall auch Bescheid. Ich habe mich bei Herrn Bröll bedankt und wurde wieder ins Zimmer geführt. Ich glaube, sie glaubten mir jetzt ein wenig mehr nach meinem Selbstmordunfall, weil ich ja wirklich sterben wollte. Sie haben nicht mehr an jedem Wort gezweifelt, das ich gesagt habe. Abgesehen davon, wenn man in einer solchen Lage ist, kommt man gar nicht auf die Idee, sie noch reinzulegen. Es wäre ja purer Selbstmord in einer anderen Form. Die Leute denken natürlich nicht so und dann habe ich gesagt, wo das Sparbuch ist und das Sparbuch hatte ich, weil ich es nicht eingeschlossen habe, weil man braucht ja ein Codewort dazu, also auch wenn jemand das Buch findet, das an den Überbringer lautet, muss man ein Codewort haben, sonst kann man kein Geld abheben. Nur ich und die Bank wissen das Codewort. Mittlerweile natürlich auch Helmut und Mariano. Ich sagte, ich hätte es in Vaduz bei einem Bekannten von mir und der heisst Martin OT Entfernt, den kennen Sie sicher auch vielleicht. Ich habe dann den Verbrechern gesagt, im Brief, den ich an Mariano am Sonntag oder am 31.03. oder am 30.03. geschrieben habe, wo ich Mariano das ganze Geld angeboten habe, schrieb ich dies und es ist auch die Wahrheit, weil sonst würde ich es in einer solchen Lage nicht schreiben. Ich habe geschrieben, das Buch ist bei dieser Person und diese Person ist immer, ich weiss es ganz genau, ist immer am ersten Dienstag des Monats, ungefähr um Mittagszeit, lokale Zeit in Vaduz, in der Wohnung zu Hause. Sonst ist er oft unterwegs. Alle 14 Tage Dienstags, was ich natürlich nicht gesagt habe, ist eben dieser Tag, wo Martin stempeln gehen muss, weil er seine Arbeit 68 verloren hatte in Liechtenstein. Ich kenne Martin schon seit ewig, schon aus meiner Jugend. Ab und zu habe ich ihn besucht und ich kann meine Sachen bei ihm unterstellen. Hier ist die Geschichte natürlich normal, aber für die da drüben in Argentinien, sie konnten es nicht begreifen, warum ein erwachsener Mann, der Martin, denn so wenig zu Hause sei. Ich habe gesagt, Martin hat noch Kunden oder geht andere Leute in Österreich besuchen und so. Wir müssten es versuchen und da der erste Dienstag im Monat schon vorbei war, den 01. April, hatte ich auch geschrieben in jenem Brief, dass er im schlimmsten Fall erst wieder am 14. April, der dritten Dienstag in dem Monat, zu Hause sein musste. Wir haben dann am Freitag morgen, ich glaube, es war 10.00 Uhr morgens in Argentinien und da war es ungefähr 03.00 Uhr nachmittags in Europa einen Versuch gemacht. Zu meiner grössten Freude, ich habe mich noch nie so darüber gefreut - das weiss Martin natürlich noch nicht, ich habe ihn noch nicht gesehen oder mit ihm darüber gesprochen - zu meiner grössten Freude war er zu Hause und hat das Telefon abgenommen. Ich habe gesagt: "Martin, ja, wie geht es denn so? Ich bin hier in Argentinien, in Buenos Aires, und ich wollte dich nur fragen, gehst du die nächsten paar Tage weg?" Helmut hat immer zugehört. Martin sagte, nein, nein, gerade gestern Donnerstag, sei sein Bruder aus Deutschland mit deren Kinder und Frau nach einem längeren Aufenthalt für die Osterferien abgereist. Er müsse viel Wäsche waschen und er hätte nicht vor, das kommende Wochenende wegzugehen. Martin sagte noch: „Am Besten rufst Du mich am Abend an, wenn Du für eine Übergabe etwas organisieren willst.‚ Vorher habe ich ihm eben gesagt, dass ich jemanden vorbeischicken werde, wegen einem Dokument. Somit war Helmut, der nachher Mariano benachrichtigte, informiert. Interessanterweise versteht natürlich keiner von Marianos Seite Deutsch. Mariano musste also Helmut vertrauen. Es war Freitag, 12.00 Uhr mittags, in Argentinien. Sie haben mir meine Uhr zurückgegeben. Ich konnte die Uhrzeit ablesen. Das Gespräch mit Martin hat also stattgefunden, das Erste, die Bank war auch informiert. Sie mussten sich nur noch einig werden, wen sie schicken wollten. Da ich Mariano gut kannte, habe ich schon vermutet, dass er keinen Kompromiss eingehen würde und er jedem misstraut und so hoffte ich, dass 69 sie auf einen gemeinsamen Nenner, auf eine gemeinsame Person kommen könnten, die dann das Sparbuch abholen musste und es zur Bank brachte. Dann geschah folgendes, man hätte es nicht geglaubt. Ich war in meinem Zimmer eingesperrt und lag meistens auf meinem Bett und war nur froh wenn ich von meinem Bett aus die Sonne und die Vögel und den blauen Himmel aus einem ganz geöffneten Fenster sehen konnte und hoffte, dass sich die Lage jetzt besserte. Ab und zu kam der Bewacher mit Ach und Krach herein und wollte irgendetwas. Die Wunden verheilten, weitere Bänder etc., das wollte ich nicht. Ich wollte nur meinen Frieden. Dann auf einmal klopfte es wieder. Der Bewacher stand auf, machte die erste Tür im Zimmer auf. Dann ging er in den Gang hinaus, zum anderen Zimmer und ich sah Helmut hereinkommen. Ich hatte vorher Schreie unten im Haus gehört, also lautes Schimpfen. Helmut kam zu mir und sagte auf Deutsch, er wollte zu mir rüberkommen, aber der Bewacher, der Knecht, der kein Deutsch versteht, drängte ihn wieder weg nach aussen. Helmut sagte zu mir: „Heinrich, wir haben uns gestritten, also ich, Mariano und meine Frau. Lasse dich nicht einschüchtern." Ich dachte, mein Gott, jetzt haben die auch noch miteinander gestritten, jetzt werden sich die scheiss Verbrecher nicht einig, wer wie viel kriegen sollte von meinem Geld. Denn ursprünglich wollte ja Helmut 80 Mio. Peseten (ca. CHF 800‘OOO.-) und Mariano wollte 150 Mio. Peseten (ca. CHF 1,5 MIO.-). Also haben sie vermutet, ich hätte vermutlich zwei bis drei Mio. Franken und mir würde nach dem ganzen Drama, ich weiss nicht, noch was übrig bleibt, damit ich noch mein Essen kaufen könne oder sie würden mich umbringen. Ich hatte wieder mehr Angst bekommen, weil ich dachte, hoffentlich gibt es da nicht noch mehr Drama. Ich habe zu Helmut gesagt: "Schau, ich kann nur geben, was ich habe und ihr müsst euch selber einig werden, wer wie viel bekommt." Der Streit, wie ich später erfahren habe, ist dadurch zwischen den Verbrechern ausgebrochen, weil ja von meinem Geld 50 Prozent an Helmut und 50 Prozent an Mariano zugeteilt war. Aber Helmuts Seite, vor allem seine Frau Salud hat natürlich gesehen, oder hat nachgerechnet, und stellte natürlich fest, dass Mariano mehr bekommen würde, weil er ja nicht nur die Hälfte von dem erpressten Geld erhalten sollte, sondern auch die CHF 250‘OOO.70 bis CHF 260'000.- von der Schuld an mich gratis bekommen sollte. Und dies wusste Helmut. Also erhielt Mariano nicht nur dieselbe Summe wie Helmut, sondern auch obendrein CHF 250000. - geschenkt, da er mir mein Darlehen von 1993 nicht mehr zurückbezahlen „musste‚, bzw. Wollte. Dadurch sahen Helmut und seine Frau ein Ungleichgewicht in der Verteilung der Fangpraemie und wollten vermutlich mehr. Helmut wurde also aus meinem Zimmer rausgedrückt und eine halbe Stunde später kam der Sohn von Mariano herein, Mario, und sagte zu mir: "Heinrich, schau, es hat Krach gegeben." Er sagte wahrhaftig, dass Mariano ein so sturer Mensch sei, ein Manipulant, dass er angeblich kurz davor war Helmut, den Deutschen, mit seiner Frau, auch in den Turm einzusperren um mit mir einen Deal einzugehen. Ich habe gesagt, ich habe gefleht: „Bitte, bitte, mache keinen Streit, bitte werdet einig, sonst gibt es am Schluss noch mehr Blut." Ich konnte nicht viel tun, ich hatte alles getan, ich hatte ihnen alles anvertraut, wo das Geld zu holen war, sie mussten sich nur auf eine Person einigen, wer es holen musste oder ich könnte auch Martin sagen, er solle mit dem Büchlein nach Feldkirch gehen und die Banküberweisung machen. Das wollten sie natürlich nicht, weil sie Angst hatten, das würde nicht passieren oder Martin würde mit meinem Geld abhauen, wenn er das Codewort und das Sparbüchlein habe. Auf jeden Fall, hat der Sohn gesagt und nachher auch Marco, dass falls sie die Deutschen einsperren müssten, die ja auch hilflos waren und nichts zu sagen hatten auf der Farm, ja, dann hätten sie mit mir vermutlich einen Deal gemacht. Aber ich war mir gar nicht so sicher, weil ich dachte mir, wenn Mariano so weit geht und die Deutschen auch noch einsperrt und dann müsste er alle drei beseitigen, weil sonst zu viel gegen ihn in der Hand wäre. Sein Sohn hat mir vorgeschlagen, wir würden nur drei Viertel überweisen lassen von dem was ich habe und ich könnte den Rest behalten. Ich war nicht erfreut über eine solche Wende, weil ich wusste oder weiss, falls es zu einer Einsperrung kommt von den anderen, wenn sich die scheiss Verbrecher nicht einigten, dann würde Mariano noch mehr unter Zugzwang kommen und müsste vermutlich eine Radikallösung suchen, was den Tod meines und des Deutschen und seiner Frau beinhalten könnte. Ich habe gesagt, schau, ich bin in einer Lage, ich verhandle mit 71 dem der Gewalt über mich hat. Gewalt über mich hatte Mariano. Ich musste also mit ihm um mein Leben, um meine Freilassung verhandeln. Die Sache hat sich dann beruhigt, weil später, am Nachmittag, jemand klopfte an der Türe. Der Bewacher, der Knecht, war nicht im Raum mit mir und ich ging leise zur Türe. Auf der anderen Seite stand die Frau von Helmut und sagte: "Heinrich, beruhige dich. Es ist alles wieder OK. Wir haben nur wegen Geld gestritten und so". Ich sagte: "OK, OK." Ich wollte auch nicht zu viel diskutieren, ich wollte keine Geheimnistuerei. Ich wollte nicht in das Spiel eintreten, wo sie mir nachsagten, wissen Sie, das Spiel, wo wer hat, was hat oder einer kommt zu mir und fragt, was hat der andere gesagt, dann kommt der andere zu mir, und so weiter. Ich wollte gar nicht darauf eingehen, ich wollte nur meine Freiheit. Sie sollten das Geld haben und mich wieder frei lassen, ich wollte nur das. Durch die ganze Geschichte haben wir natürlich den Anruf an Martin am Freitagabend verpasst, da Liechtenstein ja fünf Stunden voraus ist, aber da wir alle glaubten, er bleibt am Wochenende zu Hause, so dachten wir, wir rufen einfach am Samstag nochmals an. Am Freitagabend wurde mir das erste Mal gutes Essen gebracht. Ich möchte hier noch anfügen, dass mir gerade in den Sinn kommt, dass am 6. April Mariano's Geburtstag war, da habe ich dann spüren können, wie er mich "liebt". Auf jeden Fall, Freitag Nacht gingen wir alle aufgeregt ins Bett und am Samstag, vergangene Woche, mussten wir wieder früh aufstehen, um 05.00 Uhr oder so und von 05.00 Uhr bis 10.00 Uhr haben wir versucht Martin anzurufen, hier in Liechtenstein in Vaduz auf seine Nummer. Aber Martin nahm nicht ab und von diesem Zeitpunkt an, 10 Uhr morgens europäischer Zeit, haben wir jede halbe Stunde probiert. Ich habe zu Helmut gesagt, weil ich ja freikommen wollte: "Helmut, du hast ja das Mobiltelefon in der Hand, also komme nicht jedes Mal zu mir ins Zimmer mit dem dazugehörenden Drama. Wenn Martin das Telefon abnimmt, dann hängst du einfach gleich wieder auf und springst zu mir und dann kann ich mit ihm reden und ihm sagen, was er machen muss oder wer kommt.‚ Mittlerweile haben sich die zwei Parteien, Mariano und Helmut, auf den, ich glaube, den Schwager von Helmut geeinigt. Er heisst Peter Kroschel, voller Name Karl-Heinrich Peter Kroschel aus Ochsenhausen in 72 Deutschland, das musste ich dem Bankdirektor später auch genau buchstabieren. Dieser Kroschel wohnt in Ochsenhausen oder in Ulm oder irgendwo, ist pensionierter Arzt und mit der Schwester von Helmut und diese heisst Isolde, glaube ich, verheiratet, und sie haben auch Kinder. Mir wurde gesagt, wenn ich mit Martin wieder spreche, solle ich ihm Folgendes sagen: "Martin, hier ist der Heinrich, ja, wir haben jetzt jemanden gefunden und zwar kommt ein Herr, ein Deutscher, der gerade zufällig in der Gegend von Liechtenstein ist.‚ Was natürlich eine Lüge war. „Dieser Herr kommt also vorbei und ich würde dich bitten Martin, dass du dem Herrn, er heisst Peter Kroschel, ein grosser Schlanker - wie mir gesagt wurde - das Bankdokument gibst." Also ich habe bis anhin noch nicht vom Bankdokument gesprochen mit Martin, aber ich müsste dann sagen, das Dokument, er solle es herausholen und es ihm übergeben. Dessen Sohn Jürgen, Peter Kroschel's Sohn Jürgen aus Ulm, der würde dann am kommenden Mittwoch, so sollte ich Martin sagen, von Deutschland aus nach Buenos Aires fliegen und das Dokument mitbringen und ich selber sei noch im Norden von Argentinien an der Grenze zu Brasilien und würde dann auch am Mittwoch in Buenos Aires ankommen. Dort würde mir der Jürgen das Kuvert, das sein Vater, Peter, bei dir abgeholt hat, überbringen, weil ich es für gewisse Sachen brauchen würde. Wir haben am Samstag den ganzen Tag, jede halbe Stunde, angerufen. Es klingelte, klingelte und er nahm nicht ab. Das durfte doch nicht wahr sein. Es war dann bei euch in Europa abends, bei uns Nachmittag, da kam Helmut herein und sagte zu mir: "Wir sind ganz nervös, Mariano auch und so, weil wir wissen nicht, was wir von dir glauben sollen. Wir glauben, dass es vielleicht nur ein Codewort war, als du mit Martin früher telefoniert hast. Und das Wort "Dokument" ein Stichwort / Codewort zwischen dir und Martin war.‚ Ich hatte ja Martin am Telefon bis anhin am einzigen Anruf nicht Bankdokument gesagt, sondern nur Dokument. Ich flehte Helmut an: „Nein, bitte, bitte nicht!‚ Wie hätte ich es auch machen sollen in einem Wort? Wenn sie gedacht haben, es wäre ein Codewort gewesen für meine ganze Gefangenschaft und der Situation hier, also alles in einem kurzen Wort zu beschreiben. Zudem habe ich zu Helmut gesagt: "Überlege doch bitte, was denkst du, der Martin würde jetzt 73 wissen, wo ich bin und würde das Flugzeug besteigen und nach Argentinien kommen?" Sowieso würde er auch, wenn es so wäre, - das habe ich dummerweise auch noch gesagt, damit "bestätigte" ich noch ihre falsche Theorie - und wenn es so wäre, dann würde er trotzdem das Telefon abnehmen, er würde doch nicht das Telefon nicht mehr abnehmen. Es war furchtbar. Sie haben mir nicht mehr geglaubt. Ja, sie glaubten ich plane ein Befreiungskommando oder so etwas. Sie haben wieder Morddrohungen gemacht und gesagt: "Wir werden dich am kommenden Sonntag aufspiessen". Und nicht das Schwein, das sie vor hatten aufzuspiessen, ein kleines Schweinchen braten, weil dieses Vorhaben habe ich vom Knecht erfahren, weil ja Marianos Geburtstag ist, er ist am 06. April geboren und der kommende Sonntag dann war ja seiner. Ich habe solche Angst gehabt, nein, bitte, bitte, bitte, ich habe solange gefleht, bis Helmut es mir geglaubt hat, weil er dann selber denken musste, dass wenn einer so viel fleht und wieder so um sein Leben auf den Knien bittet, dass es dann ja stimmen muss. Für die Leute, die nicht in derselben Situation waren wie ich, war es schwierig; selbst die Verbrecher konnten das gar nicht begreifen, so scheint es mir, weil sie ja in Freiheit sind. Sie sind den ganzen Tag frei herumgelaufen und haben sich auf Millionen von Peseten gefreut, das Geld von mir, die haben keine Ängste durchgemacht. Das ist eine ganz andere Sache. Auf jeden Fall wurde es dann schlimmer, weil den ganzen Samstag wir es versucht haben Martin zu erreichen. Und wir haben uns gefragt, wieso nimmt er nicht ab? Es kann doch nicht sein, weil der Martin hat doch gesagt, er bliebe zu Hause. Meistens blieb er zu Hause oder, dann habe ich aber zu Mariano und Helmut gesagt, dieser Martin ist ein Bekannter von mir, er ist nicht von mir abhängig, er ist nicht ein Sklave von mir, er müsse nicht wegen mir in Vaduz bleiben, nur weil ich angerufen hätte, es könnte sein, im Gegenteil, wenn es ihm gefalle, könne er nach Afrika gehen oder nach Australien übers Wochenende. Und wahrhaftig, Martin war die ganze Nacht nicht zu Hause. Wir haben die ganze Nacht von Samstag auf Sonntag, europäische Zeit, da war bei uns ja noch 22.00 Uhr abends oder so, probiert. Ich habe dann das Leben von Martin durchgedacht und diskutiert, er ist keiner der abends in Bars herumhängt, kein Säufer, und wo konnte er bloss sein und er hat 74 doch gesagt, er bleibe dort, es war furchtbar. Auf jeden Fall war es dann so, dass ich sagte, ich müsse eine Lösung finden. Ich habe gesagt, ich rufe den besten Freund von Martin an: Sigi Wohlwend, dies ist ein Lehrer in Balzers, ich habe jedoch die Nummer nicht bei mir, aber der weiss sicher, ob Martin weggegangen ist oder was immer. Helmut hat vom Mobil aus seinen Schwager angerufen, den Peter Kroschel in Deutschland und der Schwager sollte bei der Schweizer Auskunft abklären, wie die Nummer des Sigi lautet. Eine halbe Stunde später wurde Helmut wieder von seinem Schwager angerufen und Helmut kam dann zu mir und sagte, es gäbe keinen Sigi Wohlwend, sondern es gäbe nur einen Helmut Wohlwend und der sei noch Anwalt und da dachten sie, es wäre eine Täuschung, ein Trick von mir gewesen und ich hätte nur "meinen" Anwalt anrufen wollen. Also es war furchtbar. Dann haben wir, es war schon 22.30 Uhr oder 23.00 Uhr abends, am Samstag, trotzdem diesen Helmut Wohlwend angerufen, die Nummer, die wir vom Schwager bekommen haben und dann sagte ich: "Hier ist Kieber Heinrich. Ich rufe aus Buenos Aires an, es tut mir leid, wenn ich sie störe, aber ich habe ein dringendes Bitten. Bitte können Sie mir die Nummer von Sigi Wohlwend, vielleicht heisst er Siegfried oder Sigmund, es ist vielleicht eine Abkürzung, geben?" Er sagte: „Nein, nein, es muss der Sigi Wolfinger sein.‚ Dann sagte ich: "Ja, ja, ja, das ist der Sigi Wolfinger, entschuldigen Sie 1000 Mal, dass ich störe, aber ich habe von der Auskunft ihre Nummer erhalten." Ich konnte mich nicht mehr erinnern in den Ängsten die ich hatte, dass der Lehrer Sigi Wolfinger heisst. Helmut Wohlwend hat mir dann seine Tochter an das Telefon gegeben und die Tochter hat mir die Nummer herausgesucht und ich habe dann gewartet und gewartet und gewartet am Telefon in meinem Zimmer. Übrigens konnten wir dann schon von meinem Zimmer aus telefonieren, weil wir festgestellt haben, dass der Mobilkontakt in meinem Zimmer funktioniert, weil mein Zimmer ein Eckzimmer war. Die Linie wurde unterbrochen. Ich rief nochmals an und dieser Helmut Wohlwend von Balzers, Anwalt, glaube ich, wie Helmut Roegele mir gesagt hatten, der sagte, ich solle die Nummer 38 so, so, so anrufen und ich solle solche späten Telefongespräche unterlassen, sonst werde er ganz "grantig", und ich habe mir gedacht, wenn der wüsste, was hier 75 lief, dann würde er nicht so reden und ich habe mich 1000 Mal bedankt. Ich habe nachher sofort Sigi angerufen und er hat das Telefon am Samstagabend abgenommen. Sigi fand es komisch, weil der Martin hätte ihn am vergangenen Donnerstag oder Freitag in Balzers besucht und Martin habe zu ihm gesagt, dass er am Freitagnachmittag kommen würde, aber gekommen sei er nicht. Ich sagte ihm, dass ich ihn dringend sprechen müsste, dass ich aus Buenos Aires anrufen werde und Sigi hat gesagt, wenn er was höre, werde er es ihm sagen, er solle zu Hause bleiben, weil der Heinrich versucht habe ihn jede halbe Stunde anzurufen. Ihn wurmte es auch, dass er weggegangen ist, und weil er nichts darüber gesagt hätte. Ich habe das Telefongespräch mit Sigi beendet und Helmut und dadurch Mariano waren sehr beruhigt über die Aussage von Sigi, leider nur vorläufig. Wir dachten, er wird schon zurückkommen. Sonntag der 06. April kam, der Geburtstag von Mariano, ich konnte schon ein wenig selbständig im Zimmer laufen, mich selber mit der rechten Hand ein wenig waschen im Badezimmer ohne dass ich in der Badewanne in die Hocke gehen musste, weil ich nirgends aufstützen konnte mit den schmerzenden Handgelenken. Ich konnte durch das Fenster nach draussen sehen, wie sie ein Feuer auf dem Erdgrill auf einem Wellblech, so nennt man das, machten. Sie haben ein kleines Schwein geschlachtet zu Ehren Mariano's Geburtstag und zu Ehren der grossen Geldsumme, die bald kommen würde, nehme ich an, haben sie das gemacht. Es war eine Schweinerei; mir haben sie nachher den halben Kopf von dem Schwein, nur mit der Haut und kein Fleisch gebracht. Sie haben es mir auf einem Tablar serviert und fünf Tonnen Brot dazu und „Einen Guten‚ gewünscht. So ein verdammter ...‚ er ass das ganze Fleisch von dieser kleinen, zarten Sau und mir gab er den Kopf und die Haut. Ich hatte nichts gegessen, ich fand es eine Beleidigung. Trotzdem habe ich ein wenig herumgestochert, als hätte ich etwas gegessen und die Haut vom Schwein ein wenig verschnitten damit es nicht so aussah, als hätte ich nichts angefasst, damit sie nicht böse wurden. Den Kopf konnte man sowieso nicht essen, ich weiss nur, dass das Fleisch auf den Backenknochen, das Beste wäre, aber das war nicht mehr da. Auf jeden Fall waren sie mir wieder böse und glaubten mir nicht und sagten wieder, das war nur ein Code von Dir. Es war natürlich 76 keiner, aber aufgrund der allerdings komischen Anrufe, Faxe konnte ich nicht ausschliessen, dass jemandem in Europa evt. die Sache verdächtig vorkam. Ich habe zu Gott gebetet, dass mir keiner irgendein Befreiungskommando schickt. Da Saavedra ein kleines Dorf ist, welches sicher nicht 500 Polizisten hat, die haben vielleicht einen, zwei oder drei Dorfpolizisten und wenn die kommen würden und ich bin heute noch davon überzeugt, wenn die gekommen wären, wüsste Mariano sofort um was es ginge und er würde alle umbringen. Bevor er in den Knast gehen würde, oder seine Farm verlieren, würde das Polizistenauto verbrennen oder die Polizisten erschiessen und mich dazu! Ich bin überzeugt davon, also wirklich, da kann ich meine Hand ins Feuer legen. Ich habe nur gebetet, dass niemand eine solche Organisation planen würde, denn es wäre sinnlos, es wäre selbstmörderisch und mörderisch. Mir ging es dann wieder besser. Sie haben mir später am Abend besseres zum Essen gegeben: Salat, Suppe, Hähnchen und Brot und wieder das Wasser mit dem komischen, weissen Pulver unten am Boden. Das Wasser habe ich nicht getrunken, weil ich nicht wusste, was es ist. Ich habe nichts getrunken, ach ja, Cola haben sie mir einmal gebracht. Es waren alle froh, dass es mir besser ging, immer haben sie mich gefragt, wie es mir geht und so, der Verband wurde mir mehrmals gewechselt. Ich musste auch seitlich verlegt werden und sie haben mir 500 ml Tabletten oder mg, ich weiss nicht mehr, von diesem Antibiotikum "Antinags" oder so ähnlich heisst es, gegeben. Ich habe 32 Tabletten von denen geschluckt, alle 6 Stunden eine. Diese Tabletten haben mir sicher auch gegen irgendeine Erkrankung geholfen. Ich hatte wieder Gründe gesucht und mir versucht zu bestätigen, dass Martin sicher am Montag kommt, dass er am Dienstag da ist, obwohl Dienstag kein "Stempeltag" wäre, nach meinen Berechnungen. Ich dachte, dass die Putzfrau jeweils Dienstags kommt und da ja über Ostern bis zum vergangenen Donnerstag, der erste Donnerstag im April, Martin Besuch von der Familie mit zwei Kindern hatte, sicher die Putzfrau kommen musste. Ich versuchte Helmut zu beruhigen. Er hat dann gesagt, sicher, sicher und Helmut musste dann Mariano beruhigen und mich wundert es heute noch, dass Mariano darauf eingegangen ist, dass ein Familienangehöriger von Helmuts Seite das Geld abholte. Es kam 77 zu Situationen, wo ich dem Knecht gesagt habe, bitte rufe nach dem Sohn von Mariano, dem Mario, weil ich wissen musste, ob die wussten was hier abläuft, denn sobald der Gesandte von Helmut, in diesem Falle, Peter Kroschel, sobald er den Code mit dem Sparbuch in der Hand hatte, er alleiniger Besitzer vom ganzen Geld war. Ich habe nur gebetet, dass die keinen extra Deal machen oder Helmut auf die Idee kommen könnte und sagen könnte, der Heinrich hat uns angelogen, da war nicht genug Geld darauf und ich hätte das Gegenteil nicht von meinem Zimmer aus beweisen können. Und Mariano verstand ja kein Deutsch. Ich habe gedacht, hoffentlich machen sie nicht so was und darum habe ich nach dem Sohn gefragt. Mariano selber wollte ja nicht kommen, der feige Hund. Den habe ich seit er mich am Inlandflughafen in Buenos Aires auf den Flug nach Bahia Blanca zu seiner Farm abgesetzt hat, seit diesem Abend, nie mehr gesehen. Ich rief nach dem Sohn und habe Marco gesagt, nein dem Mario, er ist der Jüngere, der Mario, ist auch der, der die Farm leitet, als Beauftragter. Ich habe Mario gefragt, ob er wisse was hier ablaufe, was nun geschehen sollte und ob es Mariano auch wisse. Er hat mir bestätigt, dass er genau wisse, was ich mit Helmut vereinbart hätte. Ich wollte ja nicht, dass da noch was gedreht wurde und der andere den anderen betrügt und ich bin nachher der Not leidende "Tote". Auf jeden Fall wusste Mariano um was es ging und ich kann nur annehmen, dass er sich auf eine Einzelperson, also auf eine Person, die nur dem Helmut vertraut ist, eingelassen hatte. Der einzige Grund ist, Mariano hätte natürlich Helmut und seine Frau hier in Gewalt haben können, bis er seinen Anteil vom Verbrechen erhielt. So kam es dann, dass am Sonntagabend in Argentinien, ca. 22.30 Uhr oder 00.30 Uhr, nachdem wir wieder jede halbe Stunde den Versuch gemacht haben nach Vaduz zu telefonieren, Martin prompt das Telefon abgenommen. Helmut sprang in mein Zimmer und sagte: "Jetzt ist er zu Hause, ich rufe gleich nochmal an". Martin erzählte, dass er zwei Tage im Tirol bei seinen Bekannten war, die eine Schreinerei haben, ganz unangekündigt. Ich konnte mir natürlich nichts anmerken lassen, dass wir fast jede halbe Stunde in den letzten 48 Stunden probiert hatten, ihn anzurufen. Ich habe gesagt: "Super.‚ Dann habe ich ihm gesagt, wie es mir aufgetragen wurde, dass ein Peter Kroschel, graue Haare, gross, 78 vorbeikommen werde und ich fragte Martin, wann es ihm passen würde. Er sagte, am Montag um 01.00 Uhr. Ich habe zu Martin bei diesem Gespräch – immer mit Helmuts Ohr auch am Telefon – gesagt: "Gehe in dein Gästezimmer, in dem Zimmer in dem Schrank hängt eine gelbe Regenjacke, die ich mir letztes Jahr gekauft habe, aber noch nie getragen habe. Sie hängt in einer weissen Schutzhülle". Er ging hin, holte die Jacke raus und ich habe extra nicht gesagt, was drin ist, weil damit der Helmut von Martin am Telefon mithört, was drin ist. Ich habe zu Martin gesagt: "Bitte, mache die Brusttasche auf, was findest du? Ja, da ist ein rotes Büchlein drin. Was steht vorne drauf?" BAWAG, gut, es ist ein Banksparbuch. Und dann war Helmut sehr erleichtert, dass alles so gut ging. Ich sagte zu Martin: "Bitte stecke es in ein Kuvert und am Montag kommt dieser Peter Kroschel und holt es ab und gibt es seinem Sohn Jürgen und dieser Jürgen kommt dann per Flug von Deutschland am Mittwoch nach Argentinien und gibt es mir". Martin sagte: "Gar kein Problem". In dieser Sonntagnacht haben wir "alle" wieder einmal gut geschlafen. Am Montagmorgen um 08.00 Uhr war ich bereits wach in Argentinien, denn 08.00 Uhr plus fünf Stunden gibt 13.00 Uhr in Europa und ich dachte, dass dies die Stunde ist, wo ich mein Vermögen verlieren werde, wo ich die Früchte meiner Arbeit, meines Sparens, meiner Intelligenz verlieren werde und jetzt wird es übergeben. Ich bin wach geblieben und habe die Stunden gezählt und habe gedacht, ich nahm an, dass vielleicht um 13.30 Uhr der Typ schon in Feldkirch ist. Wir haben die Bank nach dem letzten Gespräch von Freitagnachmittag mit Herrn Bröll nicht mehr angerufen, weil Helmut es nicht wollte, da es zu verdächtig sei. Ich nehme an, dass es so passierte: Herr Kroschel musste nach Feldkirch gegangen sein und als Beweis wollte dann Helmut und Mariano, dass die Überweisung, die er auf die Konten gemacht hatte, per Fax nach Argentinien sandte. Das wurde Herrn Kroschel so aufgetragen. Ich bin mir nicht sicher, ob er genau wusste, was da läuft, er wusste bestimmt nicht, dass ich eingesperrt war – aber, ich konnte dies nicht definitiv wissen. Ihm wurde es aufgetragen und er hat es gemacht. Aber trotzdem war er Mitläufer und er muss für seine Taten die Verantwortung stehen. Er kann immer noch alles abstreiten, aber ich wäre froh, wenn man ihn Einvernehmen würde oder so, das muss die 79 Polizei wissen. Ich wusste, dass sie sich geeinigt haben, Helmut und Mariano und um es nicht offensichtlich Halbe-Halbe zu machen, machten sie, glaube ich, machten sie 52 Prozent für Helmut und 48 Prozent für Mariano. Mariano ist eigentlich nur darauf eingegangen, weil Helmut argumentiert hat, dass ja mein Reisegeld in Bar, das ich bei mir hatte, ca. CHF 8000.- und ca. US$ 1 ‘500.- in US$ Noten, dass er, Mariano dieses Geld behalte könne. Mir soll er einen Teil davon geben, damit ich überhaupt noch ...‚ haben sie mir gesagt, ich wusste immer noch nicht, ob sie mich freilassen würden, ich war mir nicht sicher. Bis anhin, das muss jeder verstehen, das Wenige, was sie mir positives gesagt hatten, haben sie natürlich auch nur darum gesagt, weil sie mich - um ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen - manchmal in gute Stimmung zurückbringen mussten, sodass ich positive denke. Denn wenn ich nach massiven Drohungen seitens Mariano und Helmuts Clique wieder überzeugt war, sie bringen mich um, hätte ich ja auf stur stellen können, sagen können, ihr kriegt kein Geld von mir, bringt mich gleich mit einer Kugel um. Sie mussten ja "freundlicher‘ mit mir umgehen, damit ich alles schön mache, was sie von mir verlangt haben. Montagnachmittag in Europa, Peter Kroschel hat, so glaube ich, alles erledigt und die Bank hat sich dann geweigert, das hat mir Helmut gesagt. Die Bank hätte sich geweigert, den Fax nach Argentinien zu schicken und so. Mich würde es nicht verwundern, wenn er, Bröll etwas vermutet hatte. Dass es ihm komisch vorkam, da ich ihn persönlich kenne, ich weiss nicht, ob ich mich am Telefon komisch angehört habe, weil ich weiss nicht<, aber ich musste ja, ich habe es nicht freiwillig gemacht. Am Telefon mit ihm war ich ganz kalt und habe schnell die Anordnungen durchgegeben und die nötigen Fragen gestellt. Das Geld wurde vom Konto weggenommen und die Überweisungen gemacht. Die Bank hat sich aber nicht bereit erklärt, dies zu faxen. Peter Kroschel ging auf die Post, die nicht weit weg ist und versuchte das Fax von dort zu senden. Der Fax im Haus von Mariano hat die Nummer 0054 9239 1287, das ist auch die Telefonnummer der Hazienda. Diese Nummer muss man zuerst anrufen und sagen, man solle das Faxgerät in Betrieb einstellen. Beim zweiten Anruf kann man faxen. Am Nachmittag um ca. 15.00 Uhr bis 16.00 Uhr europäische Zeit kam Helmut in mein 80 Zimmer. Er kam ins Zimmer und erzählte, dass dummerweise nur der obere Teil des Fax angekommen sei, den Herr Kroschel geschickt habe. Und nur mit genau dem Teil von Helmut Roegele's Überweisungen und nicht den von Mariano, was Mariano natürlich wieder sehr misstrauisch stimmte. Er dachte, er hätte nichts gekriegt, es war wieder ein Drama. Ich war dann nicht mehr der Wichtigste nachdem das passiert war und sie haben Herr Kroschel, der wieder auf die Hausnummer angerufen hat, eine andere Faxnummer gegeben und zwar die Faxnummer von einem Telefondienst im Dorf von Saavedra. Wir mussten also noch länger warten, bis Herr Kroschel die Überweisungsbelege auf die neue Faxnummer in Saavedra geschickt hatte und jemand musste sie dort holen gehen. Ich habe die Überweisungen nie gesehen, sie haben mir die Faxüberweisung nie gezeigt. Nur davon gesprochen. Die Zeit verging an dem Montag und alle waren sichtlich erleichtert oder „Happy‚, weil sie meine Kohle gekriegt hatten. Vor allem Mariano, der hat sich einen schönen Schnitt daraus gemacht. Nicht nur die Hälfte meines Geldes hat er genommen, sondern auch die Geldschuld, die er mir schuldet, kann ich vergessen. Auf jeden Fall war ich ganz nervös - alle anderen waren Happy. Nur ich wurde immer nervöser und unruhiger und zitterte, weil ich dachte, wenn sie mich jetzt umbringen oder umlegen wollen, dann müssen sie es schnell machen. Ich vermutete, dass sie mir jetzt nicht mehr geglaubt haben, dass ich nicht mehr Geld besitze und dass sie zuerst vermutlich dachten, wir nehmen das, was wir haben und dann können wir ja immer noch...... Sie haben genug Andeutungen gemacht. Sie können mich ja immer noch foltern oder mir Angst machen oder dann wieder einsperren. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn sie mich nur aufgepäppelt hätten, damit ich das alles mache und wenn ich dann wieder gesund bin, kann ich ja wieder in den Kerker gehen, wenn keine Lebensgefahr wegen den Verletzungen mehr besteht. Helmut hat, um die Bank "zu beruhigen", mir aufgetragen bzw. mich gezwungen, dass ich die Bank am Nachmittag, bevor sie geschlossen haben, am Montagnachmittag wieder anrufe und Herrn Bröll verlange und mich für die ganze Transaktion bedanke. Ich habe dann angerufen und Herrn Bröll hat abgenommen und ich habe ihm gesagt: „Vielen Dank Herr Bröll, ich erzähle es Ihnen dann, wenn 81 ich wieder nach Hause komme.‚ Mariano hat dann zeitweise an diesen Tagen entweder Helmut alleine oder Helmut samt seiner Frau oder nur seiner Frau Besucherverbot für mein Zimmer erteilt. Mariano hatte Angst – keine Ahnung warum - dass ich etwas mit Helmut aushecken könnte, weil er und sein Clan kein Deutsch verstanden. Sie haben deshalb verboten, dass ich mit Helmut auf Deutsch spreche. Ich habe mich dann immer aufgeregt, weil Helmut immer mit mir Deutsch gesprochen hat und ich habe dann spanisch geantwortet, damit es mein Bewacher auch hört und damit sie sahen, dass ich nichts mit ihm habe, also keinen Deal hinter dem Rücken machen will, sondern dass ich ihm auf Spanisch antworte und ich nichts dafür kann, wenn Helmut nicht auf Spanisch mit mir sprach. Dies hat dann der Bewacher verstehen können. Und er, der Bewacher immer, nachdem Helmut oder seine Frau - welche nicht gut deutsch spricht und ich nur spanisch mit ihr rede - mich besucht haben, weggerannt und zu Mariano gegangen ist und ihm alles erzählt hatte. Mariano war immer informiert. Ich habe den Sohn von Mariano, Marco, gefragt, ob Mariano mich besuchen kommt oder was er vorhat. Darauf sagte er, im Moment wisse er es nicht, sie müssen da noch schauen. Da habe ich mir gedacht, oh je, jetzt machen sie wieder so ein Spiel, vielleicht haben sie einen Kurzschlusseffekt und bringen mich doch um. Auf jeden Fall zu meiner Verwunderung bin ich dann eingeschlafen und am Montagabend konnte ich nicht gut schlafen und habe immer zur Tür geschaut, ob nicht doch noch einer kommt und mir die Kehle durchschneidet. Am Dienstag haben sie mich dann aus dem Zimmer gelassen und einen bewachten Rundgang gemacht, nachdem ich schon fast 1 1/2 Wochen oder über 10 Tage eingesperrt war - und das 24 Stunden, ohne dass ich viel bzw. überhaupt nichts gesehen habe, ausser aus dem Fenster raus, vor allem im zweiten Zimmer. Zu meiner Überraschung haben sie dann Helmut Fluginformationen einholen lassen, wie er mir erzählt hatte. Und sie haben mir gesagt, dass es am Besten sei, wenn ich am Dienstagnachmittag verdufte, sofern ich gehen könne. Was mich am Meisten verwundert hat ist, dass Mariano sich mit einer Fotokopie der Überweisung zufrieden gab. Ich hatte gedacht, er würde sicher warten, bis seine Bank in Spanien was sehr lange dauern kann - bestätigt, dass sie das Geld erhalten 82 haben. Ich vermute, dass ich heute hier sitzen kann und mein Herz normal schlägt und mir nur die Hände und der Hals weh tun, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mit meinem Selbstmordversuch denen vor Auge geführt habe, was überhaupt hier passiere. Ich weiss es nicht - nein, ich kann es nicht sagen. Ich kann nur sagen, und das müssen Sie mir bitte glauben, es hätte auch ebenso gut das andere passieren können. Sie hätten nämlich kein Problem gehabt, mich umzulegen und irgendwo zu verstecken. Es wäre entweder das Eine, eben Freiheit, welche ich jetzt habe, oder das Andere passiert. Beides hatte die gleich grosse Chance, dass es mir passieren könne. Damit will ich sagen, dass es in den Köpfen von denen war, mich zu beseitigen, nachdem ich das Geld bezahlt habe, oder vorher, wenn ich nicht tue was sie wollen. Es war immer ein Kopfproblem. Das haben sie mir durch die vielen Details, die ich auf diesen sieben Kassetten darauf gesprochen habe, ständig bewiesen und auch mir vor Augen geführt, dass sie die Möglichkeit hätten, indem es notwendig wäre, die Möglichkeit auch ausnützen werden. Wie z.B. mir gleich nach dem Unfall mit einem kalten Blick gesagt wurde, dass, wenn ich jetzt nicht selber gesund werde, dass sie mich umlegen müssen oder verbrennen bzw. vernichten müssen. Es geht einfach nicht anders, weil ich auf keinen Fall ein Spital oder einen Arzt aufsuchen darf. Am Dienstag haben sie mich gebeten meine Sachen zu packen. Das habe ich dann auch gemacht. Ich wollte immer mit Mariano sprechen, aber er kam nicht. Wahrscheinlich war er zu feige und hat immer seine Söhne vorgeschickt. Einmal hat mir der Wächter gesagt - der Vogel - :Es war vermutlich naiv von mir zu denken, nachdem was sie mir alles angetan hatten, dass ich noch denke er würde kommen und mit mir sprechen. Vermutlich hatte er Angst, ich würde ihm eine kleben oder ihn ermorden oder ich weiss auch nicht. Aber man denkt halt anders, wenn man in Gefangenschaft ist, nicht normal und oft nicht logisch. Aber oft doch sehr logisch. Auf jeden Fall kam es so, dass sie abgesprochen hatten, dass Helmut mich bis zu meinem Flug begleitet und ich abhauen soll. Sie wussten ja von meinen Aussagen, von meiner Angst, die ich hatte. Ich würde nie, wenn ich auch die Möglichkeit gehabt hätte, zur argentinischen Polizei gehen, denn das Land ist so korrupt und kompliziert. Ich hatte 83 solche Angst, dass sie mich im Effekt erschiessen würden, bevor ich überhaupt eine Zeugenaussage machen könnte. Ich war nicht immer ein guter Mensch, jeder hat seine Fehler, aber ich bin nicht deprimiert, nachdem was vorgefallen ist. Klar ist das Geld weg, aber ich verdiene es wieder, aber das ist mir im Moment nicht wichtig, ich kann ja wieder arbeiten und bin gesund. Aber das Gefühl der Freude, dass ich noch LEBE - da ich ja wirklich hätte tot sein sollen - ist viel grösser als die Trauer über das was mir angetan wurde. Nur Dank der Differenz zwischen den Gefühlen kann ich jetzt noch als gerader Mann aufstehen und mein Leben weitermachen. Ich sehe vieles in einem anderen Licht, sehe viele kleine Freuden und würde auch nicht mehr weggehen. Ich will nicht mehr reisen, ich hatte so viel Heimweh gekriegt, weil ich ja noch nicht von dieser Welt gehen konnte, ohne mich von allen zu verabschieden. Das konnte nicht das Ende sein, in einem Grab oder Ofen in Argentinien, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Selbst wenn ich als Toter nach Mauren gekommen wäre, könnte es nicht sein, dass ich schon als 32-Jähriger ein Grab mit einem Kreuz bei der Maurer Kirche habe. Darum ist die Freude noch viel grösser, dass ich jetzt noch lebe. Ich weiss, Liechtenstein lässt mich nicht verhungern. Auf jeden Fall traute ich niemandem mehr dort in Argentinien, ich wollte nur Helmut sagen, nimm mich mit, wenn Dir noch etwas an mir liegt. Ihr werdet vielleicht fragen, wo ist der Hass? Ich hatte damals keinen Hass. Der Hass kommt vielleicht heute oder jetzt oder seitdem ich frei bin. Klar empfindet man riesigen Hass und ich würde vielleicht dasselbe denen antun. Aber was eben den Wandel oder das so nahe am Tod gewesen zu sein, löst dann doch einen Prozess aus, wo einem doch alles andere, vor allem die negativen Dinge nicht mehr interessieren. Wenn ich mich mit Helmut oder Mariano näher befasse, färbt es nur negativ auf mich ab. Ich will mich gar nicht mehr damit befassen. Ich vertraue der Liechtensteiner Polizei und der Justiz, die bestimmt das tut, was ich vielleicht selbst in die Hand genommen hätte. Vor allem die dummen Leute, da ich weiss, wie sie heissen und wo sie wohnen. Ich weiss alles. Ich kenne sogar ein wenig ihre Lebensgewohnheiten. Ich weiss nicht, was sie sich dabei gedacht haben. 84 Auf jeden Fall habe ich meine Sachen gepackt, hatte frische Unterwäsche und Hosen an, die Schuhe geputzt und die letzte Bandage um den Hals und die Hände gemacht und das Zimmer nochmals angeschaut. Dann hiess es, Mariano würde uns – Verbrecherehepaar Roegele und mich - zum Flughafen fahren ca. 100 km weit weg. Er alleine mit meinem Koffer, Helmut und seine Frau wollten auch weg von dort, weil sie vermutlich Streit hatten. Ich weiss aber nicht, ob das alles nur vorgespielt war. Ich kann nur aus meinen kleinen vier Wänden das beschreiben, was ich selber erlebt habe. Alles was sich ausserhalb abgespielt hat, kann ich nicht richtig beurteilen. Nach dem Mittagessen am Dienstag, ca. 13.00 Uhr, meine Sachen hatte ich gepackt, meine Ausweise hatte ich nicht gesehen, die müssten noch irgendwo sein. Dann haben sie mir gnädigerweise, weil ich gesagt habe, dass ich kein Geld mehr habe, von meinem eigenen Geld Fr. 3000. - und US 200.- gegeben, damit ich etwas hatte, wenn ich in Zürich ankomme. Ich wusste noch immer nicht, ob sie mich wirklich gehen lassen werden. Ich konnte es einfach nicht glauben. Ich wollte es aber nicht zeigen. Ich habe einfach wie apathisch das gemacht, was sie von mir verlangt hatten und dann meine Koffer gepackt. Mariano kam dann eine halbe Stunde bevor ich das Zimmer verliess zu mir und hat nicht viel gesagt. Er hat mir meinem Pass hingeschmissen und die Wunde angeschaut und ist dann wieder gegangen. Er hatte noch zwei Wächter dabei, da sie wohl Angst hatten ich würde versuchen Mariano mit meinen Händen zu erwürgen oder so. Auf jeden Fall habe ich gedacht, das ist ein zu einfacher Abgang, das kann nicht sein. Aber ich nehme an, dass sich die Sache ein wenig gewendet hat, dadurch dass Helmut und Mariano sich in die Haare gekommen sind und Helmut nun auch um sein Leben gebangt hat oder auch nicht. Dies ist auch nur mein Eindruck. Wir sind dann alle in den Ford Bronco eingestiegen, das ist ein USFordmodel, ein Riesending mit einem gewaltigen Motor und zwei Türen vorne und hinten eine Heckklappe und hinten mit einer kleinen Bank und vorne mit zwei grossen Sitzen. Es hatte einen braunen Teppich und ein argentinisches Kennzeichen. Er hatte dieses Fahrzeug zu der Zeit gekauft, als er die Farm gekauft hatte. Die Farm hat er auch nicht länger als seit 1991, glaube ich. Dann habe ich noch gehört, wie Mariano seinen Sohn fragte, was 85 der schnellste bzw. einfachste Weg aus der Farm ist und wenn er das Haupttor verlassen habe, ob er dann links oder rechts fahren soll. Links ging es dann über das Dorf Saavedra und dann auf die Nationalstrasse und rechts ging es über Grenzstrassen zwischen den Farmen auf die Nationalstrasse. Wenn er nach rechts fahre, spare er ca. 15 oder 18 km. Mich wunderte es, dass Mariano, der oft auf der Farm war, seinen Sohn nach dem kürzesten Weg fragen musste. Auf jeden Fall sind wir dann alle eingestiegen und zu aller Frechheit wollten sie noch ein Foto mit mir machen, die spinnen ja vollkommen. Vielleicht brauchten sie das zum Erklären, dass es ein „lustiges Ferienabenteuer‚ für mich war. Einbandagiert, mit langen Hosen, dasselbe was ich heute hier bei der Polizei anhabe. Wir sind dann losgefahren. Obwohl der Sohn sagte, dass man links fahren solle, ist Mariano nach rechts gefahren. Wieso ist er nach rechts gefahren? Da bekam ich Angst. Vor uns tauchte ein weisses Auto auf. Vielleicht wollte er mich, weg von den Hausangestellten und seiner Frau Carmen neu irgendwohin verschleppen und umbringen. Mit Hilfe vom Roegele. Auf einmal sah ich ein kl. Weisses Auto. Ich dachte sofort dies könnte die Söhne von Mariano sein; Roegele machte dann ein Scheisskommentar und sagte dass jetzt die letzte Stunde für mich geschlagen hat. Sie mussten den Angstpegel hoch halten, damit ich nicht auf dumme Ideen komme. Aber das andere, kleine, weisse Auto ist dann Richtung einer anderen Farm gefahren. Weit vor uns sah ich eine Strassenblockade und ich habe wieder gezittert und gedacht das ist das Ende. Dann lieber eine Kugel, warum wieder das ganze Drama. Aber es hat sich dann herausgestellt, dass es die Strassenarbeiter mit Baumaschinen waren, die die Strasse neu planiert haben. Wir fuhren und fuhren. Ich sagte kein Wort und war froh um jeden Meter, den ich von dieser Farm hinter mir liess. Es war so heiss und staubig. Und nach ca. einer Stunde kamen wir in Bahia Blanca an. Bahia Blanca ist ein Dorf von ca. 100.000 Einwohnern. Wir gingen gleich zum Flughafen. Ich hatte kein Ticket von Bahia Blanca nach Buenos Aires. Ich hatte nur das Bargeld und mein Gepäck. Ich war erst da ziemlich sicher, dass ich nicht sterben werde oder sicher, dass mir nichts passieren würde. Weil auf dem Weg von der Farm bis zum Flughafen hätte noch ein Unfall oder alles 86 Mögliche passieren können. Mariano hat sich dann verabschiedet, mehr oder weniger freundlich. Ich wollte ihm natürlich nicht die Hand drücken. Ich wollte aber nicht gehässige oder aufmüpfig erscheinen, weil ich Angst hatte, er könnte meinen, ich wolle Rache üben. Ich hinterliess nur den Eindruck, dass ich auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause wollte. Wir haben gewartet. Helmut hat mit seiner Kreditkarte, ich weiss nicht, ob es eine Goldene war, uns allen drei - mir, seiner Frau und sich - das Ticket bezahlt. Ich glaube wir flogen mit LAPA oder LACA, eher LAPA von Bahia Blanca nach Buenos Aires, das kostet pro Person USD 68. -. Für mich wurde auch ein Lufthansaflug reserviert. Die Lufthansa fliegt am Montag, Mittwoch und Freitag - so glaube ich. Wir haben am Dienstag für den nächsten Tag reserviert, obwohl der Flug ausgebucht war, aber ich war auf der Warteliste. Mein ursprüngliches Lufthansaticket hätte dann geändert werden können, da ich am 21. April ja fix den Rückflug original gebucht hatte. Ich konnte im Flugzeug nach Buenos Aires nur weinen. Verbrecher Roegele sass auf der anderen Seite des Ganges mit seiner Frau neben mir, stumm. Ich sagte auch nichts, ich wollte auch niemanden sehen. Sie haben zwar Polizisten im Flughafen, aber was sollte ich jetzt tun. Nachdem was geschehen war, hat man keine Energie mehr. Ich wusste nicht, würden sie mir glauben oder nicht. Vielleicht halten sie mich für verrückt und stecken mich in eine psychiatrische Klinik. Ich wollte nur weg von diesem Land, vom ganzen Kontinent und einfach nach Hause. Wir sind dann am Abend in Buenos Aires angekommen. Es war schon ein wenig dunkel. Wir steigen in ein Taxi und fuhren zum Hotel, das Mariano für uns reserviert hatte. Helmut und seine Frau hatten ein Doppel- und ich ein Einzelzimmer. Es war dasselbe Hotel, in welchem ich schon bei meiner Hinreise war – Salles. Dort habe ich mich eingeschrieben, mit richtigen Namen und eigener Passnummer und so. Alle gingen aufs Zimmer und ich musste mir neues Verbandsmaterial kaufen. Helmut sagte zu mir, dass ich das selbst kaufen gehen solle. Das überraschte mich sehr. Ich bin dann zum Hotel raus und dachte, dass sie mir evtl. folgen. Ich ging zum Schein in ein, zwei, drei, vier Apotheken bis ich das gefunden hatte, was ich brauchte - die anderen hatten es nicht. Als ich dann sicher war, dass mir keiner 87 folgte, habe ich Leute gefragt, wo ich einen Fax senden könne. Ich bin dann sofort, es war dann Dienstag um 20.30 Uhr oder 21.00 Uhr, in Europa Mittwoch, 01.00 Uhr oder 02.00 Uhr morgens, zur Hauptstelle der staatlichen Telefongesellschaft von Argentinien gegangen. Dort im Erdgeschoss gab es eine Möglichkeit ins Ausland zu Telefonieren oder zu Faxen. Ich habe mit zitternder Stimme darum gefleht, dass sie mir zwei Blatt Papiere oder ein Blatt und einen Kugelschreiber geben sollen und ich musste die Faxnummer von Feldkirch erfragen. Ich dachte mir, ich kann es nicht der Polizei in Liechtenstein oder Österreich schreiben, in nur einer Seite – die würden die Situation nicht auf Anhieb kapieren; und zudem war Herr Direktor Bröll der Einzige, der den Zusammenhang erkennen könnte, mit dem Wenigen das ich ihm geschrieben habe. Also habe ich von der Kabine Nr. 43 aus, welche sich im untersten Stockwerk vom Hauptgebäude der Telefongesellschaft von Argentinien, zuerst die argentinische Auskunft angerufen und darum gebeten, dass sie mir die Faxnummer von der BAWAG in Feldkirch geben. Die Auskunft in Wien sei um diese Zeit nur sehr knapp besetzt und sie müssten deshalb zurückrufen, wurde mir mitgeteilt. Ich hoffte, dass es schnell geht damit Roegele nichts merkt- das ich so lange weg bin. Dann kam der Rückruf und sie gaben mir eine Nummer mit der Vorwahl 512 und ich wusste, dass die Nummer nicht stimmen konnte. 512 ist nicht Feldkirch. Vielleicht ist es 5522. Ich hatte der Frau gesagt, die zurückgerufen hat, dass es nicht sein kann. Und dann hat sie nochmals nachgeschaut und gesagt, dass es schon stimme und dies eine Faxnummer sei. Es kann schon sein, dass es evtl. Innsbruck war, dachte ich mir. Der Mann an der Kasse der Telefongesellschaft hat mir nämlich eine alte Liste gezeigt, auf der Innsbruck mit 512 aufgeführt war. Und es konnte schon sein, dass es eine Faxnummer in Innsbruck war, evt. auch von der BAWAG - aber ich wollte ja Feldkirch haben. Auf jeden Fall habe ich den Brief fertig geschrieben und darauf vermerkt, dass ich diese Nummer erhalten habe und wenn es eine falsche Adresse ist, sollen der Empfänger dieses Fax ihn an die BAWAGZentrale in Wien oder Herrn Bröll in Feldkirch weitersenden. Ich habe dann nochmals die Auskunft angerufen und habe die Faxnummer von Wien erhalten, mit einer Eins. Dann habe ich die Nummer gewählt und die zwei A4-Blätter der dort arbeitenden 88 Frau - in der Telefongesellschaft in B.A. - in die Hand gegeben. Dann kam aber kein Fax-Ton sondern eine männliche Stimme. Da sagte ich, das kann doch nicht wahr sein. Die Frau gab mir dann den Hörer in die Hand und ich habe dann gesprochen. Es war dann tatsächlich die BAWAG in Wien. Da dachte ich mir, was macht denn ein Arbeiter der BAWAG um 02:00 Uhr nachts? Es war soviel ich weiss der Nachtwächter und ich habe ihn nur um eine Faxnummer gebeten. Er sagte mir, ich solle an die jetzt gewählte Nummer die Ziffern, ich glaube es waren 2490 oder 2480, anhängen. Es ist mir zwar komisch vorgekommen, dass ich erst eine normale Telefonnummer anwählen und dann diese Nummer anhängen musste. Aber ich nahm dann an, dass es sich vermutlich um einen Telefoncomputer handelte. Also habe ich es gemacht. Und es war eine Faxnummer und es hatte funktioniert. Ich hatte den Fax geschickt und bin nachher gleich zurück zum Hotel gegangen und schon waren Helmut und seine Frau beim Eingang des Hotels und hatten gefragt wo ich gewesen wäre und was ich gemacht hätte. Ich hatte Angst, denn ich hatte für das Fax US$ 27 bezahlt und ich hatte US$ 200 bei mir gehabt. Auch hatte ich aus dem Geld noch Telefonkarten gekauft, falls ich meine Mutter oder jemanden anrufen könnte. Denn vom Hotel aus wollte ich nicht anrufen, da ich befürchtete, dass Helmut evtl. die Liste von meinen geführten Gesprächen verlangen würde. Ich hatte Angst, dass Helmut auf die Idee kommen könnte und meine Geldtasche verlangen würde und ich könnte nicht erklären, warum ich auf einmal US$ 45 weniger hatte. Die Binde, die ich kaufte kostete nur US$ 3 also müsste ich ja von diesen US$ 200 noch US$ 197 haben. Aber ich hatte ja nur noch US$ 155, weil ich für die Telefonkarten US$ 18 und Fax US$ 27 bezahlt hatte. Sie haben dann aber nicht nachgefragt. Sie sagten nur, ich solle zum Essen mitkommen. Sie wollten mich nicht aus den Augen verlieren. Ich bin dann mit essen gegangen. Ich habe nicht viel gemacht und gesagt. Interessant war, dass sie die ganze Schuld Mariano zuschieben wollten. Es sei seine Idee gewesen. Es sei seine Sache. Wir gingen dann ins Hotel und ich konnte in der Nacht nicht schlafen. Ich war so nah am Ziel und ich wollte nur noch weg. Ich wusste, dass es einen Swissairflug am Mittwoch morgen gibt, und zwar der um 9.40 Uhr. Die Lufthansa würde erst am 89 Nachmittag fliegen. Ich wollte nicht noch warten. Also habe ich meine Sachen gepackt, habe mich rasiert und ich habe meine letzte Binde selber gemacht, dieselbe, mit welcher ich später im Vaduzer Spital aufgekreuzt bin. Ich bin dann schon um 05.00 Uhr aufgestanden oder 04.00 Uhr oder 03.00 Uhr, ich weiss es nicht mehr genau und bin aus dem Hotel raus gegangen. Es hatte ein Nachtportier. Ich bin weit weggelaufen und habe eine Telefonzelle gefunden und habe dann eine Nummer gewählt und prompt hat jemand abgenommen und ich wurde mit Herrn Bröll verbunden. Ich habe ihn gefragt, ob er meinem Fax erhalten habe. Er bejahte. Er sagte, er bringe mich in Sicherheit und ich sagte, dass ich schon halb in Sicherheit bin. Aber ich spürte von ihm Vertrauen. Ich wollte nur weg. Man kann niemandem mehr trauen im Land, es ist so korrupt. Die Telefonkarten waren sehr schnell aufgebraucht und ich konnte nicht mehr mit Herrn Bröll sprechen. Ich bin dann sofort ins Hotel zurück, habe ausgecheckt und für mein Hotelzimmer bar bezahlt (US$ 70). Ich habe den Sammelbus genommen, der vor dem Hotel stand. Ich war schon früh am Flughafen und habe nach dem Swissairflug gefragt. Es hatte noch Platz und kostete US$ 1'600, nur Hinflug. Das sind fast CHF 2'500. Dann hat der Swissairangestellte mir einen besseren Deal vorgeschlagen und zwar, ich solle ein Rückflugticket, obwohl ich gar nicht mehr zurückkehren wollte, kaufen: das kostete nur US$ 1'118. Ich habe also genügend CHF für diesen US$-Betrag umgetauscht und das Ticket bezahlt. Ich bin ohne Probleme durch die Passkontrolle gegangen und habe einen Stempel bekommen. Und habe das Flugzeug bestiegen. Ich habe nur geweint, geweint und geweint, alles zusammen! Ich war nur froh, dass ich überlebt habe. In Vaduz bin ich mit dem Reisegepäck direkt ins Spital gegangen. Herr Dr. Moser hat mich angeschaut. Jetzt ist die Geschichte zu Ende und was weiter geschehen wird, wird sich zeigen. Ich hoffe, dass für das menschliche Verbrechen, das mir angetan wurde, vor allem Mariano Marti-Ventosa Roqueta und auch Helmut Roegele und Bande ihre Strafe erhalten werden. So wie es Gott oder die Justiz vorgesehen hat. Ich danke allen für ihre Hilfe, die sie mir entgegengebracht haben und ich möchte auch bitten, dass Sie in vollem Bewusstsein sind, dass es ein schwerer Schlag für mein Leben war, und dass ich jetzt nicht weiss, ob ich doch noch 90 irgendwie Depressionen erhalten werde. Im Moment sehe ich das zwar nicht so, aber vielleicht kommt es später, wenn ich ein normales Leben führe, dass mich dann die Gedanken oder die Erinnerung an die Geschichte sich wieder aufwärmen. Vielen Dank für alles. H.K. 11. und 21. April 1997. Ende Originaltext (OT) meiner Anzeige. Nach der erforderlichen Anzeige (auf Tonband) und der weiteren Detailangaben zum Verbrechen war ich sehr befreit. Wie um tonnenschwere Felsen erleichtert schritt ich aus dem Polizeigebäude Vaduz hinaus, in den schönen, warmen und sonnigen Aprilnachmittag. Am 17.4. habe ich der Polizei weitere Angaben über die Gefangenschaft in einem Schreiben überbracht: A) Glühbirne, Notiz, Zahnfleisch Ein anderes Detail des Kellers (Wasserturm), wo ich gefangen gehalten wurde, sind die 3 Glühbirnen. Im runden Raum ist ein Licht links oben, gleich beim Eintritt durch die Türe (so hoch, dass ich es mit angespannter Kette gerade noch berühren konnte). Ursprünglich, d.h. während meinen ersten Tagen, war eine 60 Wattbirne aus klarem Glas in der einfachen Fassung drin. Sie ging zu Bruch und ich musste sie mit einer der 2 anderen Birnen tauschen, wollte ich nicht 24 Std. im Dunkeln sitzen. Im Durchgangsraum (vom rundem Raum zum WC-Raum), dort wo das grössere Waschbecken installiert ist, ist ein Licht links oben montiert, quasi auf der gerundeten Aussenwand des Turms. Ich schraubte die Birne raus, es war eine 40 Watt aus mattem Glas (evt. auch eine 60 Watt; aber auf jeden Fall eine schwächere Birne, als die‚ die ich dann im WC-Raum abgeschraubt habe). Jene vom WC-Raum - auch aus klarem Glas - brachte ich in den runden Turmraum weil sie die Stärkste war und jene vom Durchgangsraum schraubte ich in den WC-Raum - oberhalb des kleinen hölzernen Spiegelkästchens. Ich habe mir während der Gefangenschaft auch Gedanken darüber gemacht, wie ich ein Hinweis meines "dortgewesenseins" 91 hinterlassen kann. Ich kam auf die Idee eine kleine Notiz auf Spanisch irgendwo zu verstecken - Möglichkeiten gab es dazu sehr viele. Ich schrieb sogar auf einen kleinen Zettel (Papier und Schreibzeug hatte ich ja) ein Text mit folgendem Inhalt : HIER WAR ICH, HEINRICH KIEBER aus Liechtenstein seit dem Donnerstag vor Ostern 1997 gefangen gehalten bis zum Tag meiner Freilassung oder Todes. Ich hätte auch eine gute Stelle gefunden, und zwar war das grosse Waschbecken im Durchgangsraum unten auf zwei aus der Wand herausragenden ca. 4 cm langen Eisenstützen gestellt. Zwischen dem Beckenboden und dem Eisenstück hätte die Notiz gut rein gesteckt werden können. Ich tat es nicht, weil ich auf einmal Angst bekam, dass wenn die Verbrecher vielleicht auch darauf kommen könnten, dass ich so was tue, und es dann finden würden, dann möchte ich nicht an die daraus resultierende Strafe denken. Somit verschwand meine kleine Notiz in tausend Stücke Ein anderes Erlebnis hatte ich mit meinem Zahnfleisch: Die Täter geben mir sehr wenig zu Essen, von dem ich noch weniger ass. Es kam vor, dass ich im Turm über 24 Stunden nichts zu mir nahm (ausser eventuell ein Schluck Wasser aus der Flasche). Als ich dann später einen Apfel (grüner) essen wollte und natürlich beissen musste, tat mir mein Zahnfleisch so weh, dass ich dachte, die Zähne bleiben im Apfel stecken. Ich vermute, dass es damit zusammenhängt, dass ich über eine so ungewöhnlich lange Zeit nichts gebissen habe. Mit ein Grund kann auch die hohe Luftfeuchtigkeit und die dauernde Kälte sein. Dies müsste ein Arzt oder Zahnarzt bestätigen. B) Genauer Tag In meiner Tonbandaussage habe ich, so mag ich mich erinnern, den Dienstag 01. April als den Tag genannt, wo ich die grösste Todesangst empfand und mir (auf Grund der aussichtslosen Situation in der ich mich befand) das Leben nehmen wollte. Ich rechne die Tage hin und her und bemühe meine Erinnerung so stark es geht: ich kann aber heute nicht ganz genau sagen, ob es der 01. April oder der 02. April war. Ich weiss nur ganz genau, dass es nicht am Sonntag 30.3. war (weil mein Geburtstag) und nicht am Montag 31.3. war (weil der Geburtstag meiner Mutter) 92 und ich die Tage bis zum 31.3. mittels Strichlein gezählt habe. Durch den Schock des getriebenen Selbstmordes entstand wie eine Lücke in meinem Gehirn, was den genauen Monatstag betrifft. Wieder sicher bin ich mir aber ganz, dass ich die Nacht vom -Donnerstag nach Ostern (1. Donnerstag im April) im neuen Gefangenenzimmer im Haupthaus verbracht habe, weil ich sehr früh am Freitagmorgen (ca. 3.00 Uhr / 4.00 Uhr morgens) gezwungen wurde, den Hr. Bröll zum Ersten mal anzurufen, nachdem die Verbrecher den Fax nach Feldkirch gesendet hatten. Am 21.4. ging ich wieder zur Polizei. Dort wurde mir eine Abschrift der Tonbandaussage vorgelegt, so dass ich eventuelle Fehler oder Missdeutungen korrigieren konnte. Es gab nur ganz wenige Stellen, wo ich etwas berichtigen musste. Dann wurde die Abschrift als Anzeige angenommen. Eine Kopie wurde mir gegeben. Selbstverständlich habe ich in den in Folge der Polizei und den Untersuchungsbehörden alle Dokumente und Beweise im Original überlassen: wie zum Beispiel dem beglaubigten Darlehensvertrag zwischen Mariano Marti-Ventosa Roqueta und mir vom 6.3.1993, den notariell beglaubigten Immobilienverkauf- bzw. Kaufvertrag zwischen Helmut Roegele und mir vom Oktober 1996 (worin er richtigerweise schriftlich bestätigt hatte, dass er die ganze Kaufvertragssumme für die Wohnung in BAR und vor der Unterzeichnung erhalten hatte), die Faxe von Mariano, datiert vom 31.1., 9.2. + 12.2. (alle 1997), womit er mich nach Argentinien lockte. Die Behörden machten für sich Kopien von allem und die Originale bekam ich später wieder zurück. Was wurde aus meinem Sparbuch? Ich hatte Glück, riesengrosses Glück. Auf Grund meines Fax an die BAWAG wurde die Bank sofort aktiv und versuchte fieberhaft die schon eingeleiteten Banküberweisungen an die Verbrecher Helmut und Mariano zu stoppen. Das Geld war schon von der BAWAG weg und sogar schon ausserhalb Österreichs. Wie ein Wunder, wirklich wie ein Wunder konnte die BAWAG die Gelder in allerletzter Sekunde zurückholen. Dies nur darum, weil es bei noch auf einem Konto bei ihrer Korrespondenzbank im Ausland lag, und noch nicht auf die Bankkonten der zwei Verbrecher weitergeleitet wurde, welche bei anderen Banken eingerichtet waren. Es war also pures Glück, dass weder Helmut noch Mariano zufällig ihre Bankkonten nicht auch bei der Korrespondenzbank der BAWAG in Spanien hatten. Dann wäre 93 er zu spät gewesen, weil nur ein Gericht in Spanien die definitive Gutschrift auf die Konten der Beiden verhindern hätte können, bzw. rückgängig machen können. Ich konnte es nicht glauben, als mir Dir. Bröll die Gute Nachricht brachte. Man kann sich die langen Gesichter der Verbrecher gar nicht vorstellen, als sie erfolglos bei ihren Banken nachgefragt haben mussten, warum die dicke Kohle noch nicht angekommen war. Beide hatten sicher einen 99-prozentigen Herzinfarkt, als ihnen ihre Bank mitteilte, dass nix eingetroffen war. Nachdem was sie alles an operativer Logistik, an Brutalität und Waffengewalt ausüben mussten, um meine Entführung, meine Gefangennahme, Erpressung und Folter erfolgreich zu machen. Beide haben sicher vor Wut gekocht. Hätten sie mich in Argentinien nur 24 Stunden länger gefangen gehalten, wäre das Geld auf ihren Konten gelandet. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Es war wie in einem Traum. Da Helmut ja Deutsch konnte, hatte er mehrere Male bei der BAWAG in Feldkirch angerufen und wurde dort auf die Rechtsabteilung der Bank in Wien verwiesen. Die Telefongespräche mit ihm wurden aufgezeichnet. Es war dann, als er erfahren konnte, dass der Bankkontobesitzer (ich) eine Anzeige gegen ihn und andere bei der Polizei erstattet hatte. Dem Helmut wurde hörbar schlecht und er leierte etwas von dem Wohnungsverkauf und behauptete, dass ich der Verbrecher wäre, nicht er. Er hatte natürlich sofort gemerkt, dass er nun in der tiefen Scheisse steckte. Er bekam Panik und belästigte zuerst meine Mutter und meine Tante in Spanien per Telefon. Nicht nur bedrohte er sie beide mit schweren Konsequenzen, sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen. Seine Frau und Mariano riefen auch bei ihnen an. Die Telefonnummern hatte sie ja von mir schon in der Gefangenschaft abverlangt. Mariano wusste, dass meine Mutter (und Tante) aus Spanien kommen, so konnte er mit ihnen auf Spanisch reden. Meine Mutter und meine Tante sollten mir ausrichten, dass sie mich umbringen würden, sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen. Meine Familie stand wegen den Telefonaten unter einem grossen Schock und es dauerte lange, bis sie sich davon erholen konnten. Ich hatte die Polizei in Vaduz immer über jede Bedrohung und Belästigung informiert. Es war schon eine verrückte neue Situation für die beiden Folterer. Zuerst hatte Mariano die volle Kontrolle über alles (in Argentinien), da es ja seine Farm, sein Kerker, sein Gebiet war. Und nun war er auf Helmut (in Europa) angewiesen, um seinen Anteil der Beute doch noch zu bekommen. Helmut musste schnell handeln. Mariano hatte wegen der Anzeige weniger Angst. Er war ja weit weg. Helmut war 94 aber mit seiner Frau wieder zurück in Spanien und konnte sich klar vorstellen, was für eine schwere Gefängnisstrafe sie zu erwarten hätten. Wie detailliert ich die Anzeige erstattet hatte, wusste er noch nicht. Er hatte aber sofort richtig kombiniert, dass er ein massives Problem damit hatte, zu erklären, warum er rund CHF 400'000.-- von mir bekommen hatte, bzw. - dank der BAWAG - nun bekommen hätte sollen. Man erinnere sich, dass man mir während der Gefangenschaft zwar diverse Pseudorechnungen, bzw. Anerkennungen für beide Überweisungen zur Unterschrift vorgelegt hatte. Sie wollte damit - für alle Fälle - eine "berechtigte" Grundlage auf Papier haben. Denn sollte ich nach meiner Freilassung, ungeachtet ihrer Drohungen es trotzdem wagen die Zahlungen bekämpfen, würden sie die Schriftstücke aus Argentinien "vorlegen" und hoffen, dass sie damit durchkommen. Dasselbe würde passieren, wenn ich tot wäre und dann irgendjemand – z.B. meine Familie oder die Bank - die extrem verdächtige Auflösung meines Sparbuches hinterfragen würde. Die Banküberweisungen sind ja für immer dokumentiert. Mit einer Anzeige war die Situation für Helmut & Co. hochgefährlich. Er musste also in erster Linie das Motiv (die Beute) bekämpfen. Das heisst, er musste auf Teufel komm raus versuchen, die Zahlung an ihn als rechtmässig erscheinen lassen. Im Moment konnte er keinen Gedanken darin verlieren, dass er - was die abgepressten Zahlungen betraf - eigentlich 3 Probleme hatte: a) Die Zahlung an ihn. b) Die ungefähr gleichgrosse Zahlung an Mariano und c) die "Zahlung" an seinen Schwager! Kroschel hatten sich nämlich den übrig gebliebenen Restbetrag meines Sparbuches, um die CHF 10'000.-- einfach in den eigenen Sack gesteckt, indem er den Betrag auf seinem eigenen, neuen Konto bei der BAWAG gutschreiben liess. Helmut wollte seinen Schwager damit für seine "Umstände" belohnen. Ich war richtigerweise in der Position, wo ich nebst dem Helmut und dem Mariano auch dem Kroschel die absolut berechtigte Frage stellen konnte, welches Recht alle Drei hatten, auch nur einen einzigen Franken von meinem Geld zu nehmen. Helmut hatte keinen einzigen Franken aus dem Wohnungskauf zu Gute - was ich mit dem Notarvertrag beweisen konnte. Mariano schuldete mir seit 1993 CHF 245'000.- plus Zinsen, was ich mit den dazugehörigen Quittungen, Vertrag, Banküberweisungen und bankenseitigen Bestätigungen locker beweisen konnte. Kroschel war ein Mann, den ich nie in meinem Leben je getroffen hatte, mit dem ich nie in meinem Leben je etwas zu tun hatte; bis er als Mittäter in den Kreis der Verbrecher aufgenommen wurde. 95 Ich bin ja selber kein Jurist; aber die knallharten Fakten lagen im meinem Fall "sternenklar" vor. Abgesehen davon, dass die Verbrecher überhaupt kein Geld oder sonstiges von mir zu erhalten hatten, im Gegenteil, Mariano mir seit März 1993 (und dies heute immer noch) über CHF 245'000. — plus 12 Prozent p.a. Zinsen schuldet, war die ganze Konstellation, wie die Verbrecher an mein Sparbuch, das Codewort des Kontos bei der BAWAG kamen, die Beute fast 50-50 aufteilten, eine Analogie des klassischen Deliktes von schwerer Entführung, schwerer Freiheitsberaubung und schwerer Erpressung und Nötigung etc. Es gab überhaupt keine ökonomische Grundlage dafür, warum ich in Argentinien jeweils mehr als CHF 400'000.— den Tätern Helmut Roegele und Mariano Marti-Ventosa Roqueta hätten überlassen sollen. Daher war ich und bin heute noch zu 1000 Prozent überzeugt, dass die Verbrecher vor einem Kriminalgericht absolut keine Chance haben, sich aus der Sache herauszureden. Niemals, niemals, niemals, niemals, nie und nimmer und nochmals NIEMALS!!!! 96 Kapitel 2 Zimmer unter den Alten Am nächsten Tag, dem 12. April, fuhr ich mit dem Zug zurück nach Zürich, um meine wenigen Sachen zu holen. Ich war immer noch müde und zutiefst traurig, obwohl ich doch gerade der Hölle entkommen war. Dennoch, selbst der Fussmarsch in der Abenddämmerung vom Hauptbahnhof via Hechtplatz zum Haus Schiffländi Nr. 4 war mir nicht ganz geheuer. Dort, im Dachstuhl des Gourmets Restaurant "Blockhus" hatte ich vom Wirt Pierre seit ein paar Monaten ein möbliertes Zimmer im Dachstuhl angemietet. Ich wollte unbedingt mit einem meiner damaligen Freunde reden. All meine Träume waren zerstört. Mein bisheriges Leben wurde durch gewalttätiges Drücken der "RESET-Taste" aus den Fugen geworfen. Es war schon spät am Abend, als ich einen Freund, der in der Nähe des Flughafens wohnte, endlich erreichen konnte. Ich hatte immer noch die frischen Vaduzer Bandagen an den verletzten Körperstellen und das Bild, das ich in einer der verglasten Telefonkabinen auf dem Bellevueplatz in Zürich abgab, konnte nicht surrealer sein. Die Passanten begannen schon mich anzustarren. Leider hatte mein Freund gerade seine Eltern zu Besuch. Die kommen nur alle drei oder vier Jahre zu ihm und ausgerechnet an diesen Tagen war es wieder soweit. Ein Treffen mit ihm war deshalb nicht möglich. Ich habe ihm nur sagen können, dass ich zurück aus Argentinien sei und es mir nicht gut gehe. Ein Anruf bei meiner Exfreundin, die weit weg von Zürich wohnte, brachte etwas emotionale Erleichterung. Als ich mich später vom Wirt des „Blockhus‚ verabschiedete, traf ich per Zufall im Restaurant unten eine Frau wieder, die ich vor zwei Monaten kennen gelernt hatte. Die nette, alleinerziehende Deutsche Mutter arbeitete im Schauspielhaus oben am Heimplatz. Unter anderen Umständen wäre vielleicht was aus uns geworden. Als sie mich dann so sah, konnte sie erst ihre Verwunderung, dann ihren Schock und später ihre Abneigung nicht verbergen. Schade! Wir hatten uns sehr gut verstanden. Nach meiner letzten Nacht im Zimmer in Zürich, ging die Reise abermals nach Vaduz. Aus Schamgefühl wollte ich nicht bei meinem Vater und meiner Stiefmutter in deren Haus leben. Da ich aber auch nicht alleine irgendwo hausen wollte und ein Aufenthalt im Spital nicht notwendig und angebracht war, blieb mir nur die Möglichkeit, ein 97 kleines Zimmer im Altenheim übrig. Das heisst, der Staat bot es mir an. Zumindest für die erste Zeit. Dort wurde für warmes Essen und reine Wäsche gesorgt. Mit Sack und Pack zog ich also nach Eschen im Liechtensteiner Unterland, in das Betreuungszentrum St. Martin in der Dr. A. Schädler-Strasse ein. Mein Zimmer war im unteren Stock, schön möbliert und mit eigener Dusche ausgestattet. Aussicht auf blühende Wiesen, die ab und zu von gefrässigen Huftieren abgegrast wurden. Frühstück und Mittag- sowie Abendessen wurden in zwei Schichten serviert. Ich durfte aber kommen und gehen wann ich wollte und war auch vom obligaten Meldesystem in Bezug auf die Menueauswahl befreit. Meine beiden Nachbarn, links und rechts, waren auch keine echten Rentner. Etwas älter als ich und mit grossen zwischenmenschlichen Problemen überladen. Drei Zimmer weiter war eine freundliche und liebenswerte italienische Dame für kurze Zeit auch Gast im Altersheim. Ich kannte sie aus meiner Kindheit in Schaan, wo ihre beiden Söhne mit mir in die Schule gegangen waren. Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie wurde hier in Sicherheit vor ihrem gewalttätigen Ehemann untergebracht. Ich habe sie anschliessend nie wieder getroffen. Ihre liebenswerte Eigenart kam unter tragischen Umständen wieder in mein Bewusstsein. Sechs Jahre später, im Juli 2003, zog ich ausgerechnet in jene frisch gestrichene 1-Zimmerwohnung im Mehrfamilienhaus am Buchenweg 1 in Vaduz ein, wo sie sich kurz davor das Leben genommen hatte. Angemietet und neu möbliert wurde diese Wohnung für mich durch die Bank des Fürst von Liechtenstein – Hans-Adams LGT Bank. Das Leben im Altersheim war voller Überraschungen. Ich fügte mich in den geordneten Rhythmus des Altersheims stillschweigen ein, trotz meines verzigfache Energieüberschusses im Vergleich zu den Mitbewohnern. Stundenlange Diskussionen mit den 70-80-Jährigen waren sehr aufschlussreich und spannend. Mit der Zeit lernte ich sie alle persönlich kennen, wobei ich meine Erlebnisse in Argentinien nicht mit ihnen teilte, nicht teilen wollte. Das Essen war erstklassig und die sprichwörtliche Friedhofsruhe war schon wieder wohltuend. Toll war, dass ich jeweils am Abend dank der frühen Gute-Nacht-Stunde meiner Mitbewohner, eigener Herr über die TV-Fernbedienung und somit den Fernseher war. Ich kann nur jedem empfehlen, wenigstens einmal sich das Leben in einem Altersheim genau anzuschauen; ich versichere Euch, 98 ihr werdet ganz anders über alte Menschen und speziell euer eigenes "älter werden" nachdenken. Nicht das es an Geld je mangelt, aber auch in einem so reichen Land wie Liechtenstein ist das Seniorenheim ein (geistiges) Abstellgleis für viele alte Bürger. Vor allem für jene, die keine eigenen Familienmitglieder mehr haben oder deren eigenes Fleisch und Blut den "Wir-besuchen-die-Alten-NIE" – Bazillus pflegen. Es war traurig mit anzusehen, wie viele der Bewohner tagein, tagaus anspruchslos auf den unvermeidbaren Sensenmann warteten. Ich hatte immer noch Schmerzen im Hals und an beiden Handgelenken. Mein vorher sehr gutes Gedächtnis und meine Konzentrationsfähigkeit haben unter der Tortur und dem Stress der letzten Wochen stark gelitten. Ich verbrachte die Tage damit, viel nachzudenken, mich wieder aufzufangen und mein Kampf gegen die Täter zu organisieren und aufzunehmen. Schon wenige Tage nach meiner Anzeige bei der Polizei in Vaduz begann ich, umfassende Schriftstücke mit mehr Details und Erklärungen zu den Tätern zu verfassen und sie den Behörden zu übergeben. Erstaunlicherweise hatte ich überhaupt keine Mühe, mit mir vorher unbekannten Menschen ausführlich über das Ertragene zu reden, insbesondere mit den Untersuchungsbehörden. Ganz anders war dies mit jenen, die mir nahe standen. Da hatte ich oft Angst vor deren Reaktion. Weil mein Schmerz ja fast unfassbar war. Ganz zu schweigen von dem Stigma einen Selbstmordversuch gemacht zu haben. Nach und nach traten also immer mehr neue Leute in mein Leben, die sich beruflich mit dem "Ausgang meiner Argentinienvisite" befassen mussten. Viele von ihnen würden Jahre später noch eine wichtige Rolle in dieser Geschichte spielen. Da war die Ärztin Dr. Silvia Rheinberger aus Vaduz. Meine Hausärztin. Eine äusserst kompetente und mitfühlende Person. Nach solch messerscharfen Schnitten am Handgelenk wie ich sie hatte, wird oft untersucht, ob die Nervenstränge wieder zusammenwachsen und keine Schwächung der Empfindsamkeit zurückbleibt. Gott sei Dank hatte ich im Kerker in Argentinien auch keine medizinische Kenntnisse darüber, wie man "erfolgreich" die Hauptblutader am Handgelenk durchtrennt: nämlich tief und parallel zum Arm und nicht quer, wie ich es tat. Nach gründlicher medizinischer Prüfung aller Verletzungen überwies sie mich an einen Spezialisten beim Spital St. Gallen. Zum Glück war keine 99 neurologische Operation nötig. Heute noch empfinde ich nur beim Fingernagelschneiden an der linken Hand ein kleines Kribbeln in den Fingern und im Handgelenk. Dadurch dass ich Rechtshänder bin, war der Schnitt an meinem linken Handgelenk etwas tiefer, da ich motorisch automatisch mehr Druck und Kraft mit der rechten Hand ausübte. Es wurden somit die durchlaufenden Nervenstränge mehr in Mitleidenschaft gezogen. Erst zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Argentinien war ich innerlich so weit, auch meinen Vater und die Stiefmutter persönlich für etwas längere Zeit zu treffen. Sie waren sehr mitgenommen von der ganzen Geschichte und versicherten mir – falls erforderlich – mir finanziellen und sonstigen Beistand für den juristischen Kampf um die Gerechtigkeit zu leisten. Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Opfern: jene die nach grausamen Erlebnissen nur schweigen können und oft einsam und depressiv werden. Und die anderen, zu denen glücklicherweise ich gehöre, die sich LAUT und STARK äussern können. 100 Kapitel 3 Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld Eine weitere Dame, die Staatsanwältin Alma Willi aus Balzers, sollte für die ersten paar Jahre meine ganze Hoffnungsträgerin sein. Als erste Amtshandlung hatte sie gerichtlich feststellen lassen, dass Liechtenstein in diesem Fall (Aktennummer 10 Vr 101/97, Landgericht Vaduz- kurz der „101er‚) eine juristische Zuständigkeit besass. Dies war deshalb der Fall, weil das Verbrechen als geschlossene Tat angesehen werden konnte, also die Entführung, Freiheitsberaubung, schwere Erpressung und schwere Nötigung zusammen mit der unberechtigten Annahme oder Übernahme meines Sparbuchs in VADUZ durch den Mittäter Kroschel. Über diesen Bescheid war ich sehr erfreut. Das weitere Verhalten der Staatsanwaltschaft (STA) in Vaduz spielte eine massgebliche Rolle, warum sich ein anderes Unheil ab dem Jahr 2002 zusammenbrauen würde. Der meinem Fall zugewiesene Untersuchungsrichter (UR) war der Landrichter Dr. Paul Meier. Als ich ihn zum 1. Mal treffen konnte, war meine Akte schon mit vielen Schriftstücken seitens der Polizei, der STA und von mir gefüllt. Ich war heilfroh, dass er ein offenes Ohr hatte. Ich erkannte sofort, dass er äusserst qualifiziert war. Nie sollte ich mich in ihm täuschen. Ich hatte mich sogleich als so genannter Privatbeteiligter, was mir als Opfer einige Rechte gibt, am Strafverfahren (101er) gegen die diversen Täter beteiligt. Ferner unterstütze mich auch der geachtete Rechtsanwalt (RA) Dr. B. Hirn (mit solchem Nachnamen muss man ja ein RA werden), ein Österreicher, der eine Kanzlei in Feldkirch und in Vaduz hatte. Bei der ersten Vernehmung durch den UR Dr. Meier war ich etwas nervös, da ich Angst hatte, irgendein der vielen wichtigen Details, die ich auf Tonband bei der Polizei Wochen zuvor ausgesagt hatte, zu vergessen oder zu verwechseln. Alles lief aber gut. Aufgrund der massiven Schwere der Taten (schwere Erpressung, schwere Nötigung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung u.s.w.), die nach Strafgesetzbuch jeweils pro Delikt eine Maximalstrafe zwischen fünf und zehn Jahren Gefängnis vorsehen, war es für den UR Dr. Meier sehr wichtig, ein rechtsmedizinisches Gutachten bezüglich aller Körperverletzungen erstellen zu lassen, zusätzlich zu meiner ausführlichen, an Details nicht zu überbietenden Wiedergabe des brutalen Verbrechens, sowie der 101 Faktenlage zu der versuchten Erpressung. Seine Wahl fiel auf den ausgewiesenen Univ. Dr. Paul Umach, Facharzt der Gerichtlichen Medizin in Innsbruck, Österreich. Dr. Umach hat mich dann im Altersheim in Eschen am 25. Juni 1997 besucht, befragt und untersucht. Sein Gutachten gebe ich im OT hier wieder: Anm.: Das Kapitel Eins (I.) bis zur erste Hälfte von Kapitel Drei (III.). seines Gutachtens beinhalten eine Zusammenfassung des Auftrages des UR, meine Schilderungen aus der Anzeige und die Angaben des Spital Vaduz. Da all dies schon in diesem Buch erwähnt ist, beginnt der Originaltext ab der Mitte des III. Kapitels. (III.)<..Bei der klinischen Kontrolluntersuchung befand sich Heinrich Kieber in gutem Allgemein- und Ernährungszustand, war voll orientiert, voll kommunikationsfähig. An der linken Halo-Vorderseite, quer über dem Kopfnickermuskel verlaufend, war eine 6 cm lange, verdickte rote Narbenbildung gegeben, welche im Bereich des hinteren Narbenendes schwalbenschwanzartig gespalten war. Diese Narbe dem Aspekt nach vorne unten seichter auslaufend. Knapp oberhalb der beschriebenen Narbe eine weitere 6 cm lange, eher strichförmige Narbe, ebenfalls von hinten oben nach vorne unten über dem Vorderrand des Kopfnickermuskels verlaufend. Im Bereich der Drosselgrube wurde eine leicht geschwungen verlaufende, von links oben nach rechts unten verlaufende, 4,5 cm lange, etwas unregelmässige rote und verdickte Narbenbildung festgestellt. Etwa in der Mitte der Narbe war eine weitere 3 cm lange, unregelmässig gestaltete Narbe quer nach links abgehend, knapp unterhalb derselben eine weitere 1 cm lange Narbe nach rechts oben abzweigend. In gerader Verlängerung nach unten rechts der erstgenannten Narbe ist eine gleichartige 1 cm lange Narbe im Abstand von ca. 1,5 cm gegeben. Oberhalb des Schüsselbeines rechts, brustbeinnahe, war eine weitere v-förmig gestaltete 3 cm lange Narbenbildung über den rechtsseitigen Halsweichteilen gegeben. An der Beugeseite des linken Handgelenkes war eine quer verlaufende, 5 cm lange, etwas verbreiterte und rot gefärbte Narbenbildung gegeben mit den deutlichen Spuren von vier Nähten. Etwas handflächenwärts dieser Narbe war eine umschriebene Druckempfindlichkeit mit elektrisierendem 102 ausstrahlenden Schmerz in die beugeseitigen Langfinger gegeben. Die Beweglichkeit der Langfinger ungestört, die Beweglichkeit des Daumens insofern eingeschränkt, als das Abspreizen nur unzureichend möglich ist im Vergleich zu rechts. Die Sensibilität im Bereich der Finger und der linken Hand ungestört. An der Beugeseite des rechten Handgelenkes, quer verlaufend, eine 5 cm lange, rote, etwas verbreiterte Narbenbildung mit den Spuren nach drei Wundnähten. Sensibilität und Motorik im Bereich der rechten Hand und der Finger rechts nicht gestört. An der hinten Aussenseite der rechten Wade, zwischen 30 und 31 cm über der Fusssohle gelegen, war eine rundliche, im Durchmesser 1 cm haltende bräunliche Narbenbildung mit strahlig-narbiger Oberfläche gegeben. Unterhalb dieser Narbe in einer mittleren Höhe von 26,5 cm über der Fersensohle, war eine etwa 8 mm messende, oval gestaltete bräunliche Narbenbildung mit strahliger Oberfläche gegeben, etwas innerhalb davon eine gleichartige reiskorngrosse Narbe. An der hinteren Aussenseite des rechten Beines, 20 cm über der Fersensohle lokalisiert, war eine praktisch horizontal verlaufende, 1,3 cm lange und bis 3 mm breite rötlich-braune Verfärbung der Haut ohne Veränderung der Hautstruktur wie nach abgeheilter Hautabschürfung gegeben. IV. Nach den Unterlagen ist festzustellen, dass bei Heinrich Kieber Narbenbilder vorliegen, welche als Folge angeblich verschiedener Tathandlungen und Ereignisse eingetreten sein sollen. Die Verletzungen sind im Ambulanzbericht des Krankenhauses Vaduz beschrieben und auch lichtbildmässig dokumentiert. Sowohl nach dem dortigen Befund als auch dem jetzigen Narbenbefund ist davon auszugehen, dass die Verletzungen des Heinrich Kieber tatsächlich in jenem Zeitraum zustande kamen, welcher von ihm angegeben wird. Es ist natürlich nicht möglich, eine Zuordnung auf Tage genau zu treffen, jedoch ist es auszuschliessen, dass von den bei Heinrich Kieber befundenen Verletzungen bzw. jetzigen Narbenbildern eine oder mehrere wesentlich früher zustande gekommen wären als in der letzten Märzwoche 1997, wie von Kieber berichtet. Folgt man den Angaben des Heinrich Kieber, so sollen die Verletzungen am rechten Unterschenkel mit der Tathandlung 103 durch Dritte in Zusammenhang stehen. Nach dem Narbenbild ist festzustellen, dass die beschriebenen Narben im knienahen Bereich des rechten Unterschenkels eindeutig auf Hitzeinwirkung zurückzuführen sind und es sich um sog. Verbrennungsnarben handelt, während die unterste quer verlaufende Narbe ihrer Struktur nach für eine oberflächliche Hautverletzung im Sinne einer Hautabschürfung spricht und durchaus mit jener Kanteneinwirkung der angebrachten Metallmanschette in Zusammenhang gebracht werden kann in der Form, wie dies von Kieber auch berichtet wird. Somit können diese Verletzungen am rechten Unterschenkel zum einen auf Verbrennungseinwirkung durch möglichen Funkenflug beim Schweissen, zum anderen durch Einwirkung der beschriebenen Metallmanschette zur Kettenanlage am rechten Bein zurückgeführt werden. Diese Verletzungen sind in ihrer Gesamtheit wohl noch als solche medizinisch an sich leichten Grades anzusprechen mit einer Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, welche an die 24-Tage-Grenze wohl heranreichte, diese aber nicht überschritt. Die zurückgebliebenen Narbenbildungen an der Beugeseite des linken und rechten Handgelenkes sind typisch für die Zufügung sog. Pulsaderschnitte im Rahmen von Suizidversuchen, wobei am linken Handgelenk offenbar auch der Mittelnerv etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde mit den vorübergehenden Sensibilitätsstörungen im Bereich des Daumens und der Finger und der minimalen Bewegungseinschränkung. Aus derart angelegten Pulsaderschnitten kommt es nicht zu schweren Blutungen und insbesondere nicht zu solchen, welche lebensbedrohlich wären, da bei dieser Schnittführung grosse arterielle Gefässe nicht getroffen werden und somit der Blutverlust in engen Grenzen bleibt. Die Narben sind jung, die zurückgebliebenen Narbenspuren zeigen, dass eher unkundige Wundversorgung primär stattgefunden hat, was auch aus dem Arztbericht des Krankenhauses Vaduz unschwer abzuleiten ist. Die Verletzungen am Hals können von verschiedenen Tathandlungen herstammen. Die an der linken Halsvorderseite gelegenen etwa quer bzw. schräg von hinten oben nach vorne unten verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel, beide etwa 6 cm lang, sind als Narben nach Schnittverletzungen 104 anzusprechen, wobei der Schnitt von hinten oben nach vorne unten geführt wurde. Diese Schnittführung ist für einen Rechtshänder, welcher sich durch Halsschnitte vom Leben zum Tod befördern will, typisch. Natürlich sind die von Heinrich Kieber verwendeten Klingen eines Einwegrasierers diesbezüglich nur ein bedingt taugliches Mittel, mit welchem nicht so weit in die Tiefe geschnitten werden kann, dass es auch zu einer entscheidenden Verletzung eines arteriellen Gefässes kommt. Der Schnitt war aber über der Halsschlagader lokalisiert, allerdings zu oberflächlich. Eine mehrläufige Narbe befindet sich bei Heinrich Kieber direkt über der Drosselgrube mit unregelmässiger Gestaltung, etwa an jener Stelle, wo auch bei einem therapeutischen Luftröhrenschnitt durch die Weichteile eingegangen wird, um einen direkten Zugang zur Luftröhre zu erreichen. Die über der Luftröhre hier liegenden Weichteile sind dünn, sodass durch eine Sticheinwirkung hier sehr leicht eine Eröffnung der Luftröhre möglich ist ohne relevante Verletzung benachbarter Organstrukturen. Wenn Heinrich Kieber nun angibt, hier ein dreieckiges Stück eines Glassplitters eines Fensterglases angesetzt und hinein- gedrückt bzw. hineingeschlagen zu haben, den Splitter wieder etwas herausgezogen und gedreht und nochmals hineingestossen zu haben, so würde sich daraus nicht nur das unregelmässige Narbenbild über der Drosselgrube erklären, sondern auch die Angabe des Verletzten erklärbar sein, dass er Luft heraus pfeifen gehört habe und auch eine Art Schleim gespürt habe, bei dem es sich offensichtlich um Bronchialschleim gehandelt hat. Auch die v-förmige Verletzung etwas rechts der genannten Narbengruppe oberhalb des rechten Schlüsselbeins wäre als Glassplitterverletzung durchaus möglich. Auch hier wurden offensichtlich entscheidende tiefer liegende Strukturen nicht erwischt. V. Zusammenfassend sind die gegenständlichen Verletzungen des Heinrich Kieber nach dem eigenen Untersuchungsbefund und in Beachtung der Unterlagen des Krankenhauses Vaduz junge Verletzungen, welche durchaus in dem in Rede stehenden Zeitraum 26. 3. 97 bis 2. 4. 1997 entstanden sein konnten. Auszuschliessen ist, dass diese Verletzungen oder ein Teil 105 derselben wesentlich früher als in diesem bezeichneten Zeitraum entstanden wären. Jene Verletzungen, welche Heinrich Kieber von fremder Hand zugefügt wurden, sind diese am rechten Unterschenkel lokalisierten. Es handelt sich dabei um drei Verletzungsmerkmale, wie sie typischerweise nach Verbrennungen auftreten, die am weitesten am Unterschenkel unten gelegene Verletzungsmarke ist eine solche, wie sie nach primär etwas tiefer reichender Hautabschürfung zurückbleibt und ist der Lokalisation und Form nach durchaus möglich als Einwirkung des oberen Randes der behaupteten Metallmanschette, wie sie von Kieber beschrieben wurde. Diese Verletzungen sind insgesamt noch als medizinisch an sich leichte Körperverletzungen anzusprechen mit einer Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, welche an die 24-Tage—Grenze wohl heranreichte, diese aber nicht überschritt. Die Verletzungen an der Beugeseite des linken und rechten Handgelenkes sind Schnittverletzungen, welcher ihrer Art und Lokalisation nach typisch für Suizidversuche sind mit anschliessender eher laienhafter Wundversorgung. Bei jenen zwei an der linken Halsseite mehr oben gelegenen, schräg verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel handelt es sich um Zustände nach Schnittverletzungen eher oberflächlicher Art, wobei die Schnittrichtung von hinten oben nach vorne unten anzugeben ist. Diese Verletzungen konnten durchaus durch eigene Hand mit einer Rasierklinge zugefügt worden sein. Die im Bereich der Drosselgrube zurückgebliebene unregelmässige, mehrfach geschenkelte Narbenbildung wäre zwanglos erklärbar durch ein Vorgehen, wie von Heinrich Kieber geschildert, dass nämlich die Spitze einer Glasscherbe hier eingestossen wurde, wobei von einem mehrfachen Einstechen mit verschiedener Richtung der Glasscherbe ausgegangen werden kann, ohne dass die Glasscherbe jeweils aus der Wunde ganz herausgezogen wurde. Bei einem solchen Vorgehen ist auch eine Anspiessung der Luftröhre, welche hier sehr oberflächlich unter den Weichteilen liegt, zwanglos möglich. Eine Selbstheilung der Luftröhrenverletzung ohne weitere operative Massnahmen ist möglich und nicht ungewöhnlich, zumal offensichtlich ja die Weichteilwunden selbst mit Nähten, wenn auch nicht sehr kundig, versorgt wurden. Die weitere Narbe an der Halsseite 106 rechts oberhalb des Schlüsselbeins wäre ebenfalls durch Einwirkung einer Glasscherbe erklärbar, ohne dass hier relevante bzw. tiefer reichende und schwerwiegendere Verletzungen entstehen. Insgesamt ist festzustellen, dass das befundene Narben- und Verletzungsbild aus gerichtsmedizinischer Sicht durchaus mit den Schilderungen des Heinrich Kieber in Einklang gebracht werden kann. Innsbruck, 16. 7. 1997, (gez.) Dr. Paul Umach. Als ich dann eine Kopie des gerichtsmedizinischen Gutachtens erhalten hatte, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Als Opfer hat man immer Angst, die Leute würden einem nicht oder nur teilweise glauben. Ich hatte eigentlich soweit Glück, da es an der Glaubhaftigkeit meiner Anzeige und all meiner Aussagen seitens der Polizei und dem Gericht in Vaduz absolut nie Zweifel gab. In den verbleibenden Monaten des Jahres 1997 war ich praktisch ein Dauerbesucher beim Landgericht Vaduz gewesen. Drei bis vier Mal pro Monat habe ich, oft ohne Termin, beim UR angeklopft und höflich gefragt, wie der Stand der Dinge sei. Alles ging sehr langsam voran. Er sagte mir, dass seine Hände gebunden seien, er könne faktisch nur auf Antrag oder Anweisung der STA handeln, so will es die Strafprozessordnung (StPO). Es ist die dienstliche Pflicht der STA, den schweren Beschuldigungen juristisch auf den Grund zu gehen und mittels der gesetzlichen Macht und den weitreichenden Hilfsmitteln hat die STA die Möglichkeit dazu. Ich nahm meine Rolle als Privatbeteiligter sehr ernst und nutzte 100fach die Gelegenheit, um der so genannten Wahrheitsfindung zu dienen. Leider nutzte die STA ihre Macht zur Nachforschung nicht aus. Unglaubliches passierte. STA Alma Willi, als die anklagende Behörde, hatte es nie für notwendig angesehen, mit mir persönlich zu reden. Im Gegensatz zum UR Dr. P. Meier, dessen Bürotüre immer für mich offen stand, habe ich mit ihr in der Zeit nur einmal kurz zwischen Tür und Angel reden können und dies auch nur per Zufall, da sich ihr Büro damals noch in demselben Gebäude wie das Landgericht befand. Dialoge mit dem Opfer waren nicht ihre Stärke. Sie war sehr kurz angebunden, bestätigte mir aber, dass die STA an der Anklage arbeiten würde. Ich hatte immer Respekt und Anstand vor den Behörden gezeigt 107 und mit dieser für mich wichtigen Aussage seitens der STA war ich mehr als zufrieden. Dazu muss man folgendes wissen: Gerade ab dem Jahr 1997 kam das Land Liechtenstein immer stärker unter Beschuss von diversen Europäischen Staaten und den USA, direkt oder über die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) oder der FATF (Financial Action Task Force). Wegen Geldwäschereivorwürfe, Billigung und Förderung von Steuerbetrug und –hinterziehung, Unterstützung der organisierten Kriminalität und generell als Steuerparadies. Der Druck stieg auch mit dem exklusiv für die damalige deutsche Regierung eigentlich als vertraulich klassifizierten BND-Bericht von 1999 über die kriminellen Netzwerke der Liechtensteiner Finanzwelt. Diese schimpfte öffentlich über den BND und Deutschland sowieso, schickte den Liechtensteiner Regierungschef samt Gefolge nach Berlin, um die alle (wieder) Milde zu stimmen. Zu Hause aber lachten sie hinter vorgehaltener Hand: "Fast hätte es uns erwischt!". Die hohen FinanzHerren hatten das Glück, dass der Hauptzuträger des BNDs (aus Quellen von 1997 und 1998) selber kein "vorbildlicher Treuhänder" war, da er in verdächtige Geldverschiebungen und Aktionen im Ländle verwickelt war. Wir in Liechtenstein wussten, was dem BND 1997 nicht gelang, und ihm daher für das vollständige Bild fehlte: einen tiefen Einblick in die "Dunkelkammer" der betroffenen Banken und Treuhänder, wo die ultimativen, beweiskräftigen Dokumente lagern! Diese "Unvollständigkeit" sollte dem BND Jahre später nicht mehr passieren. Auch der Inhalt der berühmten CD vom Treuhandbüro "Dr. Dr. Batliner" aus Vaduz sorgte für reichlich Aufsehen. 1996 hatte ein Mitarbeiter Batliners die CD mit nach Hause genommen, später gelangte sie in die Hände der Medien und der deutschen Behörden. Es folgten massenhafte Steuer-Strafuntersuchungen und seitenweise negative Berichte in den deutschen Medien. Auf einmal war das kleine Liechtenstein nicht nur in aller Munde sondern auch in Verruf geraten. Selbst Hans-Adam war gezwungen öffentlich seinen "sauberen Finanzplatz" zu verteidigen. Er erkannte an, dass die Ausstattung der Untersuchungsbehörden (STA, Justiz und die Kripo) in seinem Land in personeller als auch technischer 108 Hinsicht schon lange nicht mehr den damaligen Anforderungen entsprach. In aller Eile wurde Anfang 2000 ein Sonderstaatsanwalt, Dr. Kurt Spitzer aus Österreich sowie mehrere ausländische Spezialisten mit grossem multimedialem Pomp von Hans-Adam persönlich angestellt und dirigiert, um das Böse im Ländle auszurotten. Wie in einem Fasnachtsumzug wurden diverse Persönlichkeiten aus Liechtenstein (z.B. die Herren Marxer & Ritter etc.) abgeführt, gar (kurzzeitig) verhaftet und später auch angeklagt. Es wurden Büroräume durchsucht, Treuhand- und Bankendokumente beschlagnahmt, grosse Untersuchungsberichte angefertigt und noch grössere Prozesse angekündigt. "Dr. SPITZER hat aufgeräumt" jubelte Hans-Adam. Was das Ausland nicht mehr mitbekommen hatte, war die Realität. Denn schlussendlich wurde niemand aus der Gruppe der Beschuldigten Banker und Treuhänder je rechtsgültig verurteilt (abgesehen von kleineren Vergehen). Im Gegenteil, die Regierung in Vaduz musste Jahre später nach praktisch geheimen Verhandlungen sehr hohe Entschädigungssummen an sie auszahlen. Wir in Liechtenstein verurteilen prinzipiell keine Banker oder Treuhänder nur weil sie Geldwäscherei fördern oder billigen oder Steuerbetrug und hinterziehung aktiv unterstützen. Erst Jahre später wurden neue – angeblich von den Finanzmachthabern unabhängige – Aufsichtsbehörden geschaffen, um dem ständigen Druck vom Ausland entgegenzuwirken: zum Beispiel die FIU (Financial Intelligence Unit) im März 2002 oder im Mai 2004 die FMA (Finanz Marktaufsicht). Auch wurden neue Sorgfaltspflicht- und andere Finanzgesetze erlassen. All dies hauptsächlich zum Gefallen der ausländischen Behörden, staatlichen Organisationen und den lästigen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s). All diese hektischen Aktivitäten über Jahre hinweg seitens der Justiz, der STA und der Regierung hatten zur Folge, dass praktisch keine Zeit da war für die Arbeit an den anderen bei Gericht oder STA liegenden Fällen wie der meine. "Das (verfluchte) GELD" hatte eben IMMER Vorrang!! Ohne Übertreibung kann ich fest behaupten, dass ich als Opfer (nicht nur in der Rolle als Privatbeteiligter am Prozess) alles nur denkbare und Menschenmögliche gemacht habe, um der STA und dem UR bei ihrer Arbeit zu helfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich die Arbeit der STA getan. Ich habe im Jahr 1997 (bis Ende 2002) Hunderte 109 von Seiten niedergeschrieben, Akten angefertigt, Fotos gemacht und Modelle bauen lassen. Alles jeweils in dreifacher Form; 1x für UR, 1 x für STA und 1 x für meinen RA Dr. Hirn. Da ich nicht verlangen kann, dass die Justiz sich zum Tatort nach Argentinien begibt, habe ich bildlich, fotografisch und im Modell den Tatort nach Vaduz gebracht. Am Anfang war ich sogar naiv genug in einem Schreiben an den UR Dr. Meier die Möglichkeit nach einer Reise zum Tatort zu erfragen. Nur unter höchstem Polizeischutz natürlich. Nicht das ich nochmals im Kerker auf der Farm lande. Ich war im Glauben, dass eine solche Reise, unter Aufsicht von Interpol Argentinien, durchführbar wäre. Selbst wenn die Täter den Gefängnisturm mit einem Hochdruckreiniger gereinigt hätten, Kriminalspezialisten sollten in der Lage sein, immer noch Blutspuren von mir zu finden. Abgesehen davon müssten noch die Spuren der Kette (an der Wand), an dem wohl ausgetauschten neuen Fenster u.s.w. zu finden sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass ausländische Strafverfolgungsbehörden in ein anderes Land reisten, um einen Tatort anzusehen. Dies habe ich alles dem UR geschrieben. Leider war eine solche Reise (mit mir oder ohne mich) nicht machbar. Die STA hätte es nicht bewilligt. Ich war sehr enttäuscht. Zudem verstand ich es auch nicht, warum die STA nicht einmal via Interpol die Argentinier zumindest bitten konnte, den Turm und die Farm wenigstens zu besuchen und zu inspizieren. Genau nach dem Spruch "ein Bild sagt mehr als Tausend Worte" hatte ich schon im August 1997 den Auftrag für 3 Kohle-Zeichnungen gegeben und sie am 01.09.1997 zusammen mit einem Begleitschreiben dem UR übergeben. Kurz vor Weihnachten 1997 hatte ich auch das 1:1 Modell des Eisenfussrings und Eisenkette samt Mauerstück fertig und am 21.12.1997 mit Fotomappe und Begleitschreiben dem UR überreichen. In der Fotomappe waren Fotos mit mir in diversen Situationen während der Gefangenschaft nachgestellt. Da niemand in Argentinien nachschauen gehen wollte, entschloss ich mich einen professionellen Nachbau in Auftrag zu geben. Im Februar 1998 war Nachbau des Kerkers (mit jedem kleinsten Detail) als dreidimensionales Modell fertig. Über 1000 Franken habe ich dafür bezahlt. Das Modell war auf einer ca. 0,5 cm dicken Holzplatte, 1,5 x 1 Meter gross, geklebt. Ich habe eine Serie von verschiedenen Fotos davon gemacht um die in meiner Anzeige bei der Polizei gemachten Angaben bildlich zu unterstützen. Diese Foto-Mappe 110 mit exakten schriftlichen Hinweisen und Querverweisen auf die jeweilige Zeile aus der Anzeige, hatte ich am 17.2.1998 fertiggestellt und dem UR gebracht. Das 3D-Modell musste ein trauriges Ende nehmen - mehr dazu später im Buch. Mein Leben drehte sich nur um den 101er Akt! Alles andere war nebensächlich; zum Glück hatte ich aber meinen Humor nach meiner Rückkehr aus Argentinien nicht ganz verloren. Ich war natürlich auch jeden Tag froh, dass ich noch lebe und noch nicht in Depressionen verfallen war. Die tiefen seelischen Narben verursachten aber einiges an Nebeneffekten. So zum Beispiel als ich mit einem Freund einen Kinofilm der US-Regiebrüder Ethan und Joel Coen mit dem Titel FARGO im Freiluftkino in Vaduz ansehen wollte (es war im Sommer 1997 oder vielleicht auch 1998). Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Als jene Szene gezeigt wurde, wo die zwei Amateurkidnapper die Frau des Autoverkäufers aus ihrem Haus entführen wollten, wurde mir Kotzübel und ich musste von der Sitztribüne fliehen. Selbst Jahre später, als die (seelischen) Narben etwas verwachsen waren und ich den Film bei einem Freund per Zufall auf DVD sehen konnte, schaffte ich es zwar etwas länger sitzen zu bleiben, die Gewaltszenen sind einfach noch immer zu viel für mich. Obwohl ich weiss, dass es Schauspieler waren. Ich habe mir seit dieser Zeit nie wieder einen Gewaltfilm angesehen. Gerade als ich dachte, das Horrorjahr 1997 wäre bald vorüber, da wurde ich eines besseren belehrt. Auf einer meiner Gänge zum UR Dr. Meier, und dem obligatorischen Blick auf die ON-Liste (Akteninhaltsverzeichnis) des 101er, blieb mein Herz stehen und der Atem stocken: gemäss Eintrag gab es eine Beschuldigteneinvernahme von Helmut Roegele hier in Vaduz am 11.08.1997. Der nächste Eintrag auf der darunter liegenden Zeile war: (Eingang) "Schreiben von H. Kieber v. 11.08.1997". Ich konnte mich nicht gleich entscheiden, worüber ich mich am meisten massiv ärgern sollte: A) Dass der Haupttäter vernommen wurde – ohne dass das LG mich oder meinen RA informierte hatte und mir daher die Möglichkeit genommen hatte, als Opfer einen Input zur (geplanten Vernehmung) 111 von Helmut Roegele zu machen (was ich als Privatbeteiligter am Prozess hätte machen dürfen) oder B) Dass ich offenbar einem "explosivem Schock" knapp entgangen bin, weil ich ja am selben Tag (08.11.1997) im Büro des UR Dr. Meier war, um ein Schreiben von mir in den Akt einfügen zu lassen. (All die Jahre habe ich immer jedes Schreibstück etc. persönlich bei Gericht abgegeben und nie per Post versandt). Es läuft mir heute noch – bald 12 Jahre später - eiskalt den Rücken runter, wenn ich nur daran denke, was es wohl in mir ausgelöst hätte, wäre ich wahrhaftig dem Helmut Roegele samt seiner Frau, meinen Peinigern & Folterern, in den Gängen des LG im August 1997 (ohne Vorwarnung oder Betreuung) begegnet. Ohne zu Übertreiben, ich hätte ihn und seine Frau vermutlich glatt platt gemacht. Zumindest symbolisch. Ich bin zwar absolut kein Mensch der Gewalt, ich ziehe das geschriebene Wort vor. Aber selbst als gut erzogener und intelligenter Mensch wäre mein Verlangen einfach nicht Unterdrückbar gewesen, den Tätern das selbe zu wünschen, was sie mir angetan hatten. Das sich Helmut & Co. überhaupt auf den Weg nach Vaduz trauten, war für mich rückblickend keine Überraschung. Sie konnten ja sehen und selbst erleben, dass die Behörden in Liechtenstein offenbar nicht gross handelten und die Sache sich lange, lange hinziehen würde. Sofort verlangte ich eine Kopie der Vernehmung. Ich kann es nicht in Worte fassen, was ich beim Lesen dieses Schriftstücks durchgemacht hatte. Ich verfluchte alle im Land. Zuerst war mir aufgefallen, dass die Frau von Helmut Roegele, die mit ihm in Vaduz gegenwärtig war, NICHT als Beschuldigte einvernommen wurde, sondern als Zeugin!?!? Völlig unverständlich für jeden Juristen. Obwohl ich ihre Taten im Detail aufgezeigt hatte und sie einen grossen Teil der Verantwortung der Taten übernehmen müsste. Ich bin ja kein Jurist, aber zum minimalen Verständnis einer Strafuntersuchung gehört die Vernehmung aller Beschuldigten. Der UR Dr. Meier sagte mir, dass die STA nur die Vernehmung von Helmut verlangt hatte und da seine Frau, Salud "praktischerweise" anwesend war, sie selber gerne eine Zeugenaussage machen wollte. Wie praktisch<.. 112 Als ich die an den Haaren herbeigezogenen Antworten von Helmut auf die Fragen des UR gelesen hatte, bin ich emotional in ein tiefes Loch gefallen. Er bejahte, dass er zwar in Argentinien gewesen sei, die Sache mit dem Geld sei aber "freiwillig" geschehen, die Verletzungen seinen ein "Unfall" gewesen, ich hätte z.B. meine runden Verbrennungen auf der Rückseite (!) meiner rechten Wade dadurch geholt, indem ich angeblich zu nahe stand als ich einem Farmknecht beim Schweissen "zugeschaut" hätte. Völliger Mist. Wie soll dies gehen? Physikalisch gar nicht möglich: Wie kann ein Schweissfunke über mehrere Meter hinweg horizontal fliegen, zwischen meinen Beinen hindurch sausen und dann eine 180 Grad-Drehung machen, um hinten in der Mitte meiner Wade zu landen und sich dort einzubrennen? Verdammt noch mal – völliger Mist. In seiner Aussage bestätigte Helmut sogar, dass er (mit anderen) "ein wenig Druck" auf mich hätten ausüben müssen. Und spätestens hier hätte die STA massiv nachhacken sollen. Man kann es fast nicht glauben: Niemand hatte von Helmut gefordert, er solle im Detail erklären, was er mit "ein wenig Druck ausüben" gemeint hatte. Niemand! Er erklärte weiter, dass er keine Erklärung dafür hatte, warum ich, sobald ich (in Buenos Aires) alleine war, verzweifelt versuchte hatte, die ganze vorher angeblich von mir "genehmigte" Geldtransaktion zu stoppen obwohl doch alles so makellos "freiwillig" gewesen sein soll. In einer schriftlichen Eingabe an das LG Feldkirch hat Helmut behauptet, ich sei ja medizinisch bestätigt geistesgestört, hätte eine langjährige psychiatrische Betreuung abgebrochen und vor der Psychiatrie „auf der Flucht‚. Alles kompletter Unsinn. Nie im Leben war ich je in oder runter einer Psychiatrischen Behandlung. Aber Helmut war ja gezwungen Phantasie-Antworten zu geben, er musste ja seinen angeblichen Anspruch auf die Hälfte der Ausbeute der schweren Erpressung irgendwie untermauern und auch irgendwie die noch schweren Anschuldigungen (die schwere Nötigung, die Freiheitsberaubung, die schwere Körperverletzung etc) abwehren. Es dauerte einige Wochen, bis ich mich von diesem Schock erholt hatte. Es war wie eine zweite Folter. In der Zwischenzeit waren die Täter auch nicht untätig. Sehr erbost über seine misslungene Erpressung, insbesondere aus monetärer Sicht, ging Mariano in kellertiefe Deckung. Wenn ich heute so zurück denke, dann 113 wünsche ich mir, ich hätte die Yacht (Holzboot) ANALIA verkauft. Kaufangebote hate ich einige. Ich bin 1995 extra wegen seiner Geldschuld mir gegenüber (bzw. Das NICHT-Bezahlen der Schuld) nach Barcelona gezogen. Um dort zu sein, wo er lebte. Auf meinen ständigen Druck hin hat er mir dann im September 1995 alle Aktien der spanischen Einzelf irma, die das Boot seit Jahren besass als Sicherheit für das Darlehen überschrieben. Ich wurde auch als einziger Direktor der Firma nominiert und registriert. Ein ganzes Jahr lang (von September 1995 – September 1996) gehörte das Boot mir. Zeitweise lebte ich auf dem Boot im Hafen. Der Grund warum ich es nicht verkaufte, war, weil er mir ständig in den Ohren lag und behauptetet, die ‚nächste Woche‚, im nächsten Monat‚.... werde er mir sicher das Darlehen samt Zins zurückbezahlen. Er wollte das Boot unbedingt wieder haben. Mit dem Boot hatte ich mehrheitlich nur Ärger. Wie er mein Boot ohne die Firmenaktie und ohne meine Unterschrift als Direktor Jahre (nach dem Argentiniendrama) später verkaufen konnte, ist sein kriminelles Glanzstück. Heute noch, im Jahr 2009, ‚warte‚ ich – wohl vergebens – auf seine Rückzahlung des Darlehens. Helmut und seine Frau aber wurden sich der zu Recht schweren Beschuldigungen sehr rasch bewusst (u.a. auf Grund diverser polizeilicher Vernehmungen in Deutschland, Österreich, Spanien und Liechtenstein) und musste daher rasch handeln. Er und seine Frau suchten dringend und verzweifelt nach einem Mittel, meine Position im Strafverfahren gegen sie in Liechtenstein zu "schwächen". Zu meiner grossen Bestürzung wirkten sie massiv auf die Behörden in Spanien ein (die natürlich vorher nichts von deren Verbrechen in Argentinien wussten) und erwirkten am 25. Mai 1997 (also knapp sechs Wochen nach Argentinien), und dies völlig zu unrecht, dass die spanischen Behörden einen internationalen Haftbefehl gegen mich ausstellten. Sobald ich durch meinen eigenen Rechtsanwalt in Spanien von dem internationalen Haftbefehl via LG Vaduz erfahren hatte, habe ich den zuständigen Richter in Barcelona ausfindig gemacht und ihm auf Spanisch einen 3seitigen Fax gesendet, worin ich zusammengefasst die Verbrechen der Täter schilderte und den Grund erklärte, warum ich derzeit nicht nach Spanien kommen konnte. Erst einige Jahre später habe ich erfahren können, dass in Barcelona Helmut vehement, schlussendlich ohne Erfolg, versucht hatte, den Eingang dieses Schreibens in den dortigen Akt zu verhindern. 114 Ja, der Internationale Haftbefehl, was für ein "Segen" für die Täter. Damit versuchten sie, zumindest symbolisch immer darauf hinzuweisen, dass ich ja der Luzifer sei. Um es eindeutig richtig zustellen: Der Haftbefehl war nur deshalb ausgestellt worden, weil ich selber NICHT mehr nach Spanien gehen wollte und konnte. Und ich glaube alle meine Leser und Leserinnen können nachvollziehen, dass ich nach diesen abscheulichen Erlebnissen sicherlich KEINE Lust hatte, ins Land des Folterers Helmut zu gehen. Natürlich war es mir absolut nicht angenehm, einen internationalen Haftbefehl zu haben, aber ich rannte vor niemanden weg. Ich engagierte einen Rechtsanwalt in Spanien, der sich darum kümmerte. Die taktisch agierenden Täter hatten immer darauf gehofft, dass ich nach Spanien komme, um mich persönlich zu verteidigen und somit die Verfolgung ihrer schweren Verbrechen beim LG Vaduz für Jahre hinaus ins Stocken geraten würden oder gar eingestellt würden. Aber die absolute Priorität Nr. 1 (eigentlich die Einzige) für viele, viele Jahre seit dem 9. April 1997 war für mich die Verfolgung und Bestrafung aller Täter. Ich habe all mein Denken, meine Energie, meine Kraft und Zeit auf dieses Ziel konzentriert. Ich war sehr erfreut, dass die BAWAG Bank in Österreich den Diebstahl meines Gelds durch Rückabwicklung der Transaktion in sprichwörtlich allerletzter Minute, eigentlich Sekunde gelungen ist. Wahrhaftig unglaublich, dass dies der Bank gelang, da die Gelder (mit Ausnahme dessen, was sich der "Bote" Peter Kroschel einsteckte) schon bei der spanischen Korrespondenzbank der BAWAG in Madrid lagen. Die Gelder blieben bei der BAWAG Bank, bis ein Gericht entscheiden würde, was damit geschehen sollte. Die Täter kamen dadurch in radikalen (juristischen) Zugzwang. Um zu verhindern, dass ihre Verbrechen durch sie selber "bestätigt" werden würden, mussten sie ihren angeblichen echten Anspruch auf die nun blockierten Gelder schnell anmelden. Und schon konnten sich die Täter nicht mehr mit ihren Lügengeschichten zusammenhalten: Mariano hat erst gar nicht versucht, einen angeblichen Rechtsanspruch auf seine "Hälfte der Beute" beim LG in Feldkirch, Österreich oder irgendwo sonst anzumelden. Helmut Roegele und seine Frau waren sich um die Konsequenz eines "Nicht-Handelns" sehr bewusst und engagierten einen RA in Feldkirch. Wiederum erhofften sie sich einen Vorteil, da ein möglicher Zivilprozess um das Geld voraussichtlich beim LG in Feldkirch stattfinden würde und der internationale Haftbefehl mich daran hindern könnte, dort selber aufzutreten. Mein in Liechtenstein beauftragter RA Dr. Hirn hatte 115 auch eine Kanzlei in Feldkirch und konnte somit für mich in der Zivilsache dort auch tätig werden. Was man so alles bedenken muss, wenn man einen internationalen Haftbefehl am Hals hat: Im Sommer 1997 hatte ich einen Mountainbikesturz auf der Essanestrasse in Eschen. Die dicke Schraube, die den Sitz an der Sitzstange festhält war urplötzlich während der Fahrt abgebrochen, der Sitz brach weg und ich war für Sekunden in der Luft gehangen, während das Velo alleine weiterrollte. Ich landete – mit dem Hintern zuerst – in der Mitte der stark befahrenden Hauptstrasse. Der Lastwagen hinter mir konnte gerade noch ausweichen, aber ein Personenwagen aus der Gegenrichtung machte kurzen Prozess mit dem Velovorderrad. (Nein, Hans-Adam hatte nicht an der Schraube gesägt, das Schicksal würde uns erst Jahre später enger zusammen führen). Ein Krankenwagen musste her und sie wollten mich ins nahe liegende Spital nach Feldkirch fahren. "NEIN, NEIN" rief ich. Ich gehe nur ins Spital Grabs, in der Schweiz auf der anderen Rheinseite. Wer weiss, wie lange ich im Spital liegen muss. Wäre ich in Feldkirch gelandet, hätten evt. die Täter davon erfahren und nach meiner Auslieferung von Österreich nach Spanien geschrien. Da war mir die Schweiz schon lieber! Ich hatte Glück, es war nur ein kleiner Bruch am Ende des Steissbeins und eine Verstauchung der unteren Wirbelsäule. Keine Operation notwendig. Ich musste aber für 9 Wochen tagsüber ein massgefertigtes Spannkorsett tragen. Gut für die Haltung. Mein RA Dr. Hirn hatte die Gelegenheit für Schadenersatz beim österreichischen Hersteller der Schraube gesehen und prompt zahlten sie ohne grossen Streit ca. 22'000.Schweizer Franken: ging alles in meine Kriegskasse. Aus den ursprünglichen geplanten "paar Monaten" im Altersheim wurden es schlussendlich über acht Monate. Zu Beginn des neuen Jahres 1998 zog ich in eine möblierte 1-Zimmer-Anliegerwohnung ins das schöne Balzers, im Liechtensteiner Oberland ein. Ich traute mich wieder etwas mehr unter die normalen Menschen, ich suchte und fand Kontakt ausserhalb meines üblichen Kreises von: "UR – (STA) – RA – UR – (STA) – RA -UR <.". 116 Nicht das ich meinen Fokus änderte. Um vor allem den grossen psychologischen Stress und die durchgemachte Todesangst während der Gefangenschaft aufzuzeigen, erstelle ich zum ersten Jahrestag meiner Folter eine schematische Darstellung (Psychogramm/Diagramm) und hatte es am 10.04.1998 dem UR für den Akt gebracht. Eine Originalkopie des Schemas findet ihr auf den nächsten drei Seiten. (Bitte Buch nach links drehen) 117 118 119 120 Ich verfiel in eine noch grösser Schreibwut und nahm jede einzelne Aussage, die ich von den Tätern hatte, unter die Lupe und stellte eine ausführliche schriftliche Mappe zusammen, die über 1,6 Kilogramm (!) wog. Darin zeigte ich dem UR und der STA die unzähligen Widersprüche auf. Widersprüchlichkeiten nicht nur zwischen den Aussagen der diversen Täter, sondern auch jene Widersprüche in den zu verschiedenen Zeiten gemachten Aussagen derselben Person. Mit der Zeit war ich eher froh, dass ich überhaupt einige Aussagen der Täter hatte, schlimmer wäre es gewesen, wenn sie nichts gesagt hätten. Dadurch, dass sie sich immer und immer wieder widersprochen hatten, konnte ich deren Lügengeschichten einfach und klar den Behörden aufzeigen. Neuen Optimismus in Bezug auf die Arbeit der STA in meinem Fall hatte ich erlebt, als der frische und neue Leitende Staatsanwalt, der Österreicher Dr. Robert Wallner seine Arbeit in Vaduz aufnahm. Während der LIGA (Liechtensteinische Industrie & Gewerbe Ausstellung) im Jahr 2000, sah ich ihn per Zufall am Messestand des Radio L (Radio Liechtenstein), wo er anlässlich seiner Anstellung ein Interview gab. Ich sprach ihn an und erklärte ihm wer ich sei und referierte kurz über meinen Fall. Er zeigte sich sehr interessiert und versprach mir, in den nächsten Tagen der Sache nachzugehen und mir zu berichten. In der Folge wurde die STA Willi vom Fall abgezogen und dem ebenfalls neu angestellten Staatsanwalt, Herrn Frank HAUN zugeteilt. Einerseits war ich froh, dass mein Fall weg von der Willi war, die nichts als kostbare Zeit ungenutzt verstreichen liess. Andererseits hatte ich auch die Befürchtung, dass Herr Haun, ein junger, eher unerfahrener Jurist aus Österreich mit meinem Fall überfordert sein könnte. Meine ursprüngliche Befürchtung verflüchtigte sich, als ich ihn mehrmals zufällig entweder in den Gängen des Gerichtsgebäudes oder auf dem Platz davor in den Jahren 2000 bis 2002 traf. Wie sie so sind, die Juristen und Staatsanwälte: immer hektisch erscheinend und kurzgebunden. Schon am 18.10.2000 habe ich ihm einen zehnseitigen Brief mit einer wirklich kurzen Zusammenfassung aller Ereignisse zukommen lassen. Er bestätigte mir, dass er meinen Fall sehr gut kennen würde und sich damit stark befassen würde. Später, und dies zum letzten Mal im Januar 2002, versicherte er mir, dass er an der 121 Anklageschrift gegen die Täter arbeite und diese in drei bis vier Monaten fertig sein sollte. Ich erinnere mich sehr genau an seine, diese für mich sehr wichtigen Worte! Es war ein schöner Wintertag, und ich fuhr mit dem Mountainbike an den Rhein und war voller Zuversicht, dass bald ein Kriminalgericht in Vaduz über die Täter (falls sie denn zur Verhandlung erscheinen sollten) zu Gericht sitzen würden. Ich wusste immer und es ist heute noch so, dass bei einer Gerichtsverhandlung über die Taten in Argentinien die Täter sich NIE, NIE, NIE aus der Verantwortung herausreden können! Zu jener Zeit hatte der UR Meier in seinem zweiten Versuch wieder keinen Erfolg. Er wollte auf Grund internationaler Vereinbarungen bezüglich der Übernahme von Strafverfahren (via Eurojust oder so ähnlich), zum zweiten Mal Spanien dazu bewegen (übrigens mit meiner vollen Unterstützung), meinen Fall dort an das LG Vaduz abzutreten. Warum Spanien den Fall nicht abgeben wollte, erfuhr niemand. Und weshalb sie auch nie ein Rechtshilfegesuch oder einen "Auslieferungsantrag" an Liechtenstein stellten, ist unerklärlich. Dem Gericht in Spanien war seit dem Spätsommer 1997 mein Aufenthaltsort bekannt und sie hatten auch eine Adresse von mir in Liechtenstein. Nichts geschah von Seiten der spanischen Justiz. Somit blieb der Haftbefehl aus Spanien aufrecht. Ganz wie sich dies der Verbrecher Roegele wünschte. In meinem Privatleben ging es auch wieder bergauf. Ich lernte meinen neuen Wohnort Balzers besser kennen und erlebte dort sowie im Nachbarort Triesen neue, wunderbare Freundschaften. Auf diesem Weg hier grüsse ich sie alle ganz herzlich. Von meinem Drama in Argentinien sowie dem juristischen Kampf wussten sie alle nichts. Im Mai 1998 zog ich in eine 3-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus (MFH) in der Neue Churerstrasse 27 in Balzers um. Der Neubau mit sieben Wohnungen wurde von einer Liechtensteiner Aktiengesellschaft (AG), der REAL INVEST AG gebaut, die pikanterweise wiederum die finanziellen Mittel dafür aus Schwarzgeldkonten einer Stiftung aus Liechtenstein erhielt, die einem Deutschen aus der Nähe von Hamburg gehörte. Ich kannte den Direktor der AG gut und er machte mir ein super Angebot. Für einen sehr niedrigen Mietzins von CHF 700.- pro Monat konnte ich einziehen, wenn 122 ich "ein Auge" auf das seit Fertigstellung fast leer stehende MFH halten würde. Die noch freien Wohnungen sollten an Kunden verkauft werden. Meine Aufgabe bestand darin, die Anlage im Schuss zu halten und Kaufinteressenten durch die schönen, leeren Wohnungen zu führen. Ich richtete meine Wohnung mit meinen eigenen, neu gekauften IKEA Möbeln ein. Darin hatte ich auch ein kleines Büro eingerichtet und dort fast täglich für meinen Kampf recherchiert, geschrieben und gedruckt. Mein Einzug in dieses MFH-Haus an der Neue Churerstrasse würde – rückblickend – eine schicksalhafte Rolle spielen. Unter mir war einige Monate vor mir eine junge Person eingezogen, die wiederum persönlich mit dem Direktor der besagten AG seit langem befreundet war. Die Person arbeitete seit Jahren bei der Treuhand der LGT Gruppe in Vaduz. Mehr dazu etwas später. 123 Kapitel 4 Ein Kübel voll Schweineblut Ich war natürlich auch sehr aktiv an der Front um meine, in Österreich liegenden Gelder. Um seine angebliche Unschuld in Argentinien (vor allem aus taktischer Sicht) zu untermauern, war es für Helmut sehr wichtig, den Kampf um das Geld erbittert weiterzuführen. Sehr unangenehm für ihn und seine Truppe (Frau und Schwager) war, dass die anderen Täter (Farmbesitzer Mariano und Söhne) sich seit der missglückten Erpressung nicht mehr ans Tageslicht getraut hatten. Für sie darum sehr unerfreulich, weil diese Tatsache auch indirekt beweist, dass ihre ganze Version eine Lüge war. Den heuchlerischen Antrag von Helmut, die im Sommer 1999 definitiv gerichtlich gesperrten Gelder seien ihm sofort auszuzahlen, wurde – mangels Rechtsanspruch - vom LG Feldkirch sowie dem Oberlandesgericht Innsbruck niedergeschmettert. Dennoch blieb die Sperre aktiv und Helmut wurde auferlegt, eine Zivilklage im Wohnsitzland der anderen Partei (ich) einzureichen. Also beim LG in Vaduz. Das wird ja interessant, hatte mein RA zu mir gesagt. Und ich war eigentlich hoch erfreut über die Forderung des Gerichts in Österreich, dass erst dann das gesperrte Geld freigegeben wird, wenn ein rechtsgültiges Zivilurteil in Bezug auf die Gelder aus Vaduz vorliegt, denn fast wäre es dem Täter Helmut etwas später auf Grund eines Formfehlers gelungen, unrechtmässig an meine gesperrten Gelder zu kommen. Erfreut deswegen, weil er nie und nimmer einen solchen Prozess gewinnen konnte. In der Folge wurde eine Zivilklage um das Geld beim LG Vaduz im Januar 2000 eingereicht. Mein RA hatte dann sofort umfassend eine Klagebeantwortung abgefasst und beantragt, dass die Akten aus dem Strafprozess gegen Helmut Roegele & Co. (101er) zugezogen werden. Über meine Vorstellungskraft hinaus sollte sich dieser Zivilprozess auch massgeblich an meiner steigenden Wut über die Aktionslosigkeit der Justiz im Argentinienfall entwickeln. Nicht vergessen, es war ein Zivilprozess, kein Strafprozess! Trotzdem stand für Helmut & Co. alles auf dem Spiel. All die massiven Beweise gegen sie, die schreiende Logik daraus, mussten sie mit allen möglichen Mitteln bekämpfen. Der RA von Helmut in Vaduz entpuppte sich als sehr skrupellos (Er vertrat ihn auch im Strafprozess). Ich, auf meiner Seite mit RA Hirn, sah der Sache sehr zuversichtlich entgegen. Vermutlich haben auch einige meiner Leser, die schon mal zum Gericht "springen" mussten, selber – wie ich – entrüstet erleben müssen, dass 124 Recht haben und Recht bekommen zwei fundamental verschiedene Dinge sind. Wie im Delirium schwankte ich einerseits zwischen der nackten Furcht, meine Folterer persönlich und leibhaftig wieder zu sehen und den daraus unbeschreiblichen Konsequenzen für mich und andererseits der euphorischen Freude darüber, dass dies die Gelegenheit sein würde, bei der die STA endlich Helmut und seine Frau in die Mangel nehmen konnte. Nach zwei Tagessatzungen (nur in Anwesenheit der Rechtsanwälte) im Februar und Mai 2000 wurde die Hauptverhandlung der Zivilsache auf den 20. Juni 2000 festgesetzt. Der RA von Helmut hatte die Information über das mögliche Erscheinen des Ehepaares bis zur allerletzten Minute zurückbehalten. Ein Erscheinen von Helmut (oder auch mir selber) war von Gesetztes wegen nicht zwingend erforderlich, ich aber wollte unbedingt persönlich dort anwesend sein und mich nicht nur durch meinen RA vertreten lassen. Je näher der Termin kam, umso aufgewühlter wurde ich. Nicht wegen dem Inhalt des Zivilprozesses, da waren wir, mein RA und ich, uns zu 1000 Prozent bombensicher, dass Helmut (als Kläger) diesen Prozess hochgradig verlieren würde. Man muss es sich vorstellen: Es würde das ERSTE Aufeinandertreffen von uns beiden seit Argentinien sein. Mein monumental aufgestauter Hass auf meine Peiniger, mit dem ich seit April 1997 alleine leben musste, würde auf seine Quelle treffen. Eben die Beiden. Nicht dass ich die Mittäterschaft von Mariano & Co. vergessen hatte. Ich habe der STA und dem UR über die Möglichkeit von Helmuts Erscheinen geschrieben und verlangt, dass sie eine Neuvernehmung von Helmut wegen seiner unzähligen Widersprüche durchführten und ausserdem eine Erstvernehmung seiner Frau, der Täterin Salud. Auch habe ich gebeten, dass die STA bitte eine Verhaftung der beiden wegen "Fluchtgefahr und/oder Verdunkelung" wirklich, wirklich in Betracht ziehen sollte. Der Zivilprozess wurde dem Landrichter Dr. Uwe Oehri zugewiesen. Ich kannte ihn nicht persönlich. Mein RA aber schon. LR Oehri ist ungefähr in meinem Alter. ER war im Land "berühmt", leider nicht dank "gerechter Urteile" – eher wegen des Gegenteils: Es lagen schon damals einige Beschwerden bei der Justiz über ihn vor. Es sei sehr parteiisch und seine richterliche Würdigung vorgebrachter Beweise oft abstrus. Dies kümmerte mich nicht gross, denn ich hatte da keine Bedenken. Ich hatte viele unruhige Nächte vor dem wichtigen Termin. Ich hatte solche Angst. Angst vor mir selber! Angst, ich könnte mich nicht 125 beherrschen und würde etwas Dummes tun, wenn ich die Folterer sehen würde. Man konnte ja nicht feststellen, ich konnte ja nicht feststellen, dass ich das ganze Thema "Folter in Argentinien" mit der Zeit hätte verarbeiten können. Nein, jeden Tag seit April 1997, jedes mal wenn ich aufstehe, sehe ich die vielen Narben und denke an das furchtbar Erlittene. Ich entschied mich dem Gericht einen Brief zu schreiben, um auf diese ausserordentlichen Umstände hinzuweisen. Zuerst wollte ich dem LR Oehri, als Einzelrichter in dieser Sache, schreiben. Nach Absprache mit meinem RA, kam ich zum Schluss, dass es nicht angebracht wäre, wenn ich als Beklagter dem zugeteilten Richter direkt anschreiben würde. So richtete ich den Brief an Dr. B. Marxer, den Landesgerichtspräsidenten. Er war mit dem 101er Fall vertraut, da sich dieser aussergewöhnliche Fall im kleinen Liechtenstein, vor allem in Justizkreisen schon lange herumgesprochen hatte. Ich schilderte meine Ängste vor einem Zusammentreffen und dass ich einfach ausserstande sei, zu garantieren, dass ich nicht ausflippe. Daher hatte ich ihn um die Anordnung von Vorsichtsmassnahmen (z.B. Polizei oder Schutzpersonal) gebeten. Er bedankte sich für mein Schreiben per Telefon und sagte, dass er alles tun werde, um eine mögliche Konfrontation zu entschärfen, bzw. meinen Stress zu mildern. Was habe ich mir in den Tagen vor dem grossen Tag alles ausgedacht. Ich wusste, ich musste mich beherrschen. Ich wollte keine Gesetzwidrigkeit machen und auch nichts, was den Bemühungen der STA oder UR im 101er zuwiderlaufen würde. Ich wusste, ich durfte unter keinen Umständen "Hand an Helmut oder seiner Frau legen". Zuerst dachte ich mir eine raffinierte Falle für Helmut aus. Nein, keine fliegenden Kugeln. Mit Hilfe des katholischen Pfarrers von Vaduz wollte ich ihn während einer Sitzung mit dem Pfarrer in ein heimlich aufgezeichnetes Schuldgeständnis locken. Wobei ich zum Schein auf ein fiktives "Versöhnungsangebot" eingehen würde. So verzweifelt war ich, ihn zur Strecke zu bringen. Ich verwarf diesen Plan, weil mir bewusst wurde, dass ich aus Zorn mich nicht hätte beherrschen können. Und zudem Helmut ein ganz gerissener Delinquent ist. Dann hatte ich die Idee mit dem Blut. Blut, das ich ohne Probleme vom "Onkel Herbert" (der Besitzer der Malbuner Spezialitäten) hätte organisieren könnte. Ich ging sogar so weit, dass ich bei einer Jurastudentin, die beim LG Vaduz das Praktikum absolvierte, nachfragte, ob ein Kübel davon, gemäss StGB eine grobe Tat wäre. Sie konnte mir keine klärende Antwort geben. Ich 126 malte mir das Bild aus, wo ich vor dem Gerichtsgebäude auf die Folterer lauerte und ihnen dort einen Kübel voll warmem Schweineblut ins Gesicht schleuderte. Oder ein anderer Traum: Ich stopfe die stark blutverschmierten kurzen blauen Jeanshosen den Zwei in den Hals, bis nichts mehr davon ersichtlich ist. Ein Traum! Es ist jene Hose, die ich im Kerker anhatte und seit dem Umzug ins Eckzimmer auf der Farm in meiner Tasche ausgetrocknet aufbewahrte. Nach Ankunft in Liechtenstein habe ich sie in einen Plastiksack der COOP Ladenkette ungewaschen umgepackt und mit Klebeband luftdicht verschlossen. Es ist, wie meine Narben, ein Symbol für meine Gefangenschaft und das Erlittene. Ja, und ich habe sie heute noch, fast 12 Jahre später, bei mir, verstaut tief unten in einer Box. Nie mehr geöffnet seit April 1997. Wer weiss, eines Tages kann ich sie doch noch den Tätern "zum Frass vorlegen". Also, zurück zum Showdown beim LG Vaduz. Ich war überpünktlich vor Ort und wartete draussen auf meinen RA. Helmuts RA kam kurz darauf und dann< er und sie, arm in arm. Mein Herz drohte zu explodieren und ich konnte nicht mehr atmen. Mein RA versuchte so gut es ihm gelang, mich abzulenken. Wie noch nie im Leben beherrschte ich mich. Ständig dachte und sagte ich zu mir: "Warte ab Heinrich, die STA wird bald in Aktion treten, du wirst deine Gerechtigkeit erhalten". Das ging gut, bis Frau Salut einen bissigen Spruch losliess, aber erst dann, als sie sicher war, dass es niemand ausser uns hören würde und zudem sprach sie natürlich auf Spanisch: "Wir hätten dich gleich im Kerker umlegen sollen". Ich antwortete auf Spanisch: "Du Hure". Und sie spuckte mich 3 Mal an, wobei sie kein einziges Mal traf, da ich mit raschen Kopfbewegungen der Spucke ausweichen konnte. Die Sicherheitslösung des Gerichtspräsidenten bestand aus zwei Landespolizisten, uniformiert und normal bewaffnet. Ich sah sie vor dem Gerichtssaal im Gang stehen. Ich kannte sie flüchtig, wir sind ja ein kleines Land. Ich war felsenfest überzeugt, dass nun endlich die STA die Hände aus dem Sack genommen hatte und eine Verhaftung der Beiden nach der Verhandlung angeordnet hatte. Ich und mein RA sassen am grossen U-förmigen Tisch gegenüber von Helmut und seinem RA. Der Richter mit Sekretärin zwischen uns allen, rechts von mir. Die Beiden Polizisten hinter Helmut. Zu unserem Erstaunen, erlaubte es der LR Oehri der Frau von Helmut in den Saal zu kommen und ca. drei Meter 127 von mir, an der Wand, mit Gesicht zum Richter, Platz zunehmen. Warum? Sie war ja nicht die Klägerin sondern eine Zeugin von Helmut. Zeugen werden nur dann in den Saal gerufen, wenn deren Aussage dran ist. Aber nein, der LR Oehri, obwohl er ja über diese ausserordentlichen , vermutlich ganz seltene Konstellation, in der ich mich mit den "Klägern" befand, Bescheid wusste, erlaubt es ihr, die ganze Zeit im Saal präsent zu sein. LR Oehri, trotz Proteste seitens meines RA, erlaubte es sogar, dass Helmut, wenn er sich in seiner Aussage gerade widersprochen hatte, auf Spanisch bei seiner Frau nachfragen konnte, wie es "denn genau" gewesen war und er dann – auf Deutsch – die "korrigierte" Antwort dem LR gab. Es war grausam! Dir Frau von Helmut versuchte mich aus der Fassung zu bringen, indem sie mich wie eine Irre ständig anstarrte. Der LR Oehri hat meinen Antrag auf Zuziehung der Gerichtsunterlagen des Argentinienfall (101er) nur sehr widerwillig, und mit massiver Verzögerung beantwortet. Er war an einer Vollzulassung nicht interessiert. Obwohl ja der Zivilprozess nur daraus resultierte, dass die Erpressung von Helmut (zumindest) finanziell keinen Erfolg hatte. Der LR war zum Schrecken von mir und meinem Rechtsanwalts seit Prozessbeginn sehr auf Seiten von Helmut; er wollte meine Beweise und Argumentation in der Verhandlung nie fertig anhören und unterbrach ständig meinen RA und auch mich, als ich meine Antworten auf seine Fragen und die des RA von Helmut gab. Auch wurden praktisch alle meine Anträge auf Beweisaufnahme von ihm abgelehnt. In einem Liechtensteiner Zivilprozess ist ein Einzelrichter wie Oehri praktisch narrenfrei, was er als Beweise "würdigen" möchte oder eben nicht. Für mich war die Anwesenheit der Folterer unerträglich. Mir wurde sehr heiss und ich bekam von dem Gesprochenen schnell nicht mehr viel mit. Mein Anwalt machte sich grosse Sorgen. Den LR Oehri interessierte das einen feuchten Scheissdreck. Er genoss es augenscheinlich die ganze Tragödie, die sich vor seinen Augen abspielte. Ich brachte fast kein Wort aus mir heraus – und das will was heissen! Nach mehreren Stunden war die Tortur vorüber. Ich musste mich so brutal unter Kontrolle halten. Ich wartete auf das, was jetzt geschehen wird. Ich merkte schon, dass das Verbrecherehepaar wegen der zwei Polizisten stark irritiert war. Sie fragten sich auf Spanisch, warum die Polizisten hier seien. Ich hoffte so sehr, dass jetzt die STA im Gerichtskorridor auftauchen würde und den beiden, oder zumindest Helmut, einen Haftbefehl unter die Nase reiben würde, um ihn 128 anschliessend abzuführen. Aber nichts geschah, auch mein Anwalt staunte darüber, dass beide einfach so aus dem Gebäude laufen konnten, ohne dass irgendjemand sie anhielt, geschweige denn ansprach. Ich steigerte mich in einen Wutanfall hinein und mein RA hatte wirklich Mühe mich zu beruhigen. Wir werden ja später im Akt lesen können, ob die STA sie zur Einvernahme vorgeladen hat, sagte er mir. Am selben Tag habe ich herausgefunden, dass sie nicht in Liechtenstein, ja nicht einmal in der nahen Schweiz übernachtet hatten. Sie hatten Angst (vor einer Verhaftung oder Ähnlichem) und hatten sich ein Hotel in Feldkirch, in Österreich gebucht. Bevor ich selber abklären konnte, ob die STA nun endlich die erforderliche Neu- bzw. Ersteinvernahmen der Täter vollbracht hatte, kontaktierte mich die STA via Telefon. Man konnte keine Einvernahme "organisieren", aber sie würden dies zuverlässig nachholen. Ich verstand nichts mehr. Auf meinen Verweis hin, dass, wenn Helmut von der ihm ja bald zu präsentierenden Anklage der STA wegen Argentinien erfahren würde, er nie wieder in Liechtenstein auftauchen würde, sagte man mir, dass die STA dann eben einen internationalen Haftbefehle gegen ihn ausstellen würde und die Auslieferung beantragen würde. Das ergibt doch keinen Sinn, widersprach ich. Deren Antwort: Lassen Sie uns unsere Arbeit so machen, wie wir es für richtig halten. Es kam zur zweiten Verhandlung am 19.10.2000 und später auch einer Streitverhandlung im April 2001, immer noch vor dem LR Oehri. Und jedes Mal haben Helmut und seine Frau mich mit bissigen Randbemerkungen zur Weissglut gebracht. Ich habe nach aussen hin nicht mehr darauf reagiert. Ich musste still sitzen, obwohl ich auf glühenden Kohlen sass. Vor jeder Verhandlung informierte ich wiederum schriftlich die STA und den UR und hatte abermals gebeten, die Gelegenheit zu nutzten, endlich aktiv zu werden und eine Überführung der Täter in Untersuchungshaft anordnen. Da ansonsten beide wieder ins Ausland verschwinden würden und deren Auslieferung langwierig und komplex sein würde. Alle Beteiligten merkten sofort, dass die persönliche Anwesenheit meiner Foltere während der Gerichtsverhandlungen mich absolut starr und aktionslos machte. LR Oehri brachte es ausserdem fertig, dass eine der längsten Verhandlungen sogar ohne meinen RA stattfinden konnte. Er hatte seine Amtsgewalt geschickt genutzt, um 129 mittels Paragraphenreiterei und Ausnutzung von Fristen, buchstäblich eine Minute vor Verhandlungsbeginn zu verhindern, dass mein RA teilhaben konnte (der Grund dafür war, weil ich bei Gericht um Verfahrenshilfe - Uebernahme der Anwaltskosten - gebeten hatte, da meine eigenen Mitteln zu Ende gingen). Bei dieser Verhandlung brachte Helmut sogar einen (gekauften) Zeugen aus Spanien mit. Dieser bestätigte übereifrig alle Angaben des Klägers. Diese waren komplett diametral zu dem was im öffentlich-rechtlichen (!) Notarvertrag über den Wohnungskauf stand. LR Oehri nickte nur eifrig in Richtung Kläger. Ich, ohne Rechtsbeistand, war ausserstande den Zeugen richtig zu befragen. Man muss sich das mal vorstellen: Ohne Übertreibung kann ich wirklich sagen, dass es ganz, ganz ausserordentliche Umstände bei diesem Zivilprozess waren und LR Oehri, der mich schon bisher im Verfahren ständig genötigt bzw. gedemütigt hatte, jedes Mal die Sache noch ein Stück schlimmer machen konnte. Ich konnte meine Gedanken nicht auf das Wichtige konzentrieren. Eigentlich konnte ich mich auf nichts konzentrieren, weil ich fortwährend an Argentinien denken musste, weil ständig die zwei verdammten Folterer zwei, drei vor meiner Nase sassen. Und dann war ich noch alleine, ohne mein Anwalt im Saal. Verflucht noch mal, wieder hatte der LR Oehri es zugelassen, dass die Frau von Helmut, eine "Zeugin", ständig im Gerichtsaal präsent sein konnte. Warum hat er dies erlaubt? Eine Zeugin im Verfahren hat absolut nichts im Saal zu suchen, solange sie nicht selber dran ist mit der Aussage. Das ist doch fundamentalstes Zeug jeder Gerichtsverhandlung. Ich bin mir ganz sicher, dass der LR Oehri dies zugelassen hatte, nicht nur um dem Kläger einen Vorteil zu geben, weil seine Zeugin ja den ganzen Prozess hautnah mitbekommen hatte und dadurch ihre eigenen Aussagen dementsprechend hätte modellieren können. Er hatte dies bewusst so gewollt, sodass ich deswegen noch mehr in Wut gerate. Um mich zu plagen! Was hatte ich dem Oehri angetan? Nichts! Ich habe mich so, so stark zusammengerissen, eine Minute länger und ich hätte mir alle Knochen meiner eigenen Hand gebrochen, so fest hatte ich meine Hände zusammengepresst. Des Weiteren wurde von Helmuts RA angekündigt, dass eine Schweizer Treuhänderin, Frau Rita Hauser aus Rorschach am Bodensee, als Zeugin für Helmut zur Verfügung stehen würde. Wie bitte? Die Erwähnung ihres Namens dürfte bei vielen ihrer ehemaligen über 1000 deutschen Kunden, vor allem jenen aus dem süddeutschen Raum, noch heute einen Wutausbruch und Nervenzusammenbruch auslösen und die Haare 130 (sofern sie noch welche haben) "wie elektrisch geladen" zu Berge stehen lassen. Ausgerechnet sie! Frau Rita Hauser war seit Mitte der 90er in einen grossen Anlage-Betrugsskandal verwickelt und von der Schweizer Justiz seit 1994 strafrechtlich verfolgt. Sie soll ihre Kunden um über 70 Millionen CHF betrogen haben. Die Print- und Internetmedien berichteten ausführlich darüber. Ich kannte sie nicht. Helmut erzählte mir aber im Jahre 1996 (dem Jahr des Wohnungskaufs), dass er eine Art langjähriger Geschäftspartner der Treuhänderin Hauser ist, oder gewesen war. Die beiden hatten sich zwar zerstritten, machten nun aber wieder Geschäfte zusammen. Er wollte ursprünglich, dass ich einen Teil des Kaufpreises für die Wohnung an sie ausbezahle, da sie ihm als Gegenleistung für frisches Geld (für ihren angeblichen juristischen Kampf gegen eine US-Bank in Lugano) eine hohe, fette Geldsumme versprochen hatte. Nach einem Telefongespräch mit ihr im Jahr 1996, kam mir ihre Geschichte sehr, sehr anrüchig vor. Nach weiteren Abklärungen in Schweizer Bankenkreisen, annullierte ich, fast zu spät, eine mögliche Zahlung an sie. Als ich erfuhr, dass sie Helmut als Zeugin für Vaduz "helfen" sollte, habe ich für das LG Vaduz ein Schreiben aufgesetzt und öffentlich bekannte Dokumente beigelegt. Darin warnte ich LR Oehri vor der äusserst zweifelhaften Zuverlässigkeit einer möglichen Aussage seitens der Treuhänderin Hauser. Offenbar hatte Helmut sie "in der Hand", er musste etwas aus ihren vergangenen gemeinsamen Geschäften wissen, dass ihr – wenn es publik gemacht würde – sehr schaden würde. Interessanterweise traute sie sich selber nicht nach Vaduz zur Zeugenaussage. Obwohl es nur ein paar KM zwischen Rorschach und Vaduz sind. Sie liess sich nur schriftlich per Rechtshilfegesuch aus Liechtenstein an die Schweiz mit Hilfe eines Richters in Rorschach zur protokollierten Aussage bewegen. Der Grund dafür lag darin, dass sie befürchtete, in Liechtenstein, verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert zu werden. Ihre Zeugenaussage wurde vom LR Oehri mit Jubel in den Zivilprozess assimiliert und er merkte nicht einmal, dass sie eindeutig über Dinge berichte, die sie gar nicht wissen konnte. Erst im erzürnten Streit um ihre Person als Zeugin, hatte sich Helmut verplappert und bestätigt, dass er ein oder mehrere Tage vor ihrer terminierten Aussage beim Gericht in der Schweiz extra von Spanien zu ihr nach Hause gereist sei und sie genau instruiert habe. Dies hatte den LR Oehri aber gar nicht gestört. Er verletzte meine Rechte im Verfahren mehrmals. Meine Einwände gegen 131 die Glaubwürdigkeit dieser Treuhänderin wurden erst gar nicht vom LR Oehri zu Kenntnis genommen. Wie Recht ich aber hatte, zeigte sich später, als Frau Hauser in der Schweiz angeklagt wurde und die STA 10 Jahre (!) Haft verlangte. Im Januar 2006 wurde sie mit medialer Begleitung dann wegen gewerbemässigen Betrugs und Geldwäscherei zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Punkt. Wieder schlief die STA. Keine Verhaftung! Keine Einvernahme! Nichts. Aber dennoch die Aussage mir gegenüber, dass sie hart an der Arbeit sind. Wieder, wieder und wieder<. Nun gut, vielleicht war ich zu naiv. Aber zu meiner Verteidigung muss anerkannt werden, dass ich mich auf die Angaben und diesbezüglichen Aussagen seitens der STA verlassen musste. Sie war die Behörde. Sie hat die Autorität. Das Urteil in erster Instanz in meinem Zivilprozess wurde im Oktober 2001 gefällt: Ich verlor den Prozess. Ich kann es heute immer noch nicht fassen. Darum hier an dieser Stelle eine grosses "Dankeschön" an den LR Uwe Oehri; danke für dieses äusserst "gerechte Urteil". "Danke" für den unerwarteten Sieg für Helmut, über mich als Mensch und über mein Vermögen. Ich weiss, es ist immer einfach für diejenigen, die vor Gericht verlieren, zu schreien, der Richter irre sich oder sei inkompetent die komplexe Sachlage richtig zu beurteilen. Aber hier war es ganz anders. Was für ein Hohn musste ich erdulden. Nicht nur hatte es den Helmut bis heute geschafft, sich der Verantwortung seiner schweren Verbrechen in Argentinien zu entziehen, nein, er wurde noch dafür belohnt! Was für ein beissender, vor allem gefühlsmässiger Schock für mich und "Verbrecher-Sieg" für ihn: Anstelle die in Südamerika erpresste Summe mit dem anderem Verbrecher Mariano teilen zu müssen, erhielt er ALLES. Man stelle sich dies vor. Was soll ich da noch sagen?!?!? Mein RA war ausser sich; er hatte so etwas noch nie erlebt. Helmut & seine Frau haben schnell gemerkt, dass ihnen hier in Liechtenstein im 101er-Verfahren offenbar nichts passiert. Demzufolge waren sie bei jedem Besuch selbstbewusster aufgetreten. Und ich Idiot habe mich zurückgehalten, weil ich fest im Glauben war, weil ich fest im Glauben war und auch im Glauben gelassen wurde, dass die Staatsanwaltschaft schon das richtige tue. Aber ich bin doch nur zum Narren gehalten worden. Natürlich bin ich mit dem Urteil vom Erstgericht sofort in Berufung gegangen. Eine Nicht-Öffentliche Obergerichtsverhandlung war für den Oktober 2002 anberaumt. 132 Kapitel 5 Die Welt des schmutzigen Geldes Nun zurück in meine andere Weltordnung. Trotz der sich Jahr für Jahr anhäufenden starken psychologischen Schläge für mich und den einigen nur mit dem Kampf für die Gerechtigkeit ausgefüllten Jahren, wurde es Zeit, dass ich mich langsam aber sicher wieder in die normale Welt begebe, eine Welt bestehend aus guter Arbeit, liebe Freunde und sinnvolle Freizeit ! Der Zufall wollte es, dass im Herbst 2000 die LGT Treuhand (die Treuhandfirma des Fürstenhauses), der Arbeitgeber derjenigen Person, die im selben Haus in Balzers wohnte wie ich, aus Vaduz dringend geschultes Personal für ein kurz zuvor fertig geplantes Projekt brauchte. Ich erinnere mich noch genau, wie die Person mir in der Tiefgarage sagte: "Du solltest mal wieder was Sinnreiches tun und nicht nur hier zu Hause herumhängen". Die Person wusste ja nichts von Argentinien und meinem Kampf. Die Person meinte auch, dass ich mit meiner diversifizierten Ausbildung und Beherrschung mehrerer Fremdsprachen ideal für das Projekt bei der LGT Treuhand wäre. Die LGT Treuhand residierte im Städtle 18 und wenn ich mich nicht irre, war es das ehemalige alte Postgebäude in Vaduz, gegenüber dem traditionellen Feinschmecker Restaurant der Familie REAL. Die LGT Treuhand plante für den Frühling 2001 einen Umzug in ein super modernes Bürogebäude, gleich neben dem Kunstmuseum Vaduz. Das neue Gebäude – im Städtle 28 - gehört der Gemeinde Vaduz. Mit Ausnahme des Erdgeschosses, wo diverse Läden einziehen sollten, waren alle oberen drei Stockwerke exklusive für die Treuhand reserviert. Die LGT zahlte den fast 10 Millionen CHF teuren Innenausbau selber und hatte einen langjährigen Mietvertrag in der Tasche. Der Ausbau beinhaltete sogar einen begehbaren Panzerschrank im dritten Stock sowie eine spezielle, von aussen nicht erkennbare Panzergarage, deren Zufahrt sich in der öffentlichen Parkebene des ersten Untergeschoss (UG) befindet. Die Parkebene zweites UG ist öffentlich und hat eine befahrbare Verbindung unter dem Kunstmuseum hindurch zur Parkgarage der Vaduzer Post. Auf dem unterirdischen Weg dorthin kann man praktischerweise auch in die Gebäude und Büros der Staatsanwaltschaft, (später auch zu) der FMA und FIU gelangen; die Wege in Vaduz sind eben auch "Strassen-Parkmässig" sehr kurz. Die 133 Verbindung zwischen den Parkgaragen der Post und der LGT ist auf Betreiben der LGT bautechnisch geöffnet, bzw. angeordnet worden. Dadurch können jene Kunden, die sich noch mit dem eigenen Auto nach Vaduz trauen, via Tiefgarageneinfahrt bei der Post ungesehen bis zur LGT heranfahren. Eine weitere Besonderheit: die diversen verdeckten Eingänge zur Treuhand. Kein Kunde setzt seinen Fuss via den Haupteingang auf Ebene Grundgeschoss (Schlossseitig) in die Treuhand, dort wo das grosse Schild "LGT Treuhand" hängt. Man will damit nicht in Verbindung gebracht oder davor gesehen werden. Die Kunden kennen die diversen Türen, z.B. die Türe fast noch in der Kurve der Tiefgarageneinfahrt zwischen dem 1. UG und dem 2. UG. Verrückt und Genial! Wer plant und baut schon eine Türe in der Kurve einer Tiefgarageneinfahrt. Ich persönlich fand die Panzergarage im JamesBond-Stiel sehr aufregend. Was braucht eine Treuhand eine Panzergarage? Eine Bank: ja, logisch! Man darf aber diejenigen Treuhandkunden nicht vergessen, die ihre dicke Kohle in BAR im eigenen Auto oder im Mietwagen nach Vaduz kutschieren. Kurz vor der Ankunft beim LGT Treuhand Gebäude nehmen sie Kontakt mit ihrem Kundenbetreuer auf, dann fahren sie in die normale, öffentliche Tiefgarage (1. UG.), um dann rechts vom öffentlichen Lift/Treppe durch das von Geisterhand automatisch geöffnete Panzertor hinein auf den Abstellplatz zu fahren. Der Kunde sollte im Wagen eingeschlossen sitzen bleiben, bis das Tor, mittels einer verstecken Kamera immer kontrollierund steuerbar, hinter ihm wieder vollständig geschlossen war. Erst dann konnte man intern die andere kleinere Panzertüre, die in das Bürogebäude der Treuhand führt, elektronisch entriegeln. Der neue Chef der Treuhand, Dr. Nicola Feuerstein hatte eine fortschrittliche Vision "vom Papierlosen Büro", dem so genannten "eDoc"-Projekt. Er wollte ein modernes Arbeitsumfeld für alle damals ca. 80 ständigen MitarbeiterInnen schaffen. Die beinhaltete wegen der begrenzten Aufbewahrungskapazität im neuen Gebäude (im Städtle 28) in der Zukunft so wenig Akten und Dokumente wie möglich in den Schränken der Kundenbetreuern oder SachbearbeiterInnen liegen zu haben. Das Angebot von XEROX Schweiz AG bekam den Zuschlag. Diese wiederum engagierte einen Subunternehmer aus Chur im Bündnerland, die Firma CONNEX AG. Die Connex AG hatte sich gute Fertigkeiten mit der Digitalisierung von Bankkundendaten (u.a. der CS oder UBS in Zürich, so erinnere ich mich) angeeignet und war für den 134 Auftrag bestens gerüstet, alle Dokumente der aktiven und passiven Mandate der LGT Treuhand einzuscannen und einem neu zu schaffenden Treuhand spezifischen Index (dem benannten Belegartenkatalog = BAK) zuzuordnen. Die XEROX lieferte die Maschinen und die Connex AG war für das Personal zuständig. Die zu verwendende Software und Plattform war die DOCUWARE. Eine Dokumenten-Verwaltungs-Datenbank, die speziell für die Unterschiedlichkeit von Treuhandunterlagen (um-)programmiert wurde. Da das normale Kundentreuhandgeschäft weiterlaufen musste, konnte die LGT Treuhand nicht auf den bestehenden Mitarbeiterpool für das Projekt zurückgreifen. Es mussten eigens rund 30 neue, fachkundige Mitarbeiter angeheuert werden. Alle potentiellen zukünftigen Teammitglieder mussten sich einer strengen Sicherheitsprüfung seitens der LGT Gruppe unterziehen: schliesslich ging es um hochgeheime und ultimative Kundenunterlagen tausender Stiftungen, Anstalten und anderer Gesellschaftsformen Liechtensteiner Briefkastenfirmen. Nach ein paar kurzen Telefonaten und Abklärungen sah ich eine hypothetische Möglichkeit mich bei der LGT via der CONNEX AG zu bewerben. Ich hatte noch nie eine Arbeitsstelle im Banken- oder Treuhandsektor gehabt. Als ein aufgeweckter, immer mit offen Augen (und ich kann auch sagen "langen Ohren" – nicht zu verwechseln mit „langen Fingern‚) durchs Leben fliegender Liechtensteiner, waren mir aber die "Finessen" des heimischen Finanzsektors absolut bekannt. Da meine 100-prozentige Konzentrationsfähigkeit in Argentinien gelitten hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich die Erwartungen für einen solchen Job erfüllen konnte. Der Reiz für mich bei diesem Job lag daran, abgesehen vom einem "Bombenlohn", dass es die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit (zwischen ca. 60-80 %) gab und es eine auf ca. drei bis vier Monate befristete Stelle war. Natürlich war da auch mein internationaler Haftbefehl aus Spanien, der mir immer noch zu denken gab. Obwohl ich es bis anhin in meinem Privatleben in Liechtenstein gut "verstecken" konnte, war mir ganz klar, dass wenn ich nicht offen mit der LGT bin, sie es kurz nach meiner Anstellung sowie erfahren würde. In Juristen- und Gerichtskreisen war mein Fall sehr präsent und oft diskutiert worden; auch kennt im kleinen Vaduz jeder jeden.... Ich kannte flüchtig mehrere Mitarbeiter, die bei der LGT Treuhand arbeiten. Auch solche, die in der treuhandeigenen Rechtsabteilung tätig waren. In der zweiten Woche im Oktober 2000 habe ich einen Mitarbeiter 135 jener Abteilung angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich erwähnte, dass ich mich evt. für die Mitarbeit im laufenden Projekt e-Doc / DOCUWARE bewerben möchte. Ich wurde gebeten doch am nächsten Tag in die Treuhand zu kommen. In einem Kundensitzungszimmer zeigte ich alle Unterlagen zu Spanien und Argentinien und erläuterte ohne Ausnahme den Stand der Dinge. Ich musste diese Unterlagen für drei Tage in den Händen der Rechtsabteilung lassen. Am vierten Tag wurde ich angerufen und gebeten wiederum ins Büro zu kommen. Nach Prüfung und Durchsicht der Faktenlage durch die Leitung der Rechtsabteilung stelle der internationale Haftbefehl kein Problem für sie dar, so wurde mir mitgeteilt. Sie erkannten - im Rahmen des Möglichen - auch, dass die Anschuldigungen seitens der Täter weder Hand noch Fuss hatten. Sie baten mich nur, niemanden in der Firma davon zu erzählen. Und sie mündlich auf dem Laufenden zu halten, was ich dann stets tat. Ich erinnerte mich damals auch, dass seit dem Jahr 1999 in den Medien (sporadisch in Liechtenstein und mehr in Deutschland) immer wieder Berichte auftauchten, über die zwei (Schweizer?) Treuhänder, die mitsamt Familien in Liechtenstein lebten und je einen internationalen Haftbefehl eines Berliner Gerichts (ich glaube es war vom Gericht Tiergarten oder Tempelhof) am Hals hatten und Deutschland deren Auslieferung von Liechtenstein verlangte. Die vorgeworfenen Taten lagen u.a. im Bereich des (Steuer-)Betrugs und anderer schwerer Delikte. Die Liechtensteiner Justiz entschied sich schlussendlich gegen eine Auslieferung der beiden nach Deutschland. Hauptsächlich, und dies war für Deutschland empörend, aus humanitären Gründen. Der Oberste Gerichtshof in Vaduz konnte eine Trennung (im Falle einer Auslieferung) von ihren Familien (mit Schulpflichtigen Kindern) den zwei gut in Liechtenstein integrierten Treuhändern NICHT zumuten. Während jener Zeit, und auch heute noch, sind die zwei bekannten Treuhänder im Treuhandgeschäft in Liechtenstein tätig. Daher bedeutete es für die Liechtensteiner Finanzwelt (incl. der LGT) keine Aufregung, wenn gegen "Mitarbeiter" internationale Haftbefehle bestehen. Die LGT Treuhand hatte also eine Woche bevor ich dann am 16. Oktober 2000 via Connex AG die Arbeitsstelle antrat, im Detail Kenntnis über meine "juristischen Angelegenheit". Die nun von Seiten Hans-Adams im Frühling 2008 geäusserte Behauptung, die LGT wusste "von nichts" – 136 entspricht NICHT der Wahrheit. Aber ich verstehe ihn, da er unbedingt die Realität verheimlichen möchte, nämlich, dass die LGT Leute in ihrer heiligsten aller heiligen Abteilungen einstellt, die einen Haftbefehl ausstehen haben. Wie alle neuen Mitarbeiter musste auch ich einen aktuellen Strafregisterauszug (ausgestellt vom LG Vaduz) vorlegen. Dieser war natürlich "Ohne Eintrag", da ich keine Vorstrafen hatte. Weder dort noch anderswo! Schon mein erster Arbeitstag war sehr spannend und ich lernte den Vertreter der XEROX (Schweiz) AG und den Boss der Connex AG persönlich kennen. Der ursprüngliche Plan der LGT Treuhand war, drei bis fünf grosse Schiffscontainer oder dergleichen teils auf dem firmeneigenen, teils auf dem Gemeindeparkplatz hinter dem (alten) Bürogebäude aufzustellen und jeweils mit Sicherheitspersonal zu bestücken. Die neuen Mitarbeiter, alle von ausserhalb, würden dann unter strenger Aufsicht die nötige und zeitraubende Vorarbeit zum Scannen erledigen und dann die ganze Kundenmappe jeweils in den Container, wo die grossen Scanner stehen würden, tragen. Dass man überhaupt auf die Container kam, lag daran, dass alle Büros im alten Gebäude ja schon vom bestehenden Mitarbeiterstab belegt waren und einfach kein Platz für die bis zu 30 Personen, die für das e-Doc-Projekt nötig waren, vorhanden war. Das heisst, es gab schon Platz, aber nur im verwinkelten Keller zweier (nur oberirdisch) miteinander verbundener Gebäude. Die Idee der Container wurde schnell verworfen, hauptsächlich aus Sicherheitsgründen. Im Übrigen war die ganze Idee des papierlosen Büros von Dr. Feuerstein nicht ganz unumstritten. Viele Kundenberater waren zwar der beabsichtigten neuen, moderneren Arbeitsweise nicht abgeneigt, vertraten aber die Meinung, man müsse die jeweiligen Kunden (also die Begünstigten der Stiftungen, Anstalten etc.) anfragen, ob sie einer Digitalisierung ihrer Kundendaten zustimmten. Rechtlich gesehen, gehören alle Dokumente (mit wenigen Ausnahmen wie z.B. interne Aktenvermerke) dem Kunden: die LGT Treuhand bewahrt sie nur für ihre Kunden auf. Natürlich steht es der LGT Treuhand frei, wie sie die internen Geschäftsabläufe organisiert. Vor allem unter den älteren, langjährigen Kundenbetreuern, wie z.B. bei Peter Meier herrschte die Meinung vor, dass die grosse Mehrheit ihrer Kunden, würde man sie den fragen, einer 137 Digitalisierung NICHT zustimmen würde. Dies vor allem aus Angst. Man erinnerte sich noch sehr gut an die Katastrophe resultierend aus dem CD-Diebstahl im Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner, welches nebenbei das erste Treuhandbüro in Liechtenstein war, dass die Kundendaten elektronisch, zentral auf CDs oder DVDs speicherte. Die Leitung der LGT Treuhand entschied sich, die Kunden erst gar nicht zu fragen und teilte dem Rest der noch besorgten Kundenberater mit, dass sie entweder die neuen Methoden akzeptieren oder sich halt anderweitig (nach Arbeit) umschauen müssten. Dazu muss man auch wissen, dass Dr. Feuerstein damals erst kürzlich zum Chef der LGT Treuhand ernannt wurde und er von ausserhalb der LGT Gruppe kam. Seine "neuen Wege" waren nicht nach jedermanns Gusto. Der eigentliche Start war durch das Projektteam, bestehend aus der Leitung der Treuhand und externen Beratern, etwas zu hastig geplant und daher mit einigen Denkfehlern behaftet. Der Zeitfaktor spielte auch eine Rolle, da das ganze Projekt fertig sein musste, bevor die Treuhand im Frühling 2001 in das neue Gebäude einziehen würde. Darum blieb uns, dem e-Doc-TEAM, nichts anders übrig: wir richteten es uns in den circa acht Kellerräumen, verteilt auf die zwei Gebäude, so gut wie es eben ging ein. Wir waren eine bunt gemischte Truppe: Liechtensteiner, Schweizer und Österreicher deren Unterschied in Ausbildungen, Alter, Engagement und Moralverstellung nicht grösser hätte sein können. Jeweils in einem eigenen Raum standen die zwei Monster-Scanner von XEROX. Immer zwei bis vier Mitarbeiter teilten sich einen Raum, der extra dafür mit alten LGT Büromöbeln ausgestattet wurde. Schon kurz nach dem Start unserer Arbeit sollte sich der Aufenthalt in den Kellern (ich schätze mal gebaut in den 60er Jahren oder gar früher) für einige von uns gesundheitlich negativ auswirken. Die Wände waren sehr feucht und der über die Jahre angesetzte Staub in den Akten war auch nicht gerade ein Segen für unsere Lungen, ganz zu schweigen von der Luftqualität. Einige Damen verlangten nach Tests, um zu klären, ob der gut sichtbare Pilz an gewissen Wänden mit nördlicher Ausrichtung gefährlich sein könnte. War er nicht, aber der jungen Mitarbeiterin, die schwanger war, wurde empfohlen, sich von diesen Räumen fernzuhalten. Die meisten arbeiteten in Teilzeit, da die zu erledigenden Aufgaben höchste Konzentration abverlangte. Länger als drei bis vier Stunden am 138 Stück mit voller Achtsamkeit war nicht drin. Stapelweise holten wir die Kundenakten in den kleinen Büros der Kundenberater ab und führten strenges Protokoll über was, von wem, wann und warum weggetragen wurde. Jeder Akt gelangte in die so genannte AVOR, die Arbeitsvorbereitung. Dort wurde der Akt von allen Büro-, Heft- und sonstigen Klammern befreit um dann stapelweise – wenn es geht ohne ein Blatt zu verlieren – in den Scanner gefüttert zu werden. Das Problem bestand darin, und dies war auch ein Hauptfaktor der sich anbahnenden massiven Zeitverzögerung, dass sich im Leben einer Stiftung unzählige verschiedene Arten von Belegen, Briefen und auch Grusskarten (der Kunden) oder sonstiges ansammeln. Der moderne Scanner hasst alles was nicht die Norm ist. Viele Dokumente waren sehr alt oder für die AVOR äusserst knifflig. Aber mit ausreichend Gründlichkeit und Frohsinn schafften wir es tagein, tagaus. Wir sassen "da unten" im Keller und die Creme de la Creme der Kundenberater plus deren Sachbearbeiterinnen "oben". Über den ganzen Zeitraum des Projekts wurde an den Personaleingängen der Treuhand externes Sicherheitspersonal postiert, das uns jeweils beim Eintreten oder Verlassen des Gebäudes kontrollierte; d.h. in unseren Taschen nachschauten ob wir evt. Kundendossiers mitlaufen lassen. Wir konnten darüber nur lachen. Das letzte was wir nach stundenlangem Aktenwälzen noch machen wollten, war sicher nicht die Arbeit auch noch nach Hause zu nehmen. Die Arbeit war für mich an und für sich sehr interessant. Der Hauptteil meiner Verantwortung lag darin sicherzustellen, dass die nun eingescannten Dokumente 1. im Computersystem "zusammen blieben", also nicht geteilt wurden oder in den Weiten der "Bits und Bytes" verloren gingen, 2. der richtigen (original) Mandatsnummer zugeteilt wurden und 3. – das Wichtigste – gemäss dem BAK vollständig indexiert wurden. Um diese dritte Stufe überhaupt fachgemäss auszuführen, musste ich und meine dafür geschulten Teammitglieder ALLE einzelnen Dokumente durchlesen und dann entsprechend dem BAK-Index abschliessend unter der Mandatsnummer elektronisch speichern. Die LGT Treuhand hatte Kunden aus aller Welt. Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch waren die üblichen Sprachen, in der die LGT Treuhand mit ihren Kunden kommunizierte. Daher war es ideal wenn wir diese Sprachen mehr oder weniger beherrschten. Es gab 139 solche Akten, die nur 80 – 100 Einzeldokumente (mit jeweils einer oder mehr Seiten) hatten, oder solche, die bis zu 300 hatten. Für diejenigen unter den Lesern, die keine Stiftung, Anstalt oder AG in Liechtenstein besitzen oder wenig Wissen darüber haben, hier ein paar kurze, vereinfachte Erläuterungen: Der Treuhandkunde ist im Vergleich zum reinen Bankkunden ein sehr komplexes Wesen. Der reine Bankkunde in Liechtenstein hat ein oder mehrere Konten direkt bei der Bank selbe; erhält Auszüge, Belege oder sonstige Bankkorrespondenz, die zu 100% bei der Bank zurückbehalten und dort gelagert wird. Nicht das der eine Bankauszug versehentlich beim Kunden oder schlimmer beim Nachbarn in Deutschland im Briefkasten landet. Oder – oh Schreck - beim Finanzamt. Beim Bankkunden ist alles Schwarzgeld ist im Namen des Kunden auf seinem eigenen Konto gelagert. Der Treuhandkunde, eben der eher Superreiche und/oder Übervorsichtige wählt z.B. eine rechtlich eigenständige Liechtensteiner Stiftung aus, indem er diese durch die Treuhand gründen lässt. Der Stiftungsrat eröffnet im Namen der Stiftung dann die Bankkonten. Der Treuhandkunde transferiert sein Schwarzgeld auf die Konten der Stiftung. Dies natürlich auf hoch komplizierten und raffinierten Umwegen, sodass ein direkter (offener) Bezug zwischen ihm und der Stiftung (z.B. von offizieller deutscher Seite aus) nicht nachvollzogen werden kann. Also der berühmte "Paper-Trail" (nahtlose Nachvollziehbarkeit jeder Transaktion) geköpft wird. Prinzipiell bleibt er (und andere die er benennen kann) Kraft dem so genannten Beistatut Begünstigter der Stiftung und somit aller Gelder und sonstigen Aktiven, die der Stiftung gehören. Das Beistatut einer Stiftung hält fest, wer, wann, wieso und wie hoch als Begünstigter von dem Vermögen profitieren kann. Oft ist es so, dass die Stiftung direkt oder mittels unterliegenden Offshorefirmen (andere rechtlich eigenständige Gesellschaften aus Liechtenstein oder anderen Steuerparadiesen wie z.B. Panama oder den Britischen Jungfrau Inseln), neben den meist beträchtlichen Bankkonten auch Immobilien, Patente, Bilder, Yachten und dergleichen besitzt und kontrolliert. All diese "Besitztümer" einer Stiftung produzieren eine Flut an Papier, das wiederum im Akt landet. Generell kann gesagt werden, dass ein Treuhandkunde eine grössere und intensivere Beziehung zu seinem Kundenberater hat, als ein „normaler, einfacher‚ direkter 140 Bankkunde. Daher hat jede Treuhandfirma (speziell wenn es eine Treuhandabteilung einer Liechtensteiner Bank ist) die höchste Sicherheitsstufe im Umgang mit den Kundendaten, d.h. sie sollte es haben. Mit der Zeit wurden wir in unserem Team beim Indexieren der Dokumente immer besser und schneller. Der BAK war in 12 Hauptgruppen und diese in rund 120 Untergruppen eingeteilt. Das bedeutet, dass jedes Dokument zumindest ein Mal genau einer der Untergruppen zugeordnet werden musste. Und was wir da alles zu lesen hatten! Die geschäftsbedingte Korrespondenz (z.B. zwischen der Stiftung und der Bank wo die Konten sind oder der Stiftung und einer Immobilienfirma, die die Villa in Sardinien betreut etc.) hatte schon an und für sich grosses Volumen im Akt. Mit der Zeit war diese Art von Schreiben eher langweilig zu lesen. Am Anfang war es noch ein Wettrennen: Wer hat den Akt mit dem dicksten Fisch, das grösste Konto? "Oh< hier ist einer mit 8 Mio. Euro", "Aha< hier ist einer mit 28 Mio. Dollars", "Und dieser mit 150 Mio.", << "Nein, noch besser – hier ist ein PEP (Politisch exponierte Persönlichkeit), dort ein Sportler, hier jemand aus dem Umkreis eines Ex-Diktators" etc. Eines hatten aber alle gemeinsam: "Sie zahlen für ihre Vermögen in diesen Gesellschaften KEINE Steuer zu Hause!" Dieses Kundenverlangen, keine Steuern bezahlen zu müssen, stand immer prominent am Anfang jeder Kundenbeziehung und wurde auch als Verkaufsargument für eine Gesellschaft aus Liechtenstein verwendet. Unabwendbar bekam man den Eindruck, dass wir als Treuhand aus dem Leben des Kunden oft mehr wussten als seine Frau, Kinder oder sonstige Familienmitglieder. Alleine aus den Tausenden verschiedenen oft skurrilen Geschichten, die sich im Leben der Begünstigten abspielten, und den Weg via Vermerk in den Akt fanden, könnte ich ein dickes zweites Buch auflegen. Denn viele Kunden erzählten ihren Kundenberatern auch im Detail wie es "zu Hause" oder "im Geschäft" zu ging. Berichtet wurde über Ängste und Bürden, interne Familienstreitigkeiten und Versöhnungen, die längste Luxusreise, die neuste Anschaffung, der letzte Trick um an mehr Geld zu kommen. Endlos die Beispiele und all dies fand sich u.a. in den internen Aktenvermerken wieder, vor allem wenn es Auswirkungen auf das jeweils aktuelle Beistatut hatte. 141 Da war z.B. ein rassistischer Kunde, dessen Tochter als Zweitbegünstigte im Beistatut nominiert war (d.h. im Normalfall wird sie dann Erstbegünstigte, wenn der Aktuelle, eben ihr Vater, stirbt). Diese hatte aber einen Schwarzafrikaner als Geliebten. Der Vater gab dem Stiftungsrat den Auftrag, seine Tochter im Beistatut zu streichen, solange sie diesen Freund hat. Der Stiftungsrat tat was ihm "befohlen" wurde. Jahre später findet sich ein Vermerk, dass die Tochter nun einen "Weissen" als Freund hat und wieder in die Begünstigtenliste eingetragen werden soll. Oder Ein heissblütiger Kunde, der eine geheime Zweitehefrau samt Kind im Ausland hat und im Falle seines Todes will, dass das gesamte Vermögen dieser Frau im Ausland zufallen soll und nicht an die „heimische‚ Ehefrau. Oder Der überängstliche Kunde, der aufgeschreckt durch Medienberichte, in Vaduz sollen sich deutsche Steuerfahnder herumtreiben und Autos mit deutschen Kennzeichen in den Tiefgaragen der diversen Geschäftsgebäude fotografieren, folgende Vereinbarung mit der LGT Treuhand getroffen hatte: Er parkiert sein Fahrzeug in der Schweiz, auf der anderen Seite des Rheins, nimmt den Linienbus nach Vaduz und trifft sich mit seinem Kundenberater für eine Geldübergabe oder – auszahlung jeweils vor der Toilettentüre im unteren Stockwerk des Restaurants Amman, gleich neben der Apotheke Hasler. Und sich dann sofort danach die Wege trennen sollen. Oder Der angriffslustige Kunde, der noch nach seinem Tod "Die Rache ist MEIN" inszeniert haben möchte. Auf den ersten Blick erschien seine Stiftung ganz normal. Sie hatte ein Bankvermögen von mehreren Millionen Euro. Zu Lebzeiten hat er den Stiftungsrat instruiert, seine Frau und Kinder als Zweit-, Dritt- und Viertbegünstigte zu führen. Seine Familie wusste nichts von dem Geld in Vaduz. Er hatte auch ein versiegeltes B5 -Kuvert seinem Kundenberater übergeben, worauf stand: 142 "Nur im Todesfall von Hr. XY zu öffnen – siehe Aktenvermerk vom xx.xx.1998". Also nach seinem Tode. In dem dazu gehörenden Vermerk stand, dass sobald die LGT gesicherte Kenntnis über sein Ableben hatte, diese unverzüglich die Witwe und Kinder gemäss üblicher Prozedur kontaktieren und nach Vaduz oder Zürich einladen sollte. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Erstbegünstigte wünschen, dass Ehefrauen und Kinder erst nach Ableben des Stifters von der Existenz einer Stiftung in Vaduz erfahren sollen. Was gewöhnlich viel Begeisterung bei der ahnungslosen Familie auslöst. In diesem Fall soll dann das versiegelte Kuvert in Anwesenheit der Familie geöffnet und vorgelesen werden. Ein Mitglied meines Teams in der AVOR öffnete aus Versehen dieses Kuvert und bereitete es zusammen mit dem Umschlag zum Scannen vor. Ich hatte dann den Akt auf dem Bildschirm. Im Schreiben aus dem Kuvert stand, dass er, der nun verstorbene, als letzte rechtsverbindliche Instruktion an den Stiftungsrat hiermit anordnet, dass das ganze Vermögen der Stiftung unverzüglich an die "so-und-so" ausbezahlt werden soll und die Stiftung dann gelöscht werden soll. Die erwähnte Person, die das ganze Geld bekommen soll, stammte nicht aus seinem Familienkreis. Als Grund gab der Kunde in hässlichen Worten an, seine Frau hätte mit dem Herrn XY und mit dem Herren XZ ein jahrelanges Verhältnis gehabt. Seine Kinder seien auch nicht ehrlich gewesen. Was für ein Schock dies wohl für seine Frau und Kinder auslösen wird, speziell wenn sie Minuten zuvor noch erhofften, gerade Millionäre geworden zu sein. Die schriftliche Instruktion im versiegelten Kuvert (na ja, jetzt war es nicht mehr versiegelt) ist rechtsgültig, da sie vom Erstbegünstigten (dem Mann) zu seinen Lebzeiten niedergeschrieben wurde und dem Stiftungsrat vor seinem Ableben zur Aufbewahrung übergeben wurde. Zudem zählt das Vermögen in der Stiftung rechtlich gesehen nicht zum Erbe des Verstorben. Nach Absprache mit dem Kundenberater musste ich diese Instruktion aus der Computerdatei löschen und das Original vernichten. Dies darum, weil das Stiftungsvermögen gemäss seinen letzten Instruktionen gleichzeitig auch weg von der LGT Bank hätten gehen sollten, zu einer Bank in der Schweiz. Die LGT hat es aber immer lieber, wenn nachrückende Begünstigte als Kunden von der Treuhand betreut werden und auch die Gelder bei der LGT Bank bleiben. So kann auch "Kundenpflege" betrieben werden. Der einzige (ausserhalb der LGT 143 Treuhand), der vom ursprünglichen Plan wusste, war - um es grausig auszudrücken - der Kunde selber. Der würde ja aber dann schon tot sein. Nach dem "Aktenstudium" tausender deutscher Kundendossiers fühlten wir uns in meinem Team wie abgeklärte Psychologen, weil wir einen sehr tiefen Einblick in die Seele und "Sorgen" des Reichen Deutschen erhalten hatten. Die vier oben kurz veranschaulichten Beispiele waren für uns damals eher Anlass für riesiges Gelächter. Worauf wir alle aber vor Seiten der LGT nicht vorbereitet wurden, waren jene Kundenmandate, die eindeutig über das "normale Mass" (wenn ich mal so sagen kann) der reinen Beihilfe zur Steuerhinterziehen hinausgehen. Es ist ja allgemein bekannt, dass Steuerhinterziehung im Heimatland des (ausländischen) Bank- oder Treuhandkunden in Liechtenstein absolut kein Strafbestand oder Vergehen ist. Was mich besonders überrascht hat, war die Tatsache, dass die LGT (!) so viele "Leichen im Keller hatte", sprich Mandate über Jahre betreute, wo buchstäblich sofort erkennbar war, dass sehr unsaubere Geschäfte getätigt wurden und werden. Was kann es dümmeres geben, als wenn die Kundenberater in ihren selbst angefertigten oder angeordneten internen Aktenvermerken schwarz auf weiss, manchmal ganz klar, oft etwas in der speziellen Treuhandsprache verschleiert, Hinweise, Bemerkungen und Erklärungen protokollieren, die über illegale Aktionen Auskunft geben. Da wir in unserem Team den gesamten Akt nach dem Scannen vor uns auf dem Bildschirm abrufen konnten, war es uns möglich, alle Abläufe, Transaktionen und damit deren Zusammenhänge schnell zu erkennen (wir mussten ja jedes Blatt lesen, um es einem Index zuordnen zu können). Nicht dass ich die Personen, die als Begünstige hinter einer solchen Briefkastenfirma stehen, persönlich kannte. Nein. Natürlich tauchte ab und zu ein Name in den Unterlagen als Begünstigter auf, der uns allen aus den Medien bekannt war; sei es z.B. aus der Politik, Wirtschaft oder aus aktuellen oder vergangenen Gerichtskriminalfällen. Zum Beispiel hatte ich einen Akt vor mir, deren Begünstigte ungefähr zur selben Zeit im Zusammenhang mit einer grossen europäischen Firmenpleite standen. "Aha!", sagten wir uns – die Kohle hier in Vaduz hatte man mal wieder nicht entdeckt". Schade für die Gläubiger, dachten wir uns. Wir im Team wären dank unserer Erkenntnisse jede Wette eingegangen, dass es bei mindestens der Hälfte aller Mandate – würden 144 sie öffentlich bekannt gemacht - "böse, böse Überraschungen" geben würde. Mein Gott, es war und ist ja Allgemeinwissen im Ländle, wer immer schon, damals und heute die Schwarzen Schafe im Treuhand- und Bankenbusiness sind. Sie ändern zwar oft ihren Firmennamen, aber man findet sie dennoch alljährlich in irgendwelchen Untersuchungsberichten diverser ausländischer Strafverfolgungsbehörden vom "around the Globe" wieder. Aber die LGT ? ? ? !!!! Nie hätte ich und andere im meinem Team, die mit der Liechtensteiner Finanzlandschaft vertraut waren, gedacht, dass Hans-Adam, als ultimativer Besitzer der LGT Gruppe, ein solches Reputations-Risiko eingehen würde, indem er Kunden in seinen Büchern stehen hat, die illegale Geschäfte tätigen und dies auch unter Mithilfe oder Tolerierung der LGT Treuhand und der LGT Bank. Dies bewusst und unbewusst, auf Grund der sehr lahmen Anwendung der eigentlich guten Sorgfaltspflicht und anderer bestehender Gesetze. Wir wussten alle, dass z.B. die Russen nicht gerne bei der LGT als Kunden gesehen werden. Um diese Kundschaft kümmert sich speziell in Vaduz zum Beispiel die Sinitus Treuhand, die Serica Bank oder First Advisory (ehem. Dr. Dr. Batliner), u.s.w. . Nach den immer wieder aufkommenden Skandalen, deren Enthüllung zu 99,99 Prozent NICHT in Liechtenstein beginnen, weiss man doch: "Irgendwann fliegt andauernd etwas auf!". Was soll jetzt als Entschuldigung für die LGT herhalten? ° Dass viele dieser Mandate vor dem Inkrafttreten der strengeren Sorgfaltspflichtgesetze angenommen wurden? Diese lumpige Ausrede wurde in den vergangenen Jahren immer und immer wieder von Liechtenstein verwendet, das Letzte mal im Februar 2009. Etwas Besseres fällt denen nie ein. Weil sie natürlich wissen, dass, sollte eine Leiche unerwartet an die Oberfläche gelangen, die Öffentlichkeit (Medien etc) nie die vollständigen Unterlagen zu einem solchen Fall 145 haben wird. Deswegen kann die betroffene Bank oder Treuhandfirma behaupten, dass die schmutzigen Geschäfte der Stiftung oder Anstalt etc. angeblich aus einer Zeit stammen, wo noch die schwachen Sorgfaltspflichtgesetze galten, also Liechtenstein den Vorfall oder Skandal für die Medien "zurückdatiert". Quasi sei eine Strafverfolgung (wegen der Geldwäscherei) aus Liechtensteiner Sicht leider nicht mehr möglich, da die Fristen in Liechtenstein dafür abgelaufen wären. Egal ob das Mandat noch aktiv ist, also der Kunde weiterhin illegale Geschäfte mit oder ohne Wissen der LGT getätigt hatte oder noch tätigt. Streng genommen macht dies keinen Unterschied. Abgesehen davon, dass die meisten Straftaten (der LGT Kundschaft) im Zeitraum der neuen, strengeren Sorgfaltspflichtgesetzte vollbracht wurden, wäre nach dem Wortlaut des Gesetztes auch dann eine Strafverfolgung, oder zumindest eine Strafuntersuchung zu beginnen, wenn die Tat in der Zeit davor passierte. Dies darum, weil die den Bankvermögen zugrunde liegenden (Erst)Straftaten (z.B. Korruption, Betrug), ausnahmslos im Ausland begangen wurden und dort die Fristen praktisch in allen bekannten Fällen noch nicht abgelaufen waren. Und da in Liechtenstein eine Einzelstraftat wie z.B. Korruption oder Betrug auch geahndet werden, müsste man in Vaduz der Sache auch nachgehen. Hätte bloss das Ausland mehr Glück und könnte viel öfter selber auf Unterlagen über eine Verbindung zwischen einer Straftat in ihrem Land und einem Vermögen in Vaduz stossen, dann könnte es mit diesem Material die Liechtensteiner um Hilfe bitten. Eben, hätten sie bloss! Liechtenstein agiert praktisch nie von sich aus, auch wenn es detaillierte Kenntnisse über die übelsten Straftaten erlangt, wie ich in den folgenden Kapiteln beweisen kann. ° Das auf Grund der Auffassungsgabe der LGT über das was "kriminell" ist und was nicht, keine "Leichen" erkennbar waren oder sind? Haben die in Vaduz mit der ersten Ausrede keinen Erfolg, dann muss diese Formel herhalten: "Was bei denen im Ausland als kriminell gilt, muss nicht unbedingt bei uns so sein". Die einfache Steuerhinterziehung meine ich damit gar nicht. Auch wenn es um andere Vorwürfe aus dem Ausland geht, ist Liechtenstein in der Interpretation was eine Straftat ist und was nicht, sehr, sehr flexibel. 146 ° Das intern eine Art Dogma gilt: "Reden ist der schnelle Tod", "Schweigen ist pures Gold", einschliesslich "die blinde Kuh dazu" und man ist vollkommen? Dies war leider die Wahrheit. Die LGT Führung hatte nicht nur mir gesagt, dass man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen soll, wenn man auf die "Räume mit den Leichen" stossen sollte. Ich war nicht der Einzige aus dem Team der die Leitung der Treuhand bei der wöchentlichen Sitzung - naiv genug waren wir ja – mit Fragen über solche Kunden bedrängte. Uns wurde schnell klar gemacht, dass es nicht unsere Aufgebe sei, "dumme Fragen" zu stellen. Im Befehlston wurde uns gesagt: Dokument lesen – Dokument indexieren – und die Klappe halten! Basta. Schon nach einem Monat hatten zwei junge Mitarbeiter keine Lust mehr, solches mitzumachen. Sie kündigten und mussten sofort gehen. Einer von ihnen, es war ein Jurastudent, hatte sogar ein heisses Streitgespräch mit dem Dir. Feuerstein über die falsche Moral der LGT im Allgemeinen und der Liechtensteiner Finanzwelt im Bezug auf die schmutzigen Mandate. Beide Teammitarbeiter wurden durch Neue ersetzt. Man darf aber die einfachen Mitarbeiter bei der LGT Treuhand, der LGT Bank oder jeder anderen Treuhand oder Bank jetzt nicht verdammen. Für sie ist es ein Job wie jeder andere auch. Schlussendlich trägt die Leitung die Verantwortung, zusammen mit den Besitzern der Gruppe, eben HansAdam und seine Familie. Sein Bruder, Prinz Philipp Erasmus war bis im Sommer 2006 der CEO der LGT Gruppe, wurde dann auf den Stuhl des Vorstandsvorsitzenden beordert und der neue CEO wurde der zweitälteste Sohn von Hans-Adam, Prinz Maximilian N.M. Man kann also festhalten, dass sich Hans-Adam nicht damit herausreden kann, dass er "von nichts" wusste. Ausdrücklich nicht mehr seit dem 7. Januar 2003 – siehe Kapitel 7. Das Arbeitsklima bei der Treuhand war sehr gut, wie bei vielen anderen Betrieben wurden Mitarbeiterausflüge in die Schweiz oder nach Österreich durchgeführt. Sobald ein Betriebsausflug ins Ausland bevorstand, wurde ich von der Rechtsabteilung gefragt, ob ich mitgehen wolle. Wegen dem Haftbefehl. Ein Ausflug in die Schweiz, egal ob mit 147 Firma oder Privat, war kein Problem. Die Grenze ist von Balzers bis nach Ruggell offen. Ich bin in meiner Freizeit oft mit dem Mountainbike oder dem Auto in die Schweiz gefahren. Schon kurz nach Argentinien verdrängte ich die eigentlich kleine Gefahr wegen des Haftbefehls dort Ärger zu bekommen. Manchmal bin ich auch in die Kanzlei meines RA nach Feldkirch gefahren. Es wurden mir auch nie irgendwelche Verordnungen oder Reiserestriktionen von Seiten Liechtenstein auferlegt. Bei einem Betriebsausflug meines Teams nach Feldkirch bin ich einfach mit dem eigenen Auto via meiner Heimatgemeinde Mauren über die kleine Grenze dort nach Österreich gefahren. Sind die Grenzbeamten überhaupt präsent, dann winken sie einen oft durch. Wird man aber angehalten, wollen sie die Identitätskarte sehen. Hat man darin, wie ich, den Heimatort Mauren eingetragen, wird man gleich weiter gelassen, da die Benutzung dieses abgelegenen Grenzübergangs "als einer aus Mauren" den Beamten logisch erschien. Auch fuhr ich oft mit dem Linienbus über die grosse Grenze Schellenberg / Feldkirch nach Österreich. Ein Grenzbeamter steigt zwar in den Bus ein, wirft einen Blick auf die ID-Karten oder Pässe und das war’s auch schon. Mein gleichzeitiger Kampf gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. auf allen Bühnen verbrauchte viel meiner Energie, trotzdem habe ich bei der LTG immer volle Leistung gebracht und meine Vorgesetzten lobten mich sehr. Einen emotionalen Dämpfer war der unerwartete Tod meines Vaters Anfang 2001. Ein Jahr zuvor erhielt er die Diagnose Krebs. Ich hatte nie eine sehr innige Beziehung zu ihm, aber seit meiner Rückkehr aus Südamerika sahen wir uns regelmässig. Jeden Monat drei oder vier Mal. Wir gingen essen oder einfach einen Kaffee trinken. Er war sehr bekannt und beliebt in Liechtenstein. Ich bin auch heilfroh, dass er all dies was in 2003 und später passiert ist, nicht miterleben musste. Mit Mühe und Not schafften wir es im Keller, fristgerecht die aktiven Mandate einzuscannen und die Papierakten von Unnötigem zu befreien (z.B. Ferienansichtskarten der Kunden). Es war keine Zeitreserve mehr vorhanden, um auch die inaktiven, alten Mandate via AVOR zum Scannen zu bringen und zu indexieren. Der Umzug stand vor der Türe. Das alte Bürogebäude, im Städtle 18, gehörte nicht der Treuhand und wurde von den Besitzern schon weitervermietet. Das Projekt e-Doc, sofern es die extern angeheuerten Mitarbeiter betraf, war am 31. März 2001 offiziell zu Ende. 148 Drei aus meinem Team, eine Jurastudentin, ein Fachmann und ich wurden per 29. März 2001 von der LGT direkt übernommen und wir alle bekamen unbefristete Arbeitsverträge. Schon seit Anfang des Jahres 2001 wurden systematisch alle Treuhandmitarbeiter, einschliesslich der Direktion sowie jene Vorstandsmitglieder der Treuhand, die intern Zugriff auf die elektronischen Kundendateien wünschten, im Umgang mit dem neuen System geschult. Die Schulung wurde mir aufgetragen. Ich war sehr stolz darauf. Ich durfte die dafür notwendigen Unterlagen in Eigenregie herstellen und auch jeweils die neuste Version des BAKs, dem Belegartenkatalogs. Meine Kurse waren sehr beliebt, oft heiter und äusserst abwechslungsreich. Der Kern des Problems lag darin, ALLE Mitarbeiter auf eine LINIE zu bringen, da jeder und jede seine/ihre eigene Vorstellung davon hatte, in welchem Index ein Dokument abzuspeichern sei. Es dauerte über 12 Monate bis alle der fast 100 Mitarbeiter aus Vaduz, Zürich und Lugano die zwei- bis dreitägigen Lehrgänge mit jeweils einer bis drei Personen pro Gruppe bei mir in Vaduz absolvierten. Sicherheitstechnisch waren wir auf den neusten Stand. Zugriffsmässig wurde das neue System analog dem Alten ausgelegt. Das heisst, die Kundenberater hatten nur Computerzugriff auf jene Mandate, die sie selber betreuten. Die Sachbearbeiterin auf diejenigen, die sie betreuten. Die Direktion hatte logischerweise Zugriff auf alle Mandate. Dies galt auch für die Mitarbeiter der IT-Abteilung. Und ich, mittendrin als Allrounder und Problemlöser für alle, hatte ständig den vollen Zugriff. Interessanterweise hatten wir drei, die verbliebenen aus dem e-DocTeam, ein unglaubliches mentales Lexikon über mehr Mandate in uns gespeichert, als die eigentlichen Kundenbetreuer, die sich seit Jahren mit dem Kunden austauschten. Natürlich hatten wir den Inhalt der fast 4000 Mandate nicht auswendig im Kopf abrufen können. Trotzdem waren die Treuhandmitarbeiter fortwährend erstaunt, als wir auf Anhieb Details aus Stiftungen erzählen konnten. Heute noch, obwohl ich die Firma seit mehr als sieben Jahren verlassen habe, erinnere ich mich bildlich noch immer seitenweise an Hunderte von Stiftungen und deren wahnsinnige Geschichten. Die von Klaus Zumwinkel fällt mir da gerade ein. Oder die heiklen Mandate, die auffällig noch nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind. Bei den aktiven Mandaten wurden alle Papierdokumente, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in gefrässigen Papiervernichtungsmaschinen 149 zum Verschwinden gebracht. In Plastiksäcke abgefüllt, wurden sie von eigenen Mitarbeitern per Firmenwagen in die Müllverbrennungsanlage Buchs, Schweiz gefahren. Dort gibt es einen speziellen Dienst, der vor allem von Banken und den Treuhändern gerne in Anspruch genommen wird. Nach Voranmeldung kann man, zusammen mit einem Mitarbeiter der Anlage, eine kleine Seitenöffnung im Ofen benutzten und dort die Papierschnitzel direkt in die, so glaube ich, ca. 1000 Grad heisse Flamme werfen. In "Null Komma Nix" sind verfängliche Dokumente in Rauch aufgegangen. Das Set jener Dokumente, die nicht verbrannt werden sollten, haben wir im begehbaren Panzerschrank im 3. Stockwerk des neuen Büros pingelig genau und sauber eingelagert. Der Zugang dazu wurde elektronisch gesichert. Der Zugang zu allen internen und externen Türen im ganzen neuen Gebäude war mittels elektronischen Schlüssels geregelt. Mein Schlüssel öffnete mir fast alle Türen. Die dicken Mappen der inaktiven Mandate, die ja aus Zeitmangel nicht eingescannt worden waren, wurden im alten Gebäude (mit Zugang von Aussen durch eine Stahltüre) auf drei Kellerräume verteilt aufbewahrt. Die LGT mietete diese Räume weiterhin. Die Schlüssel dafür hatte ich auch. Manchmal wurde ich von Kundenberatern oder gar vom Direktor gebeten, einen bestimmten alten Akt in jenen Kellerräumen heraus zu graben. Das jemand danach fragte, lag daran, dass ab und zu aus juristischen Gründen alte Geschichten exhumiert werden mussten. Die Kundenberater, natürlich mit Ausnahme des Chefs, hätten auch selber dorthin gehen können. Aber sie wussten, dass ich 100 Mal schneller den Akt im dort vorherrschenden, chaotischen alten Archivierungszustand finden würde. Wir hatten keine Zeit mehr, diese Akten auch auszusortieren. Es gab Tage, wo ich Stunden im Keller Akten von links nach rechts, von oben nach unten und von hinten nach vorne bewegen musste, um endlich an eine gesuchte Stiftung zu kommen. Ich gestehe, dass es häufig berauschend war, sich bündelweise die verrücktesten Mandate durchzulesen. Insbesondere passierte dies dann, wenn mein Auftrag darin bestand, eine bestimmte Seite oder einen Sonderfall aus einem alten Akt herauszusuchen. Die Stiftungen lebten ja oft weiter, nicht bei uns, aber bei anderen Treuhändern. Bei Wechsel des Treuhänders wird nicht immer die ganze Mappe dem neuen Treuhänder übergeben. 150 Zum Glück waren solche Anstrengungen und Trips in alte, dunkle Kellerräume bei den aktiven Mandaten dank des neuen Systems nicht mehr notwendig. Bei der LGT zu arbeiten, war auch wie ein Statussymbol. Man arbeitete nicht bei einer x-beliebigen Treuhandbude, nein! Bei der Fürstlichen Treuhand. Hans-Adam, als verschwiegener und äusserst auf Diskretion bedachter Führer, vertraute den Leute seiner LGT Treuhand so sehr, dass die meisten der persönlichen Stiftungen der Mitglieder der Fürstenfamilie auch bei der Treuhand verwaltet wurden. Dies war für ihn nicht zwingend oder logisch notwendig. Er hätte die Mandatsleitung auch an jenes, eher geheime Büro mit Sitz an der Herrengasse in Vaduz, delegieren können, das auch die Mutter aller Stiftungen, die "Fürst von Liechtenstein Stiftung" verwaltet. Dieser Stiftung gehört alles was Hans-Adam und sein Clan besitzt. Die über 29 bei uns verwalteten Gesellschaften, die klar der Familie zuzuordnen sind, beinhalteten im Vergleich zu anderen superreichen Kunden nichts Aussergewöhnliches oder Spektakuläres. Berufsbedingt hatte ich alle Akten dieser Stiftungen durchgelesen und indexiert. Es sind Menschen wie du und ich. Mal streiten sie, Mal geizen sie und manchmal sind sie generös. Na ja, etwas Leichengeruch hatte die eine oder andere Stiftung schon. Die Welt der Treuhandmitarbeiter in Liechtenstein ist klein. Man kennt sich. Beim Feierabendbier oder Cola wurde zwanglos über die neusten Mandate oder Skandale geredet. Ab und zu versuchte einer aufzutrumpfen, indem er erzählt, dass diese Persönlichkeiten bei seiner Firma Kunden sind oder jene Millionen bei seiner Firma verwaltet werden. Unterhaltsam wurde es dann, wenn man auf ehemalige Arbeitskollegen traf, die jetzt bei anderen Treuhändern oder einer anderen Bank arbeiteten. Gegenseitig wurde man ausgequetscht um in Erfahrung zu bringen, wo es nur besser sei, wo mehr Leichen verwaltet werden. Je länger ich bei der Treuhand arbeitete, umso weniger regte ich mich über einzelne, heisse Mandate auf. 151 KAPITEL 6 Heiligsprechung unter Vollnarkose Das Jahr 2002 begann eigentlich wie jedes der fünf vorhergehenden Jahre, genährt von meinem unerschöpflichem Optimismus und dem Glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird und dies das Jahr sein wird, in dem die Verbrecher vor ein Kriminalgericht gestellt werden. Beharrlich hielt ich den UR Dr. Paul Meier und die STA über die allerdings immer weniger werdenden Neuigkeiten in Sachen Argentinien oder Spanien auf dem Laufenden. Meine Arbeit bei der LGT Treuhand erfüllte mich sehr und ich hatte, wie schon lange nicht mehr, das Gefühl ein normales, wenn auch nicht optimales Leben zu führen. Sogar in Sachen Herzblatt hatte ich Glück und wunderschönen Zeiten erleben können. Ein dicker Kuss nach Zürich ;-). Obwohl es für mich absolut keine Anzeichen gab, dass sich irgendetwas drastisch an den über die Jahre hinweg vorgezeichneten Pfaden ändern würde, muss sich mein Unterbewusstsein vorerst unbemerkt schleichend in eine andere Richtung orientiert haben. Dies war wohl der Anfang vom Ende meines ehrlichen Kampfes um die Gerechtigkeit. Damit meine ich nicht eine Richtungsänderung wonach ich die STA und das LG Vaduz links liegen lassen würde und selber Hand an die Verbrecher legen würde, eben rücksichtslose Rache ausüben würde. Natürlich, nachdem was ich in Argentinien durchstehen musste, kann jeder wirklich nachvollziehen, dass ich mich zumindest gedanklich mit "ebenbürtiger" Rache – auch als Teil meiner eigenen Therapie – auseinandersetzten musste. Nie habe ich aber Anlass dazu gegeben, dass dies mein ausgewählter Weg zur Gerechtigkeit sein oder werden sollte. Ganz im Gegenteil, ich war so felsenfest davon überzeugt, ja eigentlich von Seiten der STA überzeugt worden, dass in diesem Jahr 2002 die anspruchsvolle Anklage wegen schwerer Entführung, schwerer Freiheitsberaubung, schwerer Erpressung, Nötigung und Körperverletzung stehen und ein Kriminalgericht einberufen würde. Deswegen hatte ich mich entschlossen, die Arbeitsstelle bei Treuhand zu kündigen, um mich zu 1000-prozentig darauf zu konzentrieren. Dem Rechtsdienst der LTV erzählte ich dann voller Zuversicht, was sich im Oktober 2002 abspielen werde. Dass Gerechtigkeit geschehen werde und ich meine ganze Energie auf diese kommenden wichtigen Wochen 152 und Monate konzentrieren wollte. Meine Hauptaufgabe bei der Treuhand war erfüllt: alle Mitarbeiter waren auf dem neusten Stand der internen Schulung und auch alle dazu notwendigen Unterlagen waren up-to-date. Ich sagte ihnen, dass ich unter Einhaltung der dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende November 2002 die Firma verlassen wollte. Sie waren enttäuscht, dass ich gehen wollte und versuchten mich zum Bleiben zu überreden. Da ich natürlich nichts im Kündigungsschreiben über meinen juristischen Kampf erwähnen konnte und wollte, empfahlen sie mir, einfach hineinzuschreiben, dass ich mich ausserhalb der Firma weiterbilden möchte. Denn rein gar nichts schreiben, quasi nur einen Einzeiler, das wollte ich auch nicht. Nach Absprache mit ihnen, setzte ich folgendes Schreiben auf und sendete diese am 29.08.2002 dem Personaldienst der LGT. An die Geschäftsleitung der LGT Treuhand AG, Vaduz, den 29. August 2002 Sehr geehrter Herr Dr. Nicola Feuerstein, Sehr geehrter VR Werner Orvati, Sehr geehrte Herren der Geschäftsleitung. Es ist mir nicht leicht gefallen! Auflösung des Dienstverhältnisses. In den letzten Wochen habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich meine Freizeit sinnvoll mit persönlicher und beruflicher Weiterbildung ausfüllen kann. Mit meinen jungen 37 Jahren sehe ich noch die Kraft und Möglichkeit meinen Wissens-Horizont im grösseren Stil zu erweitern. Z.B. neue, schwierigere Sprachen zu erlernen und auch Kurse/Schulen zu besuchen, die neues Wissen vermitteln und die Persönlichkeit formen. Der diesbezügliche Markt ist sehr gross und die Auswahl keine leichte Aufgabe. Der errechnete Zeitaufwand für die in Frage kommende Neuorientierung ist beachtlich. Nach reifer Überlegung bin ich zum Schluss gekommen, dass dafür meine ganze Energie gebraucht wird und ich darum die Arbeitsstelle fristgerecht, unter Einhaltung der 3-monatigen Kündigungsfrist auf den 30. November 2002 kündige. Niemand ist unersetzbar - das gilt auch für mich....... Man kann heute feststellen, dass mein Aufgabengebiet (e-doc) eine gute Eigendynamik entwickelt hat: ° das e-doc-Organisation steht. ° Der neue BAK ist in Kraft. ° alle MitarbeiterInnen sind bis ins Detail geschult. 153 ° Die Bereinigung der MAN ist voll im Gang ° Die e-doc-Unterlagen sind up-to-date. Ob Sie nun die Stelle neu besetzten oder die Aufgaben auf bestehende MA verteilen; selbstverständlich werde ich bis zu meinem letzten Arbeitstag zu 100 % mithelfen, dass die Übergabe nach Ihren Wünschen und Vorstellungen über die Bühne geht. Hiermit möchte ich auch meinen Dank speziell an Dr. Pius Schlachter, VR Werner Orvati, Dr. Nicola Feuerstein, Wolfgang Bösch aussprechen, dass ich für fast 2 Jahre Teil dieser LGT Familie sein durfte. Auch allen Anderen danke ich für das Vertrauen und für den gezeigten Führungsstil. Ich wünsche allen gute Geschäfte und vor allem Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. (gez.) Heinrich (HENRY) Kieber Die nun von Hans-Adam und anderer diversen Liechtensteiner Seiten im Februar, März 2008 gemachten Behauptung, die LGT Treuhand hätte mir gekündigt, oder ich wäre (ohne Kündigung) ins "Ausland abgetaucht" ist falsch und eine Lüge. Natürlich kann ich deren Entstellung der Wahrheit nachvollziehen. Es sieht einfach für sie besser aus, nach dem Ausbruch des Skandals Mitte Februar 2008. Alle Mitarbeiter der LGT Treuhand waren über meine Kündigung erstaunt und viele fanden es schade. Ich war, wie mein Ex-Chef einmal sagte, ein aufgeweckter "bunter Hund". Ich arbeitete noch die vollen DREI Monate der Kündigungsfrist, bis Ende November 2002 durch. Und war abermals zusätzlich im Dezember 2002, berufsbedingt viermal zurück ins Büro zur Unterstützung in Sachen e-Doc gerufen worden. Auch im Sommer 2002 wurden alle Bewohnern des Hauses Neue Churerstrasse 27 in Balzers von der neuen Hausverwaltung informiert, dass für die noch nicht verkauften Wohnungen (also auch diejenige, in der ich seit Jahren wohnte) endlich Käufer gefunden worden waren. Meine Wohnung wurde von einem netten italienischen Ehepaar mit zwei Kindern, das schon lange in Liechtenstein wohnte, für den Eigengebrauch gekauft. Sie kündigten mir deshalb und wir vereinbarten, dass ich spätestens bis Ende Dezember 2002 ausziehen werde. Sie sagten, sie könnten in ihrer jetzigen Mietwohnung noch bis Ende Februar 2003 154 bleiben und dass sie einen Umzug in ihre neu gekaufte Wohnung im Januar/Februar 2003 planten. Als im August 2002 der Termin für die Obergerichtsverhandlung in der Zivilsache bekannt gegeben wurde, habe ich sofort den Staatsanwalt Haun angerufen. Ich teilte ihm mit, dass es im Oktober 2002 wohl die letzte Möglichkeit wäre, Helmut und seine Frau wegen Argentinien festzunehmen und endlich richtig einzuvernehmen, da beide vermutlich zur Verhandlung nach Vaduz kommen würden. Ich dankte dem Staatsanwalt wie immer für seine Mühe und er hat mir wortwörtlich zugesagt, Helmut Roegele nochmals und seine Frau erstmals als Beschuldigte wegen Argentinien durch den UR befragen zu lassen. Über eine mögliche angeordnete Inhaftnahme konnte er mir aus beruflichen Gründen leider nichts verraten. Die Anklage würde dem Paar dann ausgehändigt. Er sagte sogar, er könne das für mich tun, gar kein Problem. Ich war sehr erleichtert und dankte ihm tausendmal dafür, dass es jetzt endlich, endlich vorwärts ginge. Das Ehepaar war im Oktober zur nächsten Runde im Zivilprozess angereist. Ich machte mir wiederum keine Sorgen, denn ich wusste ja, dass sie jetzt definitiv wegen Argentinien einvernommen werden sollten und dass die Anklage druckfrisch kommen würde. Die Obergerichtssitzung am 03. Oktober war nicht-öffentlich. Und auch ohne Beisein der Parteien. Circa zehn bis 14 Tage später wollte ich bei der Sekretärin des UR Dr. Meier die Kopien der Einvernahme des Ehepaars Roegele holen. Sie gab mir eine Kopie in die Hand. In der Hektik und da emotional zu aufgewühlt hatte ich das Deckblatt nicht gleich gelesen. Im Gang traf mich der Schlag! Es war eine Aussage von Helmut und seiner Frau im 140er, dem (Spanien-) Fall in Vaduz gegen mich und nicht eine Einvernahme im 101er, dem (Argentinien-) Fall gegen Helmut & Co. Sie wurden deswegen überhaupt nicht einvernommen. Ich war ausser mir! Mein Zorn war nicht zu bändigen! Ich rannte sofort quer durch Vaduz zum Haus der STA rüber und klingelte. Es war ein oder zwei Minuten vor 12 Uhr Mittags. Eine Männerstimme sagte mir über die Gegensprechanlage, dass Haun schon zu Mittagessen gegangen sei. Dies war besser so – für mich. Ich musste mich beruhigen. Ich musste mich beruhigen! Ich musste mich verdammt noch mal beruhigen! Mir wurde ganz schlecht! Aber warum hat er mich angelogen? Warum hat er 155 gesagt, er würde Helmut & Co. mit der Anklage in die Mangel nehmen, er könne das für mich tun, es ginge vorwärts, wenn er in Wahrheit nichts getan hat? Er hätte es nicht sagen müssen, er ist nicht dazu verpflichtet mir Auskunft darüber zu geben, was läuft und was nicht. Ich rief dann sicher 30 Mal die Büronummer von STA Haun an. Jedes Mal wurde ich von einer Sekretärin dort vertröstet und aufgefordert am nächsten Tag anzurufen. Immer ohne Erfolg. Einige Tage später kam das Urteil des Obergerichtes vom 3.10.02 per Post zu mir nach Hause: Verloren. Ein weiterer Tiefschlag. Ich ging mit meinem RA sofort wieder in die Berufung, dieses mal an den Obersten Gerichtshof in Vaduz. Im November 2002, am 8. oder 9. bekam ich eine Abholaufforderung der Post in Balzers. Ich musste zwei dicke Kuverts (per Einschreiben) vom Gericht aus Vaduz abholen. Obwohl ich einen RA hatte, konnte ich es so organisieren, dass das Gericht mir die Post direkt schickte. Der eine Umschlag enthielt eine fixfertige Anklage (140er) gegen mich (Wohnungskauf in Spanien 1996). Ich war sprachlos. Die Anklage war mit 7.11.02 datiert und von STA Haun unterschrieben. Er war der Staatsankläger. Mir wurde übel und ich konnte die Zeilen in der Anklage nicht klar lesen. Meine Augen begingen zu schimmern und der Kopf wurde schwer. Das andere Kuvert enthielt einen zwei Seiten langen Brief vom UR Dr. Meier, datiert auch vom 7.11.02. Darin musste er mir auf Anordnung des STA Haun mitteilen, dass die STA das Strafverfahren (101er) gegen alle Beteiligten im Argentinienfall eingestellt hatte. Ohne Angabe von Gründen. Die STA muss gemäss Gesetzt niemandem den Grund angeben, warum sie einen Fall einstellt. Es genügt, wenn die STA in ihrem eigenen, nicht-öffentlichem "Fallbuch" die Gründe einträgt. Dieses Buch wird bei der STA verwahrt. Für mich war die Welt am Ende! Die Scheiss STA! Warum keine Anklage im 101er? Warum der 101er eingestellt? Was heisst ohne Grund? Warum ich angeklagt? Wie konnten sie nur? Diese Lügner. Nur Gott weiss genau, warum STA Haun, vom Teufel geritten, mich verbissen wegen Barcelona verurteilt sehen möchte. Einiges deutet auf ein falsches Spiel der STA hin: Fakt ist, dass die spanische Justiz zwei mal die Bitte (offizielle Anträge) des UR Dr. Meier 156 um die Abtretung des Falls an das Gericht des ständigen Wohnsitz des Beklagten, nämlich das LG Vaduz in Liechtenstein, abgelehnt hatte. Eine solche Möglichkeit würde das entsprechende europäische Abkommen ausdrücklich vorsehen. Ein weiteres Faktum ist: Der Kläger in Spanien, der Verbrecher Helmut Roegele, hat nie ein Gesuch gestellt oder den Wunsch gegenüber der Justiz in Liechtenstein oder in Spanien geäussert, dass er eine Strafverfolgung meinerseits wegen des Wohnungskaufs 1996 in Barcelona hier beim LG Vaduz haben möchte. Das wäre das "Logischte" gewesen. Er und sein RA in Vaduz kannten seit Sommer 1997 mein offizielle Adresse. Ja, es wäre logisch gewesen, hätte sich die ganze Sache in Barcelona (Wohnungskauf) und in Argentinien nach der Version von Helmut ereignet. Da dies nicht der Fall war, hatte Helmut das ureigenste Interesse daran, dass die Spanier nicht auf die Idee kommen würden, ihren Fall nach Vaduz abzugeben. Für ihn war es lebensnotwendig, dass der Haftbefehl gegen mich aufrechterhalten blieb. Denn nur wenn ich weiterhin in meiner juristischen Verteidigung geschwächt und persönlich in meiner Mobilität eingeschränkt bliebe, könnte mein Kampf um eine Strafanklage gegen die Täter aus Argentinien beeinträchtigt werden. Es bestand also nie ein Antrag von irgendwelcher Seite an die STA in Vaduz, ein Strafverfahren wegen des Wohnungskaufs in Vaduz durchzuführen. Trotzdem war Herr Haun scharf auf eine Anklage gegen mich. Erst dann wurde mir langsam bewusst, dass sich der LR Oehri mit dem STA Haun ständig abgesprochen haben musste und dass sie auch die Entwicklungen in beiden hängigen Gerichtsfällen (Zivil und Straf) in Vaduz gemeinsam orchestrierten. Rückblickend weiss ich ganz genau warum man dies so wollte: Ich wurde der Liechtensteiner Justiz immer lästiger. Obwohl ich mich (bis zur "dicken Post" an Hans-Adam im Januar 2003 - siehe nächstes Kapitel) gegenüber der ganzen Justiz gegenüber immer korrekt und anständig verhalten hatte. Weder hatte ich die Fassung verloren noch mich beschwert, wenn sich der LR und vor allem die STA von Anfang an etliche offenkundige Fehler leisteten, die schwerwiegende juristische Konsequenzen für mich bedeuteten (ganz zu schweigen von den Demütigungen). Obwohl dies so war, wurde ich von Seiten des LR Oehri und speziell seitens der STA wie der letzte Dreck behandelt. Meine Unterlagen, die zum Himmel schreienden Beweise werden einfach nicht gelesen! Und wenn dann nur oberflächlich. Nie wurden sie aber gewürdigt! 157 Was die Einstellung des 101er Strafverfahrens betrifft, möchte ich auch noch Folgendes schreiben (was ich übrigens auch Hans-Adam auf eine Tonkassette als Beilage zum "Brief vom 7.1.03" mitgeteilt habe, siehe nächstes Kapitel): Wenn man den Akteninhalt des 101er ansieht, so hat eigentlich der STA Haun nichts gemacht. Nichts was der Wahrheitsfindung dienlich war. Wo sind seine Bemühungen vermerkt? Nichts hat er gemacht, rein gar nichts! Er hat nur all seine Kraft auf das Ziel gesetzt, das Verfahren gegen die Verbrecher ohne Grund einstellen zu können. Es ist halt billiger für das Land und besser für seine Reputation. Eine Spurensicherung am Tatort in Argentinien hätte ohne Probleme durch Interpol Argentinien bewerkstelligt werden können. Es wäre sicher kein Problem für deren Spezialisten gewesen, Blutproben von meinem Blut im Turm festzustellen, obwohl die Verbrecher vermutlich schon alles gereinigt hatten. Und warum hat man meine anderen Angaben zum Inneren des Turm, in dem ich gefangen gehalten wurde, nicht überprüft? Es hätte auch Liechtenstein nichts gekostet. Abgesehen von den im Detail nicht zu überbietenden Schilderungen zur Entführung, Freiheitsberaubung und Gefangenschaft in Argentinien, die "niemand sich einfach nur ausdenken kann" und abgesehen vom Gutachten des Gerichtsmediziners, springt ein weiterer Beweis jedem, vor allem einem Staatsanwalt, geradezu ins Auge: Wo ist die wirtschaftliche Grundlage für die Behauptung des Verbrechers Helmut, ich hätte f r e i w i l l i g, "quasi aus Spass am Geldverteilen" ihm ca. CHF 400'000,-, dem Komplizen Mariano ca. CHF 400'000,- und dem Schwager von Helmut ca. CHF 10'000,- überweisen bzw. überlassen wollen??? Das ist eine völlig absurde Behauptung seitens der Täter. Weder Mariano noch der Schwager hatten seit Argentinien nie auch nur eine Sekunde lang einen Anspruch auf "ihren Teil" der bei der BAWAG liegenden Gelder gemacht und beide sind um Untergrund verschwunden. Vorher hatte der Schwager, Herr Kroschel nach meiner Anzeige eiligst auf seinen Anteil "verzichtet". Helmut war mit der verlogenen "Wohnungskauf"Geschichte ja bekanntlich erfolgreich. Wenn da ein halbwegs normal funktionierender Staatsanwalt keine starken Gründe für eine Anklageerhebung sieht, hat er den falschen Beruf ausgewählt. In meinem Fall waren die involvierten Staatsanwälte nicht dumm. Die Hürde für eine Anklageerhebung durch die STA ist laut Strafprozessordnung gar nicht hoch. Gemäss StPO muss die STA sogar Anklage erheben. Ob dann ein Kriminalgericht die Täter verurteilen würde, ist eine ganz andere Sache. Und wenn in meinem Fall die 158 Beweise für eine Anklage nicht ausreichen, dann weiss ich nicht was der Gesetzgeber verlangt. Haun wusste ganz genau, dass ich nie die finanziellen oder kräftemässigen Möglichkeiten hatte, eine Anklage in Argentinien voranzutreiben. Abgesehen davon, dass ich nochmals zehn Jahre auf die Gerechtigkeit hätte waren müssen. So hat er mir meine letzte Möglichkeit geraubt, die Leute zur Rechenschaft zu ziehen. In Wahrheit wollte er mir nie helfen, ich war ihm ein zu lästiger Fall. Was mein Blut zum kochen brachte, war – der nun rückblickend klar ersichtliche, unehrliche Umgang der STA mit meiner Folter. STA Haun sagte mir einmal am Telefon, ja er verstehe was ich durchgemacht habe, ja er verstehe das, er kann es nachvollziehen, er helfe mir! Ich verlangte nie, dass die Justiz alles im Detail nachlebt. Erstens geht das nicht und zweitens fehlt der Justiz naturgemäss die eigene, persönliche Erfahrung dafür. Ich habe auch nicht um Mitleid gebeten. Ich habe nur wieder und wieder und wieder schriftlich und mündlich gebeten, die Verbrecher der gerechten Strafe, sprich einem Kriminalgericht zuzuführen. Ich war so naiv zu glauben, dass die STA und Justiz den Fall zum Kriminalgericht bringen würde. Nicht mal eine ordentliche Einvernahme der Beschuldigten und Vorenthaltung derer Widersprüche hatte man bewerkstelligen können. Ich finde es auch eine absolute heuchlerische Berufsauffassung wenn derselbe Staatsanwalt mir seit mehreren Jahren in der Causa Argentinien vorgibt die Anklage sei bald fertig geschrieben, diese aber nie produziert. Anschliessend erhebt derselbe Staatsanwalt Anklage gegen mich (was man doch wirklich einem anderen Staatsanwalt hätte überlassen können). Auch der hinterlistige, exakt gleichzeitig terminierte Versand der zwei Umschläge (Anklage 140er & Einstellung 101er), der mich emotional hart treffen sollte, zeigt die deutlich zynische Geistesrichtung der STA. Gegen die Anklage habe ich postwendend und fristgerecht schriftlich Einspruch erhoben. Ich fuhr sofort zum UR Dr. Meier in sein Büro. Er war auch betrübt über die Einstellung. Er hat mir aber Mut gemacht und gesagt, dass ich als Privatbeteiligter an diesem Verfahren unbedingt einen Antrag auf Fortsetzung des Strafverfahrens bei Gericht innerhalb der 14-Tage-Frist stellen sollte. Das Obergericht würde dann entscheiden, ob das Strafverfahren wieder fortgesetzt würde und wenn ja, dann ohne die STA. Die Chance auf Weiterführung des Strafverfahrens sei sehr gut, meinte er. Der Privatbeteiligte (also ich) könnte dann Anträge an den UR 159 machen oder gar selber eine Anklage, als benannter Subsidiarankläger einbringen und erheben. Die STA ist aus dem Spiel. Also hatte ich am 22. November 2002 einen siebenseitigen Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung für den Fall 101 gestellt und am gleichen Tag für beide Fälle (101er &140er) einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt. Damit ich weiterhin professionellen Beistand durch meinen RA erhalten konnte und bezahlen konnte. Es waren die letzten Wochen meiner Arbeitszeit bei der LGT Treuhand. Einem Vertrauten aus der Rechtsabteilung hatte ich von den Horrornachrichten erzählt. Da ich schon gekündigt hatte, wünschte man mir Alles Gute und viel Zuversicht. Ende November 2002 gab es dann eine kleine Abschiedsparty im grossen Pausenraum der Treuhand und es wurde mir eine schöne Abschiedskarte mit kleinen Geschenken überreicht. Somit fand meine Arbeit in der Welt der dicken Koffer voller Geld, der schmutzigen Geschäfte, der Leichen, der Machtkämpfe und der offener Gier ein Ende. Was mich aber mehr und mehr erstaunte, war mit welchem Selbstbewusstsein, ja fast schon Leichtigkeit Hans-Adam, die Regierung und die hohen Finanz-Herren über all die Jahre hinweg immer wieder dem Ausland versichern konnten, dass hier alles lupenrein war. Dass sie die Besten sind, dass sie die Schwarzen Schafe im Rhein ersäuft hätten. Obwohl wir doch alle in Vaduz wussten, dass dies fette Lügen waren. Es waren glattzüngige Behauptung zu sagen, dass die Justiz und praktisch der ganze Finanzsektor ständig im Abwehrkampf gegen die bösen, kriminellen Kunden gewesen wären. Nimmt man die wenigen Gerichtsurteile unter die Lupe, die im Zusammenhang mit Briefkastenfirmen, Geldwäscherei, Korruption, Betrug etc. in Liechtenstein gefällt worden waren, kann man klar erkennen, dass die hohen Finanz-Herren, die einheimischen Banken und Treuhänder immer verschont und geschützt haben. Oder vergleicht man die Jahresstatistik der gesetzlich vorgeschriebenen Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen von Seiten der Banken, Treuhänder und anderer Organe mit dem Total der verwalteten Vermögen aller Liechtensteiner Banken zum jeweiligen Zeitpunkt, dann war die Anzahl der Meldungen geradezu lächerlich. Bei so vielen Milliarden Schweizer Franken und den damit einhergehenden Banktransaktionen müssten in Wahrheit schon aus vergleichbaren Erfahrungswerten (z.B. aus der Schweiz) viel mehr 160 Verdachtsmomente vorhanden sein und gemeldet werden. Jeder Finanzanalytiker wusste dies. Verwundert hatte es aber keinen der einheimischen Analytiker. Die Liechtensteiner Finanzwelt hat ausgefeilte Tricks entwickelt, sodass die Pflicht zur Meldung umgangen bzw. verhindert werden kann. Als ehemaligen LGT Treuhandmitarbeiter konnte ich solche Tricks schwarz auf weiss in den Akten nachlesen. Mit der Statistik wollte Liechtenstein natürlich dem Ausland weiss machen, dass der Finanzplatz sauber sei und die Kontrolle funktionierte. Hans-Adam, stellvertretend für die Finanzwelt von Liechtenstein, ist ein Meister der verschiedenen Masken. Je nach dem ob er entweder ausländische Regierungsvertreter, Behörden oder die Medien vor sich hat oder wichtigen Kunden eine Privataudienz gewährt, er stülpt sich immer die passende Maske über. Mehr darüber in den folgenden Kapiteln. Wenn ich in meine andere Welt wechselte, in der Folter, Erpressung und mir geraubtes Geld regierten, eine Welt, der ich nie entkommen konnte, dann verformte sich dieses Erstaunen in eine steigende Desillusionierung. Schnell wurde ich der andauernden, gebetsmühlenartigen, selbst erfundenen "Heiligsprechung" der hohen Finanz-Herren aus Liechtenstein überdrüssig. Wegen des enormen emotionalen Stresses bekam ich im November auch zusätzlich gesundheitliche Probleme: Schmerzen im oberen Bauchbereich. Ein Besuch bei meiner Hausärztin Dr. Rheinberger in Vaduz brachte keine grosse Linderung. Sie empfahl mir, eine Operation durchführen zu lassen. Die Entfernung der Galle. Gallensteine hatte ich zwar keine, aber der Schmerz kam mitten in der Nacht und dies schnell und heftig. Eine Operation wäre nur unter Vollnarkose machbar. Es wäre meine erste Vollnarkose in diesem Leben. Ich hatte Angst davor. Ob man da wieder aufwacht? OK, Hans-Adam, die Regierung in Vaduz und einige der Leser, die Kunden der LGT Treuhand waren oder sind, wünschen sich jetzt vermutlich, dass ich nie wieder aus der Narkose aufgewacht wäre. Meine Operation war für den 20. oder 21.12.02 geplant. Alle meine Freunde und Bekannten und die im Spital wunderten sich, warum ich so kurz vor Weihnachten unters Messer, überhaupt ins Spital wollte. Mir war das egal, für mich waren dieses Jahr wahrhaftig keine Weihnachtsfeiern geplant. 161 Mein Antrag auf Verfahrenshilfe wurde am 04.12.02 für beide Fälle vom UR bewilligt. Das war immerhin somit geregelt. Aber dann wieder die STA. Verflucht noch mal. Obwohl sie nichts mehr mit dem 101er zu tun hatte und ihre Bücher geschlossen hatte, konnte sie es nicht lassen, mich weiterhin zu ärgern. Sie legte am 12.12.02 Beschwerde gegen den Beschluss des UR Dr. Meier ein, mir Verfahrenshilfe im Argentinienfall zu gewähren. Unglaubliche Frechheit! Ich bat den UR um Rat. Er sagte, obwohl die STA aus dem Spiel sei, habe sie trotzdem die rechtliche Möglichkeit ihren "Senf" weiterhin dazuzugeben. Deren zynische Logik, warum ich keine Verfahrenshilfe bekommen sollte, möchte ich meinen Lesern nicht vorenthalten: Die STA argumentierte auf vollen fünf Seiten, dass ich keine Verfahrenshilfe brauchen würde und erhalten sollte, da ich ja den Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung (101er) vom 22.11.02 auch selber geschrieben hätte, und daher als Subsidiarankläger "selbst zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Lage sei". Was für Quatsch. Wie soll ich, als Laie, fähig sein, einen kommenden denkbaren Kriminalgerichtsfall ohne einen Profirechtsanwalt an meiner Seite als "Kläger" durchzuführen. Was für Schwachsinn. Man erkennt, dass die STA alles versucht hat, um mir – der nun ohne die STA, alleine weiterkämpfen musste – das Leben schwer zu machen. Wo solches und anderes Verhalten seitens der Staatsanwaltschaft bei gepeinigten Opfern hinführt, konnte mal bald sehen. Ich hatte dann 14 Tage Zeit, um gegen diese Beschwerde eine Gegenäusserung zu machen, was ich dann auch später am 26.12.02 erledigt hatte. Je mehr ich über die Einstellung des 101er nachdachte, um so grösser wurden meine Enttäuschung, meine Trauer, meine Wut und mein Hass. Leider hatte ich niemanden ausser dem UR, den ich um Rat oder Hilfe bitten konnte. Aber meine Wege zu ihm waren auch schon ausgelatscht. Mir wurde immer klarer, dass all meine Schreiben an die Justiz und die STA, all meine Arbeit nichts genützt hatte. Und all ihre Fehler und Unzulänglichkeiten. Ich war und bin sicher auch nicht vollkommen fehlerfrei. Ich hatte keine Kraft mehr dafür, keine Kraft mehr Briefe aufzusetzen, Briefe, die eh keiner liest! Und das war auch Teil des Problem: keiner liest es, keinen kümmerte es, aber wenn es ums dicke Kohle geht, dann war und ist man in Vaduz schnell bei der Sache. Irgendwann hat alles ein Ende, dachte ich mir. Was mich noch am leben hielt, war das Ziel alle 162 am Verbrechen Beteiligten zur gerechten Strafe zu führen. Koste es was es wolle! Koste es was es wolle! So fasste und formulierte ich einen Plan und entschied mich als letzten Strohhalm bei Hans-Adam um Hilfe zu bitten. Mit den Daten, so war mir voll bewusst, hatte ich ein Machtinstrument in den Händen, womit ich sie alle zwingen konnte, mir endlich zuzuhören. Es waren äusserst schwierige und verrückte Wochen für mich. Ich musste viele Entscheidungen treffen: Was soll mit dem Datenband geschehen? Was mit den kiloschweren Originaldokumente? Wohin damit ? Soll ich es nutzten? Wie? Wann? Gesundheit: Wird die Operation gut verlaufen? Neue Wohnung: Noch nichts gefunden. Wohin umziehen? Daten? Welche Daten? Ach ja, bis anhin habe ich Euch noch nicht geschildert, dass ich in den Besitz aller Kundendaten der LGT Treuhand gelangt war. Wie bei so vielem in meinem Leben spielte der Zufall wieder eine grosse Rolle. Die nächsten paar Kapiteln in meinem Buch werden für Klarheit schaffen. Zufällig las ich zu jener Zeit auch irgendwo einen Spruch von KANT: "Er fordert den Einzelnen auf, sich immer wieder zu fragen, wie weit die eigene Freiheit – auch die zum Bösen – gehen darf, ohne die Freiheit der Anderen zu beschädigen". Wie greifbar ich dies auf meine Situation beziehen konnte, war schon "beängstigend und faszinierend". Bezeichnenderweise dachte ich dabei nicht nur an meine ehemaligen Arbeitskollegen, die ja nichts dafür konnten. Nein, ich dachte auch an die tausenden Kunden, deren Leben ich aus den Aktenvermerken kannte. Ich konnte mir gut vorstellen, was die über die finanziellen Konsequenzen hinausgehenden Auswirkungen sein könnten. Trotz der inneren Hektik ging ich ins Spital Vaduz und wurde erfolgreich operiert und am 22.12.02 entlassen. Die Vollnarkose war eine neue Erfahrung und meine grösste Angst dabei war, dass ich im Aufwachzimmer meinen "Plan" ausplappern würde. Mit den neuen Eigentümern der Wohnung konnte ich vereinbaren, dass ich alles sauber gereinigt erst am 06. Januar 2003 übergeben musste. Ich verkaufte mein Auto, verschenkte meine Möbel, löste den ganzen Haushalt auf, löschte 163 meine Bankkonten, mit Ausnahme des Kontos bei der auch nun berühmten LLB (Liechtensteinische Landesbank), wo ich noch am 03.01.2003 am Schalter einen Kontoauszug abholte. Weihnachten 2002 und die Neujahrstage verbrachte ich damit, die Wohnung zu reinigen und übergabebereit zu machen. Ich schlief viel und ging alles im Kopf noch mal durch. Natürlich war ich sehr traurig, dass alles soweit kommen musste. Ich erzählte meinen Freunden, dass ich ab dem 7. Januar 2003 für drei Monate oder so Ferien im Ausland machen würde. Der Stichtag für mich war der 7. Januar 2003. Der Brief und die Kassette waren fein säuberlich abgepackt. Als Beilage zum Brief habe ich noch einige Kopien der Gerichtsakten beigelegt. Das 3-D-Modell des Kerkers, dass ich 1998 für das Gericht habe bauen lassen, hatte ich bis anhin bei mir zu Hause aufbewahrt. Der UR war mit den Fotos davon und dem damaligen Begleitschreiben vorerst zufrieden und fügte er sie in den Akt ein. Ich erinnerte mich, wie der UR. Dr. Meier und ich uns 1998 bildlich vorstellten, wie man das 3-D-Modell in einem Kriminalprozess verwenden könnte. Das Modell verpackte ich zusammen mit einer Schuhschachtel (die ich auf die Holzplatte festklebte), gefüllt mit weiteren Akten und gab es am 04.01.2003 dem Taxiunternehmen Gabor mit dem Auftrag ab, es spätestens bis zum 08.01.2003, Punkt 11 Uhr hinauf zum Schloss an Hans-Adam zu überbringen. Gerne hätte ich auch Hans-Adam den originalgetreuen Nachbau der Eisenkette, samt Ring und Mauerstück zukommen lassen. Aber dieses Beweisstück lagerte (und lagert heute noch) im Keller beim LG Vaduz. Am Dienstagmorgen, den 7. Januar 2003, war ich um 09:35 in der LGT Bank in Vaduz, um mein letztes Konto dort aufzulösen. Dann ging es mit dem Linienbus weiter in meine Heimatgemeinde Mauren, im Liechtensteiner Unterland. Mit dabei hatte ich einen grossen Koffer (mit wenigen Kleidern und viel Originaldokumente drin), einen kleinen Koffer und meine Computertasche (mit dem Tape, der externen Harddrives und den DVD’s). Ehrlich gesagt war ich nicht ganz sicher, ob ich den Brief an Hans-Adam (siehe nächstes Kapitel) schlussendlich bei der Post aufgeben würde. Ich hatte grosse Skrupel. Ich kannte seine Familie sehr gut. Seine Mutter, Fürstin Gina hatte eine spezielle Beziehung zu mir. Sie kannte mich seit meiner Kindheit im Gamander in Schaan. All die Jahre über, bis zu 164 Ihrem Tod Ende der 80er hielt ich schriftlich Kontakt mit ihr. Ich vergesse nie die grosse Freude die sie hatte, als ich ihr in meinen Teenagerjahren selbst gemachten Apfelstrudel im Winter im Schnee zu Fuss über den Fürstenweg von Schaan ins Schloss brachte. Sie hatte so ein grosses Herz. Als ich einmal Anfang 1983 in Zürich strandete, rief ich sie an. Sie sagte, sie sei in zwei Tagen in Zürich und ich solle auf der Rückseite des HB Zürichs, beim (heutigen) Landesmuseum am Nachmittag auf sie warten. Und wahrhaftig, Fürstin Gina kam angefahren. Mit ihrem VW Jetta und wie immer voller Freunde am Leben. Ich konnte bei Bekannten von ihr in Schaan eine Weile bleiben, bis ich dann eine kaufmännische Ausbildung anfing und eine eigene Wohnung hatte. Hans-Adam kannte ich auch aus jener Zeit persönlich. Unbestritten war ich ein starker Anhänger der Monarchie. Das machte das alles nicht einfacher. Bis anhin ging alles gut. Niemand bei der LGT Treuhand hatte den Diebstahl des Datenbandes bemerkt. Während der Vorweihnachtszeit habe ich auch einige meiner ehemaligen Arbeitskollegen der LTV im Dorf getroffen oder sie kamen mich im Spital besuchen. Erst mit der unwiderrufbaren Aufgabe des dicken Briefes am Schalter bei der Post in Mauren würde das Unheil seinen Lauf nehmen. Jede Sekunde bis zu diesem Zeitpunkt hätte ich den Lauf der Dinge anhalten können. Der Transport des Kerkermodells zum Schloss hatte ich zwar schon organisiert und bezahlt. Aber selbst wenn ich dies nicht hätte stoppen können, wäre in jenem Paket nichts was mir hätte Ärger einbringen können. Langsam und schleppend war ich an der Bushaltestelle "Gemeindeverwaltung" in Mauren ausgestiegen. Ich zog die Koffer hinter mir her hoch zum Friedhof. Am Grab meines Vater hielt in inne und nahm Abschied von ihm. Ich war mir relativ sicher, dass ich nie wieder nach Liechtenstein oder an sein Grab zurückkommen könnte. Zumindest für einige Jahre nicht mehr. Vom Friedhof aus, hinten bei den Gräbern, kann man eine Steintreppe hinunter Richtung Post laufen. Dort angekommen, ich glaube es war zwischen 11 und 12 Uhr, bezahlte ich die Gebühr von ca. CHF 25,- für die eingeschriebene Express-Lieferung zu Hans-Adam auf sein Schloss Vaduz. Er würde den dicken Umschlag noch am selben Tag erhalten. Es war schon seltsam: Ich fühlte gleichzeitig eine ungeheuere Traurigkeit und auch Erleichterung darüber, dass der Argentinienfall wieder oben auf dem Stapel landen würde. Ich hatte noch einen zweiten Brief 165 abgeschickt. An UR Dr. Meier. Darin schrieb ich ihm kurz, dass ich unter allen Umständen an meinem Antrag zur Weiterführung der Strafuntersuchung gegen Helmut & Co. festhalten wollte und würde, komme was wolle. Im Brief waren auch neue Beweise, die ich aus Spanien per Post erhalten hatte und selber ins Deutsche übersetzt hatte. Ich bat ihn höflich, diese Unterlagen zu kopieren und im 101er, 140er und im Akt des Zivilverfahrens abzulegen. Ich wartete auf den Linienbus nach Feldkirch, der mich zum Bahnhof bringen sollte. Da angekommen, lief alles genau nach Plan. Ich kaufte mir für die kommende Zeit genug Euros und nahm den Zug nach München. Dort, in einem alten, staubigen aber gemütlichen Imbissrestaurant gegenüber dem Hauptbahnhof sass ich in einer Ecke, all meine Koffer festhaltend und ass etwas kleines, um die Zeit bis zur Zugabfahrt nach Berlin totzuschlagen. Berlin, Hauptstadt Deutschlands. 166 Kapitel 7 Dicke Post für Hans-Adam Es war wirklich kein einfacher Entschluss, mich an Hans-Adam zu wenden, ihm einen Brief zu schreiben. Ich war aber in höchster Wut über all das, was ich in den vorhergegangenen Jahren erleiden musste. Mein restliches Blut hatte den Siedepunkt erreicht. Es hat sich alles aufgestaut und nun war es Zeit, den Dampf gehörig abzulassen. Während des ganzen Monats Dezember 2002 feilte ich am Text des Briefes und an den Worten für die Kassette. Gewiss, ich habe meine Hausaufgaben gut gemacht. Ich hatte alles bis ins kleinste Detail nachgeforscht, überlegt und ausgearbeitet. Es war mir klar, dass ich mit dem Absenden des Briefes eine Sprengladung scharf machen würde, deren explosive Legierung die hohen Finanz-Herren mit ihrer gigantischen, ausgeprägten Liechtensteiner Geldgier, Arroganz, Ignoranz und Machtbesessenheit vor Schreck erstarren lassen würde. Sozusagen eine Art Fürstentum Liechtenstein-Neutronenbombe. Ich musste auf alle möglichen Gegenschläge seitens Hans-Adams vorbereitet sein. Ich war ja, wie immer, nur eine Ein-Mann-Truppe. Er hingegen hatte alle nur vorstellbaren staatlichen sowie privaten Mittel zur Verfügung, um Krieg gegen mich zu führen. Er hat nicht nur unbegrenzte Geldmittel in Milliarden Höhe und viel Macht, sondern auch die Macht, „die Macht zu missbrauchen‚! Der Originalbrief an ihn hatte über 38 Seiten. Ausserdem hatte ich zusätzlich eine persönliche Tonbandkassette besprochen und dem Brief beigelegt, weil es mir wichtig und richtig erschien, nebst dem gedruckten Wort auch in akustischer Form meinen Standpunkt, insbesondere die grosse Frustration zu darzulegen. Die gesprochenen Worte auf der Kassette beinhalteten praktisch identisch das Thema unter Punkt I. aus dem Brief. Für ganz wenige Stellen im Brief wurde mir aus verschiedenen rechtlichen Gründen und vereinzelt auch wegen Sicherheitsbedenken aufgetragen Originaltext/-Worte mit dem nachstehenden Ausdruck zu ersetzt: OT Entfernt. Ich bin sicher, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt die unverdeckte Version dieses Briefes veröffentlichen kann. Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr kleine Anmerkungen im Brief. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer mit „ Anm.: “ an. 167 kieber heinrich – liechtensteiner staatsbürger - im Januar 2003 An unseren regierenden Fürsten S.D. Hans-Adam der II. von und zu Liechtenstein und Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit und wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie wirklich die Zeit aufbringen würden, alles selber bis zum Schluss zu lesen. So wie man Ihre direkte Sprache kennt, will auch ich versuchen, ohne Umschweife kurz und bündig aufzuschreiben, was ich mitteilen möchte. Dieses Schreiben hat zehn Themenpunkte. Vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich habe Ihnen einen Grussbrief im Januar 2002 auf das Schloss gebracht und auch ein Glas einer Ihrer Lieblingskonfitüre – schwarze Kirschen. Ich bedanke mich für Ihre Antwort. Aber, ich bin es nicht mehr würdig Antwort- oder Grussbriefe von der Fürstenfamilie aufzubewahren; ich lege daher alle Briefe der letzten 15 Jahre gebündelt bei. Beiliegend zu diesem Brief hier finden Sie alle Unterlagen über ein brutales Verbrechen, dass mir im März/April 1997 in Argentinien angetan wurde und mein Handeln und Denken massiv geändert hat. Ein zweites Paket mit weiteren Dokumenten kommt Morgen, den 08.01.03 um ca. 11 Uhr per Kurier für Sie im Schloss an. Was immer jetzt in der Folge geschieht, niemand – auch Sie Fürst Hans-Adam – wird mich verstehen können, wenn man nicht die umfassenden Unterlagen, die SIE jetzt nun und morgen haben werden, studieren. Und um einen Weg aus diesem schwarzen Loch zu finden – muss man mich verstehen! Ich habe ein Gewissen und in diesem Fall ein sehr Schlechtes. Es tut es mir sehr, sehr Leid, dass es alle sehr hart trifft und noch härter treffen kann. Denn innerhalb der kommenden 2 Stunden werden Sie erschrecken; in den darauf folgenden 12 Stunden wird eine Wut aufkommen. Am nächsten Tag wird diese Wut sich immens steigern; innerhalb weniger Tage werden Sie mich hassen. So sehr hassen, dass selbst bei Ihnen - einem visionären Staatsmann und sehr guten Fürsten - das heimliche Verlangen aufkommen wird, mir den Tod zu wünschen: die Macht und das Geld dazu haben Sie ja – fehlt nur noch der Wille. 168 Nein, ich bin nicht verrückt! Trotz Ihrem Hass auf mich bitte ich Sie um Vergebung. Ich bin ein intelligenter Mensch und mein Handeln ist mir sehr bewusst. Meine Antriebskraft zu tun was ich getan habe, liegt in der Erniedrigung, der Demütigung, der Todesangst und in dem Schmerz der Folterung, die ich in Argentinien erleiden musste. Zusammengefasst erkennt man meine Motive in der Tonbandaussage* von meiner Anzeige bei der FL-Polizei vom April ’97 und in meinem Schreiben* an den Hauptverbrecher vom 24.02.2000. * = Kopie Beiliegend. Meine Antriebskraft zu tun, was ich tun werde, liegt in der Unfähigkeit / Weigerung der FL-Staatsanwaltschaft Anklage gegen die bekannten Täter zu erheben. Dass SIE Durchlaucht diesen Brief samt den Unterlagen in den Händen halten, liegt daran, dass ich von der FL-Justiz, insbesondere von der Staatsanwaltschaft trotz der erdrückenden Beweise und massiver Widersprüche seitens der Beschuldigten billig im Stich gelassen worden bin. Da meine Aufführungen diesbezüglich über 400 Seiten füllen würden und ich schon in den letzten sechs Jahren hunderte Seiten voll von Anträgen, Analysen und Aussagen etc. an die Justiz geschrieben habe, habe ich für Sie Vollmachten (vermutlich bräuchten Sie gar keine) für die volle Aktensicht beigelegt. Eine kurze Zusammenfassung mit meinen konkreten Klagen habe ich mittels meines Rechts auf freie Meinungsäusserung auf beiliegende Kassette (Seite A) gesprochen. Ich bitte Sie, die Kassette abzuspielen und mehrmals abzuspielen und zuzuhören! Danke. Ich habe von allen Unterlagen, die ich zu selber zu Hause hatte, elektronische Kopien erstellt und übergebe Ihnen als Beilage (zu diesem Brief und im Paket) alle meine Papierkopien. (gez.) h. kieber beilagen: erwähnt Die Zeichnungen auf den jeweiligen Rückseiten der zehn Themen sind Fotokopien der drei Kohle-Bilder aus dem 101er Akt, die ich extra dafür zeichnen lies. 169 I. Gerechtigkeit Einschliesslich an meine Ausführungen auf der beiliegenden Kassette bitte ich Sie, Durchlaucht, als Oberste Instanz unseres Staates mir Gerechtigkeit zu ermöglichen. Ich will nicht das Recht beugen oder gar etwas zu meinen Gunsten erzwingen. Fast sechs Jahre habe ich jeden Tag gewartet, dass die Staatsanwaltschaft endlich etwas macht. Aber nichts geschah. Rückblickend bin ich überzeugt, dass man mich einfach im Glauben lassen wollte, es würde etwas geschehen. In den vergangenen sechs Jahren hatte die FL-Justiz viele aufgestaute Strukturprobleme zu bereinigen. So mussten Sie ja u.a. den Sonderstaatsanwalt Dr. Spitzer einsetzen. Mein Fall ist komplizierter als jene Fälle, die mit dem Finanzplatz Liechtenstein zu tun hatten/haben. Die Justiz musste wohl Prioritäten setzten. Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass wenn es um materielle Dinge (sprich GELD) geht oder wenn das Ansehen unseres Landes gefährdet ist, dann ist man fix und schnell. Wenn es ums Blut geht, wenn das Opfer ein niemand ist, dann, ja dann muss man warten, warten, warten. Mein Fall wurde einfach immer wieder nach hinten geschoben. Ein lästiger Fall; mit Tätern aus Spanien, Deutschland und Argentinien, mit Tatorten in Argentinien, Vaduz & Feldkirch. Es ist traurig und geradezu ironisch, dass ich mit nun solchen Mitteln meinen Fall in der ‚Prioritätenliste‚ nach vorne katapultieren musste. Mit der Zeit kam auch mir die Einsicht, dass mir wohl niemand im FL helfen will. Nach Argentinien zu gehen, dort wo die Haupttat geschah, um Anzeige/Anklage zu erheben, ist absurd, da sich dort die Gesellschaftsstrukturen im Stadium der Auflösung befinden. Seit langem frage ich mich, wer mir helfen kann. Ich, ein kleiner Mann, mit einem Schmerz und Hass so gross wie der Ozean. Obwohl ich nicht will, dass der Hass auf die Verbrecher mich in meinem Tun leitet, kann ich es nicht abbauen. Nach der grössten Demütigung, die ich im Kerker in Argentinien erfahren musste, hat mich vor allem die gemeine Demütigung, der mich im grossen Stil der Richter Uwe Oehri bewusst ausgesetzt hat, indem er meine Folterer (Herr und Frau R.) wie Sieger über meinen 170 Geist und Körper hat auftreten lassen, zu Mitteln greifen lassen, derer ich mich schäme. DREI mal musste ich diese zusätzliche Demütigung ertragen. Ein Mal sogar, ohne meinen Anwalt, weil dies der LR U. Oehri so wollte. Der Einzige, der zu mir stand (nebst meinem Anwalt Dr. Burkart HIRN) war der Landrichter Dr. Paul MEIER. Aber ihm waren ja die Hände gebunden; so wie er mir sagte. Die STA ist ja die, die dem UR zu beauftragen hat. Alle Beteiligten wissen, dass ich nie und nimmer beweisen kann, warum die Richter oder die STA dies oder jenes unterlassen haben zu tun. Ich bin ein niemand. Die betroffenen Richter werden sagen, ich sei nur beleidigt, dass ich nicht gewonnen habe. Aber so einfach ist das nicht. Hätten sich die Richter die Mühe gemacht, die Beweise und vielen, vielen Widersprüche der Kläger samt deren ‚Zeugen‚ wirklich zu lesen und zu analysieren, dann wären sie zu einem anderen Urteil gekommen. Es würde mich nicht wundern, wenn durch den ständigen Informationsaustausch zwischen den Richtern im Zivilverfahren und der STA eine Art Absprache, sprich Vorverurteilung, stattfand. Die STA wusste immer vor mir wie wann, wo, was, das Zivilgericht entschieden hatte, obwohl sie mit dem Zivilprozess gar nichts zu tun hatte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass durch das Urteil in der Zivilsache die STA „praktischerweise‚ den Fall 10 Vr 101/97 elegant killen konnte. Und damit ist Liechtenstein ein teurer, komplizierter, langwieriger Fall erspart geblieben. Insbesondere hat sich der Staatsanwalt F. Haun einen Haufen Arbeit erspart. In früheren Telefongesprächen und einmal persönlich im Gerichtsgebäude sagte mir Haun ständig, dass er mich verstehe und er an der Anklage arbeite. Viel früher, kurz nachdem er den Fall vom Oberstaatsanwalt Dr. R. Wallner zugeteilt bekam, sagte er mir am Telefon, dass er in ca. zwei Monaten die Anklage erheben kann. Seitdem sind über zwei Jahre vergangen. Mir geht es nicht um das Geld! Das gesperrte Geld in Feldkirch ist und bleibt mein Eigenes. Daran ändert auch ein erstes Urteil zugunsten der Verbrechers Helmut R. nicht. Durchlaucht, Sie sind ein bekennender Anhänger der Selbstbestimmung. Ich habe diese Selbstbestimmung in mich aufgenommen und erkannt, dass ich selber für eine gerechte Verurteilung der Verbrecher sorgen 171 muss. Ich bitte Sie daher, analog zu anderen Fällen, einen Sonderstaatsanwalt zu ernennen, der sich intensiv mit dem ganzen Fall befasst und die Befugnis erhält, gemäss dem Gesetz zu agieren und ein ausserordentliches, unabhängiges Richtergremium zu ernennen, das sich dem Zivilfall annimmt. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich will nicht, dass ein Unglück über die LGT und FL-Finanzwelt hereinbricht, aber eines ist für mich klar: Wenn Akt 10 Vr 101 /97 so enden und 10 Vr 140 /97 so starten soll, wie es sich Haun jetzt erdacht hat und wenn die schlimmsten Verbrecher R. + Co. auch nur einen EURO von meinem gesperrten Geld in Feldkirch ausbezahlt (offiziell oder im geheimen) erhalten sollten, ohne dass ein Sonderstaatsanwalt und/oder ein ausserordentliches Richtergremium in den Fällen nach neuer Untersuchung ein neues abschliessendes Urteil fällen konnten, dann werde ich mich für Hilfe an die USA und Deutschland wenden. Warum ich der festen Überzeugung bin, dass mir die USA sowie Deutschland helfen werden, zeige ich Ihnen in den folgenden Kapiteln im Brief auf. Ich habe in Liechtenstein all meine Strukturen aufgelöst: meine Arbeitstelle hatte ich gekündigt, aus der Mietwohnung bin ich ausgezogen und meinen Hausrat aufgelöst. Mit all meinen sozialen Kontakten habe ich gebrochen u.s.w. Ich bin jetzt in Deutschland. Wenn ich etwas nicht habe, dann ewige Zeit! Verdammte lange sechs Jahre habe ich gewartet, gehofft und meine ganze Energie in die Verfolgung der Verbrecher gesteckt – es soll jetzt keiner kommen und sagen; ... wir brauchen Monate....... Auf Grund der besonderen Umstände kann und werde ich nur bis Ende Januar 2003 warten, um zu erfahren, ob überhaupt was gemacht wird. Sie und Ihre LGT können ja gar nichts dafür. Das Schicksal will es, dass Sie nun doch involviert werden. Dass der Zeitpunkt auch noch mit Ihrem erbittertem Abstimmungskampf über die neue Verfassung im FL und der Neuorientierung Ihrer LGT Gruppe in 172 Deutschland zusammen fällt, tut mir leid. Es gibt aber keinen ‚passenden‚ Zeitpunkt. Ich bin fest entschlossen alles, alles, alles in meiner Macht und Unmacht stehende zu tun, um meine Folterer zur Strecke zu bringen. Wenn der Staat Liechtenstein mir wirklich hilft, dann gut. Wenn der Staat aber nicht fähig ist, seinen Bürgern gemäss dem Gesetz und den Auslegungsmöglichkeiten des Gesetztes zu Gerechtigkeit zu verhelfen, dann bleibt dem Bürger nichts anderes übrig, als das Selbstbestimmungsrecht in die Hand zunehmen und sich an Andere (in diesem Fall andere Länder) zu wenden, von denen er glaubt, dass Sie ihm helfen können. Ich bin mir bewusst, dass eine Katastrophe über die LGT, seine Kunden und Liechtenstein hereinbrechen kann. Ich weiss auch, dass ich am Ende die Zukunft für mein Leben verloren habe. Diesen Preis bin ich gewillt zu bezahlen, wenn ich meine Folterer der verdienten Strafe zuführen kann. II. LGT Treuhand Anm.: Es folgt eine Beschreibung der Umstände, wie es dazu kam, dass ich bei seiner LGT Treuhand arbeitete und später selber kündigte: OT Entfernt. Dann….. Ich bitte Sie, keine personellen Konsequenzen bei der LTV zu ziehen. Meine ehemaligen Chefs und MitarbeiterInnen können nichts dafür. Es liegt natürlich in Ihrem Ermessen, wer alles von diesem Drama in der LGT-Gruppe erfahren soll. Bitte beschränken Sie den Personenkreis bei der LTV und LGT auf das absolute Minimum. So kann keine Unruhe entstehen und mit Gottes Hilfe wird das Unglück abgewendet. Vielen Dank. III. DLT- Backup-Tape (Anm.: Das vollständige Kunden-Datenspeicherband) Im vergangenen Jahr erschienen immer wieder neue Artikel über die Probleme von Dr. Dr. Herbert Batliner in den Medien. Dort hatte ein ehemaliger Mitarbeiter vor Jahren eine CD-Rom mit 173 Angaben über sein Kunden sowie deren Vermögenswerte von ca. 400 Gesellschaften entwendet und dem SPIEGEL zugesandt. Die deutschen Steuerbehörden haben in der Folge mehrere hundert Steuerstrafprozesse eröffnet und nach eigenen Angaben bis heute ca. 300 Mio. (DM) an Nach- und Strafsteuern einkassiert. Auch unter uns Mitarbeitern bei der LTV wurde darüber diskutiert. Was wären die Konsequenzen, wenn es in der LTV passieren würde? Jemand hat gesagt, welch ein Instrument dies wohl wäre, wenn man solche Daten in den Händen hält. Irgendwann im letzten Jahr habe ich zufällig mitbekommen und erkannt, wie relativ leicht es wäre an eines der zwei täglichen Tages-Backup DLT-Tape der LTV zu kommen. Jede Nacht wird bei der LTV im Serverraum (2.OG) via CP360-62 das komplette System, alle Programme und alle Daten (MASTER + DOCUWARE), auf Raid5-Bereich 2 (f:SQL_Backup) gesichert, sprich gespeichert. Das Tape (aus CP TL891) wird dann jeweils von der IT Abteilung beschriftet und im kleinen Datentresor aufbewahrt. Die Bänder werden üblicherweise mehr als 1 x für diese Aufgabe verwendet. OT Entfernt. Aus den Gründen, die ich im Punkt I. (Gerechtigkeit) erklärt habe, habe ich ein solches DLT-Tape an mich genommen. Zum Zeitpunkt der Entnahme, sprich Diebstahl des Bandes wusste ich aber noch nicht ob ich die Daten je missbrauchen würde. Ich wusste auch nicht, ob die Daten verschlüsselt sind. Vermutlich schon, so dachte ich mir. Ich habe dann ein gebrauchtes, externes DLT-Laufwerk gekauft um die Daten überhaupt lesen zu können. Zu meiner völligen Überraschung stellte sich heraus, dass die Backup-Daten nicht verschlüsselt auf dem Tape gespeichert wurden. Nicht ganz einfach, aber mit der verwendeten BackupSoftware OT Entfernt kann man die Daten lesbar machen. Aus dem Inventory DOCUWARE sind alle Dateien im TIFF-Format mit MS-Software lesbar, da DocuWare ein so genanntes selbsttragendes Archiv ist und daher keine spezifische DocuWare-Software (Zugang) zum Lesen der Daten erforderlich ist. Im DocuWare auf dem Tape sind über 1'159'000 Mandatsspezifische (Kunden-) Dateien gespeichert. Da alle DLTTapes der LTV eine fortlaufende Serienproduktionsnummer des 174 Herstellers auf der Rückseite haben, können Sie feststellen, dass Ihnen das TAPE mit folgender Serie-Nummer fehlt: 122054 SH207F822 86. Anm.: Ich habe dem Brief Fotos des DLT-Tapes beigelegt, worauf klar die Seriennummer und andere Details ersichtlich waren, wie z.B. die interne ITMarkierungen. Der Datums-Kleber, der angibt, von welchem Tag das Back-UpTape stammt, habe ich aber vorher entfernt, sodass man nicht genau feststellen konnte, bis zu welchem Tag ich alle Daten hatte. Dies aus strategischen Gründen (siehe auch am Ende dieses Buchkapitels). ORIGINAL-DOKUMENTE: Wenn es zu der Notwendigkeit kommt, wo ich die Hilfe der USA oder Deutschland oder anderer betroffener Länder erbeten muss, um die Verbrecher zu bestrafen, wird vielleicht die LGT zu Behaupten versuchen, ich hätte nie dort gearbeitet; obwohl ich mit Arbeitsvertrag und Lohnzahlungen (ganz abgesehen vom DLT-Tape selber) es widerlegen kann, habe ich zum Beweis, dass ich sehr wohl dort gearbeitet habe, gezielt Originaldokumente ‚ausgeliehen‚. Sie stammen aus dem Städtle 28: div. Archive (Raum G1346, 3. OG // Raum G1851, 1. UG). Zum Raum G1346 wurde ich jeweils auf Grund meiner Arbeit hineingelassen. Und Städtle 18: Raum 704/705 A + B. s sind drei Arten von Originalen: A) AUS- oder EINzahlungsbelege (BX= Belegexemplar) vom Kassenschalter der LGT (vereinzelt von Fremdbanken) mit zusätzlicher Empfangsunterschrift (und Fingerabdrücke) des wirklichen Wirtschaftlichen Berechtigten. Aufgeteilt in Total in CHF: Auszahlungen CHF 334'203'000. - // Einzahlungen CHF 212'331'000.-. Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend aufgerundet. OT Entfernt B) Unterlagen über EIN- oder AUSzahlungsausführungen des UFF- und IBEX-Trust an 26 externe Stiftungen zwischen Dezember 1988 und Dezember 2000. Total in CHF 6'784'183'000.OT Entfernt. 175 C) Diverse Originale mit Kundenunterschrift. Über den Inhalt dieser Originale möchte ich vorerst nichts sagen. Alle Originale (A,B + C) dienen nur zur Beweiskraft. Es sind keine Wertdokumente (wie z.B. Aktienzertifikate oder Zessionen) darunter. Nach erfolgreichem Abschluss werde ich Ihnen alle Originaldokumente vollumfänglich retournieren. Anm.: Auch hier habe ich Fotos (von ausgewählten Einzeldokumenten) im Brief beigelegt. Es waren ca. 2’150 Einzeldokumente: 85 % davon im Format DIN A5, der Rest A4. Bei den Dokumenten unter „B)“ handelt es sich um einen grossen Europäischen Konzern, der für die Gewinnausschüttung von über 6,7 Milliarden(!) CHF zwischen Dez. 1988 und Dez. 2000 faktisch eine geheime Doppelbuchhaltung führte, um diese kolossale Summe an diverse Personen via 26 verschiedene Stiftungen über komplizierte Umwege steuerfrei zukommen lassen zu können. Jene Stiftungen wurden aber nicht von der LTV verwaltet, sondern von anderen Liechtensteinischen Treuhandfirmen. Die LGT Bank fungierte als Gelddrehscheibe und die LGT Treuhand stellte ihr Fachwissen für die Abwicklung über die 2 genannten Trusts zur Verfügung. IV. Übersicht Kunden und deren Vermögen Nach Auswertung aller Daten aus dem DLT Tape, besitze ich alle Unterlagen über Gründungen, Auftraggeber, Wirtschaftliche Berechtigte [WB oder BO], Beistatuten, LTV- u. LGTSorgfaltspflichtdokumente, Bank- und andere Vermögenswerte (Immobilien, Schiffe, Patente, Bilder etc.), Barein- u. Auszahlungen, Transfers, Aktenvermerke u.s.w. von Total 3929 verschiedene Gesellschaften (Stiftungen, Anstalten, AG, Trust etc.), die in Vaduz registriert sind. Inklusive die mehreren hundert Mandate der LGT Treuhandbüros in Zürich & Lugano (sowie der OT Entfernt). Sowie Kopien von über 105 (Leichen-) Mandate aus dem alten Vaduzer Archiv. Alle diese oben genannten 3929 (Schwarzgeld)-Briefkastenfirmen haben / hatten genau 8655 verschiedenen Einzelbankkonten. Davon 7834 Bankkonten bei der LGT Bank und 821 Bankkonten bei Fremdbanken (z.B. OT Entfernt etc.). 176 Aktueller Stand der Bankvermögenswerte aller obigen Konten (2001/02): CHF 7'160'844'000.- (davon liegen 5'682'296'000.- auf Konten bei der LGT Bank und CHF 1'478'548'000.- bei Fremdbanken). Höchststand gemäss Unterlagen: CHF 9'866'237'000.-(davon 8'023'504'000.- bei LGT Bank und CHF 1'842'733'000.-- bei Fremdbanken). Hier nicht eingerechnet sind die CHF 6'784'183'000.-- Ein/Auszahlungen, die für den UFF- und IBEX-Trust über die LGT Gruppe zwischen Dez. 1988 bis Dez. 2000 gelaufen sind. (Siehe "Original-Dokumente" unter Punkt IV.). Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend CHF aufgerundet. Genau 5828, mehrheitlich natürliche Personen sind / waren für diese 8655 Einzelbankkonten der 3929 Gesellschaften als Erstbegünstigte / Wirtschaftlichen Berechtigten registriert. In 46 Fällen sind Politisch Exponierte Personen (PEP) involviert. Zusätzlich habe ich in verschiedenen Listen genaue Personenangaben (Aktenvermerke) über weitere total 207 Interessenten gefunden, die aber nach dem 1. oder 2. Besuch/Gespräch nicht eine Kundenbeziehung mit der LGT eingegangen sind. Davon waren 68 aus OT Entfernt, 41 aus den OT Entfernt, 56 aus der OT Entfernt, 18 aus OT Entfernt und der Rest aus diversen Ländern. 1 x ging es um eine Umgehung des US-Embargos gegen den IRAK. Gemäss internen Angaben wollten diese 207 Interessenten Total CHF 517’000’000.‚Schwarzgeld‚ als Neukunden bei der LGT deponieren. Anm.: Es folgte eine vollständige Länderliste (Total 82 verschiedene Ländern) mit der jeweiligen Anzahl von Stiftungen, Anstalten u.s.w. (nicht die Anzahl involvierten Personen, die immer höher ist). Eine Auswahl: Deutschland über ca. 1400 Stiftungen/Anstalten etc., Österreich über 350, Schweiz über 700, U.K. über 450, USA über 600 , Kanada über 280, Italien über 390, Frankreich über 195, Spanien über 220, Beneluxländer über 230, Skandinavischen Länder über 195, Osteuropa (incl. Russland) über 150, Südamerika über 135. Das Total aller Stiftungen u.s.w. aller Länder ist grösser als die Zahl „Total Gesellschaften“ (3929), weil es einige Gesellschaften gibt, die eine Verbindung z.B. nach Deutschland und nach Österreich haben, und daher einmal in der Zählung Deutschland und einmal in der Zählung Österreich erschienen. 177 V. USA Wenn mir Liechtenstein nicht helfen kann, meine Folterer zu gerechten Strafen zu verurteilen, werde ich mich zuerst an die USA wenden. Warum glaube ich, dass die Amerikaner mir helfen werden? In den USA gibt es spezielle Gesetzte, die einer Verurteilung von Tätern selbst dann ermöglicht, wenn die Tat im Ausland geschah und keine der Involvierten Personen US-Bürger ist. Zudem gibt es den US Patriot Act of 2001 (26.OCT). Ich behaupte nicht, dass die LGT (bewusst) irgendetwas mit Terrorismusfinanzierung oder dergleichen zu tun hat. Ich bin mir aber sicher, dass bei denjenigen Kunden der LTV, die selber Iraner, Iraker sind oder aus anderen arabischen Ländern kommen, oder andere Nationalitäten besitzen und mit Iran, Irak oder anderen terrorismushelfenden Staaten Geschäfte machen, werden sie genauer unter die Lupe (d.h. amerikanische Lupe) genommen, US-Gesetzes-Verletzungen zum Vorschein kommen werden. In den über 645 Gesellschaften der LTV hat es Verbindungen mit den USA; sei es weil der Settlor, WB/BO, Protektor, Beirat etc., US-Bürger oder Greencardholder ist, oder grössere Zahlungen an US-Personen im Ausland getätigt wurden oder Transfers über die USA liefen. Bei drei Gesellschaften sind nach meinen Daten PEPIndikatoren da, obwohl keine PEP-Formulare ausgefüllt wurden. Bei allen involvierten Gesellschaften ist eine Verletzung u.a. des IRS-Code 1957 und im geringeren Masse Code 1956 festzustellen. Zudem kann man feststellen, dass fast alle Gesellschaften gegen die US-Gesetzesvorlagen (IRS-Codes etc.) verstossen haben, die im Gutachten von OT Entfernt., alle N.Y., vom 30.08.2002 erwähnt sind. Zusätzlich sind weitere 41 Personen aus den USA als Interessenten bei der LTV registriert, ohne dass es zu einem Mandat kam. Zwei Personen sind Doppelbürger und als PEP zu deklarieren. Auch habe ich auf dem Tape interne Schriftsätze gefunden, die ganz deutlich die Wege aufzeigen, wie die Kundenberater der LTV die Kunden (alle Nationalitäten) beraten können, die sich gegenüber den US-Behörden (IRS) nicht Offenlegen wollen und dennoch US-Aktien und/oder insbesondere US-Immobilien weiterhin halten oder neue erwerben wollen, um so US-(Steuer)-Gesetze umgehen zu 178 können. Hauptsächlich wird empfohlen, dies mit einer Panama Gesellschaft zu tun. Solches Vorgehen der involvierten Stiftungs (SR)- oder Verwaltungsräte(VR) könnten die US-Behörden u.a. mit dem LAJOFP (Long Arm Jurisdiction Over Foreign Persons) verfolgen. Diverse Beratungen bei einigen Kunden stehen eigentlich auch im Gegensatz zu der heiligen Devise der LTV: ‚Keine Geschäfte mit dem oder im Steuerdomizil des Kunden‚. Also die eingesetzten SR/VR Geschäfte im Namen der Stiftung im Heimatland des Wirtschaftlichen Berechtigten tätigen: wo wir doch alle wissen, dass solche Aktivitäten wegen der Aufdeckungsgefahr hoch riskant sind. Verletzungen des (QUALIFIED Intermediary Status) QI-Status: Die US Steuerbehörde IRS hat die Liechtensteinischen „KenneDeine-Kunden‚- Regeln (KYC-Rules) am 28.02.01 bewilligt und zugestimmt und dem Land rückwirkend auf den 01.01.01 den QI Status erteilt. Die LGT hat am 07.03.01 das Gesuch für den Banken-QI-Status eingereicht und konnte ab diesem Datum provisorisch als QI handeln. Nach den ersten 2 Jahren wurde der QI-Status nochmals um 2 Jahre – bis Ende 2004 verlängert. Nun, nach Durchsicht aller Mandate mit QI-Angelegenheit die ich gefunden habe, kann man Verstösse feststellen und es wird die IRS interessieren, dass z.B.: ° bei 38 Stiftungen/ Anstalten noch nach der Ablauffrist vom 31.12.2001 der Kauf von US Aktien erfolgte, obwohl die erforderliche Dokumentationspflicht (W-9, W-8IMY oder W8BEN incl. beglaubigter Passkopie pro WB) nicht erfüllt waren. ° Bei einigen neuen Stiftungen/Anstalten der LTV im Kundenauftrag nach dem 01.01.2001 durch die LGT oder Fremdbank US-Aktientitel gekauft wurden, obwohl der Kunde OT Entfernt hat oder die LGT gemäss QI-Vertrag zwischen LGT & IRS ‚vergessen‚ hat, dies zu tun. ° Es eine kleine Anzahl Stiftungen/Anstalten (Simple/Grantor) gibt, wo der Wirtschaftliche Berechtigte US Steuerbürger ist. Es gibt/gab also Kundenbeziehungen mit Status ‚US-Persons‚ mit US-Aktientiteln im Depot, die gemäss QI-Vereinbarung hätten registriert sein müssen – es aber nicht sind. Dadurch unterläuft/verhindert die LGT automatisch die erforderliche, sporadisch, externe US-Buchprüfung für den QI Status, weil die 179 Prüfung nur für solche Konten gemacht werden kann, wo USPersonen als WB/BO registriert sind. D.h. Keine Registrierung = Keine Prüfung! Das würde den USA sehr sauer aufstossen! US-Verbrechen: Eine Auswahl von 6 Stiftungen der LTV zeigen gemäss AV, dass die/der WB selber in US-Crimes verwickelt waren oder es wurden Zahlungen getätigt, die US-Strafprozessen zuwiderlaufen. Beispiele: ° hat die LGT eine Struktur angeboten (damit sie nicht selber in die Schusslinie gerät aber dennoch mitverdienen kann), wo der WB als ehemaliger Firmenbesitzer, die er in den Konkurs getrieben hat, eine Benachteiligung der Gläubiger durchsetzen konnte. ° oder es werden Kundenbeziehungen aufrechterhalten, obwohl der Kunde wegen einem 50 MIO US$-Betrugs-Scam auf der Internationalen Watchliste steht. ° Die Amerikaner wird auch interessieren.... ~ wie ehemalige und tätige ausländischer Hohe Beamte so solch grosse Vermögen kommen. ~ oder das Mitglieder aus dem Familienkreis des früheren Diktators OT Entfernt Gelder bei der LGT liegen haben. ~ welche ausländische, diktatorische Herrscherfamilien wo, wie viel Geld und andere Werte bei der LGT Treuhand verwalten lassen. Diese hier auflisteten Beispiele sind nur eine Auswahl von vielen mehr, wo man verschiedenste Gesetzesverstösse feststellen kann, die weit über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (= Steuerhinterziehung) hinausgehen. Insbesondere kommt auch die die Organhaftung (seitens SR & VR) bei vielen Mandaten ins Spiel. VI. Deutschland Will mir Liechtenstein nicht helfen, meine Foltere hinter Gittern zu bringen, so wende ich mich nach den USA an die Deutschen um Hilfe. Warum sollte mir Deutschland helfen? Ich bin sicher, eine Deutsche Zuständigkeit ergibt sich auch dadurch, da der 180 Haupttäter im Argentinienfall, der Verbrecher Roegele ein Deutscher ist und der Lösegeldabholer Kroschel auch! Die 1409 Briefkastenfirmen, mit den Total über 2800 Erstbegünstigten (mit Deutschem PASS oder Nicht-Deutsche, die in Deutschland ihr Steuerdomizil haben) und die zusammen über 3 Milliarden CHF Bankvermögen haben, bilden die grösste Gruppe der LTV-Mandate (Aktive, Abgänge oder Löschungen). Abgesehen von den wenigen deutschen PEP’s, die als solche deklariert sind, hat ein Check von Kunden, die von ihrem Umfeld her (gemäss Gründungsaktenvermerk [z.B. Beruf, Vermögen, Ehepartner] oder späteren AV’s) etwas mit der Politik oder Wirtschaftspolitik zu tun haben könnten, in diversen Internetdatenbanken (z.B. bei politikus.de, spiegel.de u.s.w) erstaunliches hervorgebracht (24 Treffer). Fünf Beispiele: ~ ein Familienmitglied eines Anwaltes der OT Entfernt hat eine Stiftung der der LTV (Adresse des Anwalts stimmt mit der Adresse des EB im Formular überein) ~ eine ehemaliger Kommunal OT Entfernt, der der Korruption beschuldigt wird, hatte eine Stiftung bei der LTV. ~ Ein höherer OT Entfernt aus OT Entfernt hatte eine Stiftung bei der LTV. ~ Ein Mitglied der deutschen OT Entfernt-Stiftung ist Kunde bei der LTV. ~ Ein Kunde der LTV ist Mitglied der OT Entfernt OT Entfernt Alle hatten bzw. haben mal kleine, mal grosse Summen auf den Konten! Sind dies etwa OT Entfernt gelder? Einige aus Deutschland politisch wie wirtschaftlich heikle Mandate, die der LTV klar bekannt sind. Beispiele: ~ eine Gesellschaft, die als Off-Shore-Company für die mit politischem Klagelied in Konkurs gegangene PHILLIP HOLZMANN AG galt und US-Geschäfte tätigte, die sich als illegale Preisabsprachen bzw. Bestechung herausstellten (Gemäss AV) 181 ~ Eine eigene LTV-Gesellschaft tätigte eine Zahlung von etwas über DEM 5,6 MIO via Deutschland. Im AV schrieb der KB, dass die Zahlung eindeutig als Bestechungsgeld zu werten sei. ~ Der OT Entfernt Mann OT Entfernt hat seine Stiftung (die OT Entfernt Stiftung) bei der LTV via der im OT Entferntskandal federführenden OT Entfernt -Stiftung (bei OT Entfernt) über ein Konto bei der Fremdbank OT Entfernt gefüllt. Sind diese Gelder auch OT Entfernt gelder? ~ Des weiteren gibt es ein OT Entfernt Schwarzgeldkonto der OT Entfernt, die als Eigentum OT Entfernt identifiziert wurde. Der in mehreren AV’s offen geschilderten Hintergrund der Einzahlungen und Verwendungszweck der Auszahlungen werden OT Entfernt als massiv rechtswidrig eingestuft. Eine ähnliche Einrichtung, die ‚ OT Entfernt -Stiftung‚, wurde vor Jahren bei OT Entfernt ‚gefunden‚. ~ Über eine BVI-Company der LTV wurde eine Zahlung von US$ 10 MIO im Zusammenhang mit der ABB (Asea Brown Boveri) getätigt. Diese Zahlung ist als Bestechung leicht zu erkennen (da im AV schlecht verschleiert vermerkt). ~ den (politischen wie wirtschaftlichen) Chef einer der grössten Deutschen Staatsfirmen und Arbeitgeber und Inhaber einer sehr vermögenden LTV-Stiftung will ich hier erst gar nicht namentlich erwähnen. ~ Selbst der Französische Ölkonzern ELF, dessen OT Entfernt der OT Entfernt in Deutschland seit Jahren ein Skandal ist und neuerdings gemäss dem OT Entferntartikel in OT Entfernt auch die FL-Justiz beschäftigt, indem sie mehrere Rechtshilfegesuch nach Deutschland versandt hat, hat in den 90er bei der LTV eine Holding einrichten lassen, die ganz offensichtlich dazu diente Korruptionsgelder zu verteilen und zu waschen, die im Zusammenhang mit der Ölexploration stehen. ~ Auch im SPIEGEL Nr. 47 vom 18.11.2002 las ich ein Artikel (Seite 124+126) über div. dubiose Zahlungen rund um das Kirch182 Imperium in Deutschland. Ich habe mich an ein Dokument (‚Checkliste aussergewöhnlichen Transaktionen‚) mit Hinweis auf den Kirch Komplex eines Mandats auf dem Tape erinnert: der Name des WB steht zwar nicht im Artikel des Magazins. Aber die hastig gewünschte und dann ausgeführte Banküberweisung von über 2 MIO CHF (ausgerechnet in das Steuerdomizilland des WB - die USA), passt genau in das Schema der im Artikel aufgeführten Verschleierungstaktik. ~ Der extremste wirtschaftlich kriminelle (deutsche) Fall, den die LTV betreut(e) bzw. half abzuwickeln, ist jenes Mandat wo massive OT Entfernt sgelder auf ganz präzis ausgefeilten Wegen über mehrere Gesellschaften hier in Vaduz und in OT Entfernt an OT Entfernt OT Entfernt (und anderen Personen in dessen Umkreis) des grossen Deutschen OT Entfernt OT Entfernt gezahlt wurden. Mit dieser OT Entfernt wurde OT Entfernt. Auch viele andere Mandate zeigen offen Kriminelle Handlungen: z.B. Gläubigerbetrug (Mandats-Nummern: OT Entfernt), Kreditbetrug (OT Entfernt ), Subventionsbetrug (OT Entfernt), Geldwäscherei (OT Entfernt), Korruption (OT Entfernt) Schmiergeldzahlungen und Bestechungen (OT Entfernt). Es gibt hunderter weitere Deutscher Mandate, deren richtige & korrekte Interpretation der Aktenvermerke (Avs) und Zahlungsabläufe verschiedenste Gesetzesverstösse aufzeigen, die weit über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (= Steuerhinterziehung) hinausgehen. Z.B. solche LTV-Stiftungen, deren einzige Aktiva verschieden grosse Aktienpakete von an der Börse in Deutschland kotierten Gesellschaften sind. Manche der durch die LTV im Namen der Stiftung ausgeführten Transaktionen sind gelinde gesagt nicht gerade Kleinaktionärsfreundlich und verstossen eindeutig gegen diverse Gesetze. Oft dienten solche Transaktionen zur Vertuschung und Verschleierung der vom (Börsen-)Gesetz vorgeschriebenen Offenlegungspflicht bei Überschreitung eines definierten Prozentsatzes bezüglich Besitz von Aktien oder Börsenkapital oder bei vorgenommenen Aktienkkapitalschnitten. 183 Des weiteren haben sich namentlich 68 Personen aus Deutschland als Interessenten bei der LTV gemeldet, ohne dass es zu einem Mandatsvertrag kam (gemäss AV). Die Problematik einer FL-Stiftung im (deutschen) Steuer- und Strafrecht zeigen die Ausführungen von Dr. Rainer Spatscheck aus München, die auch auf dem DLT-Tape gespeichert sind. Auf dem Band findet man auch Aktenvermerke und Schulungsunterlagen für die Kundenberater, was dem vom Deutschen Fiskus festgestellten „Durchgriffsrecht‚ des WB/Stifters bei einer Stiftung mit Mandatsvertrag (STMM) entgegengesetzt werden kann: nämlich die STOM (Stiftung OHNE Mandatsvertrag). Wie die LTV in Zukunft mit Deutschland Kunden Geschäfte machen will, zeigt auch das NSL-Gutachten vom Sommer 2002. VII. Schutz-Identität Durchlaucht Fürst und Erbprinz, wenn Sie nun diesen Brief in den Händen halten, bin ich, hoffentlich sicher, schon in Deutschland angekommen. Selbstverständlich werden Sie verstehen, dass ich unter den nun vorliegenden Umständen nicht in Liechtenstein oder in der Schweiz auf eine Lösung warten kann. Obwohl gerade Deutschland als EU–Land eine „Gefahr‚ für mich darstellt, habe ich den Schritt gemacht, denn wäre ich nicht nach Deutschland gegangen, so würde gar nichts mehr gegen die Verbrecher geschehen. Dank dem Hauptverbrecher Helmut R. habe ich ja die Probleme mit Spanien. Ich bin mir der grossen Gefahr bewusst, dass ich evt. in Deutschland in eine Polizeikontrolle geraten kann. Ich versuche es zu vermeiden. Ich kann mich aber nicht 24 Stunden verstecken. Falls ich in eine Kontrolle gerate, wobei bei Ausländern meist ein Computercheck durchgeführt wird und die Deutschen versuchen würden mich festzuhalten, werde ich versuchen in eine US-Einrichtung (Botschaft oder Konsulat) zu gelangen. Gelingt mir das nicht, so habe ich keine andere Wahl, als die Deutschen über meinen wirklichen Grund des Aufenthalts aufzuklären, alle Daten auszuhändigen und um deren Hilfe zu bitten. 184 Um diesem Desaster zu entgehen gibt es nur eine Möglichkeit! Es tut mir Leid, dies zu verlangen, aber nur mit einer neuen temporären Schutz-ID werde und kann ich zum Schutz von Liechtenstein, der LGT und der tausenden Kunden aus aller Welt so lange in Deutschland warten, bis ich erfahre, zu welchem Urteil bzw. Bericht ein unabhängiger Staatsanwalt und unabhängiges Richtergremium gekommen sind. Bedingungslos vom Urteil oder Bericht bin ich dann bereit mich mit einer Vertrauensperson von Ihnen in Deutschland zu treffen, um einen Weg aus der drohenden Katastrophe zu finden. Ich bitte Sie daher mit beiliegenden Fotos von mir zwei gleichnamige FL Pässe auszustellen. Da der Name und das Geburtsdatum zufällig gewählt wurden, gibt es keine Verwechslung mit einer echten Person. Vor Ihnen verstecken kann und will ich mich ja mit diesem neuen Pass nicht, Sie kennen ja die Passdaten. Bitte beachten Sie aber, dass Sie es in der Hand haben, wer davon erfährt. Man wird Ihnen sicher raten, sofort die Polizei einzuschalten. Abgesehen davon, dass ich alle meine Verbindungen nach FL aufgelöst habe und weder dort noch arbeite noch wohne, möchte aber darauf hinweisen, dass der Chef der FL-Wirtschaftspolizei (EWOK) in Vaduz – die in diesem Fall sicherlich die Führung der Untersuchung haben möchte - ein DEUTSCHER ist. Er hätte sicherlich Interesse zumindest an den Deutschen Datenmenge. Selbst wenn alle Vorsicht geboten wird – irgendjemand (Sachbearbeiter, Sekretärin, Archivar oder Bote etc.) in der Justiz oder bei der Polizei in Liechtenstein oder sonst wo würde es ausplaudern. Zudem kann ich mit der Zusendung der neuen Pässe erkennen, dass Ihnen an der Lösung etwas liegt. Das ich um 2 Pässe bitte, liegt daran, dass ich einen Reserve-Pass brauche, wenn einer unbrauchbar wird oder verloren geht. Nach Ende, welches auch immer, werde ich Ihnen beide Pässe zurückgeben. Ich bitte Sie beide Pässe in einer Hülle in das beigelegte beschriftete Kuvert einzupacken und fest zuzukleben. Dieses Kuvert bitte wiederum in ein neutrales grosses A4 Kuvert geben. Auf diesem A4-Kuvert vorne bitte folgende Aufschrift anbringen: ‚Wird von Hr. Kieber abgeholt oder er lässt es abholen oder gibt telefonisch an wohin es weitergeleitet werden soll‚. 185 Ich bitte Sie das Kuvert einer Vertrauensperson zu übergeben. Diese soll damit entweder nach Feldkirch fahren und dort bei UPS Austria (Freecall Austria 0810-xxxxxx) abgeben, (Bitte nicht mit der UPS Schweiz senden, da dann der Zoll Einblick nehmen könnte) oder die Vertrauensperson soll das Kuvert persönlich in Frankfurt abgeben, damit es spätestens am Montag, den 13.01.2003, 14 Uhr dort ist. Empfänger ist die LGT Niederlassung Frankfurt*, Bockenheimer Landstrasse 107, z.Hd. Geschäftsführer oder Sekretariat, D- 60325 Frankfurt. Inhalt: Dokumente. * = ab dem 07.01.03 ist das Büro wieder besetzt. Die LGT Frankfurt sollte natürlich NICHT eingeweiht werden. Man soll nur telefonisch (0049 69 xxxxxxxx) mitteilen, das ein Kuvert für einen Kunden per UPS oder Kurier ankommen wird; man braucht auch keinen Ausweis vom Abholer einzusehen. Wenn evt. jemand kommt und nach dem Kuvert für Herrn Kieber fragt, soll man es einfach ohne UPS-Umschlag, aber im grossen A4-Umschlag, übergeben. Falls evt. Herr Kieber anrufen sollte, soll man bitte das Kuvert gemäss seinen Angaben weiterleiten. Kosten zu Lasten der LGT Deutschland. Sollten die Pässe nicht bis am Montag, den 13. Januar 2003 in Frankfurt sein, oder ein Kuvert zwar ankommen, aber kein oder nur ein Pass drin ist, so nehme ich an, dass Sie andere Pläne zur Lösung dieser Situation verfolgen. Dann muss ich keine Rücksicht mehr nehmen und werde sofort Hilfe bei den Amerikanern erbeten. Anm.: Ursprünglich wollte ich in diesem Punkt zwei einfache, sogenannte Identitätskarten von Hans-Adam verlangen, da sie eigentlich für meine Zwecke (eine andere, sichere Identität während meines Aufenthaltes in Deutschland) auch ausgereicht hätten. Nachforschungen meinerseits ergaben aber, dass die ID-Karten für Liechtensteiner Bürger von einer Spezialfirma in der Schweiz hergestellt werden und das Liechtensteiner Passamt sie von dort per Post bestellt. Dies kann bis zu 14 Tage dauern. Ich wusste aber, dass Hans-Adam selber (!) schnell Liechtensteiner Pässe drucken kann, unabhängig von der Regierung. Hans-Adam hat nämlich das absolute Recht, Ausländern jederzeit per Dekret die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft zu verleihen. Oder nach seiner Wahl (wovon er auch rege Gebrauch macht) Liechtensteiner Diplomatenpässe (zu 95 % exklusiv an seine eigene, grosse Familie) zu verteilen. Ich bat ihn um 186 zwei normale Pässe. Den Termin „13.01.03“ habe ich bewusst gesetzt, da ich Hans-Adam nicht zu viel Zeit geben wollte, diesen ersten Schritt zu machen. Mit zu viel Zeit, wer weiss auf welche „dummen“ Gedanken er und seine Truppe hätte kommen können. VIII. Datensicherheit Meine erste Idee war, alle brauchbaren kundenspezifische Dokumente komplett und verschlüsselt ins Internet zu stellen. Die grosse Datenmenge wäre technische kein Problem gewesen. Internetfirmen wie z.B. ‚xdrive.com‚ bieten solche Dienste an. OT Entfernt. Von dieser Version habe ich aber abgesehen, da ich nicht zu 100 Prozent ausschliessen kann, dass die involvierten ITSpezialisten evt. beim Installieren dennoch Einsicht in die Daten nehmen könnten. Einfacher und sicherer ist eine externe Harddisk (Festplatte). Sie kostet nicht viel, ist klein, handlich und einfach zu bedienen, da es als zusätzliches Laufwerk erscheint. Eine 20 GB Festplatte reicht mehr als nötig aus, um von allen Gesellschaften jene Kunden-, Vermögens- und Geschichtsdaten zu speichern, die notwendig sind, um eine Identifizierung und History zu ermöglichen. Ich habe mir 2 solcher ‚PocketDrives‚ gekauft. Die Daten auf diesen 2 externen Festplatten* sind mittels eines Verschlüsselungsprogramms (ähnlich dem Crypto-Suite von BHV, also 256 Bits nach AES-Standard) vor fremdem Zugriff absolut sicher. Zusätzlich habe ich mir dieselben Daten auf vier DVD-Rom’s* (je 4,7 GB) gebrannt. Den Computer, den ich für diese Vorgänge verwendet habe, war zu keiner Zeit am Internet angeschlossen; somit ist ausgeschlossen, dass je etwas ins Netz gelangen konnte oder Viren oder Spione sich eingenistet haben könnten. Das Original-LTV-DLT-Tape habe ich so belassen wie es ist (keine Verschlüsselung). Das Tape und all die Originaldokumente habe ich nach Deutschland trotz des hohen Risikos mitgenommen. Sie werden getrennt und werden sicher verwahrt. Die 4 DVD’s* habe ich auch mitgenommen und sie werden sicher aufbewahrt. Die 2 Externen Harddisks* habe ich auch 187 mitgenommen. Sie werden auch getrennt und an einem sicheren Ort aufbewahrt werden. Niemand kann jetzt ohne mein Dazutun weder an das Tape, die Originaldokumente, die DVD’s* oder 2 Externen Harddisks* kommen, noch ohne mein Dazutun die Daten lesen. Es sind VIER voneinander unabhängige Hürden zu nehmen: es braucht VIER unterschiedliche Komponenten, die - in der richtigen Reihenfolge - es ermöglichen, schlussendlich wirklich zu lesbaren Daten zu kommen. Wobei DREI der 4 Komponenten nichts mit Software oder hochtechnischem Zeug zu tun haben. Die VIERTE Komponente ist natürlich der 256 Bits-Verschlüsselungs-Schlüssel. Die DREI ersten Komponenten sind einfacher Natur. Sie haben nichts miteinander gemein. Damit kann ich zu 100 Prozent ausschliessen, dass wenn jemand – was eigentlich unmöglich ist durch widrige Umstände Kenntnis von einer der 3 ersten Komponenten erhält, falls er/sie überhaupt es als solche erkennt, zu den Daten gelangen kann. Das jemand nur schon 2 Komponenten ohne meine Angaben in den Händen halten kann, ist unmöglich. * = Auf diese Datenträger habe ich jene Mandate, die zu Ihrer fürstlichen Familie gehören (Schwester, Kinder etc.) sowie jene Mandate, die Prinz Philipp sowie seinen Schwiegereltern zugeordnet werden, nicht aus dem DLT-Tape rüberkopiert. Anm.: Irgendwie dachte ich mir, dass das Hans-Adam etwas besser schlafen könnte, wenn er weiss, dass ich all jene privaten Mandate der Treuhand, wo er und Mitglieder seiner grossen Familie persönlich Wirtschaftlich Berechtigte sind, nicht auf dem im Brief beschriebenen Datenträgern gespeichert hatte. IX. Meine Sicherheit Grundsätzlich möchte ich bekräftigen, dass ich kein Interesse habe, der LGT als Gruppe, den tausenden einzelnen Kunden und dem Finanzland Liechtenstein Schaden zuzuführen. Denn der Auswirkungen einer möglichen ultimativen Katastrophe bin ich mir bewusst: Immense Imageschädigung der LGT Gruppe weltweit - Eröffnung tausender Strafsteuerverfahren gegen die 188 Kunden - Rufschädigung des Finanzplatzes Liechtenstein Verlust von Kundengeldern in Milliardenhöhe Schadensersatzklagen gegen die LGT (analog wie bei Batliner) Einleitung verschiedener Strafverfahren, da ohne Zweifel viele der grossen Vermögen unrechtmässig erworben wurden (Korruption, Verbrechen, Betrug, Insiderhandel etc.) Gravierende Konsequenzen für viele einzelne Kunden (Job, politische Karriere) - politische Konsequenzen einiger OT Entfernt-Parteien - Die vielen Möglichkeiten der Amerikaner will ich erst gar nicht erwähnen u.s.w. ... Und das alles wegen einer handvoll Verbrecher aus Deutschland, Spanien und Argentinien. Sicherlich, der Auslöser werde ich sein, aber die Verantwortung trägt die FL-Staatsanwaltschaft, LR U. Oehri, zusammen mit den Verbrechern. Ein kleiner Teil des Schutzes der LGT (Daten) und Liechtensteins ist auch mein Schutz (sollte mir diese Schutz-ID verweigert werden, dann muss ich keine Rücksicht nehmen und werde selber mit den Daten samt den Originaldokumenten mich bei den Amerikanern melden). 1. Sollte man mir während meiner Entgegennahme des Kuverts mit der Schutz-ID oder bei einem späteren Treffen eine Falle stellen, so müssen Sie wissen, dass ich jeweils für diese und andere Zeiten die zweite externe Harddisk bei mir tragen werde. Dann übergebe ich eine Harddisk sofort und führe die deutschen Steuerbeamten zu den Originaldokumenten. 2. Oder sollte man mir bei diesen zwei Gelegenheiten (Schutz-IDAbholung) oder bei einem späteren Treffen eine Falle ‚privater Natur‚ stellen, also Sie mich z.B. Privat schnappen wollen, so teile ich Ihnen mit, dass ich mich sehr gut zu wehren weiss. Sollte dies alles nichts bringen und mich nicht schützten, so nützt es Ihnen auch nichts, denn ich habe es so eingerichtet, dass ich ohne meine physische Präsenz Dritten den Zugriff wahlweise, obwohl räumlich / geographisch getrennt, auf Alles (DLT-Tape, Originaldokumente, Externe Harddisk und die DVD’s) oder auf einzelne Datenträger gewähren kann. Ich aktiviere einen vorbereiteten zeitlich programmierbaren E-Mail-Versand. In 189 einer ersten E-Mail (Text in Englisch und Deutsch) beschreibe ich wer ich bin, was ich habe und meine Gründe warum es tue. Die Liste der Empfänger sind: askDOJ@usdoj.gov (for the US-Ambassador in Berlin MR Daniel R. Coats or 2nd in charge MR Terry.R.Snell), zentrale@bundesnachrichtendienst.de (für Dr. August Hauning), info@bka.de, poststelle@bmf.bund.de (für Finanzminister Hans Eichel), spiegel@spiegel.de (für Stefan Aust), aizenmann@washpost.com (for Nurit Aizenmann, Washington Post, US) redaktion@nzz.ch (für Hugo Bütler, CH), editor@sundayherald.com (UK), business@ thetimesco.uk (UK), synd.admin@ft.com (Financial Times UK), money.editor@guardianunlimited.co.uk (The Observer,UK), cmeier@gujba.com (Gruner+Jahr, D), wirtschaft@myfaz.net (FAZ, D), info@bild.t-online.de (D), mm_redaktion@managermagazin.de (für Dr. Wolfgang Kaden, D), radaktion@profil.at (für Dr. Robert Buchacher, OES.) patrikdaniel@sph.com.sg (The Business Times, SIN), stworld@cyberway.com.sg (The Straits Times, SIN), info@scmp.com (to the editor of the South China Morning Post, HK) marcello.sorgi@lastampa.it, info@lemonde.fr (to Boris Razon, Fr), Philippe.Reclus@ lefigaro.fr (Fr), letters@iht.com (Intern. Harald Tribune). Die Behörden in den USA und Deutschland sowie Der SPIEGEL = die ersten 5 Adressen in obiger Liste - erhalten auch eine zweite E-Mail, dessen Versand-Zeitpunkt auch programmierbar ist. Darin teile ihnen zusätzlich mit, wie sie über die 4 Komponenten direkt an die (lesbaren) Tapes und die Originaldokumente kommen: die USA an die erste externe Harddisk und Originaldokumente, die Deutschen Behörden an die zweite externe Harddisk und der Spiegel an die 4 DVD’s. Der Zeitpunkt des Abschickens beider E-Mails habe ich so gewählt, dass ich bis zu „xy‚- Minuten nach dem kritischen Zeitpunkt die Möglichkeit habe, die E-Mails zu stoppen. Zudem habe ich noch eine Sicherheitsstufe (Schlüssel der verschlüsselten zweiten E-Mail) eingebaut, um versehentliches Senden zu 190 unterbinden. Der verwendete Provider ist aus Taiwan und ist daher (frei von fremdstaatlicher Kontrolle) völlig unabhängig. Die Formel ist einfach: Werde ich während ich auf einen Schlussbericht eines Sonderstaatsanwaltes und eines Richtergremiums warte und das Resultat bei einem Treffen in Deutschland vorgelegt bekomme, nicht in Ruhe gelassen, dann werde ich zum Bluthund von Liechtenstein. Wenn ich schon keine faire und rechtsstaatliche Gerechtigkeit bekomme, dann sollen wenigstens all die verschiedenen Länder (gemäss Liste unter Punkt IV.) ihre (Steuer-) Gerechtigkeit bekommen!! Amen und Ende. Es widerstrebt mir sehr, und die Vorstellung der Kettenreaktion ist grausam; aber was habe ich zu verlieren? Habe ich nicht heute schon alles verloren? Muss eine solche Katastrophe passieren, bis man in Liechtenstein zum Minimum von Grundrechten kommt? Offensichtlich JA. X. WIE WEITER & Kontaktmöglichkeit Ich bitte Sie und Ihren Erbprinzen die Angelegenheit nicht einfach wieder den alten Behörden zu delegieren – das führt zu nichts! Ich bin aber auch nicht in einer Position, Ihnen mitzuteilen, an wenn Sie sich wenden sollen, aber mit Ihnen sind es jetzt zwei Personen (Sie und ich) die von diesen Unterlagen erfahren haben. Mein Anwalt ist nicht informiert. Auf der einen Seite verstehe ich ganz klar, wenn Sie sofort den Henker rufen. Das Bedeutet, Sie alleine haben es ab jetzt in der Hand, wer wie viel von diesen Unterlagen, die Sie in den Händen halten erfahren soll. Sie müssen es selber abwägen, wer involviert werden soll. Jede zusätzliche Person ist eine Person mehr, die meine Wandlung zum Rächer auslösen kann. Ich habe eine sichere und einfache Kommunikationsmöglichkeit übers Internet eingerichtet. Das nötige LOGIN Wort der E-MailAdresse ist ganz in Ihrer Nähe: Ich bitte Sie in die Schatzkammer in Ihrem Rundturm im Schloss zu gehen. Dort wo all Ihre 191 kostbaren Bilder hängen. Im Blickwinkel eines ideellen Selbstbildnisses (wo er sich als Musiker darstellt) des Maler Gerard DOU ist im Innenrahmen des gegenüberliegenden Metallgitters (an welche die verschiedenen anderen Bilder aufgehängt sind) habe ich selber das LOGIN Wort angebracht. (Falls das Selbstbildnis im Lager umgehängt worden ist; der hängende, fahrbare Metallrahmen trägt die Nummer 49/51). Sie werden es sofort erkennen: das Wort (mit 2 Zahlen) hat nichts mit den Bildern oder dem Rahmen zu tun. Somit haben Sie das LOG-IN Wort. Das dazugehörende PASSWORT ist jenes Wort, das Ihnen persönlich, Durchlaucht Fürst Hans-Adam, als erstes einfällt, wenn Sie dann das LOG-IN Wort in der Schatzkammer lesen. Ich habe dies alles so gemacht, da ich sicher gehen will, dass Sie wirklich mich versuchen zu verstehen. Später werde ich Ihnen sofort mitteilen, beim welchem Provider (Homepage) die E-MailAdresse eingerichtet ist. Dann haben Sie das LOGIN Wort, das PASSWORT und den PROVIDER (alles in Kleinbuchstaben eingeben). Auf der Homepage des Providers finden Sie auf der 1. Linie das Kästchen ‚E-Mail‚; dort 1x klicken. Bei der nächsten Seite das LOGIN Wort und das PASSWORT eingeben. Im E-MailAccount auf der linken Seite bitte auf *Draft* (rot) 1x klicken. Im Draft ist eine Mail mit Header „Documents‚ gespeichert; darauf klicken und Sie finden meine Meldung. Ein Treffen kann nur in Deutschland stattfinden; entweder mit Dr. Pius Schlachter oder, wenn Sie es wünschen, mit dem Erbprinzen Alois. Es tut mir ausserordentlich Leid, dass Sie mit hinein gezogen werde. Ich hatte keine andere Wahl. Sehr geehrter Fürst und Erbprinz, ich weiss, unberechtigterweise verlange ich von Ihnen die Schutz-ID. Aber es ist zum Schutz IHRER Daten. Auch dass ich Sie zu einer Kommunikation bitte, die Ihnen nicht würdig ist; aber auf Grund der speziellen Umstände gibt es keine andere Lösung. Ich will nicht zum Mörder werden. Liechtenstein hat eine letzte Möglichkeit, die Inkompetenz und Selbstherrlichkeit gewisser Staatsanwälte und Richter ein und für allemal zu korrigieren. Im Grunde bin ich mir aber auch bewusst, dass Sie und Ihre Berater, im Gegenteil, 192 höchstwahrscheinlich alles daran setzten werden, mich zu vernichten. Mit meiner Abreise aus Liechtenstein gibt es für mich keinen Weg zurück. Sie selber können erkennen, dass ich durch meinen jetzigen Aufenthalt in Deutschland alles riskiere: die LGT, Liechtenstein, mich selber. Ich verstecke mich nicht einfach irgendwo und warte gemütlich bis was geschieht – NEIN! Da der Staat mit seiner Staatsanwaltschaft nicht Handeln wollte, habe ich selber den Startknopf für das ‚letzte Kapitel‚ gedrückt. Entschuldigen Sie meine Fehler und vergeben Sie mir, dass ich solche Methoden anwende. Hochachtungsvoll H.K. Anm.: Mir war klar, dass es psychologisch hoch riskant war, ausgerechnet in Hans-Adams persönlicher Schatzkammer den Hinweis für das Passwort für die vorher eingerichtete Internetkommunikation zu hinterlassen. Dieser Rundturm (vom Dorf unten aus gesehen, der dicke, runde linke Teil der Schlossmauer) wurde in den 90er Jahren mit Tonnen von Beton ausgegossen und beinhaltet mehrere Stockwerke, in der seine monströse Kunstsammlung fachgerecht und absolut sicher verwahrt wird. Ich wählte dieses eher abnorme Art einen Hinweis anzubringen aus, weil dies der einzige für mich logische Weg war, wo ich mit absoluter Sicherheit vorauserahnen konnte, der Hans-Adam selber nachsehen würde. Dies alleine schon deshalb, weil es für ihn einen Schreckschuss sein würde, dass „ ein Fremder“ ausgerechnet in jenem Bunker, wo seine kostbarsten Bilder hängen, etwas gemacht hatte. Auch der ausgewählte Platz, wo ich den Kleber anbrachte, nämlich im eigenen Blickwinkel des Selbstbildnisse des Malers Gerard DOU, hatte für die ganze Sache eine ausdrückliche Bedeutung. Aber eben, in der Hektik des Dramas ist meine Metamorphose Zweideutung dem Hans-Adam und all jenen, die mit ihm später im Raum vor dem Bild standen, nicht aufgefallen. Dieser Hinweis in der „Schatztruhe“ Hans-Adams soll nach meiner Rückkehr noch zu wilden Diskussionen führen. Der Brief an Hans-Adam ist hier zu Ende. So, das war also DER BRIEF, der eine ungesunde Kettenreaktion und äusserst stürmische Zeiten für Hans-Adam, Liechtenstein und mich 2003 bringen sollte. Natürlich schäme ich mich (auch als Liechtensteiner) heute noch, ein DLT-Tape geklaut zu haben auch wenn es nur eine „Kopie‚ der Kundendaten darstellt. Auch schäme ich mich obigen Brief an Hans-Adam geschrieben zu haben. 193 Was ich aber im berühmten Brief an Hans-Adam vom 07. Januar 2003 nicht geschrieben hatte und auch später im 2003 weder ihm, der LGT noch "dem Professor" und ‚den Bankdirektor‚ (Dr. Thomas Müller & Dr. Pius Schlachter - mehr über die Beiden in den folgenden Kapiteln), verraten hatte, war der Zeitpunkt, jener genaue Tag wann ich mir das Back-Up-Tape angeeignet hatte. Der Hauptgrund dafür, es nicht mitzuteilen, war – damals wie heute - rein strategischer Natur. Wüssten sie das genaue Datum, dann könnten sie exakt feststellen, welche Daten/Dokumente nicht auf dem Band sind. Exklusive kann ich erstmal in dieser "Tragödie ohne Ende" hier, im Buch aufklären, dass ich das Back-Up-Tape zeitlich NACH meiner Kündigung (vom 29. August 2002) entwendet hatte. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich die reine Möglichkeit ein Tages-Back-Up-Tape zu entwenden, schon einige Zeit vor diesem Datum entdeckt hatte. Ich konnte auch feststellen, dass es eine ständige wiederkehrende Chance war. Wie ich vermutete hatte, wurde der Diebstahl von der LGT Treuhand nicht bemerkt. Ich möchte hier und heute die Gelegenheit auch nutzten und folgendes klarstellen: Alle im Brief an Hans-Adam genannten Zahlen, sei es bezüglich der Briefkastenfirmen (Stiftungen, Anstalten, etc.), der Aufteilung der Begünstigten (Erst- oder Zweitbegünstigte), in Bezug auf verwaltete Geldsummen und so weiter, egal ob als Totalzahl oder pro erwähntem Land, sind die faktischen, richtigen Zahlen! Ich erwähne dies deshalb, da man seit Februar 2008 nun unzählige Varianten dieser Zahlen in den Medien nachlesen kann. Die ausländischen staatlichen Behörden wollen u.a. aus taktischen Gründen die genaue Zahl nicht bekannt geben. Das Hans-Adam und seine LGT natürlich vehement versuchen vor allem die Zahl betroffener Kunden (insbesondere der Deutschen) „kleinzureden‚, liegt in der Natur ihres versuchten, kläglichen „Desaster Management‚. Oh, wie passte es Liechtenstein schön ins Bild. Was konnten sie nicht alles den Medien seit Februar 2008 „erzählen‚? Der hochintelligente, böse und kriminelle Kieber hat die Daten gestohlen, sei mal aus Liechtenstein „abgehauen‚, mal „untergetaucht‚, mal „aufgetaucht‚, mal „quergetaucht‚, hätte angeblich mal die LGT Bank, mal die LGT Treuhand, mal den Gärtner, mal den Teufel, mal den Hans-Adam erpresst und hätte von Hans-Adam zwei Pässe für die „Flucht‚ verlangt, 194 hat ihm lange Briefe geschrieben, u.s.w.. Der wahre Inhalt dieses Briefes und die ganze Vorgeschichte dazu wurden auf Befehl von Hans-Adam im Februar 2008 von Seiten Liechtensteins bewusst vollständig unterdrückt. Selbst der leitende Staatsanwalt Dr. Robert Wallner durfte nur genau die Worte wiedergeben, die zuvor unter allen betroffenen in nächtlichen Krisensitzungen in Vaduz abgestimmt wurden. Einige Journalisten, die der Sache etwas tiefer nachgingen, erschien die ganze Geschichte unlogisch: Wäre der Kieber kriminell wie die hohen Finanz-Herren aus Liechtenstein behaupteten, dann hätte er doch den Hans-Adam, die Regierung oder zumindest die LGT um massenhafte Millionen erpresst. Und er wäre samt der Pässe für die angebliche „Flucht‚ untergetaucht. Das Datenmaterial in seinen Händen war ja im Januar 2003 viel aktueller und brisanter, als es sich dann über fünf (!) Jahre später, im Februar 2008, explosiv uns allen offenbarte. In der Tat habe ich nie weder Hans-Adam, die Regierung noch die LGT erpresst. Ich habe nie Geld oder andere Vorteile (Fluchthilfe etc.) erpresst, verlangt oder erhalten. Dass diese meine Aussage 100% der Wahrheit entspricht, wird auch klar von denen in Vaduz bestaetigt: nie wurde solches behauptet. Was nicht heisst, dass sie es evt. eines Tages behaupten werden, je nach dem wie es ihnen in ihrem Krieg gegen mich passt. Meine Leser können nun die Fortsetzung der wahren Geschichte weiter schwarz auf weiss lesen. Meine Beweggründe (die Daten zu entwenden, den Brief an Hans-Adam zu schreiben und dann nach Deutschland zu reisen) waren genau so, wie ich sie in den bisherigen Kapiteln im Buch Wort für Wort niedergeschrieben habe. Ich habe weder von Hans-Adam noch von anderen je Geld, „Fluchthilfe‚ oder ähnliches verlangt. Definitiv habe ich verschiedene Gesetze mit meinem Handeln gebrochen. Ich will mein Verhalten nicht schönreden. Die Reaktion auf meinen Brief von Hans-Adam und der von ihm befehligten Regierung und der von ihm indirekt kontrollierten Justiz und Polizei kann ich Euch Lesern in den nun folgenden Kapiteln in messerscharfem Detail berichten. 195 KAPITEL 8 Wenn Herr Kieber eine Reise tut. In diesem Kapitel bis und mit Kapitel 16 schildere ich unter den drei abwechselnden Zwischentiteln BERLIN / VADUZ / AMSTERDAM die turbulenten, oft gefahrvollen und sehr stressigen Zeiten während meiner Reise quer durch Deutschland, Holland und zurück ins Rheintal. Unter BERLIN und AMSTERDAM könnt ihr nachlesen was meine eigenen Aktivitäten waren und was ich während den vielen heimlichen und komplizierten Treffen mit den zwei Gesandten von Hans-Adam erlebt hatte. Auch Angaben zu all dem was ich im Ausland (also Deutschland & Holland) über die zeitgleichen Aktivitäten deren in Vaduz in Erfahrung bringen konnte (entweder durch den Professor/den Bankdirektor oder durch meine eigenen Nachforschungen). Unter VADUZ ist umschreiben was weit weg in Vaduz Hans-Adam und sein Liechtenstein an legalen und insbesondere illegalen Anstrengungen an den Tag gelegt hatten, beim Versuch die sich anbahnende Katastrophe abzuwenden. Diese Details hatte ich nach meiner Heimkehr nach Liechtenstein direkt oder auf Umwegen erfahren können. Aus verschiedenen Quellen: Z.B. von Hans-Adam selber, als er mir eine Privataudienz auf Schloss Vaduz gewährte und wir intensive über die Affäre diskutiert hatten. Und wiederum vom Bankdirektor Dr. Schlachter oder dem Professor Dr. Thomas Müller. Oder aus Gerichtsakten und auch aus mir anonym zugespielten* internen, geheim geführten Aktenvermerke der von den Hohen-Finanz-Herren im Januar 2003 eingerichteten „Kriegs-Kommando-Zentrale‚, die KKZ. * = es gab immer wieder mutige, kleine Beamte oder Leute in verschiedenen Stellen bei der Landesverwaltung oder Justiz, die über die Jahre hinweg meinen Kampf mit ansehen mussten und die anhaltende Ungerechtigkeit nicht auch mit unterstützen wollten. Daher hatte ich das Glück, tröpfchenweise ab und zu einen richtigen Tipp und Originale oder Kopien von Dokumenten zu bekommen. Alle Episoden sind für den besten Überblick chronologisch niedergeschrieben. Dort wo es mir für meine LeserInnen hilfreich erscheint, habe ich bei wiederum erklärende Anmerkungen angebracht, diese sind kursive geschrieben und fangen wie immer mit „Anm.:“ an. 196 Um auf idealer Weise nebst der geographischen auch die innerliche Distanz und fundamentale Diskrepanz zwischen mir und denen in Vaduz hervorzuheben, habe ich alles unter dem Titel BERLIN und Amsterdam wie bisher in der Ersten Person und alles unter dem Titel VADUZ in der Dritten Person geschrieben (mit Ausnahme von etwaigen Anmerkungen). Man kann sich gar nicht vorstellen wie hochgradig und hektisch die Aktivitäten von Hans-Adam und seiner Truppe in Vaduz und meine eigenen, erst in Deutschland dann in Holland waren. Was es so aufklärend spannend macht, ist die einmalige Situation, wo ich euch vor allem diese Episoden nicht nur im Rückblick sondern auch mit äusserst vielen Detailangaben schildern kann. Rückblickend war es nicht nur für mich sehr interessant und allgemein aufschlussreich zu erkennen, wie der offenbar deutliche automatische Trieb von den Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein in Aktion getreten war, sobald sie merkten, dass ihre geheiligten Kühe wirklich in Gefahr gekommen waren. Und sie dann, um die für sie so wichtigen Geldgeschäfte zu schützen, Handlungen vorgenommen hatten, die nicht nur viele Gesetzte aus Liechtenstein schwer verletzten, sondern auch zahlreiche Deutsche, Holländische & Internationale Gesetzte und Vereinbarungen. Viel Spass beim Lesen ! BERLIN 7. Januar 2003 Ankunft im Hauptbahnhof Berlin. Es war kalt und die Menschen dort waren nicht gerade Gesprächsfreudig. Ich war schon einmal hier – 1987. Diese Mal hatte ich aber keine grossen Erinnerungen an die Stadt. Nunmehr war es das Berlin im Jahr 13 nach der Wiedervereinigung. Ich nahm mir ein Taxi zu meiner neuen Unterkunft in Berlin Mitte. Das kleine möblierte Zimmer in Berlin hatte ich schon im Dezember 2002 via dem Internet gefunden. Meine Vermieterin war die Daniela. Ich nannte mich nicht mehr Heinrich. Dieser Name war ab jetzt tabu. Na ja, meine 197 diversen Ausweise (Pass, ID-Karte und Führerschein) - alles was natürlich auf Heinrich Kieber lautete – hatte ich für die Reise von Feldkirch nach Berlin umsichtig tief in meinen Taschen vergraben. Am späteren Nachmittag war ich also dann bei Daniela mit Sack und Pack eingezogen. Sie wohnte in einer klassischen Altbauwohnung an der Ansbacherstrasse (um die Hausnummer 60/62/64 rum), Ecke Geisbergstrasse, im 2. oder 3. Stock. In einem alten, aber gut erhaltenem typischem Berliner Mehrfamilienhaus mit kleinen Balkonen nach vorne, sowie noch kleineren nach hinten raus und einem grünen, etwas verwildertem Innenhof. Vom Wittenbergplatz, in der Nähe des berühmten KaDeWe Kaufhaus, her kommend war das Haus auf der rechten Strassenseite. Daniela war eine etwas verrückte Henne, wie sich rasch herausstellte. Ich hatte ja schon einmal davon gehört, wie sich Langzeitarbeitslose in Deutschland den Lebensinhalt speziell danach ausgerichtet hatten. Sie war schon fast 10 Jahre in dieser Endlosschleife. Sie war eine derjenigen Glücklichen in Berlin, die eine relative günstige Mietwohnung ihr "eigen" nennen konnte. Jeweils in den Wintermonaten, wenn es bitter kalt in Berlin wird und die Kosten wegen der Heizung steigen, vermietete sie das zweite, kleinere Schlafzimmer. In all den Jahren „auf Arbeitssuche‚ hatte sie sich aus Kostengründen eine extreme Art von Knauserigkeit angeeignet. So zählte sie wahrhaftig die Cornflakes fürs Frühstück ab. Oder sie wog den offenen Tee aufs Gramm genau ab. Mein Zimmer war sehr sauber und kostete mich 300 Euro pro Monat. Was ich auch gleich am 1. Tag, wie abgemacht, bar bezahlt hatte. Wir hatten ja zuvor nur 2, 3 Mal per Email und mittels eines einzigen Telefonanruf Kontakt. Sie stellte viele Fragen über die Schweiz, woher ich komme, was ich tue, warum Berlin, warum im Winter? Berlin, das schöne Berlin. Nun gut, es hiess, es sei sehr schön dort im Sommer. Im Winter, vor allem in diesem Winter war Berlin grausig anzusehen. Nervös über alles was jetzt passieren würde, schlief ich in meiner ersten Nacht in Berlin in einem grossen Bett mit fein duftender Wäsche ein. Es war eine bedeutende Nacht: meine erste Nacht seit 5 Jahren und 261 Tagen ausserhalb Liechtensteins. 198 VADUZ 7. Januar 2003 Kiebers dicker Brief war auf Schloss Vaduz am Nachmittag angekommen. Eine der zwei Sekretärinnen von Hans-Adam öffnete den Brief und konnte sich keinen Reim daraus machen. Hans-Adam, zusammen mit seinem Erstgeborenen, Alois war nicht nur sehr stark mit dem Endkampf der im März 2003 bevorstehenden Volksabstimmung um die neue Verfassung beschäftigt, sondern auch mit den Vorbereitungen für die in den nächsten Tagen alljährlichen stattfindenden Empfang des ausländischen Diplomatischen Korps auf Schloss Vaduz. Da der Brief ausgiebige Schriftstücke enthielt, waren dies für Hans-Adam und seinen Sohn mehr verwirrend als aufklärend. Sie beiden kannten Kieber ja persönlich und wussten daher wer der Absender war. Dass er ihnen einen wilden Brandbrief schreiben würde, erschien als total undenkbar. Die ganze Nacht hindurch wurde über dem Brief gebrütet und sie versuchten sich einzureden, dass dies alles entweder ein Dummer Streich oder ein Irrtum von Kieber sein musste. VADUZ 8. Januar 2003 Wie von Kieber beauftragt, fuhr das Taxiunternehmen Gabor mit dem rissen Paket um 11:35 beim Schlosstor vor. Der Diener nahm das Paket an und übergab es Hans-Adam: obwohl dieser lesen konnte, dass das 3D-Modell für das Gericht hergestellt worden war, riss er die angeklebte Schuhschachtel voll mit Gerichtspapieren weg und lies das 3-D-Modell ohne Hemmungen im Schlossabfall-Container entsorgen. Für die nächsten 24 Stunden wurde das Kuriosum „Heinrich Kieber‚ wiederum unter den ranghöchsten Mitgliedern des Hauses Liechtenstein im Schloss diskutiert. Da im Brief erwähnt war, dass nun nur zwei Personen, HansAdam und Kieber von der Sache wussten, entschied sich der Schlossherr vorerst niemanden ausserhalb der Familie zu informieren. VADUZ 9. Januar 2003 Mangels steigender Unklarheit was Kieber mit all dem meinte und da Hans-Adam als Staatsoberhaupt ja immer auf seine eigene Polizei zurückgreifen konnte, entschloss er sich doch die Landespolizei zu 199 rufen. Um 11:30 rief Frau Schädler vom Schloss dort an. Bevor aber die von Kieber dem Hans-Adam zugesandten Schriftstücke der Polizei übergeben wurden, veranlasste der Schlossherr die Unterlagen zu zensieren: Alle jene Seiten, die im Detail über die schmutzigen Geschäfte und Leichen (u.a. Punkte V. + VI.) der LGT Treuhand berichteten, wurden bei ihm streng unter Verschluss zurückbehalten. Der Rest des Originalbriefes samt Beilagen (ohne das Kerkermodell, dass im Abfallcontainer des Schloss auf das Ende in der ca. 1000 Grad heissen Flamme des Müllverbrennungsanlage im schweizerischen Buchs/SG über dem Rhein wartete) wurden dann von der Polizei abgeholt und ein Register angelegt. Auf Befehl von Hans-Adams wurden danach von ausgewählten Einzelstücken Kopien angefertigt. Davon überbrachte die Polizei persönlich jeweils ein Set Kopien auf Papier der STA, dem Gericht und dem Schloss (damit Hans-Adam den Überblick behielt, wer welche Dokumente erhalten hatte), sowie auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin eine auf CD gebrannte Kopie dem Generaldirektor der LGT Gruppe, Hr. Piske. Bei einem Treffen um 18 Uhr im Schloss zwischen Hans-Adam, seinem Bruder Philipp (CEO der LGT Gruppe), seinem Erstgeborenem Alois, die Herren Piske und Dr. Schlachter von der LGT Bank und dem Chef der Treuhand Nicola Feuerstein (der Exboss von Kieber), zeigte der Hausherr allen anwesenden die vollen Unterlagen von Kieber. Alle vier Herren bestätigten ihm, dass es sich bei den von Kieber beschriebenen Vorgängen und exakt aufgelisteten Mandatsdetails tatsächlich um LGT Treuhand- oder -Bankgeschäfte handelt. Feuerstein versuchte die anwesenden damit zu beruhigen, indem er behauptete, dass niemand die Daten der Treuhand mitnehmen kann und Kieber ja keinen Beweis (z.B. als Beilage im Brief) dafür geliefert hat, dass er also die eigentlichen Daten wirklich hatte. Worauf hin HansAdam heftig unterbrach und fragte, wie den Kieber an solch massive Detailkenntnis gelangen könnte, ohne die Daten zu haben. Feuerstein erwiderte, dass Kieber lange genug bei der Treuhand gearbeitet hatte, nicht dumm sei und bekanntlich ein Elefantengedächtnis besitze. Es war nicht nur die Ungewissheit darüber, ob nun Kieber die Daten hatte oder nicht hatte und wenn überhaupt, in welchem Umfang. Schon alleine die Vorstellung, dass Kieber – mit seinen offenbar tiefen Kenntnissen aller Daten und Leichen im Keller – angeblich in Deutschland herum irre, führte zur allmählich Dämmerung bei den Herren, dass sich grosses Unheil über sie zusammenbraute. 200 Wegen der akuten Brisanz der Lage wurde am selben Abend, um 20:30 die Regierung in einer Sondersitzung im Regierungsgebäude informiert. Diese Sitzung verlief sehr chaotisch. Angeblich soll sich die STA Alma Willi sehr betroffen gezeigt haben. Sie machte sich angeblich Sorgen um Kieber. Anm.: Was immer das heissen mag. Es wurde dort sofort eine Kriegskommandozentrale, kurz die „KKZ‚ installiert und mit allen nur erdenklichen Mitteln und Vollmachten von Seiten Hans-Adam ausgestattet. Im KKZ hatten federführend Hans-Adam und Erbprinz Alois das Oberkommando. Regierungschef Herr Otmar Hasler, die Aussen- und Justizministerin Frau Rita Kieber-Beck (Anm.: Nicht mit mir verwandt), der Kripochef Herr Jules Hoch, die Truppe der STA (Dr. Robert Wallner, Haun und Willi) sowie die Führung der LGT Bank und der LGT Treuhand, sowie später dann „der Professor‚ (Dr. Thomas Müller aus Wien) waren der weitere Personenkreis im KKZ. Als allererste Vorsichtsmassnahme hatte Hans-Adam beschlossen, die öffentliche Dienstpflicht der mit staatlichen Aufgaben betreuten Teilnehmer (Regierungschef, Justiz- und Aussenministerin, STA und Polizei) zu beschneiden. Unter dem Vorwand der Sicherheit für seine LGT Gruppe, für ihn als Staatsoberhaupt und für das ganze Land, hatte er ihnen untersagt, jegliche unter dem Schirm der KKZ möglicherweise gewonnene Erkenntnis über die Geschäfte seiner LGT Gruppe im Sinne der rechtsstaatlichen Aufgaben zu verwenden. Gegen eine solche einschneidende, im Prinzip rechtswidrige und beispiellose Massnahme hatten die Betroffenen nichts einzuwenden, da allein Kiebers Andeutung, Kundendaten aus Liechtenstein mit ins Ausland genommen zu haben, einer Kriegserklärung gegenüber dem "ganzen" Land Liechtenstein gleich kam. VADUZ 10. Januar 2003 Die KKS, unter dem Vorsitz von Hans-Adam, in Anwesenheit vom Erbprinz Alois, dem Regierungschef Hasler und weiteren Teilnehmern (Anm.: Namen mir nicht bekannt, ich vermute aber Piske, Schlachter und Feuerstein) hatte entschlossen, einen TOP Psychologen hinzuzuziehen – Den besten Psychologen Europas . Dieser sollte sich einen Reim aus der Schriftenflut von Kieber machen und hauptsächlich die KKZ beraten, 201 wie am Besten an Kieber und vor allem an die Daten gekommen werden kann. Dieser „Professor‚ wurde sofort im Ausland kontaktiert und man hatte Glück, er konnte den Auftrag annehmen. Er versprach, am nächsten Tag nach Vaduz zu reisen. Er schlug Hans-Adams Angebot dankend aus, sich per Privatflugzeug nach Altenrhein in die Schweiz fliegen zu lassen und dort von einem Fahrer der Regierung am Flughafen abgeholt und sofort auf Schloss Vaduz chauffiert zu werden. Er wollte lieber mit dem eigenen Auto anreisen. Die KKZ hatte keine Zeit und Lust auf die im Gesetzt vorgeschriebenen Richterbeschlüsse zu warten und es wurde von oberster Stelle befohlen, die Mobiltelefonanschlüsse von Kieber und seiner Stiefmutter sofort abhören zu lassen, das Postfach in Mauren, wo seine Post seit Anfang Januar ’03 umgeleitet wurde, zu leeren und dann zu überwachen. Es wurde auch eine zeitlich unbefristete Rund-um-die-Uhr Objektüberwachung seines Elternhauses im Mauren ab 16 Uhr angeordnet. Es wurde vermutet, Kieber würde sich dort im Haus versteckten. Man glaubte ihm nicht, dass er wirklich nach Deutschland abgereist war. Anm.: Alle drei Massnahmen brachten nichts, da ich mein Mobiltelefon nach meinem letzten Anruf (am 7.1.03 um 10:06 an meine Hausärztin) abgeschaltet hatte und die SIM-Karte vernichtet hatte, zudem nicht in Mauren, sondern in Berlin war und meine Stiefmutter für mehrere Wochen nach Asien abgereist war. Des Weiteren hatten die Handlanger von Hans-Adams in Erfahrung bringen können, dass Kieber eine Art Freundin hatte. In deren paranoiden Besessenheit herauszufinden, wo er sich versteckt hielt, ordnete Hans-Adam an, die besagte Dame überwachen zu lassen. Da gab es aber ein grosses Problem. Eine juristische Hürde sozusagen, da sie in Zürich wohnte und auch noch Schweizerin war. Dies war dem HansAdam egal! Es wurden zwei Liechtensteiner Polizeibeamten, plus eine weitere, dritte Person ruckzuck mit einem unmarkierten Liechtensteiner Polizeiwagen (VW Bora) ins 110 Km entfernte Zürich geschickt und die Strasse/Wohnung wo die besagte Dame wohnte, bis Montag Mittag, den 13.1.03 - im Grunde illegal – überwacht. Illegal daher, da eine solche verdeckte Polizeioperation der Liechtensteiner in Zürich sicher nicht durch den Polizeikooperationsvertrag vom 9. Juli 2001 zwischen der 202 Schweiz und Liechtenstein gedeckt war. Die Schweiz mag es auch gar nicht gerne, wenn ausländische Polizei ihre Bürger in der Schweiz überwacht. Anm.: Herkunft und Funktion der „dritten Person“ wurde mir nie ganz verraten. Aber es hat mit der Tatsache zu tun, dass, falls ich dort anzutreffen gewesen wäre, die zwei Vaduzer Polizisten aus juristischen Gründen NICHT hätten auf mich zugehen können, daher eine dritte, „neutrale“ Person vermutlich versucht hätte mich bis zum Eintreffen der vermutlich herbeizurufenden Schweizer Polizei irgendwie „festzuhalten". Zwischen 16 und 18 Uhr wurde unter Mithilfe des Leiters der ITAbteilung ein Inspektion des alten Arbeitsplatz von Kieber bei der LTV durchgeführt. Fazit und Kommentare der IT-Spezialisten: Kein Material von Kieber gefunden. Kieber hatte lediglich im DOCUWARE (e-Doc) Projekt gearbeitet. Er hatte aber Zugang zu allen Daten, elektronisch wie auf Papier. Kieber hätte kein Fachwissen. Anm.: Wie man sich später täuschen würde. VADUZ 11. Januar 2003 Der Professor Dr. Thomas Müller erreichte Vaduz schon in aller Frühe. Nachdem er von Hans-Adam auf Schloss Vaduz empfangen wurde und mehr oder weniger aufgeklärt wurde, war ein Termin mit dem Regierungschef Hasler unten im Regierungsgebäude der nächste Stopp. Der Professor erkannte sofort, dass Hans-Adam als auch die Regierung äusserst angespannt waren und nicht aufhören wollten, zu jammern; als würde die Welt untergehen können. Ihm wurde insbesondere eingehämmert, nichts und niemanden je etwas zu sagen. Die Sache wäre höchst delikat, da man unter den normalen Kunden auch sehr viele exponierte habe. Wer diese waren, wurde dem Professor natürlich nicht gesagt: das liebe Bankengeheimnis. Er verstand und versprach sein Beste zu tun. Dann wurde er buchstäblich in eine Art Abstellkammer gesetzt, wo er alle Unterlagen über und von Kieber (zensierter Brief, alle Beilagen, den 101er & 140er Akt) praktisch ohne Unterbruch für die nächsten 48 Stunden studierte. Hans-Adam und sein Erstgeborener fühlten sich nun etwas entlastet, da sie überzeugt waren, die Besten der Besten zum Lösung des Problems verpflichten konnten. Unten im Dorf war aber das Gefühl einer 203 Erleichterung bei der Regierung noch nicht angekommen. Hans-Adam hatte hauptsächlich Angst um seine sprudelnde Geldquelle, seinem goldenen Esel, die LGT Gruppe. Die Regierung dagegen war in Panik, weil sie wussten, dass es mit dem „guten Ruf‚ Liechtensteins vorbei sei werde, da Kieber den Deutschen aufzeigen und beweisen könnte, wie man in Liechtenstein wirklich die heissen Finanzgeschäfte abwickelte. Zwischen 18:15 und 20:30 wurde wiederum eine KKZ Sitzung bezüglich der Daten einberufen. Anwesend war Herr Feuerstein und der Leiter der IT-Abteilung der LGT Treuhand. Fazit, Kommentare & Vermutungen am Ende der Sitzung: Es fehle der Datumskleber auf dem fotografierten DTL-Band (Tape). Kieber habe wohl leeres Band mitgenommen. Kieber habe gar keinen DVD-Brenner. Das Herauslassen der privaten Stiftungen der Mitglieder der Familie von Hans-Adam auf den Extra-DatenSpeicher sei gar nicht möglich. Anm.: Der IT-Abteilung war es äusserst peinlich, dass offenbar ein Tages-BackUp-Tape (das Datensicherungsband) ihnen irgendwann im 2002 „abhanden“ gekommen war und sie all die Monate nichts davon gemerkt hatten. HansAdam und die Regierung mussten sich auf die Aussagen seitens der ITAbteilung irgendwie verlassen können. Ich hatte ja KEINEN Beweis, wie zum Beispiel eine Kopie der Daten, im Brief an Hans-Adam beigelegt, da ich der Überzeugung war, dass dies nicht notwendig wäre. Meine Angaben im Brief waren ja deutlich genug. Die IT-Abteilung, blind davon „Kalt erwischt“ worden zu sein, driftete eher zur Meinung, dass ich die Daten nicht hätte. Sie versuchten fälschlicherweise mein Computerwissen klein zu reden und auch sonst unlogische Kommentare abzugeben: wie die mit dem DVD-Brenner. Sie konnten doch gar nicht wissen, ob ich einen habe oder nicht. Zudem war es in der Tat kein Problem einzelne Mandate für eine Kopie des DLT-Tapes wegzulassen. All dieses Verhalten seitens der IT-Abteilung (was ich menschlich nachvollziehen kann) würde aber folgenschwere Konsequenzen für alle an diesem nun sich entfaltenden Drama haben: Das Vertrauen von Hans-Adam und der Regierung in die IT-Abteilung der LGT Treuhand wurde in der Folge sehr stark strapaziert. Hans-Adam und seine Regierung mussten sich ja auf die den Aussagen der IT-Leute zu 100 % verlassen können. BERLIN 8. - 12. Januar 2003 Die Kälte und Berlin. Brrrrrr. Berlin, Berlin ! Ich weiss jetzt nicht mehr ob der Spruch des regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit „Berlin ist 204 pleite, aber sexy‚ schon damals galt. Dass die Deutsche Hauptstadt pleite war, konnte ich an allen Ecken sehen. Überall musste gespart werden. Die Stadtbusse sehen aus, als wären sie gerade von Hindukusch her angereist, so dreckig waren sie. Um gegen den Stress anzukämpfen wollte ich einmal schwimmen gehen; von der Handvoll öffentlicher Hallenschwimmbäder waren mehr als die Hälfte aus Kostengründen oder mangels Unterhalt geschlossen, der Rest hatte irreale Öffnungszeiten von 1-2 Stunden am Morgen und evt. 2 Stunden am Nachmittag. Und der Hundekot! Meine lieben Berliner, ich kenne keine Stadt der Welt, die – zumindest im Winter – soviel Hundekot auf den Bürgersteigen liegen hat wie Berlin. Da sind die Schweizer Hundebesitzer erstklassig. Die Berliner Leute selber, die sind wirklich nett. Der Berliner Menschenschlag ist sehr erfrischend. Ich habe mich im kleinen Zimmer eingerichtet und versuchte so wenig wie möglich mit der Daniela zu kommunizieren. Dies muss ihr wohl etwas suspekt vorgekommen sein. Als hätte ich nicht schon genug Action im Leben konnte sie mich überreden, mit ihr im nahen Park des Zoologischen Gartens spazieren zu gehen. Sie würde mir gerne die Sehenswürdigkeiten Berlins zeigen, sagte sie mir. Warm verpackt waren wir um die die Mittagszeit aufgebrochen. Daniela fragte mich „dicke‚ aus und naturgemäss konnte ich ihr nichts von meinem wirklichen Leben erzählen. Was immer ich ihr erzählt hatte, sie glaubte mir. So hatte ich jedenfalls gedacht. Sie hatte ursprünglich keine Skepsis mehr. Aber plötzlich, und da wurde ich hellhörig, erklärte sie mir, dass sie halt ein paar eher private Fragen stellen müsse. Sie hätte vor 2 Jahren einen Libanesen als Untermieter wie ich gehabt und sie schöpfte den Verdacht, dass er ihr über sein Leben eine Lügengeschichte auftische. Sie war sich sicher, dass er etwas mit Terrorismus zu tun hatte. Ich hörte ihr geduldig zu und hackte nach: Ja, und was dann? Sie schilderte mir, dass sie mit dem Berliner Verfassungsschutz in Kontakt getreten war und diese ihr zuerst nicht glaubten. Konnte ich nachvollziehen: etwas paranoid erschien sie mir ja auch. Auf jeden Fall hatte sie die Beamten solange bearbeitet, bis zwei davon zu ihr nach Hause kamen und den Libanesen besuchten, wobei sie sich als Mitarbeiter der Ausländerbehörde ausgegeben hatten. Der Libanese war kein Terrorist. Gut für ihn, dachte ich. Mist für mich! Was würde sein wenn die Daniela irgendwas über mich zusammen spinnt und das letzte was mir jetzt noch fehlen würde, war ein Besuch vom 205 Verfassungsschutz! Je länger wir da in der Kälte spazierten, umso heisser wurde es mir; sodass ich sogar schwitze. Wie bei meinen Erkundungsausflügen kreuz und quer durch Berlin in den letzten Tagen, hatte ich auch jetzt meine elektronischen Datenspeicher auf mir, in den Taschen. Die kiloweise Papierdaten waren aber im blauen Handkoffer im Schrank im Zimmer verschlossen. All die Daten bei ihr zu Hause. Scheisse und Merde zusammen. Als wir dann nach Hause zurückgekommen waren, bat sie mich mit ihr ein Stockwerk tiefer zu gehen, wo wir Tee bei einem langjährigen Nachbar (wenn ich mich nicht täusche, war es ein Lehrer oder ein Pädagoge) trinken würden. Es stellte sich heraus, dass sie ihn vorher beauftragt hatte, mich beim Besuch zu begutachten, um herauszufinden, ob ich eventuell eine Gefahr für sie und/oder Deutschland sei. Ich erfuhr dies, weil er mich in der Küche an die Seite genommen hatte und mir es erzählte und zum Schluss bemerkte, dass die Daniela ab und zu spinnt. Er bescheinigte ihr, dass ich OK sei. Mich beruhigte dies ganz und gar nicht; nun hatte ich ein weiteres Problem. Mein Plan war, zumindest 4-6 Wochen bei dieser Adresse zu bleiben. Nun wusste ich, dass ich mich jetzt schon auf eine Suche nach einer anderen Unterkunft machen musste und auch einen guten Grund finden musste, um meinen raschen „Abschied‚ vor ihr nicht verdächtig erschienen zu lassen. Vorher musste ich aber ein anderes, akuteres Problem lösen: Da ich ja meinen Laptop, das DLT-Tape, die Kopien davon sowie die 2 kleinen Externen Harddisk nicht ständig auf mir tragen konnte und auch nicht mehr im Zimmer aufbewahren wollte, musste ich eine passende Bank mit passendem Tresorfach dafür suchen. Am Freitag war ich in aller Früh schon losgefahren um bei diversen Banken nachzufragen, ob sie freie Tresorfächer zu vermieten hätten. Ideal wäre die Filiale der Berliner Volksbank AG an der Budapester Strasse gewesen, in der Nähe des Eingangs des Zoos. Nicht weit weg von Danielas Wohnung. Leider war deren Tresorraum eine der neueren Bauweise: d.h. die Kundenfächer selber wurden von der Bankseite aus elektronisch geöffnet und nur von Kundenseite aus mit einem Schlüssel. Ein Test ergab, dass ich meinen ganzen Laptop etwas quer gestellt hinein schieben könnte, und noch Platz für den Rest da wäre. Aber die elektronische Verriegelung und damit die elektromagnetische Strahlung machten mir Sorgen: ich habe gehört, das solche Strahlung 206 den Daten auf dem DLT-Tape, den CDs oder auf den externen Harddisks eventuell schaden könnten. Diese Bank kam also nicht in Frage. Meine Erhebungen ergaben, dass die Berliner Sparkasse noch ältere Filialen hatte, wo noch altehrwürdige Tresorräume verwendet würden. Bei der 7. Filiale wurde ich fündig. Die 6. gefundene Filiale wäre auch ideal gewesen, aber um ein Konto zu eröffnen, musste ich meine Liechtensteiner Identitätskarte vorlegen, worin meine alte Adresse aus Liechtenstein notiert stand. Ich hatte keine Angst, den Namen Heinrich Kieber zu verwenden. Die Berliner Sparkasse hätte ja keinen Grund gehabt, ausgerechnet mich bei den irgendwelchen Behörden, z.B. der Polizei „zu melden‚. Ein Rest von Bankgeheimnis war doch wohl in Deutschland noch vorhanden. Oder? Die Bank aber forderte von mir eine Wohnsitzbestätigung aus Berlin, da ich denen ja geschildert hatte, dass ich gerade aus der Schweiz hierher gezogen wäre. Vorher könne man mir kein Konto und Schliessfach anbieten, sagten sie mir. Ich verabschiedete mich mit der Lüge, dass ich mir eine solche Wohnsitzbestätigung holen würde und morgen wieder kommen würde. Freundlich begleitete man mich bis zur Türe. Ich musste unbedingt eine Lösung für eine Berliner Adresse finden. Eine Internetsuche ergab, dass es eine kleine Firma in Berlin Wedding gab, die eine Art ‚Postfächer‚ an Private vermietete. Ich fuhr per Taxi an die angegebene Adresse. Ein älteres Ehepaar führte das Geschäft in einem kleinen, ehemaligen Quartierladen. Sie hatten ca. 50 Postschliessfächer, die man von Aussen her Tag und Nacht erreichen konnte. Ich mietet mir ein Fach und bezahlte die Gebühr bis Ende März '03 im Voraus in Bar. Eine halbe Stunde später stand ich vor der ausgewählten Filiale Nr. 7. Dieses Mal klappte es mit meinem Reisepass. Im Gegensatz zum Deutschen Pass, stand im Liechtensteinischen Pass KEINE Wohnadresse. Ich erklärte dies dem braven Bankangestellten und gab die Geschäftsadresse der privaten Postfachfirma als meine Wohnhausadresse und die zweistellige Zahl meines neuen Postfachs als meine Wohnungsnummer aus. Es bedurfte geschickter Überredungskunst um ihn von meiner neuen, unechten Wohnadresse zu überzeugen. Ich konnte ja schlecht die Adresse von Daniela verwenden. Da ich ja nur ein einfaches Sparkonto, von wo nur die Miete für das Tresorfach abgebucht würde, also keine Karte für die Geldautomaten oder ähnlichem haben wollte, klappte es mit dem Kontoeröffnung. Zudem wusste ich, dass diese Art von Konto keinen Postversand generierte. D.h. zumindest nicht bis Jahresende. Und mein Plan sah nicht 207 vor, dass ich dann noch in Berlin wäre. Ich zahlte ca. 250 Euro auf das Konto ein. Ich bekam zwei Schlüssel. Einen legte ich wie immer in solchen Fällen direkt in das Tresorfach hinein (nicht empfehlenswert, denn wenn man den 2. Schlüssel verliert, dann muss man der Bank ein neues Schloss bezahlen). Ich wickelte den Laptop in ein Küchenhandtuch und verstaute es zusammen mit den anderen Datenträgern (mit Ausnahme einer der zwei externen Harddisks), zusammen mit allen meinen persönlichen Papieren, wo Heinrich Kieber drauf stand (mit Ausnahme des Passes) im Tresorfach. Den Pass brauchte ich ja um mich beim nächsten Bankbesuch ausweisen zu können. Erleichtert legte ich die lange Strecke von der Bank zurück zur Wohnung von Daniela zu Fuss ab. Jetzt war ich sicher, dass mir zumindest keine „elektronische Datenpanne‚ bei der Daniela passieren könne. Die paar Kilos an Treuhand- und Bankdaten, die ich mitgenommen habe, waren im Handkoffer mit einem kleinen Bügelschloss abgesichert. Am Wochenende unternahm ich eine Monstertour kreuz und quer durch Berlin. Ich notierte mir wichtige Punkte, wie die genaue Adresse der USBotschaft oder des Deutschen Finanzministerium; denn schnellsten Weg dorthin via Ringbahn, U-Bahn oder Linienbus, ja nach dem, von wo ich aus starten müsste. Im Notfall auch per Taxi. Ich kaufte mir eine Monatsfahrkarte (evt. war es eine Wochenfahrkarte, ich weiss es nicht mehr genau). In meiner Situation war es besser immer einen gültigen Fahrschein zu haben. Nicht auszudenken: ich gerate in eine Kontrolle mit keinem oder ungültigen Fahrschein und würde mangels Ausweis bei der Polizei landen. Ungern entschloss ich mich deshalb, auch für unterwegs immer einen Ausweis, meinen Reisepass auf mir zu tragen. Besser irgendein Ausweis, als keiner. Ich suchte das Gebäude wo die LGT in Berlin eingemietet war auf, um sicherzugehen, dass ich während deren Öffnungszeiten immer Meilenweit davon weg war. Um nicht evt. von irgendjemand vom Hauptsitz aus Vaduz auf Besuch in Berlin erkannt zu werden. Man wusste ja nie. Daniela liess mich zum Glück alleine, obwohl sie – dank ihrer vielen freien Zeit – ständig Vorschläge für den Besuch von Berliner Sehenswürdigkeiten machte. Ich war sehr müde, als ich Sonntagabend heimkehrte. Von den vielen hektischen Fussmärschen durch Berlin hatte ich mir rund um die Fussfessel, dort wo die Winterstiefel sich oben an der Haut schürften, einen ringformähnlichen Ausschlag geholt. Daniela empfahl mir in einer der massenhaften vorhandenen Apotheken (kein Land hat so viele wie 208 Deutschland; sicher mehr als Kirchen, vermutlich schon bald mehr als Gläubige) Essigsaure Tonerde in Flüssigform zu kaufen und die roten Schrammen damit einzureiben. Hastig ging ich also raus aus der Wohnung, rein in die nächstgelegene Apotheke. Zurück daheim, als ich mich spontan entschied ein heisses Bad zu nehmen, rief Daniela mir aus der Diele zu, dass sie nur schnell Tabak und Zigarettenpapier (kam günstiger) kaufen gehe und fragte, ob sie auch Kondome mitbringen soll. Mann oh Mann, auch das noch. „Nein Danke‚, schrie ich höflich zurück, „Es ginge mir nicht so gut‚. Jetzt war es wirklich Zeit für mich eine andere Unterkunft zu finden, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Der Warmwasserboiler im Badezimmer wurde vermutlich noch zu Hitler’s Zeiten gebaut. Nicht das das Wasser daraus zu kalt war, nööö – es war so kochend heiss, dass man die Badewanne zu 4/5 mit eiskaltem Wasser füllen musste, um nicht verbrüht zu werden. Sicher ist sicher, dachte ich mir, schwang ein Badetuch um meine Hüfte und holte noch schnell meinen blauen Handkoffer aus dem Zimmer und schleppte ihn mit ins Badezimmer. Man weiss ja nie. Frisch gewaschen und durchweicht, schlüpfte ich in mein Pyjama und Daniela hatte mir eine Tasse Tee angeboten. Wir schauten gemeinsam noch etwas TV und dann ging ich zu Bett. Die kommende Woche würde ja streng werden. VADUZ 12. Januar 2003 Der Professor kam nach 2 Tagen Studium am Sonntag mit schwerem Kopf für eine kurze Mittagspause aus der Kammer gekrochen; raus aus dem Raum, wo das KKZ alle relevanten Unterlagen zu Thema „Heinrich Kieber‚ aufgeschichtet hatte. Natürlich hatte ihm niemand weder einen Einblick in die echten Treuhand/Bank-Daten (diese Daten hatte die Regierung logischerweise selber auch nicht), noch eine Kopie von deren Schilderungen, wie Kieber sie beschrieben habe, gewährt. Ebenso würde er später auch NIE auch nur ein einziges Mandat je zu Gesicht bekommen. Jene „schmutzigen‚ Mandate, die sein eigenes Land (Österreich) betrafen, hätten ihn schon brennend interessiert. Aber Hallo, wo kämmen die da hin, wenn Liechtenstein einem ausländischem und auswärtigen Professor auch noch den Beweis von Kiebers Anschuldigungen in Bezug Geldwäscherei, Korruption etc. unter die Nase reiben würde. 209 Hans-Adam rief mehr als 4 Mal in der Kammer an, um von Professor zu erfahren, ob er sich schon einen Bild machen konnte, Schlussfolgerungen ziehen konnte und jetzt Empfehlungen abgeben könnte. Der Professor erwiderte, dass das Problem sehr tief liegen würde. Der Vorteil für Kieber war, dass er sich seit Monaten für dieses Bühnenstück vorbereiten konnte, erklärte er Hans-Adam am Telefon. Den „Fahrplan‚, wie es in den nächsten Tagen und Wochen weitergehen sollte, wurde von Kieber sehr präzises im seinem Schreiben festgehalten. Der Professor empfahl, zum Schein auf Kiebers Angebot einzugehen und zwei neue Pässe herzustellen und in einem Umschlag am Montag zur LGT in Frankfurt zu bringen. Auf Anordnung von Hans-Adams wurde das KKZ beauftragt, zwei Pässe mit den gewünschten falschen Namen und mit 2 der 4 Passfotos von Kieber, die er dem Brief beigelegt hatte, herstellen zu lassen. Da es Sonntag war, versuchte man es zuerst mit eigenem, eingeweihtem Personal aus dem KKZ. Dies misslang auf Grund technischer Unkenntnis in Bezug auf Bedienung der Passmaschine. Man holte eine Passamtperson um 10 Uhr aus der verdienten Sonntagsruhe und bewerkstelligte die Herstellung der zwei Pässe rasch und problemlos. Als Fahrer soll die rechte Hand von Hans-Adam, Herr Gilbert Kaiser fungieren. Ein Bankdirektor der LGT Vaduz soll mit ihm am 13.01.03 nach Frankfurt fahren. Beide wurden über die ganze Angelegenheit ausführlich informiert. Anm.: Ich lag richtig in meiner Planung, nur ganz wenige Tage zwischen der Briefankunft auf dem Schloss (7.1.) und dem „1. Termin“ (14.1.) zuzulassen. Somit hatten sie keine Zeit viel nachzudenken, ob sie die Pässe überhaupt erstellen sollen. Aus reinem - nachvollziehbarem - Selbstschutz wird von HansAdam und Liechtenstein seit Feb. 2008 inkorrekt behauptet, dass sie angeblich keine Pässe ausgestellt hatten. BERLIN 13. Januar 2003 (vormittags) Wieder hatte ich eine Nacht in Berlin überlebt. Ohne Frühstück, aber immerhin nach einem selbst gemachten Tee, verabschiedete ich mich bei Daniela mit der Bemerkung, ich würde eines der vielen Museen besuchen gehen. Stattdessen begab ich mich auf schnellstem Weg zu einem Internetcafé, wo ich fieberhaft im Netz nach Angebote für ein möbliertes Zimmer suchte. Ich musste eine Unterkunft für spätestens 210 Morgen Abend finden. Ich tippte in die Suchmaschine ein: „Untermieter gesucht‚, „Zimmer zu vermieten‚ oder „Mitwohnzentrale‚ etc. Ich fand ein Angebot, wo ab sofort ein kleines möbliertes Zimmer offeriert wurde. Ich notierte die Nummer und rief auch gleich von einer Telefonzelle aus an. Eine nette junge Stimme nahm den Hörer ab. Petra suchte eigentlich eine Untermieterin, also eine Frau, kein Mann. Ihre bisherige Mitbewohnerin habe sich letzte Woche klammheimlich aus dem Staub gemacht und sei ihr aber noch 2 Wochen Miete schuldig. Ich erzählte ihr, ich sei auf Besuch aus der Schweiz hier und Berlin sooo schön finde, dass ich gerne noch 4-8 Wochen hier bleiben möchte und daher ein Zimmer suche. Es sei ja billiger als im Hotel zu wohnen, rechnete ich ihr vor. Ich würde meine Miete pro Monat im Voraus bezahlen. Dies gefiel ihr. Und da sie viele charmante Schweizer kenne, offerierte sie mir, das Zimmer doch morgen, Dienstag in der Früh anschauen zu kommen. Heute ging es ihr nicht mehr, da sie gleich zur Arbeit müsse und erst sehr spät abends heimkehren würde. Auch sie musste Untervermieten, sodass sie ihre eigenen Mietkosten reduzieren konnte. Die Monatsmiete für mein Zimmer war 380 Euros. Sie wohne in der Nähe der Kirche zum Heiligen Kreuz. Ich notierte mir die Strasse und entschied für mich, jetzt schon mal die Strasse aufzusuchen, sodass ich am nächsten Tag keine Zeit verlieren würde. In ca. 40 Minuten war ich dort angelangt. Etwas Schnee lag auf dem Fussweg, im Garten und auf der Strasse. Es war eine ruhiges Quartier und das Mehrfamilienhaus am Ende, in der Ecke. Gemäss Klingel musste es die Wohnung im Erdgeschoss, Treppe runter und Rechts sein. Es hatte grosse Fenster und alte Bäume im Garten - sehr schön. Ich nahm den Bus zurück ins Zentrum von Berlin und setzte mich in ein Café, von wo ich die Berliner Welt zwischen 10 Uhr und 12 Uhr vor meinen Augen vorbeiziehen lies. Es war schon komisch, das ganze. Ich versuchte mir vorzustellen, was die in Vaduz jetzt wohl alles machen. Aus heiterem Himmel entschloss ich mich einfach mal beim Schloss Vaduz auf die Zentrale anzurufen. Da ich solches im Brief nicht angekündigt hatte, dachte ich mir, dass der Überraschungseffekt mir dienlich sein könnte. Etwas Mut dazu brauchte ich schon. Ich begriff, ein Anruf kann nicht Schaden und bis jetzt gab es ja noch keine Tote in diesem Drama. Ich wusste, dass Hans-Adam, wenn er im Schloss war, ungefähr immer zur selben Zeit das Mittagessen von der Küche bestellt. 211 Er legt grossen Wert darauf, dies mit seiner Grossfamilie pünktlich und gemeinsam einzunehmen. Ich rief also vor dem Mittagessen an, nannte meinen Namen und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte. Ich hörte, wie die Sekretärin auffallend perplex über meinen Anruf war. Nach kurzer Wartezeit stellte sie mich zu Hans-Adam durch. Er war erstaunlicher Weise nicht all zu böse; d.h. er war sehr besorgt über die Geschichte. Ich sagte ihm schnell, dass ich nicht allzu lange telefonieren möchte, da ich nicht wusste, ob vielleicht eine Fangschaltung installiert wurde. Ich erwähnte, dass ich in Deutschland war. Darauf hin konnte ich nur ein starkes Seufzen hören. Er sagte mir, dass keine Fangschaltung da sei und wir aber vorsichtig sein müssten, was wir am Telefon hier besprechen: Man wisse ja nie, wer mithöre. Ich war eher erstaunt, solches von ihm zu hören. Er sagte mir, dass ich gemäss den Angaben in meinem Brief vorgehen sollte und er die Pässe ausgestellt hatte. Er fragte mich 3 mal ob ich die Daten gut versteckt hätte, was ich postwendend 3 mal bejahte. Er sagte auch, dass ich nicht mehr aufs Schloss anrufen solle. Mir würde später eine andere Möglichkeit zum Telefonieren mitgeteilt werden. Dann könne ich mit ihm sicher reden. Ich solle aber vorsichtig sein und nicht über die Daten reden, vielleicht würde ja jemand mithören. Er sagte weiters, dass letztmöglich jemand mithören würde; eine Person, die ich im Brief erwähnt hätte. Man kann sich heute nicht auf alle Verlassen, sagte er zum Schluss. Ich begriff diese Gerede über „Mithören‚ nicht ganz; aber eben: Ich war froh, dass er überhaupt mit mir sprach und ich glaubte, dies sei der Anfang einer Lösung und nicht der Anfang vom Ende. Das ganze Gespräch dauerte nur 2-3 Minuten. Ich fuhr auf Umwegen mit Bus und Bahn wieder nach Hause. Daniela war nicht da, was mir sehr gelegen kam. Ich packte meine sieben Sachen zusammen, um schneller bereit zu sein, sollte ich am nächsten Tag ausziehen. Ungeduldig stampfte ich zwischen den Telefonkabinen auf dem Wittenbergerplatz hin und her, um die Zeit bis 14 Uhr totzuschlagen. Dann würde ich nämlich die LGT in Frankfurt anrufen, um zu erfahren, ob ein Kuvert für mich da wäre. Wenn ja, dann würde ich den Auftrag geben, das Kuvert an meine neue, private Postfachadresse in Berlin zu senden. Sollte dies klappen, würde ich zuerst das Gebäude, wo mein Berliner Postfach im Erdgeschoss liegt, für ein paar Tage ausgiebig beobachten und dann zu einer Zeit, wo ich sicher sein könnte, dass eigentlich niemand unterwegs war, also zwischen 3 und 4 Uhr in der Nacht, mein Fach leeren kommen. 212 VADUZ 13. Januar 2003 (vormittags) In aller Herrgottsfrühe fuhren Hr. Kaiser und der Bankdirektor von Vaduz aus mit dem Diplomatenstaatswagen des Hans-Adams (dunkler Audi A8 mit Wechselkennzeichen FL 6333, bei Staatsanlässen wird das anderen Kennzeichen, FL 1 angebracht) Richtung Frankfurt los. Mit dabei hatten sie ein dickes Kuvert mit Handschriftlichem Schreiben von Hans-Adam für Kieber und den zwei Pässen. Noch viel früher in der Nacht, um 03 Uhr morgens erst, war der Professor mit dem Aktenstudium endlich fertig. Ausgiebigen Schlaf konnte er aber nicht erleben. Um 07 Uhr war er schon wieder in der KKZ, wo er zusammen mit dem eintrudelnden Regierungschef Hasler die erste von vielen Tassen Kaffee oder Tee tranken. Der Bankdirektor und die rechte Hand Hans-Adams trafen in Frankfurt ein und nahmen sich zwei Zimmer im Hotel Palmenhof in der Bockenheimer Landstrasse. Um auf alle Seiten abgedeckt zu sein, orderte das KKZ das Landgericht Vaduz an, einen neuen Akt gegen Kieber anzulegen. Die Untersuchungsrichterin, Frau Netzer wurde beauftragt, „pro forma‚ einen Internationalen Haftbefehl zu beschliessen. Der Haftbefehl sollte aber noch nicht im Polizeisystem aktiviert werden. Die Grundlage für einen Haftbefehl wäre eben die versuchte Datenunterdrückung & der Datendiebstahl, die Nötigung des Staatsoberhauptes Hans-Adams und – was aus Liechtensteiner Sicht am Schlimmsten war - das Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zu Gunsten des Auslandes. Es wäre A) die Fluchtgefahr gegeben, da Kieber die Wohnung im FL aufgelöst hatte. B) eine Verdunkelungsgefahr gegeben, die damit zu erklären sei, dass er – auf freiem Fuss gelassen – die Ermittlung der Wahrheit erschweren werde (Anm.: Welch Ironie dieses Gesetzeswortlauts: Im Gegenteil, ich war auf einer Mission ins Ausland gegangen, um die Wahrheit der „schmutzigen Geld-Geschäfte“ in Liechtenstein zu offenbaren.) und C) insbesondere die Ausführungsgefahr, da er dies detailliert im Brief an Hans-Adam angedroht hatte. Anm.: Wie die UR richtigerweise festgestellt hatte, war mein Brief eine versuchte Nötigung und KEINE Erpressung! Eine Erpressung wäre es dann, wenn ich z.B. Geld im Austausch für die Daten verlangt hätte. Das Gesetzt macht da ganz klar einen Unterschied. Ich wurde in der Folge später auch nie wegen Erpressung angeklagt und logischerweise auch nie dafür verurteilt. 213 Das Liechtenstein (über die KKZ) immer dann alle gesetzlichen Richtlinien und Vorschriften einfach zum Fenster raus schmeisst, wenn es ums eigene Geld (Bank- oder Treuhanddaten) geht, zeigte sich auch in diesem Fall wieder. Der Vorwurf des Datendiebstahls hätte gar nicht als Grundlage für den Haftbefehl herhalten dürfen, da der Diebstahl von Daten in Liechtenstein kein Offizialdelikt sondern ein Antragsdelikt ist und das bedeutet, nur wenn die Bank oder die Treuhand es selber wollen und sie einen Datendiebstahl bei der Polizei anzeigen, dann die Behörden aktive werden können. Der Hintergrund des Gesetzgebers, einen Datendiebstahl nur als Antragsdelikt zu klassifizieren, lag darin, da man es der Bank oder Treuhand überlassen wollte, sich mit dem Dieb einigen zu können und somit ein Aufsehen mit einem Strafprozess und auch Schädigung des Rufes verhindern zu können. Das hat oft gut geklappt. Es ist in Liechtenstein kein Geheimnis, dass in den Jahren 1994 bis 2004 (die Batliner CDs und meine LGT Daten ausgenommen) es 4 weitere, wenn auch kleinere Fälle von Datendiebstahl gegeben hatte, wo es nie zu einer Anzeige kam, da die betroffenen Firmen (3 Treuhandfirmen und 1 ausländische Bank) mit „Zahlungen“ die Sache selber, offenbar erfolgreich, bereinigen konnten. Eine Datendiebstahlanzeige in meinem Fall lag aber nicht vor. Im KKZ wurde weiters folgendes entschieden: Um der Person des Kieber aufzuspüren, der sich höchstwahrscheinlich im Ausland aufhielt, wurde angeregt, diverse Handynummern sowie zwei Festnetzanschlüsse von Personen zu überwachen, auf die er vielleicht anrufen würde. Zudem wurde beschlossen, dass man sich für eine oder mehrere Razzien in Liechtenstein allzeit bereithalten sollte. Nur für den Fall, dass die Bewohner der Gebäude anwesend wären, instruierte das KKZ das Landgericht ein paar Hausdurchsuchungsbeschlüsse, auch „pro forma‚ anzufertigen. Die Razzien sollten aber - wenn möglich - so ausgeführt werden, dass niemand davon etwas erfährt und keine nötigen Gerichtsbeschlüsse gezeigt werden müssen. BERLIN 13. Januar 2003 (nachmittags bis in die Nacht) Endlich, die Uhr zeigte Punkt 14 Uhr. Ich rief die Nummer der LGT Frankfurt an. Ich sagte meinen Namen und fragte, ob ein Kuvert für mich da sei. Die Angestellte dort sagte mir, dass jemand hier sei, der mich sprechen möchte. Der Bankdirektor Schlachter nahm den Hörer in die Hand. Er habe einen Umschlag von Hans-Adam für mich dabei. Ich 214 müsse ihn aber selber abholen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht in Frankfurt war, sondern in Berlin! Er glaubte mir es nicht. Er sagte, dass er vom Hans-Adam persönlich beauftragt worden sei, das Kuvert mir persönlich zu übergeben. Zu meinem Erstaunen erläuterte er mir, dass er angeblich absolut KEINE Ahnung habe, um was es sich handle. Ich war schon etwas sehr verwirrt über diese Aussage. Nein, nein – versicherte er mir. Er wüsste nicht um was es gehe. Er sei am Sonntag aufs Schloss gerufen worden und ihm sei aufgetragen worden, einen Gefallen für den Hans-Adam zu tun. Das sei alles gewesen, was man ihn gesagt hätte. Mir kam dies sehr suspekt vor. Ich musste ihm aber diesbezüglich glauben. Ich fragte ihn, ob er wüsste was in dem Kuvert sei. Er erwiderte, NEIN, er wüsste es nicht und möchte und musste es nicht wissen. Er wiederholte zudem mehrmals, dass wir am Telefon sehr vorsichtig sein müssten, da ich ja von einer öffentlichen Telefonzelle anrief (was er als erstes von mir erfahren hatte). Wir dürften keine Details oder Worte wie „LGT‚, oder „Daten‚ u.s.w. erwähnen. Ich sagte ihm, ja das wäre logisch, aber dass es auch keinen Sinn machen würde, mit ihm weiter zu telefoniere, wenn er ja nicht im Bilde war. Ich äusserte den Wunsch, Hans-Adam am Abend selber anrufen zu können. Ich schlug dem Bankdirektor auch vor, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen. Er verlangte den Beweis, dass ich wirklich in Berlin sei. Ich dachte nur: Mist, wieder einmal haben sie es nicht fertig gebracht, meine Schreiben, in diesem Fall den Brief vom 7.1.03, vollständig und richtig zu lesen. Da stand kein Wort darin, das ich in Frankfurt sein würde! Ich fragte den Bankdirektor, ob er den keine Telefonnummer auf dem Display sehe würde; er verneinte dies. Ich regte mich auf, dass man hier wohl alles selber machen musste. Da hatte ich eine Idee, wie ich beweisen konnte, dass ich in Berlin war. Etwas riskant, aber in diesem Stadium des ganzen Dramas war für mich die Gefahr, sprich von HansAdam schnell „geschnappt‚ zu werden, kalkulierbar, sprich nicht akut. Ich sagte, ich würde in 10 Minuten wieder anrufen. Ich rannte so schnell es ging zur neuen Niederlassung der LGT in Berlin am Kurfürstendamm Nr. 36. Noch nach Luft ringend, erzählte ich der Empfangsdame, dass ich einen Telefontermin mit einem hohen Bankdirektor der LGT Vaduz, der jetzt in der LGT Frankfurt sei, hätte. Die Dame dachte, ich sei wohl ein etwas wirrer Kunde und rief die LGT Frankfurt an. Ich wurde dann mit dem Bankdirektor verbunden und damit gab es dann absolut keinen Zweifel mehr: ich war in Berlin! 215 Der Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Hans-Adam in der Zwischenzeit telefoniert hätte und dieser ihm nun aufgetragen hatte, mir zu sagen, dass ich ihn, den Bankdirektor über den Sinn und Zweck seiner Reise aufklären sollte. Ich lehnte dies ab, da es utopisch war, ihm in einem Ferngespräch gerade heraus über das Drama zu berichten. Mir wurde gesagt, dass Hans-Adam mich sprechen möchte und ich ihn aufs Schloss anrufen sollte. In derselben Minute widerrief der Bankdirektor die Aussicht, dass ich aufs Schloss anrufen könnte. Ich lag mit einer meiner Vermutungen wieder richtig: Hans-Adam hatte seine „Soldaten‚ nie ganz aufklärt und niemand gesagt, dass ich ihn gestern aufs Schloss angerufen hatte: typisch Hans-Adam – immerzu bestrebt, einen strategischen Vorteil zu behalten, erinnerte ich mich. Ich hatte nochmals vorgeschlagen, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen. In einem späteren Telefonat wurde mir gesagt, dass nun Hans-Adam mich persönlich sehen möchte und wir alle uns am Abend noch in Hannover treffen sollten. Ich konnte diesem Plan nicht zustimmen, da meine abgeschätzte Ankunft in Hannover erst spät in der Nacht erfolgen würde und ich mich dort sowieso nicht sicher fühlen würde. Wer garantierte mir, dass es keine Falle sei, fragte ich. Der Bankdirektor schwieg dazu und hatte stattdessen vorgeschlagen, mir aus Frankfurt entgegenzufahren; er hätte ja auch das Kuvert, mit dem von mir gewünschten Inhalt. Ich erwiderte: Wenn Hans-Adam mit mir sprechen wollte, so könnte er doch die LGT in Berlin anrufen. Der Bankdirektor sagte mir dann, dies würde nicht gehen, da die Leitung dorthin nicht gesichert war, sprich nicht abhörsicher war und die Gefahr bestand, dass der Feinde, die Deutschen mithören könnten. Je mehr ich mit dem Bankdirektor kommuniziert hatte, um so weniger erschienen mir seine Verschläge einleuchtend. Ich hatte um Bedenkzeit gebeten und sowieso musste ich das Telefonat oft unterbrechen und die Nummer neu anwählen, da ich Telefonkarten mit einem Wert von 5 oder 10 Euros gekauft hatte, die schnell verbraucht waren. Die angebliche Unkenntnis seitens des Bankdirektors darüber, was wirklich los war, machte mir schon zu schaffen. Ich suchte ein Internetcafé auf und schickte von meinem alten Emailkonto aus dem Hans-Adam und seinem Sohn Alois eine Email aufs Schloss Vaduz. Ich hatte darin mein Unverständnis darüber dargelegt, dass er offenbar frustriert war, dass ich nicht in Frankfurt war und entschuldigte mich für die "Missverständnisse". Ich schlug vor und bat ihn auch, dass man sich in Berlin treffe würde. Das Email hatte ich 3 Mal 216 an die öffentlich bekannten Emailadressen (a.liechtenstein@sfl.li, office@fuerstenhaus.li, sfl@sfl.li, post@sfl.li oder mail@sfl.li) gesandt. Dies trotz der Gefahr, dass über die IP-Adresse meiner versandet Email der Standort des Internetcomputers herausgefunden werden könnte. Aber ich wusste, dass wenn jemand die wirklich Strassenadresse ausforschen würde, ich schon lange wieder weg über alle Berge sei. Danach rief ich wieder den Bankdirektor an und erzählte ihm vom Email. Er sagte mir, dass er in der Zwischenzeit wieder mit Hans-Adam gesprochen hatte und dieser ihn nun über die Lage informiert hätte. So, so, dachte ich mir. Des Weiteren wurde mir erklärt, dass Hans-Adam grossen Wert darauf lege, dass ich mich mit dem Bankdirektor noch heute treffen würde. Bis spät in die Nacht hatte ich mehrere Anrufe an die LGT Frankfurt gemacht und mit dem Bankdirektor gesprochen. Dabei wechselte ich immer den Standort und rannte dafür wie ein geköpfter Hahn kreuz und quer im Zentrum von Berlin herum, auf der Suche nach neuen, „frischen‚ Telefonzelle. Dies um zu verhindern, dass sie mich elektronisch lokalisieren konnten. Er wiederum, so wie er mir erläuterte, muss jeweils telefonische Rücksprache mit Hans-Adam führen und sich sein „OK‚ zu holen. Ein paar Mal wurde heiss diskutiert und der Frust von Seiten des Bankdirektors war nicht zu überhören: „Enttäuschung‚ in Vaduz darüber, dass ich nicht in Frankfurt war, wie ich es geschrieben hätte. Mir wurde auch eine Liechtensteiner Handynummer mitgeteilt, die ich mir notierte. Es war die Nummer eines Handys worauf ich Hans-Adam persönlich anrufen könnte. Ich war erleichtert, dass offenbar Hans-Adam den Bankdirektor aufgeklärt hatte. Ich sollte nun den Zug um 19:56 von Berlin nach Köln nehmen: dort würde er, der Bankdirektor auf mich warten und ich würde nur so mit dem Hans-Adam telefonieren können. Dies von der LGT Köln aus über eine abhörsichere Leitung. Ob ich die Unterlagen auf mir oder mit mir hätte, hatte der Bankdirektor mich höflich gefragt. Na klar, lachte ich laut: Ich würde sicherlich kiloweise Unterlagen und Datenträger jetzt mit mir in Berlin herumschleppen, auch noch zu dieser dunklen Stunde. Natürlich nicht! Sie wären gut versorgt, erwiderte ich. Es wäre ein komplexes Thema, die Datensicherung hier in Berlin, erklärte ich ihm. Ich sagte ihm auch, dass ich es ihm persönlich unter vier Augen in Berlin erklären könnte. Der Bankdirektor versuchte mehrmals auf verschiedene Art und Weise in Erfahrung zu bringen, wo ich die Unterlagen aufbewahrt hatte. Er 217 schilderte mir, dass Hans-Adam in den Telefonaten mit ihm sehr besorgt über die Daten geäussert hatte. Um meiner ausgefeilten Sicherheit in Bezug auf die Daten etwas mehr Betonung zu geben, hatte ich dem Bankdirektor in Erinnerung gerufen, dass seine LGT den Verlust des DLT-Bandes sowie der Originaldokumente ja nicht einmal gemerkt hatten. Als ich dann weiters erwähnte, dass sie sicher in einem Schliessfach waren, dass in der Nacht nicht zugänglich sei, versuchte er mir weiszumachen, dass Hans-Adam die Pässe heute Nacht übergeben würde und im Gegenzug heute Nacht gerne die Daten zurück hätte. So einen Blödsinn dachte ich mir. Da ich die offensichtliche Dummheit dieser Idee dem Bankdirektor nicht schnurgerade ins Gesicht schleudern konnte, fragte ich ihn künstlich erstaunt, aber höflich, wie dies den geschehen sollte? Es sei jetzt Montagabend, alle Geschäfte sind zu, sagte ich. Obwohl ich nie erwähnt hatte, dass es sich um ein Schliessfach bei einer Bank handeln würde, nahm der Bankdirektor dies als gesicherte Information an und behauptete weiters, dass wenn Hans-Adam wisse würde, um welche Bank es sich handelte, er die Mittel und Wege hätte, die Filiale noch heute Abend öffnen zu lassen. Ich konnte mein Gelächter nicht mehr unterdrücken. Ich entgegnete, es ist jetzt fast 20 Uhr und es ist mir durchaus ganz klar, dass Hans-Adam Macht und Milliarden hat, aber bitte – dass er die Autorität hat – rein hypothetisch - einen Vorstandsvorsitzenden eines Deutschen Bankkonzerns aus dem Bett zu holen und zum Öffnen einer seiner Filialen zu bewegen, damit dort Mitten in der Nacht ein Safe geleert werden konnte - ist absolut unmöglich und reine Phantasie. Zudem fragte ich den Bankdirektor ob er und die in Vaduz wohl verrückt geworden seien: a) wie sollte – wiederum rein hypothetisch – eine solche Aktion über die Bühne gehen, ohne das von Deutscher Seite (Bankvorsitzender, Filialleiter Mitarbeiter, Sicherheitspersonal etc.) irgendjemand die Sache sehr höchst suspekt vorkommen würde. Oder b) sie allen Ernsten wünschten, dass ich das Fach leeren sollte und mit all den Daten und Papieren quer durch Deutschland per Zug zu ihm reisen musste. Sowieso würde eine Datenübergabe für mich gar nicht zu Frage stehen. Man hatte ja noch gar nichts in Sachen Argentinienfall gemacht. Wie kommt ihr da auf die Idee, ich würde euch die Daten jetzt schon zurückgeben, fragte ich den Bankdirektor. Er stammelte nur ständig, dass er die Daten zurück haben muss, muss, muss.... Was ich nicht wusste war, dass er nur darum ständig nach den Daten fragte, weil er 218 herausfinden wollte, ob ich sie überhaupt hatte. Um dem Unsinn ein Ende zu machen, erklärte ich ihm, dass es kein Banktresorfach sei und ich unmöglich heute Nacht an die Daten kommen könnte. Ende. Punkt. Amen. Schluss. Aus. Ich sagte auch, dass ich hundskaputt war und keine Reise mehr irgendwohin machen würde. Ich bat ihn, Hans-Adam mitzuteilen, dass ich am Ende meines Lateins sei, mich aber für seine Geduld und angebotene Lösungshilfen bedanken würde, was immer das war. Der Bankdirektor bat mich, ihn in 20 bis 25 Minuten wieder anzurufen. Was ich dann auch tat. Er sagte mir, dass Hans-Adam mir für meine Loyalität gegenüber seiner Familie, der LGT und Liechtenstein bedankt hätte und nun keine nächtliche Reise von mir irgendwohin verlangen würde. Ich musste das Gespräch kurz halten, da ich nur noch wenig Guthaben auf der Telefonkarte hatte. Ich hatte den Bankdirektor gewarnt, dass ich unter Umständen nicht mehr anrufen könnte, da ich nicht wüsste, wo ich zu dieser späten Stunde noch Telefonkarten kaufen könnte. Dann ein Klick, Null Euro Guthaben und die Verbindung war tot. Ich suchte verzweifelt nach einem Kiosk, der noch um diese Zeit geöffnet hatte. Es war nichts zu finden. Halt. Weit weg brannte noch Licht in einem Geschäft. Zum Glück hatte ein Internetcafé noch offen: ich konnte günstige Telefonkarten kaufen. Ich hatte eine neue Telefonzelle erspäht und wählte die Nummer in Frankfurt. Es war jetzt 20.35 Uhr. Ich erklärte nochmals, dass ich jetzt NICHT an das Schliessfach konnte. Einen Tag später könnte ich aber an die Daten kommen. Ich schlug nochmals vor, dass er am nächsten Tag nach Berlin kommen sollte. Wir könnten uns um 10 oder 11 Uhr treffen. Er sagte, dass er dies nicht alleine entscheiden könne, er sei auf Anordnungen von Hans-Adam angewiesen. Nur sein Wort gelte für ihn. Der Bankdirektor fragte mich ob ich ihm nicht mehr über die ganzen Umstände, die zu diesem Drama geführt hatten, erzählen könne. Ich dachte zuerst, ich hatte mich verhört. Jetzt, nach zehn oder mehr Telefonaten, so spät, wo alle müde und gleichzeitig angespannt waren, jetzt wollte er, dass ich ihm am Telefon in 20 bis 30 Minuten wohl als Schlecht-Nacht-Geschichte die Ereignisse der letzten sechs Jahre erzählte. Ich wollte nun auflegen, aber der Bankdirektor bat mich nochmals in einem Augenblick anzurufen. Er müsste wieder Meldung nach Vaduz machen. Ich wartete. Dann erkannte ich, dass ich nun nicht genau wusste wo ich war und wie weit die nächste U-Bahn- oder Bussstation entfernt war. Auch das noch, donnerte ich – ein langer Fussweg nach Hause stand mir bevor. 219 Ich telefonierte, diesmal von derselben öffentlichen Telefonkabine aus, zum letzten Mal mit dem Bankdirektor in Frankfurt. Der Ton hatte sich beachtlich verschlechtert. Der Bankdirektor schimpfte mit mir. Er sagte, dass es in Vaduz heftig zuginge. Man glaubte mir nicht (ohne mir zu sagen, was man mir den nicht glaubte), man sei erbost, dass ich nicht in Frankfurt sei, man sei mir böse, dass ich angeblich nicht jetzt an die Daten kommen könnte u.s.w. Ich solle einen Beweis liefern, dass ich ein Schliessfach hatte. Ich fasste es nicht. Fuck! Das war wieder so ein Trick, um mich auf die Palme zu treiben. Warum wollten die einen Beweis, dass ich ein Schliessfach hatte? Ich mag zwar ab und zu verrückt sein, aber nicht genug, um deren Psychospiele nicht zu durchschauen. Ich erklärte nun, dass ich sicher war, dass sie eine Falle planten. Sie wollten, dass ich mit dem Schliessfachschlüssel sofort nach Frankfurt, Hannover oder Köln komme. Ich war mit den Nerven am Ende und wiederholte meine Bitte, er solle einfach nach Berlin kommen. Ich müsse jetzt auflegen, da die Telefonkarte nur noch zehn Sekunden Gesprächsguthaben anzeigen würde, sagte ich mit immer schwächer werdender Stimme. Für „Gute Nacht‚ reichte die Zeit noch aus und ich ersuchte ihn auch bis 10 Uhr morgens eine Nachricht bei der LGT in Berlin für mich zu hinterlassen. Klack – die Linie war tot. Ich rannte nochmals zum Internetcafé und kaufte eine weitere Telefonkarte für den nächsten Tag. Eine UBahnstation war auch schnell gefunden der Zug war aber schon weg. So blieb nur ein Fussmarsch um nach Hause zu kommen. Nach zehn Minuten war ich an einer einsamen Telefonzelle vorbei gekommen. Nun gut, dachte ich, besser den Bankdirektor nochmals anrufen. Er war noch wach und in der Frankfurter Niederlassung. Die Uhr zeigte 22.15 Uhr. Ich herrschte ihn an nach Berlin zu kommen. Er sagte, er würde es versuchen. Könnte aber nichts garantieren. Höflich hatten wir uns dann verabschiedet. Man vereinbarte, dass ich ihn am nächsten Tag um 07.30 Uhr in der Früh wieder telefonisch kontaktieren würde. „Gute Nacht Herr Bankdirektor.‚ „Gute Nacht Herr Kieber.‚ 220 VADUZ 13. Januar 2003 (nachmittags bis spät abends) Seit dem Mittagessen rief der Bankdirektor mehrmals Hans-Adam und die KKZ an, um über den aktuellen Stand der Dinge zu berichten und weitere Befehle vom Fürst zu erhalten. Der Professor sagte ihm, dass sie alle auf Zeit spielen sollten. Die Lage sei jetzt anders und komplizierter, da man nicht erwartet hatte, dass Kieber wahrhaftig in Deutschland und zudem auch schon in Berlin war. Dort, wo alle Behörden und die USBotschaft waren. Sie glaubten dem Schreiben von Kieber ja nicht. Hans-Adam erhielt ein Handy der Polizei, deren Liechtensteiner Nummer Kieber heute mitgeteilt werden sollte. Ausserdem sollte ihm gesagt werden, dass es die Nummer war, auf der er Hans-Adam persönlich anrufen könne. Die Liechtensteiner Telekom erhielt von der KKZ den Befehl, alle Anrufe auf diesem Handy aufzuzeichnen. Es wurde sehr fieberhaft zwischen dem Schloss, der Regierung und den anderen Mitgliedern des KKZ kommuniziert. Hans-Adam hatte den Auftrag gegeben, herauszufinden, wie Kieber sich bei der LGT in Berlin verhalten hatte und was er dort den Mitarbeitern sonst noch gesagt hatte. Er sagte dem KKZ, man solle Kieber mitteilen, dass er ihn direkt im Schloss anrufen könne, da der Fürs die Sache mit ihm besprechen müsse. Hans-Adam wurde aber von Seite des KKZ empfohlen, sich vorerst keine Anrufe von Kieber auf sein Schloss durchstellen zu lassen, falls dieser es versuchen sollte. Die Sache war sehr delikat. Denn alleine die Tatsache, dass ein ehemaliger Mitarbeiter der LGT, der weit reichende Kenntnissen über das Geschäft „im Kopf‚ gespeichert hatte, in der Hauptstadt des „Feindesland" herumirrte, war in den Augen von Hans-Adam Sprengkraft genug, um eine eigene Reise nach Deutschland ins Auge zu fassen. Ihm wurde aber im Verlauf des Abends gesagt, dass Kieber nicht nach Hannover kommen könne oder wolle. Er erhielt dann von seiner Sekretärin auch das Email von Kieber aus Berlin. Hans-Adam erklärte, dass er persönlich grossen Wert auf ein Zustandekommen eines Treffens zwischen dem Bankdirektor und Kieber legte. Dann würde er mit dem Kieber reden und zwar nur über eine gesicherte Leitung nach Vaduz. Das KKZ hielt fest, dass das Ziel nun war, den Bankdirektor mit dem Kieber zusammenzubringen, um den Wünschen und der Autorität des Hans-Adams entsprechen zu können. Er hätte dem Bankdirektor auch gesagt, dass er nicht über das 221 Telefon über die Daten sprechen möchte, da dies Hans-Adam offenbar nicht wollte. Hans-Adam sagte dem KKZ, dass er abwarten wollte, ob Kieber nicht doch noch nach Frankfurt, Hannover oder Köln reisen würde und er, Hans-Adam dann weitere Anweisungen, wie und was nun geschehen soll, geben würde. Der Liechtensteiner Fürst wurde sehr ungeduldig. Der Bankdirektor meldete zurück, dass Kieber ihm gesagt hätte, dass die Daten sicher in einem Schliessfach versorgt wären. Hans-Adam regte an, dem Kieber zu fragen, bei welcher Bank dies wäre. Er, Hans-Adam hätte dann die Macht den Vorsitzenden jener deutschen Bank anzurufen und zu arrangieren, dass sein Bankdirektor mit Kieber später das Fach gemeinsam leeren sollte. Hans-Adam wurde noch ungeduldiger. Es solle dem Kieber gesagt werden, dass der Bankdirektor ein dickes A4 Kuvert mit dem von ihm gewünschten Inhalt und einem handschriftlichem Vermerk des HansAdam für ihn hätte. Hans-Adam wollte wissen, warum ein Treffen nicht möglich war und wo die verdammten Daten waren. Nach Beratung gab Hans-Adam die Order, dass der Bankdirektor sich für eine Reise nach Berlin am nächsten Tag vorbereiten sollte. Hans-Adam wurde informiert, dass Kieber dankbar für seine Unterstützung sei und er nichts Böses wolle. Kieber hätte gesagt, dass er sich nicht vorstellen könnte, dass Hans-Adam in Deutschland nun mit den vorgeschlagenen Treffen oder dem Mitten-In-Der-Nacht-Tresor-Öffnen Aufsehen erregen wollte. Er wäre Hundskaputt und müsste nun ins Heim ins Bett. Das KZZ entschied sich, für heute kein Treffen mehr zu verlangen. Man kam zu dem Schluss, dass Kieber eben Kieber sei, verrückt aber hoch intelligent. Man konnte davon ausgehen, dass er die Daten gut und vor allem sicher versteckt hatte, falls er sie denn hätte. Es wurde darüber gegrübelt, ob die Daten evt. in einem Postfach oder in einem Schliessfach bei einem Bahnhof oder Flughafen versteckt waren. Sicherheitshalber wurde entschlossen, eine Vollmacht zu Gunsten des Bankdirektors in Vaduz erstellen zu lassen und ihm per Fax ins Hotel Palmenhof zu senden. Anm.: Um was für welche Art von Vollmacht es sich dabei handelte, konnte ich leider nie ganz in Erfahrung bringen. Wohl eine Art gefälschte GeneralVollmacht von mir für den Bankdirektor für alle Schliessfächer in Deutschland. Wäre ich nach Frankfurt, Hannover oder Köln gereist und sie hätten mich dort in Empfang genommen und irgendwie festgehalten, hätten sie versucht, mithilfe der Vollmacht, an das Schliessfach zu kommen. 222 Der Bankdirektor wurde gefragt, ob er im Hintergrund vielleicht Zuggeräusche oder Flughafengeräusche gehört hatte. Er verneint dies. Der Bankdirektor bestätigte, dass es ein weiteres Telefonat zwischen 20.35 Uhr und 20.50 Uhr mit Kieber gab. Darin habe ihm Kieber zuerst offeriert, morgen mit den Daten nach Köln zu kommen, dann aber korrigiert und gesagt, nein besser sei es, wenn man zu ihm nach Berlin komme. Kieber verstehe die Aufregung von Hans-Adam nicht, weil er nicht in Frankfurt sei. Kieber fordere, dass man seinen Brief vom 7.1.2003 nochmals genau lesen solle. Darin stehe nichts davon, dass er am 13.01.03 in Frankfurt sein würde. Es müsse alles ein Missverständnis sein. Er habe nie vorgehabt, nach Frankfurt zu kommen, sondern sich die Schutz-Identität irgendwo in Deutschland nachsenden zu lassen. Dass er irgendwelche Daten im Austausch gegen die Schutzidentität aushändigen würde, habe er nie zugesagt oder geplant. Es ginge ja auch nicht um Millionen (für ihn), es ginge um was ganz anderes. Er brauche ja die Schutz-ID nicht um unterzutauchen, im Gegenteil, er würde sogar so lange in Deutschland bleiben, bis Gerechtigkeit geschehen sei. Nach erneuter Beratung zur späten Stunde, entschloss man sich im KKZ Druck auf Kieber zu machen. Der Bankdirektor sollte ihm sagen, dass der Hans-Adam enttäuscht war, dass Kieber die Daten nicht in der Nacht holen konnte, dass Kieber nicht in Frankfurt war, dass Kieber in Berlin war u.s.w. Nach erfülltem Auftrag meldete sich der Bankdirektor wieder beim Hans-Adam. Zum persönlichen Eindruck über Kieber befragt, sagte der Bankdirektor, dass Kieber wohl weinend in Berlin stehen würde, er sicherlich Angst hätte und verzweifelt sei. Kieber sei sich auch nicht sicher, ob er dem Bankdirektor vertrauen könne. Der Professor empfahl Hans-Adam Kieber weiterhin Hilfe anzubieten. Alle waren nun der Überzeugung, dass es das Schliessfach wirklich gab. Man war sich nur nicht ganz im Klaren, was darin aufbewahrt wurde. Später erteilte Hans-Adam den Auftrag, sich mit Kieber in Berlin zu treffen. Aber nicht so, wie Kieber sich das vorstellte. Der Bankdirektor würde am Dienstagmorgen einen Flug von Frankfurt zurück nach Zürich nehmen und nach Hause kommen. Das A4 Kuvert würde bei Herrn Gilbert Kaiser im Diplomatenwagen bleiben. Dieser würde von Frankfurt nach Berlin fahren. Der persönliche Fahrer von Hans-Adam, Herr B. würde am Dienstag früh um 07.25 Uhr das Flugzeug von Zürich nach Berlin nehmen und den Wagen von Kaiser übernehmen. Kaiser müsste dann per Flugzeug von Berlin nach Zürich heim fliegen. Dem 223 Kieber sollte dieses erst am nächsten Tag in der Früh mitgeteilt werden. Würde Kieber diese Variante nicht annehmen, müsste er mit dem HansAdam verhandeln. BERLIN 14. Januar 2003 (in aller Herrgottsfrüh) Schon vor sechs Uhr war ich aus dem Bett raus. Daniela war leider auch schon aufgestanden. Während eines schnellen Frühstücks hatte sie mich wieder darüber ausgefragt, was ich den in den letzten Tagen in Berlin so gemacht hätte. Und was ich heute vorhätte. Ich hatte nicht viel Zeit und sagte, dass ich leider evt. heute schon wieder heim in die Schweiz fahren müsste – „dringende Geschäfte‚. Ich hatte gleich nachgeschoben, dass sie die nicht voll genutzte, schon bezahlte Monatsmiete natürlich behalten könne. Pünktlich um 07.30 Uhr rief ich, wie zuletzt abgemacht, den Bankdirektor an. Die Nachricht, dass er von Hans-Adam zurückbeordert worden war, beunruhigte mich sehr. Ich entschuldigte mich für all die Hektik vom Vortag. Der Bankdirektor erzählte, dass sich Hans-Adam die ganze Sache mehrmals überlegt hätte und mir anbieten würde, dass sein eigener Chauffeur mit dem dunklen Audi A8 heute in Berlin um 12 Uhr oder 12.15 Uhr vor der LGT am Kurfürstendamm auf mich warten würde und ich einsteigen solle, mit den Daten natürlich. Der Diplomatenwagen werde dann auf schnellstem Weg nach Vaduz fahren, wo mich Hans-Adam auf seinem Schloss empfangen werde und das weitere Vorgehen besprochen und Lösungen gefunden werden könnten. Was sollte das ganze nun wieder, dachte ich mir. Warum um Himmels Willen glaubte Vaduz, dass ich JETZT wieder nach Hause fahren würde. Irrsinnig! Und unter welchem Namen sollte ich die hunderte von Kilometer im Wagen mitreisen, fragte ich ihn. Und wer garantiere mir, dass ich in Vaduz nicht im Gefängnis landen würde? Alles sei geregelt, versuchte er mich zu beruhigen. Die Schutzidentität (die 2 Pässe) würde der Fahrer ja dann haben. Es wäre zudem ein Diplomatenwagen, eine Kontrolle unmöglich. Und es wäre keine Falle. Er instruierte mich auch, ihn ab jetzt auf seiner Handynummer anzurufen. Ich notierte sie. Ich sagte ihm, dass es wohl dass Beste wäre, wenn er wie befohlen nach Hause zurückkehrte. Offenbar wäre dies der Wunsch Hans-Adams. Um Zeit zu gewinnen, behauptete ich, dass ich mindestens zweieinhalb Stunden brauchte, bis ich alle Daten und Papiere eingesammelt hatte, da 224 sie sich in drei separaten Schliessfächern befänden. Was der Bankdirektor nicht wusste war, dass ich unter enormem Zeitdruck stand, da ich noch vor 10 Uhr bei der neuen Vermieterin Petra aufkreuzten musste. Ich musste schnell nachdenken. Ich unterbrach den Bankdirektor in seiner langen Rede und sagte, dass ich in zehn Minuten wieder anrufen würde. Als ich ihn wieder in der Leitung hatte, erzählte er mir, dass er inzwischen wieder mit dem Hans-Adam telefoniert hätte und ich HansAdam um 10 Uhr oder 10.15 Uhr anrufen sollte. Zum Schluss flehte mich der Bankdirektor nachdrücklich an, in den fürstlichen Wagen einzusteigen. Ich könne diesbezüglich nichts versprechen, erwiderte ich. Ich würde aber dort sein, beteuerte ich. Er bat mich ihn um 09:00 Uhr wieder anzurufen. Was ich nicht tat. Weil keine Zeit dazu vorhanden war. Ich ging zur Wohnung von Petra. Sie war eine sehr hübsche Frau, so um die Mitte Zwanzig. Sie zeigte mir das Zimmer und ich tat so, als ob ich alles genau inspizieren würde, obwohl es für mich sowieso schon vor Eintritt klar war, dass ich es nehmen würde, ja nehmen musste. Sie gab mir auch schon gleich die Schlüssel, nachdem ich die Miete für 4 Wochen bezahlt hatte. Sie arbeitete als Innendekorateurin beim französischen Edelkaufhaus Lafayette in der Friedrichstrasse. Mein Zimmer war klein im Ausmass, aber mit hoher Decke. Eine nackte Matratze ohne Bettgestell lag auf dem Boden. Daneben eine Kommode und einen Stuhl. Frische Bettwäsche hatte Petra säuberlich gefaltet aufs Bett gelegt. Badezimmer und Küche würden gemeinsam benutzt werden. Sie erwähnte aber noch, dass ihr Freund, ein Elsässer (der irgendwo anders in Deutschland lebte und an einer Uni studierte) sehr eifersüchtig sein könne. Sie habe ihm nicht gesagt, dass sie evt. einen Mann als Untermieter nehmen würde. Es könnte also sein, dass ihr Freund dies gar nicht mochte. Ist schon OK, erwiderte ich ihr, erst mal einziehen und dann werden wir schon sehen. Sie solle ihn täuschen und einfach behaupten, dass ich wäre eine Frau, scherzte ich. Dann hätte ihr Freund sicherlich keine Bedenken mehr. Sie verabschiedete sich und ich war wie ein Wirbelwind zurück in die Ansbacherstrasse gedüst, die paar Stockwerke in Riesenschritten hinauf gesprungen. Daniela war zu Hause. Ich hatte etwas von „Flugzeug geht in 90 Minuten‚ gemurmelt, mir meine zwei Koffer geschnappt, ihr die Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, sie auf die Wange geküsst 225 und ihr Alles Gute gewünscht. Ich habe sie nie wieder gesehen. Mit dem Taxi war ich zurück in Petras leere Wohnung gefahren. Die Koffer hatte ich in das Zimmer geschleudert, die Türe zugeknallt und war mit demselben Taxi wieder zurück nach Berlin-Mitte gehetzt. Es war jetzt schon nach 09:30 Uhr. Ich musste mich auf den Anruf an Hans-Adam geistig vorbereiten. Für alle Fälle setzte ich ein Schreiben in einem Internetcafé ein Schreiben am Computer auf, in dem ich die Ereignisse der letzten 48 Stunden aufgeschrieben hatte und kundtat was ich davon hielt. Das Resultat druckte ich mir aus und steckte es in ein neues Kuvert. Ich suchte eine noch nie von mir verwendete Telefonzelle gegenüber einer Kneipe. An der Theke wartete ich und beobachtete die Telefonzelle. VADUZ 14. Januar 2003 (vormittags) Der persönliche Fahrer von Hans-Adam, Herr B. flog mit dem 07.25 Uhr Flug von Zürich nach Berlin. Der Bankdirektor und Herr Kaiser checkten aus dem Hotel in Frankfurt aus und der Bankdirektor lies sich bei der LGT Frankfurt absetzten. Seine Rückreise nach Zürich per Flugzeug und Vaduz per Limousine hatte er sich für den Nachmittag organisiert. Kaiser fuhr mit dem Audi nach Berlin. Der Bankdirektor meldete sich um 7.50 Uhr beim KKZ und berichtete, dass Kieber ihn um 07.30 Uhr angerufen hatte. Er sei enttäuscht, dass der Bankdirektor nun nach Hause beordert worden sei. Kieber habe bewiesen, dass ihm der Schutz der Daten wichtig sei und daher auch die Schutz-Identität dringend notwendig sei. Es täte im Leid, dass er nicht in Frankfurt sei, er sei halt in Berlin, weil sich dort alle Ministerien und auch die US-Botschaft befinden. Er hätte dies ja alles im Brief geschrieben. Eine Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Berlin nach Frankfurt sei Kieber einfach zu riskant, ganz abgesehen davon, dass er denke, dass ihn in Frankfurt eine Falle erwarte. Man muss Kieber zugute halten, dass er Loyalität wahre, mit Diskretion agiere und die Daten schützen kann und dies auch tut. Im KKZ wurde beraten, wie weiter vorzugehen sei. Es müsste auf Teufel komm raus versucht werden, Kieber nach Vaduz zu bringen. Die Daten sollten dann vom Bankdirektor, der dann schon wieder nach Vaduz zurückgekehrt sein würde, geprüft werden. 226 Der Bankdirektor wurde unterwiesen, beim nächsten Anruf von Kieber ganz klar zu machen, dass es das letzte Angebot von Hans-Adam sei, seinen Chauffeur samt eigenem Wagen nach Berlin zu schicken. HansAdam müsse gegenüber Kieber auf ein „hohes Podest‚ gehoben werden. Es müsse eindringlich stärker an die Loyalität, Sicherheit und Diskretion von Kieber appelliert werden. Der Bankdirektor verdeutlichte, dass er in diesem Sinne schon mit Kieber gesprochen habe. Er würde es ihm aber nochmals mitteilen. Nach reiflicher Überlegung entschloss man sich, dass es das Beste wäre, wenn Kieber mit Hans-Adam direkt reden könnte. Von Experten liess sich Hans-Adam nur ungern instruieren. Er war schon immer sehr „Beratungs-Resistent‚. Man teilte ihm mit, dass es taktisch gelungen sei, Kieber klar zu machen, dass dies die letzte Möglichkeit sei. Hans-Adam wurde empfohlen, sich auf keinen Fall auf längere Diskussionen mit Kieber einzulassen. Er sollte klar zum Ausdruck bringen, dass dieser am sichersten im Diplomatenwagen sei und der Chauffeur ihn wohlbehalten nach Vaduz bringen würde. Einwände von Kieber sollten übergangen werden. Kieber müsste den Eindruck erhalten, dass es sich um einen „wichtigen Auftrag‚ von HansAdam handele. Aus psychologischen Beweggründen könnte HansAdam auch erwägen, Kieber zu sagen, dass er es nicht nötig habe mit ihm zu diskutieren. Es wurde ihm auch empfohlen, das Telefon nicht gleich abzunehmen und Kieber ein zweites Mal anrufen zu lassen, sodass „psychologisch‚ Zeit gewonnen werden könne. Inzwischen hatte sich der Bankdirektor wieder bei Hans-Adam gemeldet und berichtet, dass Kieber ihn nicht mehr angerufen hatte. Der Bankdirektor versuchte Hans-Adam zu beruhigen, indem er berichtete, dass er ganz sicher wäre, dass Kieber die Daten sicherlich aus den Schliessfächern in Berlin rausholen und auch Hans-Adam anrufen würde. BERLIN 14. Januar 2003 (vormittags) Ich schlürfte sicher mindestens fünf Kaffeetassen leer und hielt die Telefonzelle immer unter Beobachtung. Ich war nervös und auf einmal dachte ich, was ist, wenn das Telefon nicht funktioniert. Besser war es, das Telefon zu testen. Gesagt, getan. Das Telefon war OK, die Karten 227 auch. Gerade als 10 Uhr immer näher rückte, tauchte ein Passant auf und nahm Kurs auf die Kabine. Scheisse, dachte ich, wer weiss wie lange der Telefonieren will. Ich rannte auf ihn zu, schrie, fluchte und schob ihn einfach weg, wie ein Bauer das Schwein. Verärgert ging dieser seiner Wege. Ich beruhigte mich wieder und kehrte zurück zu meiner nächsten Kaffeetasse. Die Uhr über der Theke zeigte 09.58 Uhr: Zeit zu gehen. Ohne Hektik ging ich auf die Telefonzelle zu. Mit zitternden Fingern wählte ich die Liechtensteiner Handynummer. Es klingelte. Niemand nahm ab. Was nun wieder, schimpfte ich. Hatte ich die richtige Nummer? Ich wartete und versuchte den Herzschlag runter zu bringen. Ich wählte ein zweites Mal. Diesmal klappte es. Ich erkannte seine Stimme sofort. Wiederum kann ich meinen Lesern hier ein Originaldokument vorlegen. Das KKZ hat dieses Gespräch aufzeichnen lassen und eine Abschrift angefertigt. Protokoll des Gespräches zwischen S.D. Fürst Hans-Adam von und zu Liechtenstein (LF) mit Heinrich KIEBER (K) am Dienstag den 14. Januar 2003, 10:22:29 bis 10:33:22 Uhr: Begrüssung. KIEBER entschuldigt sich, dass alles schief gelaufen ist. Es tue ihm sehr leid. Es tue ihm leid. Er habe nicht erwartet, dass jemand nach Frankfurt komme. Es tue ihm leid. Er habe nicht verstanden, dass (keine Fortsetzung dieses Satzes) Es wurde dann immer länger und (kein Fortsetzung dieses Satzes) K: Ich habe nicht verstanden, dass Dr. S. nicht informiert wurde. LF: Das war mir zu heikel. Ich wollte nicht. K: Ja, das verstehe ich schon. Der Nachteil war halt, dass er bös war, weil ich nicht da war und ich verstehe das schon. Es tut mir wirklich leid. Ich habe ja geschrieben, dass ich ihn entweder anrufe oder selber hole. Aber Sie müssen mich verstehen. Ich habe natürlich Angst gehabt, dass da .... Darum bin ich nicht selber hingegangen und habe angerufen. Leider verspätet, und dann war Dr. S. da. Ich habe das nicht verstanden. Später hiess es dann, ich solle einen Beweis bringen und so Ich dachte mir, das kann doch nicht im Interesse von unseren Landesfürsten sein, dass ich mitten in der Nacht einen Safe 228 öffnen soll. Ich hab‘ das nicht begriffen, Ich habe auch nicht begriffen, Durchlaucht, dass, äh, äh .... (keine Fortsetzung des Satzes). Ich solle den Dr. S. aufklären, ich, ich, kann doch nicht ‚ äh über das Telefon, das kann ich mir nicht vorstellen. Und das wurde dann fallengelassen. Das ist ein Drama, das ist ein Drama. LF: Also wir haben jetzt, wie Sie wissen umgestellt. K: Ja, ich weiss, Ja, ich weiss. LF: Sie müssen sich ganz genau an die Instruktionen halten. Das ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen, dass das eine sehr heikle Sache ist. K: Ich weiss, ja, ja, ich weiss. LF: Man weiss nie, wer da alles mithört. Gut, der Fahrer steht bereit. K: Ja, ich werde auf jeden Fall dort sein, Ich weiss aber nicht, ob ich einsteigen kann. Sie wissen ja, Warum soll man mich verschonen? Wenn Sie sich jetzt, nur rein hypothetisch in meine Lage versetzen. Was ich alles gemacht habe. Warum soll ich zurückkommen? Das verstehe ich nicht. LF: Das ist die einzige Möglichkeit, dass wir das lösen. Das sage ich ihnen. K: Ja, ja. Er hat es ja aber bei sich gehabt. Ich verstehe nun nicht, weshalb es wegen der 500 km gescheitert hat. Ich habe Ihnen doch geschrieben, ich .... kann doch nicht mit meiner Person meiner ID in der Nacht durch Deutschland fahren. Darum habe ich nicht begriffen, darum habe ich (keine Fortsetzung des Satzes) LF: Darum habe ich auch das Auto geschickt, mein Auto mit meinem Fahrer. Damit wir dieses Problem gelöst haben. Das kann ich Ihnen jetzt nicht genauer erklären. Es gibt keine andere Möglichkeit. Ich kann es Ihnen im Einzelnen nicht erklären. Ich habe mir Ihre Unterlagen durchgelesen. Das ist ja wirklich ein grosser Aktenstoss, den Sie mir da geschickt haben. K: Ja, ja, das tut mir leid. LF: Ich habe das genau studiert. Es gibt keine andere Möglichkeit. Sie können Ihr Ziel nur erreichen, wenn Sie sich in das Auto setzen und hier her kommen. Der Chauffeur ist auch nicht instruiert. Er hat die Instruktion, Sie sicher hierher nach Liechtenstein zu bringen. Das sollte problemlos passieren. K: Ja, sicher. Über die österreichische Grenze. Kein Problem. 229 LF: Ja, kein Problem. K: Ja, kein Problem. Ich bin auch über die österreichische Grenze hierher gefahren. LF: Sie können nur so ihr Ziel erreichen. Sie kommen zu mir her. Er fährt Sie zu mir aufs Schloss und dann besprechen wir im Einzelnen die nächsten Schritte. K: Ja, ja. Was wird mich erwarten. Warum, warum,... warum sollten Sie mit mir Gnade walten lassen. Warum... Sie haben ja keinen Grund Sie wissen ja ganz genau, warum sollten Sie warum Sie wissen ja warum sollten Sie? LF: Schauen Sie. Ich möchte und Sie möchten es auch, dass Ihnen in Ihrer Sache Gerechtigkeit widerfährt. Sie haben da vieles mitgemacht und jetzt müssen wir schauen, dass alles gerecht abläuft. Ich habe mich im Rahmen des Möglichen und der Beschränkungen hier erkundigt und was für Möglichkeiten es hier gibt. In Ihrem eigenen Interesse, im Interesse des Landes, natürlich auch in meinem eigenen Interesse. Wir haben jetzt im Rahmen des Möglichen, auch im Rahmen der von Ihnen gestreckten Grenzen... haben wir versucht, uns daran zu halten, um auch Sie nicht zu exponieren und um mich nicht zu exponieren. K: Haben Sie das E-Mail gelesen? Das wo ich Ihnen geschickt habe. Ich habe ja unverbindlich geschrieben. Ich wusste nicht, ich wusste nicht, er war ein Vertrauensmann, er war informiert - er war nicht informiert. Es war verwirrend. LF: Das E-Mail konnte ich noch nicht (Satz nicht beendet) Es ist nicht mein Büro. Ich konnte noch nicht — Sie kennen die Probleme. K: Ja, ja. Ich kenne die Probleme. LF: Schauen Sie, es gibt wirklich nur eine Möglichkeit. Setzen Sie sich dort ins Auto und kommen Sie zu mir. Das ist wirklich der einzig sichere Ort, wo Sie sich sicher fühlen können. K: Ja, ja ich weiss. Hier ist nur eine relative Sicherheit. Darum habe ich mich ja in die Höhle des Löwen begeben. Ich weiss nicht, ob ich es schaffe, dort ins Auto zu steigen. Ich werde sicherlich dort sein, wenn er kommt. Was ist es für ein Auto? LF: Ja, wissen Sie, es ist der schwarze Audi. (Kurzes Gespräch über die Farbe). Wissen Sie, es ist das Auto, welches ich immer nehme für eine offizielle Sache. Sonst habe ich immer den roten 230 Pkw, den kleinen. Jetzt haben wir diesen Audi gekauft und nicht mit FL 1 sondern mit der Nummer FL 6333. Bequem und hat alles was Sie haben wollen. K: Was wird mich erwarten? Was wird mich erwarten? Das ist die Frage. LF: Ein Gespräch mit mir. Dann werden wir die Einzelheiten auch von der juristischen Seite ganz genau Punkt für Punkt durchgehen, wie man das macht. K: Ja, man hat 6 Jahre gemacht. Man hat 6 Jahre lang nichts gemacht. Wenn es um kompetente Leute... wenn‘s ums Geld geht ist man schnell und wenn‘s ums Blut geht, dann hilft man keinem. Drum kommst so weit. LF: Ich gebe ihnen Recht, das ist ein Problem. Es gibt auch andere Fälle, wo man einfach geschaut hat, wo die Sachen hier liegen. Wir haben nicht genügend Leute hier. K: Ja, zumindest nicht genügend fähige. Ja, ich hab geschrieben und geschrieben und Arbeit gehabt. Ich hab ein Modell gebaut und ausser Paul MEIER und mein Anwalt.... es hat keinen Sinn, was soll ich Sie belästigen<(weitere undeutliche und hektische Wort, nicht verständlich). LF: Schauen Sie, Sie kommen jetzt zu mir her und besprechen das im Einzelnen. K: Ich habe mir auch Gedanken gemacht, wie das weitergehen soll in Liechtenstein. Ich habe keinen Ausweg gefunden, wie ... Ich bin mir bewusst, dass ich wieder grösste Scheisse gebaut habe, ich weiss wir können nicht Wochen miteinander sprechen, wir können Stunden miteinander sprechen. Was ist dann? Und was ist dann? Was ist dann? Ich kann ja nicht nach Hause. Ich habe ja nichts mehr (Kieber weint und spricht noch einige nicht verständliche Worte). LF: Schauen Sie, das regle ich für Sie. Das ist kein Problem. Sie setzen sich ins Auto und kommen zu mir hier aufs Schloss und regeln dass. Wir werden schauen, wie wir das beschleunigen. Da werde ich auch schauen, dass Sie eine gute Unterkunft haben. Das ist alles kein Problem. K: Ja, ich werde abgeführt. Warum sollte ich nicht abgeführt werden. Warum sollte ich nicht abgeführt werden. (KIEBER weint erneut). Geben Sie mir einen Grund, weshalb ich nicht abgeführt werden sollte. 231 LF: Es ist ja kein Haftbefehl gegen Sie da. K: Ich habe ja immerhin gegen Sie, habe ja immerhin gegen Sie Sie wissen ja, was ich gemacht habe. LF: Das ist dann ein Problem, das können wir dann auch im Einzelnen besprechen. Sie müssen ja erkennen, dass das für Sie selber der beste Weg ist. Ich möchte jetzt nicht auf Einzelheiten eingehen. Sie wissen, was für Probleme Sie jetzt haben. K: Ja, ich bin in Zugzwang. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Aber da können Sie nichts dafür, Ich bin in Zugzwang. Ich bin nicht sicher hier will ja keine 30 Millionen. Ich will ja keinen Euro. Ich will nur Gerechtigkeit. LF: Richtig. Sie sollen Sie ja auch bekommen. Setzen Sie sich ins Auto, entspannen Sie sich und ... (Unterbrechung des Gespräches, da die Wertkarte des KIEBER aufgebraucht ist) Fortsetzung des Gespräches: K: Entschuldigen Sie, die Karte ist so schnell fertig. Sehen Sie die Nummer auf dem Display, 886 Nein, nein? Ich werde auf jeden Fall dort sein, wenn der Wagen dort ist. Ich entschuldige mich für die Umstände. LF: Ich sage Ihnen, das ist die einzige Möglichkeit die Sie haben. Vertrauen Sie mir, kommen Sie her. Hier können wir die Probleme lösen. Dann haben Sie ja immer noch die Möglichkeit sich zu entscheiden. Kommen Sie her, dann können wir das durch besprechen. Dann kann ich Ihnen auch das Drumherum erklären. Dann können wir wirklich das in Ruhe überlegen. Dann haben wir Zeit. Sie haben ja sonst keinen Ausweg. Sonst können Sie ja nichts erreichen. Ich kann jetzt nicht mehr. Steigen Sie jetzt ein-. Ich gebe Ihnen den Befehl, Instruktion K: Ich danke Ihnen 1OOO-maI. Anmerkung: KIEBER war während des gesamten Telefongesprächs sehr nervös, hektisch und emotional bzw. psychisch sehr angespannt. Auf Grund dieses Zustandes sprach er undeutlich und vollendete oftmals nicht seine angefangenen Sätze. Er wiederholte sich fortwährend und fand nur schwer zu einem Gesprächskonzept. Anm.: Die obige Anmerkung stammt von der KKZ, die das abgehörte Gespräch niedergeschrieben hat. 232 Also GUT! Das zweite Telefonat mit Hans-Adam war überstanden. Ich stand sicher noch 20 Minuten in der Telefonzelle und wusste weder ein noch aus. Wie konnten die in Vaduz nur glauben, dass ich, nachdem was ich alles in den letzten fünf Jahren durchgemacht und erlebt hatte, wieder nach Hause zurückkehren würde? Vor allem, nachdem ich einen solchen Brief an Hans-Adam geschickt hatte. Offenbar hatten sie den vollen Ernst der Lage nicht begriffen. Oder doch? Oder nicht? Ich werde nicht, ich KANN nicht, ich darf nicht, NEIN, NEIN, NEIN. Wenn ich jetzt nach Hause gehen würde, dann hätte sich nichts geändert. Und niemand gab mir eine Garantie, dass mir nichts angetan werden würde. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass alles was sie mir gesagt hatten, nicht wahr sein könnte und sie nur mit mir „freundlich‚ reden mussten, damit sie mich nach Hause locken konnten. Offenbar hatte Hans-Adam erkannt, dass es keine Sinn hatte, mir mit Drohungen zu kommen. Obwohl, der Ausdruck von Hans-Adam am Telefon „Ich befehle Ihnen, in den Wagen zu steigen‚ hatte schon ein seltsames Gefühl in mir hinterlassen. So hatte ich Hans-Adam noch nie reden hören. Er „befiehlt‚ mir nach Hause zu kommen? So oder so, ich kam zu dem Schluss, dass Hans-Adam und der Bankdirektor mich nicht verstanden hatten oder verstehen wollten. Hans-Adam hatte ja am Telefon bestätigt, dass ich in der Sache (Argentinien) Gerechtigkeit bekommen würde. Gerechtigkeit im Fall Argentinien. Ich war erleichtert. Er hatte sich also der Sache angenommen und erkannt, dass da vieles falsch gelaufen war in Liechtenstein. Anm.: Man darf nicht vergessen, dass ich nichts über ein KKZ und deren Aktivitäten wusste. Ich dachte, dass zu diesem Zeitpunkt nur Hans-Adam in vollem Umfang und der Bankdirektor im limitierten Umfang im Bilde waren. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf und davon. Für die nächsten 30 Minuten lief ich ziellos in Berlin-Mitte herum und versuchte mir einen Reim auf das Gespräch mit Hans-Adam zu machen. Ich war wie gespalten: Einerseits dachte ich, gut, steige ich in den Wagen, dann wieder: Nein – niemals. Nur ein Dummkopf würde jetzt zurück nach Hause fahren. Solange ich nicht heimkehren würde, solange würden sie mit mir reden müssen. Sie hatten keine andere Wahl. Oder? Mal sehen. 233 VADUZ 14. Januar 2003 (nach dem Telefongespräch mit Hans-Adam) Hans-Adam war sich nach dem Telefongespräch mit Kieber sicher, dass in wenigen Stunden der ganze Spuk vorbei sein würde. Kieber würde in den Wagen steigen und mit den Daten nach Hause kommen. Die Experten im KKZ zeichneten nun ein Bild von Kieber, worin sie zum Schluss kamen, dass er leicht zu knacken sei. Er wäre emotional am Ende. Nicht nur wegen dem Erlittenem in Argentinien, nein – insbesondere darum, weil er Gutes von Bösem unterscheiden konnte und schon jetzt starke Symptome von Reue, über das was er dem HansAdam angetan hatte, zeigte. Es wurde im KKZ beschlossen, dem Hans-Adam zu empfehlen, keinen Anruf mehr auf dem Handy entgegenzunehmen und für Kieber nicht mehr erreichbar zu sein. Aber Hans-Adam war damit nicht einverstanden. Warum sollte er die „gut funktionierende‚ Kontaktmöglichkeit zwischen ihm und Kieber unterbinden? Dann kam ihm in den Sinn, dass er ja ein fest eingebautes, abhörsicheres Telefon im Staatswagen hatte. Wenn Kieber im Wagen sei, solle man ihm die Chance geben, mit diesem Telefon nochmals Hans-Adam anzurufen. Diesbezüglich gab es dann vor allem aber Bedenken von Seiten der Regierung. Es wäre besser keinen „offiziellen‚ Kontakt mehr zwischen dem Dienstwagen auf deutschem Gebiet und Vaduz herzustellen, nachdem Kieber in den Wagen eingestiegen sei, und der Fahrer Richtung Vaduz abgefahren sei. Nur wenn Kieber die Rückreise nicht antreten würde, sollte der Fahrer sich telefonisch in Vaduz melden. Der Audi A8 kam in Berlin an. Kaiser parkte den Wagen vor dem Ankunftsterminal am Flughafen. Hr. B. war schon mit einer Maschine aus Zürich gelandet und wartete auf ihn. Die beiden tauschten kurz ein paar Worte aus und Kaiser übergab ihm das dicke Kuvert und die Wagenschlüssel. Kaiser buchte sich einen Flug nach Zürich. Hr. B. fuhr mit dem Wagen in die Stadt und rief über das Autotelefon auf dem Schloss an. Er wurde nochmals instruiert, sich gegenüber Kieber nur auf den Auftrag des Hans-Adam zu beziehen und ansonsten sich auf keine Gespräche mit ihm einzulassen. Er sollte insbesondere auf den Inhalt des Kuverts achten und müsste verhindern - wie besprochen - dass Kieber direkten Zugriff darauf hatte. Er sollte sich uninteressiert zeigen und sehr diskret verhalten. Er soll pünktlich laut Auftrag abfahren. Herr B. erreichte das Zentrum Berlins und parkte den Wagen genau vor der LGT 234 Niederlassung am Kurfürstendamm. Er ging den ihm aufgetragenen Plan nochmals im Kopf durch und wartete darauf, was jetzt geschehen soll. BERLIN 14. Januar 2003 (11:30 – 13:00 Uhr) Ich fuhr in meine neue Unterkunft, wo ich die externe Harddisk mit all den Daten der ganzen Treuhand aus dem Koffer holte und in meiner Manteltasche verstaute. Ich setzte meine eigenen Schutzmassnahmen in Gang. Also die im dicken Brief vom 7.1. an Hans-Adam geschilderte Massnahme unter Punkt IX. Es ist immer besser, früher als abgemacht aufzukreuzen. Ich schlich mich an jenen Strassenabschnitt des Kurfürstendamm heran, wo die LGT das Büro hatte. Schon von Weitem konnte ich den Audi A8 mit Liechtensteiner Kennzeichen erkennen. Es sass jemand im Wagen. Aha, es ist Herr B. Ich kannte ihn persönlich, da er oft nach der Arbeit im Schloss runter ins Vaduzer Städtle kam und ein Feierabenddrink im Geschäft meines Onkels Guntram (der Hermann meiner Tante) zu sich nahm. Herr B. ist ein feiner (Jung-)Geselle, der mit seiner lieben Mutter im Vorarlberg lebt. Anm.: Die meisten Angestellten auf dem Schloss sind Ausländer. Viele aus Österreich, einige aus der Schweiz und sogar aus Brasilien. Aus zwei Gründen: Hans-Adam ist sehr, na sagen wir es mal so: „kostenbewusst“. Ausländisches Personal kommt ihn nur halb so teuer wie Einheimisches. Dies ist aber nicht der Hauptgrund. Im Gegensatz zu seinen Eltern, ist dem Hans-Adam in Bezug auf Diskretion das einheimisches Personal immer etwas suspekt geblieben. Er ist noch misstrauischer als ich. Auch die Aussen- und Innenrenovation des Schlosses hat er zu 90 Prozent an ausländische Firmen gegeben. Das ist dem einheimischen Baugewerbe sehr sauer aufgestossen – obwohl sich öffentlich niemand traut, es zu beklagen. Aber halt, einen Moment mal, sagte ich zu mir. Wenn Hr. B. im Wagen sitzt, wo ist dann der Herr Kaiser? Ich wusste von den vielen Telefonaten mit dem Bankdirektor, dass Kaiser mit ihm in Frankfurt war. Es wurde mir nicht gesagt, dass Kaiser nicht der Fahrer sein würde. Vielleicht versteckte sich Kaiser im Wagen oder in den Büros der LGT. Ich schritt mehrmals im grossen Rechteck um den Audi herum, um heraus zu finden, ob es eine Falle sein könnte. Irgendwelche Berliner 235 Polizei? Oder gar Privatschnüffler? Andere Autos mit ausländischem Kennzeichen? Ich vermutete, dass ein mobiles Überwachungsteam sich so positionieren würde, dass es freie Sicht auf den Audi hätte. Alle parkierten Wagen, die diese Bedingung erfüllten, waren aber menschenleer. Dann blieben nur die Wohnungen und Büros auf beiden Seiten des Kurfürstendamm. Da hatte ich keine Chance herauszufinden, ob man mich beobachtete. Ich lief auf der gegenüberliegenden Strassenseite zwischen den Schaukästen und Bäumen in Richtung LGT. Blieb stehen und sah, dass Hr. B. am Telefon war. Er beendete das Gespräch. Ich wartete weiter ab. Er bewegte den Kopf nicht und starrte nur nach vorne. Mein Puls stieg und trotz der Kälte begann ich zu schwitzen. Ich sagte zu mir, OK – ich riskiere es. Wenn sie zuschlagen, dann jetzt. In meiner linken Manteltasche hielt ich die externe Harddisk mit meiner Hand fest umklammert. Ich setzte zum Sprint an und blieb hinter dem Audi abrupt stehen, schaute rechts und links, dann nach oben, zur Türe und den Fenstern des Treppenhauses des Gebäudes wo die LGT drin war, keine Seele war zu sehen. Nichts bewegte sich, kein Mensch weit und breit. Selbst auf dem Gehsteig niemand. Der Motor des Audi war im Leerlauf. Ich ging zur Beifahrertür und klopfte an die Scheibe. Ohne auf die Einladung von Hr. B. zu warten, riss ich die Türe auf und sprang auf den Sitz. Ich knallte die Türe sogleich zu und bat ihn sofort die Zentralverriegelung zu betätigen, damit alle Türen abgeschlossen sind. Er war etwas erstaunt und drückte aber ohne Diskussion die entsprechende Taste. Er erkannte mich sofort. Ich bedankte mich, dass er gekommen war. Aber wo ist Kaiser, fragte ich. Er sagte, dieser sei mit dem Flugzeug nach Zürich zurückgeflogen. Und wo ist der Bankdirektor? Von einem Bankdirektor wüsste er nichts. Wie ein Marktschreier röhrte ich mehrfach schnell nacheinander, dass ich meine Schutzvorkehrungen aktiviert hatte und daher keine Überraschungen haben möchte. Totenstille im Wagen. Herr B. war sehr erschrocken und mehr als etwas verlegen. Ich fragte ihn, ob er genau wisse, warum ich hier sei. Er erwiderte überzeugend er habe „Keine Ahnung‚. HansAdam habe ihn gestern spät am Abend beauftragt, heute früh mit dem Flugzeug nach Berlin zu fliegen und einen Kunden der LGT per Auto wieder nach Vaduz zu fahren. So, so einen Kunden murmelte ich, während ich die Aussenwelt beäugte. Aha, ein LGT Kunde, wiederholte ich. Dafür hätte die LGT ihre eigene Wagenflotte und Fahrer, bemerkte ich. Blödes Gespräch, fuhr es mir gleich durch den Kopf. Er was aber eher nicht erstaunt, dass er keinen Kunden vor sich hatte. 236 Ich erkannte sofort, dass Hr. B. keine Gefahr für mich darstellte. Er sagte dann zu mir, dass er den Auftrag habe, mir etwas zu zeigen. Ich aber dafür aus dem Wagen steigen müsste und bitte vorne rum um den Wagen vor die Fahrertüre kommen soll. Dies erschien mir dann etwas suspekt. Er drückte wieder die Zentralverrieglungstaste und ich stieg aus und nahm den Weg hinten, um das Heck des Wagens herum, da mir fix der Gedanke kam, er könnte mich auf Befehl seines Herrn mit Vollgas vor dem Wagen überfahren und es dann als „Unfall‚ verkaufen. Der starke V8 Motor lief ja ständig. Der Gedanke an solche Pläne von Hans-Adam mag nur auf den ersten Blick weltfremd sein. Aber hier ging es um ein Milliardengeschäft, da kann auch ein Hans-Adam ganz neue Wege gehen (wie sich fünf Jahre später zeigen sollte). Ich stieg aus und hörte ein „Klack‚ und alle Türen waren verschlossen. Dann hörte ich das Geräusch eines automatischen Fensters. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, da ich selber vor wenigen Minuten verlangt hatte, dass die Türen geschlossen wurden. Trotzdem, Hallo! Ich war ja nicht mehr im Wagen. Spinnt er jetzt? Scheisse, dachte ich mir, es war eine Falle. Er hatte sich eingeschlossen, sodass ich ihn aus Zorn keine runterknallen könnte, wenn Hans-Adams Schläger zuschlagen. Nein, kein Ansturm weit und breit. Kommen die Bullen etwa? Ruhe, nichts. Herr B. hielt etwas in der Hand und presste es an die Scheibe. Sofort konnte ich erkennen, dass es ein Liechtensteiner Reisepass war. Mit einem Foto von mir. Der Pass lautete auf den Namen Ulrich Meier, geboren am 18.06.1963. Ich konnte noch die letzten drei Zahlen der Passnummer erkennen: 212. Herr B. lies das Fenster noch ein Stück runter und sagte, dass er von Hans-Adam beauftragt worden sei, mir diesen Pass „auszuleihen‚. Allerdings nur, wenn ich mit ihm im Wagen zurück nach Hause fahre. Mit dem Pass sei ich Herr Ulrich Meier aus Liechtenstein und sollte keine Angst haben, falls wir auf der langen Strecke von Berlin bis an die Grenze Österreich / Liechtenstein aufgehalten, bzw. kontrolliert würden. Die ca. 750 Kilometer würden wir leicht in sechseinhalb Stunden abspulen. Da war er! Der Pass, die Schutz-ID. Ich wusste, sie würden es tun. Ich wusste es, sie würden den Pass wegen den Daten ausstellen. Sie hatten damit Zeit und Sicherheit erzielt, Zeit um die wahren Probleme zu lösen. Herr B. sagte aber gleich, dass ich den Pass nicht in die Hand nehmen dürfte. Er würde den Pass während der Fahrt in einem abschliessbaren Koffer verwahren. Dort hinein müsste er auch alle Unterlagen und 237 Datenträger, die ich von der LGT mitgenommen habe, legen. Ohne Unterlagen keinen Pass, so die Order von Hans-Adam. Ohne Pass keine Heimreise. Ich schüttelte nur den Kopf. Aha, Herr B. wusste also mehr als er zugeben wollte. Herr B. fragte mich dann besorgt, ob ich denn die Daten nicht mitgebracht hätte? Ich deutete ihm an, dass ich wieder in den Wagen steigen möchte. Er nickte mit dem Kopf und machte ein Handzeichen, ich solle vorne um den Wagen zur Beifahrerseite kommen. Der Motor war noch an. Ich lief natürlich hinten rum. Im Wagen sagte ich zu ihm, dass die Daten sicher seien, ich einen Brief für Hans-Adam geschrieben habe und leider NICHT mitkommen könne. Herr B. war konsterniert und meinte nur, ob ich sicher nicht mitkommen wollte. Ich drückte ihm den Brief in die Hand und bat ihn diesen HansAdam persönlich zu übergeben, sobald er in Vaduz angekommen sei. Ich rannte wie vom Teufel verfolgt davon, in die erste Seitenstrasse die ich finden konnte. Dann immer gerade aus. Immer nur gerade aus. Erst nach zwei, drei Kilometern musste ich atemlos anhalten. Wo gab es eine Telefonzelle? Dort war eine! Ich rief den Bankdirektor auf seinem Handy an. Es klingelte, also war er entweder schon gelandet oder noch gar nicht abgeflogen, dachte ich mir. Ich schilderte ihm kurz was geschah und schimpfte mit ihm, dass er nicht in Berlin war und vor allem darüber, dass mir die Schutz-ID nicht ausgehändigt wurde, sondern nur für eine Heimreise unter ihrer Beaufsichtigung ausgestellt wurde. Ich liess ihn fast gar nicht zu Wort kommen. Ich schrie ihn an, dass alles gemäss den Anordnungen von Hans-Adam geschehen sei. Er erwiderte, es gebe keine weitere Gelegenheit und ich würde den guten Willen von Hans-Adam sehr strapazieren. Worauf ich noch wütender wurde und schrie: Welch guter Wille? Mir gegenüber? Scheiss guter Wille! Alles was ihr macht ist nur deswegen, damit Deutschland, die USA und all die anderen Länder Eure schmutzigen Geschäfte nicht erfahren.‚ Du kennst die Leichen im Keller, tobte ich am Hörer. Nachdem ich mich wieder besonnen hatte, entschuldigte ich mich sogleich für den Ausraster und sagte, dass ich an einer Lösung arbeiten würde und ich mich bei Hans-Adam und allen bedankte. Ich verabschiedete mich mit dem Versprechen, ihn bald wieder anzurufen. Ich müsste zuerst wieder nachdenken. 238 VADUZ 14. Januar 2003 (11:30 – 14:00 Uhr) Alle Mitglieder der KKZ trafen sich im Regierungsgebäude und waren nervös. Man erhoffte sich endlich ein Ende des Dramas. Niemand ausser Hans-Adam mochte laut aussprechen, was mit Kieber geschehen sollte, sobald dieser heimischen, Liechtensteiner Boden unter seien Füssen hätte. Vertreter der LGT verlangten aber das Kieber sofort nach Grenzübertritt von einem Polizeikommando überwältigt werden sollte, ihm alles abgenommen werden und er in das Gefängnis nach Vaduz überstellt werden sollte. Der Professor meinte aber, dass dafür später noch Zeit sei. Man sollte Kieber seinen Mut und die Entscheidung nach Hause zurückzukehren, hoch anrechnen. Zudem warnte der Professor, dass Kieber sehr, sehr misstrauisch sei und bewiesen habe, dass er zu hoch komplizierten Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf die Daten fähig war. Sollte er die Daten den haben ! Eines sei ganz sicher, führte der Professor weiter aus. Wenn Kieber sich dazu entscheiden sollte, in den Wagen einzusteigen, um sich nach Hause chauffieren zu lassen, dann würde er auch jede nur erdenkliche Möglichkeit, die wir auf unsere Seite im Kampf gegen ihn besitzen, antizipiert und ergründet haben. Auch die Möglichkeit, dass wir ihn ins Gefängnis werfen könnten. Falls im Falle einer Falle Kieber keine sofortigen Reaktionen/Aktionen geplant haben sollte, hiesse dies noch lange nicht, dass er nicht später noch Aktionen umsetzten würde. Wir könnten ihn ja nicht auf ewig hinter Gitter sperren. Mit dem Hinweis, dass in diesem Fall Kiebers Rache das Vorstellungsvermögen der KKZ übersteigen würde, schloss der Professor seinen Ausführungen. Die Vertreter der LGT beeindruckte dies nicht gross, da sie eher der Meinung waren, dass Kieber die Daten gar nicht hatte. Aufruhr in der KKZ! Herr B. hatte gerade via Autotelefon mitgeteilt, dass Kieber zwar gekommen sei, kurz mit ihm gesprochen und ein Schreiben für Hans-Adam abgegeben hatte. Und er hatte gesagt, dass er nicht mitfahren wolle oder könne. Herr B. hatte ihm den Pass durch die Scheibe gezeigt. Herr B. würde Kieber jetzt nicht mehr sehen. Er werde um 12.15 Uhr abfahren. Um 12.10 Uhr rief der Bankdirektor in Vaduz an. Kieber habe ihn gerade angerufen und gesagt, er verstehe nicht, warum er nicht in Berlin sei, 239 warum ihm die gezeigte Schutz-ID nicht ausgehändigt wurde. Was sollte das alles, fragte sich der Bankdirektor. Wie konnten sie nur glauben, dass Kieber jetzt nach Hause kommen würde. Herr B. fuhr um 12.22 Uhr von Berlin ohne Kieber und vor allem ohne Daten Richtung Vaduz ab. Enttäuschung machte sich breit. Vielleicht um ihr eigenes Versagen zu schmälern, warfen die Vertreter der LGT die Schlussfolgerung in die Runde, dass Kieber darum nicht in den Wagen gestiegen sei, weil er in Wahrheit die Daten gar nicht hatte! Aha, interessante Hypothese, bemerkte der Professor. Hans-Adam jedoch war sehr fuchsteufelswild, dass ihm bis heute niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob nun Kieber die Daten hat oder nicht. Selten hatte man ihn so fluchen hören. Offen wurde über unorthodoxe Massnahmen diskutiert. Weniger von Seiten der Justiz und der Polizei. Entschlossen aber von Seiten Hans-Adams, seiner Marionettenregierung und der LGT, insbesondere der Treuhand. Es sollte doch möglich sein, Kieber in Berlin aufzuspüren und überwachen zu lassen. Sobald er zu den Daten gehen würde, oder man in Erfahrung gebracht hätte, wo sie sich befinden finden, könnte man ihn samt den Daten „nach Hause befördern‚. Der Professor hakte nach: Wie denn? Mit Hilfe der Deutschen? Ein Amts- oder Rechtshilfegesuch? Interpol? Nein, nein – natürlich nicht, erwiderten alle anderen im Raum. Deutschland darf nichts, rein gar nichts erfahren, verdeutlichte Regierungschef Hasler. Kein Staat darf etwas davon erfahren. Nichts offizielles. Es gibt ja schliesslich private Firmen, die dann aushelfen, wenn der Staat nicht kann. Es müsste doch sicher etwas in dieser Richtung in Berlin geben. Der Professor, die Justiz und die Polizei rieten von solchen Massnahmen dringend ab. Nicht vorzustellen, wenn dies dann an die Öffentlichkeit gelangen würde. Der Liechtensteiner Staat lässt einen eigenen Bürger in Berlin kidnappen und illegal „nach Hause bringen‚. Es zeigten sich die ersten Risse in der durchs Schicksal zusammengewürfelten Gruppe in der KKZ. Der Professor, die Justiz und die Polizei lehnten jede Gewaltanwendung kategorisch ab. Hans-Adam, die LGT und die Regierung konnten dies zwar nachvollziehen, jammerten aber, dass es hier um die Grundexistenz gehe. Nicht nur sie sondern auch viele tausend Kunden würden Probleme bekommen. Wenn die Daten und die Art und Weise, wie wir hier Geschäfte tätigen ausländischen Behörden im Detail bekannt gemacht würden, dann müssten wir hier dicht machen! Die Zukunft des Landes stehe auf dem 240 Spiel, waren sich alle einig. Man beschloss sich von nun an jeden Tag mindestens einmal zu treffen. Zudem wurde auch entschieden, aus den früheren Fehlern zu lernen und eine Liste anzufertigen, mit all jenen Personen, die von der Angelegenheit wussten. Die Führungspersonen jeder Einheit der Justiz, Polizei, Regierung, LGT (das Schloss ausgenommen) sollten unter Androhung schwerer Konsequenzen (z.B. sofortige Kündigung) die mitwissenden Angestellten zu äusserster Verschwiegenheit verpflichten. BERLIN 14. Januar 2003 (nach Abfahrt des Diplomatenwagens) Was nun? Ich wusste es nicht. Am besten ginge ich schlafen, dachte ich mir, heim in Petras Wohnung. Dort angelangt, nahm ich eine heisse Dusche und legte mich flach. Obwohl ich todmüde war, konnte ich nicht einschlafen. Jetzt kam mir in den Sinn, welche Person Hans-Adam gemeint hatte, als er mich im Telefongespräch am Montag kurz vor Mittag warnte, es könnte sein, dass eine Person, die ich im Brief erwähnt hatte, mithören würde. Klar, da die Gespräche über das Handy von den Bullen abgehört würden und dies Hans-Adam im voraus wusste, musste er einen deutschen Staatsbürger gemeint haben, der dort als Experte für die FL-Polizei arbeite. Hans-Adam konnte sich nur von den eigenen – wenn auch nicht von allen - Staatsbürgern 100 Prozent Loyalität erwarten. Selten von den Ausländischen. Zudem wären die Daten für Deutschland ja hochinteressant. Hans-Adam befürchtete anscheinend, dass dieser Deutsche, der auch noch Polizist war, geneigt sein könnte, an die Daten ran zu kommen. VADUZ 14. Januar 2003 (nachmittags) Die Polizei verfasste einen weiteren schriftlichen Bericht über die ausgedehnten Überwachungs- oder Nachforschungsmassnahmen für Hans-Adam. Es wurde bei der Landesbibliothek Vaduz in Erfahrung gebracht, dass Kieber einen Mitgliederausweis besass und 1999 zwei Bücher, nämlich das Strafgesetzbuch(!) und die Strafprozessordnung(!) ausgeliehen und erst nach langer Zeit wieder zurückgebracht hatte. Auch wurde fieberhaft versucht, alle Internetseiten, die er in der Bibliothek angeschaut hatte, herauszufinden, was aus technischen 241 Gründen nicht gelang. Auch wurden all seine alten Bankkonten bis ins kleinste Detail auf Jahre zurück ausgeforscht und dokumentiert. Anm.: Dazu kann ich nur sagen: hätte die Liechtensteiner Justiz nur halb soviel Energie für die Entdeckung der Bankdaten von schlimmen Kunden verwendet wie für die „Ausgrabung“ meiner wenigen Bankunterlagen, dann müsste sie seit 2008 nicht hilflos zusehen, wie Woche um Woche, rund um den Globus diese Art Kunden entlarvt werden. Damit die Angelegenheit im Ländle selber nicht so bekannt wurde, beschloss das KKZ weiter, die am 13.01.03 befehligte Razzia von zwei Wohnungen und dem Haus von Kiebers Stiefmutter erst gegen Ende Januar oder Anfang Februar 2003 durchzuführen. Anm.: Unglaublich aber wahr: Das KKZ ordnete die Durchsuchung von zwei bewohnten Wohnungen in Balzers an, obwohl ich nie dort gewohnt habe und es überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den Wohnungen oder der LGT gab. Die später dann erfolgte illegale Durchsuchung wurde sogar so orchestriert, dass die Bewohner nichts davon merkten, weil sie nicht anwesend waren. Natürlich war die Durchsuchung ohne brauchbares Ergebnis. Gegen späten Abend traf der Chauffeur Herr B. mit dem Audi auf Schloss Vaduz ein. Hans-Adam wurde sofort aufgesucht. Er erhielt den Brief von Kieber. Hans-Adam war nach der Lektüre erleichtert, da er erkannte, dass eine von Kiebers Prioritäten vorerst die Sicherheit der Daten und damit die der Liechtensteiner Finanzwelt war. Dann war er wieder besorgt, da Kieber ihm weiter schrieb, dass er unter Zugzwang stehe. Kieber könne nicht einfach sagen: „Schwamm drüber – hat halt nicht geklappt‚. Nein, Kieber müsse etwas machen, nur was, das wusste Kieber selbst noch nicht. BERLIN 15. Januar 2003 Immer noch müde stand ich trotzdem schon um 06.00 Uhr morgens auf. So konnte es nicht weiter gehen. Der Wagen war weg und nichts hatte sich geändert. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, dass es besser war, Abstand zu nehmen und Zeit zu gewinnen. Eine Woche sollte reichen. Dafür musste ich die nächste Stufe der vorbereiteten Kommunikationsmöglichkeit aktivieren. Die Art von Verbindung wie ich es im Brief vom 07.01.03 unter Punkt "X." beschrieben hatte. Obwohl 242 ich es darin präzise geschilderte hatte, hatte ich bedenken, ob die in Vaduz diesen Punkt auch richtig lesen und interpretieren könnten. Mit dem Thema „Frankfurt‚ hatte es ja nun gar nicht geklappt. Der Grund warum ich ein „codiertes‚ Kennwort ausgerechnet im sichersten Raum im Schloss Vaduz angebracht hatte, war ja, dass ich unbedingt erreichen wollte, dass sich Hans-Adam persönlich mit dem Fall befasste. Obwohl ich den direkten Kontakt nicht scheute, absolut nicht, fand ich, dass es besser sei, wenn auf schriftlichen Weg kommuniziert würde und zwar so lange bis wieder ohne Drohungen und Schimpfen miteinander geredet werden konnte. Selbst bei der Auswahl des Internetproviders für das gemeinsam zu benutzende Emailkonto hatte ich mir vor der Abreise aus Liechtenstein den Kopf zerbrochen. Die drei Säulen von Hans-Adam bestehen aus Geld, Macht & Kirche (Glaube). Die ersten zwei Säulen hatte ich ja schon in starke Vibrationen gesetzt. Für die letzte Säule erschien mir die Webseite einer katholischen Organisation mit Sitz und Server in den USA als ideal. Das Konto hatte ich schon im Dezember 2002 eingerichtet. Instruktionen wie das Konto von mir und Hans-Adam verwendet werden sollte, hatte ich in einer ersten Email im Ordner „Entwurf‚ gespeichert. Da ja beide Seiten dasselbe Emailkonto verwenden würden, würde kein Email versandt werden, sondern nur jeweils der neue Text im Ordner „Entwurf‚ abgespeichert werden. Auf die Idee kam ich, weil meine Recherchen ergeben hatten, dass es ohne den klassischen Emailversand praktisch unmöglich oder zumindest sehr, sehr schwierig sein würde, die IP-Adresse (und damit den genauen Computerstandort) herauszufinden. Mit der Auswahl von „www.catholic.org‚ wollte ich auch im Unterbewusstsein an das starke Dogma von Hans-Adam appellieren. Klare Hinweise auf das LOGIN-Wort und damit auf das Passwort hatte ich ja schon im Brief vom 07.01.03 geschrieben. Es war nicht einfach, eine Wortkombination zu finden, die praktisch jedes Missverständnis ausschliessen würde. Ich musste ihm nur noch den Namen der Webseite mitteilen. Bevor ich dies aber tun konnte, formulierte ich eine neue Nachricht für ihn und speicherte sie im Entwurf-Ordner. Mit einem Trick deponierte ich den fertigen Text mit Datum 15.01.03, obwohl er am 14.01.03 geschrieben wurde. Dies aus taktischen Gründen. Im Text wiederholte ich die Begebenheiten der letzten 48 Stunden und meine Gründe, warum 243 ich nicht in den Wagen eingestiegen war. Ich erklärte, dass ich ab nächsten Dienstag, den 21.01.03 ein Mal pro Tag bei der LGT in Berlin anrufen würde, um in Erfahrung zu bringen, ob ein Umschlag für mich angekommen sei. Um jede Unklarheit auszuschliessen, schrieb ich ganz deutlich, dass ich, falls Post da sein würde, diese nicht selber abholen würde, sondern eine andere Lösung (z.B. Kurier oder Weiterversand) im Sinne hätte. Sollte es nur die kleinste Andeutung einer Falle geben, so würde ich mich zurückziehen. Ausserdem schrieb ich, dass ich akzeptiere würde, wenn Hans-Adam nun die Schutz-ID nicht mehr hergeben will. Dann sollte er im Gegenzug aber auch akzeptieren, dass ich andere Wege gehen müsste. Um nicht ewig hier in Berlin herumhängen zu müssen, musste ich ein Datum festlegen. Ich schrieb, dass ich nur bis Ende Januar, also Freitag, den 31.01.03 warten könnte. Sollte bis dahin nichts gehen, so würde ich mich simultan an die Deutschen und die Amerikaner wenden. So weit – so gut. Ich schloss das gemeinsam zu nutzende Emailkonto und loggte mich in mein eigenes, altes ein. Von diesem Emailkonto schrieb ich an die drei bekannten Emailadressen von Hans-Adam eine höfliche Mail mit einem Einzeiler, worin ich den Namen der gesuchten Homepage (Webseite) preisgab: www.catholic.org. VADUZ 15. Januar 2003 Die KKZ kam zusammen und diskutierte das weitere Vorgehen. Der Professor distanzierte sich nochmals von jeglicher Anwendung von Gewalt. Er als Psychologe war naturgemäss dagegen. Die LGT Treuhand konnte immer noch keine felsenfesten Beweise vorlegen, ob nun Kieber die Daten hatte oder nicht. Da die KKZ ja genügend Anhaltspunkte über den Aufenthalt von Kieber besass, wurde beschlossen, eine private Firma, die sich auf das Aufspüren von Personen und Güter spezialisiert hatte, anzuheuern. Der Auftrag sollte aber sehr vorsichtig erteilt werden, man dürfte der Spezialfirma auf keinen Fall mitteilen, dass Kieber Liechtensteiner sei, er bei der LGT gearbeitet hatte und er eventuell alle Daten der LGT Treuhand hatte. Es soll nur gefordert werden, dass man Kieber ausfindig machen sollte, ihn beschatten müsste und ein Verhaltens- und Bewegungsmuster erstellt werden sollte. Auf keinen Fall dürfe er angesprochen werden. Nach erfolgreicher Identifikation sollte die Firma 244 sofort Rückmeldung an den Auftraggeber machen. Damit keine Rückschlüsse möglich waren, dass Liechtenstein der Auftraggeber war, wäre es zweckdienlich, wenn die LGT über einen Firmenanwalt aus Belgien, genauer aus Brüssel den Auftrag erteilen würde. Auch sollten dafür keine Anrufe oder Emails aus Liechtenstein gesendet werden. Kontakt mit den Zwischenmännern wäre nur über das Schweizer Telefon- oder Emailnetz erlaubt. Da keine Massnahmen mit Gewaltanwendung erteilt worden waren, war der Professor mit diesem Plan einverstanden. Die Email Kieber's mit dem Namen der Webseite kam drei Mal auf Schloss Vaduz an. Weder die Sekretärin von Hans-Adam noch Alois selber nahmen sie vorerst ernst. Kieber könnte unmöglich im sichersten und wertvollsten Raum des Schlosses ein Hinweis angebracht haben, dachten sie sich. Deswegen hatte Hans-Adam auch nicht nachgeschaut, als er davon im Brief vom 07.01.03 zum ersten Mal gelesen hatte. Das Sekretariat des Schlosses sendete um 14.32 Uhr eine Kopie der Email zur Polizei und eine an das KKZ. VADUZ 16. Januar 2003 Im Protokollzimmer der KKZ wurde die Email ausgedruckt und fein säuberlich protokolliert. Die Kernmitglieder der KKZ, ohne Hans-Adam und seinen Sohn, kamen zu einer weiteren Sitzung zusammen. Man erinnerte sich an irgendwelches Zeug, dass Kieber in diesem Zusammenhang im Schreiben vom 07.01.03 erwähnt hatte. Es wurde gerätselt ob Kieber vielleicht doch in den Bilderbunker gelangt war und ob er etwas hinterlassen oder platziert haben könnte. Und ob es gefährlich sein könnte. Das KKZ rief Hans-Adam auf dem Schloss an und bat ihn doch nachschauen zu gehen. Er und sein Sohn Alois wollten aber nicht alleine in ihren eigenen Bilderbunker gehen. Hans-Adam telefonierte mit dem Regierungschef Hasler und dem Kripochef Hoch. Er bat sie sofort aufs Schloss zu kommen. Der Kripochef nahm sich einen bewaffneten Beamten mit und holte dann Hasler mit einem unmarkiertem Polizeiwagen wieder vom Regierungssitz ab. Gemeinsam fuhren sie zum Schloss. Herr Kaiser öffnete die schwere Türe zur betonierten 245 Schatzkammer im Rundturm im Beisein von Hans-Adam, Alois, Hasler, Hoch und dem Beamten. Zuerst inspizierten sie die elektrische Anlage gleich rechts neben dem Eingang. Alles schien normal zu sein. Gemäss den Angaben von Kieber sollte sich im Blickwinkel eines ideellen Selbstbildnisses des Malers Gerard DOU ein Hinweis verstecken, woraus Hans-Adam das LOGIN-Wort und auch das Passwort erraten könnte. Das Bild wurde schnell gefunden. Der Metallrahmen Nr. 49/50 auch. Hans-Adam und Alois waren schockiert: ein 4 cm x 1 cm langer Kleber war dort angebracht, worauf „Mexico 67‚ stand. Hans-Adam, brachte kein Wort mehr heraus. So war es sein Sohn Alois, dem sofort das Wort „Hochzeitsreise‚ einfiel. Ja genau, erwiderte Hans-Adam, im Jahre 1967 waren er und seine Frau Marie auf ihrer Hochzeitsreise in Mexiko. Somit hatten sie nun das LOGIN-Wort „mexico67‚ und das Passwort „hochzeitsreise‚. Langsam begriffen alle im Raum, dass Kieber sehr wohl alles äusserst penibel geplant haben musste. Anm.: Auch der Hinweis auf den Maler Gerard DOU war speziell von mir ausgesucht worden. Die Verbindung zwischen dem Leben des Maler Gerard Dou, diesem Bild und des sich abspielenden Dramas erkannten weder HansAdam noch seine Truppe nicht. Sicherlich, es war nicht von soooo grosser Bedeutung. Dou gilt als Begründer der Leidenden Feinmalerei – Leiden mussten hier in dem aktuellen Drama alle. Aber das besondere für mich im Bild von Dou im Besitzt von Hans-Adam war, dass Dou sich selber als Musiker zeichnete und damit seinen wahren Beruf (Maler) verschleierte. Diese Kunst der “Verschleierung, der „Täuschung“ gefiel mir sehr als Metamorphose. Sie alle liefen die Treppe hoch ins Freie und runter zum kleinen „Bürokomplex‚, die an die Schlossaussenmauer grenzenden Räumlichkeiten, die Hans-Adam als seine Geschäftszimmer benutzt. Die Sekretärin loggte sich auf www.catholic.org ein. Mit Hilfe des Punkt "X." aus dem Brief von Kieber fanden sie seine erste Mitteilung, gespeichert im Entwurf-Ordner. Die im Raum nicht anwesenden Mitglieder des KKZ wurden später über den Stand der Dinge informiert. Grundsätzlich waren alle etwas erleichtert, da sie jetzt schon mal eine Woche Zeit gewinnen konnten und der Professor kam auch zu dem analytischen Schluss, dass Kieber vor Ende Januar 2003 nichts unternehmen würde. 246 BERLIN 16. – 20. Januar 2003 Ich hatte mir eine Verschnaufpause gegönnt, die ich dringend benötigte. Obwohl ich eigentlich im totalen Stresszustand war, fühlte ich mich sicherer hier in Berlin als in Liechtenstein. Was mich antrieb war der „beruhigende‚ Gedanke, dass im Unterschied zu den vorhergegangenen sechs Jahren Liechtenstein nun gezwungen war, etwas zu tun. Diese Tatsache alleine war schon eine Tröstung für mich. Obwohl ich wusste, dass sie mir auch Böses antun konnten, war dies mir „scheiss egal‚. Hauptsache war - sie machten irgendwas. Meine Vermieterin Petra war sehr angenehm. Ich stellte sehr schnell fest, dass meine Sachen bei ihr nicht in Gefahr waren. Jeweils fürs Wochenende fuhr sie ins Elsass zu ihrem Freund und ich hatte die ganze Wohnung für mich allein. Ich durfte sie sogar einmal bei ihrer Arbeit im Luxuskaufhaus Lafayette besuchen. Meine Situation war schon paradox. Ich war, wie immer, freundlich und lächelnd. Niemand hätte im Traum erraten, dass sich fürchterliches mit mir, um mich und wegen mir abspielte. Ich vermied in die Nähe der LGT Berlin oder in die Ansbacherstrasse zu gehen. Man wusste ja nie, ob die von der LGT oder andere Ausschau nach mir hielten. Und meiner früheren Vermieterin Daniela wollte ich auch nicht wieder über den Weg laufen. Mit dem Bus, der Bahn oder zu Fuss entdeckte ich andere schöne Teile der Grossstadt. Mit der Zeit lernte ich die Berliner Strassen und Besonderheiten gut kennen. Den Kiez, die grossen geschichtsträchtigen Plätze, die Museen, das Brandenburger Tor, der Berliner Schlag. Ab und zu besuchte ich ein Internetcafé, um mich abzulenken. Ich durchforschte die Schweizer Medienlandschaft, um zu beobachten, ob irgendwas bis zur Presse durchgesickert war. Nur ein Mal die Woche besuchte ich meine Bank. Dort wo ich die Daten im Safe hatte. Ich notierte mir den ausgewählten Weg dorthin jedes Mal genau, um später denselben Weg nie mehr zu nehmen. Um eventuelle Verfolger zu verwirren, begab ich mich täglich in eine andere Bank(Filiale) irgendwo in Berlin, wartete in der Schlange vor dem Schalter bis ich an der Reihe war, stellte dann triviale Fragen und versuchte nachher, wann immer es die Räumlichkeiten erlaubten, mich in eine Ecke zu stellen, die man von aussen nicht einsehen konnte. So 247 würden eventuelle Beobachter denken, ich sei in den Tresorraum der Bank gegangen. Verwirrung war, ist und bleibt immer Trumpf. Ich war stets übervorsichtig und beobachtete was um mich herum geschah. Ich beobachtete vor allem die parkierten oder langsam fahrenden Wagen. Nie war etwas Besonderes zu bemerken. Dann aber löste ein Auto einen Blitzgedanken bei mir aus. Ein alter VW LT Transporter in orange-gelber Farbe. Viele Schweizer Dörfer und Gemeinden fuhren genau so einen als Kommunalwagen (Werkshofwagen). Der Wagen hatte ein Berliner Kennzeichen. Was mich nun sehr stutzig machte, war die Tatsache, dass ich genau diesen Wagentyp mit der ungewöhnlichen Farbe schon früher am selben Tag gesehen und anscheinend im Unterbewusststein registriert hatte. Und zwar in Wedding. Nun befand ich mich aber in Dahlem. Nicht das ich behaupte übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen oder „James Bond‚ zu sein, definitiv nicht. Aber der Zufall, dass in der Millionenstadt Berlin innerhalb von wenigen Stunden derselbe auffällige Wagen genau dort war, wo ich mich befand, kann keiner sein. Dahlem und Wedding sind ein gutes Stück voneinander entfernt. Ich liess mir nichts anmerken und anstelle in die nächste zufällig ausgewählte Bank zu gehen, begab ich mich auf die andere Strassenseite. Der VW war in einer Seitenstrasse geparkt. Niemand war im Wagen. Sofern ich dies erkennen konnte. Ich stellte mich vor einen Laden und drehte mein Gesicht zum Schaufenster. In der Glasspiegelung konnte ich einen fetten Mann sehen, der die Beifahrertüre öffnete, einstieg und dann in meine Richtung schaute. Unerwartet rannte ein kreuzdumm gekleideter Jogger sehr nahe an meinem Körper vorbei. Er drehte sich um und schaute mich an. Ich dachte, was für ein Idiot, bei bald Minustemperaturen hier mitten in Berlin so gekleidet joggen zu gehen. Als der Jogger nicht aufhören wollte, mich anzugucken und ich halt „zurückstarrte‚, wusste ich, dass hier etwas faul war. Spontan, ohne gross vorher nachzudenken, rannte ich einfach los, auf ihn zu. Er erschrak und blieb wie versteinert stehen. Ich fragte ihn, ob er wisse wie spät es sei und er erwiderte, dass er keine Uhr habe. OK, sagte ich. Schönen Tag noch. Der Jogger lief schnurgerade auf den VW Transporter zu und stieg hinten ein. Dem Dialekt nach zu beurteilen, war es ein Berliner. Mit weit geöffnetem Mund beobachtete ich dann wie ein weiterer, etwas älterer Mann aus einem Hauseingang trat und auch im Wagen verschwand. Verdammt noch mal – fluchte ich. Hans-Adam lässt mich beschatten und man hatte 248 mich gefunden. Die Tatsache, dass sie mich gefunden hatten, verwirrte mich nicht so sehr. Es war ja ein Kampf zwischen meiner Wenigkeit und der geballten Geldmacht aus Liechtenstein. Da konnte ich nur den Kürzeren ziehen. Aber was wussten sie? Wo ich wohnte, wo die Daten waren? Ich rekapitulierte meine Aktivitäten der letzten Tage und versuchte fieberhaft mich zu erinnern, ob ich den Wagen schon mal anderswo früher gesehen hatte – erfolglos. Ich konnte mich natürlich nicht erinnern. Mir wurde schlecht und ich brach alle geplanten Aktivitäten für diesen Tag ab. Ich fuhr mit der Ringbahn sicher mindestens eineinhalb Stunden im Kreis herum. Stets mit erneuertem Fahrschein, wo nötig. Ich traute mich erst im Dunkeln wieder nach Hause. Keiner war mir gefolgt. Gott sei Dank. Ich entschloss mich, vorerst meinem Feind in Vaduz nichts darüber zu berichten, dass ich die Verfolger entdeckt hatte. VADUZ 17. – 21. Januar 2003 Das KKZ beschloss, die engsten Freunde von Kieber in Liechtenstein sorgfältig anzugehen und unter Anwendung von Tricks aus der Psychologiekiste herauszufinden, ob sie etwas wussten, oder ob sie gar mit ihm im Januar Kontakt hatten. Einer der Tricks war, es wurde verbreitet, dass Kieber in Gefahr sei und man ihn dringend warnen müsste. Dazu bräuchte man aber seine Adresse oder Kontaktnummer im Ausland. Eine meiner besten Freundinnen wurde von der Polizei zur Seite genommen und ausgefragt. Erstaunlicherweise wurde ihr mehr oder weniger reiner Wein eingeschenkt, sozusagen einen ‚Vaduzer Riesling‚. Man hatte ihr zwar nicht gesagt, dass Kieber behaupten würde, dass er die Daten hätte, es wurde ihr aber gesagt, dass Kieber Hans-Adam einen bösen Brief geschrieben hatte. Sie wurde aufgefordert, sich bei der Polizei sofort zu melden, falls Kieber sie kontaktieren würde. Aus all den Observationen und weiteren Befragungen (auch von anderen Personen) waren dann schlussendlich keine brauchbaren Ergebnisse zu vermelden. Gute Nachricht aus Deutschland: die KKZ meldete Hans-Adam, dass die beauftragte Schnüfflerfirma aus Belgien Erfolg hatte. Sie konnten Kieber auf Grund der ihnen per Email zugesandten Fotos identifizieren. Die 249 grossen (finanziellen) Auslagen, um an 23 Internetcafés rund um das Zentrum von Berlin strategisch nach Kieber Ausschau zu halten, hatten sich gelohnt. Schon am dritten Tag war man erfolgreich. Wie so oft in dieser Affäre, versicherte Hans-Adam, dass er von den Kosten nichts hören wollte, da Geld absolut keine Rolle spielte. Leider musste die KKZ des Weiteren berichten, dass man noch nicht herausgefunden habe, wo Kieber die Daten aufbewahren und wo er wohnen würde. Es hätte auch einen Zwischenfall gegeben, bei dem Kieber einer der Verfolger persönlich angesprochen und nach der Uhrzeit gefragt hatte. Die beauftragte belgische Firma bestätigte, dass deren Deutsche Partner aber ausgesagt hatten, dass Kieber nichts gemerkt hätte. Auf Grund des „Feindkontakts‚ musste sich die Verfolgertruppe zurückziehen und hatte deshalb Kieber aus den Augen verloren. Man sei sich aber ganz sicher, ihn wiederzufinden. Hans-Adam war mit diesem Zwischenbericht sehr zufrieden und wollte nochmals versichert haben, dass weder die Belgier noch deren Deutsche Partner wissen, um was es in Wirklichkeit ginge. Diese Zusicherung wurde ihm vom Regierungschef Hasler erteilt. Die Stimmung innerhalb des KKZ stieg merklich. Alle dachten nun, dass sie einen grossen taktischen Vorteil hatten. Was so beruhigend in den Hinterköpfen der meisten Mitglieder des KKZ war, war die Vorstellung, dass wenn alles Verhandeln mit Kieber schief gehen würde, man ihn auch mit harten Methoden habhaft werden könnte. Dank der Verfolger. Je länger der Professor mit den anderen aus der KKZ über diesen Fall diskutiere und sich beriet, um so mehr wurde er stutzig und erkannte als Psychologe, dass vor allem der Exboss von Kieber, Dr. Feuerstein, und die anderen Herren der LGT, sich mit moralischer Unterstützung von der Regierung, auf einen gefährlichen Weg einschwenkten. In den vergangenen Tagen musste Feuerstein mehrfach zur Besonnenheit aufgerufen werden, als er lautstark nach, wörtlich, „Anwendung von Stasimethoden verlangte‚, um Kieber in Deutschland mit Hilfe von Privatfirmen festzuhalten und nach Liechtenstein zu verschleppen. In der Hitze der Debatte fielen auch symbolische Worte wie: „Wir müssen Kieber umlegen‚, „Er muss Mundtod gemacht werden‚. HansAdam, als „Oberkommandierender‚ hatte Mühe seine Truppe auf eine 250 Linie zu bringen. Er begriff, dass Kieber gute Gründe hatte, als dieser ihn im Brief gebeten hatte, auf keinen Fall seinen Exboss als Mediator oder Schlichter für dieses Drama zu ernennen. Hans-Adam entschied, dass neue Ideen für eine Lösung nur vom Professor als Spezialisten kommen sollten. Der Professor wurde beauftragt, einen Text vorzubereiten, der dann als Mitteilung am nächsten Tag, den 21.01.03 in das Emailkonto gestellt werden sollte. 251 KAPITEL 9 Chaos-Tage ohne Ende BERLIN 21. Januar 2003 Dienstag! Ein Tag der Wahrheit, dachte ich mir schon die ganze Nacht hindurch. Ich war schon um fünf Uhr auf den Beinen und im winterlichen Berlin unterwegs. Zum Glück gab es einige Bäcker, die schon früh ihre Ware an die Kundschaft verkauften. Bevor ich die LGT am späteren Nachmittag anrufen würde, kam mir ein altes Sprichwort in den Sinn: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Ich war neugierig, was sich in Liechtenstein so zutragen würde. Ich konnte der Sache nur auf den Grund gehen, indem ich zufällig ein paar Bekannte und Freunde dort anrief. Himmel und Hölle noch mal. Nicht zu fassen! Schon beim zweiten Anruf brach die schöne Scheinwelt zusammen (siehe auch „Vaduz 22. Januar 2003‚). Mir lief es kalt den Rücken runter. Diese Mistkerle, dachten wohl, sie könnten mich übertölpeln. Nicht nur, dass sie in Berlin Verfolger auf mich angesetzt hatten, Nein, sie mussten auch noch das halbe Liechtenstein umgraben, um herauszufinden, wer dort wo, was, warum und eventuell etwas wusste. Wartet nur, fluchte ich schon wieder. Es wurde mir noch kälter als es sowieso schon war. Das bedeutete, dass ich auf keinen Fall in die Nähe der LGT, ja nicht einmal ins Zentrum von Berlin gehen durfte, es war eine Falle! Was nun, grübelte ich. Wenn ich etwas in den letzten fünf Jahren gelernt hatte, dann dass man in einer solchen Situation zuerst immer den Kopf klar bekommen muss und nicht gleich gegen die nächste Wand rennen darf. Ein Anruf bei der LGT Berlin kam also nicht mehr in Frage. Ich fuhr mit der Bahn an die südliche Stadtgrenze von Berlin und suchte ein Internetcafé auf. Ich öffnete das gemeinsame Emailkonto und fand nachstehende Nachricht für mich im Entwurfs-Ordner: Ich wurde beauftragt, mit Ihnen eine Transaktion durchzuführen, welche von gegenseitigem Interesse getragen ist. In diesem Zusammenhang wurde ich sowohl über die Hintergründe als auch über die bisherigen Versuche informiert, diese Transaktion abzuwickeln. Diesbezüglich enthalte ich mich jeglichen Kommentars. Mein Auftrag besteht lediglich darin, die von Ihnen 252 gewünschte Transaktion vorzubereiten und in beiderseitigem Interesse sauber durchzuführen. An weiteren Hintergrundinformationen (Namen, Details, Schuldzuweisungen etc.) habe ich kein Interesse, sind nicht Teil meines Auftrages und deshalb unerheblich. Geben Sie mir die weitere Vorgehensweise für die Transaktion bekannt. Anm.: Ich wusste natürlich zu jenem Zeitpunkt nicht, dass dies vom Professor Dr. Thomas Müller geschrieben wurde. Ich wusste ja auch nicht, dass überhaupt ein Professor angeheuert wurde. Aha, verspottete ich sie: Sie spielten auf Kooperation. „Wir helfen dir‚, „Wir suchen eine gemeinsame Lösung‚ u.s.w. – alles Quatsch und fauler Käse. Schnell loggte ich mich wieder aus dem Emailkonto aus. Noch schneller verliess ich das Internetcafé. Ich verschwand in der Masse von Fussgängern in Richtung Bahnhaltestelle. Dies alles ergab keinen Sinn. Im Gegensatz zum Gegner hatte ich nur mich selber. Meine Hirnmasse gegen alle anderen, die da offenbar Böses erwogen. Na ja, ehrlich gesagt, mein eigenes Drehbuch war ja auch nicht gerade des Himmels würdig. Ich überlegte lange, was die Vor- und die Nachteile wären, wenn ich denen in Liechtenstein mitteilen würde, dass ich die Verfolger erkannt hatte und auch wusste, was im Ländle so vor sich ging. Ich entschloss mich, dem Hans-Adam eine diesbezügliche Nachricht im Emailkonto zu hinterlassen. Diesmal ging ich dafür in einen Buchladen. Ich versuchte mich ins Emailkonto einzuloggen. Klappte nicht. Ich zweifelte an meinem Geisteszustand. Warum konnte ich nicht ins Emailkonto rein? Das LOGIN und das Passwort stimmten. War ich nun wahnsinnig geworden, fragte ich mich. Fast drei Stunden lang versuchte ich es. Die Angestellten vom Buchladen wunderten sich schon, da ich immer nervöser wurde. Aus Höflichkeit kaufte ich am Ende ein Kochbuch (ich habe es heute noch). Aber, aber – die Superschlaumeier in Vaduz! Auf einmal wusste ich, was der Grund für das Problem sein könnte. Garantiert hatte Hans-Adam angeordnet, im gemeinsamen Emailkonto ständig eingeloggt zu bleiben, um die Kontrolle zu haben. Klar, das musste es sein. Ich wusste, dass es wenige Emailprovider gibt, die technisch so ausgerüstet waren, dass gleichzeitig von zwei verschiedenen Terminals aus dasselbe Emailkonto benutzt werden konnte. Die Katholiken von www.catholic.org gehörten 253 nicht dazu. Um 14.37 Uhr schickte ich deshalb, wiederum von meinem eigenen, alten Emailkonto aus zwei Mal die folgende Meldung an HansAdam eigene Büro-Emailadresse. Durchlaucht Ich habe die Nachricht im anderen E-mailaccount heute Morgen gelesen. Seit ca. 4 Stunden versuche ich eine neue Mitteilung einzugeben. Ich kann zwar das E-mailaccount aufrufen, aber die Anzeige bleibt BLANK: d.h. die Ordner sehe ich nicht. Am Terminal liegt es nicht, da ich schon an 4 verschiedenen es versucht habe. Kann es sein, dass Sie oder der andere Herr das Emailaccount ständig offen haben? Bitte jeweils immer ausloggen, ansonsten kann ich nichts hineinschreiben. Vielen Dank und mfg h.k. Offenbar hatte man in Vaduz diese Email gleich begriffen, denn ab 16 Uhr war das Login von meiner Seite aus wieder erfolgreich. Es war kein neuer Text für mich gespeichert. So sah ich es für angebracht, klares Wasser einzuschenken und dem Hans-Adam ein paar Dinge zu erzählen, von denen er fest glaubte, dass ich nichts davon wusste. Erst spät in der Nacht hatte ich den formulierten Text fertig und stelle ihn in den Entwurfsordner. Mit der erhofften Sicherheit, dass mir niemand bis zur Wohnung gefolgt war, konnte ich den Tag endlich vergessen und war froh, als Petra mich zu einem gemeinsamen gekochten Nachtessen einlud. VADUZ 22. Januar 2003 Das KKZ war pünktlich ab 07.30 Uhr wieder aktiv. Um 07.48 Uhr wurde sich schon in das Emailkonto eingeloggt und ein drei Seiten langer Text von Kieber vom Vortag gefunden. Darin schrieb Kieber, wie immer höflich aber bestimmt, dass er sich zuerst für die Nachricht bedankte, dann über zwei Vorkommnisse reden möchte, die ihn offenbar sehr beunruhigten. Kieber schrieb, dass er wisse, dass Privatdetektive in Berlin auf ihn angesetzt worden waren. Er hatte sie erkannt. Er warnte sie, sollte er wieder Verfolger sehen, würde er eine Konfrontation mit katastrophalen Folgen provozieren. Er verlangte, dass man diese Schnüffler sofort abziehen sollte. 254 Obwohl er im Brief vom 07.01.03 ausdrücklich darum gebeten hatte – im Interesse von allen wenigen Beteiligten und Informierten - alles zu unterlassen, was einer Bekanntmachung des sich anbahnenden Dramas gleich kommen würde, habe er in Erfahrung bringen könnten, dass das Gegenteil geschehen war. Er wisse nun, dass es mehrere Krisensitzungen der Regierung mit HansAdam und Co. gegeben hatte, dass die Polizei mehrfach diskret aber abnötigend bei Bekannten und Verwandten nach ihm geforscht hatten, dass dabei ständig nach seiner Adresse im Ausland gefragt würde. Kieber wisse auch, dass es offenbar zu einer Anzeige gekommen sei und eine Art Krieg gegen ihn geführt würde. Er schrieb sogar, dass dies ihn nicht überraschte, da ja jeder seine eigenen Ziele verfolgen würde. Trotzdem sei er zu triefst geschockt. Kieber bat auch um ein Treffen am Freitag, den 24.01.03. Rund um blasse Gesichter im der KKZ. Niemand traute sich vor und wollte derjenige oder diejenige sein, die die Bad News dem Hans-Adam überbringen würde. Jemand musste es aber tun. Der Professor war da wohl am Besten geeignet. Hans-Adam wurde aufgeklärt und er bekam einen seiner seltenen öffentlichen Wutanfälle. Er fragte, was für eine Tölpelfirma man da in Berlin angeheuert hätte, wenn Kieber schon beim ersten und offenbar einzigen Kontakt deren Mission entdeckt hatte. Er schrie, wie konnte Kieber, der "1000 Km" weit weg in Berlin war, herausfinden, was wir hier in Vaduz unternommen hatten. Er ging sogar soweit, dass er die Anwesenden beschuldigte, einer von ihnen sei ein Maulwurf. Grrrrrrrrr. Harte Worte. Dann Stille wie auf einer Beerdigung. Er befahl diejenigen in Liechtenstein zu finden, die mit Kieber Kontakt hatten. Man fand die Personen nicht. Alle meine Freunde hielten dicht. Der Professor war beauftragt worden, die Situation neu zu beurteilen. Dieser kam zum Ergebnis, dass Kieber nun noch misstrauischer geworden wäre und es schwieriger sein würde, ihm ihre Position glaubhaft verkaufen zu können. Aber Zuckerbrot und Peitsche wären erstklassig in der jetzigen Situation. Zuerst sollte man Kieber etwas Angst einjagen, indem man ihm androht, dass Liechtenstein ihn an die Deutschen „verraten‚ würde, ja verkaufen würde, wenn er nicht das tue, was verlangt wird. Damit sich Kieber dann wieder beruhigen würde und als Zeichen, dass man es „gut‚ mit ihm meine, sollte man ihm die Hand ausstrecken und nochmals eine letzte Chance geben. Hans-Adam entschloss sich daher, seinen 255 Chauffeur mit dem Staatswagen am nächsten Tag in der Früh schon wieder nach Berlin zu schicken. Dem Kieber sollte man aber nichts davon im Netz schreiben, sondern nur eine kurze Botschaft hinterlassen. Um 18.10 Uhr ersetzte man Kiebers Drei-Seitentext mit einem Einzeiler von Hans-Adam. BERLIN 22. Januar 2003 Seit meinem Erlebnis mit den "Schnüfflern" war ich noch achtsamer geworden und wählte meine Wege von und zu Petras Wohnung immer neu aus. Während meiner Wanderschaften durch Berlin fand ich mehr und mehr ausgezeichnete Internetstationen, die von aussen nicht als solche zu Erkennen waren. Meist handelte es sich dabei um von Immigranten geführte Call-Center in einem alten Berliner Laden oder Schuppen. Sobald ich ein solches Geschäft fand, notierte ich mir die Adresse in einem kleinen Buch, um es später wieder finden zu können. Um 16.55 Uhr schaute ich wieder ins Emailkonto. Mein Text vom Vortag war immer noch da, keine Reaktion oder Antwort von Hans-Adam. Um 17.01 Uhr ergänzte ich meinen alten Text mit folgender Mitteilung: 22.01.03 17 Uhr 01 - - wie ich sehe, haben sie meinen obigen text noch nicht gelesen, bzw. mir eine antwort gegeben. ich bitte sie, ein treffen für kommenden freitag, 24.01. hier vorzumerken. ich danke für baldige antwort. ich werde morgen - um 10 uhr wieder hier hinein schauen. danke H.K. Zur Info: bitte markieren und drucken Sie jeweils meine texte und behalten sie sie auf - um keine missverständnisse aufkommen zu lassen. VADUZ 23. Januar 2003 (A) Es war noch dunkel und die meisten schliefen noch, als der Herr Kaiser den Staatswagen in Bewegung setzte. Er hatte das Kuvert mit dem „falschen‚ Pass bei sich und auch sonst war alles so wie sein Boss es gewünscht hatte. Kaiser hatte den Auftrag um ca. 18 Uhr vor der LGT in Berlin zu parken, auf Kieber zu warten und ähnlich wie es der andere Fahrer, Herr B. gemacht hatte, ihn mit einem Pass zu einer Heimreise zu ködern. Kaiser soll aber Kieber nur dann mitnehmen, wenn dieser ihm 256 zumindest ansatzweise die Daten zeigen würde. Der Audi A8 kam gut voran. Wenn alles klappte, dann würde Kaiser am Nachmittag in Berlin eintreffen. BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 1) Ich hatte verschlafen und war erst um 09.30 Uhr aufgestanden. Ich fuhr direkt zu einem der Internetanbieter von meiner langen Liste und loggte mich um 10.15 Uhr ins Emailkonto ein. Meine Mitteilung war noch gestern Abend gelöscht und mit folgendem Einzeiler ersetzt worden: F. erwartet ihren Anruf unter 00423 xxx xxx, Donnerstag, 23.01.2003, 09:00 Uhr. Anm.: F. steht für Fürst. Man beachte den von Hans-Adam geforderten Zeitpunkt, wann ich ihn Anrufen sollte: 09.00 Uhr. Dies obwohl ich in meiner Mitteilung vor seiner Nachricht im Emailkonto klar geschrieben hatte, dass ich erst um 10.00 Uhr wieder reinschauen würde. Wie so oft in der Vergangenheit und in den kommenden Monaten, brachten sie es nicht fertig, Geschriebenes wirklich zu lesen! Oh mein Gott, dachte ich mir, der Hans-Adam wird ja fuchsteufelwild, wenn man seine Termine nicht einhält. Aber, es war ja nicht meine Schuld, wenn er nicht lesen konnte. Ich schrieb ihm zurück: Sorry, ich bin erst jetzt ins internet gekommen, es ist jetzt 10:25. ich schrieb doch gestern, dass ich erst ca. nach 10 uhr wieder hier hinein sehen kann. ich rufe jetzt trotzdem an. wenn es nicht klappt, bitte schreiben sie, ob sie grundsätzlich kommen oder nicht, danke 23.01.03 10:25 Ich war froh, dass Hans-Adam wieder mit mir reden wollte. Dies war ein gutes Zeichen. Ich rannte aus dem Internetladen raus und kaufte mir für 40 Euro genug Telefonkarten, sodass ich lange mit ihm reden konnte, sofern dies notwendig und erwünscht war. Insgesamt telefonierte ich drei Mal mit ihm an diesem Tag: um 10.36 Uhr, 14.00 Uhr und 14.12 Uhr. Nervös wählte ich jeweils die Nummer. 257 Es war ja dieselbe Nummer, die ich schon am 14.01.03 angerufen hatte und daher nahm ich mir vor, darauf zu achten, dass ich weder Liechtenstein, Bank, Treuhand oder andere "verräterische" Worte im Gespräche nennen würde, so wie es Hans-Adam wollte. Jeden einzelnen Anruf nahm er schon nach dem ersten Klingeln ab. Er war merklich künstlich angestrengt höflich. Er sagte, dass er nachvollziehen könnte, dass ich letzte Woche nicht in seinen Wagen eingestiegen war. Er palaverte etwas darüber, warum es die Anzeige gab. Es sei eben nicht gerade förderlich von mir gewesen, die STA und andere der Inkompetenz und Lüge zu bezichtigen. Er könne mich aber verstehen. Er versicherte mir aber, dass es keinen Haftbefehl gegen mich gäbe. In Regierungs-, Banken- und Treuhandkreisen wäre man sehr besorgt über die ‚Daten‚ und mich natürlich auch. Die Staatsanwaltschaft wäre sehr verärgert. Ich erwiderte, dass mich dies nicht im Geringsten verwundern würde. Hans-Adam sagte, dass die Zeit für eine gute Lösung ablaufen würde. Hans-Adam verdeutlichte mir, dass es nur zwei Varianten gäbe. Entweder ich würde mit den ‚Unterlagen‚ heute Abend um 18:00 in den Wagen einsteigen oder er und die Liechtensteiner Regierung müssten den Deutschen sagen, wo ich sei. Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Leider aber nicht! Hans-Adam wiederholte seine zwei Varianten. Und die Daten, fragte ich. Ist es Euch egal, wenn sie in die Hände der Deutschen und Amis kommen? Uppps, ich vergass, dass ich keine solchen Wörter in den Mund nehmen sollte. Merkwürdigerweise ging Hans-Adam darauf gar nicht ein. Er bemerkte hochmütig, dass er selber, als Multimilliardär eine solche Katastrophe locker überstehen würde und seine Familie schon ganz andere Krisen überlebt hätte. Er behauptete auch zu wissen, dass weder die Deutschen noch die Amis oder ein anderes Land Interesse an den Daten hätten. Er meinte abschliessend, dass es besser für mich wäre, wenn ich die Daten jetzt vernichten würde. Denn sollte nach einer Verhaftung durch die Deutschen seine reiche Kundschaft massiven Ärger bekommen, würde er höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich auch nach Absitzen einer jahrelangen Haftstrafe in Deutschland, oder wo auch immer, auch noch in Vaduz für lange Zeit ins Gefängnis müsste. Mann oh Mann, dachte ich mir – der Hans drehte jetzt völlig durch. Er erklärte mir nochmals, dass es nur die zwei Varianten gäbe. Ich versuchte ihm nicht zu versprechen, dass ich beim Auto sein würde, indem ich sagte, dass ich mehr Zeit für das Sammeln der Unterlagen 258 bräuchte. Er ging auch darauf nicht ein. Ich merkte, dass Hans-Adam offenbar von irgendjemand angeleitet worden war. Es klang gar nicht nach ihm. Vor allem wie er es ausdrückte, kam mir komisch vor. OK, dachte ich mir, vielleicht redete er so, weil es ja auch eine rundweg neue Lage für ihn war. Bis anhin war sein Imperium nie in eine solche Situation geraten. Als ich merkte, dass weder er noch ich im Gespräch weiterkamen, verabschiedete ich mich und sagte noch, dass ich mich via Internet in wenigen Minuten melden würde. VADUZ 23. Januar 2003 (B) Das KKZ wurde über den Inhalt der drei Telefonate von Hans-Adam selber informiert. Obwohl die Gespräche zwar aufgezeichnet worden waren, war der Inhalt erst einige Stunden nach dem eigentlichen Anruf fürs KKZ abspielbar. Der Professor bekräftigte seine Analyse, dass Kieber nun gebrochen sei, die Drohung hätte gewirkt. Alle waren mit ihm einverstanden. Natürlich war allen in Vaduz klar, dass auf keinen Fall irgendjemand irgendetwas den Deutschen sagen würde. Sonst könne man sich ja gleich selber erschiessen, scherzten sie. Der Fahrer Kaiser meldete sich über das Autotelefon. Er würde gut vorankommen und würde sich wieder melden, wenn er in Berlin angekommen sei. Nach dem letzten Telefonat lies Hans-Adam um 14.40 Uhr folgenden Text ins Emailkonto schreiben: Vorgaben des F. sind klar: Erscheinen bis 18.00 Uhr mit Unterlagen am vereinbarten Ort. Fahrzeug und Fahrer stehen bereit. Bei Nichtbefolgen tritt unverzüglich die zweite Option in Kraft. BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 2) Ich fand die Mitteilung von Hans-Adam und schrieb um 16.22 Uhr zurück: ich habe ihre mitteilung gelesen. alle unterlagen bringe ich bis zum vereinbarten zeitpunkt nicht zusammen. bitte warten sie wenigstens bis morgen nachmittag. danke für das verständnis 259 bitte informieren sie die dame ihres büros (LGT) hier. ich werde morgen 13 uhr (dreizehn uhr) hier wieder mich melden. danke Worauf er mit folgender Mitteilung um 16.41 Uhr antwortete: Vorgabe des F. bleibt bestehen: Treffpunkt 18.00 Uhr, notfalls nur mit Teilunterlagen! Rufen sie F. unverzüglich an! Mir war von Anfang an klar, dass ich auch jetzt auf keinen Fall in den Wagen steigen würde. Ich hatte die dunkle Befürchtung, obwohl HansAdam das Gegenteil behauptete, dass ein Haftbefehl auf mich zu Hause wartete. Ich hatte Angst. Mir war das Risiko zu gross, um 18 Uhr zur LGT in Berlin zu gehen. Ich überlegte lange, was ich machen sollte. Unter Druck konnte ich erstaunlicher Weise gut funktionieren. Ich entschloss ihn nicht mehr anzurufen. Trotzdem wollte ich mit eigenen Augen sehen, ob überhaupt Hans-Adams Staatskarosse wieder in Berlin aufkreuzte. Ich studierte den Busfahrplan von Berlin und stieg in jenen Linienbus ein, der schnurgerade vor der LGT vorbeifuhr. Wahrhaftig, der dunkle Audi A8 war fast an derselben Stelle wie letzte Woche parkiert. Niemand war im Wagen. Ich duckte mich fest in den Bussitz und stieg erst an der allerletzten Haltestelle aus. Ich schlich mich nach Hause und setzte mich im Dunkeln ins Zimmer. Was nun, dachte ich. VADUZ 23. Januar 2003 (C) Spät am Nachmittag erreichte Hans-Adam auf Schloss Vaduz ein wichtiger Anruf der LGT Bank. Gerade hätte die IT-Abteilung von der Treuhand berichtet, dass sie den in den letzten Tagen geäusserten Verdacht als Tatsache bestätigen könnte: Kieber hätte die Daten NICHT! Kieber konnte sie nicht haben. Hans-Adam war ausser sich vor Freude und Hass zugleich. Ja, Ja nickten sie alle in der KKZ. Kieber hatte ja auch kein einziges Dokument als Beweis geliefert, wie es sonst so üblich ist, meinten alle. Jetzt zeigen wir dem Kieber mal so richtig, wer hier der Herr im Ländle ist, schwelgten sie im süssen Sieg. Sofort wurden die Regierung und die Justiz auf den neusten Stand gebracht. Alle Beteiligten ausser dem Professor waren in einem Rausch nach Rache. Ihre Brummschädel waren 260 verschwunden. Es wurde beschlossen, den Kieber zum Abschuss freizugeben. Auge und Auge, Zahn um Zahn. Und hier, liebe Leserinnen und Leser wird es wieder sehr interessant! Hans-Adam ordnete das Interpolbüro in Vaduz, dass in die Liechtensteiner Polizei integriert ist, an, eine Meldung an Interpol Wiesbaden und Madrid zu senden. Um 19.55 Uhr kam in Wiesbaden (BKA) und in Madrid eine offizielle Meldung / Warnung aus Vaduz an. Im Schreiben (in Englisch) wurden zuerst die allgemeinen Personendaten von Kieber genannt, dann folgende Punkte (mit allen Ausrufezeichen und Unterstreichungen) aufgelistet: SEHR DRINGEND ! ° Warnung: Kieber könnte bewaffnet sein! Er könnte geistesgestört sein! ° Kieber hat schon einen Haftbefehl im SchengenSystem. ° Interpol Vaduz hat Hinweise, dass er sich in Berlin aufhalte. Sein genauer Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Er kommuniziere über öffentliche Telefonzellen und Internetcafés. ° Gemäss Information ist ein hohe Gewaltbereitschaft vorhanden. ° Kieber ist vermutlich bewaffnet! ° Kieber kann Flugzeuge und Helikopter fliegen. ° Foto von Kieber liegt bei. Fingerabdrücke folgen. Im Falle einer Verhaftung von Kieber, bitte Interpol Vaduz sofort verständigen. Vielen Dank für Ihre Kooperation. Anm.: Als ich das Original und andere damit zusammenhängende Dokumente ab dem Spätsommer 2003 zum ersten Mal lesen konnte oder als Kopie inoffiziell erhalten hatte, traf mich der berühmte Schlag. Was für ein Scheiss, dachte ich mir. Nie im Leben besass ich eine wirkliche Waffe. Geistesgestört war ich auch nicht. Und Gewalt ist nun wirklich nicht mein Ding. Richtig gemeldet war, dass ich einen Berufspilotenschein für Flugzeuge und einen Schein für Helikopter besass. Man bedachte, dass Vaduz sehr bewusst vermied, irgendeinen Zusammenhang mit Bankdaten oder der LGT zu erwähnen. Aber erst Jahre später, als ich diese Meldung diversen Polizei- und Justizbehörden im Ausland zeigen konnte, wurde mir klar, warum Liechtenstein 261 schwarz auf weiss gelogen hatte. Die ausländischen Experten fanden den Hintergedanken für solche massive Falschinformationen (bewaffnet, geistesgestört und gewaltbereit), kombiniert mit dem Hinweis, dass ich fliegen kann, sehr schnell: Mit den Worten „bewaffnet, geistesgestört, hohe Gewaltbereitschaft“ sollte der Eindruck beim BKA und in Madrid erweckt werden, dass es sich hier um einen sehr gefährlichen Mann, ja fast um einen „Terroristen“ („kann Flugzeuge fliegen“) handeln würde. Man bestätigte mir, dass dieses offizielle Schreiben von Interpol Vaduz sehr unprofessionell und entgegen den Vorschriften war. Für die Profis war schnell ersichtlich, dass man sich in Liechtenstein offenbar erhoffte, dass man quasi Kieber zuerst an- oder besser erschiessen würde und erst dann Fragen stellen würde. Auch wurde deutlich, dass Hans-Adam und seine Regierung das Interpolbüro in Vaduz für ihre individuellen, privaten Zwecke missbrauchten. Hans-Adam beschloss zusammen mit der Regierung, dass man sich die günstige Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, den Deutschen etwas mehr „unter die Arme‚ zu greifen. Man rief Kaiser, der irgendwo im Grossraum Berlin im Auto sitzend auf weitere Instruktionen wartete, auf dem Autotelefon an. Die Lage hätte sich drastisch verändert. Er sollte sich kundig machen, wie die Telefonnummer einer dem LGT Büro nahe liegenden Polizeistelle ist. Dann sollte er wie geplant um ca. 17.30 Uhr den Wagen vor der LGT Berlin parken und kurz vor 18.00 Uhr aussteigen, aber die Türen nicht abschliessen. Er sollte sich in ein Restaurant oder Café setzen von wo aus er den Wagen und die unmittelbare Umgebung gut beobachten könnte. Sollte er Kieber kommen sehen, so müsste er die Berliner Polizei unverzüglich anrufen und mitteilen, wo genau am Kurfürstendamm sich die international gesuchte Person mit Namen Kieber Heinrich aufhalte. Kaiser rief dann zehn Minuten später in Vaduz zurück und meldete, dass er die nächstgelegene Polizeidienststelle gefunden hätte, sie wäre sogar in derselben Strasse. Am Kurfürstendamm Nr. 142. Also dann, er solle die Augen offen halten, wurde ihm zum Abschied gesagt. Aber Kieber war dann weit und breit nicht zu sehen. Kaiser wartete noch bis ca. 18.45 Uhr, immer den Wagen beobachtend und die Nummer der Polizei griffbereit. Um 19.00 Uhr rief er via Autotelefon auf dem Schloss an und vermeldete das Misslingen dieser Massnahme. Er durfte sich ein Hotel in Berlin suchen und sollte am nächsten Morgen in der Früh wieder nach Hause fahren. 262 VADUZ 24. Januar 2003 (vormittags) Um 08.40 Uhr schreibt Hans-Adam die ultimativen Worte: Die gesetzte Frist ist abgelaufen. Variante zwei läuft. BERLIN 24. Januar 2003 Im Hinterkopf störte mich irgendetwas am Gespräch mit Hans-Adam. Ich hatte so ein komisches Gefühl. Es war nicht einfach für mich, einen klaren Kopf zu behalten. Tief durchatmen, tief durchatmen. Es war ein besondere Satz von ihm: „Die Daten, die sie glauben zu haben‚. Was meinte er wohl damit? Oh – NEIN, jetzt dämmerte es mir: „Die Daten die sie glauben zu haben‚. Die in Vaduz glaubten mir also nicht! Natürlich, dass musste es sein. Sonst würden sie doch nicht so cool daherreden. Oh mein Gott. Ein Desaster. Darum lief die 2. Variante nun?! Ich befürchtete, die Berliner Bullen würden gleich vor meiner Haustür stehen. Um 12.40 Uhr schrieb ich Hans-Adam folgenden Text: Sehr geehrte Damen und Herren Obwohl ich gestern um die Frist bis heute Nachmittag bat — haben sie die 2. Variante aktiviert. dann kann man jetzt nichts mehr machen. ich möchte zum Schluss noch folgendes sagen: ich bin mir sicher, dass beim gestrigen Telefongespräch mit mir in diesem detail und Klarheit geredet wurde, um sich später abzusichern, sicherlich wurde das Gespräch aufgezeichnet und dient für evt. spätere Erklärungen. ich wurde vorverurteilt wie ich es schon kannte. wie ich jetzt sehe‚ ist mit einer Hilfe aus meinem Heimatland nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil. ich war dumm dies zu glauben — aber eben unser F... war meine letzte Hoffnung diese stirbt zuletzt. das ich das Tape zu mir genommen habe — war ein Fehler. der F. sagte im gestrigen Gespräch (sinngemäss) "die Daten, die ich angeblich habe", sollte ich besser vernichten; damit es‚ wenn es zu Verhaftung kommt, keine weiteren Probleme für mich gibt. dazu möchte ich wie folgt sagen: A) wenn auch nur der kleinste Zweifel vorhanden war, dass ich die Daten vom Tape lesbar machen konnte, dann hätten 263 sie mir aus der bandbreite der Mandats-Nummern (wie ich sie im Brief beschreiben habe) 1, 5 10 ‚ 20 oder 30 willkürlich ausgewählte MAN-Nummern nennen können und ich hätte ihnen die dazugehörigen Daten der MAN auf CD gebrannt und zukommen lassen. soweit zu den Daten. ich besitze genau die Daten darüber, die ich im Brief geschildert habe. B) wieso soll ich die Daten jetzt vernichten, da wo mein eigenes land mich bei den Behörden hier preisgibt??? Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht im kopf hatte, die Daten zu verwerten, ich glaubte — fälschlicherweise — dass mir mein F. helfen kann. nun bin ich aber soweit: gehe ich unter — geht teilweise Liechtenstein mit mir. alles kann man überleben — so wie es der F. gestern sagte. ich glaube ihm aber nicht (vermutlich haben ihn seine Berater dazu bewogen sich so zu äussern), dass er wirklich es so meinte, als er sagte, dass die Bekanntgabe der Daten der tausender von Kunden ihm nichts aus macht. er ist sich wie ich und alle Mitwisser des Flächenbrands voll bewusst. ich bin nur ein kleiner fisch mit einem dicken „Datenbuch‚. ich bin kein Mörder... vermutlich haben auch seine Berater ihm geraten mir einzureden, dass weder das eine noch das andere land wirklich Interesse an den Daten haben könnte. diese Auffassung entspricht nicht der Wirklichkeit. ich bin aus Berlin jetzt raus und werde meinen weg suchen‚ um das schlimmste zu verhindern. ich werde nicht mehr mit ihnen kommunizieren, da sie sich ja gegen mich entschieden haben. falls sie ein Schlusswort eingeben möchten, steht dies ihnen frei. ich werde in den nächsten tagen noch 1 mal hier hineinschauen. ich danke denen‚ die mir glaubten und verwünsche jene, die gegen mich waren. Natürlich war ich aus Berlin noch nicht raus. Wohin sollte ich auch gehen. Ich kam mir sehr verlassen vor und meine letzte Hoffnung war, dass die in Vaduz endlich den Durchblick erlangen würden und sich wieder melden würden. Dass die Behauptung von Hans-Adam, kein Land hätte Interesse an den Daten, ein schwachköpfiger Witz war, musste sowohl mir als auch ihm von Anfang an klar sein. Langsam aber sicher begriff ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich aus Berlin wegginge. 264 VADUZ 24. Januar 2003 (nachmittags) Das KKZ war den ganzen Tag berauscht anlässlich des Siegs über Kieber. Einige Stimmen wurden zwar laut, da sie befürchteten, dass Kieber in den Händen der Deutschen dennoch Schaden anrichten könnte, da er zu viel wusste – auch ohne das Datenmaterial zu besitzen. Hans-Adam äusserte sich dazu später am Tag, wobei er versicherte, dass er und auch die ganze heimische Bankenwelt dies schon überleben würden. So viel konnte Kieber gar nicht wissen, beruhigte man sich gegenseitig. Und ohne Material, wer sollte da dem Kieber ein einziges Wort glauben. Die Freude war unmessbar. Die Daten sind sicher, jubelten sie. Niemand knackt unsere Tresore. Die Truppe war lediglich enttäuscht darüber, dass man Kieber am Vortag den Deutschen nicht bei der ersten Gelegenheit auf dem Tablett hatte servieren können. Man loggte sich zwar noch einmal ins Emailkonto ein, druckte die Mitteilung von Kieber von 12.40 Uhr auf Papier und löschte den Text ohne eine Antwort zu hinterlassen. Nach kurzer Beratung mit dem Professor entschloss man sich, Hans-Adam, das grosse Staatsoberhaupt, nicht mehr mit der Causa Kieber zu belästigen und ihm daher das letzte Schreiben vorerst nicht vorzulegen. Bei der STA, speziell in Hauns Büro, rieb man sich schon mal die Hände und hoffte, dass Kieber bald in Berlin oder sonst wo gefasst würde. Mehr als das! „Wenn schon – denn schon‚, sagte mach sich im KKZ und befand, dass es wieder einmal an der Zeit wäre, für die „armen Verbrecher" Helmut Roegele, seine Frau Hidalgo und seinen Schwager Karl-Heinrich K. sowie den Spanier Mariano M.-V. etwas zu tun. Interpol Vaduz wurde um 15.15 Uhr und 16.00 Uhr befohlen, nochmals eine dringende Meldung nach Wiesbaden und Madrid zu senden. Darin bat Liechtenstein die zwei Länder, OZA- doch bitte die Roegele’s & Co. zu warnen, denn es könnte sein, dass Kieber auf dem Weg zu ihnen sei und ihnen schlimmes antun würde. Er sei sehr gefährlich. Er habe zwar bis heute noch nie jemanden bedroht und auch sonst nie Gewalt angewendet, aber Interpol Vaduz gehe davon aus, dass er es tut -OZE. 265 Gewisse Mitglieder des KKZ, im Delirium vom hohen Ross nicht mehr runterzukriegen, verschärften den Ton und schwadronierten darüber, dass sie doch einen Versuch unternehmen sollten, Kieber selber dingfest zu machen. Sie hätten doch alles Recht der Erde dafür. So wie man Kieber kenne, hätte der wieder unbegreifliches Glück und könnte auf nimmer Wiedersehen abtauchen. Vertreter der Polizei, der Justiz und der Professor distanzierten sich sofort von solchen Gedanken. Der Professor, als Topfachmann und einzige Psychologe, versicherte den Anwesenden, dass Kieber sicher nicht untertauchen würde. Er könnte nun allerdings nicht ausschliessen, dass Kieber, von dem Handeln des KKZ in die Enge gedrängt, eine Kurzschlusshandlung beschliesst und sich den Amis oder Deutschen anvertraut. Daten oder keine Daten – das spielte keine Rolle. BERLIN 25. – 30. Januar 2003 Am Samstag wachte ich schweissgebadet und mit Kopfweh auf, als hätte Godzilla mir eine runtergeknallt. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Ich war sicher, dass meine sehr präzisen Angaben bezüglich der Daten im Brief vom 07.01. an Hans-Adam reichen würden. Nie kam mir in den Sinn, eine Kopie der Daten als Beweis dem Hans aufs Schloss zu schicken. Warum auch? Wenn er Zweifel an meinen Angaben gehabt hätte, dann könnte er ja runter ins Tal gehen und selber nachschauen; es war ja seine eigene Firma, die LGT Treuhand. Und wenn er wirklich Skepsis gehabt hätte, warum hatte er mich dann am Telefon nicht direkt gefragt? Vielleicht war dies wieder so ein Psychospiel von denen in Vaduz, mutmasste ich. Sie mussten doch wissen, dass ich die Daten hatte. Eventuell wollten sie mich nur unter Druck setzten, sodass ich Angst bekam und schnell nach Hause kommen würde. Ein hochriskantes Manöver, meiner Meinung nach. Angst? Ich? Jetzt? Mein Begriff „von wirklich Angst haben‚ war im März und April 1997 neu definiert worden. Aber dennoch, vermutlich hatte Hans-Adam so gute Berater, dass man schon in den zwei Wochen, seit ich Liechtenstein verlassen hatte, entdeckt hatte, dass ich den drastischen Schritt, die Daten auszuhändigen, einfach NICHT machen konnte. Der Grund: Ich war ja selber ein Bürger Liechtensteins, mit Heimatgefühlen, 266 ein Monarchist durch und durch, konnte Gutes von Bösem auseinander halten. Nach dem Frühstück änderte sich meine Meinung schlagartig: nicht aus Berlin raus, nein weglaufen bringt nichts. Wenn sie mit dem Feuer spielen wollten, Bitte Schön! Ich setzte mich an meine kleine Kommode im Zimmer und bereitete einen vier Seiten langen, handgeschriebenen Brief auf Englisch vor. Darin schilderte ich dem US-Botschafter in Berlin, Hr. D.R. Coasts und seinem Vize T.R. Suell meine Lage und bat um Hilfe. Ich verabschiedete mich von Petra, die sich gerade aufmachte, ihren Freund besuchen zu gehen. Ich nahm die externe Harddisk, packte sie zusammen mit meinem Pass in die Manteltasche und fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln so nahe wie möglich an die US-Botschaft in die Neustädtische Kirchstrasse Nr. 4-5. War schwer Bewacht die Bude. „9/11‚ war ja noch sehr frisch in den Köpfen. Ich schlenderte an der Botschaft vorbei und versuchte so gut es geht keine Aufmerksamkeit bei den Polizisten zu erwecken. Auf einmal war ich mir meiner Mission nicht mehr sicher. Würden die Amis ohne vorherigen Kontakt (Telefon, Emails), meine Geschichte verstehen, verstehen wollen? Hätten sie genügend Zeit für mich? I didn’t know! Ich könnte ja später wieder kommen. Ich notierte mir die Öffnungszeiten für Besucher/Antragsteller und nahm den Bus zum Zoologischen Garten. Dann kam mir in den Sinn, dass ich den nahe liegenden Wittenberg Platz ja vermeiden musste, wegen meiner früheren Vermieterin Daniela. Ich spazierte den ganzen Tag herum. Auf einmal stand ich in der Strasse, in der auch das Finanzministerium ist, in der Wilhelmstrasse. Ob dies ein Zeichen war, fragte ich mich. Es musste etwas her, was mich ablenken würde. Sport war immer gut dafür. Ein Schwimmbad hatte offen und ich schwamm mindestens 60 Minuten und konnte meine Gedanken dabei wieder reinwaschen und ordnen. Hungrig wie ein Bär nach dem Winterschlaf würgte ich nach dem Schwimmen einen feinen Kebab runter. Da neben der Fastfoodbude praktischerweise ein türkischer Coiffeur & Barbier war, machte ich mich 35 Minuten später frisch geschnitten und sauber rasiert auf den Heimweg. Der Sonntag war einer der einsamsten, den ich je erlebt hatte. Was mir etwas Tröstung gab, war die Gewissheit, dass einige in Vaduz derzeit 267 auch kein leichtes Leben hatten. Nach langem Grübeln entschloss ich mich am Montag, einen Beweis nach Vaduz zu liefern. Der 27. Januar kam und ich stand schon als erster Kunde vor der Berliner Sparkassenfiliale, wo ich meinen Laptop im Safe verstaut hatte. Ich entnahm ihn und fuhr mit dem Taxi in Richtung Wohnung, wobei ich mich ca. 800m Meter davon entfernt absetzten liess. Sicher ist Sicher. Für eine gute Weile musste ich die Software für die Entschlüsselung laufen lassen. Erst dann konnte ich die Daten lesen. Die Frage war nun, wie viel von den hunderttausende Dokumenten ich als Beweis auf externe Datenträger, die ich irgendwie nach Vaduz befördern musste, brennen sollte. Ich hätte nach Mandatsnummer oder dem Alter des Mandats gehen können, oder nach der Grösse der Vermögen, oder nach einer eigenen Liste der dicksten Leichen im Keller oder PEPs (Politisch exponierte Persönlichkeiten oder Parteien). Da ich reichlich Zeit hatte, fand ich es genüge, wenn ich ca. 10 Prozent der Gesamtmenge aller Kundendaten auf die CDs brannte. Das sollte genügen, um die in Vaduz zu überzeugen. Ich schloss die externe Master-Harddisk, eine eins zu eins Kopie des DLT-Tapes, an den Laptop an. Dann wählte ich Daten aus fast allen Kundendossiers aus und brannte diese unverschlüsselt und unkomprimiert auf vier neue CDs mit jeweils 700 MB Speicherplatz. Ich inkludierte alle PEP-Mandate sowie auch ca. 25 Prozent aller Leichen (Mandate mit erkennbarem kriminellen Hintergrund, mit oder ohne Mitwirkung der LGT Gruppe). Darin waren auch alle jene Mandate (von US- und Deutschen Kunden), die ich im Brief vom 7.1.03 an Hans-Adam unter Punkt V. + VI. geschildert hatte. Anm.: Mit Absicht hatte ich keine der massenhaften INTERNEN, nicht mandatspezifischen Dokumente auf die CDs kopiert, da ich nicht preisgeben wollte, an welchem Datum ich 2002 das Back-Up-Tape entwendet hatte und sie anhand solcher Dokumente den Tag sehr genau hätten errechnen können. Bis heute weiss niemand in Vaduz, welche und wie viel interne Dokumente in meinem und nun im Besitz der ausländischen Strafverfolgungsbehörden sind. Was den Letzteren immer noch zum strategischen Vorteil dient. 268 Das Total der Daten auf den vier CDs erreichte dann genau 1,590 Gigabyte. Ich hätte diese vier CDs auch aus Sicherheitsgründen verschlüsseln können, entschied mich aber dagegen, da ich vermeiden wollte, dass noch mehr Zeit verloren ging und unvorhergesehene Störungen erst gar nicht aufkommen konnten. Nicht, dass ich an der Fähigkeit der IT-Abteilung der LGT gezweifelt hätte, verschlüsselte Daten mittels mitgelieferter Entschlüsselungssoftware lesbar zu machen. Aber die Tatsache, dass sie meine Entwendung des DLT-Tapes und somit den Besitz der Daten offenbar kategorisch abgelehnt hatten, musste ich in meinem Denken und Handeln berücksichtigen. Zudem hatte ich ja vor, die Daten auf den CDs zusammen mit Instruktionen Hans-Adam zukommen zu lassen, sodass er mittels einem seiner Computer im Schloss die Dateien ohne Probleme öffnen könnte. Das grösste Problem für mich war, die CDs sicher bei Hans-Adam abzuliefern, ohne die Daten und natürlich mich selbst in Gefahr zu bringen. Am Besten wäre es, wenn ich von meinem Plan überhaupt nichts im Voraus erzählte. Viele Möglichkeiten hatte ich ja nicht. Nach Vaduz zu reisen? Logischerweise NIE. Jemand von dort nach Berlin zu beordern? Keine gesunde Idee. Hatte sich ja gezeigt. Per Einschreiben die Ware versenden? Zu grosses Risiko, da das Paket verloren gehen könnte. Zudem würde eine solche Sendung über den Schweizer Zoll gehen, was auch nicht wünschenswert war. Schliesslich fand ich eine Lösung. Das kleine Liechtenstein hatte ja eine eigene Botschaft in Berlin. Und zwar eingegliedert in eine Rechtsanwaltskanzlei oder ähnlichem. In der Mohrenstrasse 42, in Berlin – 10117. Ich war mir ganz sicher, dass die von der Botschaft nichts von dem Drama der vergangenen 14 Tage wussten. Ich erinnerte mich, wer der nicht residierende Botschafter von Liechtenstein in Deutschland war. Er wohnte noch im Ländle. Erst viele Monate später, als Liechtenstein eine Villa in bester Lage in Berlin kaufte, siedelte er um. Ich rief die Botschaft an und meldete mich unter dem Namen Sebastian. Eine Frau Namens Frenkel gab mir die Öffnungszeiten bekannt und ich bedankte mich brav. Bevor ich dort aufkreuzen wollte, musste ich die Umgebung genau inspizieren. Es war ein nicht gerade schönes Bürogebäude, obwohl relative neu. Eine kleine Tafel informierte die Passanten, dass hier die Botschaft Liechtensteins angesiedelt war. Ich fuhr mit dem Lift 269 in die angegebene Etage und schaute mich um. Alles OK. Ich entschloss mich, die CDs spätestens am Mittwoch, den 29.01. ohne Ankündigung bei der Botschaft abzugeben. Am Dienstag, den 28.01. fertigte ich zwei Briefe an, einen von Hand, einen brannte ich auf CD. H. Kieber, 28.01.2003 - An die Liechtensteinische Botschaft z. Hd. Frau Frenkel, Mohrenstrasse 42 - 10117 Berlin - Sehr geehrte Frau Frenkel. In der Beilage erhalten Sie einen Umschlag, der für unseren Fürsten, S.D. Hans-Adam der II. bestimmt ist. Es sind Datenträger im Umschlag. Ich bitte Sie, das Schloss in Vaduz oder die persönliche Handynummer S.D. 00423 xxx xx xx gleich anzurufen und mitzuteilen, dass ein Umschlag mit Daten S.D. abgegeben worden ist. Ich bitte Sie, die Weiterleitung an S.D. gemäss seinen Wünschen auszuführen. Wenn S.D. eine Abholung per Gesandten nicht wünscht, bitte ich auf jeden Fall den Umschlag mit Diplomatenpost nach EL zu versenden, da die Daten unverschlüsselt sind. Ich danke viel Ihnen vielmals und verbleibe mit freundlichen Grüssen H.K. Anschliessend brachte ich den Laptop zurück in den Banksafe. Am Mittwochmorgen packte ich die CDs in ein Kuvert und schrieb mit dickem Filzstift drauf: Bitte Aushändigen - Persönlich/Vertraulich. An S.D. Fürst Hans-Adam, Schloss Vaduz, 9490 Vaduz, F. Liechtenstein. Auf der Rückseite: H.Kieber. Dieses Kuvert verklebte ich mit breitem Paketklebeband und steckte es in ein grösseres Kuvert. Darauf notierte ich: FL-Botschaft, Frau Frenkel, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin. Ich begab mich zu dieser Adresse und fuhr mit dem Lift hoch. Ich betrat das Büro und fragte nach Frau Frenkel. Sie kam und ich sagte ihr in wenigen Worten, dass ich den Auftrag hätte, dieses Paket hier abzugeben und sie zu bitten, das Fürstenhaus gleich anzurufen. Die würden auf ihren Anruf warten, täuschte ich vor. Vielen Dank und auf Wiedersehen. Sie wollte noch was fragen, aber ich war schon auf dem Sprung hinaus. Rauf, rein, runter, raus - alles innerhalb von 2 Minuten. Ich entfernte mich so schnell es ging von der Botschaft. Um ganz sicher zu gehen, dass Hans-Adam die Ware bekommen würde, ging ich in ein Internetcafé und schrieb von meinem eigenen Emailkonto aus aufs Schloss. Keine vielen Sätze. Ich vermerkte lediglich, dass gerade 270 Datenmaterial für Hans-Adam bei der FL-Botschaft in Berlin abgegeben worden war. Bitte, er solle sich gleich darum kümmern, da die Daten unverschlüsselt wären. Es hatte natürlich einen Grund, warum ich für diese Mitteilung nicht das gemeinsame Emailkonto auf catholic.org verwendet hatte. Ich wollte dieses mal Hans-Adam die technische Möglichkeit geben, nachzuprüfen, ob meine Email wirklich aus Berlin kam. Dank der IP-Adresse könnte er dies herausfinden. Mit der Zuversicht, dass der Ball wieder bei Hans-Adam lag, begab ich mich erleichtert auf den Heimweg. Unangenehme Nachrichten gab es aber dann bei Ankunft. Petra hatte ihrem eifersüchtigen Schatz erzählt, dass ich bei ihr in Untermiete war. Er sei sehr beunruhigt darüber und Petra bat mich darum, etwas anderes zu suchen. Was konnte ich da noch erwidern? Ich erreichte, dass ich noch bis zum Montag, den 03. Februar bleiben konnte. Ich war mir sicher, dass ich etwas anderes finden würde. VADUZ 25. – 30. Januar 2003 Mit einer Mischung aus Angespanntheit und Verdrängung ging man in Vaduz mangels neuer Nachrichten in der Causa Kieber dem gewohnten Gang der Dinge nach. The Show must go on! Hans-Adam und seine Familie waren in der Endphase des erbitterten Abstimmungskampfs über die neue Verfassung für Liechtenstein. Die Abstimmung war für März 2003 geplant. Eine neue Verfassung, die einseitig von ihm erwünscht wurde und von seinen eigenen Experten formuliert wurde, würde dem Hans-Adam noch nie da gewesene Macht verleihen. Insbesondere in Sachen Richterernennung, und -bestätigung, der Auflösung des Parlaments, dem Notrecht und anderen grundstaatlichen Pfeiler wurde heftig im Land gestritten. Hans-Adam hatte mehrfach damit gedroht, dass – falls er nicht die Mehrheit der Stimmen bekommen würde, er OZA- mit Sack und Pack (Familie und Bilder) nach Wien auswandern würde -OZE. Er sagte auch, OZA- dass sich das Ländle seiner Meinung nach, dann Microsoft nennen könnte -OZE. Den Namen „Liechtenstein‚ nehme er ja mit (nach Wien). 271 Die Befürworter und Gegner waren in ungefähr zwei gleichgrosse Lager geteilt. Trotzdem erlebte die Mehrheit der Liechtensteiner wie anmassend und verletzend Hans-Adam mit einigen Bürgern und demokratisch gewählten Politikern umging. Insbesondere die, die sich offen gegen die neue Verfassung stellten, erlebten blanken Horror. Hans-Adam hatte immer schon eine hinterlistige, sehr perfektionierte Strategie, um seine (politischen) Gegner mit Worten zu verletzen. Wirkliche Gegner waren es aus seiner Sicht ja eh nicht. Hans-Adam kalkulierte sehr clever. Er wusste, solange er die Fiktion der aufziehenden, bösen Wolken am Himmel über Liechtenstein, die wie ein Hurrikan über die Menschen herabstürzen würden sobald das Blaue Blut abzieht, in den Köpfen vor allem der älteren Bevölkerung frisch hielt, solange konnte er sich einem Sieg sicher sein. Ich selber war ja ein Monarchist. Ich verbinde vor allem wunderschöne und persönliche Erinnerungen mit den 1989 verstorbenen Eltern von Hans-Adam, Fürst Franz-Josef und Fürstin Gina. Beide waren ein ganz anderer Menschenschlag. Am Montag, den 27.01. exekutierte man eine Razzia in zwei Wohnungen in Balzers. Man wartete, bis die Bewohner nicht anwesend waren. Es wurde nichts gefunden. Dann aber am Mittwoch, den 29.01., keine zehn Minuten nachdem auf Schloss Vaduz eine neue Email von Kieber geöffnet und gelesen wurde, rief der Liechtensteiner Botschafter aus Berlin an. Er fragte, ob Hans-Adam anwesend sei. Man verneinte dies. Er habe ein versiegeltes Kuvert für Hans-Adam in den Händen. Auf der Rückseite stehe „H.Kieber‚. Und dazu einen handgeschriebener Brief. Man bat ihn diesen am Telefon vorzulesen, die Leitung sei relativ sicher. Er las ihn vor. Auf Grund der ihr bekannten Sachlage, stellte die Sekretärin im Schloss den Anruf zum Bürotisch von Erbprinz Alois durch. Dieser fragte den Botschafter, ob er Kieber gesehen hätte, was dieser verneinte. Man kenne die Person, die den Umschlag abgegeben habe, nicht. Gemäss Frau Frenkel soll es sich um einen "Kurier" gehandelt haben. Alois ordnete an, den Umschlag NICHT zu öffnen und bat den Botschafter so schnell wie möglich die Ware persönlich nach Vaduz zubringen. Um eine mögliche Kontrolle zu vermeiden, solle der Botschafter den Diplomatenkoffer als Transportmittel für die Daten verwenden. Ein Diplomatenkoffer kann von Deutscher Seite aus nicht inspiziert werden. 272 Bei nächster Gelegenheit wurde Hans-Adam von seinem Sohn informiert, anschliessend die Mitglieder des KKZ. Es wurde eine Sitzung des KKZ für Donnerstagmittag, 13 Uhr anberaumt. Bis dahin sollte der Botschafter angekommen sein. Nach Ankunft in Zürich am Donnerstag, den 30.01. wurde der Botschafter von Chauffeur Kaiser abgeholt und direkt aufs Schloss gefahren. Er wunderte sich etwas über die grosse Aufmerksamkeit, die er da erleben durfte. Er wurde weder von HansAdam noch vom KKZ je aufgeklärt. Als gebildeter Mann konnte er sich schon einiges nahe der Wahrheit selber vorstellen. Die CDs wurden im Schloss vom Botschafter abgegeben und vom Sekretariat bis auf den nächsten Tag in einem Safe eingeschlossen, weil Hans-Adam selber beim Öffnen der Datei anwesend sein wollte. Einige Mitglieder des KKZ gerieten kurzzeitig in Panik, da sie in der Hektik etwas missverstanden hatten. Irgendjemand hatte gesagt, dass Kieber angeblich CDs mit LGT-Kundendaten der US-Botschaft gegeben hätte und die Amis sich nun gemeldet hätte. Weiterhin wurde gesagt, dass man davon ausgehen müsste, dass die Daten echt seien. Es folgten ein paar klärende Telefonate zwischen dem KKZ, dem Büro des Regierungschefs und dem Schloss. Erleichtert, dass es sich um die eigene Botschaft und nicht die der Amis handelte, warteten alle gespannt auf den nächsten Tag und was ihnen Hans-Adam berichten würde. 273 KAPITEL 10 Heinrich! Mir graut’s vor Dir. VADUZ 31. Januar 2003 Zu ungewöhnlich früher Stunde waren Hans-Adam und sein Sohn in ihren Büros schon sehr aktiv. Der Bankdirektor konnte nicht anwesend sein, da er ausser Lande war. Im Hinterkopf der Hochwohlgeborenen muss es wohl immer noch das Hirngespinst gegeben haben, Kieber habe die Daten nicht. Hans-Adam kam auf die übergeschnappte Idee, dass Kieber ihm anstelle der behaupteten Daten einen Computervirus, oder noch schlimmer, eine Briefbombe geschickt haben könnte. Da weder er noch sonst jemand aus seiner Familie sich die Finger verbrennen wollten, rief man die Kriminalpolizei zu sich. Diese brachte das Paket in ihre Spezialabteilung unten im Polizeigebäude. Während eines Telefongesprächs mit dem Schloss öffnete man unter strengen Sicherheitsvorkehrungen das kleine braune Paket. Nein, kein Sprengstoff drin, nur vier brandneue CDs. Ein Virencheck wurde durchgeführt: alles clean. Kein Virus. Hans-Adam verlangte dann sofort, dass man die CDs aufs Schloss bringen sollte. Er untersagte er seiner Polizei, sich die Dokumente auf der CD anzusehen. Er wollte von den Original-CDs eine Kopie erstellen und diese der LGT zur Prüfung geben. Doch es gab ein Missverständnis zwischen der Sekretärin vom Schloss und dem ranghohen Beamten. Er verstand es so, dass er eine originalgetreue Kopie der CDs brennen und diese zum Schloss bringen sollte. Die Originale würde er dann (ungesehen) bei der Kripo im Safe lassen. Er stelle also die Kopien her und fuhr sie hoch zum Schloss. Anm.: Hans-Adam wusste bis zum Spätsommer 2003 nicht einmal, dass seine Polizei Ende Januar 2003 irrtümlicherweise die Original-CDs behielt und diese seit damals in ihrem Safe aufbewahrte und er nur eine Kopie erhalten hatte. Ich erfuhr davon per Zufall, als ich im Spätsommer 2003 einen diesbezüglichen kleinen Vermerk der Polizei in einer anderen Aufzeichnung gefunden hatte. Ich kopierte diesen Vermerk und schickte es mit einer Kurznotiz Anfang September 2003 Hans-Adam zur Kenntnisnahme ins Schloss. Oben im Schloss hatte niemand bemerkt, dass die gelieferten CDs gerade erst frisch von der Kripo gebrannt worden waren. Es wurde die erste CD in das Laufwerk gelegt. Mit jedem Klick, mit jedem Öffnen einer Datei 274 wurden die Gesichter länger, die Augen grösser, der Druck im Kopf stärker. Die genauen ersten Worte sind nicht überliefert, aber HansAdam wünschte sich in die Zeiten Napoleons zurück (übrigens erst dank diesem Kaiser ging es mit den „von Liechtensteins‚ steil bergauf), wo Blaublut machen konnte, was es wollte. Besonders mit Leuten wie Kieber. ER HATTE DIE DATEN! ER HATTE DIE DATEN! Der Mistkerl hatte die Scheissdaten! TONNENWEISE! Augenblicklich wurde Hans-Adam bewusst, dass er von seinen Untergebenen im Land und der Führung der LGT komplett falsch informiert worden war. Die Magensäure musste sich hoch gefressen haben, als ihm und seinem Sohn klar wurde, dass sie seit sie Kieber in Deutschland via Interpol „zum Abschuss‚ freigegeben hatten, an ihrem Grabstein meisselten. Es muss eine sehr absurde Situation für sie gewesen sein. Es dauerte einige Stunden, bis man sich auf dem Schloss wieder beruhigt hatte. Der Professor war der Erste, den Hans-Adam zu sich rief. Psychologischer Beistand war jetzt gefragt. Der Professor, der die Daten selber nie einsehen durfte (und auch in dieser Situation nicht zu Gesicht bekam), konnte sein Kopfschütteln nicht verbergen. Es war aber kein Schütteln, weil Kieber die Daten hatte, nein, er wagte zu bemerken, dass er sie doch gewarnt hatte, nichts in Sachen inoffizielle oder offizielle Jagd und Hetzte auf Kieber zu unternehmen, solange man mit ihm reden könnte und solange man nicht zu 100 Prozent sicher war, dass er keine Daten habe. Von diesem Zeitpunkt an hörte Hans-Adam ein wenig mehr auf den Professor. Die anderen Mitglieder des KKZ wollten nicht glauben, dass Kieber die Daten hatte. Sie baten einen Blick darauf werfen zu dürfen. Insbesondere die LGT musste natürlich mit eignen Augen sehen, was ihnen abhanden gekommen war. Man schlug dem Hans-Adam vor, die vier CDs gemeinsam bei der LGT Bank, nicht bei der LGT Treuhand, anzuschauen. Hans-Adam war zuerst dagegen. Drei Stunden später beschloss er, nur eine auf dem Schloss neuerstellte Kopie der CDs auf einem Computer des KKZ öffnen zu lassen, da er Angst hatte, die LGT sei nicht in der Lage, die Daten ohne grosses Aufsehen auf ihren eigenen PCs zu laden. Nicht unbedingt ganz nachvollziehbar, jedoch hatte er, wie immer, das letzte Wort. Aber nur eine Person aus dem KKZ, die dorthin von der LGT gesandt worden war, durfte die CDs im Detail inspizieren. Die anderen Anwesenden durften aus gutem Grund nur 275 flüchtig einen Blick auf die heisse Ware werfen. Die LGT Person errechnete das Total der gesamten gespeicherten Datenmenge auf 1,287 Gigabyte. Anm.: Achtung! Man rechne: In Berlin abgegeben: 1,590 GB, beim KKZ angelangt: 1,287 GB. Hoppla, da fehlen ja 0,303 GB, also über 300 MB. Wo sind die denn hin? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Hans-Adam muss angeordnet haben, die seiner Meinung nach schlimmsten Mandate für die neue Kopie wegzulassen. Er wollte Verhindern, dass fremden Augen, namentlich die der Justiz, Polizei und Regierung - obwohl auf jeden Fall alle auf seiner Seite waren - Dinge sehen, die sie prinzipiell nichts angehen. Er wusste ja nicht, dass die Polizei eine eigene Kopie im Safe schlummern hatte. Ich kann auch berichten, dass einzelne Personen aus der Kripo später die Daten in der Tat gemustert hatten. Warum sollten sie auch nicht? Man kann ruhig sagen, dass allen Anwesenden kotzübel wurde, wobei auf einer Skala unten die Polizei, in der Mitte die Justiz und an der Spitze die Regierung zusammen mit der LGT einzugliedern waren. Man holte sich die Verantwortlichen der IT-Abteilung. Diese waren verblüfft und geschockt. Es machte keinen Sinn, übermässig auf die IT-Leute einzudreschen. Die KKZ beriet was man tun könnte, um zu verhindern, dass die deutschen Behörden Kieber finden würden. Die Wahrscheinlichkeit das Deutschland Kieber aktiv suchen würde, hatte Liechtenstein selber massiv gesteigert, indem es Kieber als bewaffnet, geistesgestört und mit hoher Gewaltbereitschaft gebrandmarkt hatten. Und darüber noch nachschoben, dass deutsche Bürger (Helmut R. und sein Schwager) angeblich in "Lebensgefahr" seien. Man war sich in Vaduz sicher, dass die deutsche Polizei eine in deren Augen sicher „seriöse‚ Meldung mit solchem Inhalt nicht einfach links liegen lassen würde. Etliche Varianten wurden diskutiert. Z.B. könnte man nach Deutschland eine neue Interpolmeldung senden, worin man die erste und zweite Meldung korrigierte, indem man schreiben würde dass Kieber nicht in Berlin sondern in Basel sei. Die Hinweise, die Interpol Vaduz erhalten hatte, wären falsch gewesen. Man hätte die Städte verwechselt. Oder ein anderer Vorschlag war, dass man meldete, man hätte Kieber verhaften können und es daher keine Anhaltspunkte mehr gäbe, ihn in Berlin zu vermuten oder gar zu suchen. Am Ende wurde beschlossen, keine neue Meldung in Sachen 276 Kieber an Interpol Wiesbaden oder sonst jemanden in der EU zu senden. Dies darum, weil man befürchtete, dass eine erneute Meldung nur die Aufmerksamkeit auf den Fall lenken würde. Ein anderes, Hirn verbrennendes Gefühl machte sich innerhalb des KKZ breit. Vor ein paar Tagen noch wollten viele den Kopf von Kieber rollen sehen, nun war es so, dass sie ihm „zu Hilfe‚ eilen mussten. Man entschloss sich, wieder mit Kieber zu reden, ihm aber nichts über Interpol u.s.w. zu sagen, damit er nicht noch aufgewühlter würde. Langsam aber sicher sank die Erkenntnis in den Köpfen, selbst bei HansAdam, ein, dass Kieber mit seiner Argumentation zu Gunsten einer Schutz-ID eigentlich Recht hatte. Man kam zum Schluss, dass Kieber im Moment sicherlich sehr gut auf sich selber aufpassen konnte und einem Zugriff der deutschen Behörden zu entgehen wusste. Der Professor wurde beauftragt, eine Strategie zu entwickeln, die der neuen Lage entsprach. Das ursprüngliche Ziel aber bleibe weiterhin bestehen: die Daten und den Kieber sicher nach Vaduz bringen, koste es was es wolle. Nach einem sehr langen und harten Tag ordnete Hans-Adam an, den folgenden Text um 20.04 Uhr in das Emailkonto zu stellen. Material ist angekommen. Weitere Infos hier am Montag, 03.02.2003, ca. 11:30 BERLIN 31. Januar 2003 Den ganzen Tag zerbrach ich mir meinen Kopf darüber, was Liechtenstein wohl alles mit der „Variante 2‚ ausgelöst hatte. Ich vermutete, dass die Schnüffler nicht zurückgepfiffen worden waren, sondern im Gegenteil, weiter im Solde Hans-Adams stehen würden, um mich zu finden und mich dann den deutschen Behörden zu übergeben. Alles abgewogen, entschloss ich, Berlin zu verlassen. Aber wohin nur, mit all den Daten und Papierdokumenten? Ich konnte keinen internationalen Flug buchen, da ich wusste, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein würde, dass ausgerechnet mein Pass oder die ID am Flughafen durch das Lesegerät gezogen würden und dann das Chrom der Handschellen blitzen würde. Ich ging die Liste der Länder durch, die ich auf dem Landweg erreichen könnte: Österreich? Nein, zu nah an Liechtenstein. Schweiz? Nein, Grenzüberschritt zu 277 riskant. Frankreich? Nein, nicht mein Favorit. Polen oder sonst wo in den Osten? Nein, auch keine Alternative. Nordwärts, nach Schweden? Nein, zu lange Fahrt (und mir war schon kalt genug in Berlin). Holland? Ja. Holland. Warum nicht? In Amsterdam war ich noch nie. Ich recherchierte im Internet nach den Transportmöglichkeiten dort hin. Günstig und schnell könnte ich mit den Busgesellschaften fahren, die regelmässige Touren von Berlin nach Amsterdam anboten. Leider war es Vorschrift, dass alle Firmen vor der Abfahrt genaue Angaben zum Passagier einsammeln und speichern mussten. Dazu zählten auch die Nationalität und die Nummer des Reiseausweises. Ich fand keinen Anbieter, der diese Regel nicht auf der Firmenwebseite hatte. Eine Möglichkeit wäre, kurze Teilstrecken mit so genannten Kaffeefahrten innerhalb Deutschlands zu buchen, am Ziel auszusteigen und einfach die Rückfahrt nicht mehr anzutreten. Oder mit dem Zug bis an die Grenze zu fahren und dann weiter schauen. Per Zufall stiess ich auf Webseiten, wo private Kfz-Besitzer Mitfahrer für bestimme Strecken und Tage suchten (Mitfahrzentrale oder Mitfahrgelegenheit). Das schien mir die beste Lösung zu sein. Da keine aktuellen Angebote für eine Fahrt von Berlin nach Amsterdam vorhanden waren, trug ich mich unter einem Pseudonym als suchender, zahlender Mitfahrer ein. Gepäck: ein grosser und ein kleiner Koffer. Für eine Fahrt von Berlin nach Amsterdam ab der ersten Februarwoche 2003. Eine eigens dafür neu eröffnete Emailadresse sollte als Kontaktmöglichkeit zu mir dienen. Ich entschloss mich, heute am späten Abend nochmals ein Internetcafé aufzusuchen und nachzuschauen, ob ich Erfolg hatte. Ich lud Petra zum Abendessen ein und wir gingen in ein vor ihr gewähltes Restaurant. Ich sagte ihr, dass ich ein anderes Zimmer in Süden Berlins gefunden hätte und am kommenden Montag ausziehen würde. Sie freute sich für mich und fragte nach, ob es mir den soooo gut in Berlin gefallen würde, jetzt im hässlichen Winter? Nach dem Essen suchte ich eine Internetbude aus meiner Liste aus. Leider kein Angebot für eine Mitfahrgelegenheit nach Holland. Haufenweise in andere deutsche Städte, vor allem Münster. Aha, klar – ist ja eine grosse UniStadt. Ein kurzer Blick auf die Landkarte und Münster sollte es sein. Lag nahe an der Grenze. Ich schrieb an drei Angebote und suchte dann nach einer Wohngelegenheit im Netz. Schnell fand ich eine passende Unterkunft. 278 Eine Iris aus Münster suchte jemanden, der ihr kleines möbliertes Zimmer in einer WG für den ganzen Februar 2003 für 170 Euro mieten möchte. Sie sei dann in München, bei ihrer Familie. Ich notierte mir ihre Telefonnummer und rief gleich an. Sie war froh, dass sich jemand so schnell meldete, da sie das Angebot erst vor ein paar Stunden ins Netz gestellt hatte. Sie musste nach München gehen und in den harten Zeiten einer Uni-Studentin, ist jeder Euro nicht ausgegeben, einer gespart. Ich musste einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen haben, da sie sogleich zusagte aber erwähnte, dass sie morgen, Samstag schon abreisen würde. Sie vertraue mir. Die 170 Euro müsste ich auf ihr Konto bei einer Sparkasse in München einbezahlen. Bei Ankunft in Münster sollte ich an der Haustüre klingeln und man würde mir die Schlüssel geben. Super, sagte ich. Tausend Dank! Ein Problem weniger. Jetzt nur noch die Fahrt dorthin. Um ca. 23.00 Uhr las ich die Mitteilung von Hans-Adam. Mann, war ich dann wieder erleichtert. Meine Hoffnung stieg, dass ich meinem Ziel, die verdammten Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen, wieder etwas näher gekommen war. Wenn auch nur in mikroskopischen Schritten. Ich schrieb Hans-Adam nichts zurück, liess seinen Text stehen. Ich hatte ja Zeit bis Montagmittag. Ich schlief beruhigter wenn auch zu später Stunde ein. BERLIN 1.- 3. Februar 2003 Moralisch gefestigt, dass ich das Richtige getan hatte, schaute ich schon morgens früh am Samstag, den 01.02. im Internet nach, ob ich Erfolg mit der Mitfahrgelegenheit hatte. Zwei der drei Kontaktierten hatten geantwortet. Der Eine würde schon am Sonntagabend von Berlin losfahren und der Andere am Montag um die Mittagszeit. Ich rief beide an. Der Fahrkostenanteil war so um die 30-40 Euros. Der Erste wollte die Kohle jetzt gleich, noch vor der Abfahrt haben, damit er sicher gehen konnte, dass ich auch zum Treffpunkt kommen würde und er nicht verarscht würde. Ich wandte ein, wie kann ich den sicher sein, dass er zum Treffpunkt kommen würde, wenn er dann das Fahrgeld schon tags zuvor erhalten hätte. Er hängte das Telefon einfach auf. Der Zweite war sehr freundlich und sagte mir zu, mich am Montag pünktlich um 12 Uhr vor dem Beate Uhse Sexladen, nähe Bahnhof Zoo abzuholen. Auf meine 279 Frage hin, ob sein Auto gross genug für meine 2 Koffer wäre, sagte er „Null Problemo‚. Es würden nur er und ich im Wagen fahren. Der Abschied von Berlin war nicht einfach. Gerne wäre ich hier geblieben. Ich konnte mich mittlerweile gut in der Stadt bewegen und dass die Amis und die deutsche Regierung hier waren, empfand ich stets als eine Art Sicherheit. Nebst der geistigen Fitness, wollte ich auch körperlich am Ball bleiben. Ich hatte irgendwo gelesen, dass heute die Eröffnung eines neuen Fitnesstempel sein würde. An der Hasenheide am Herrmannplatz. Ich suchte ihn auf und konnte für ca. 20 Euro eine Tageskarte kaufen, und dann alles auf den zwei Stockwerken benutzten. Da meine Abreise und die neue Bleibe geregelt waren, hatte ich wieder Zeit, mich dem Thema Hans-Adam zuzuwenden. Um zu vermeiden, dass er wieder vorschlägt, dass ich nach Vaduz kommen sollte, und auch auf Grund der Möglichkeit, dass ich reisebedingt in den kommenden Tagen nicht ins Netz kann, dachte ich, es wäre besser, ihm eine Nachricht zu schreiben. Genau um 14.11 Uhr drückte ich die Entwurfsspeichertaste im Emailkonto. Sehr geehrte Herren, ich habe ihre Nachricht erhalten. auf Grund der nun vorliegenden Lage möchte ich folgendes mitteilen: wir haben 2 Möglichkeiten. A) wir lassen die Situation wie sie jetzt ist: ° sie helfen aktiv mich zu fassen. ° ich versuche das - so lange es geht - zu verhindern. ° alle Beteiligten suchen nach dem besten Weg, um den Schaden für sich selber so klein wie möglich zu halten. Wobei jeder seine diesbezüglichen Möglichkeiten nutzt. B) wir finden einen Weg aus dem Drama: ° das ich nicht zurückkehren kann - nachdem nun alles offiziell und amtlich ist - verstehen sie sicher. ° ich bin nun in der Situation, wo ich - wie so oft in meinem Leben - alleine grundsätzliche Entscheide fällen muss. nicht das ich mich davon scheue - nein - nur die Zeit wird knapp. ° abgesehen von den unrechtmässig entwendeten Daten bin ich als unschuldig anzusehen‚ solange bis das Gegenteil bewiesen ist. 280 ° ich habe nichts mehr zu verlieren! es klingt zwar wie ein Spruch aus einem billigen Film; aber - wenn ich meine Situation anschaue - trifft dies genau zu. ° in diesen Tagen schwanke ich zwischen einer Art flucht nach vorne (was nicht beinhaltet, nach Hause zu kommen) oder einer Flucht nach hinten. Bei Variante A) bitte ich Sie nichts mehr hier hineinzuschreiben; nicht mal das Sie die „Variante A)‚ wählen oder wünschen. Löschen sie dann bitte einfach diesen ganzen Text. Bei Variante B) kommt es drauf an, was ihr und mein Ziel ist. Da u.a. meine Anwesenheit in diesem Land (Deutschland) hier offensichtlich IHR grösstes Problem darstellt, versuche ich samt den Unterlagen (die Originaldokumente machen mir zu schaffen) dies zu ändern. Es kann also sein, dass ich mich erst in der 2. FebruarMonatshälfte hier wieder melden kann. meine Hoffnung ist es zurzeit, dass man dann ein Treffen mit einem wirklich Informierten organisieren kann, um unter 4 Augen zu sprechen. natürlich bin ich mir bewusst, dass sie einen solchen Anlass als Gelegenheit für das Ziel von Variante A) missbrauchen könnten. aber ich möchte nicht mehr über das Telefon oder hier Tagelang kommunizieren. Ich hoffe Sie können dies alles nachvollziehen und ich verspreche Ihnen, dass ich mit den Daten unter keinen Umständen (mit einer Ausnahme) etwas unternehmen werde, bevor es zu einem 4Augengespräch gekommen ist. H. K.. N.B. bitte Text markieren und für sie ausdrucken. Auch hoffe ich, dass nur ein sehr, sehr begrenzter Kreis von Menschen dieses Emailaccount samt Passwort kennen; oder? Mit diesem Text, so glaubte ich, sollte für alle wieder grösstmögliche Klarheit herrschen. Am Sonntag, den 02.02. gab es noch das letzte gemeinsame Frühstück mit Petra. Sie war an diesem Wochenende nicht weggefahren. Danach 281 suchte ich den Sexladen auf, sodass ich am Montag ohne Verzögerung den Treffpunkt finden würde. Auch rief ich den Fahrer nochmals an, um ganz sicher zu gehen, dass er morgen auch fährt. Alles beim Alten. Es war der einzige Tag, an dem ich Berlin etwas entspannter geniessen konnte. Man hätte mich von einem der wenigen Touristen, die um diese Jahreszeit in Berlin herumspazierten, nicht unterscheiden können. Am Montag, den 03.02. präzise als die Glastüre der Sparkasse sich für Publikum öffnete, stand ich schon davor. Ich löste mein Konto auf, leerte den Safe und gab die zwei Safeschlüssel zurück. Den Laptop und die anderen Sachen verstaute ich in einen roten Baumwollsack einer Bäckereikette aus Berlin. Wieder zu Hause, Petra war schon arbeiten gegangen, verstaute ich alles tief unten in den Taschen. Der Computer verschwand in einer gepolsterten, schwarzen Laptoptasche aus Leder. Ich räumte mein Zimmer auf, spülte das Geschirr in der Küche ab, schrieb ein Abschiedsgruss an Petra und liess die Haustüre hinter mir zufallen. Ich schleppte die Koffer um die Ecke zu einer kleinen Berliner Kneipe. Von dort bestelle ich mir ein Taxi, das mich zum Treffpunkt bringen sollte. Dort angekommen, musste ich nicht lange warten, bis mein Fahrer an der Strassenseite vor dem Beate Uhse Laden anhielt. Er half mir beim Einladen und ich bezahlte den gewünschten Anteil an den Fahrkosten in bar. Die Fahrt ging sehr zügig voran und mir lag nicht viel an tiefen Gesprächen. Small Talk war OK. Er setzte mich in Münster vor dem Haus mit der Adresse von Iris ab. Ich bedankte mich und er verschwand im Verkehr. Vorbei an Mülltonnen zog ich mein Gepäck hinter mir her zum Hauseingang. Klar, die Wohnung lag im dritten oder vierten Stock und kein Lift. Einer der Mitbewohner war zu Hause und fragte mich, ob ich „Gerhard‚ sei. Ich nickte und er zeigte mir das Zimmer von Iris. Sie hatte einen Zettel mit der Bankverbindung und einen Wohnungs- sowie Zimmerschlüssel für mich hinterlegt. Ich sah mich im Zimmer um. Das Fenster war genau auf der Höhe der Bahnlinie, die hinter dem Haus, auf der Dammhöhe verlegt war. Der Bahnhof war ca. 500 Meter entfernt. Ein Bett, grösser als in Berlin aber wiederum ohne Beine, ein Tisch, ein kleiner Fernseher sowie ein Bücherregal, das aus alten Holzteilen 282 zusammengehämmert war. Holz aus einer Kiste, die im früheren Leben einer Explosion zum Opfer gefallen worden sein musste. Immerhin alles schön sauber. Ich packte meine Kleider aus und versicherte mich, dass alles LGT Datenmaterial gut verstaut war. Ich hatte Hunger. Das Türschloss war eher primitiv. Dennoch, besser als gar kein Schloss. Ich drehte den dazugehörenden, antiken Schlüssel zwei Mal um und inspizierte das Bad (dreckig), die Küche (noch schlimmer) und schimpfte über mich, dass ich in eine solche Lage geraten war. Nicht dass mein üblicher Ärger, sprich die Auseinandersetzung mit Hans-Adam, Anlass genug sein sollte, kräftig über mich selber zu fluchen. Aber in solch Situationen sind es oft ganz triviale Dinge, die einem anstrengender erscheinen. Ein Spaziergang durch die Einkaufsmeile von Münster brachte etwas Erlösung. Aber nur hinsichtlich meines grossen Hungers. Eine Pizza und Cola fühlte den Magen schnell auf. Im Winter sehen alle deutschen Städte nicht sehr einladend aus. Dank der hohen Konzentration junger Studenten in der Stadt war die Anzahl von Internetmöglichkeiten blendend. Es war schon nach 17 Uhr als ich dann diese Nachricht aus Vaduz lesen konnte: Erwarte Anruf unter bekannter Nummer heute um 17:00 Uhr. Nun gut. Diesen Termin hatte ich verpasst, hätte aber sowieso nicht angerufen. Ich hatte ja dem Hans-Adam berichtet, dass ich – reisebedingt - mich eventuell erst in der zweiten Februarhälfte wieder melden würde. 283 KAPITEL 11 Die Polizei, dein Freund und Helfer Diese schöne, geschichtsträchtige Stadt mit einer sehr alten Universität, war für mich nur ein Streckenposten auf dem Weg nach Amsterdam und eine kleine Oase der Ruhe, da ich hier sicher sein konnte, dass keine Staatskarossen aus Vaduz auf mich lauerten. Da Münster eine kleine und somit überschaubare Stadt war, wollte ich von hier aus keine Email schreiben, vor allem aber keinen Anruf machen. Mein Plan war es ja, hier in Münster keine Ferien zu machen. Keine Wurzeln zu schlagen. Dass es trotzdem zehn lange Tage hier werden würden, hätte ich mir am ersten Tag auch nicht erträumt. Am nächsten Tag musste ich der Iris die Miete bezahlen. Sie hatte ein Konto bei einer Sparkasse in München aufgeschrieben. Ich rief sie von einer Telefonzelle an und sagte ihr, dass ich angekommen und alles OK sei. Sie bedankte sich, dass ich mein Wort gehalten hatte und auch für die Einzahlung der Miete. Ich fragte sie, ob ich nicht einfach die 170 Euro ihrem Mitbewohner übergeben könnte. Bloss nicht, jammerte sie hurtig. Sie kenne die anderen auch nicht so gut, da die Leute kommen und gehen. Jeden Monat entdeckte sie auf dem Weg zum Bad oder in die Küche neue Gesichter. Die einzige langjährige Mitbewohnerin sei auch verreist. Ich machte mich auf den Weg zur Sparkasse in Münster. Bis anhin waren es für mich nur Gerüchte. Meine diesbezüglich eigenen Erfahrungen in Berlin waren eigentlich gut. Horrorgeschichten, Schreckenszenarios die offenbar jeder Deutsche zu erzählen wusste. Wie diffizil und unfreundlich einige Banken in Deutschland seien. Es war dann auch eine Mammutanstrengung die 170 Euro in Münster auf ein Konto der Sparkasse in München einzuzahlen. Ich hatte ja kein Konto in Münster. Sparkasse ist eben nicht gleich Sparkasse. Erst nach drei Anläufen in derselben Bank gelang es mir, einen Schalterangestellten zu überzeugen, dass ich das Geld unbedingt überweisen musste. Ich musste zwei dicke Formulare ausfüllen und eine Gebühr von ca. 35 Euro bezahlen. Am Ende war die Kohle auf dem Weg nach München. Und meine Miete war bis Ende Februar 2003 bezahlt. Anschliessend spazierte ich in Richtung Uni. Dort auf dem Gelände gab es verschieden Kantinen und Cafeterias. Ich kaufte mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen, setzte mich ins Foyer. Ich erinnere mich noch genau an den feinen Kuchen, die Holztische und dunklen Stühle. Stundenlang beobachtete ich die wenigen Studenten, die zu dieser Zeit offenbar eine 284 Pause hatten. Der Ausblick war auf den parkähnlichen Garten der Uni. Für mich war dieser Augenblick doch wie Ferien. Ein schönes Gefühl. Dann wurde ich wieder von den Gedanken eingeholt und ich stellte mir vor, was sich in den Köpfen derjenigen in Vaduz abspielte, verdrängte es aber gleich wieder. Es war wie ein anderes Leben, das sich parallel zu meinem entfaltete. Da ich in Münster sozusagen inkognito war, fühlte ich mich prächtig. Keine Telefonate mit Hans-Adam, keine Staatskarre, die auf mich wartete. Keine Fragen wo die Daten sind. Keine Befehle. Keine Appelle. Keine Drohungen. Keine. Keine. Ich verbrachte auch viele Stunden im Bahnhof Münster. Der Vorplatz war schön gestaltet. Eine Art kreisförmige Zufahrtsstrasse mit ein paar Geschäften auf der Rechten Seite. In der Mitte die Taxis. Ich musste mich sehr anstrengen, um abgelenkt zu bleiben. Im Moment, wo mir dies nicht gelang, drängte sich sofort die Realität wieder auf. Das Bedürfnis, zu erfahren ob man mir wieder eine Nachricht im Emailkonto hinterlassen hatte, wurde immer stärker. Zuerst wollte ich dies an einem Computer in Münster machen. Nur Nachschauen. Nicht mehr, nicht weniger. Nachsehen, ohne etwas hineinzuschreiben würde das mögliche Risiko ganz beseitigen, meinen Standort preiszugeben. Was aber, wenn ich antworten oder gar telefonieren musste? Die beste Lösung war, dass ich dafür von Münster wegging. Da ich nur gute Erfahrung damit gemachte hatte, suchte ich im Internet nach einer Mitfahrgelegenheit in eine der grösseren oder kleineren Städte im Umfeld von Münster (Ich kann mich noch so sehr anstrengen: ich bin mir heute – im Rückblick - nicht mehr ganz sicher, ob es dann Osnabrück, Hamm, Bielefeld oder gar eine andere Kleinstadt war, wo ich einen Tag verbrachte. Ich tippe auf Osnabrück. Ohne Gewähr). Auf jeden Fall war es in jener Stadt, wo eine grössere Polizeistelle, eine Art Regionalkommando, evt. der Bundesgrenzschutz stationiert war. Was hatte ich aber mit denen zu tun? Ein Tag, dessen Anfang verrückter nicht hätte sein können. Ich fand folgendes Angebot: Ein Mann offerierte eine Mitfahrgelegenheit für vier bis fünf Mal pro Woche für die nächsten Monate. Abfahrt war jeweils früh am Morgen und Rückfahrt am späten Nachmittag. Er erzählte mir, dass er in Münster (oder im nahen Umland von Münster) lebte und 285 täglich zur Arbeit nach „Osnabrück‚ pendelte. Für ein paar Euro könnte man mit ihm mitfahren. Super, sagte ich. Wann geht es los, fragte ich. Er fuhr sehr, sehr früh jeweils von zu Hause ab. Ich gab ihm meine Adresse und er sagte, dass er am nächsten Tag (es muss so um die 05.30 Uhr oder 06.00 Uhr gewesen sein) abholen würde. Ich ahnte ja nichts von dem was kommen sollte. Pünktlich wie eine Schweizer Uhr und eingekleidet wie für einen Trip auf einen Schweizer Gletscher, stand ich in der Kälte am Strassenrand gegenüber dem Haus wo ich wohnte. Er, ich erinnere mich nicht mehr an seinen Namen, nennen wir ihn mal ‚Bruno‚, stoppte vor meiner Nase. Ich war ja auch der einzige Mensch weit und breit, der an der Strasse zu dieser ungemütlichen Zeit stand. Ich fragte ihn, ob er der Bruno sei, er bejahte dies. Ich stieg in seinen Wagen ein. Ich glaube mich zu erinnern, dass es ein deutsches Fabrikat war. Ein VW Passat Kombi oder ein Opel Kombi. Dunkle Farbe, evt. Grau oder Blau. Die Fahrt muss zwischen 30 und 50 Minuten gewesen sein. Wir plauderten so daher und er fragte mich, woher aus der Schweiz ich komme. Ich erzählte von Zürich und dass ich auf Besuch in Münster sei und mir die Stadt Osnabrück anschauen möchte. Was er den so mache, fragte ich. Er erzählte, dass er seit Jahren bei der Polizei arbeitete. Er habe einen guten Rang erreichen können. Polizei? Polizei! Flink hatte ich das Gefühl, als würden mich ein Hirnschlag und ein Herzinfarkt gleichzeitig treffen. Zum Glück war es drinnen so dunkel wie draussen. Sonst hätte er gesehen, wie mein Blut das Gesicht verliess und tsunamihaft runter in die Beine entkam. Nicht zu vergessen, die vielen Schweissperlen auf meiner Stirn. Ehrlich, ich glaubte, dass ich voll in eine Falle gelaufen war. Ich weiss, es mag für euch Leser absurd klingen, aber es war Krieg zwischen mir und Hans-Adam. Ich wusste ja, dass er seine Variante 2 aktiviert hatte. Vielleicht wussten sie, dass ich in Münster war. Tausend Gedanken schossen durch mein fast blutleeres Hirn. Aber es war doch ich der Bruno zuerst kontaktiert hatte, erinnerte ich mich blitzartig. Nicht umgekehrt. Er konnte mich also nicht kennen. Und er erzählte mir von seiner Familie, seinen Kindern und sogar seiner Arbeit. Hatte etwas zu tun mit Grenzschutz, eventuell mobilem Grenzschutz. Wir redeten über Verbrecher, Schmuggler, Drogen und die kläglichen Löhne bei der Polizei. Mein lieber Vater, dachte ich mir, da fährt der deutsche Polizist in seinem Wagen mit einem falschen 286 „Touristen‚ aus der Schweiz durch die Gegend, einer der in Wahrheit heiss gesucht wurde, in Münster brisante Daten stapelte und plaudert mit ihm über Vergleiche von deutschen und schweizerischen Polizeitaktiken. Es kam noch schlimmer: Als wir schon im Stadtpendlerverkehr von Osnabrück steckten, offerierte er mir auf einmal einen Kaffee in seinem Büro (!). Jetzt wurde mir ganz heiss. Es ist eine Falle, man wird mich verhaften, dachte ich mir und mir wurde noch schlechter. Ich überlegte mir schon, ob und wie ich aus dem nun langsamer rollenden Fahrzeug springen sollte. Ich lehnte das Angebot ab, was ihn erstaunte. Es war noch so früh, dass keine anderes Geschäft offen hatte. Daher verwunderte es ihn schon, dass ich sein schönes Angebot ablehnte. Er fragte nochmals und bemerkte zum wiederholten male, dass ich mit ihm am späteren Nachmittag auch zurück nach Münster fahren könnte. Da ich nicht unhöflich sein wollte und keinen Verdacht aufkommen lassen wollte, sagte ich diesmal zu. Es war ein wenig heller draussen geworden. Wir fuhren auf ein älteres mehrstöckiges Gebäude zu. An der Aussenmauer waren einige Polizeitransportwagen parkiert. Er hielt vor einem grossen Tor und nachdem es sich geöffnet hatte, sah ich eine Art Innenhof, eng und verwinkelt wie bei einer Burg oder so ähnlich. Es war definitiv kein neues, modernes Gebäude. Eher eine Verschachtelung von verschiedenen Bauwerken. Es gab nicht viele Parkplätze hinter dem Tor. Da er einen hatte, bedeutete dies für mich, dass er einen höheren Rang/Funktion bei der Polizei ausüben musste. So wie er es gesagt hatte. Ich glaube aber, er war kein Kommissar, evt. eine Stufe darunter. Sicher aber ein Gruppenleiter. Wir stiegen aus und ich lief ihm hinterher. Er schritt auf eine Treppe zu, die entweder aus Beton oder Steinen geformt war und ein einfaches Eisenstangendesign als Treppengeländer hatte. So genau konnte ich es nicht sehen, da es noch nicht genug hell war. Ein Publikumseingang war es nicht, das stand fest. Es kamen uns uniformierte Polizisten entgegen. Er grüsste sie und erhielt den Gruss erwidert. Gleich nach Eintritt stand ich in einem Gang. Ich musste dort warten und er holte mir einen Kaffee vom Automaten. Ich bedankte mich und versuchte meine flatternde Nervosität zu verbergen. Als nächstes erwartete ich seine Einladung. „Nehmen sie doch bitte Platz und nennen sie uns ihren Namen und Anschrift.‚ Aber Nein, wieder einmal Glück gehabt. Er zeigte mir den Weg aus dem Labyrinth im Innenhof und verabschiedete sich. Er wollte sogar die paar Euro, sein 287 Fahrgeld, nicht entgegennehmen. Touristen hilft man doch gerne in Deutschland, sagte er zum Abschied. Ich bestand aber darauf, dass er den Zehner erhält und drückte ihn fest in die Hand. Er hatte keine Ahnung, wie ERFREUT ich war, dass ich gehen durfte. Ich musste ihm versprechen, dass ich ihn im Büro anrufen würde, sollte ich doch noch mit ihm nach Hause fahren wollen. Wie neugeboren bummelte ich in Osnabrück durch die mir unbekannten Strassen. Endlich fand ich ein geöffnetes Café. Mit einer Tasse heisser Schokolade und einem belegten Brötchen war die Welt wieder in Ordnung. Ich blieb noch eine Weile dort und beobachtete die Kundschaft. Um die Mittagszeit fand ich eine Gelegenheit ins Internet zu kommen. Ergebnis: Keine neue Nachricht. Auch gut. Ich rief Bruno, den Polizisten, kurz nach Mittag in seinem Büro an und sagte, dass ich schon jetzt nach Hause fahren würde und zwar mit der Regionalbahn. Er wünschte mir noch eine schöne Zeit in Deutschland. Zurück in Münster verbrachte ich die Tage mit dem neuen Thema: Holland und die Reise dahin. Mit den Datenträgern und den Dokumenten. Die Gelegenheit mit dem Zug via Enschede nach Amsterdam zu fahren, kam für mich nicht in Frage. Ich wusste, dass trotz der „offenen EU-Grenzen‚, die internationalen Züge von mobilen Grenzbeamten kontrolliert werden. Zu viel Geld in Deutschland und zu günstige Drogen in Holland. Die Möglichkeit mit der Regionalbahn bis an die Grenze zu fahren, dann mit einem Linienbus rüber und auf der anderen Seite mit dem holländischem Zug weiter, wäre machbar gewesen. Aber das Restrisiko, auch hier kontrolliert zu werden, blieb bestehen. Die einzige und letzte Lösung, war die mir schon bekannte Art und Weise: die gute alte Mitfahrgelegenheit. Sie wurde von den Deutschen rege genutzt und war praktisch immer billiger als mit dem Bus oder dem Zug. Da fragte niemand nach Ausweisen oder wollte dein Gepäckinhalt inspizieren. Von Deutschland aus wurden Fahrten bis nach Madrid oder gar Moskau angeboten oder gesucht. Die Angebote für Münster - Amsterdam waren aber sehr dünn gesät. Gleichwohl hatte ich Erfolg. Ein Student aus Münster plante für Mitte Februar eine Reise nach Amsterdam. Ich traf ihn an der Uni und um sicher zu gehen, dass er mich mitnehmen würde, zahlte ich ihm die Hälfte des Fahrpreises schon mal gleich. Er erschien mir vertrauenswürdig. Jetzt noch eine Unterkunft in Amsterdam suchen, dann hätte mal wieder alles super geklappt, sagte ich zu mir. Ich war noch nie in Amsterdam City und suchte im Internet 288 nach einem günstigen Bed & Breakfast, wo ich zwei bis drei Monate bleiben könnte. Nach Durchsicht von etlichen B&Bs, die entweder zu teuer oder mitten in der Stadt waren, stiess ich auf eine schöne Webseite eines B&B in Monnikendam. Das B&B hiess Flowergardens und war in der Margrietstraat zu finden. Für Langzeitgäste nur 21 Euro pro Nacht, incl. Frühstück. Das ist aber günstig. Ich reservierte das Zimmer für erstmals 2 Monate. Jane und ihr Mann erwarteten mich am 14. Februar 2003 in Monnikendam (Wieder dieser 14.02.: Hans-Adams Geburtstag). In Holland würde ich mich Claudio nennen. Ein attraktiver Name. Donnerstag, der 13.02. Wie abgemacht, stand ich zuverlässig um 10 Uhr am Bahnhof Münster, wartete auf den Fahrer. 10.30 Uhr, 10.45 Uhr, 11.10 Uhr. Immer noch kein Fahrer in Sicht. Mist noch mal. Wo blieb der nur, beschwerte ich mich laut. Ich konnte nicht weggehen und ihn anrufen, denn dann würde ich ja nicht auf dem abgemachten Platz stehen und er würde mich nicht sehen und ohne mich wegfahren. Endlich, um 11.30 Uhr hielt ein alter, roter Ford Fiesta, mit schon zwei Leuten drin vor meinen Füssen an. Er fragte mich, ob ich Claudio sei. Ich erwiderte die Frage mit der Gegenfrage ob dies das Auto sei, mit dem wir nach Amsterdam fahren würden. Ja, Ja. Aber hat es da noch Platz für mein Gepäck, fragte ich. Sicher, sicher – war seine Antwort. Seine Freundin und er fuhren nur fürs verlängerte Wochenende weg. Nicht viel Gepäck dabei. Und so war’s auch. Der Kofferraum war praktisch leer. Wir verstauten meinen grossen Reisekoffer und den Rest packten wir hinten auf die Sitzbank. Ich durfte vorne Platz nehmen. Beide waren ein sehr aufgestelltes Paar. Ihre Musikauswahl während der Fahrt traf meinen Geschmack oft. Wir stoppten 2, 3 Mal für Benzin und kleine Snacks. Die unsichtbare Grenze war in der Mitte der Autobahn und niemand hat uns aufgehalten. VADUZ Erste Monatshälfte Februar 2003 Das gemeinsam benutzte Emailkonto wurde jeweils am Wochenende, wenn das Sekretariat oben im Schloss nicht besetzt war, von einer Person unten in Vaduz, die für das KKZ arbeitete, vier bis fünf Mal pro Tag kontrolliert. Am Sonntag (02.02.) fand man den längeren Text von Kieber, den er am Tag zuvor abgespeichert hatte, druckte ihn aus und 289 lieferte ihn beim Portier im Schloss ab. Am Montag traf mach sich wieder zu einer KKZ-Sitzung. Kiebers letzter Text wurde in seine Einzelteile zerlegt, x-mal analysiert, verschiedene Mutmassungen darüber angestellt und wieder verworfen. Man war sich einig, dass die beschriebene Möglichkeit „A)‚ (siehe ‚Berlin 1-3.Februar 2003‚ ) niemand mehr hier als eine Lösung des Problems betrachtete. Kieber hatte ja die Daten und wenn die in die falschen Hände, sprich deutsche oder amerikanische, geraten, dann Gnade uns Gott, resümierte der Regierungschef. Hinsichtlich des restlichen Textes, unter „B)‚ (siehe wie oben), waren sich alle Anwesenden nicht einig, wie man es zu deuten hatte. Kieber wusste ja nichts von dem Missgeschick mit den Interpolmeldungen, daher war man in Vaduz aber erleichtert, dass er offenbar von sich aus entschied, das Land zu wechseln und sich auch sorgen wegen der mitgeschleppten Dokumenten machte. Besser als Kieber kann keiner auf die Daten aufpassen, hob Hans-Adam hervor. Es wurden wilde Spekulationen darüber angestellt, wohin er wohl reisen würde. Die einen tippten auf Spanien, weil dies das letzte Land wäre, wo man in vermuten würden. Andere auf Skandinavien oder auf ferne Länder wie Südafrika. Einige mutmassten, dass Kieber mit dem Hinweis, dass er eventuell erst in der zweiten Februarhälfte wieder Kontakt aufnehmen könnte, nur Zeit für sich gewinnen wollte, um weit weg abzuhauen oder gar Gespräche mit den Deutschen oder den Amis zu beginnen. Der Professor schüttelte seinen Kopf. Ihm machten Kiebers Sätze „ …alleine grundsätzliche Entscheide zu fällen… die Zeit wird knapp‚ grosse Sorgen. Er deutete dies als ein Zeichen für hohen Stress und eventueller Selbstmordgefährdung. Quasi ein Selbstzerstörungsplan plus grossem Knall. Welchen Knall, fragte Hans-Adam. Natürlich den Knall beim Hochgehen der Datenbombe, bekam er als Antwort. Teile des KKZ tauchten wieder in alte Ideen ab: Es müsse doch möglich sein, dass wir uns den Kieber schnappen. Die Gelegenheit wäre doch dann gegeben, wenn Kieber zu einem von ihm gewünschten Vier-Augen Gespräch erscheinen würde. Bis dahin sei man ja sicher, wegen der Daten, da er ja versprochen hatte, nichts mit den Daten zu machen, bis ein solches stattgefunden hatte. Am Ende der Sitzung berief sich der Professor auf seine jahrelange Berufserfahrung und beruhigte damit die Anwesenden. Er würde für ein solches Gespräch zur Verfügung stehen, sagte er. Und schloss mit der 290 Bemerkung ab - in Richtung LGT und Hans-Adam schauend – dies natürlich nur nach einer Zusicherung von Seiten Hans-Adam, dass keine Falle für Kieber geplant werde. Für solche Spiele sei er bei allem bezahlten Geld nicht zu haben. Ja, Ja – rief man ihm aus dieser Ecke zu. Lasst uns abwarten und schauen, ob Kieber um 17 Uhr anrufen würde, verabschiedete man sich aus der Runde. Kieber rief nicht an. Diese schlechte Nachricht wurde per Telefonkette weitergemeldet. Wieder fingen die wilden Spekulationen an. Hans-Adam fragte nach, ob man den letzten genauen Standort von Kieber irgendwo stichhaltig festlegen könnte. Z.B. von wo genau aus er die letzte Meldung geschrieben hatte. Das KKZ forschte nach und kam mit der erstaunlichen Auskunft zurück, dass Kieber in Köln gewesen sein muss. Köln, fragte Hans-Adam mehrmals. In Köln? Was macht Kieber in Köln, wunderte man sich. Dies alles ergab keinen Sinn. Anm.: Ich weiss schon, warum die in Vaduz damals auf Köln gestossen sind. Um es an diesem konkretem Beispiel aufzuzeigen: Am 01.02.03 hatte ich in Berlin an einem Computer eines Internetcafés eine Nachricht im gemeinsamem Emailkonto geschrieben und wie immer nur im Entwurfsordner gespeichert. Das KKZ versuchte den Standort des Computers via der am Entwurf (manchmal) elektronisch angehängten IP-Adresse herauszufinden. Deren Nachforschungen ergaben, dass die gespeicherte IP-Adresse eine Nummer eines Computers hatte, der in der Stadt Köln stand. Man hatte mich daher am 01.02.03 in Klön vermutet. In einer Stadt, in der ich nie gewesen bin. Es war ja meine Idee für die Kommunikation ein Emailkonto zu haben, dass wir gemeinsam nutzten. Als Begründung gab ich im Brief an Hans-Adam an, dass wir dadurch keine Emails versenden müssen, die evt. z.B. am falschen Ort landen oder auf dem Weg zum Empfänger von unerwünschten Mitlesern gesehen werden könnten. Was ich ihm nicht erzählte, war mein anderer Hintergedanke: Ich wusste, dass bei einer Abspeicherung eines Textes im Entwurfsordner NICHT - wenn überhaupt - die IP-Adresse des Terminals wo der Text eingetippt wurde, abgespeichert wird, sondern die IP-Adresse wo der nächstgelegene Server des Providers physisch stand. In diesem Fall in der Stadt Köln. Sicherlich hätte das KKZ die Mittel und Wege gehabt, mit Hilfe von Internetspezialisten zumindest die richtige Stadt, von der von mir benutzte Computerterminals stand, zu finden, aber – wie das KKZ in einem Aktenvermerk richtig erkannte – wurde, während der Zeit wo ich in Deutschland war, 291 OZA- in Absprache mit allen Beteiligen (Polizei, Justiz, Regierung, LGT und Hans-Adam) nicht versucht, die genauen Örtlichkeiten (von Kieber) zu ermitteln, da man ansonsten der deutschen Polizei den Sachverhalt hätte mitteilen müssen -OZE. Am 06.02., aufgrund der neuen Lage, ordnete das KKZ, nach Auftrag von Hans-Adam, das Landgericht Vaduz an, dessen (inaktiven) Haftbefehl vom 13.01.03 so abzuändern, dass er nur für Liechtenstein und die Schweiz gelte. Man wolle nicht, dass andere Länder von einem Liechtensteiner Haftbefehl erfahren würden. Nach den Ereignissen in Vaduz am 31.01. wollte man keine Mitteilung über diese Änderung an Deutschland oder Spanien machen, da dies nur wieder deren Aufmerksamkeit erhöhen würde. Was absolut nicht erwünscht war. Auftragsgemäss schrieb das Interpoliere Vaduz am 10.02. um 16.10 Uhr an die Schweizer Polizei (RIPOL und Interpol Bern) folgenden Ausschnitt: Sachverhalt: 1. Kieber Heinrich steht im Verdacht, im Jahre 2002 in Vaduz, als damaliger Angestellter Unterlagen seiner Arbeitgeberin, einer juristischen Person liechtensteinischem Rechts mit Sitz in Vaduz/FL, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, dass jene im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden. 2. Weiters steht Kieber im Verdacht, im Januar 2003 vom Ausland aus durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Behauptung, er werde die von ihm unter Ziffer 1 erlangten Unterlagen Dritten übergeben, wodurch seine damalige Arbeitgeberin Kundengelder verlieren werde, sohin durch Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz, zu weiteren Handlungen zu nötigen versuchte. Zusatz Interpol Vaduz: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kieber Heinrich b e w a f f n e t ist! Kieber ist bisher nicht gewalttätig in Erscheinung getreten. Nach hier vorliegenden Erkenntnissen muss jedoch aufgrund seiner aktuellen psychischen Verfassung von einer hohen Gewaltbereitschaft ausgegangen werden. 292 Wiederum konnte Vaduz der Versuchung nicht widerstehen, gefälschte Angaben zu machen („bewaffnet, hohe Gewaltbereitschaft‚ und auch den kleinen „Terroristenhinweis‚: „kann Flugzeuge fliegen‚), wohl als Ermutigung an die Schweizer zum Abschuss von Kieber. Anm.: Einigen Lesern ist sicherlich aufgefallen, dass im Gegenteil zu der Interpolmeldung nach Wiesbaden und nach Madrid (vom 23.01.), wo nichts über den Sachverhalt geschildert wurde, die Liechtensteiner den Schweizern sehr offen über den Tatbestand schreiben. Dies aus zwei Gründen: 1. Logischerweise musste man bei der Meldung vom 23.01.2003 verhindern, dass deutsche oder spanische Behörden erfahren, dass jemand Bankdaten über deutsche und spanische Kunden in Liechtenstein gestohlen hatte und damit (in Deutschland) herumirrte. 2. Konnte Vaduz gegenüber der Schweiz etwas freimütigerer sein, da man in dieser Branche ja im gleichen Boot sass. Es war jedem Schweizer Polizisten klar, dass mit den Angaben über den Sachverhalt eine Bank oder Treuhandfirma gemeint war. Man konnte sich in Vaduz auf die Verschwiegenheit der Schweizer verlassen, sollten sie Kieber samt Daten festhalten können. Auch wäre eine Überstellung von Kieber als Gefangener von der Schweiz nach Liechtenstein eine reine Formsache. Wie immer hatte das letzte Wort der Hans-Adam. Als er über den neusten Stand der Dinge unterrichtet wurde, bemerkte er, dass die Ausschreibung (zur Verhaftung) im Schweizer Polizeisystem (RIPOL) absolut nicht ideal für seine Sache wäre. Hans-Adam befürchtete, dass u.a. die Schweizer Behörden aus politischen Gründen Interesse an gewissen Daten von Kunden aus Drittländern haben könnten. Um eine bessere Kontrolle zu haben, ordnete Hans-Adam die Landespolizei an, den Schweizer Behörden mitzuteilen, dass Vaduz nur die passive Ausschreibung in der Schweiz wünschte. Was am 11.02. dann auch geschah. Bei dieser Art der Ausschreibung würden die Schweizer, sofern sie über Kieber stolpern sollten, nur dessen Aufenthaltsort nach Vaduz melden, ihn aber nicht verhaften. Dies aber auch nur, sofern die Schweizer nicht erkennen würden, dass Kieber auch im SchengenSystem vermerkt war, was genau Vaduz sich insgeheim erhoffte und mit dieser „Zurückstufung‚ auch erzielen wollte. 293 Auch am 06.02. stellte die LGT Treuhand ohne Konsultation mit HansAdam den Antrag an das LG Vaduz auf die strafrechtliche Verfolgung Kiebers wegen Datendiebstahls. Am 10.02. (oder am 18.02 – verschiedenen Dokumente nennen beide Tage) informierte das Landgericht das Schloss Vaduz darüber und unterbrach den oben genannten Antrag vorläufig, da Hans-Adam mit der Anzeige von Dr. Feuerstein „im Namen‚ der LGT Treuhand gar nicht einverstanden war, mit dem Resultat, dass später, am 02.07.03 die Anzeige zurückgezogen wurde. Eine Verurteilung in Sachen Datendiebstahl war also nicht erwünscht. Der Professor und der von einer längeren Auslandsreise heimkehrende Bankdirektor trafen sich in mehreren Sitzungen, da der Professor noch mehr über das Wesen von Kieber erfahren wollte und der Bankdirektor diesen ja persönlich kannte. Dem Bankdirektor wurde von beiden Seiten eine besondere Rolle zugeteilt. Von Seiten Hans-Adam, da er ihm vertrauen konnte und von Seiten Kiebers, da dieser ihn im Brief vom 07.01.03 als einen der zwei möglichen Gesprächspartner namentlich genannt hatte und daher Kieber ihm offenbar traute. Je mehr der Professor über Kieber erfuhr, umso mehr empfand er es als eine Herausforderung, der Sache auf den Grund zu gehen. Er musste ihn kennen lernen. Er erkannte, dass es nicht einfach sein würde, die Psyche von Kieber richtig zu verstehen. Der Professor und der Bankdirektor stellten sich auf komplizierte und lange Diskussionen mit Kieber ein, um an das gewünschte Ziel von Hans-Adam zu kommen. Inzwischen war es in den Justizkreisen von Vaduz kein Geheimnis mehr, dass sich seit Anfang Januar offenbar Dramatisches zwischen Kieber, Hans-Adam und seiner Regierung abspielte. In dieser spannungsgeladenen Zeit wagte niemand offen Partei zugunsten Kieber zu ergreifen. Natürlich war die grosse Mehrheit, vor allem diejenigen, die keine Detailkenntnisse hatten, auf der Seite des „armen‚ HansAdam. Ein weiteres wichtiges Ereignis in der Saga Kieber passierte am 14.02.03 beim Oberbersten Gerichtshof in Vaduz. Da entschied das Gericht im Zivilstreit um die in Österreich blockierten Gelder in einer nicht294 öffentlichen Sitzung, dem Revisionsantrag von Kieber nicht Folge zu leisten und das Urteil der unteren Instanz zu bestätigen. Anm.: Obwohl mein Anwalt exzellente Gründe in der Revision darlegte, waren meine Chancen dafür auf Null geschrumpft, nachdem ich seit Januar 2003 das Land in den Schwitzkasten genommen hatte. Meine berechtigten Vorwürfe auch gegen die Justiz im Brief und auf der Tonkassette (07.01.03) sind logischerweise bei den Betroffenen nicht gut angekommen. Diesen Beschluss vom 14.02.03 reichte der RA von Helmut Roegele sofort beim Bezirksgericht Feldkirch ein. Dieses Gericht fällte dann am 26.02.03 einen Vollstreckbarkeitsbeschluss. Am gleichen Tag entschloss man sich, die am ursprünglich am 13.01. geplante Razzia des Elternhauses von Kieber durchzuführen. Es ging nicht darum, Kieber selbst dort zu finden. Man erhoffte sich die Daten oder den Computer von Kieber dort vorzufinden. Die Suche ergab nicht das erwünschte Resultat. Alle im KKZ waren über die neuen, erledigten Aktivitäten von Polizei und Justiz voll zufrieden. Man musste nur sicherstellen, dass Kieber nichts davon erfahren würde. Um dies sicherzustellen, wurde nochmals allen Beteiligten mehr oder weniger freundlich eingehämmert, dass es als (Landes-)Verrat angesehen würde, wenn jemand Kieber etwas davon erzählen würde. 295 KAPITEL 12 Holländischer Käse AMSTERDAM Hurra, hurra - Holland ich war da. Ich war sehr erleichtert. Bei so vielen Kilometer zwischen mir und Liechtenstein fühlte ich mich besser. Warum genau wusste ich nicht. Ich war ja nicht auf einer Flucht. Ich glaubte auch, dass ich mich in Amsterdam unauffälliger in der Menschenmenge bewegen könnte, als in Berlin. Man liess mich beim Hauptbahnhof aussteigen. Ich wollte das bunte Leben von Amsterdam rund um den Bahnhof auf mich einwirken lassen. Hier müsste es sich eine Weile aushalten lassen, da war ich mir sicher. Ich stieg in eines der vielen wartenden Taxis ein und liess mich nach Monnikendam fahren. Nach 20 Minuten stieg ich aus dem Taxi und stand vor einem der typischen holländischen Reihenhäuschen. Ein Schild an der Wand bestätigte mir, dass ich vor dem Flowergarden B&B stand. Alles niedlich und sauber, wenn auch sehr klein. Ich klingelte und eine schlanke Dame öffnete die Türe. Claudio? Jane?, Ja – Ja. Herzlich Willkommen, Haaartelijk welkom en Holland, willkommen in Monnikendam, willkommen im Flowergarden. Sie führte mich eine schmale Treppe hoch in den ersten Stock des Hauses. Ich bekam das Zimmer Nr. 3, mit dem grossen Einzelbett, einem Schminktisch, der später als Bürotisch dienen sollte, einem Stuhl, Spiegel, einem Ventilator einem eingebautem Wandschrank. Rechts neben mir waren die Gästezimmer Nr. 1 und 2, eines mit zwei Einzelbetten und das andere mit einem grossen Ehebett, beide mit etwas mehr Platz. Auf dem Gang befand sich eine Dusche mit WC. Alles trotz des Alters sehr gut im Schuss. Schriftliche Instruktionen klebten an den Wänden: bezüglich Benutzung der Dusche und allgemeine Pflegehinweise. Ein Blick von meinem Zimmer aus in den Garten erklärte den Namen des B&B: ein paradiesischer Garten, eher die englische Art. Es blühten schon ein paar Blumen. Im Sommer würde dies aber ein Meer an Farben geben, sagte ich zu mir. Ich konnte meine Sachen auspacken, bevor ich wieder runter ging, um die Formalitäten zu erledigen. Na ja, da war nicht viel Formelles zu tun. Bezahlen würde ich immer in bar einen Monat im Voraus. Ausweise wollte hier niemand sehen. Unten, da waren die Diele, die Küche und 296 die Stube mit Blick zur Strasse hinaus. Am anderen Ende der Stube stand ein grosser, runder Tisch mit schweren Stühlen. Dort dürfte ich das Frühstück einnehmen, sagte Jane. In meiner Zimmermiete war das Frühstück auch inbegriffen. Zwischen 07.30 Uhr und 08.30 Uhr wurde es serviert: Englisch Breakfast Tea oder ab und zu mal heisse Schokolade, Toastscheiben, dazu Butter und Konfitüre, ein paar Scheiben holländischer Käse und dünnen Wurstaufschnitt. Sieben Mal die Woche. Ich war froh, auf Anhieb eine gute Unterkunft gefunden zu haben. Monnikendam ist ein reizendes Dorf, mit einem Hafen, einer kleinen, auf Touristen ausgerichteten Geschäftsmeile und endlosen Kanälen. Es war ruhig und Amsterdam trotzdem gut erreichbar. Nur 13 Kilometer weit weg. Ich konnte zwischen dem Linienbus, der von frühmorgens bis spät in die Nacht regelmässig verkehrte, oder dem Fahrrad wählen. Sobald das Wetter besser und ich mich in der Gegend mehr auskennen würde, könnte ich von einem Bekannten von Jane, der auch in Monnikendam wohnte, für eine kleine Gebühr einen holländischen Drahtesel mieten. In der ersten Woche versuchte ich, eine Bank für eine Schliessfachmiete zu finden. Leider war es in Holland gar nicht einfach ein Bankkonto zu eröffnen, das die Voraussetzung für eine Safemiete war. Als nicht EUBürger und ohne Aufenthaltsbewilligung in Holland war es mir unmöglich, ein Konto zu eröffnen. Egal, dachte ich mir. Ich war zuversichtlich, dass wenn ich den Laptop, das DLT-Tape, die anderen Datenspeicher und Papierdokumente gut im kleineren Koffer verstaute und abschliesse, niemand an sie ran könnte. Den Koffer verstaute ich ganz hinten im eingebauten Kleiderschrank im Zimmer. Obwohl Jane täglich mein Bett machte, hatte ich nichts zu befürchten. Sie war immer diskret und höflich. Aber wenn sie etwas störte, dann hielt sie auch nicht hinter dem Berg zurück. Ich erzählte ihr, dass ich etwas länger als üblich hier bleiben wollte, da ich von hier aus diverse Tagesausflüge in alle Ecken von ihrem schönen Land machten wollte. Amsterdam war so anders als Berlin. Zuerst einmal die Horden von Touristen, schon im Februar. Dann die Häuser und das Leben am und auf dem Kanal. Ich hatte noch nie so schöne Innenstadtgebäude gesehen. Einige der mehrstöckigen Bauwerke waren vor ein, zwei oder gar drei Jahrhunderten gebaut worden und standen immer noch prachtvoll da. 297 Die alte Aktienbörse ist sogar noch älter, sie ist aus dem Jahr 1611. Und dann die vielen Grachten mit den Hausbooten. Ich absolvierte alle erdenklichen Touren, die man als Tourist machen konnte. Die Kanalfahrten, Besuch des Seefahrermuseums, das Rijksmuseum, das Museum der holländischen Maler. Die Mischung von Kulturen aus allen Ecken der Erde drückte sich auch in der immensen Auswahl von verschiedenen Restaurants aus. Stundenlang konnte ich in den Strassen umherlaufen, immer mit dem Stadtplan in den Händen. In Amsterdam gab es mindestens so viele Internetmöglichkeiten wie es Apotheken in Berlin gab. Mit der Zeit liebte ich diese phantastische Stadt immer mehr. Sobald man sich nämlich von den städtischen Hauptwanderrouten der Touristen entfernte, entdeckte man schnell die ruhigen, oft entvölkerten Strassen und Parks. AMSTERDAM 17. Februar 2003 Nach einem schönen Wochenende voller Sehenswürdigkeiten, war wieder die Zeit gekommen, wo ich mich bei Hans-Adam melden sollte. Montags war immer ein guter Tag für einen Neuanfang. Ich schrieb ihm eine kurze Nachricht ins Emailkonto. Ich wünschte ihm nachträglich alles Gute zum Geburtstag und bat um Entschuldigung, dass ich Anfang Februar nicht angerufen hatte. Ich erwähnte mit keinem Wort, wohin ich verreist war. Ich fragte aber nach der Schutz-ID. Ich wiederholte meine Gründe warum ich glaubte, eine Schutz-ID für die Zeit bis zu meiner Rückkehr sei dringend notwendig. Ich war überzeugt, dass schon am gleichen Tag eine Antwort aus Vaduz kommen würde. Leider war dem nicht so. VADUZ 18. Februar 2003 In der KKZ machte mach sich Sorgen, weil Kieber sich noch nicht wieder gemeldet hatte. Taktisch wurde so vorgegangen, dass, sobald er sich melden würde, man einen Tag mit der Antwort warten würde. Um Kieber nicht offenbaren zu müssen, dass Hans-Adam und die Regierung wie auf Nägeln sitzend auf Nachricht warteten. Hans-Adam hatte nochmals rigoros festgelegt, dass unter keinen Umständen die gedruckten Pässe Kieber überlassen werden sollten. Er, 298 wie auch die Hälfte des KKZ, befürchtete, dass Kieber heimlich Verhandlungen mit dem Feind aufgenommen hatte und den Pass gegen sie verwenden könnte: als Beweis, dass man in Vaduz auch zu allen Mitteln greife, um wieder an die Daten kommen. AMSTERDAM 18. Februar 2003 Mein neues Zuhause behagte mir sehr. Es war die ideale Rückzugsmöglichkeit. Während des Tages schwirrte ich in der quirligen Stadt herum und abends genoss ich die Friedhofsruhe in Monnikendam. Alles, was man zum Leben brauchte, konnte man dort finden. Gemüseladen, Bäckerei, Spazierwege, Kirche und auch ein Autohaus. Auto? Ja warum nicht, dachte ich mir und besuchten den Händler. Ich könnte mir einen alten Volvo kaufen. Damit wäre ich etwas flexibler. Müsste nur aufpassen, nicht in eine Kontrolle zu geraten. Leider hatte die Holländische Regierung ein Gesetz erlassen, dass praktisch nur im Lande wohnhafte Personen ein Auto mit Holländischem Kennzeichen kaufen und fahren dürfen (Ausgenommen Mietwagen natürlich). In der Vergangenheit, als dies noch keine Vorschrift war, wurde offenbar diese Gesetzeslücke von zu vielen zweifelhaften Gestalten missbraucht und nun fahren zigtausend Kisten mit holländischen Kennzeichen in ganz Europa herum, ohne Steuern oder Abgaben zu bezahlen. Somit war das Thema Automobile auch gleich wieder gestorben. Am Nachmittag suchte ich eine Internetstation auf. Aus dem Osten war nichts Neues zu lesen. Erst kurz vor 19:30 konnte ich folgende Nachricht lesen: In der ID-Frage gibt es wie kommuniziert keinen Spielraum. Erwarten Anweisungen für das von ihnen vorgeschlagene VierAugen-Gespräch. Aha, dachte ich mir, sie sind immer noch stur in Sachen ID. Wollten die Schutz-ID nur für eine „begleitete‚ Heimreise zu Verfügung stellen. Wirklich ein enger Spielraum. Was mich auch verwunderte, war, dass sie nicht nachgefragt hatten, wohin ich den nun verreist sei. Ich war zu müde um zu überlegen, was ich jetzt wieder schreiben sollte. Besser war es, wenn ich nach Hause ginge und mir über Nacht Gedanken machte. 299 VADUZ 19. Februar 2003 (1) Man fand die neuste Nachricht von Kieber, die er am morgen um 08.16 Uhr abgespeichert hatte. Kieber bedanke sich für die letzte Nachricht und war allgemein verärgert, dass die Schutz-ID ihm nicht für eine Zeit ausgeliehen würde. Er wäre frustriert und beklagte sich darüber, dass wenn man nur einen Bruchteil der Energie und Arbeitsstunden, die man jetzt in die Lösung des aktuellen Problems steckte, in seinen 101er und 140er Gerichtsfall investiert hätte, wäre es nie so weit gekommen. Er befände sich nun ist einer Situation, in der er nicht viele Optionen hätte. Er habe keine andere Wahl als sich um andere Papiere zu bemühen. Er wüsste zwar nicht wie und wo, aber er würde solange suchen, bis er sie finden würde. Es dauerte ihm alles zu lange. Er könnte ja unmöglich als H.K. hier auf eine Lösung warten. Er vermutete auch, dass Hans-Adam dies wohl so wollte. Damit er kriechend nach Hause zurückkehren würde. Kieber wäre sich im Klaren darüber, dass die in Vaduz den längeren Atmen hätten. Da er weiters vermutete, dass man nur Zeit gewinnen wollte, setze er eine Frist bis Ende Februar 2003, den 28.02.03. Sollte bis dann keine Lösung in Bezug auf eine temporäre Schutz-ID gefunden werden, dann gäbe es keinen Sinn weiterhin zu kommunizieren. Am Schluss seines Schreibens entschuldigte er sich dafür, dass er keine besseren Nachrichten übermitteln konnte. Man rätselte wie nach jeder Botschaft von Kieber, was er nun wieder damit meinte. Die im Raum Anwesenden blickten hoffnungsvoll in die Augen vom Professor. Wie üblich, wurde jeder einzelne nach dessen Mutmassungen gefragt. Kieber sei sicher noch in Berlin, sonst hätte er uns doch geschrieben, wenn er Deutschland verlassen hätte. Oder, Kieber sei schon in Verhandlungen mit den Amis und schreibe nur um selber Zeit zu gewinnen und um keinen Verdacht zu schöpfen. Oder, Kieber redet schon mit den Deutschen über die Daten. Hans-Adam beauftragte wiederum die KKZ herauszufinden, von wo aus Kieber diesmal die abgespeicherte Nachricht geschrieben hatte. Nach ca. 35 Minuten kam die Antwort zurück: Frankreich. Wo in Frankreich, fragte der Schlossherr. Leider wäre dies nicht zu ermitteln, wurde ihm gesagt. 300 Frankreich? Aha, in Frankreich, machte die Feststellung die Runde. Oh Gott, Frankreich! Dabei dachte Feuerstein laut über den sehr grossen Treuhandkunden aus Frankreich nach, der seit Jahren fast eine halbe Milliarde Euro in verschiedenen Stiftungen und anderen Gesellschaften gebunkert hatte. Ja, ja – meinte Hasler, wir haben keine Zeit um jetzt an einzelne Kunden zu denken. Wir müssen handeln, beendete er laut seine Gedanken. Der Professor regte an, dass man den Bankdirektor auf ein Treffen mit Kieber vorbereiten sollte. Nach Einholen des Einverständnisses von Hans-Adam, informierte man Kieber: Zwecks Lösungsfindung kontaktieren Sie heute um 1700 die Ihnen bekannte Kontaktperson unter der Nr. OT Entfernt AMSTERDAM 19. Februar 2003 (a) Ich verbrachte die meiste Zeit dieses Tages im Foyer des Hotels Victoria am Damrak, gegenüber dem Hauptbahnhof. Dort konnte ich mich in einem Klubsessel an ein grosses Fenster setzen und die vorbeiziehende Welt draussen beobachten. Oder in der Brasserie des Hotels, wo ich näher am Geschehen sitzen konnte. Knipsende Urlauber, andere Fussgänger wie Immigranten aus allen Herren Länder, Bettler, Drogenabhängige und die Taschendiebe. Alle zwei Stunden ging ich nachsehen, ob Vaduz endlich mit positiven Meldungen aufwartete. Je mehr ich versuchte, mich in deren Lage hineinzudenken, desto mehr kamen mir die Zweifel, ob es überhaupt Hans-Adam sei, mit dem ich im Netz „plauderte‚. Angriffslustig nachfragen, ja das wäre am Einfachsten, sagte ich zu mir. Es war mir natürlich klar, dass ich keine ehrliche Antwort erwarten konnte. Aber immerhin, besser als keine Antwort. Ich fand es auch zweckmässig, wenn ich Hans-Adam mit diversen Fragen beschäftigt halte. Beim dritten Internetbesuch entdeckte ich die jüngste Nachricht aus Vaduz. Sie wollten, dass ich den Bankdirektor direkt auf seinem Handy anrufe. Er war derjenige, den ich in meinem Schreiben als Vertrauensperson erwähnt hatte. Na endlich, schoss es mir durch den Kopf. Dieser Kurs war der einzige Richtige. Bei der Auswahl einer 301 Vertrauensperson war ich sehr vorsichtig vorgegangen. Nebst dem Bankdirektor hatte ich den Erstgeborenen, Alois, angeführt. Obwohl ich stark vermutete, dass Hans-Adam seinen Alois nicht zu Diskussionen mit mir senden würde. Dazu sind sie zu schreckhaft. Aber ganz genau wusste man ja nie. Hans-Adam lässt die Drecksarbeit lieber von der „Dienerschaft‚ oder über Mittelsmänner erledigen, um es mal salopp auszudrücken. Das hatte den Vorteil, nebst vielen anderen, dass er und seine Familie nie direkt überführt werden können. Den Bankdirektor hatte ich mir als mögliche Diskussionsperson ausgewählt, da er – obwohl Banker – eine hohe emotionale Intelligenz hatte und ich ihn aus meiner Anfangszeit bei der LGT Treuhand persönlich kannte. Ein ausserordentlicher Mensch. Ich formulierte die nachstehende Antwort: Danke für die Nachricht, die Nummer habe ich noch von Früher. Zuerst mochte ich fragen, ob hier in diesem Emailaccount mit mir aus einem Haus im Gewerbeweg (neben Passamt) in der Herrengasse (Anm.: das wäre dann das Polizeigebäude gewesen), im Städtle (Anm.: LGT) oder in der Fürst-Franz-Josef-Strasse (Anm.: Schloss) kommuniziert wird? Danke für eine Antwort. Ich bin froh, dass jene Person, mit der ich schon im anderen Land so oft telefoniert hatte nun wieder da ist. Ich kann aber ihn nicht anrufen: bitte verstehen sie, dass durch einen Anruf sie den Anruf eventuell zurückverfolgen können. Ich nehme an, dass er mir am Telefon vermutlich auch erklären will und muss, warum eine Schutz-ID nicht möglich ist. Ich weiss, dass es unter normalen Umständen nicht möglich ist - wenn man aber wollte, dann ginge es schon. Über die anderen möglichen Lösungsvorschläge, die sie haben, kann man auch hier im Emailkonto schreiben. Durchlaucht, Ende Februar sind es 6 Wochen und 4 Tage seit dem 13.01.2003. Wir alle hatten sehr viel Zeit, um über alles nachzudenken etc. Darf ich was fragen? Haben / konnten sie wirklich sich die Zeit nehmen und die Unterlagen zum Fall 10 Vr 101/97 lesen? Konnten sie das? Ich glaube auch, dass sie von den zuständigen Behörden (STA etc.) nicht im ganz informiert worden sind - alles belastende über mich hat man ihnen wohl voll erzählt - die Fehler der Behörden in Akt 101er u. 140er wurden sicher verschwiegen. Vielleicht 302 wäre es gut, wenn sie meinen langen Brief, den sie mit dem 1. Paket erhalten haben - jetzt nochmals lesen könnten - vielleicht sehen sie es nun in einem anderem Licht. Mehr kann ich leider nicht schreiben - ich habe auch kein Rezept für eine Lösung. Ich habe / hatte auch keinen PLAN ‚X‚ wenn dies oder jenes geschieht. Alles ist schief gelaufen und ich empfinde irgendwie auch das Ende nahen. Es kommt wohl der Punkt, wo sie das tun müssen, was sie entscheiden werden und ich dasselbe. Vielen Dank für ihre Zeit und es tut mir wirklich leid, dass Ausgerechnet ich - ein grosser Fan ihrer Familie - dies tue. Ich schaue heute (19.02.03) nochmals um ca. 18 30 nochmals rein: ansonsten morgen um ca. 11 Uhr VADUZ 19. Februar 2003 (2) Jede Zeile wurde aufmerksam gelesen und interpretiert. Der Professor merkte an, dass Kieber offenbar sehr deutlich mit sich selber kämpfte. Und auch Anzeichen grosser Reue zeigte. Diese Indizien müssten für die Ziele von Hans-Adam ausgenützt werden können. Man musste ihm unbedingt die Angst vor einer Falle nehmen. Hans-Adam wollte, dass keine Lösungsvorschläge mehr übers Telefon oder das Netz mitgeteilt würden. Wo bleibt da sonst die Diskretion, die Verschwiegenheit und die Vorsicht, ermahnte er sie alle. Nach kurzer Diskussion einigte man sich auf folgende Antwort an Kieber: Telefonat dient lediglich der Vorbereitung des von ihnen gewünschten Vier-Augen-Gesprächs mit Vertrauensperson. Mögliche Lösungsvorschläge werden aus verständlichen Gründen nicht am Telefon oder im Netz diskutiert. Zusicherung, dass bei Organisation und Durchführung des Treffens mit Vertrauensperson keine Fallen gestellt werden. Vorschlag für Organisation des Vier-Augen-Gespräch bis morgen Donnerstagmittag. AMSTERDAM 19. Februar 2003 (b) Meine Antwort kam dann prompt: 303 Danke für die Nachricht. Es wurden zwar keine meiner Fragen beantwortet. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ein Gespräch die Lösung bringen würde. Ich kann mir auch mit der grössten Mühe nicht vorstellen, was sie vorschlagen könnten: Die Verbrecher von Argentinien werden wohl nie durch ein Gericht meiner Heimat verfolgt werden. Die Schutz-ID ist also nicht machbar. Gegen mich läuft alles... Ein Treffen, ohne dass eine Schutz-ID gegeben wird - macht keinen Sinn für mich. Danke für die Zusicherung: logischerweise würden sie mir aber auch nie sagen, wenn sie ein Falle organisieren. Ich bitte sie mir wenigstens in Andeutungen hier hinzuschreiben, was für welche Lösungsansätze es wären. Ich melde mich wieder morgen um ca. 11 Uhr VADUZ 20. Februar 2003 Die letzte Meldung von Kieber lag schon frisch ausgedruckt auf dem Tisch im Sitzungszimmer des KKZ. Nun gut, dachte man sich in Vaduz. Bis zu einer Antwort hätten sie ja noch über zweieinhalb Stunden Zeit. Es müsste nur eine neue Nachricht vor 11 Uhr eingegeben werden, sodass Kieber nicht denken würde, die in Vaduz hätten ihn abgeschrieben. Die morgendliche Sitzung des KKZ wurde dazu genutzt, eine offene Diskussionsrunde zu starten. Sehr zum Frust des Professors, der Polizei und der Justiz, stimmten einige von der LGT und der Regierung wieder ein tot geglaubtes Lied an: Man sollte Kieber so schnell wie möglich dingfest machen. Ohne auf „fremdstaatliche Hilfe‚ angewiesen zu sein. Ohne Zweifel stand fest, dass Liechtenstein aufgrund internationaler Vereinbarungen und Mitgliedschaften schon lange hätte Genaueres dem Ausland mitteilen müssen. Mit dem Resultat, dass Kieber nicht in Vaduz sondern in Spanien gelandet wäre, was - verständlicherweise - das Staatsoberhaupt HansAdam ausdrücklich nicht wünschte. So waren die Gegner solcher Ideen schon etwas Sprachlos, als die Befürworter ein fertiges Konzept auf den Tisch legten. Schliesslich standen die höchsten Staatsinteressen auf dem Spiel. Man könnte doch Kieber mit der Zusage einer Aushändigung der 304 Schutz-ID ködern und ihn für ein Gespräch nahe an die französischschweizerische Grenze einladen. Z.B. nach Strassburg oder besser noch nach Mulhouse. Psychologisch müsste ihm dies aber so verkauft werden, dass er glaubt, es sei seine Idee gewesen, dorthin zu kommen. In Strassburg müsste der Bankdirektor Kiebers Vertrauen in ihn festigen und herausfinden, ob er die Sicherheitsmassnahmen, wie er sie im Brief vom 7.1.03 beschrieben hatte, wieder in die Wege gleitet hatte. Vielleicht hätte er gar keine solcher Massnahmen aktiviert. Möglicherweise blufft er nur. Ja, sicher, sicher, erwiderte der Professor, wurden wir nicht gerade selber überrumpelt, als sich herausstellte, dass er die angeblich nicht entwendbaren Daten in der Tat hatte? Er konnte als Experte nicht ganz ausschliessen, dass Kieber nur aus schlauen Überlegungen so explizit auf seine eigenen Schutzvorkehrungen hingewiesen hatte. Ihn würde es aber ganz und gar nicht verwundern, wenn er im Gegenteil, grössere und bessere Vorkehrungen organisiert hat, als er uns mitgeteilt hatte. Er würde dies lieber nicht testen wollen. Die Befürworter radikaler Massnahmen hatten einiges an Arbeit in das Manuskript gesteckt und wollten es darum fertig diskutieren. Für die Ausführung hatte man verschwiegene Dritte zur Hand. Nein, keine Schnüffler. Man könnte auf gewisse Kreise zurückgreifen, die aus innerlicher Überzeugung mithelfen würden. Natürlich gegen entsprechend fettes Geld, wegen dem allgemeinen hohen „Risiko‚. Der Plan sah Folgendes vor: Sobald der Bankdirektor überzeugt war, dass Kieber ihm voll vertrauen würde und dieser keine Massnahmen getroffen hätte und er wisse, wo Kieber die Daten aufbewahre, dann, erst dann soll er Kieber in die Tiefgarage seines Hotels führen, um ihm die angeblich dort im Mietwagen verstaute Schutz-ID aushändigen zu können. Bevor Kieber merken würde, was los ist, wäre er schon von einer Gruppe starker Männer überwältigt und ruhig gestellt worden. Ein Abtransport über einen nicht bewachten, nicht besetzten Grenzübergang mit einem Auto mit Schweizer Kennzeichen sei absolut kein Hindernis und man hätte dann freie Fahrt für die drei bis vier Stunden bis nach Liechtenstein. Sollte Kieber, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit in die Garage kommen wollen, so könne man auch ohne Probleme die 305 Festnahme im Hotelzimmer vom Bankdirektor organisieren, indem man dort auf die beiden wartete. Man sei sich zu 1000 Prozent sicher, dass Kieber, zurück in Vaduz, voll kooperativ wäre und sofort mitteilen würde, ob er noch evt. Kopien, z.B. in Berlin gelassen hätte oder schon mit fremden Staaten gesprochen hätte. Sollte sich Kieber immer noch unbelehrbar zeigen, so könnte man ihn mit der Auslieferung nach Spanien drohen. Egal, das Spanien dies nie verlangt hatte. Da das ganze Konzept ohne die Mitarbeit und ohne Absprache mit dem Bankdirektor erstellt worden war, lehnte dieser es kategorisch ab, Komplize einer solch illegalen Aktion zu werden, wäre sie auch noch so gerechtfertigt. Hans-Adam und Alois gefielen diese Zukunftspläne auch nicht. Der Skandal wäre unvorstellbar, erinnerten sie die Anwesenden, wenn es später an die Öffentlichkeit kommen würde. Sie schimpften auch mit den Erfindern des Konzepts: Was wäre, wenn Kieber sich vehement gegen einen gewaltsamen Zugriffsversuch wehren würde? Wollte man ihn halb totschlagen? Nein, auf keinen Fall. Auch daran hätten sie gedacht, sagte Feuerstein. Es gäbe hochwirksame Beruhigungsmittel in Spritzenform, die innerhalb von Sekunden ihre volle Wirkung entfalten würden. Kieber hätte gar keine Chance, da er keine eigene Kraft mehr hätte, sich zu wehren. Die Dosierung könnte so abgestimmt werden, dass er erst wieder nach zwei, drei oder vier Stunden zu sich kommen würde. Die Methode sei medizinisch abgesichert und Kieber würde keine bleibenden Schäden davontragen. Spuren der Droge würden zwar im Blut noch lange nachweisbar sein, aber der Plan sehe ja nicht vor, dass Kieber die Gelegenheit für eine „Beschwerde‚ oder Arztvisite habe. Dem Professor wurde es zu viel. Er verabschiedete sich von der Runde und sagte, dass er frische Luft atmen gehen müsste. Wenn sie Glück hätten, dann käme er vielleicht wieder zurück. Dem Bankdirektor wurde auch ganz bange. Da fiel ihm etwas ein, was einem Banker normalerweise beim Aufstehen immer als erstes in den Sinn kommt: das liebe Geld. Moment mal, sagte er, warum das Geld nicht dem Kieber anbieten, anstelle es dubiosen Gestalten (‚die Gruppe starker Männer‚) nachzuwerfen. Geld gegen Daten, das könnte die Lösung sein. Man wäre ja heilfroh, wenn dem so wäre, erwiderte Hans-Adam. Aber darum geht es Kieber 306 doch gar nicht. Er hat nie ein Wort davon gesagt. Hier haben wir es leider nicht mit einem klassischen Fall zu tun, fasste Hasler, fast schon wehmütig, zusammen. Der Liechtensteiner Weg, wo Geld alle Wunden heilt, funktioniert eben nicht immer, erwiderte der Bankdirektor. Trotzdem, lasst es uns versuchen, ermunterte das Staatsoberhaupt. Von einem chaotischen Tag blieben dann nur noch folgende kurze Zeilen für Kieber übrig: Die in ihrem gestrigen Mail von 10:33 angedeuteten alternativen Lösungsvarianten werden nur in persönlichem Treffen mit Vertrauensperson besprochen. FL-ID-Variante definitiv nicht möglich. Manchmal kann aber Geld Probleme lösen. Besprechung dieser Variante mit Vertrauensperson persönlich und nicht über Internet und Telefon. AMSTERDAM 20. Februar 2003 Ich wusste es. Ich wusste es! Früher oder später – wie immer bei solchen Leuten – bildeten sie sich ein, mit Geld alle Probleme lösen zu können. Tja, in meinem Fall hatten sie falsch gedacht. Sie begriffen es immer noch nicht. Ich war eher erbost, dass sie mir Geld offerierten, anstatt ihre eigenen (Justiz-)Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Dann wieder konnte ich sehen, dass es eben der einfachste Weg für sie war. Ich wollte aber kein Geld. Nie und nimmer. Ich war auf das Ziel fixiert, die Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen. Koste was es wolle. Ich blieb in meiner Antwort ehrlich und versuchte meine gefühlte Wut nicht zum Ausdruck zu bringen. Was mir gegen Ende nicht so gut gelang. Mit der unbehaglichen Gewissheit, dass meine Zeilen ein paar neue Wutanfälle in der Heimat auslösen würden, schrieb ich folgendes und drückte dann die Speichertaste: Tja - da bin ich aber überrascht worden! Wenn man all meine Unterlagen gelesen hat, dann weiss man, dass ich NIE um GELD gebeten habe. Ist dies ein Versuch mich in einen Gelderpresser zu wandeln? Damit es später besser in die ‚Geschichte‚ passt: sollte die Katastrophe eintreten?!? Ich bin kein Erpresser. 307 Die Verurteilung der Folterer wäre meine Erlösung. Sicherlich Geld macht das leben leichter, ich gebe auch zu‚ dass ich auch mit dem Gedanken gespielt habe, Ersatz für den finanziellen Schaden, den ich durch das Urteil im 2002 in der Zivilsache gegen den Hauptverbrecher aus Argentinien erlitt, nämlich die über eine Million CHF (blockiertem Geld, Anwaltskosten von 5 ½ Jahren etc.) zurückzufordern. Aber wie sie ja wissen, habe ich nie ein Wort davon erwähnt. Ich habe mit meinem Handeln auf die unrechtmässige Behandlung meinerseits durch die Justiz hingewiesen. Meine Ziele habe ich leider nicht erreicht! Ich hatte so gehofft (selbst wenn sie es nicht glauben), dass der Fürst etwas bewegen kann: natürlich habe ich in den letzten Wochen auch erkennen müssen, dass er es nicht einfach hat und wohl so handeln muss, wie er es sieht. Ich verstehe ihre Seite ganz und gar - wie sie ja wissen, bin ich nicht dumm (um es so auszudrücken). Ich kann mich sehr gut in ihre Lage versetzten (was man allgemein mit analytischem Denkvermögen betitelt). Ich nehme an, dass auch sie sich mehr oder weniger in meine Lage versetzten können und auf Grund der Vorkommnisse der letzten 6 Wochen verstehen und nachvollziehen können, dass ich übervorsichtig und extrem misstrauisch geworden bin... Ich sehe die Teamsitzungen der involvierten Behörden vor mir, wo die vorherrschende Meinung gilt, dass sie mich schon kriegen werden - dies sind die Ihnen, Durchlaucht doch schuldig - oder? Apropos Meinungen: sollte die Meinung vorherrschen, dass ich nie und nimmer die Daten verraten könnte, da ich sonst ja nichts mehr in der Hand hätte, dann irren jene Leute, die dies proklamieren: abgesehen davon, dass ich nur ein paar Tage hintereinander mich mittels meiner immer noch frischen Erinnerungen und den Unterlagen aus dem 101er die erlittene Folter in Argentinien vor Augen halten muss - um in eine solche Wut zu geraten, dass ich keine Probleme habe den involvierten Staaten ein DVD zu senden, hat ja der Besitz aller Daten für mich auch keinen ‚nutzten‚ gebracht, da ich ja nichts damit erreicht habe: mir sind die Ideen ausgegangen. Aber solange wir noch miteinander kommunizieren, muss es eine Lösung geben. Wenn ich nur zu 100 % sicher wäre, dass ein 4Augen-Gespräch keine Falle ist. 308 VADUZ 21. Februar 2003 Mist, den Plan Kieber Geld zu offerieren war ihm in den falschen Hals geraten, lästerte man im KKZ schon zu früher Stunde. Und die Drohung am Ende, was sollte das wieder heissen? Man war wieder am Anfang des Problems. Jede Debatte unter den Mitgliedern des KKZ, die hin und her Schreiberei mit dem Kieber, alles für nichts und wieder nichts. Kieber erschien ihnen abermals wie ein Buch mit sieben Siegeln, schlimmer noch, eines mit 7000. Alle sahen ein, dass nur ein Gespräch mit Kieber sie aus der verfahrenen Situation führen konnte. Hans-Adam befahl, alle Pläne und Konzepte einzufrieren und abzuwarten, was das Meeting mit Kieber an neuen Erkenntnissen bringen würde. Der Professor war derselben Meinung. Die KKZ stellte folgende Mitteilung ins Netz: Sie haben Recht. Kommunikation ist die Voraussetzung einer Lösung. Ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch dient zur Lösungsfindung. Es gibt keine Fallen, sie bestimmen Ort, Zeit und Vorgehensweise für dieses Gespräch mit der Vertrauensperson. AMSTERDAM 22. Februar 2003 Nach langem hin und her, konnte ich meine Befürchtungen etwas dezimieren und entschloss mich das Experiment „Treffen‚ durchzuziehen. Schlussendlich war mir klar, dass ich ohne Diskussionen meine Ziele nicht erreichen konnte. Um Hans-Adam und seine, meiner Vermutung nach gross angeschwollene Beratertruppe, so lange wie möglich im Bezug auf Holland zu täuschen, setzte ich wieder auf die Verwirrungstaktik, indem ich ein Treffen im hohen Norden andeutete. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen Hinweis in Sachen Sicherheitsvorkehrung mitzuliefern. Folgender Text war das Resultat meiner Gedanken: Also, einen Versuch will ich wagen .... obwohl alles dagegen spricht. Könnte sich Dr. S. MO + DI, den 3. + 4. März 03 oder DI + MI, den 4. + 5. März freihalten? Es ist für mich erst zu jenen Tagen möglich, weil ich noch einiges vorbereiten muss, was sie 309 sicher verstehen. Das Treffen findet in einem der Skandinavischen Länder statt. Welches Land es ist, kann ich erst später mitteilen. Ich bitte aber um folgendes: Dr. S. soll eine Schriftkopie meiner Tonbandaussage bei der Kripo vom 11.04.1997 über die Ereignisse in Argentinien erhalten, sowie eine Kopie des gerichtsmedizinischen Gutachten. Er möge beides intensiv lesen. Ich möchte nämlich nicht, dass er ohne meine Motive zu kennen, mir gegenüber steht. Falle: ich bin mir bewusst, dass sie durchaus eine (erfolgreiche) Falle vorbereiten könnten. Daher bleibt mir auch nichts anderes übrig, einen automatischen Mechanismus vorzubereiten, wo sichergestellt ist, dass ein paar Länder und 3 Medien alle Daten auf einmal erhalten, sollte ich nicht frei bleiben. Ich nehme an, dass sie dies verstehen. Ich melde mich wieder anfangs nächster Woche. AMSTERDAM 23. - 27. Februar 2003 Die Tage vergingen wie im Flug. Komisch, ich fand keine Reaktion auf meine letzte Nachricht. War wohl zu deftig, dachte ich mir. Aber besser Klartext reden, als die Gegenseite an falsche Sicherheit glauben zu lassen. Dass würde nur die Geburt von Radikallösungen, die mir sicher nicht gut bekommen würden, fördern. Da war ich mir sicher. Oder der Bankdirektor kann nicht Anfang März reisen. Oder „Skandinavien‚ passt ihnen nicht. Oder Hans-Adam hatte andere Probleme. Ich wusste es nicht. Egal, er wird sich sicher wieder melden, sagte ich zu mir. Es war ja noch Zeit bis Anfang März. Am Mittwoch, 26.02. stellte ich denselben Text wie vom 22.02. nochmals in Netz und fügte einen Satz vorneweg, wo ich Hans-Adam fragte, ob er meine Nachricht vom Samstag, den 22.02.03 gelesen habe. Am nächsten Tag, um die Mittagszeit hoffte ich schon eine Antwort zu bekommen. Wieder war nichts. Oje, ich befürchtete, dass etwas schief gelaufen sei muss. Ich konnte es nicht verstehen, dass die in Vaduz offenbar nicht begriffen hatten, dass jeder Unterbruch in der Kommunikation nur zu wilden Spekulationen führen würde. Das galt für beide Seiten. Ich schrieb an Hans-Adam: 310 Bitte löschen sie jeweils den Text nach dem sie ihn gelesen haben. Auch wenn sie nichts antworten; damit sehe ich (und umgekehrt auch sie), dass man die Nachricht bekommen hat. Da sie meinen letzten langen Text über Tage stehen haben lassen, nehme ich an, dass sie noch nicht hier in der Emailbox waren. Danke. Diese Tage ohne ihre Nachricht brachten mich auch auf den Gedanken, dass sie eventuell die Meinung bezüglich eines Treffens geändert haben. Dies ist nicht weit hergeholt, da auch ich, wie sie auch, den Umständen entsprechend mehrere ‚Wege aus dem Wald planen‚ muss. Wenn es dem Dr. S. am MO + DI ‚ 3. + 4.03.03 zeitlich gehen würde, dann werde ich ihm am Sonntagabend auf seinem Handy anrufen und die Route durchgehen. Ist dies OK für sie? Hat er die Unterlagen lesen können? Es ist zwar eine idiotische Frage, aber ich stelle sie bewusst trotzdem: sind sie sicher, dass es keine Falle wird? Ich bitte sie, den Dr. S. über die offenen Akten (101er, 140er, neuer etc.) zu informieren und ihm zu erlauben, dass er mich informiert. Auch möchte ich bei dem Treffen erfahren können, was mich zu hause erwarten würde, wenn ich im März 03 samt allen Unterlagen freiwillig nach hause kommen würde? Vielen dank für ihre Mühe und wirklichem Vorhaben, ein Treffen ohne Überraschung zu wollen. VADUZ 22. - 27. Februar 2003 Rasch sprach sich in den involvierten Kreisen herum, dass Kieber nicht wie vermutet in Frankreich war, sondern irgendwo in Skandinavien oder zumindest auf dem Weg dorthin wäre. Man versuchte den Aufenthaltsort von Kieber zu eruieren. Der Befund sagte, dass die vorletzte E-Mail aus Rotterdam, Holland kam und die Letzte wieder irgendwo aus Frankreich. Dies brachte auch kein Licht in die vernebelte Angelegenheit. Beim Wort Skandinavien zogen nicht nur die LGT und die Regierung die Mundwinkel nach unten. Clever ausgesucht, sagten sie. Kieber wusste offenbar, dass die skandinavischen Länder sehr strenge Steuergesetzte haben und er dort sicher auf offene Türen stossen würde, sollte er sich an die Behörden wenden (müssen). Die LGT Treuhand 311 bestätigte, dass mehrere hundert Bürger aus dieser Ländergruppe ihre Kunden waren. Man war verärgert, da man eine Lösung des Problems im „Strassbourg‚-Stil in Skandinavien nicht so einfach durchziehen könnte. Man müsste wieder zuerst die Möglichkeiten eruieren. Die Kluft zwischen den KKZ-Mitgliedern wurde immer grösser. Auf der einen Seite hatten die Vertreter der LGT und die Regierung immer weniger Geduld in der Sache. Hans-Adam und seine Familie hatten als Zerstreuung, wenn dies auch keine herrliche Vergnügungstour war, die laufende, heisse Enddebatte um die neue Verfassung zur Verfügung. Die Abstimmung war auf den 16. März angesetzt. Hans-Adam war auch mehr und mehr frustriert, dass es überhaupt soweit kommen konnte. Das er und seine LGT wegen brutalen Fehlern der eigenen Justiz nun so leiden mussten. In den vergangenen Tagen gab es mehrere längere und private Beratungen zwischen dem Professor und Hans-Adam. Der Professor warnte vor einer Katastrophe, sollte man einem Konzept im Stil „Strassburg‚ zustimmen. Als gebildeter Mann war natürlich auch HansAdam klar, dass man sich auf sehr dünnes Eis begeben würde, sollte man Kieber mit kriminellen Methoden schnappen. Aber die Zeit, die Zeit läuft mir davon, jammerte er zu Recht. Erst nach grosser Überzeugungskunst von Seiten des Professors, fällte er als Staatsoberhaupt einen wichtigen Entscheid. Er befahl, dass sich die Regierung, die Justiz und die Polizei aus der ganzen Angelegenheit zurückziehen mussten und er bis auf Widerruf keine Vorschläge und Randbemerkungen von denen mehr hören wollte. Er erklärte weiters, dass er die dem KKZ mündlich erteilten speziellen Vollmachten annulliert habe und sich der Sache nur noch direkt annehmen würde. Es wäre eine grosse Untertreibung zu behaupten, dass gewisse Kreise in Vaduz nicht hocherfreut über diese Dekret vom Staatsoberhaupt waren. Die Polizei vermerkte am 28.02.03 in einem Protokoll, dass man sich absprachegemäss aus dem Kontakt mit Kieber zurückgezogen hatte und war sichtlich erleichtert. Die Justiz hatte auch genug andere Fälle und wurschtelte wie üblich weiter als wäre nichts geschehen. Andererseits deuteten die Befürworter radikaler Massnahmen, namentlich die LGT und die Regierung, diese Änderung im Kurs gegenüber Kieber als Zeichen von Hans-Adam, dass er doch noch geneigt wäre, ihre Ideen zur 312 Lösung des Falls in die Tat umzusetzen. Denn die Justiz sowie die Polizei hatten ihn ja in diese Lage gebracht, durch ihre bewiesene Inkompetenz und offensichtlichen Fehlurteile in Sachen Argentinien und das „Interpoldebakel‚. Als aktuelle Mitteilung liess Hans-Adam am 27.02., am früheren Abend folgenden Text eintippen: Dr. S. wartet ihren Anruf am Sonntagabend. Er hat ihren Fall studiert. Es ist keine Falle. Anm.: Dies war dann auch die allerletzte Mitteilung, die von Seiten HansAdams über dieses System gemacht wurde. AMSTERDAM 28. Februar 2003 Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich die Nachricht las, dass der Bankdirektor meinen Fall studiert hatte. Nichts hasste ich mehr in den vergangenen Jahren als mit Leuten zu reden, die vorgaben, den Sachverhalt zu kennen, wenn das in Wahrheit nicht der Fall war. Obwohl meine früher gesetzte Frist „Ende Februar 2003‚ abgelaufen war, ohne dass ich die Schutz-ID erhalten hatte, freute ich mich irgendwie auf das Treffen mit dem Bankdirektor. Es waren über sieben Wochen vergangen, seit ich auf meiner Mission gestartet bin. Um überleben zu können, wusste ich, dass ich äusserst flexibel sein musste. Und das war ich immer schon in meinem Leben. Anpassungsfähig wo es nötig und richtig erschien. Als meine letzte Meldung nach Vaduz schrieb ich: Vielen Dank für ihre Nachricht. Ich werde ihn am Sonntagabend sicher anrufen. Ich bitte ihn für die Reise auch eine Badehose (nicht das er verkabelt kommt) und gutes Schuhwerk mitzubringen, sowie sein Handyladegerät. Ich werde am Sonntag um die Mittagszeit nochmals hier hinein schauen. Vielen Dank für ihre Mühe. Ich hatte mich noch nicht festgelegt, wo und unter welchen Umständen ich ihn treffen wollte. Den Hinweis mit der Badehose formulierte ich deswegen, weil ich verhindern wollte, dass die in Vaduz auf die Idee kamen, den Bankdirektor zu verkabeln, um das Gespräch zwischen uns 313 aufzunehmen oder einen so genannten Lokalisierungssender an seinem Körper zu verstecken. Ich ging davon aus, dass solche technischen Spielereien batteriebetrieben und voll mit elektronischen Komponenten sein würden. Da gab es nur eines, was diesen Geräten den Saft abdrehte: eintauchen in viel, viel Wasser. Im Schwimmbad oder in einer heissen türkischen Sauna. Heisser Dampf bekommt solchem Schnickschnack sicher auch nicht gut. Natürlich hätte man den Bankdirektor auch mit wasserdichtem Material ausrüsten können. Aber nur mit Badehose bekleidet oder gar splitternackt, da müsste er es schon sehr gut verstecken. Mit dem Hinweis gutes Schuhwerk mitzubringen, wollte ich auf die Möglichkeit einer Wanderschaft zu einem Treffpunkt hinweisen, vielleicht an einem abgelegenen, schwer erreichbaren Ort. VADUZ Ende Februar / Anfang März 2003 Als hätten die in Vaduz nicht schon genug Probleme (Kieber) und Ärger (der Abstimmungskampf um die Neue Verfassung), tat sich ein neues Grab in Vaduz auf. Ein ehemaliger, langjähriger Angestellter der Liechtensteiner Landesbank (LLB), Herr Roland Lampert, kündigte im Februar aus heiterem Himmel seine Stelle und begab sich auf eine folgenschwere Erpressertour. Nachdem die LLB den wahren Grund für seinen Abschied erkannt hatte und ihn wegen Kontoungereimtheiten sprechen wollte, informierte er im Gegenzug die LLB, dass er im Übrigen über 2300 Datenausdrucke mit einer Vermögensübersicht von über 1300 verschiedenen deutschen Kunden der LLB besitzen würde. Zuerst glaubte man ihm nicht. Bis er den Beweis dafür lieferte. Da die LLB mehrheitlich in Staatsbesitz(!) war (und heute noch ist), wurde – entgegen den aktuellen Beteuerungen aus Liechtenstein - natürlich die Regierung und somit Hans-Adam sofort im Februar 2003 informiert. Nicht schon wieder, man konnte es nicht fassen. War „der Tag des jüngsten Gerichts‚ in Liechtenstein angebrochen, fragte man sich nun in Vaduz. Nachforschungen der LLB ergaben, dass Lampert zwischen August 2000 und Ende Februar 2003 klammheimlich die Daten gesammelt hatte. 314 Da ja der Diebstahl von Daten ein Antragsdelikt war, wurden vorerst Polizei und Justiz nicht informiert. Die nicht kleine Unterschlagung von (Kunden-)Geldern wurde zwar auch rasch bemerkt, jedoch weder der Polizei noch der Justiz gemeldet. Die LLB versuchte am Anfang mit der Billigung von Regierung und Hans-Adam alleine, dann mit der geballten Macht der Liechtensteiner Justiz und am Schluss mit Privatdetektiven und millionenschweren Eurozahlungen, die Sache zu bereinigen. Mit einem katastrophalen Endergebnis aus Liechtensteiner Sicht. Anm.: Über diesen Fall, den LLB-Fall, wurde in den deutschen Medien seit 2008 ausgiebig berichtet. Eigentlich nur deswegen, weil jene Gruppe von Kriminellen, die nach der geheimen Verurteilung von Lampert in Liechtenstein an die betroffenen Daten gelangten, selber nun in Rostock vor Gericht stehen. Ich rege meine Leser an, im Internet die Einzelheiten nachzulesen. Einiges macht aber den LLB-Fall in Bezug auf meine Sache sehr interessant. Erst mal die Tatsache, dass es sich zeitlich praktisch parallel zu meinem Fall abspielte und ich daher aufzeigen kann, wie heuchlerisch die Regierung und Hans-Adam agierten. Zudem – was der Öffentlichkeit nicht bekannt ist - wurde versucht, mich mit dem LLB-Fall zu ködern und zu manipulieren (nachzulesen in den kommenden Kapiteln). Da praktischerweise der Professor Dr. Thomas Müller in Vaduz schon seine Zelte aufgeschlagen hatte, fragte die Regierung ihn, ob er ihnen auch im LLB-Fall helfen könnte. Er erkannte die aussergewöhnliche Herausforderung und sagte zu. Hans-Adam bestand darauf, acht zu geben, dass man die zwei Fälle nicht vermischen würde. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete der Professor im behördlichen Auftrag der Justiz am LLB-Fall und nur noch im Privatauftrag von Hans-Adam am LGT-Fall. Der Bankdirektor Dr. Pius Schlachter wurde am letzten Samstag im Februar von Hans-Adam und Alois aufs Schloss eingeladen und dort auf seine Mission vorbereitet. Es wurde beschlossen vorerst keine Falle für Kieber vorzubereiten. Erstens fehlten für den Entscheid zugunsten einer Falle die wichtigen Informationen, wie welches Land in Skandinavien? Hatte man Verbindungen dorthin? Hatte man Verbündete dort? Wie lauten die Gesetze dort? Gibt es Spielraum in diesen Gesetzen? Und Zweitens hatte der Bankdirektor seinen persönlichen Wunsch klar zum 315 Ausdruck gebracht, kein Komplize einer solchen Sache werden zu wollen. Hans-Adam akzeptierte dies. Er meinte zwar, ein bisschen Einschüchterung, wenn es die Situation bei einem Meeting mit Kieber erlauben würde, wäre schon abgebracht. Nicht zuletzt, um ihm zu zeigen, wie schwer er die in Vaduz beleidigt und verletzt hatte. Wer hier der Herr im Hause ist ! Mal sehen, erwiderte der Bankdirektor. Ihm wurde weiterhin eingetrichtert, dass es das oberste Ziel sei, die Daten zu bekommen und Kieber zu überreden, nach Hause zu kommen. Der Bankdirektor wollte die Gelegenheit dieser privaten Audienz mit Hans-Adam & Erbprinz Alois für eine Debatte über ein bisher nicht angesprochenes Thema nutzten: Sollte man nicht die Kunden warnen? Wie aus einer Pistole geschossen, riefen Hans-Adam und sein Sohn gleichzeitig, NEIN, auf keinen Fall. Warum auch? Es gab keinen Grund. Kieber habe zu keiner Sekunde jemals etwas gesagt oder geschrieben, dass er direkt auf die Kunden zugehen würde. Und mit den ausländischen Behörden hatte Kieber hoffentlich noch nicht geredet. Wenn dem aber so wäre, dann wäre es sowieso zu spät, die Kunden zu warnen. Wie sich der Bankdirektor dies vorstellen würde, fragten sie ihn. Da Kieber ja die komplette Datenbank hatte, müsste man ja extra 50 neue Leute einstellen, um die tausende aktuellen und die hunderte ehemalige Kunden entweder telefonisch oder per Brief warnen. Bitte, Herr Bankdirektor, Sie müssten es doch besser wissen, die Medien würden schon nach dem zehnten Kunden sicher irgendwie Wind davon bekommen. Unser Bankengeheimnis, die Säule unseres Geschäfts, würde implodieren, redete Hans-Adam auf ihn ein. Da half auch nicht der Hinweis des Bankdirektors, welche Konsequenz es für die Kundschaft von Dr.Dr. Batliner hatte, als dieser sie nicht warnte, als eine CD-Rom mit deren Daten gestohlen wurde. Eine CD-Rom die erst lange Zeit später bei den deutschen Behörden landete. Hans-Adam und Alois beharrten auf ihre Auffassung, dass eine Warnung ihrer Kunden zu viel Schaden für ihr gesamtes Geschäft bringen würde. Sollte die Katastrophe eintreten, „wovor Gott uns bewahren soll‚. 316 Man versicherte dem Bankdirektor auch, dass, sollte ein Wunder geschehen, und Kieber schon nach dem ersten Treffen nach Hause kommen wollen, ein Anruf von ihm genügen würde und Hans-Adam sein Auto samt Fahrer und Schutzvorkehrungen für Kieber schicken würde. Der Bankdirektor hatte schon vom Sekretariat die Informationen zu allen möglichen Flugkursen von Zürich nach Schweden, Norwegen und Finnland erhalten. 317 KAPITEL 13 Ein Essen für Sechs Euros Also gut, dachte ich mir. Wie würde ich dieses Treffen überleben? Ich verbrachte die Tage damit, einen dafür geeigneten Platz in der Stadt Amsterdam zu finden. Meine ursprüngliche Idee, das Treffen weit ins freie, flache Land hinaus zu verlegen, verwarf ich wieder, da dies nur die Möglichkeit von „Überraschungen‚ seitens der Gegner erhöhen würde. Die Anonymität der Menschenmenge von Amsterdam war mir da lieber. Zudem hoffte ich, dass mir niemand mitten in der Stadt am helllichten Tag etwas antun würde. Bevor es überhaupt zu einem direkten Wortwechsel zwischen mir und dem Bankdirektor kommen konnte, stand für mich fest, dass ich derjenige sein müsste, der ihn vorher für eine Zeitspanne von mindestens 30 Minuten im Auge behalten und beobachten musste und nicht umgekehrt. Dafür wollte ich ihn irgendwie ständig in Bewegung halten und dies auch noch mit einer anderen Fortbewegungsart als die meine. Ihn in einen Bus oder Taxi einsteigen und irgendwohin hinfahren zu lassen, kam daher nicht in Frage. Weil ich dann auch auf ein ähnliches Transportmittel hätte zugreifen müssen, um Schritt halten zu können. Ein Blick auf die Wasserkanäle vor meiner Nase brachte mich auf eine knifflige, aber machbare Lösung. Das war’s! Eine Kanalfahrt. Ich studierte die Grachtenrundfahrten mit dem Kanalbus sehr genau. Ab dem Hauptbahnhof, dem Central Station East fuhren in regelmässigen Abständen verschiedenen Rundfahrten ab. Ich kaufte mir ein Tagesticket und fuhr jede einzelne Strecke ab. Mit der roten Linie kam man nach ca. 60 Minuten an der Endstation „Van Gogh Museum‚ an. Davor waren ein paar Haltestellen. Die Vorletzte hiess Leidseplain. Ich fuhr mit dem Boot zurück an den Ausgangspunkt. Dem nächsten Boot zum Van Gogh Museum folgte ich auf dem Landweg zu Fuss und stoppte die Zeit bis zur Station Leidseplain: knapp 50 Minuten. Ideal! Könnte klappen, rechnete ich mir aus. Der Fussweg führte über Strassen und Brücken. Oft in einer Richtung, was ein Fahrverbot für Autos bedeutete, weil es entweder eine Einbahnstrasse oder die Brücke zu schmal war. Und sowieso wäre man mit dem Auto schnell verloren, da man aufgrund der Verkehrsführung in der Stadt schon nach fünf Minuten das Boot und somit mich als begleitenden Fussgänger aus den Augen verlieren würde. Es gäbe für eventuelle Schattenmänner nur zwei 318 Chancen uns zu verfolgen. Entweder man stieg mit dem Bankdirektor in dasselbe Boot ein, oder man würde es zu Fuss verfolgen. Die Strecke zu Fuss führt so stark im Zick-Zack Kurs durch die Stadt, dass es mir sofort auffallen würde, wenn jemand wie ich das Boot zu Fuss verfolgen würde. Zudem hatte ich ja nicht vor, mich dem Bankdirektor vor seiner Kanalfahrt zu zeigen. Er würde nicht erfahren, wo ich bin. Zugegeben, ich hatte ja die möglichen Schattenmänner oder Kameraden vom Bankdirektor nie gesehen und würde sie daher auch nicht erkennen können, falls sie mit ihm ins Boot einsteigen würden. Dagegen gab es auch ein einfaches Mittel. Sollte ich den Verdacht haben, dass Begleiter im Boot anwesend waren, so könnte ich den Bankdirektor zum Aussteigen an einer Zwischenstation auffordern und ihn dort auf den nächsten Kurs für die Weiterfahrt warten lassen. Sollte(n) dann die Verdachtsperson(en) auch mit aussteigen und in der Nähe von ihm bleiben und dumm aus der Wäsche gucken, wüsste ich was die Stunde geschlagen hätte. Ich fand es besser, nur kurz mit dem Bankdirektor am Telefon zu reden, sobald er in Holland war. Das Gespräch sollte sich nur auf folgende Bitte beschränken: Er sollte sich am Montag in die Eingangshalle der grossen St. Nicholas Kirche gegenüber dem Hauptbahnhof, an der Prins Hendrickkade begeben, das Prospektregal aufsuchen und dort ganz oben rechts, hinter dem Stapel des Rundschreibens der Kirchgemeinde, würde er weitere Instruktionen von mir finden. Ich hatte die Öffnungszeiten der Kirche kontrolliert und musste nur noch die Instruktionen zu Papier bringen. Ich setzte mich in ein Internetcafé und formulierte: Hallo Herr Direktor. Bitte gehen Sie aus der Kirche wieder raus. Ein Kreuzschlag vorher wäre vielleicht nicht schlecht. Schräg gegenüber der Kirche sehen Sie am Kanal ein kleines Häuschen, dass Tickets für Kanalrundfahrten, den Canalbus verkauft. Kaufen Sie sich bitte einen Tagespass für die Rote Linie bis zur Endstation. Nehmen Sie den nächst verfügbarem Kurs und setzten Sie sich bitte auf einen unüberdachten Sitz, so weit hinten im Boot wie möglich. Wie ich Sie gebeten hatte, rufen Sie niemanden an und lassen alle Handy ausgeschaltet. Im Verlauf der Kanalfahrt werde ich Ihnen weitere Instruktionen zukommen lassen. Falls ich aber irgend etwas faules sehen oder spüren sollte, 319 ist unser Treffen damit zu Ende und ich wünsche keine weiteren Kontakt mit Ihnen oder dem Schlossherrn zu Hause. Entschuldigen Sie die Umstände. 03. März 2003. Bewusst nannte ich keine Namen. Ich druckte diese Zeilen aus und kopierte sie sechs Mal. Ich knickte jedes einzelnes Blatt genau so wie der Rundbrief in der Kirche gefaltet war. Sodass man dachte, dass es Teil des Zirkulars wäre. Ich begab mich am Samstag, den 1.3. zur Kirche und steckte fünf der sechs Schreiben fein säuberlich hinter den vorhandenen Stapel. In einem anderen Internetcafé, nachdem ich ganz sicher war, dass mir keiner über die Schulter schauen konnte, passte ich meine elektronische Sicherheitsvorkehrung an die geänderte Situation an. Obwohl ich ja datenmässig nichts mehr in Berlin hatte, wollte ich die ursprünglichen Empfänger von dort aus der Liste nicht auswechseln. Ich änderte nur den Text in Bezug auf meinen neuen Wohnort und die Adresse in Monnikendam, schilderte wo die Daten aufbewahrt waren und fügte einen neuen Adressenten dazu: die Polizei der Niederlande, genauer die Politie Centrum. Das sollte reichen. Ich wusste, sobald ich am Sonntagabend auf dem Handy vom Bankdirektor anrufen würde, er zumindest das Land herausfinden könnte, wo ich mich befand. Dies sah ich als kein Problem an. Entweder möchte ich das Treffen oder ich lasse es ganz bleiben. Ich wollte aber nicht preisgeben, dass ich in Amsterdam war. Ich fuhr deswegen am Sonntag mit dem Zug 20 Minuten nach Haarlem an die Nordseeküste. Schönes Städtchen. Dort setzte ich mich in ein Touristencafé und ging im Kopf den Plan für die nächsten zwei Tage nochmals durch. Ich kaufte mir eine Telefonkarte und wählte die Handynummer vom Bankdirektor. Er nahm gleich ab und war hörbar froh, dass ich mich gemeldete hatte. Ich bedankte mich für seine Geduld und entschuldigte mich nochmals für die Umstände. Ich fragte ihn, wie es den so im Ländle zu und her und wie es dem Hans-Adam ginge. Ob sich alles etwas beruhigt hatte? Er antwortete: alles sei soweit ruhig. Hans-Adam sei sehr nervös wegen den Daten und der Abstimmungskampf sei immer noch voll im Gange. 320 Ich erzählte ihm, dass ich etwas davon im Internet gelesen hatte. Er fragte mich, wohin die Reise nun gehen sollte. Ich fragte ihn, was er denn vermuten würde. Er sagte, er hätte die kleine Vermutung, dass es nicht in den Norden ginge. Ich lachte und sagte, ja nix mit Skandinavien. Er solle sich bitte heute Abend den letzten Kurs oder für morgen früh den Ersten nach Amsterdam buchen. Ich würde von einer anderen Stadt nach Amsterdam kommen. Er solle bitte spätestens um die Mittagszeit in der Stadt sein. Ich würde ihn anrufen und dann sagen, wo wir uns treffen würden. Amsterdam? Amsterdam! rief er aus. Da wäre er zum letzten Mal auf seiner Hochzeitsreise gewesen. Nicht wahr? bemerkte ich. Na dann ist es doch wieder Zeit diese schöne Stadt zu besuchen. Ob er die Badehose eingepackt hätte und ob er alleine komme, fragte ich in schnell. Und ob es sicher sei, dass es keine Falle wäre, schob ich hinten nach. Ja, Ja, Ja, antwortete er zurück. Obwohl mir die letzten zwei Fragen auch sinnlos vorkamen. Hätten sie eine Falle geplant, dann wäre ich der letzte auf Erden, der davon im Voraus erfahren würde. Aber, ich sagte ihm, ich stelle die Frage nur, damit nachher nicht behauptet wird, ich hätte euch nicht gewarnt. Ich erwähnte auch das Inkrafttreten meiner Schutzmassnahmen. Ab jetzt, betonte ich. Er bedankte sich. Bis Morgen Herr Kieber. Bis Morgen Herr Bankdirektor. Montag! Ich fuhr schon mit dem ersten Linienbus von Monnikendam nach Amsterdam. Bei mir hatte ich eine der externen Harddisk mit den elektronisch gespeicherten Daten. Ich wollte überprüfen, ob die Kirche auch wirklich offen war. Gut, die Kirche war offen. Gar nicht gut war, dass meine fünf Blätter weg waren. Ich schaute mich schnell um, weil mich ein Gefühl überkam, als ob mich jemand beobachtete. Aber es war niemand am Eingang. Nur ein paar ältere Damen und zwei Frühaufsteher-Touristen waren in der Kirche. Die Einen beteten, die Anderen staunten. So ein Mist, dachte ich mir, da musste wohl ein übereifriger Kirchenpfleger meine Zettel gefunden und gleich festgestellt haben, dass es nix mit Religion zu tun hatte und weg waren sie. Kein Problem: was war noch mal mein Plan B? Ohh, ja hatte gar keinen. Ich musste mir was einfallen lassen, da ich dem Bankdirektor nicht am 321 Telefon erklären wollte, wohin er gehen sollte. Dies würde dem Gegner einen zeitlichen Vorsprung geben, falls sie am Telefon mithören würden. Ich könnte den letzten Zettel nochmals in der Kirche deponieren. Was aber wenn wieder einer aufräumen kommt? Besser wäre es, eine andere Hinterlegungsmöglichkeit zu finden. Aber wo? Ein Hotel? HOTEL !! Das Hotel Victoria gleich unter dem Hauptbahnhof, wo ich schon ausgedehnte Ruhezeiten im Sessel verbracht hatte, wäre ideal dafür. Ich lief die kurze Strecke dorthin und fragte beim Concierge nach, ob ich eine Nachricht für einen Bekannten abgeben könnte. Man fragte mich, ob dieser denn Gast bei ihnen wäre. Ich behauptete, nein, aber er würde heute einziehen und in ein paar Stunden kommen. Im Zettel für den Bankdirektor strich ich die Worte Kirche durch und schrieb Hotel Victoria darüber. Anstelle schräg gegenüber, schrieb ich Central Station East. Er würde schon raus finden können, wo dies war. Man gab mir ein leeres Kuvert, ich legte den Zettel rein, verklebte die Rückseite und notierte den Namen des Bankdirektors vorne rauf. Zusammen mit fünf Euro händigte ich den Umschlag dem Angestellten aus. Bis zur Mittagszeit waren es noch gute drei Stunden. Ich war schon hungrig und wählte für das heutige Mahl eines der asiatischen Minirestaurants aus. In den letzten Tagen hatte sich ein Restaurant als meinen Favoriten entwickelt. Es gab viele von ihnen, aber in diesem waren die Köche spitze. Es hatte nur um die zehn kleinen Tische mit jeweils vier Stühlen. Die Kundschaft war immer dieselbe: ein paar Touristen, viele Immigranten und oft auch jämmerlich aussehende, vom täglichen Drogenkampf gezeichnete Gestalten oder aufgedonnerte Huren, die vom nahen Rotlichtbezirk hoch kamen. Man konnte aus einer Vielzahl verschiedener Gerichte auswählen. Ich bestellte mir heute eine frisch zubereitete, schmackhafte Runde mit Reis und Huhn. Dazu eine Cola Light. Ein feines Essen für unglaubliche 6 Euro. Mahlzeit. 322 KAPITEL 14 Weisswein und Rotes Blut Nach dem Essen hatte ich noch Zeit, einen Tee im Hotel Viktoria zu geniessen und eine englischsprachige Zeitung zu lesen. Die Stunde der Wahrheit rückte immer näher. Für den Anruf auf das Handy vom Bankdirektor wählte ich eine etwas versteckte Telefonzelle in einer der schmalen Gassen hinter der Kirche. Hallo, Hallo? Ja? Endlich, sagte ich zu ihm, endlich können wir uns unter vier Augen aussprechen. Ja, sagt er, er sei auch erleichtert. Ich fragte ihn wo er jetzt wäre. Er sagte in einem Hotel in der Stadt. Welches? Er wollte es mir nicht sagen. Auch gut! Ich bat ihn in das Hotel Victoria zu gehen und dort wäre eine Nachricht für ihn beim Concierge hinterlegt. Gut, und dann wollte er zur nächsten Frage ansetzten. Bitte keine Fragen mehr, es sei alles in der Nachricht vermerkt, unterbrach ich ihn. Ohne dass ich ihn danach gefragte hatte, sagte er noch schnell, dass er alleine hier sei und es keine Falle sei. Dann ist ja gut, erwiderte ich und bat ihn sein Handy jetzt auszuschalten. Ich wartete nicht auf seine Antwort und legte den Hörer auf. Mein Puls stieg wieder in ungesunde Höhen. Ich lief rasch zu meinem ersten Streckenposten, von wo aus ich den Bankdirektor gut beobachten konnte, wenn er sich in Richtung Canalbus bewegen würde. Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis ich ihn sehen konnte. Er war elegant gekleidet und hatte einen beigefarbenen langen, dünnen Businessmantel an. Er hielt klar ersichtlich einen weissen Zettel in der Hand. Er näherte sich der Ticketverkaufsstelle und schaute sich um. Ich duckte mich in eine Ecke und musterte die Umgebung, vor allem die Strassen hinter dem Bankdirektor. Niemand folgte ihm. Ich sah, wie er sich ein Ticket kaufte und etwas gelangweilt wirkte, als er auf die Abfahrt wartete. Es war noch kein Boot da. Als sein Kurs angelegt hatte, bestiegen nur fünf weitere Personen das Boot. Eine Familie mit Kind und ein Ehepaar. Er nahm weit weg von den anderen Bootsgästen Platz, so wie ich es gewünscht hatte. Ich observierte abwechselnd ihn und die Umgebung. Vor allem war ich scharf darauf sehen, ob er mit jemanden telefonieren 323 würde. Das Boot legte ab. Es war ein schöner Tag. Kein Regen, nur ein leichter Wind. Mein zweiter Streckenposten war ein kleines, burgturmähnliches Gebäude am Kanal mit einem kleinen Café drin. Ich lief im Eiltempo dort hin. Dieser Posten war der einzige, an dem ich zeitlich vor Schiff ankommen würde. Bei allen anderen würde ich immer schräg hinter dem Boot mitlaufen. Ich drückte mich an die kalte Mauer des Turms. Das Boot schaukelte an mir vorbei und ich konnte ihn gut sehen. Er starrte die meiste Zeit nur nach vorn. Ich konnte niemanden sehen, der mir folgen würde. Von jetzt an lief ich mit einem guten Abstand dem Boot hinterher. Um mich zu sehen, hätte der Bankdirektor mindestens seinen Kopf um 150 Grad drehen müssen. Er hatte seine Hände auf die Lehne des Stuhl vor ihm platziert. Nach ca. 20 Minuten merkte ich, dass er etwas nervös wurde und sich gelegentlich ganz umdrehte. Er entdeckte mich aber nicht. Auch wechselte er ein paar Worte mit der Crew. Ich nahm an, er fragte nach der Uhrzeit oder wie lange die Fahrt bis zur Endstation dauern würde. Nach 40 Minuten war es an der Zeit, ihm ein Zeichen zu geben, dass ich noch da war. Ich rannte weg vom Kanal, durch ein paar Seitenstrassen hindurch, bis zu einer Brücke. Das Boot näherte sich. Der Bankdirektor konnte mich auf der Brücke nicht sehen, da seine Sicht wegen des Schiffsaufbaus verdeckt war. Zudem stand ich auf der anderen Brückenseite. Als das Boot unten durch kam, rief ich ihn beim Namen. Er drehte sich etwas um und freute sich, mich zu sehen. Ich rief ihm zu, bei der nächsten Haltestelle auszusteigen. Er nickte. Ich entschied mich für die vorletzte Haltestelle, sodass mögliche Kameraden vom Bankdirektor vergebens auf uns an der letzten Haltestelle warten würden. Ich verschwand wieder aus seinem Blickwinkel. Ich nahm eine Abkürzung und war schon fünf Minuten vor seiner Ankunft am Leidseplein. Sein Boot legte an und er stieg aus. Natürlich hätte er jetzt telefonieren können. Aber er wusste ja nicht, dass ich ihn für sieben bis acht Minuten aus den Augen verloren hatte. Die anderen Gäste blieben sitzen. Ich stand gut 150 Meter weit weg. Am Sockel einer grösseren Brücke. Ich winkte ihm zu und deutete an, dass er mir bitte folgen sollte. Ihm war dies alles merklich unangenehm. 324 Nach ca. 400 Meter wagte ich mich, an ihn heranzutreten und schüttelte heftig seine Hand zur Begrüssung. Er erwiderte den Gruss und bedankte sich, dass ich mich mit ihm treffen wollte. Er übermittelte auch die Grüsse von Hans-Adam. Ich fragte ihn, ob er mir sein Handy geben könnte. Ohne Widerrede streckte er mir sein Telefon entgegen. Es war ausgeschaltete. Ich nahm die Batterie aus der Rückseite raus und bat ihn beides getrennt in seiner Manteltasche aufzubewahren. Ich fragte ihn, ob er ein anderes Handy habe, ob er verkabelt sei und ob er wirklich alleine sei und ich warnte ihn, dass ich eine der externen Harddisks bei mir tragen würde. Nein, nein, ja, verstehe, entgegnete er flott. Da zeigte sich wieder, dass er ein Schnelldenker war, wie ich. Man verstand sich darum besser. Ich wollte mich auf keinen Fall irgendwo hinsetzten, um mit ihm zu reden. Behutsam schob ich ihn daher in den nahe gelegenen grossen Park und wir spazierten dort fast zwei Stunden. Er fragte, ob ich eine gute Unterkunft gefunden hätte. Ich sagte ihm, dass ich angeblich in Rotterdam ein Zimmer hätte. Er erzählte mir, dass alle in Vaduz extrem bestürzt über meine Geschichte, die Verletzungen und Erlebnisse wären und natürlich auch entsetzt über die Fehler der Behörden wären. Er habe meinen Akt gut studiert. Er konnte auch nicht verstehen, warum die Justiz nicht schon lange Anklage gegen die Verbrecher erhoben hatte. Ich fragte, wo jetzt die Unterlagen und das 3D-Modell waren, die ich Hans-Adam zugesendet hatte. Er sagte, er wüsste es nicht. Aber, er denke, dass sie noch auf dem Schloss sind. Gut, erwiderte ich. Natürlich sei Hans-Adam am Anfang sehr erbost gewesen und hätte auch die LGT böse zusammen geschissen. Ich fragte, ob Köpfe rollen mussten. Er sagte nein, vorerst nicht. Ich war erleichtert darüber. Ich wollte ja nicht, dass irgendjemand von meinen ehemaligen Mitarbeitern deswegen den Job verliert. Der Bankdirektor bemerkte aber, dass Hans-Adam fundamentale Veränderungen in der Datensicherheit verlangt hätte. Während wir so redeten, drehte ich mich pausenlos nervös um die eigene Achse und auch um den Bankdirektor, um Ausschau zu halten, ob nicht doch noch ein Rollkommando andonnerte. Er fragte mich, ob die Daten gut 325 versorgt seien. Frech antwortete ich, dass ich auf die Daten besser aufpassen kann, als die in Vaduz. Ja, klagte er, man habe in Vaduz weder den Verlust des DLT-Tapes noch das Fehlen von irgendwelchen Originalpapieren bemerkt. Ich fragte nach, warum man offenbar sofort zu den Bullen gerannt sei. Ich hätte doch darum gebeten, alles zu vermeiden, was dazu führen würde, dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Ja eben, sagte er, Hans-Adam war halt der Meinung, das heisst, er wurde im Glauben gelassen, dass ich die Daten nicht hätte und nur bluffen würde. Ich schlug meine Hände über dem Kopf zusammen. Warum, warum um Himmels Willen hätte ich Hans-Adam einen solch gewaltigen Brief zusenden sollen, wenn ich nur alles vortäuschen würde? Ich sagte auch, dass man in Vaduz froh sein sollte, dass, nachdem es mir niemand direkt sagen wollte oder konnte, ich selber es gemerkte hätte. Aber auch nur, weil mir der Satz von Hans-Adam „die Daten, die Sie glauben zu haben‚ im Hinterkopf hängen geblieben war. Sonst wäre heute vielleicht alles ganz anders, betonte ich. Ich fragte ihn, warum es mir niemand einfach ins Gesicht sagen konnte. Er hatte eine plausible Erklärung dafür. Da man nach einigem Hin und Her davon überzeugt war, dass ich die Daten NICHT hatte, nicht haben konnte und die logische Konsequenz daraus war, dass ich selber dies wusste, war es überflüssig und sinnlos bei mir nach den Daten zu fragen. Einleuchtend, sagte ich und ergänzte, na dann wollen wir mal HansAdam loben, dass er einen Kommentar dazu am Telefon abgegeben hatte, sonst wäre ich nie darauf gekommen. Der Bankdirektor wollte über die vier CD-ROMs reden. Kein Problem, sagte ich. Er wunderte sich, dass ich soviel Aufwand wegen einer Neuerstellung des Datenaufbaus (die Art und Weise wie ich die Mandate auf den neuen Datenträgern strukturiert hatte) betrieben hatte. Er wüsste doch, dass ich sehr gründlich arbeite, erwiderte ich. Er fragte, ob er Recht in der Annahme hätte, dass ich mehr Daten als die auf die vier CD-ROMs gebrannten Informationen hätte. Ich zuckte nur mit den Schultern, weil mir die Frage zu dumm war. Was für andere Daten ich denn hätte, wolle Hans-Adam wissen. Den Rest vom BackupTape, sagte ich wahrheitsgemäss. 326 Welcher Tag, fragte er mich. Ich habe den genauen Tag vergessen, sagte ich. Wir beide wussten, dass dies eine fette Lüge war. Ich ergänzte, dass man sich in Vaduz nicht den Kopf zerbrechen soll, welches Tagestape ich besitze. Da ja unser aller Ziel eine friedliche Lösung wäre, spiele dies keine wirkliche Rolle. Ich wechselte das Thema und wollte wissen, warum man mir in Berlin Privatdetektive oder Schnüffler auf den Hals gehetzt hatte. Dies sei eine äusserst dumme Idee gewesen, klärte ich ihn auf. Ja, meinte er, im Rückblick sicher. Er wäre dagegen gewesen. Aber sein Wort, dazu als Ausländer (er ist Österreicher), hätte nicht viel an Gewicht in Vaduz. Da würden ganz andere Kreise bestimmen, was gemacht wird. HansAdam wäre wohl etwas falsch beraten worden, entschuldigte sich der Bankdirektor. Er erklärte mir, dass es Privatdetektive gewesen wäre, die primär ‚zu meinem Schutz‚ da gewesen seien. Verdutzt schaute ich ihn an. Zu meinem Schutz, fragte ich ihn ungläubig. Er antwortete, man hatte Angst, dass mir was in Berlin passieren könnte. Der Schutz hätte aber diskret erfolgen sollen. Aber da ich sie bemerkt hätte, zog man sich zurück, erklärte er mir. Diskreter Schutz, wiederholte ich seine Worte und klopfte ihm auf den Rücken. Na klar doch, sagte ich betont überzeugend. Logisch !!!!!!!!! Woran ich die „Beschützer‚ erkannt hätte, fragte er mich. Hätte HansAdam die Leute anständig bezahlt, dann könnten sie sich auch ein richtiges Auto leisten und nicht mit einer alten Kiste herumfahren, die so ins Auge sticht, wie ein Schweizer Jodler im Trachtenkostüm auf dem Kurfürstendamm. Nun zuckte er mit den Schultern. Ich erzählte ihm dann von Daniela in Berlin und dem Polizisten in Münster. Wie knapp wir da einer Katastrophe entkommen konnten. Er kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Ich fragte auch nach der SchutzID. Ob er sie dabei hätte. Ich sei sehr verärgert gewesen über die ständige Zurschaustellung des Passes. Nein, leider nicht. Falls ich mich aber dazu entschliessen würde, mit ihm nach Hause zu fahren, dann läge sie dafür bereit. Ich lachte nur. Ihr habt eine gedruckt, aber sie mir übergeben wollt ihr nicht. Nur wenn es euch passt und es euch dienlich ist, dann würde sie benutzt werden. Unfassbar und typisch Vaduz. Ich teilte ihm mit, dass ich die Schutz-ID vielleicht gar nicht mehr brauchen würde. Warum 327 auch, ich war quer durch Europa ohne sie gereist und hatte bisher Glück und wurde nie kontrolliert. Und überhaupt, nach Hause zurückzukehren, ohne dass man eine unabhängige Untersuchungsperson für den Argentinienfall benannt hätte, wäre kein Thema für mich. Ich ergänzte, dass ich solange ausharren würde, bis meine Forderung danach erfüllt sei. Ich konnte sehen, wie der Bankdirektor die Augen verdrehte. Die Lage in Vaduz sei schwieriger als ich denke, eröffnete er seine lange Rede. Der Abstimmungskampf in der Verfassungsfrage hätte den Höhepunkt erreicht und der Landesführer könne im Moment nicht so herumkommandieren. Er wolle nicht, dass seine politischen Gegner sehen würden oder erfahren könnten, dass er als Staatsoberhaupt wieder in die auf dem Papier unabhängige Judikative eingriff. Zudem wüssten mittlerweile Richter und Staatsanwaltschaft, dass ich sie bei Hans-Adam der Inkompetenz und der Lüge bezichtigt hatte und daher sei von dieser Seite keine grosse Hilfe für mich zu erwarten. Zudem, und dass wüsste ich, betonte er, hatte ich mir mit der Drohung, dem Ausland die Daten zu übergeben, viele hasserfüllte Feinde in Vaduz gemacht. Alles schlechte Voraussetzungen, um hier Forderungen zu stellen. Darum sei auch in den letzten Wochen so vieles schief gelaufen. Ich war schon etwas beleidigt, aber im Grunde sprach der Bankdirektor die Wahrheit. Besser so, als wenn er mir was vormachen würde, sagte ich zu ihm. Ich fragte ihn, ob man die Anzeige wegen des Briefs nicht wieder zurücknehmen könnte. Hans-Adam hätte gemäss Verfassung das Recht dazu, klärte ich ihn auf. Ein Recht, dass er in der Vergangenheit schon oft in Anspruch genommen hatte. Der Bankdirektor sagte dazu nur, dass versuchte Nötigung nicht so einfach ausradiert werden kann. Welche versuchte Nötigung, fragte ich. Eben der Brief in dem ich von Hans-Adam seine Intervention in die Angelegenheiten des Gerichts fordere. Wie bitte, fragte ich. Wir wissen alle, dass Hans-Adam in der Vergangenheit oft interveniert hat. Wenn auch nur meistens dann, wenn es entweder um seinen politischen oder ökonomischen Vorteil ging. 328 Ich beharrte auf dem Standpunkt, dass in diesem Fall es um Gerechtigkeit gehen würde. Ich würde ja nicht verlangen, dass HansAdam irgendjemand in den Kerker wirft oder Urteile zu meinen Gunsten abändern sollte. Natürlich sei mir bewusst, dass meine Vorgehensweise nicht die feine Art sei. Die Dinge seien nun aber so wie sie sind, hielt ich fest. Warum, fragte ich, warum wollte man mir jetzt nicht helfen, aber bei jedem illegalen Geschäft der Banken und Treuhänder in Liechtenstein, da werden alle Augen zugedrückt. Bei diesem Thema kannte der Bankdirektor kein Pardon. Ich müsse mein Schicksal strickt von den Personen, die Kunden bei der LGT oder in Liechtenstein sind, trennen. Die Gesetze wären im Ländle halt anders als im Ausland. Was dort illegal sei, sei halt im Ländle legal, versuchte er meine steigende Wut zu besänftigen. Er musste mich auch bitten, mit der Lautstärke herunter zu kommen, sonst würden uns doch alle hören. Ich wechselte um auf den Flüsterton um und fand es an der Zeit ihn an die vielen Mandaten zu erinnern, von denen die LGT wusste, dass kriminelle Geschäfte im Spiel waren und auch jetzt vermutlich in diesen Minuten immer noch gemacht werden. Und zudem auch der dümmste Aussenstehende eine aktive und passive Mittäterschaft der LGT („mitgegangen ist mitgefangen‚) erkennen würde. Ich sagte ihm, man solle mir hier bitte keine Lektion in guter Moral und ehrlichem Business erteilen. Die nächsten 15 Minuten sagte er nichts mehr. Wie weiter, fragte er dann. Ich weiss es auch nicht, antwortetet ich resignierend. Ich hätte auch keine Lösung zur Hand. Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich so rasend geworden war. Auch dafür, dass für mich feststehe, dass ich nicht nach Hause kommen würde, solange niemand mir beweisen könnte, dass am 101er Fall und am 140er Fall ein frischer, unabhängiger Staatsanwalt arbeitete. Der Bankdirektor könne mir glauben, dass mir schon bewusst wäre, dass ich viele schlaflose Nächte in Vaduz verursacht hatte. Aber eben, dass ich heute mit ihm hier in einem Park in Amsterdam stehe, sei die Wirkung einer Ursache. Die Ursache war ganz klar die behördliche Inkompetenz und Lügerei. Und auch der Amtsmissbrauch. Amtsmissbrauch? fragte er. Ja, Amtsmissbrauch. Ein pensionierter Richter in Liechtenstein, der meinen Fall gut kannte, hatte einmal zu mir 329 gesagt: "Nicht-Handeln ist auch eine Art von Amtsmissbrauch", klärte ich den Bankdirektor auf. Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn, ob er wüsste, was der Stand der Dinge in Sachen Zivilprozess sei. Er verneinte dies. Und stellte die Gegenfrage, ob ich denn nicht mit meinem Rechtsanwalt Kontakt hätte. Nein, sicher nicht, erwiderte ich. Ich hätte mit niemand Kontakt dort und der Rechtsanwalt Dr. Hirn wüsste von nichts. Wie weiter, fragte er mich zum wiederholten Male. Er versuchte an mein gutes Herz zu appellieren, indem er mir vorrechnete, wie viele der Kunden in grosse Schwierigkeiten geraten würden. Nicht nur finanziell, nein auch emotional, psychologisch. Und zwei, drei politische Skandale, zum Beispiel in Deutschland, Frankreich und anderswo würde es auch geben. Von den Wirtschaftsskandalen gar nicht zu reden. Es müsste mir doch klar sein, dass einige Kunden im Gefängnis landen würden. Vermutlich würden sich auch ein paar umbringen. Ob es das wäre, was ich wolle, fragte er mit dem Hintergedanken, dass das Thema Selbstmord mir sehr sensibel war. Was wäre mit der Witwen und den Waisenkindern, wenn sich ein Kunde umbringen würde? Und zu Hause, in Liechtenstein, würde man mich als den grössten Verräter aller Zeiten ansehen. Ob ich das alles bedacht hätte? Ja, ja – klar sehe ich die Probleme, erwiderte ich. Ob ich diese massiven Schwierigkeiten für die Kunden von Hans-Adam wollte, fragt er fast wie ein Pfarrer. Nein, nein, nein – natürlich nicht. Ich fühlte mich in eine Ecke gedrängt. Leiden sollte niemand wegen mir. Das wollte ich nicht. Ich erklärte ihm, er würde nur seine Zeit vergeuden, falls er mir künftig wieder mit der Mitleidstour kommen sollte. Er antwortete nicht und rieb nur den rechten Daumen über die vier anderen Finger kreisförmig vor und zurück. Aha, jetzt kam es mir wieder in den Sinn. Das geliebte Pulver, das geliebte Geld. Hans-Adam verdiente ja Millionen mit seiner LGT. Apropos Geld, fragte ich ihn. Wer kam auf die Schiessidee mir zu schreiben, ob Geld das Problem lösen könnte? Der Bankdirektor lief rot an und sagte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man dies nicht im Text geschrieben. Sondern, fragte ich. Er als Banker würde einen solchen Lösungsvorschlag nur diskret und in einem Gespräch andeuten. Man würde mir auch nochmals anbieten, 330 mich mit Geld sicher nach Südamerika zu bringen. Für ewig sicher, fügte er an. Aha, "für ewig sicher" wiederholte ich seine Worte. Vermutlich vergraben auf der mexikanischen Halbinsel, erwiderte ich. Diskretion bis zum Ende, dachte ich. Ich muss euch leider enttäuschen, sagte ich ihm, bei mir gibt es nichts ‚diskret anzudeuten‚. Geld interessiert mich nicht. Er hätte auch kein Angebot in der Tasche, entgegnete er schnell. Ja dann ist ja gut, beendete ich dieses Thema. Er fragte mich, wo ich den wohnen würde, worauf er nur ein Grinsen von mir erhielt. Er fragte sachte nach, ob er mich zum Abendessen einladen könnte. Wir könnten in ein feines Restaurant gehen. Ich hätte doch sicher schon lange nicht gut gegessen. Absolut nicht, ich esse sehr gut, erwiderte ich. Ob ich Geld zum Leben brauche, er hätte von HansAdam ein Budget erhalten, um Spesen und andere Kosten zu bezahlen. Nein, ich habe meine eigenen Euros. Aber Danke. Ich hatte das Gefühl, dass der Bankdirektor noch mehr mit mir reden wollte oder musste. Einem feinen Essen war ich nie abgeneigt. Ich sagte, nur wenn ich das Lokal aussuchen könnte. OK, sagte er, ich solle ruhig ein teures auswählen, egal was es kosten würde. Ich fragte ihn, ob ihm Asiatische Küche schmecken würde. Ja klar, sagte er. Ich verabschiedete mich mit dem Hinweis, dass ich ihn um 18 Uhr auf sein Handy anrufen würde. Er sollte bitte aber erst 15 Minuten nach mir aus dem Park gehen, sagte ich ihm auch. Bis dann Herr Kieber. Bis dann Herr Bankdirektor. Mann war ich froh, dass nichts passiert war. Ich lief so schnell ich konnte in Richtung Bahnhof. Ich setzte mich in eines der vielen kleinen Cafés. Erstmal Luft holen. So, so fein essen gehen wollte man mit mir. Keine schlechte Taktik, dachte ich mir. Egal, riskieren könnte ich es ja. Ich war auch überaus erleichtert darüber, dass man in Vaduz offenbar nicht allzu brutal nach meinem Kopf schreien würde. Gemäss den Schilderungen vom Bankdirektor würde man jetzt in Vaduz auf meine Heimreise hoffen und nicht allzu böse sein, wenn am Schluss niemand zu Schaden gekommen wäre. Ich fragte bei der Touristeninformation nach, welches das teuerste asiatische Restaurant der Stadt war. Es wurde mir ein malaysisches oder indonesisches Restaurant empfohlen. Ich notierte mir die Adresse und ging gleich auf einen Besichtigungstrip. 331 Das Wirtshaus war in einer überschaubaren Ecke der Stadt. D. h. Es gab gute Ecken in der Umgebung sodass ich das Restaurant vor eintreffen des Bankdirektor eine Weile beobachten könnte. Es war 17.15 Uhr. Ich entschied, dass es am Besten wäre, wenn ich hier, schräg gegenüber dem Lokal auf den Bankdirektor wartete. Dadurch konnte die Umgebung beobachten. Man wusste ja nie. Um 18 Uhr rief ich ihn an und gab die Adresse durch. Es war kühl geworden und wenn ich mich richtig erinnere, rieselte der Regen ein wenig. Der Bankdirektor kam zu Fuss. Der Eingang versprach nicht so viel, aber im oberen Stock eröffnete sich ein prächtig dekoriertes Gastlokal. Es waren ausser uns nur zwei, drei andere Gäste anwesend. Wir setzten uns an einen Tisch am Fenster. Weit weg von den Anderen. Es war die erste Gelegenheit, bei der ich etwas gelöster mit dem Bankdirektor reden konnte. Er erschien mir auch etwas entlasteter. Auf einmal fragte er mich, ob ich die Sicherheitsvorkehrungen immer aktiviert halte. Ich sagte, ja natürlich. Warum er dies wissen wollte, fragte ich zurück. Er sagte, man befürchtet in Vaduz, dass ein Unfall passieren könnte und die Feinde wegen eines Systemfehlers oder so die Daten bekommen könnten. Aber nein, versicherte ich ihm, wenn einer hier Fehler manchen würde, dann SIE. Der Bankdirektor erzählte mir auch von den Geschäften zu Hause. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber er erwähnte entweder dass die LGT Gruppe den Kauf der altehrwürdigen Schweizer Treuhand Gesellschaft (die "STG", mit Sitz in Basel) schon gemacht hat oder in Kürze abschliessen würde. Der Preis war um die 200 MIO. CHF. Man sei in Vaduz sehr stolz, dieses Schweizer Haus kaufen zu können. Na ja, erwiderte ich - wenn es sein muss. Nach der Vorspeise und zwei Gläsern feinem Wein, wurde seine Zunge etwas lockerer. Ich fühlte mich wohl und nicht bedroht. Ich hatte ein Gefühl, dass nun alles gut gehen würde. Bis er sich entschloss, quasi als einen Wink mit dem Zaunpfahl, mehr noch, als Zeichen der Überlegenheit, mir mitzuteilen, dass Hans-Adam und seine Gehilfen jederzeit die Macht und die Mittel dazu hätten, mich nach Liechtenstein bringen zu lassen. 332 Ich schluckte erstmal leer und fragte aufsässig: Wie denn? Nichts leichter als das, fuhr er fort, eine angeheuerte Truppe könnte mich in nullkomma-nichts überwältigen, in den Kofferraum eines Diplomatenwagen stecken und in zehn Stunden wäre ich auf dem kalten Betonboden des Gefängnisses in Vaduz zu finden. Mir wurde kotzübel. Ich dachte, hoffentlich sind meine eigenen Sicherheitsvorkehrungen stabil genug. Er merkte, dass ich nervös wurde und beruhigte mich schnell, indem er sagte, dass diese Lösung angeblich nie ernsthaft diskutiert worden wäre und angeblich niemand dies wollte. Im Gegenteil, alle hofften, dass man mit „mir reden kann‚ und ich freiwillig nach Hause zurück kehre. Ich war immer noch erzürnt und murmelte etwas im Sinne: „Ja, ja versucht’s nur mal mich mit Gewalt in einen Wagen zu packen. Vorher wehre ich mich bis zum letzten Tropfen Blut.‚ Der Bankdirektor hörte mir gar nicht mehr zu, da er schon wieder mit seinem anderen Tropfen, dem Weisswein, beschäftigt war. Morgen sei auch noch ein Tag, kam es aus seinem Mund. Ja, morgen, da sollten wir uns wieder treffen, oder? Ich wollte dies nicht. Er war enttäuscht darüber. Ich sagte, es sei besser wenn er morgen nach Hause fliegen würde und denen dort versichere, dass ich die Daten sicher aufbewahrt hatte. Und das ich nicht nach Hause kommen würde, solange keine wirklichen Anstrengungen unternommen würden, die Fehler von Justiz und STA zu untersuchen. Ich sagte es ihm ungern, aber ich wiederholte, dass ich felsenfest davon überzeugt sei, dass mir Deutschland oder die USA helfen würden. Er schüttelte nur den Kopf. Ist mir egal, was ihr über diese meine Gedanken denkt, es mag zwar sein, dass weder die USA noch Deutschland helfen könnten, sagte ich. Aber eben dieses herauszufinden wäre der einzige richtige Schritt für mich. Entweder räumt Liechtenstein seinen Saustall auf oder eben nicht. Er wollte eine Zusicherung von mir, dass ich mich wieder mit ihm treffen würde, wenn er zurückkehren würde. Klar, natürlich werde ich, sagte ich. Wann er dann wieder kommen wolle. In einer Woche. Gut OK. Passt mir auch. Wir vereinbarten, dass ich ihn am kommenden Freitag oder Samstag auf seinem Handy anrufen werde. Er erklärte mir, dass sein 333 Handy nicht abgehört wird. Er schwöre es. Die Behörden seien ja auf Geheiss von Hans-Adam aus dem Spiel draussen. Ich erwiderte kühl, ja, ja – wer’s glaubt wird selig. Er fragte mich, ob ich noch zur so später Stunde eine Heimfahrt nach Rotterdam finden würde. Ja, sagte ich. Die Züge fahren bis spät in die Nacht. Also bis nächste Woche dann. Ja, bis dann. Er bestellte die Rechnung. Er bezahlte und ich bedankte mich für das feine Essen. Mein Abendbrot kostete sechzig Euro. Guten Flug Herr Bankdirektor. Gute Heimfahrt Herr Kieber. 334 KAPITEL 15 Heinrich‘s Tod in Utrecht VADUZ März 2003 (1) Hans-Adam und Alois warteten ungeduldig auf die Rückkehr vom Bankdirektor. Dieser landete am frühen Nachmittag des 04.03. aus Amsterdam kommend in Zürich. Dieses Mal wurde er vom Firmenwagen der LGT Gruppe abgeholt und gleich hoch zum Schloss gefahren. Er berichtete über das Treffen mit Kieber. Ob er die Datenträger gesehen hätte, fragte der Schlossherr. Nein, aber er wäre sich ganz sicher, dass Kieber auf sie aufpassen würde. Und die Papierdokumente, wo sind diese? Er wisse es nicht, erwiderte der Bankdirektor. Und die Schutz-ID, hat Kieber sie wieder verlangt? Ja, aber nur zu Beginn. Kieber hätte die Meinung geändert, schilderte der Bankdirektor, er würde sich überlegen, ob er auch ohne sie leben könnte. Solange er sich an gewisse Grundregeln im Bezug auf Reisetätigkeiten halten würde, würde er es sicher überleben. Kieber würde aber ausrichten lassen, dass, sollte seine Identität im Ausland erkannt werden, und die Aufdeckung der Daten eine Konsequenz daraus wäre, dieses Risiko alleine Hans-Adam und die Finanzbuden in Liechtenstein übernehmen und akzeptieren müssten. Der Bankdirektor sagte auch, dass er denke, selbst wenn man Kieber nun die Schutz-ID anbieten würde, er sie nicht mehr annehmen wolle. Der Bankdirektor hätte im Gespräch mit Kieber den Eindruck erhalten, als würde er es einfach darauf ankommen lassen, ob nun seine Identität entdeckt würde oder nicht. Dass es dem Kieber bald wurscht sein würde, ob ihm nun Vaduz bei diesem Punkt helfen würde oder eben nicht. Hans-Adam bat den Bankdirektor über diese Wahrnehmungen mit dem Professor zu reden, um so ein genaues, momentanes Bild von Kiebers Psyche erstellen und dementsprechend handeln zu können. Nachdem die Polizei und Justiz von Hans-Adam aus dem KKZ ausgeschlossen wurden, musste man nur noch den Regierungschef Hasler und den Professor informieren. Der Professor analysierte die neue Situation und kam zum Schluss, dass Kieber an eine friedliche Lösung glaube, sehr gesprächsbereit wäre und man auf keinen Fall die Kommunikation unterbrechen sollte, wollte man eine mögliche Katastrophe abwenden. 335 Vermutlich würde es aber mehrere Gespräche und daher Reisen zu Kieber bedürfen, bis dieser soweit bearbeitet wäre, nach Hause zu kommen. Hans-Adam ordnete an, dass der Bankdirektor weitere Reisen nach Holland in seinem Zeitplanung vorsehen sollte. Vor der nächsten Reise solle er ihn oder seinen Sohn nochmals kontaktieren. Er würde dann genaue Anweisungen erhalten. Amsterdam März 2003 (a) Ich genoss meine Freiheit in diesem schönen, grossen Land. Obwohl Liechtenstein auch ein wunderschönes Landschaftsbild mit den Bergen, dem Rhein und den Wiesen und Wäldern abgibt, war das neue Leben in Holland für mich sehr attraktiv. Ich wollte und musste mein Monnikendam vor Entdeckung durch Hans-Adam schützen. Deswegen musste ich tief in die Trickkiste greifen, um nach dem Abendessen mit dem Bankdirektor, den Weg nach Hause so gut es ging verschleiern. Fast eineinhalb Stunden brauchte für den Heimweg, aufgeteilt ein Drittel Taxi, ein Drittel Bus und der Rest zu Fuss. Fest im Glauben, dass man in Vaduz das richtige tue, schlief ich beruhigt ein. Ich mietete mir für die nächsten sieben Tage ein Fahrrad und erkundete die nähere Umgebung. Am letzten Tag meiner Fahrradmiete war ich in Amsterdam City zu Fuss unterwegs. In einer der kleinen Seitengassen wurde ich von einem jungen, etwas traurig dreinschauenden Mann auf einer Brücke auf Englisch ruppig aber leise angesprochen. Das man angepöbelt wurde, kam des öfteren vor, vor allem in dem Stadtteil, wo Drogen konsumiert oder verkauft werden. Zu einer Plage wurde die Anmache aber nicht. Dieser Mann wollte weder Drogen verkaufen noch welche kaufen. Er sah aber wie ein typischer Drogenkonsument aus. Zu meinem Erstaunen fragte er mich, ob ich dieses Hollandrad, das er mit einer Hand festhielt, kaufen möchte. Er bräuchte unbedingt Geld. Es war ein schönes Modell. 3-Gang und rabenschwarz. Sah nicht sehr alt oder gebraucht aus. Ob es ihm gehören würde, fragte ich. Ja, sagte er. Wie viel? Fünf Euro. Wie viel? 50?, Nein! Fünf Euro und es ist deins, sagte er. Nachdem ich ihn von oben bis unten genauer gemustert hatte, um zu sehen ob er mir kräftemässig gewachsen wäre, sagte ich zu ihm, dass er ein Dieb sei und dazu ein blöder. Ich sagte ihm, dass jeder doch sofort merken würde, dass er das Velo 336 gestohlen haben muss, wenn er es für nur fünf Euro verkaufen würde. Nein Danke, sagte ich. Ich hätte mein eigenes Velo. Verärgert ging er weg und schob das Velo vor sich hin. Ich beobachtete, wie er schon die nächste Person anquatschte und wahrhaftig, nach drei Minuten, vermutlich für die fünf Euro, wechselte das Bike den Besitzer. Der neue, stolze Eigentümer kam an mir vorbei und ich rufte ihm auf Englisch zu, günstig gekauft, das geklaute Fahrrad, Yes? Er starrte mich mit Entsetzten an und entfernte sich in aller Eile mit seinem neuem Besitz. Das Wetter wurde immer schöner und ich mietete mir das Velo für einen weiteren längeren Zeitraum. Oft radelte ich nach Volendam, eine andere Stadt in der Provinz Noord-Holland, die am Ostufer des Markermeers lag, dass wiederum ein Teil des Ijsselmeers war. Volendam liegt etwa 20 Kilometer nördlich von Amsterdam und war bekannt für feinen (Edamer) Käse. Was für ein Unterschied, biken in Holland war ganz ohne Qual. Alles flach und übersichtlich und viele Radwege überall hin. Ich begann auch mit dem Fahrrad regelmässig nach Amsterdam zu radeln. Auf der Rückseite des Hauptbahnhofs, an der nördlichen Flussuferseite (Amsterdam Nord) konnte ich mein Velo am Ende des langen Buikslotenweg an geeigneter Stelle stehen lassen und die GratisFähre rüber zum Hauptbahnhof nehmen. Manchmal genoss ich die Überfahrt so sehr, dass ich einfach 30 Minuten lang auf dem Schiff ausharrte und mit hin- und herfuhr. Einmal fuhr ich schon um fünf Uhr in der Früh von zu Hause los und war dann einer der ersten am Pier. Ich kettete mein Velo an eine lange Stahlröhre und nahm die Fähre rüber. Nach ein paar Stunden in der City kehrte ich zum Fahrrad zurück. Aber welches war meines? In der Zwischenzeit waren sicher 200 andere Velos auf dem Platz. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meines erkannte; fast alle Fahrräder in Holland sehen gleich aus. Auch wünschte ich mir, ich hätte auf die Warnung meines Velovermieters gehört, als dieser sagte, ich solle die Pumpe vom Velo wegnehmen, wenn ich das Velo irgendwo abstellen würde. "Seinen Rat ich nicht befolgte, drum ich auch keine Pumpe mehr vorfinden sollte". Ich plante, den Bankdirektor am Freitag anzurufen. Dieses Mal wieder aus einer anderen Stadt. Leiden, südwestlich von Amsterdam, sollte es sein. Ich war erstaunt, wie billig Zug fahren in Holland war. Wirklich! In 35 Minuten war ich schon dort angelangt. Ich rief ihn um die Mittagszeit an und er schlug vor, da er ja glaubte ich würde in Rotterdam wohnen, dass wir und doch auf halbem Weg treffen könnten, in Utrecht. OK, 337 sagte ich. Er hätte sich für drei Tage und zwei Nächte Zeit genommen. Er müsse mir wichtiges sagen. Gut, erwiderte ich und bestätigte ihm, dass ich ihn am kommenden Montagnachmittag auf seinem Handy anrufen würde. Keine Überraschungen, ermahnte ich ihn. Natürlich, keine einzige, meinte er. Am Sonntag sah ich mir Utrecht an. Hauptstadt der Provinz Utrecht. Auch nur 30 Minuten mit dem Zug von Amsterdam Ceentral. Eine Stadt mit vielen historischen Bauten. Vor allem der berühmte gotische Dom mit seinem Kreuzgang und dem freistehenden Turm währen da zu erwähnen. Ich spazierte durch die Strassen und Gassen. Nicht viele Touristen unterwegs. Als Treffpunkt geeignet, erkannte ich. Ich notierte mir die Zugverbindungen und rechnete die benötigte Anreisezeit für Montag aus. In einem Internetcafé aktivierte ich meine „Lebensversicherung‚. Wieder zu Hause abgekommen, prüfte ich mein ganzes Gepäck und verstaute alle Unterlagen und Datenträger behutsam im Handkoffer. Es war noch Zeit für einen kleinen Schwatz mit Jane in ihrem Garten. Mehr und mehr Blumen blühten und sie strahlte deswegen sehr. Meistens war ich der einzige Gast im Haus. Meine Wäsche konnte ich nicht bei ihr Waschen. Im Dorf gab es aber eine Kundenwäscherei, die den Auftrag jeweils zu meiner grössten Zufriedenheit ausgeführt hatte. Für fast alle Handwerksbetriebe in Monnikendam waren dies ruhige Zeiten. Erst im Sommer, wenn die Besucher kommen, dann sollte es hektisch zu und her gehen und die Umsätze steigen. Am Montag, den 10.03. gab es dann die zweite Zusammenkunft mit dem Bankdirektor. Als Treffpunkt hatte ich ihm den Dom vorgeschlagen. Er soll dort bitte pünktlich um 14 Uhr auf mich warten. Von einer verdeckten Stelle aus konnte ich den Platz gut beobachten. Er kam alleine. Ich liess ihn bewusst 15 Minuten einsam dort stehen. Er nahm mehrmals das Handy aus der Manteltasche und blickte auf das Display. Diese Mal hatte ich ihn nicht aufgefordert, sein Handy auszuschalten. Ich lief auf ihn zu und wir begrüssten uns freundschaftlich. Er wollte wissen, ob ich meine Sicherheitsvorkehrungen eingeschaltet hätte. Ich bejahte es und bat ihn sein Handy jetzt auszuschalten. 338 Ich unterwies ihn, bitte in Zukunft mich deswegen nicht mehr zu fragen, er solle dies als gegeben annehmen. Für jedes Treffen. Da wir nun schon mal da waren, wollten wir was für die Bildung tun und besuchten den Dom. Wie lasen uns durch die vielen Hinweistafeln durch und waren besonders von den in den Boden eingelassenen Schrifttafeln beeindruckt. Der Dom wurde zwischen dem 13. und 16 Jahrhundert gebaut. Wir konnten lernen, dass Kaiser Heinrich der V. (Heiliges Römisches Reich, Schwiegersohn von Heinrich I. von England) im Jahr 1125 in Utrecht starb. Na dann wollen wir mal hoffen, dass ein anderes Geschlecht, welches das Heilige Römische Reich überleben konnte (die „‚von Liechtenstein‚), nicht dafür sorgen würde, das im Jahre 2003 ein anderer Heinrich – nämlich der Heinrich Kieber - hier in Utrecht seinen Tod finden sollte, betete ich laut vor. Wir lachten beiden darüber. Nun aber zum Business, sagte der Bankdirektor. Als Zeichen des Guten Willens mir gegenüber, so wurde mir erklärt, hätte sich Hans-Adam diskret an vertrauenswürdige Staatsrechtler ausserhalb von Liechtenstein gewandt. Diese sollen prüfen, wie man in dem festgefahrenen Strafverfahren gegen Helmut Roegele & Co. am Besten vorgehen sollte. Hans-Adam würde die Kosten dafür persönlich übernehmen. Er konnte mir die Freude buchstäblich von den Augen ablesen. Ohne die mir unbekannten Akademiker (die erwähnten Staatsrechtler) düpieren zu wollen, sagte ich, wäre es doch am Einfachsten, wenn die STA den Fall wieder öffnen und dann die Anklage erstellen würde. Dazu bräuchte Hans-Adam nur ein paar Telefonate zu führen. Und er müsste wegen mir nicht einmal irgendein Gesetz brechen oder erwürgen. Die Liechtensteiner Strafprozessordnung sieht eine solche Möglichkeit explizit für das Staatsoberhaupt vor. Deswegen hatte ich ihm ja, nebst der Tatsache, dass er der Besitzer der LGT war, Anfang Januar 2003 den Brief geschrieben. Schon mit diesen wenigen Schritten, wäre ich HansAdam auf immer und ewig dankbar, versicherte ich. Die Untersuchung war seit langem fertig, jeder halbwegs zum Denken fähige STA sollte es zustande bringen, binnen kürzester Zeit eine Anklageschrift beim Kriminalgericht in Vaduz einzureichen, betonte ich. 339 Ich sagte auch, dass sobald die Anklage für rechtsgültig erklärt würde, ich am nächsten Tag wieder in Vaduz auf der Matte stehen würde. Mit den Daten und allem was dazugehört. Mehr könnte und würde ich nicht verlangen. Ohne der Zukunft vorauszueilen, hob ich weiters hervor, würde nach erfolgter Anklage der Oberste Gerichtshof in Vaduz den zu erwartenden, letztinstanzlichen Entscheid in der Zivilsache ums blockierte Geld aussetzen, um das Urteil im Fall 101er abzuwarten. Der Bankdirektor nickte zustimmend. Ich würde auch Hans-Adam die Kosten ersetzten, versprach ich. Sofern es mir finanziell möglich sein sollte, musste ich nachschieben. Der Bankdirektor holte tief Luft und sagte: Als Zeichen des guten Willen gegenüber Hans-Adam erbitte dieser, dass ich anfangen würde, die Extrakopien, also eine der elektronischen externen Harddisks oder DVDs zu vernichten. Stück für Stück. Ich hatte nicht viel Zeit erstaunt zu sein, denn der Vortrag war noch nicht zu Ende. Auch würde Hans-Adam gerne vom Bankdirektor bestätigt bekommen, dass ich die über 2000 Stück Originalpapierdokumente ebenfalls anfange zu zerreissen. Man könnte mir einen Dokumentenvernichter zur Verfügung stellen oder das Geld zum Kauf dafür geben. Wie bitte, fragte ich ihn entsetzt. Das ich eine kleine Harddisk zerstöre, leuchtet mir ein. Aber ihr wünscht euch, dass Originaldokumente, mit Originalunterschriften der Kunden vernichtet werden? Ihr wollt dies wirklich, erkundigte ich mich. Muss wohl ein Witz sein, sagte ich. Nein, verdeutlichte er. Die Kunden wissen ja nicht, dass ihre Originalpapiere, die ja keine Wertpapiere waren, fast 1000 Kilometer entfernt von dort wo sie sein sollten, waren. Zudem hätte man ja jedes Dokument auch im elektronischen Speicher bei der LGT. Das stimmte. Ich weiss nicht warum, aber mir gefiel der Gedanke überhaupt nicht. Nicht das ich Mühe damit hätte, die über 2000 Seiten in den Papierfresser zu stopfen, aber ich vertrat die Meinung, das die Dokumente dem Kunden gehörten und sie wieder dorthin zurück gelangen sollten, wo sie hergekommen sind. Offenbar hatte sich der Bankdirektor keine solchen Gedanken gemacht. Er runzelte die Stirn und fragte wie die Papiere denn transportiert werden sollen. Es bedarf einiger Überredungskunst, um ihn zu überzeugen, dass er doch die Papiere in Etappen wieder mit nach Hause nehmen könnte. Ich könnte ihm morgen schon einige Stapeln bringen. Kopien jener Dokumente hätte ich ja auch auf meinen elektronischen Datenträgern. Mir wäre es sogar lieber, wenn ich die Papiere loswerden könnte. Immer 340 diese Schlepperei, sagte ich. Was aber, wenn er an der Grenze kontrolliert würde und man in seiner Tasche tausende Bank- oder Treuhandpapiere aus Liechtenstein finden würde. Mein Gott, sagte ich zu ihm, er sei doch der weitgereiste Bankdirektor. Wie viel Gepäck er sich für diese Reise mitgebracht hätte, fragte ich ihn. Eine Mappe und ein Handrollkoffer. Das ist doch schon ein guter Anfang, rief ich aus. Er soll seinen Pyjama und die Zahnbürste in die Mappe quetschen und die Papiere in den Rollkoffer. Diesen soll er am Flughafen Schiphol als Gepäckstück aufgeben und nur mit der Mappe als Handgepäck reisen. Soweit ich wusste, wurde in Amsterdam bei aufgegebenem Handgepäck noch keine Extrakontrolle durchgeführt. Der Abflug war also kein Problem. Bei Ankunft in Zürich sei er ja schon fast auf heimischem Boden. Die Schweizer Zöllner würden bei einer Kontrolle keine Fragen zu solchen Papieren stellen. Dem Bankdirektor gefiel die Idee noch nicht so ganz. Mir kam nicht in den Sinn, warum er Angst davor hatte. Er müsse mit Hans-Adam Rücksprache halten. Kein Problem, sagte ich. Wenn er möchte, so könnte er alles schon morgen haben, offerierte ich ihm. Falls alles in seinen Koffer passte, fügte ich hinzu. Er entfernte sich von mir und machte ein Telefongespräch. Nach 20 Minuten kam er zurück und strahlte über das ganze Gesicht. HansAdam sei begeistert von der Idee. Und er schätze meine Fürsorge um die Daten. Bitte, gern geschehen, erwiderte ich. Also gut, ich würde ihm als Zeichen des guten Willens Teile der Daten morgen übergeben. Wo, fragte er. Ich antwortete, lass uns doch in Amsterdam treffen. Von "Rotterdam" wäre es nur eine Stunde mit dem Zug. Der Bankdirektor war damit einverstanden. Ob ich schon eine elektronische Kopie bis Morgen vernichten würde, fragte er höflich. Nur nicht so übereifrig, sagte ich. Eines nach dem Anderem. Morgen gibt es die Dokumente und dann sehen wir weiter. Ich erklärte ihm auch, dass ich es gar nicht eilig hätte. Und ich zum Schluss gekommen sei, dass ich die Schutz-ID wirklich nicht mehr wolle. Ich würde schon ohne sie durchkommen. Wenn die in Vaduz so stur seien und den Vorteil für sie nicht sehen wollen, dann müssten sie eben dieses Extrarisiko selbst tragen. Ich müsste jetzt wieder heim nach Rotterdam fahren, sagte ich zu ihm. Er wollte mich noch zum Abendessen einladen. Ich lehnte dankend ab. Wir verabredeten, uns am nächsten morgen um 11 Uhr in der Lobby des Hotel Marriott, in der 341 Stadhouderskade zu treffen. Ich versprach mit den Dokumenten zu kommen. Ich warnte ihn, es solle mir ja keiner folgen. Es sei zwecklos, machte ich im vor, da die Papierdokumente nicht am selben Ort seien, wo die elektronischen Datenträger aufbewahrt würden. Aber nein, niemand würde mir folgen, er sei alleine da, versicherte er mir immer wieder. Und was war dann das ganze Gerede beim ersten Treffen, über gewaltsame Verschleppung und so? Ich solle dies vergessen, bat er mich. Alle nur dummes Geschwätz. Na wollen wir mal hoffen, dass das stimmt, sagte ich als Abschiedsgruss. Auf Umwegen lief ich zum Bahnhof und nahm erst den dritten Zug nach Amsterdam. Ich wechselte mindestens vier Mal den Platz. Keiner zeigte Interesse an mir. Nach Ankunft im Hauptbahnhof in Amsterdam bestieg ich die kleine Fähre rüber nach Amsterdam Nord. Mein Fahrrad hatte niemand geklaut. Aber einen Platten hatte ich. Mist! Zum Glück gab es ca. 300m nordwärts, am Buikslotenweg auf der linken Seite, ein Fahrradgeschäft mit Reparaturstätte. Für ein paar Euro war die Sache geregelt. Ich radelte mit Genuss Richtung geliebtes Heim in Monnikendam. Das Fahrrad durfte ich immer neben dem Schuppen am Ende des Gartens abstellen. Es brannten keine Lichter mehr im Hause. Jane und ihr Mann mussten wohl ausgegangen oder schon zu Bett gegangen sein. Ich verspürte den Drang wieder etwas für meine Fitness zu tun. Monnikendam hatte ein Gemeindehallenschwimmbad. Ein kleines Sportgebäude und leider war das Wasser im 25m Becken nur hüfttief. Etwas ungewohnt, aber zur Muskelbewegung reichte es allemal. Wieder zu Hause packte ich die Papierstapel aus und schaute sie mir nochmals an. Da war Eines mit der Unterschrift von Klaus Zumwinkel. Einer der deutschen PEPs. Wenn der wüsste, was hier vor sich ginge, dachte ich. Ich nahm die Hälfte aller Dokumente aus dem Koffer und legte sie für morgen früh bereit. Wie immer verschloss ich in der Nacht meine Zimmertüre von innen. Am Dienstag, den 11.03. war ich schon um 7 Uhr mit dem Velo unterwegs Richtung Amsterdam City. Schwer bepackt mit einer Plastiktüte, die ich von der Wäscherei in Monnikendam erhalten hatte. Darin waren die Unterlagen nochmals in Einkaufstüten eingewickelt. Es war irgendwie ein lustiges Gefühl, als ich mit Treuhandurkunden wie etwa Verträgen oder internen Aktenvermerken und mit Bankbelegen in Milliardenhöhe die frische Brise der kurzen Kanalüberfahrt zum 342 Hauptbahnhof genoss. Ich stellte mir vor, mit welcher Freude ich von jedem Steuerfahnder und jedem Kriminalpolizisten in Holland empfangen würde (auch ohne die elektronischen Datenträger, wo 1000fach mehr Datenmaterial zu finden war). Weihnachten schon im März 2003! Ein Bankett für die Kämpfer gegen Geldwäscherei, Kriminalität und Steuerhinterziehung. Aber offenbar war die Zeit noch nicht reif dafür. Ich nahm mir ein Taxi vom Hauptbahnhof zum Hotel Marriott. Ich war 25 Minuten zu früh da. Ich setzte mich in die Lobby und versuchte, nicht all zu grosse Aufmerksamkeit mit dem langen, dicken Plastiksack zu verursachen. Zu spät. Ein Wachmann sah mich und kam auf mich zu. Er fragte, ob ich Gast wäre, was ich verneinte. Ich sagte, dass ich auf einen Bekannten warten würde. Der Bankdirektor bog gerade um die Ecke. Er musste durch den anderen, kleineren Eingang auf der Vorderseite ins Hotel gelangt sein. Der Wachmann nahm seinen Rundgang wieder auf. Der Bankdirektor war mit seinem geleerten Rollkoffer gekommen. Da ich ihm nicht einfach den Sack so zuwerfen wollte, suchten wir uns eine ruhige Ecke und nahmen Platz. Zuerst drückte ich ihm zwei Bündel mit ca. je 500 Blättern in die Hand und erklärte, dass dies nun die Hälfte der Papiere wäre. So viele, so viele und so schwer, sagte er mit offenem Mund. Er bedankte sich artig, überflog sie schnell und erinnerte sich laut an den einen oder jenen vermerkten Kunden. Dabei machte er Randbemerkungen im Sinne von „oh, nicht dieser‚ oder „was, von dieser Kundschaft auch?‚. Ich erinnerte mich, dass wir eigentlich bis anhin gar nicht gross über die Originaldokumente gesprochen hatten. Selbst beim ersten Treffen wurde ich niemals danach gefragt. Speziell nicht nach der Kategorie von Dokumenten, die ich im Brief an Hans-Adam unter Punkt „III. C)‚ beschrieben hatte. Er berichtete, dass nachdem sie sich in Vaduz vom Schock erholt hatten, spielten die Originaldokumente keine grosse Rolle mehr. Jedes dieser Papierstücke wäre ja ohnehin auch auf dem elektronischen Datenspeicher. Ja genau, erwiderte ich. Was für Papiere sind diese denn, fragt er und zeigte mit dem Finger auf das letzte, kleine Bündel. Ich hielt noch ein kleineres Bündel mit ca. 125 Blatt Papier mit beiden Händen fest, solange bis es der Bankdirektor auch merkte. Er fragte mich: „Und diese Akten?‚ Ich erwiderte scherzend, welche? Er zeigte auf meine Hände. 343 Dies sind die Originaldokumente jener Mandate, deren Vermögen politischen Parteien oder Körperschaften davon gehören, so wie ich sie unter Punkt „VI‚. im Brief vom 7.1.03 beschrieben hatte, sagte ich. Er kannte alle „politischen Mandate‚ und wusste auf Anhieb um welche "Gruppe" es sich handelte. Die Kundendatenspeichersysteme von Treuhand und Bank sind zwar getrennt. Da er aber selber mehrere Jahre bei der Treuhand gearbeitet hatte, wunderte es mich nicht, dass er die Kunden und die Hintergründe zumindest der heiklen, politischen Mandate im Detail kannte. Trotz der hohen Nummer von fast 4000 Mandaten. Ich übergab sie ihm mit der Bitte, diese dem Hans-Adam persönlich zu geben. Er blätterte sie durch und schüttelte mehrmals den Kopf. Er legte sie vorsichtig zu den anderen Papieren im Koffer und zog den Reissverschluss zu. Als würde er sich selber belehren wollen, meinte er, dass die LGT diese Mandate gar nie hätten annehmen dürfen. Nicht auszudenken, wenn diese Mandate der Öffentlichkeit bekannt würden. Wir wunderten uns gemeinsam, was für Motive die Auftraggeber dieser Mandate hatten, Konten in Liechtenstein zu eröffnen und so viele Millionen zu horten. Aus Steuergründen sicher nicht. Besser keine Fragen dazu stellen, schlossen wir das Thema ab. Er müsse jetzt kurz nach Vaduz telefonieren, sagte er mir. OK, ich würde im Terrace Café des Hotels auf ihn warten, erwiderte ich. Als er 15 Minuten später zu mir kam, war seine Freude über meine Lieferung fast schon verflogen. Er richtete ein Dankeschön von Hans-Adam aus. Dieser würde es hoch schätzen, dass ich mich Kooperative zeigen würde und die Loyalität ihm gegenüber aufrechterhalten würde. Hans-Adam würde fragen, wann er die andere Hälfte der Originalpapiere bekommen könnte. Der Bankdirektor erzählte weiter, dass der Landesführer gerne heute noch hören würde, dass ich einen der Datenspeicher vernichtet hätte. Dies darum, weil er sich Sorgen machen würde, falls mir etwas gestohlen würde. Zum hundertsten Male versicherte ich dem Bankdirektor, dass nichts passieren könne. Die Daten seien in einem Safe aufbewahrt, behauptete ich. Er fragte mich, ob ich schon einen Heimreisetermin im Kopf hätte. Ich sagte ihm, dass ich vieles im Kopf hätte, aber leider noch keinen solchen Termin. Zuerst müssten wir doch abwarten, zu welchem Schluss die Rechtsexperten in Sachen Anklage gegen Helmut Roegele & Co. 344 kommen würden. Oder hat Hans-Adam etwas von einer Frist gesagt, fragte ich ihn. Nein, nein, er habe nichts in dieser Richtung erwähnt, aber in Vaduz sei man natürlich der Meinung, je früher ich nach Hause kommen würde, desto besser. Da es schon fast Abendessenszeit war, schlug ich eine Einladung von ihm nicht aus. Wir blieben in der Nähe des Hotels und ich wollte während des Essens kein Wort mehr über die LGT oder Bankengeschäfte im Allgemeinen verlieren. Er erzählte mir von seiner lieben Frau, die ich nie kennen gelernt hatte. Und von seinen gut erzogenen Kindern. Eines Tages, so hoffte ich, würde ich auch Frau und Kinder haben. Das hatte ich aber auch schon vor sechs Jahren gehofft, als ich angekettet in einem feuchten Kerker sass. Er würde noch eine Nacht in Holland bleiben, da er erst für den nächsten Tag den Rückflug gebucht hatte. Ich bedankte mich für seine Gastlichkeit und vor allem für sein Verständnis und die Geduld mit mir. Ich fragte ihn, wann wir uns wieder sehen würden. Er überlegte kurz und antwortete, dass er am Freitag, den 21.03. nach Amsterdam kommen könnte. Gut, sagte ich. Das passt mir sehr. Nicht, dass ich viele andere Termine hätte, scherzte ich. Also, abgemacht, sagte er zum Abschied. Ich solle ihn nächste Woche am 18. oder 19. auf seinem Handy anrufen, sodass wir die Details des nächsten Treffens absprechen könnten. Mach ich doch. Auf Wiedersehen Herr Bankdirektor. Pass auf Dich auf, rief er mir zu. Überzeugt mit der Rückgabe das Richtige getan zu haben, machte ich mich zufrieden auf den Heimweg. Dies nicht ohne die übliche Verschleierungstaktik, was die Streckte anbelangte. VADUZ März 2003 (2) Während Kieber mit dem Bankdirektor lange Diskussionen über die Daten, Gott und die Welt hatte, war man in Liechtenstein auch wieder aktiv geworden. In einer nicht-öffentlichen Sitzung wurde am 10.03. der Einspruch von Kieber vom 07.11.02 gegen die Anklage im Fall 140er vom Gericht einstimmig abgelehnt. Gleichzeitig wurde beschlossen, das (Verbrecher-)Ehepaar Helmut Roegele und Salud Hidalgo als Zeugen der STA einzuladen. 345 Hans-Adam wurde wunschgemäss über diese Beschlüsse informiert und er ordnete an, diese unter Verschluss zu halten, sodass weder Kiebers RA, noch er selbst davon erfahren würden. Dies begründetet HansAdam in einer kurzen mündlichen Stellungsnahme damit, dass man zum Wohle Liechtenstein nichts riskieren dürfte, was die komplizierten Gespräche mit Kieber im Ausland stören könnten. Er befürchtete, dass Kieber explodieren würde, sollte er insbesondere vom Umstand erfahren, dass die STA Helmut Roegele & Co. eingeladen würde. Da der Professor jetzt regelmässig zur Arbeit in Liechtenstein war, mietete er sich ein Zimmer in Triesen. Seine Künste waren jetzt vor allem an der anderen Front in Liechtenstein gefragt. Der ehemalige LLB Banker Lampert verlängerte praktisch jede Woche die Liste seiner Forderungen. Lampert forderte u.a. CHF 700'000.- in bar und sofort. Die LLB war geschockt über seine Rücksichtslosigkeit. Die Regierung Hasler hatte grosse Angst, dass die Medien davon erfahren könnten. Vor solcher Art Publizität hatte man und hat man heute noch eine derartige Angst, wie der Teufel vor dem Weihwasser. Einerseits wollte man auch die begangenen Fehler im Fall LGT vermeiden, andererseits war dieser Fall ganz anders. Erstens war Lampert noch im Land und daher kontrollier- oder überwachbar und zweitens, was aus Liechtensteiner Sicht kein Problem darstellte, verlangte er Geld! Ähnlich wie am Anfang bei Kieber, hatte Lampert noch keinen Beweis geliefert, dass er die Daten hatte. Dies holte er in der zweiten Woche im März nach. Mitte März händigte man ihm dann CHF 100'000.- in bar aus. Was Lampert nicht wusste war, dass die LLB ihn ständig beschatten lies. Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass er sie für die kommenden acht Wochen mehr als einmal an der Nase herumführten konnte. Hans-Adam interessierte dies alles im Moment nur am Rande. Mitte März, am 16. war der Tag. Sein Tag, an dem er für sich und seine Familie über die nächsten hundert Jahre das Sagen in Liechtenstein durch die neuen Verfassung einzementieren lassen würde. Der Abstimmungstag war gekommen. Die Bürger und Bürgerinnen stimmten ab. 66 Prozent Zustimmung für den Hans-Adam. Viele stimmten darum für die neue Verfassung, also für "ihn", weil sie Angst davor hatten, dass sonst Hans-Adam samt Familie und Kunstbildern nach Wien auswandern würde. Da hat man es, Liechtenstein wie in 346 Bayern: Alles ungewisse, jede Veränderung des Status Quo ist zu vermeiden. Die Angst war und ist immer grösser. Nach dem Abstimmungssieg fühlte sich Hans-Adam so stark wie ein Godzilla. Er vergeudete nicht viel Zeit damit, sich bei den 66 Prozent zu bedanken. Die politischen Gegner waren eingeschüchtert und sollten den Sieg von Hans-Adam über sie seit jenem Tag ständig zu spüren bekommen. Schon Tage vor seinem Triumph in der Abstimmungssache, hatte HansAdam anderen Grund zur Freude. Er und sein Sohn Alois kamen an einem Nachmittag zu einem Sechs-Augengespräch mit dem Bankdirektor auf Schloss Vaduz zusammen. Die Dokumente hätte er dem Direktor Dr. Feuerstein am Morgen schon übergeben. Der Bankdirektor übergab dann wunschgemäss das Bündel mit den 125 Blatt Papier an Hans-Adam. Dieser dachte zuerst, es wäre ein neuer Brief von Kieber. Ein dicker Brief. Er nahm die Papiere entgegen und las aufmerksam die Kundennamen und andere Details. Warum er und nicht die Treuhand die Papiere nun habe, fragte er. Etwas verlegen erklärte der Gesandte, dass Kieber damit nur zeigen wollte, dass Deutschland solche Mandate sehr heiss begehren würde. Solle er dies als Drohung auffassen, wurde Hans-Adam laut. Nein, absolut gar nicht. Kieber wollte nur einen Beweis abgeben. Weil HansAdam ihm ja am Telefon erklärt hatte, dass niemand in Deutschland Interesse an den Daten hätte. Der Bankdirektor war sich auch ganz sicher, dass Kieber nie vorhatte, unterzutauchen sondern er sich ganz fest vorgenommen hätte, eine glückliche Lösung für alle Beteiligten zu finden. Dies gefiel dem Landesführer. Hans-Adam wollte daher abgeklärt haben, ob es jetzt nicht besser wäre, Kieber einen der zwei gedruckten Pässe für die paar Wochen, bis er nach Hause kommen würde, auszuhändigen. Wenn es unserer Sache dienlich sein soll, dann müssen wir es in Betracht ziehen, resümierte er. Der Bankdirektor wurde auch mit anderen Neuigkeiten überrascht. Hans-Adam erwähnte im Gespräch, dass man auch in Zürich nicht fündig geworden sei. In Zürich, fragte er nach. Alois deutete an, dass man gewisse alte Ideen aus dem KKZ nichts ganz verwerfen wollte. Eine davon war, herauszufinden, ob Kieber bei seiner Ex-Freundin in Zürich eventuell Datenträger versteckt haben könnte. Es sei in der Zwischenzeit gelungen, ohne Schweizer Teilnahme die Dreizimmerwohnung der besagten Dame zu durchsuchen. Es wurde leider nichts gefunden. 347 Der Bankdirektor erkundigte sich, ob denn die betroffene Frau einer Hausdurchsuchung ohne Schweizer Durchsuchungsbefehl zugestimmt hätte. Wäre gar nicht notwendig gewesen, da man ihre Wohnung erst dann betreten hatte, als feststand, dass sie zu Bekannten in die Ostschweiz abgefahren war, erklärte ihm Alois. Anm.: Als ich dann selber gegen Ende Oktober 2003 von dieser Aktion erfahren hatte, war ich sehr empört. Ich schimpfte dann mit dem Professor Dr. T. Müller darüber. Er wusste von der Sache nichts. Verwundern würde es ihn aber nicht. Meine eigene Nachforschungen ergaben, dass meine Ex-Freundin wahrhaftig zum angegebene Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung war. Sie sagte mir auch, dass sie zu keiner Zeit von irgendjemand über mich befragt worden sei. Ich hatte sie nie über das ganze Drama der LGT-Daten aufgeklärt. Für mich steht fest, dass Hans-Adam sie beschatten lies. Ich gehe davon aus, dass die üblichen Handlanger von Hans-Adam die Wohnung professionell durchsucht hatten, ohne Spuren zu hinterlassen. Der Bankdirektor rapportierte, dass ihn Kieber wieder am 18. oder 19. anrufen würde. Wie abgemacht, hätte er sich einen Flug nach Holland für den 21.3. schon fest gebucht. Er bat um Instruktionen, was er Kieber am Telefon oder beim nächsten Besuch erzählen soll. Amsterdam März 2003 (b) Während ich mich schon auf den nächsten Besuch vom Bankdirektor in knapp zehn Tagen freute, stieg meine Zuversicht Tag um Tag. Ich war heilfroh, mit der Auswahl vom Bankdirektor richtig gelegen zu haben. Mit ihm konnte man wirklich von Mensch zu Mensch reden. Meine Vermieterin hatte keine Probleme mit mir und ich keine mit ihr. Ich war ein ruhiger und kein lästiger Gast, die sie auch ab und zu mal hatte. Ich war die meiste Zeit unterwegs und ging zeitig zu Bett, d.h. selten war ich nach 20 Uhr zu Hause. In dem kleinen Haus konnte man jedes Geräusch hören. Manchmal durfte ich mit ihr und ihrem Mann vor dem grossen TV sitzen und gemeinsam schauten wir uns eine holländische Abendsendung an. In meinem Zimmer konnte ich einen Deutschen Sender empfangen. Ich schaute nie viel Fern, ich war immer schon kein grosser Glotzengucker. 348 Am 19.03. vormittags und am 20.3. um 13 Uhr rief ich den Bankdirektor an. Beim ersten Anruf entschuldigte ich mich, dass ich am 18. nicht angerufen hatte, da ich die Aufgabe in meinem Kalender am falschen Tag eingetragen hatte. Er hatte nicht viel Zeit und bat mich einen Tag später anzurufen, was ich dann auch tat. Am 19.03. rief ich den Bankdirektor an. Das Gespräch war schon nach 2 Minuten zu Ende. Er war sehr kurzgebunden und sagte nur, er sei am Freitag um 10 Uhr im Marriott. OK, sagte ich. Bis dann. Seltsam, sein Ton war auch ganz anders, nicht mehr so freundlich. Hört sich gar nicht gut an, sagte ich zu mir. Aber was soll’s, es hatte keinen Sinn sich darüber gross den Kopf zu zerbrechen. Morgen würde ich ja sehen können, was nun wieder los war. Am Freitag, den 21.03. wartete ich schon seit 9 Uhr auf ihn in der Hotellobby. Er erschien auch pünktlich um 10 Uhr. Es gab eine kühle Begrüssung. Er schien über etwas verärgert zu sein. Ich fragte, was los wäre. Er kam mit einer Gegenfrage und wollte wissen, ob ich mit meiner Ex-Freundin Kontakt hatte. Nein, sagte ich, sollte ich? Und wer will das wissen? Nein, nichts besonderes, erwiderte er. Einige würden in Vaduz denken, dass ich ihr was gesagt oder erzählt haben könnte. Ich lachte nur und sagte, dass sie doch endlich begreifen sollen, dass ich ein Einzelkämpfer bin und es immer war. OK, wenn es ihnen besser gefallen würde, dann eben ein Einzeltäter. Zudem würde ich nie andere in Gefahr bringen. Dies sei mein Kampf und dies würde immer so bleiben, beendete ich dieses Thema. Der Bankdirektor schien mit meiner Antwort zufrieden zu sein. Er erzählte mir, dass er in Vaduz immer betont hätte, dass er überzeugt wäre, dass ich eine One-Man-Show wäre. Wir wechselten von der Lobby zum Terrace Café des Hotels. Ich wollte von ihm wissen, ob man mir schon Neues zum Thema Anklage gegen Roegele & Co. sagen könnte. Er schluckte sicher zwei Mal leer und erzählte, dass er leider nichts Neues gehört habe. Wie soll ich dies verstehen, fragte ich. Dies sei unter der Kontrolle von Hans-Adam und dieser hätte ihm beim letzten Meeting nichts Frisches gesagt, was er mir mitteilen könnte. Er erzählte weiter, dass man in Vaduz wieder ungeduldiger geworden sei. Man würde dort nicht verstehen, warum ich nicht nach Hause kommen würde, jetzt wo doch alles in die Wege geleitete worden sei. Ungeduldig fragte mich der Bankdirektor noch mehrmals während dieses Besuchs, wie viele Reisen er noch machen müsse. Er als Bankdirektor hätte auch andere Verpflichtungen. Das Geschäft blühe zu 349 Hause, man brauche ihn auch dort. Schliesslich hätte er auch eine Mannschaft zu leiten und das ihm direkt unterstellte Führungsteam würde sich schon wundern, warum er praktisch jede Woche ein, zwei Tage verschwindet. Auf Anordnung von Hans-Adam wisse niemand von der LGT ausser seiner persönliche Sekretärin und Herr Piske, (vom Vorstand der Bank) dass er auf heikler Mission wäre. Im elektronischen Kalender der LGT wären seine Besuche als Kundentrips getarnt. Ob ich schon eine Ahnung davon hätte, wann ich nach Hause kommen würde. Ich erwiderte, ich kann jetzt nicht nach Hause kommen. Für mich habe sich nichts geändert. Wo sei der Beweis, dass man wenigstens ein Teil meiner Bitten erfüllt hätte? Ich bleibe lieber hier in Holland und wenn alles so läuft, wie man mir durch ihn ausrichten lässt, dann sehe ich kein Problem, in der nahen Zukunft nach Hause zu kommen. Hans-Adam lässt nach nachfragen, ob ich schon einen der elektronischen Datenträger vernichtet hätte, sagte er. Ich musste leider eine negative Auskunft geben. Aber ich versprach ihm, bis zum nächsten Besuch eine solche Kopie der Daten zu vernichten. Ob er den Beweis für die Zerstörung bräuchte, fragte ich ihn. Er verneinte. Er wäre sinnlos einen Beweis nach Vaduz zu bringen, da es ja technisch kein Probleme für mich wäre, vor der Zerstörung wieder eine neue Kopie zu machen. Darum wäre es reine Zeitverschwendung auf einen solchen Beweis zu beharren. Er argumentierte, dass ich doch innerhalb einer Woche eine Entscheidung treffen könnte, ob ich nach Hause zurückkehre. Er sei unter Druck von Hans-Adam. Wie gesagt, würde dieser immer ungeduldiger. Dennoch, als weiteres Zeichen seines Guten Willens könnte er mir folgendes offerieren. Wenn ich ihm, und damit Hans-Adam, jetzt versprechen würde, dass ich spätestens bis Ende April, also in ca. fünf Wochen, wieder in Liechtenstein sein würde, dann käme er am 2. oder 3. April wieder nach Amsterdam und würde mir einen der zwei Pässe als Schutz-ID für die Reise nach Hause übergeben. Ich müsste mich aber auch verpflichten und dies hoch heilig schwören, dass ich im April alle Datenträger vernichte und nichts mit auf die Reise nach Hause nehmen würde. So, so – was hat euch bewegt, mir auf einmal einen Schutz-Pass auszuhändigen. Die Antwort darauf wüsste ich ja, erwiderte er. Und wie würdet ihr verhindert, dass – wenn ich wollte, rein theoretisch – mit dem Pass in eine „andere Richtung‚ reise. Auch dafür hätte man 350 vorgesorgt, sagt er. Ich war schon ganz gespannt, welche Lösung sie dafür gefunden hatten. Er verdeutlichte. Um zu verhindern, dass ich den Pass als neue Lebensgrundlage verwenden würde, würde man - falls ich am 30.04.03 im Laufe des Tages nicht in Vaduz eintreffen würde, den Pass am 01.05. polizeilich als gestohlen melden und die Passnummer in ein internationales Register eintragen lassen. Keine schlechte Idee, erwiderte ich. Und die Daten? Was ist, wenn ich – rein hypothetisch – mit Daten und Pass auf Wanderschaft gehen würde? Was er dann zur Antwort gab, erstaunte mich schon und bewies mir, dass sie sich offenbar in die Materie, in die Gedankenwelt von mir vertieft hatten. Er schilderte mir, dass man in Vaduz alle meine möglichen Optionen studiert hätte. Davon hätte ich nur zwei: A) ich finde eine friedliche Lösung mit Hans-Adam oder B) ich suche die Hilfe bei den Deutschen oder Amis. Ein Abtauchen oder Untertauchen als „Ulrich Meier‚ mit den Daten würde keinen Vorteil für mich ergeben, beendete er deren Theorie. Der Bankdirektor sagte mir „im Vertrauen‚ (was immer dies bedeutete), dass man sich in Vaduz sicher sei, dass ich die oben genannte Variante A) auswählen würde. Dies würde im Grossen und Ganzen ungefähr meinen Vorstellungen entsprechen, offenbarte ich ihm, auch „im Vertrauen‚. Mit dem Aushändigen des Passes wollte man mir den Stress der Heimreise nehmen. Natürlich müsste ich im Tausch alle meine Ausweise, die auf Heinrich Kieber lauteten, aushändigen. Ich erbat mir Bedenkzeit von ein paar Tagen. Der Bankdirektor hatte bei diesem Besuch nicht viel Zeit für mich. Er bat mich ihn spätestens in einer Woche wieder anzurufen. Wir verabschiedeten uns und ich entfernte mich mit dem üblichen Verwirrspiel in Richtung Menschenmenge. In den folgenden Tagen überlegte ich, ob ich das Angebot annehmen sollte. Ich sagte zu mir, dass ich es dem Landesführer Hans-Adam hoch anrechnen sollte, dass er mit mir - wenn auch nur durch seinen Gesandten – überhaupt redet. Oder vielleicht das Angebot doch nicht annehmen? Würde es nicht eher so sein, dass sie mir genau dass sagen, was ich hören will, fragte ich mich auch ständig. Er war zum Verrückt werden. Wenn ich nur nicht so misstrauisch wäre. Aber ich konnte ja mit niemandem reden. Eine Minute lang dachte ich alles passiere so, wie man es mir geschildert hatte. Die nächste Minute glaubte ich wieder kein 351 Wort von dem, was man mir gesagt hatte. Aber so konnte es auf ewig ja nicht weitergehen. Irgendwann musste ich klein beigeben oder sie klein beigeben, ich die Bombe zünden oder sie Gewalt anwenden. Dies waren in Wahrheit die Möglichkeiten. Ich konnte keinen definitiven, keinen klaren Entscheid fällen. Ich war sehr traurig, da zu jener Zeit meine Schwestern und meine Mutter ihren Geburtstag feierten. Ich hätte keine Bedenken gehabt mit ihnen zu telefonieren. Ich konnte es nicht, weil ich keine Kraft dazu hatte. Ich fand auch keinen Gefallen mehr, die schönen Seiten von Amsterdam zu erkunden und die Freiheit zu geniessen. Ich sperrte mich für ein paar Tage im Zimmer ein und verliess es nur, um zu frühstücken und wenn Jane das Zimmer machen wollte. Sie fühlte meine Niedergeschlagenheit. Als Ausrede erzählte ich ihr von einer unglücklichen Liebe. Sie zeigte Mitleid mit mir und das Thema war vom Tisch. Am 28.3. um 20 Uhr rief ich den Bankdirektor an. Er sagte mir, dass er gerade zu Hause bei seiner Familie angekommen sei. Ich erzählte ihm dass ich mehr durcheinander als klar im Kopf sei. Ich wollte keinem Druck ausgesetzt werden und im Grunde hätte man mir nichts gezeigt, was in die erforderliche Richtung einer Anklage der Verbrecher aus Argentinien gehen würde. Ich behauptete, dass ich an die Existenz eines Auftrages von Hans-Adam an ein Rechtsexpertenteam absolut nicht glauben würde. Um meiner Unsicherheit gleich noch eines drauf zu geben, erwähnte ich im selben Atemzug, dass, sollte es dieser Auftrag wirklich geben, ich mich für die Behauptung entschuldigen würde. Er fragte mich, ob er nun am 2. und 3. April kommen soll oder nicht. Ich bat ihn zu kommen. Ich wäre aber nicht sicher, ob es ein fruchtbares Treffen werden würde. Ich versprach ihn am 1.04. wieder anzurufen. Er konsultierte seinen Kalender und bat mich um 13 Uhr anzurufen. Einen friedlichen Geburtstag wünschte er mir aus heiterem Himmel für den kommenden Sonntag. Danke schön Herr Bankdirektor. Bitte, gern geschehen, Herr Kieber. 352 VADUZ April 2003 (1) Jetzt waren es schon bald ganze drei Monate seit Kieber Liechtenstein mit den Daten verlassen hatte. Und immer noch keine Heimreise von ihm in Sicht. Die Restgruppe des KKZ, Hans-Adam, sein Sohn Alois, Regierungschef Hasler, Piske, Feuerstein und der Bankdirektor waren mit der Situation gar und gar nicht zufrieden. Guter Rat in Form einer besten Lösung des Problems war einfach nicht zu finden. Obwohl sich der Professor die allergrösste Mühe gab, die Restgruppe in regelrechten Marathonsitzungen oder in einzelnen Gesprächen davon zu überzeugen, dass man von der fixen Idee ein Problem lösen zu müssen, wegkommen sollte. Natürlich war es aus Sicht Liechtenstein ein massives Problem. Der Professor erklärte ihnen aber, dass es vorerst eine Bedrohung sei und es erst dann ein massives Problem werden würde, wenn Kieber die Datenbombe zünden würde. Man müsse daran arbeiten und darauf aufbauen, was einem mit Kieber verbinden würde und nicht was sie trennen würde. Kieber sei noch immer extrem misstrauisch. Der Professor sagte, dass es zwar gegenseitigen Sympathie und Vertrauen zwischen Kieber und dem Bankdirektor gebe, dass Kieber schlussendlich aber eher dazu neigen würde, die (angeblichen) guten Handlungen, die in Vaduz für ihn gestartet worden seien, nicht zu glauben. Besser wäre es, wenn eine völlig neutrale Person, d.h. neutral aus der Sicht von Kieber, mit ihm reden würde. Er hatte dabei an sich selbst gedacht. Hasler und Feuerstein konnten erst nach intensiven Gesprächen mit dem Professor endgültig von der Idee, Gewalt anzuwenden, Abschied nehmen. Ziel sei es Kieber nach Vaduz zu bringen und dann hätte man ja immer noch die Gelegenheit ihm ein schönes Dankeschön auszudrücken. Der Professor hatte wiederum mehrfach darauf hingewiesen, dass man dem Kieber nichts Versprechen soll, was man von vornherein nicht einhalten würde. Wie so oft in Liechtenstein, spürte auch dieser ausländische Experte, dass sich die Herrschenden im Ländle nicht gerne vorschreiben lassen, wie man auf heimischen Boden zu agieren gedenke. Unbestritten, man brauchte den Professor um Kieber und die Daten nach Liechtenstein zu bringen. Einmal zu Hause angekommen, würden die Ideen und Ratschläge vom Professor allenfalls zur Kenntnis genommen. In diesem Punkt sah man bei Hans-Adam, Alois, Hasler und Feuerstein keinen Spielraum. Nach jeweiligen solchen offenen Gedankenspiele war der Professor beunruhigt. Trotz seiner guten Entlohnung stellte er mehr 353 als einmal die Frage, ob den Worten auch die Taten folgen würden. Ob Hans-Adam die Strafverfolgung der Täter aus Argentinien und die daraus folgenden Konsequenzen wirklich im Sinne habe. Aber natürlich, erwiderte Hans-Adam. Man wäre es Kieber irgendwie schuldig, sollte dieser die Bombe nicht zünden und nach Hause zurückkehren, ergänzte Hans-Adam. Mit dieser Aussage von Hans-Adam war der Professor zufrieden. Er machte aber, mit Blick zu Hasler und der LGT, auch klar, dass er nicht dazu missbraucht werden könnte, dem Kieber Hoffnungen zu vermitteln, die Liechtenstein nie zu erfüllen gedenke. Bei einem weiteren Treffen mit Hans-Adam eröffnete der Professor ihm seine neue Strategie. Es hatte ja nichts mehr gebracht wieder an Kiebers Loyalität, Diskretion und Autoritätsgläubigkeit zu appellieren. Auch nicht viel weiter war man gekommen, als man ihn an seine guten Seiten erinnerte oder sein Schuldgefühl gezielt bearbeitete. Eine dritte Chance Kieber zur raschen Heimreise zu bewegen, sah er darin, Kieber um Hilfe zu bitten. Hilfe? Von Kieber? Der Landesführer wurde hellhörig. Der Professor erklärte, dass er in seiner Arbeit am aktuellen LLB-Fall (Lampert) begriffen hatte, dass man Kieber, völlig realistisch, um Hilfe in diesem Fall bitten könnte. Kiebers Denkvorgänge seien nicht zu unterschätzen und könnten zur Problemlösung mit Lampert angewendet werden. Man müsste ja dem Kieber nicht alle Details erzählen. Aber er hätte schon ein paar Fragen an Kieber, die nur dieser – zwar mit unterschiedlichen Motiven, aber dennoch eben auch als Täter – beantworten könnte. Zudem hätte dies den positiven Seiteneffekt, dass Kieber fühlen würde, dass man ihn als Mensch braucht, als jemand, dessen Meinung gefragt ist. Wenn Kieber etwas in den letzten fünf Jahren mit den Liechtensteiner Behörden erleben musste, so war die eine endlose Abneigung und gigantische Ignoranz. Und da der LLB-Fall in der Tat existiere, müsste man ihn für Kieber nicht neu erfinden. Hans-Adam rief den Bankdirektor zu sich und ordnete ihn an, diese Chance mit dem Professor zu diskutieren. 354 Amsterdam April 2003 (a) Ein neuer Monat, ein neuer Anfang, dachte ich mir. Wie versprochen rief ich am 1.4. pünktlich um 13 Uhr den Bankdirektor an. Er bestätigte seine Ankunft für den nächsten Tag und fragte, ob er den Schutzpass mitbringen sollte. Ende April schien mir einfach zu früh. In ein, zwei oder drei Monaten könnte nicht so viel geändert oder in Bewegung gesetzt worden sein, selbst wenn Hans-Adam am Drücker sei. Doch ich wollte ihn nicht enttäuschen und sagte nichts am Telefon, da mir ganz klar war, dass ich noch nicht nach Hause fahren würde. Ich sagte daher dem Bankdirektor, er könne die Schutz-ID mitbringen. Er freute sich über meine „Einsicht in die Notwendigkeit". Nach dem Anruf kam ich an einem Coiffeurladen vorbei und sah mich im Spiegel. Oh, die Haare waren aber wieder gewachsen, sagte ich zu mir. 20 Minuten später verliess ich den Laden mit einem Haarschnitt wie nach dem Einrücken ins Militär. Nicht dass ich selber irgendwelche Erfahrungen im Militär hätte, das Ländle hat ja keine Armee, aber eine kolossale Kaserne; für die Horde der Internationalen Steuerhinterzieher. Dienstag, der 2.4. Der Bankdirektor hatte schon an einem Fenster im Terrace Café Platz genommen, als ich von der gegenüberliegenden Strassenseite auf das Hotel zuging. Ich sah ihn mir zuwinken. Er fragte mich, ob ich froh sei, dass das Drama mit den Daten bald zu Ende sei. Ich lächelte gezwungen. Ich versuchte das Thema zu wechseln und fragte ihn, was er denn seiner Frau sagen würde, wenn er fast jede Woche nach Holland fliegen würde. Er sagte, dass er sie beschränkt informieren konnte, über das was vor sich ging. Ich war nervöser als sonst, weil ich gleich den Bankdirektor enttäuschen würde. Er war voller Zuversicht und schlug vor, dass wir im nahen Park spazieren gehen. Das Wetter war ja sehr einladend. Er fragte mich, ob ich angefangen hätte, die Datenträger zu vernichten. Ich sagte, dass ich ja noch Zeit dafür hätte. Ich erwähnte dann, dass ich meinen Mietvertrag um zwei Monate verlängert hätte. Zwei Monate, fragte er erstaunt. Ja, bis Ende Mai. Dies darum, weil ich nicht mehr sicher sei, ob ich schon Ende April nach Hause kommen könnte. Er schlug die Hände über seinem Kopf zusammen. Er habe extra den Pass mitgebracht. Ich hätte doch darum gebeten. Ich erwiderte, dass ich 355 es gestern noch nicht genau wusste. Heute aber sei ich mir sicher, dass ich Ende April nicht nach Hause kommen werde. Wo, bitte schön, wäre der versprochene Beweis dafür, dass man die Täter von Argentinien anklagen würde? Ich müsse ihm glauben, obwohl er sich auch nur auf die Angaben von Hans-Adam berufen könnte, versuchte er die Situation zu retten. Ich verlangte, selbst mit Hans-Adam zu sprechen. Dies sollte ja kein Problem sein, da er selbst erlebt hatte, dass man mit mir am Telefon eigentlich normal reden könnte, bemerkte ich. Er sagte, dies sei kompliziert, dafür wäre er ja da. Aber, wenn ich ihm nicht glauben würde, was er schade finden würde, dann hätte man da jemand zur Hand, der mir bei meiner Entscheidungsfindung helfen könnte. Der Bankdirektor erzählte mir, dass man in Vaduz langsam aber sicher die Geduld mit mir verlieren würde. Das wäre nichts Neues für mich, konterte ich. Man würde aber nachvollziehen können, dass ich, in meiner jetzigen Lage, sehr skeptisch gegenüber Vertretern des Establishments sei. Trotzdem sei ich manchmal hartnäckiger als ein alter Esel, fügte er hinzu. Das er auch erkannt habe, dass ich unter massivem psychologischem Druck stehe und es ihn nicht verwundern würde, wenn ich früher oder später ganz durchdrehe. Wenn ich damit einverstanden wäre, könnte ein Psychologe nach Holland kommen und mit mir reden, offerierte er mir. Einen Psychofreak also, rief ich aus. Und wer soll dies den sein, fragte ich. Es dürfe mir den Namen nicht nennen. Aha, griff ich ihn an, wohl wieder so ein Trick, um mich zu benebeln und Zeit für einen Angriff zu gewinnen. Warum kann man mir den Namen nicht nennen? Ich treffe mich mit niemandem, über den ich nicht vorher Bescheid wisse. Er sagte, ich solle mich nicht so aufführen. Es wäre ja kindisch. Der „Psycho‚ wäre eine grosse Hilfe für alle. Er sei wegen einer ganz anderen Geschichte, die sich momentan in Vaduz abspielte, angeheuert worden. Ein anderes schweres Drama, wobei meine Hilfe möglicherweise gebraucht werden könnte. Anderes Drama? Jetzt? Meine Hilfe? Röhrte ich kopfschüttelnd und legte eine Gang beim Laufen zu, um weg von solchen übergeschnappten Ideen zu kommen. Ich sagte ihm auch, er müsse wohl geisteskrank geworden sein. Ich bat ihn, es nicht auf die Spitze zu treiben. Es wäre mir klar, dass die in Vaduz auch unter Zeitdruck stehen und daher auf absurde Geschichten kommen würden, nur um mich nach Hause zu 356 locken. Aber nein, aber nein, sagte er mir. Ich müsse ihm versprechen, dass ich niemandem absolut gar nichts davon erzählen würde. Die Sache sei auch unter strenger Geheimhaltung in Vaduz. Ob ich einen Roland Lampert aus Vaduz kenne. Nein, vielleicht, wenn ich ihn sehe, dann eventuell, erwiderte ich. Dieser wäre ein Ex-Mitarbeiter von der LLB und hätte dort Daten von deutschen Kunden gestohlen und würde jetzt seit Februar/März die LLB erpressen. Wie bitte? Für einen Moment genoss ich die absurde Situation. Da war ich selber mitten in einem länderübergreifenden Krimi, hatte also genug eigene Probleme am Hals, und da kommt man mir mit einer Story, in der ich angeblich ähnliches ZUR GLEICHEN ZEIT IN VADUZ abspielen sollte. Ich hatte absolut keine Zweifel, dass überhaupt jemand Daten von der LLB gestohlen haben könnte. Dies kam in der Vergangenheit vor und wird immer passieren. Dass aber eine Erpressung ausgerechnet jetzt stattfinden würde, wollte ich nicht glauben. Blitzschnell kam mir laut der Gedanke, dass dies eine Taktik sein könnte, wobei man den LGT Fall, also meinen Fall, als zweitrangig herabstufen würde, um mir das Gefühl zu geben, dass man keine Zeit und Ressourcen für mich hätte. Gleich verwarf ich diese Gedanken. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Nicht zu fassen. Die „Konkurrenz‚ schläft wohl nie, witzelte ich. Zuerst ein Psychofreak, dann die LLB, was kommt als nächstes, fragte ich. Die Abdankung des Landesführers? Ganz und gar nicht, erwiderte er. Würde ich im LLB-Fall helfen, dann könnte ich mein ramponiertes Image bei der Justiz und der STA in Vaduz sicherlich verbessern. Geld sei an Lampert schon geflossen, aber man sei sich in Vaduz nicht sicher, ob er all die Daten hat, die er behauptete zu haben. Je mehr der Bankdirektor im Detail darüber erzählte, desto glaubhafter wurde er für mich und umso ernster wurde mein Gesicht. Ich fragte ihn postwendend, ob der Lampert auf der Flucht sei. Nein, der sitze gemütlich zu Hause. Ich war ob dieser Antwort sehr erstaunt. Komisch, sagte ich, der Lampert muss wohl sehr starke Nerven haben oder etwas geisteskrank sein. Die grösste Knacknuss im LLB-Fall wäre, meiner Meinung nach, herauszufinden, ob und wie viele Kopien der Daten er habe. Genau dies sei das Kernproblem, erwiderte der Bankdirektor. Ich fragte ihn, was dies alles mit mir zu tun habe, die LLB wäre ja das Problem der Regierung, der Aktienmehrheitsbesitzerin der LLB und nicht das Problem von Hans-Adam oder seiner LGT. 357 Der Bankdirektor versuchte mir eine Heimreise schmackhaft zu machen, indem er sagte, dass, wenn ich nach Hause kommen würde, man mich bitten würde, mit dem Lampert zu reden. Ich sollte versuchen, ihm die Erpressung auszureden und herausfinden, wie viele Daten, vor allem wie viele Kopien er davon er habe und wo er sie versteckt haben könnte. Warum gerade ich, fragte ich. Schickt doch euren Top-Psycho hin. Der kann dies sicher tausendmal besser. Der Bankdirektor sagte, dass der Psychologe, intern "der Professor" gerufen, noch nicht persönlich mit dem Lampert gesprochen hätte. Warum nicht, war die logische Frage von mir. Weil man noch abwarten wollte. Einem Professor würde der Lampert nichts erzählen wollen, mir schon eher, sagte der Bankdirektor. Warum das, fragte ich und fuhr fort: Soll ich den einfach zu Lampert gehen und ihm sagen: „Hallo ich bin der Heinrich Kieber aus Mauren, ich habe auch tonnenweise Daten von einer „Bank‚ gestohlen, komme gerade von einer „Tour de Daten‚ in Berlin und Amsterdam zurück, habe die Sinnlosigkeit der Handlung erkannt und bin jetzt hier um dich vor einem grossen Fehler zu bewahren.‚ Ja ungefähr so, erwiderte der Bankdirektor. Einen Versuch wäre es Wert, meinte er. Aha, sagte ich, obwohl mir dies alles keinen Sinn mehr ergab. Sowieso, ich hätte genug andere Probleme, ich hatte keine Zeit oder Energie um der LLB zu helfen, sagte ich. Es wäre ja primär keine Hilfe für die LLB, sondern fürs ganze Land. Die LLB sei ja de facto eine Staatsbank, meinte der Bankdirektor. Was ich ja wusste. Hans-Adam würde auch froh sein, wenn ich meinen Anteil an der Lösung des LLB-Falls beitragen könnte. Mann oh Mann, dachte ich mir, sollten wir nicht zuerst unseren Fall lösen? Ich willigte ein, mich zuerst einmal mit dem Professor zu treffen. Dieser könnte also kommen, wenn er wollte. Ich bat den Bankdirektor aber mir vor einem solchen Treffen etwas mehr Hintergrundinformationen über die Persönlichkeit dieses Professors zu geben. Den Namen könnte er für sich behalten. Aber Angaben über die fachliche Kompetenz, das Herkunftsland und die Beziehung zur LGT und Hans-Adam würde ich schon gerne erhalten. Nach dem Spaziergang gingen wir zurück zu seinem Hotel und er lud mich zum Abendessen ein. Vorher musste er mir aber noch eine andere Bitte von Hans-Adam vortragen. Dieser habe ihn beauftragt, von mir eine schriftliche Erklärung zu bekommen, worin ich bestätige, dass ich 358 alle Datenträger vernichtet hätte. Der Bankdirektor würde gerne ein solches Schreiben morgen mit nach Hause nehmen. Ohlala, entfiel es mir da. Ich hätte aber mit der Zerstörung noch nicht begonnen, sagte ich wahrheitsgetreu. Das sei schon OK, erwiderte der Bankdirektor. Solange ich es vor meiner der Heimreise erledigen würde, sei dies kein Problem. Hans-Adam wolle einfach etwas in den Händen haben. Wenn ich dann die Datenträger vernichtet hätte, dann könnte ich eine neue persönliche Erklärung darüber für Hans-Adam ausfertigen und er würde dies ihm dann auch überreichen. Hans-Adam würde ja auch aktiv an Lösungswege arbeiten, sodass am Ende die Verbrecher vor ein Gericht gestellt werden können. Fair für Hans-Adam, sagte ich. Das Mindeste was ich momentan in dieser Situation für ihn tun könnte. Ich versprach ihm, ein solches Schreiben mit ihm morgen aufzusetzen. Nach dem Essen kam wieder eine neue Idee vom Bankdirektor. Um eine bessere Kontaktmöglichkeit zu haben, sodass die in Vaduz nicht immer auf meine Anrufe angewiesen waren, schlug der Bankdirektor vor, ich sollte mir doch eine holländische SIM-Karte für ein Handy kaufen. Dadurch könnte er mich telefonisch erreichen und mich auf dem laufenden Halten. Zuerst schüttelte ich vehement den Kopf. Auf gar keinen Fall. Ihr wollt dies nur, um mich lokalisieren zu können, johlte ich ihn an. Komm mir ja nicht mit dieser Tour, tobte ich. Manchmal könnte ich sehr fanatisch sein, brüllte er. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, willigte ich ein, ein holländisches Handy samt Nummer zu kaufen. Allerdings würde ich es nur für einen kurzen Anruf von ihm zu exakt abgemachter Zeit einschalten. Er war damit einverstanden und offerierte, mir ein neues Handy samt SIM-Karte und Guthaben zu berappen. Wir suchten ein Geschäft auf und nach 15 Minuten war ich Besitzer eines neuen Telefons mit Prepaid-Nummer und einem 100 Euro Guthaben. Ich wollte nun nach Hause, nach „Rotterdam‚ gehen und versprach ihm, am nächsten Morgen um 11 Uhr wieder beim Hotel zu sein. Er bedankte sich für meine Einsicht und wünschte mir eine gute Nacht. Ich verschwand in den schwach beleuchteten Gassen von Amsterdam. Vorher schaltete ich mein neues Handy aus und entnahm die SIM-Karte sowie die Batterie. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich wusste, dass ich morgen in eine furchtbare Situation kommen würde, sollte ich die gewünschte 359 Erklärung für Hans-Adam abgeben. Selbst wenn ich in der Nacht alle Datenträger noch vernichten hätte, eine Masterkopie bliebe immer vorhanden. Erstmals kann ich meinen Lesern ein weiteres meiner Geheimnisse verraten. Bisher weiss niemand davon. Jeder der mich kennt, kann bestätigen, dass ich mit der Zeit, speziell ab 1997 sehr Vorsichtig geworden bin. Ich sichere mich immer mehrfach auf allen Seiten ab. Natürlich konnte ich die Reaktion von Hans-Adam und den hohen Finanz-Herren aus Vaduz nicht zu 100 Prozent voraussagen. Mein Plan im 2002 sah vor, dass ich das Original DLT-Band, die DVDs und externe Harddisks mit nach Berlin nehmen würde. Für den Fall, dass Hans-Adam mir im Verlauf der Konfrontation mit Gewalt die Datenträger abnehmen könnte oder für den Fall, dass ich sie verlieren würde oder sie sonst wie unlesbar geworden wären, erstellte ich Ende Dezember 2002 eine so genannte Masterkopie des Back-Up-Tape auf einer neuen, stabilen 100 GB Harddisk. Es verstand sich von selber, dass ich dies gegenüber Hans-Adam nicht erwähnt hatte oder je erwähnen wollte. Diese Kopie zusammen mit verschiedenen anderen Dokumenten bewahrte ich in einem neuen ausschliesslich dafür angemietetes Banksafe in der Westschweiz auf. Ich eröffnete ein Bankkonto mit genügend finanziellen Mittel, um die jährlich automatisch abgezogene Mietgebühr bis Ende 2008 bezahlen zu können. Ich wählte auch bewusst eine Bank in der französischen Schweiz aus. Denn sollte irgendetwas mit mir auf den Reisen 2003 passieren und mein Namen in den Medien in Liechtenstein, Deutschland oder Österreich genannt werden, so wäre die Wahrscheinlichkeit, dass man deutschsprachige Zeitungen oder News in der französischsprachigen Schweiz lesen würde, sehr gering. Beide Schlüssel durfte ich, eigentlich entgegen den normalen Gepflogenheiten, bei der Bank selber deponieren. Ich entschied mich auch für eine kleinere Bank und keine Filiale einer Schweizer Grossbank. Dies deswegen, weil die Grossbanken eine zentral geführte Kundendatenbank führten. Und praktisch alle diese Grossbanken ihren Firmenhauptsitz in der deutschsprachigen Schweiz hatten. Zurück nach Amsterdam. Also selbst wenn ich alle Datenträger in Holland hätte vernichten wollen, eine Kopie würde ja immer noch in der Schweiz bestehen bleiben. So schnell der Gedanke gekommen war, so schnell ging er wieder weg. Für einen Moment dachte ich nach, ob ich dem Bankdirektor beim Gespräch morgen davon erzählen sollte. Aber 360 dann befürchtete ich, dass man mir nicht glauben würde, dass dies DIE letzte Kopie sein würde. Und jetzt in die Schweiz zu reisen, würde völlig unmöglich sein. Wie vereinbart traf ich um 11 Uhr im Hotel Marriott ein. Der Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Vaduz telefoniert habe und mir weiteres Positives mitteilen könnte. Ich solle mit ihm aufs Zimmer kommen. Ich wollte lieber nicht in einen Raum, wo er und ich alleine waren, sagte ich. Was ist, wenn ich überrumpelt würde, fragte ich. Er versicherte mir, dass nichts geschehen würde. Und - wie immer – erwiderte ich, klar, wenn ihr die Anwendung von Gewalt plant, dann würde man mir es ja nicht auch noch vorher ankündigen. Nach etwas Gerede, fuhren wir gemeinsam mit dem Lift hoch. Im Zimmer half mir der Bankdirektor die Erklärung für Hans-Adam anzufertigen und zeigte mir eine neutrale Vollmacht. Hans-Adam hatte ihm diese mitgegeben. Eine Vollmacht für Hans-Adam, fragte ich. Die hatte er ja schon, ergänzte ich. Ich habe ihm schon eine in meinem Schreiben vom 7.1.03 beigelegt, falls er eine brauche, um meine vollständigen Gerichtsakten lesen zu können. Nein, die Vollmacht wäre nicht für Hans-Adam, sagte der Bankdirektor. Um meine Interessen im Argentinienfall bestmöglich zu wahren, sollte man einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Einen neuen Rechtsanwalt? Ich hatte ja schon einen seit Jahren, sagte ich. Besser wäre es einen wirklichen Profi damit zu betreuen. Hans-Adam übernehme die Kosten, sagte der Bankdirektor. Wie heisst der neue Anwalt denn, fragte ich. Er wisse es noch nicht, sagte er. Man suche nach einem geeigneten Anwalt, der auch internationale Verbindungen hatte weil die Täter aus Argentinien ja in verschiedenen Ländern leben würden und verschiedene Nationalitäten hatten. Leuchtete mir ein. Na dann, vielen Dank erstmal, war alles was ich darauf erwidern konnte. Ich unterschrieb die blanko Vollmacht. Nachdem der Bankdirektor das Schreiben in seinem Koffer verstaut hatte, dachte ich mir, die Gelegenheit wäre günstig, ihn zu fragen, ob ich den Pass mal in die Hände nehmen könnte. Er wusste, dass ich ihn in Berlin leider nur durch die Fensterscheiben des Diplomatenwagen von Hans-Adam hatte sehen können. Er konnte dies nicht erlauben, Hans-Adam hätte ihm ausdrücklich verboten, mir den Pass zu zeigen, geschweige denn zu geben, falls ich nicht hoch und heilig versprechen würde, spätestens am 31.04.03 wieder in Vaduz zu sein. 361 Ich stichelte den Bankdirektor und sagte, dass ich jetzt versprechen würde, am 31.04.03 zu Hause zu sein. Netter Versuch, sagte er nur. Er wüsste jetzt ganz genau, dass es noch eine Weile dauern würde, bis ich nach Hause kehren würde. Er war mit dem Erreichten zufrieden und wollte nochmals von mir bestätigt haben, dass ich mit der Datenträgervernichtung anfangen würde. Wann er die andere Hälfte der Papierdaten mitnehmen wolle, fragte ich ihn zum Abschluss. Dies hätte Zeit, erwiderte er. Diesmal könne er sie nicht mitnehmen, da er nach Ankunft in der Schweiz ein paar Sitzungen habe, wo er die Daten auf keinen Fall bei sich tragen wolle. Ich schlug vor, die Papiere doch bei der LGT in Zürich zu deponieren, bis er dann nach Vaduz fahren würde. Geht gar nicht, sagte er. Da niemand von der LGT Schweiz etwas wüsste und man alles geheim halten würde. Auf Grund geschäftlicher Verpflichtungen würde er mit mir die nächsten zwei Wochen nicht telefonieren können. Er sei aber wieder am 24. und 25. April für mich da. Er hätte schon ein Zimmer im Luxushotel „Karl V.‚ in Utrecht, am Geertebolwerk 1 gebucht. Ich müsste dann nicht so weit von Rotterdam anreisen, bemerkte er. Zudem würden die nächsten zwei Wochen in Vaduz genutzt werden, um den Professor auf den Besuch einzustimmen und die angefangenen Arbeiten in Sachen Anklage gegen Roegele & Co. weiterzuführen. Ich war mit dem Ergebnis dieses Treffens auch sehr zufrieden. Insbesondere war ich froh, dass man in Vaduz einige der eigenen Fehler erkannt und zugegeben hatte und mir nun helfen würde. Obwohl ich zuerst mit der Datenbombe hatte drohen müssen. Während dieser Tage in Amsterdam war ich eigentlich in Hochstimmung. Nicht weil ich in der Lage war, Drohungen auszusprechen oder sonst wie Druck auszuüben. Nein, mich überkam ein unbeschreibliches Glücksgefühl, weil man mir sagte, dass man mir helfen würde. Die Tatsache, dass ich nichts vom meiner Masterkopie in der Schweiz erzählt hatte, verdrängte ich. Es störte mich auch nicht gross. Ich könnte diese Datenbombe ganz einfach auslöschen, indem ich sie einfach später vernichtete. Irgendwann sollte ich ja wieder in die Schweiz reisen können. 362 VADUZ April 2003 (2) Nachdem der Bankdirektor die Adligen von Liechtenstein, den Professor und den Regierungschef Hasler über die letzte Reise nach Holland aufgeklärt hatte, machte sich das Gefühl breit, wenigstens an einer der zwei Fronten erfolgreich zu sein. An der LLB-Front brodelte es sehr. Lampert war überrascht, dass ihm ohne grosses Trallala gleich mal CHF 100'000.- in bar übergeben und zusätzlich andere Versprechungen gemacht wurden. Wie z.B. die Annullierung oder Teilannullierung seiner Hypothek bei der LLB, weitere monatliche Zahlungen und ein Beratervertrag. Auch sollten die restlichen 600'000.- CHF seiner Erstforderung bald fliessen. Spätestes bei dem Angebot als Berater in Teilzeit weiterhin für die LLB zu arbeiten, hätte ihm ein Licht aufgehen sollen. Lampert erkannte den Wert seiner Sammlung offenbar erst im April. Er forderte frech und ohne Umwege, die kleine Summe von 18 Millionen CHF. Ein Klacks für die LLB, dachte er sich wohl. Ohne erst auf eine Reaktion von Seiten der LLB auf die 18 MIO. Forderung zu warten, machte er einen weiteren seiner vielen Fehler. Er schickte einem Dutzend Kunden eine Kopie ihrer Vermögenszusammenstellung bei der LLB per Post (aus der Schweiz, wenn ich mich richtig erinnere). Er wusste, dass die Kunden aus Deutschland sofort irgendwie die LLB anrufen würden. Die LLB wandte sich dann Hilfe suchend an Polizei und Justiz in Vaduz. Alles aber unter strengster Geheimhaltung. Der Professor wurde abwechselnd von der Polizei für den LLB-Fall und von Hans-Adam für den LGT-Fall für Ratschläge angegangen. Der Landesführer hämmerte dem Professor immer wieder ein, dass es gelingen musste, Kieber so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Er befürchtete, wenn der LLB-Fall zu einer Katastrophe führen sollte und die Daten in Deutschland landeten, Kieber davon erfahren könnte und sich im Zuge der nachfolgenden Medienschlacht dazu ermutigt fühlen könnte, sich den Deutschen anzuvertrauen. Oder der Rummel um einen LLB-Skandal könnte zu einem Informationsleck in Liechtenstein führen, wobei irgendjemand den LGTFall den Medien verraten würde und Kieber sich gezwungen sähe, an die deutsche oder die US-Regierung zu gelangen. Der Professor sah diese Gefahr nicht und versprach, alles zu tun, was in seiner Autorität 363 stehen würde. Zuerst einmal sollte man das nächste Treffen zwischen dem Bankdirektor und Kieber abwarten. Amsterdam April 2003 (b) Die knapp zwei Wochen bis zum nächsten Besuch aus der Heimat waren wie Ferien für mich. Ich war überzeugt, dass mir Hans-Adam, dank seiner Macht und seinen Verbindungen helfen würde. Gewiss, ab und zu glaubte ich trotz allem dunkle Wolken am blauen Himmel zu sehen. Würde es nicht doch eine Falle sein? Würde man mir keinen Bären aufbinden? Dennoch, das Positive dominierte das Negative bei weitem. Ich vernichtete der Reihe nach jede der vier DVDs. Ich zerstückelte sie in unzählige Einzelteile und warf alle vermischten Bruchstücke, verteilt in acht kleine Abfallsäcke, an verschiedenen Orten rum um Monnikendam und Volendam in den Müll. Als nächstes war eine der externen Harddisk dran. Ich borgte mir einen Hammer von Janes Mann und fuhr mit dem Velo zum Hafen von Monnikendam. Dort spazierte ich am Ufer entlang und sobald ich weit genug weg von den Häusern war, breitete ich ein altes T-Shirt von mir auf der Kanalmauer aus, legte die unschuldige Harddisk in die Mitte und hämmerte wie wild auf sie ein. Ich schlug so fest, dass sogar Teile der Mauer darunter zerbröckelten. Sicher ist sicher, dachte ich und sammelte alle zerquetschen Elektroteile ein. Verpackt in altes Zeitungspapier und Essensreste, verteilt auf drei kleine Abfallsäcke, warf ich sie in Amsterdam City in drei verschiedene Müllcontainer. Nur ein Wunder würde diese Harddisk wieder zum Leben erwecken. Und Wunder gibt es ja bekanntlich keine. Nun hatte ich nur noch die zweite externe Harddisk und das original DLT-Back-Up-Tape. Beides lagerte nun schon seit zwei Monaten in meinem Koffer bei Jane. Die externe Harddisk würde ich erst vor Abreise vernichten. Das DLT-Tape zusammen mit dem Bankdirektor, so hatte ich es mir vorgenommen. Am Donnerstag, den 24.4. fuhr ich mit der Bahn und dem DLT-Tape nach Utrecht. Um 17.30 Uhr betrat ich die kleine Lobby des Hotels Karl V. An der Rezeption erkundigte ich mich nach der Zimmernummer des Bankdirektors und rief ihn dann von der Lobby aus an. 364 Er kam im Freizeitlook runter. Lass uns die Stadt etwas ansehen gehen, schlug er vor. Wir bestellten uns ein Taxi und liessen uns ins Zentrum, das eh nicht weit weg war, chauffieren. Ich erzählte, dass ich die vier DVDs und die externe Harddisk schon zerstört hatte. Dies gefiel ihm sehr. Als ich ihm ohne Vorwarnung das DLT-Tape unter die Nase hielt, erschrak er heftig. Nur ruhig Blut, sagte ich. Niemand ausser uns zweien weiss, was das ist. Ich sah ein paar Schweissperlen auf seiner Stirn. Warum ich das Band mitgebracht hätte, wollte er wissen. Um es gemeinsam zu zerstören. Oder wenn er es wollte, dann könnte er es gleich mitnehmen, offerierte ich ihm und strecke es ihm entgegen. Dann würde er zwar in Erfahrung bringen können, von welchem Tag im Herbst 2002 das Band stammte, dies war mir nun aber egal. Es waren ja andere Zeiten angebrochen. Friedenszeiten, mit Aussicht auf einen „100jährigen Frieden‚, wenn es nach mir ginge. Der Bankdirektor lehnte aber dankend ab. Er könne das Band nicht mitnehmen. Dies sei zu gefährlich. Sollte ihm auf der Heimreise etwas zustossen, wäre das Desaster perfekt und, wenn er sich nicht irre, seien ja die Daten auf dem Band nicht verschlüsselt, erklärte er mir. Er vertraue da lieber auf meine Fürsorge um die Daten. Zudem hätte ich, wenn er richtig gerechnet hatte, ja noch eine externe Harddisk irgendwo versteckt, sagte er. Jawohl, salutierte ich ihm. Das die Daten auf dem BackUp-Tape nicht verschlüsselt waren, sei nicht meine Schuld. Ja, erwiderte er, seit dem Februar seien sie in der LGT neuerdings verschlüsselt. Garantiert! Ich versprach ihm, das DLT-Tape noch im April zu vernichten. Ob er die Überreste davon dann haben möchte, fragte ich ihn. Nein, um Gottes Willen nicht, was soll er damit anfangen, fragte er mich. Man könnte es dem Hans bringen, schlug ich vor. Nein, nein – der will sicher keinen Abfall sehen. Mir wurde dann gesagt, dass der Professor sich freuen würde, mich zu treffen. Ich fragte nochmals nach, was die Aufgabe des Professors sein würde. Der Bankdirektor antwortete, dass dieser mir von neutraler Seite erklären würde, wie, was und wo nach meiner Rückkehr geschehen würde. Ich war etwas überrascht und fragte nach, ob denn der Professor den Argentinienfall so gut kennen würde. Ich dachte er wäre primär mit dem LLB-Fall beschäftigt, sagte ich. Nicht nur, sagte er. Der Professor würde eben deswegen kommen, sodass ich von einer neutralen Person 1. bestätigt bekommen würde, was man in Liechtenstein im 101er in die Wege geleitet hatte und 2. eine Lösung für ein gemeinsames Ziel 365 aufgezeigt bekommen würde. Also, wenn es der Sache dienlich sein würde, dann bin ich damit einverstanden. Aber ich müsse mehr über diesen Professor erfahren, sagte ich. Später erzählte er mir, dass die LGT grossen Erfolg mit Neukunden habe und die Eröffnung der einzelnen Büros in Deutschland gemäss Plan stattfinde. Glücklicherweise hätte niemand von der LGT Frankfurt und Berlin etwas von unserer Tragödie gemerkt, fügte er an. Ich war sehr froh darüber. Der Bankdirektor erwähnte nochmals, dass ich in einer ausserordentlichen Lage sei. Würde ich nach Hause zurückkehren ohne dass jemand zu Schaden kommt, und würde ich einige der Bedingungen von Hans-Adam erfüllen, dann könne ich mein Leben neu beginnen. Bedingungen? Welche Bedingungen, fragte ich. Es wären da noch ein paar mehr Bedingungen, die ich aber besser vom Professor erklärt haben sollte. Der Professor, so, so. Es würden hoffentlich keine unerfüllbaren Bedingungen sein, fragte ich. Nein, nein. Solange ich mich benehme und dem Hans-Adam und Liechtenstein helfen würde, dass so etwas nicht nochmals passieren könnte, müsste ich nichts befürchten. Mir war jetzt gar nicht klar, was ich davon halten soll. Mir blieb aber nichts anderes übrig, als den Besuch vom Professor abzuwarten. Dieser sollte ja ein Genie sein. Ich wusste was den Bankdirektor seit seinem ersten Besuch auf den Nägeln brennt. Damals und bei jedem späteren Besuch fragte er mir Löcher in den Bauch, wie es mir gelang, a) eine Back-Up-Tape zu entwenden und b) dies so durchzuziehen, ohne dass die EDV-Abteilung den Verlust bemerkt hatte. Ich hatte ihm schon beim ersten Besuch gesagt, dass ich mit den Details erst rausrücken würde, wenn dieses Drama ein glückliches Ende genommen hätte. Es hätte keinen Sinn, Zeit für Detailfragen zu verschwenden. Ein paar Geheimnisse müsste ich vorerst schon noch behalten, sagte ich zu ihm. Er konterte immer wieder mit derselben Aussage, dass es wichtig sei, jetzt zu Erfahren wo offenbar die Sicherheitslücke sei. Ich hatte darauf auch immer wieder dieselbe Antwort. Ich gehe davon aus, dass man seit Februar 2003 a) die Daten auf dem Back-Up-Tape verschlüsselt und b) sicherlich jedes Back-Up-Tape keine Sekunde aus den „Augen lässt‚. Um ihn zu beruhigen, versprach ich ihm bald die Details offen zu legen. Da es schon spät war, offerierte er mir ein Zimmer im Hotel Karl V. Ich lehnte ab und sagte, ich könne ihn am nächsten Tag, um 11 Uhr wieder besuchen kommen. Ja, das wäre Prima, erwiderte er. 366 Am nächsten Morgen, in der Früh begann ich mit der Zerstörung des DLT-Bandes. Dies war schwieriger als ich dachte. Ich öffnete das Gehäuse und fing an, das fette Band abzuspulen. Erstaunlich, wie lang so ein Band sein konnte. Hunderte von Metern, mindestens. Alle paar Minuten schnitt ich das Band in der Mitte durch und steckte den Abschnitt in ein C5 Kuvert. Am Ende hatte ich 18 fette solcher Kuverts. Mit meinem Velo fuhr ich in Richtung Amsterdam. An einem Kanal stoppte ich ausserhalb der Sichtweite der wenigen Hausboote. Ich entnahm die 18 Kuverts aus meiner Tragetasche und schichtete sie am Wegrand aufeinander. Ich zündete die unterste Lage an und lies sie brennen. Dicker Rauch stieg empor und das Feuerchen stank sehr. Mit einem Holzstecken mischte ich die brennenden Umschläge auf, sodass jeder Einzelne Feuer fing. Nach ca. fünf Minuten sah ich zwei Velofahrer, die aus Richtung Süden kamen. Noch waren sie weit weg. Schnell stampfte ich heftig auf das Lagerfeuer und löschte es. Dann sammelte ich die verschmolzene Ware ein und packte sie in einen Plastiksack. Auf einem der grösseren Plätze in der City schmiss ich den Sack in einen Abfallcontainer. Vorher warf ich noch einen Blick in den Sack. Nein, dachte ich, niemals würde irgendjemand daraus irgendwelche Daten lesen können. Wieder ein Problem weniger. Und mein Gepäck „leichter‚. Für den Bankdirektor war der Glanzpunkt des nächsten Tags meine Meldung über die erfolgreiche Einäscherung des DLT-Tapes. Er bestellte sich ein Taxi und ich wartete mit ihm auf der Treppe vom Hoteleingang. Wir vereinbarten, dass ich mein neues Handy am 30.04. zwischen 12 und 14 Uhr eingeschaltet lassen würde. Sein Besuch mit dem Professor würde am 12. und 13. Mai in Amsterdam erfolgen, sagte er zum Abschied. Gute Heimreise Herr Bankdirektor. Es wird alles Gut Herr Kieber. Ich blieb noch eine Stunde in Utrecht und wanderte durch die Stadt, bevor ich mit dem Zug zurück nach Amsterdam fuhr. Ich war mir nicht sicher, ab man mir die Wahrheit gesagt hatte und mir nicht nachspioniert wurde. Ich blieb sehr wachsam. So gut es ging, versuchte ich meine Bewegungsmuster nicht zu wiederholen. Da ich jetzt ein Handy hatte, wäre es denen in Vaduz – Hans-Adam hatte immer die feste Überzeugung, dass mit Geld für ihn alles 367 erreichbar war – möglich geworden, mich mit Hilfe der SIM-Karte geographisch zu lokalisieren. Ich musste also aufpassen, dass ich innerhalb Amsterdams immer mein Handy ein- und ausschalten würde, um meinen Standort in Monnikendam nicht preiszugeben. Ratsam war es auch, die SIM-Karte und die Batterie aus dem Gehäuse zu entfernen. Technisch ist es möglich, trotz ausgeschaltetem Handy den Standort zu identifizieren. Man kann bei den hohen Finanz-Herren aus Vaduz nie vorsichtig genug sein. Auch musste ich für jeden angekündigten Anruf einen anderen, neuen Standort innerhalb Amsterdams suchen. Nur dadurch konnte ich vermeiden, dass ab dem zweiten Anruf eine Leibwache von Hans-Adam auf mich wartete. Ich protokollierte ab jetzt jeden „verbrauchten‚ Standort in meinem Taschenkalender (ein früheres Geschenk der LGT an Angestellte). Am nächsten Tag, dem 30.04., war viel los in der Stadt. Massenhaft Menschen unterwegs. Es war der Geburtstag der Königin Beatrix. Wenn ich mich nicht irre, hatte es aus Kübeln geregnet. Ich stand unter einer Markise eines Cafés in der Haarlemstraat und setzte mein Handy um genau 12 Uhr in Betrieb. Rein theoretisch hätte der Bankdirektor auch um 13:59 anrufen können und hätte somit eine Stunde und 58 Minuten Zeit gehabt, mit Hilfe von bezahlten Spezialisten meine Position in Amsterdam auf ein paar Meter genau zu finden. Dies war mir klar. Aber ich hatte keine Probleme damit, da ich nur mein Zimmer in Monnikendam vor einem Zugriff schützen wollte. Ich musste aber nicht lange warten. Schon nach zehn Minuten rief er an. Er sagte, er würde mit dem Professor nächste Woche, am 12. Mai um 10 Uhr auf mich warten. Ich sollte so nett sein und die restlichen Papierdokumente mitbringen, sofern ich dies ohne Gefährdung machen könnte. Ich fragte nach Details zum Professor. Er sagte, dass er mir den Namen am Telefon aus Sicherheitsgründen nicht nennen könnte. Sicherheitsgründe? Ist der Mann in Gefahr, fragte ich erstaunt. Nein, erwiderte er, aber Hans-Adam will nicht, dass die ganze Welt erfährt, dass der Professor in seinen Diensten steht. Aha, OK, sagte ich. Es folgten ein paar Details: ungefähres Alter, er komme aus dem deutschsprachigen Raum und sei in jenem oder diesem Feld ein Experte. Mir genügten die paar Hinweise. Wenn die Angaben stimmen sollten, dann müsste ich in der Lage sein, den Professor zu identifizieren. 368 Zum Abschluss ermahnte ich den Bankdirektor nur alleine mit dem Professor zu kommen. Und nicht, dass sich der Professor als weisser südafrikanischer Söldner entpuppt. Er schwöre es, hörte ich von ihm. Wir vereinbarten, dass ich das Handy am 7., 8. + 9. Mai jeweils zwischen 12 – 14 Uhr eingeschaltet halte. Er würde nicht unbedingt anrufen, aber wenn etwas in Sachen Reise sich ändern sollte, dann könnte er mir es sagen. Ich war damit einverstanden. 369 KAPITEL 16 Vier mal 9 mm Amsterdam Mai 2003 Noch 12 Tage bis zum wohl wichtigsten Treffen. Ich packte die LGTDokumente schon mal um, so dass ich sie bei Bedarf schnell griffbereit und reisefertig hatte. Meine Gastgeberin wunderte sich schon darüber, dass ich immer noch bei ihr logierte. Nie hatten sie so lange einen Gast. Sie freute sich, dass es mir offenbar gut bei ihr und in Holland gefallen würde. Ich weiss nicht mehr warum, aber auf einmal gefiel mir die Sache ganz und gar nicht mehr. Ich änderte den Plan und anstatt auf seinen Anruf zu warten, rief ich ihn den Bankdirektor an. Er war überrascht. Ich machte im etwas vor und sagte, dass ich nur das Handy nochmals testen wollte. Er hätte nichts Neues für mich und ich hatte nichts Neues für ihn. Ich sagte, dass ich aber gerne das Anruffenster um eine Stunde reduzieren möchte. Demnach würde ich von 13 – 14 Uhr mein Handy eingeschaltet haben. OK, sagte er. Also dann bis morgen, verabschiedete ich mich schnell. Am nächsten Tag, den 8.5. schien die Sonne prächtig. Ich begab mich in den berühmten Amsterdamer Zoo. Ich durchstreifte sicher drei Stunden die weitläufige Anlage, bewunderte ein Gehege nach dem Anderen. Zur Mittagszeit setzte ich mich draussen ins Openair-Café. Ich wartete an einem der kleineren Tische, weit weg von den anderen Gästen, auf den Anruf vom Bankdirektor. Als es dann klingelte war ich leider nicht mehr in guter Stimmung. Ich hatte wieder Zweifel daran, dass man in Vaduz wirklich an einer guten Lösung arbeitete. Es wäre mir zwar viel erzählt und berichtet worden, was alles angeblich in Vaduz schon in die Wege geleitet worden wäre. Aber einen Beweis dafür sei man mir immer noch schuldig geblieben. Ich fasste für den Bankdirektor am Telefon zusammen, dass ich praktisch alles was von mir verlangt worden war, erfüllt oder in die Wege geleitet hatte. Er redete wie ein Trainer auf mich ein und am Ende des 38 Minuten langen Gesprächs war wieder Frieden zwischen uns. 24 Stunden später stand ich im Historischen Museum in der City. Wieder notierte ich mir den Standort in der Liste der Plätze an denen ich mein Handy eingeschaltet hatte. Der Bankdirektor rief zur vollen Stunde 370 an. Alle in Vaduz seien zuversichtlich und er würde am Montagmorgen mit dem Professor abfliegen. Nach dem Anruf suchte ich ein Internetcafé auf und suchte nach dem Professor. Es gab nicht viele, auf die die Details passten. Am Ende hatte ich drei Psychologen auf meiner Liste. Einer von ihnen müsste es sein. Keiner hatte eine eigene Webseite, aber aufgrund ihrer Fähigkeiten und Erfolge konnte man einiges im Netz nachlesen. Alle waren Europäer. Halt, hier! Der, der müsste es meiner Meinung nach sein. 12. Mai. Heute war der grosse Tag des Kennenlernens, sagte ich zu mir. Um nicht verschwitzt zur Verabredung zu kommen, nahm ich den Linienbus nach Amsterdam und nicht wie sonst üblich das Velo. Zuerst aktivierte ich meine eignen Sicherheitsvorkehrungen und schlich mich dann in die Nähe des Hotel Marriott. Gegenüber dem Terrace Café nahm ich auf der Kanalmauer, hinter einem Baum Platz und beobachtete das Hotel. Es war 9.55 Uhr. Ich fand es besser, wenn ich diesmal nicht pünktlich erscheinen würde. Ich wollte sehen, was der Bankdirektor und sein Begleiter machen würden, wenn ich bis 10.30 Uhr noch nicht aufgekreuzt wäre. Da ich für Pünktlichkeit bekannt war, wollte ich nun mein Handeln in diesem Punkt etwas weniger voraussehbar machen. Nach zehn Minuten wurde es mir aber selbst zu bunt und ich war neugierig auf den Professor. Ich rannte aus der Deckung durch den mehrspurigen Verkehr gerade wegs auf die grosse Glasscheibe des Terrace Café zu. Ich sah den Bankdirektor, der an einem kleinen Tisch sass. Mit dem Gesicht zu mir gewandt. Ihm gegenüber sass ein etwas grösserer Mann mit dem Rücken zu mir. Ich ging auf sie zu und sobald der Bankdirektor mich erblickte, lächelte er und sein Gast stand auf. Ich streckte meinen Arm aus und die Hand in die des Bankdirektors. Bevor er etwas sagen konnte, drehte ich mich zum Professor runter und nannte seinen Name: Dr. Thomas Müller. Er lächelte und war gleichzeitig überrascht. Ich wusste damit, dass ich den richtigen Psycho erraten hatte. Herr Kieber! Endlich treffe ich sie, sagte er und stand auf. Ich bedankte mich für sein Kommen. Er war immer noch etwas verdutzt über die Tatsache, dass ich seinen Namen erraten hatte. Der Bankdirektor sagte schnell zum Professor, dass er mir - wie abgemacht seinen Namen nicht genannt hatte, aber – wie bekannt – einige Details preisgeben musste. Ich setzte mich zu ihnen an den Tisch und bestellte eine Cola. Da war er also, der berühmte Professor. Wir redeten zuerst über belangloses Zeug 371 wie das Wetter, die Kirche, die Stadt, die Menschheit, seine Heimat und dann meine Heimat. Ich wollte nicht zu lange am selben Ort bleiben und schlug vor, dass wir alle spazieren gehen könnten. Der Bankdirektor bezahlte wie üblich die Zeche und wir bummelten über den Kanal rüber und dann immer Nordwärts. Der Professor trug eine offenbar schwerere Tüte mit sich herum. Ich wollte ihn provozieren und fragte nach, ob er eine Waffe darin hätte. Nein lachte er, aber ein Geschenk von Hans-Adam. Ein Geschenk von Hans Adam? Ich wunderte mich. Er griff in die Tüte und entnahm eine Holzschachtel, so gross wie ein DIN A4-Blatt und fünf oder sechs Zentimeter hoch. Er drückte mir die Schachtel in die Hand und sagte, so wird alles enden. Ich verzog meine Lippen und schaute nach dem Bankdirektor. Dieser zuckte die Schultern und gab an, von nichts zu wissen. Ich öffnete die Schachtel und zu meinem Glück lagen keine vier 9 mm Schusspatronen drin. Es waren keine Patronen eines Schiesseisens drin, sondern eine original Sachertorte aus Wien. Die Echte. Die Beste. Ich musste laut lachen, weil ich erkannte, dass jemand in Vaduz auffallend gut die Hausaufgaben gemacht hatte. Mit nichts besserem hätte man das Eis brechen können, als mit einer so schönen, süssen Geste. Ich bedankte mich artig und fügte gleich an, dass ich leider mit niemandem die Torte teilen könnte. Es seien ja harte Zeiten momentan. Der Bankdirektor war mit der Vorstellung des Professors zufrieden und er verabschiedete sich, da er uns beiden Zeit für ein Vieraugengespräch lassen wollte. Der Professor war sehr geduldig mit mir. Ich redete sicher die ersten eineinhalb Stunden alleine. Er nickte nur ab und zu oder brummte ein Ja oder ein Nein. Ich gab ihm eine extreme Kurzfassung meiner letzten acht Jahre. Als ich fertig war, holte er tief Luft und schilderte mir seinen Lebenslauf. Nicht schlecht, dachte ich. Ich war überrascht, dass er sich um meinen Fall kümmerte. Normalerweise, so hatte ich es nachforschen können, arbeitete er eher mit „Toter Materie‚ (Leblose Opfer von Gewaltverbrechen). Das letzte Mal als ich bei mir nach schaute, stand aber fest, dass ich noch Lebe, scherzte ich. Er bestätigte mir, dass er im direkten Auftrag des Landesführers handle und ihm auch persönlich rapportieren müsste. Also auf der Lohnliste von Hans-Adam, sagte ich. Ja, aber dies sollte kein Problem für mich 372 sein, sagte er. Er würde auf keiner Seite stehen, sondern immer versuchen beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Ich fragte nach dem LLB-Fall und ob es stimmen würde, dass er von der Regierung für diesen Fall angeheuert wurde. Er bestätigte mir dies und verlangte von mir, dass ich meine Kenntnisse über diesen Fall für mich behalten müsste. Ich schaute mich um, mit einem Blick als hätte ich einen Kirchenchor hinter mir, dem ich alles gleich verpetzen würde und sagte ihm: Logisch, wem sollte ich auch etwas verraten. Dann schilderte er im Detail den LLB-Fall. Brand aktuell sei die Verhaftung von Lampert in der vergangenen Woche gewesen. Der Lampert wurde verhaftet? Wo wurde er verhaftet? In Liechtenstein, am 8.5., sagte der Professor. Bei einer fingierten Geldübergabe nähe Triesenberg, ergänzte er. Er hätte 18 MIO. CHF verlangt. Wie viel? Achtzehn Millionen Schweizer Franken, wiederholte ich langsam die Worte vom Professor. Wow! Dieser Lampert muss Nerven haben, sagte ich. Gemütlich von zu Hause aus Forderungen stellen. Und welch schwachköpfigen Ansprüche. Der Professor versuchte mir mehr oder weniger überzeugend einzureden, dass ich denen in Vaduz helfen könnte, herauszufinden, was Lampert über die „schwierigen‚ Geschäfte der LLB, also die Leichen im Keller wisse und was er sonst geplant haben könnte. Ich könnte ja so denken wie Lampert. Vielen Dank für die dornigen Blumen, sagte ich. Wäre das nicht gerade seine Domäne, fragte ich den Professor. Im Prinzip schon, antwortete er. Aber man glaube, dass ich schneller als er auf die richtige Antwort der vielen Fragen an Lampert kommen würde. Ich bin nicht Lampert, stellte ich als erstes fest. Wenn dieser 18 MIO. CHF verlangt hat, dann ist er nicht nur ein Idiot sondern auch hoch kriminell. Der Professor sagte, dass Lampert sehr geschockt über die Verhaftung gewesen wäre, da ihm ein solches mögliches Ende in seiner Planung sichtbar nicht in den Sinn kam. Ja, sonst wäre er nicht in seinem Haus und im Ländle geblieben, sagte ich kopfnickend. Im Gefängnis würde Lampert wie ein wilder Stier wüten. Warum er den nicht mit ihm rede, fragte ich den Professor. Der Lampert wolle mit niemanden ausser Hans-Adam oder seinem Sohn reden, bekam ich als Antwort und ich dachte wie klein die Welt war: alle wollen nur mit dem blauen Blut reden. Ständig würde Lampert die Drohung aussprechen, dass er die Daten den ausländischen Behörden verraten würde. Hat er die Daten wirklich, fragte ich. Ja, man hätte ein 373 vollständiges Set bei ihm zu Hause gefunden. Man wisse aber nicht ganz sicher ob dies all die Originalkopien wären, die er aus der LLB mitgenommen hatte. Und ob er andere Daten als diejenigen, die man gefunden hat, besitze. Man befürchtete bei der LLB und der Regierung, dass Lampert nur mit den Daten der deutschen Kunden gewedelt hatte, um seine Geldforderung erfüllt zu bekommen, er aber weiteres, brisanteres Material, vor allem Daten von grossen russischen Kunden mitgenommen hatte. Ich antwortete dem Professor, dass ich den Lampert zwar nicht kenne, ginge aber davon aus, dass er, wenn er nur halbwegs Grips hätte, eine Kopie ausserhalb einer Zugriffsmöglichkeit durch die Liechtensteiner versteckt halten würde. Ganz anders wäre es natürlich in meinem Fall, ich selber hatte ja Liechtenstein mit allen Daten verlassen, fügte ich sehr schnell an. Ich hoffte, dass der Professor meine Antwort nicht allzu sehr analysierte. Ich dachte nämlich dabei an meinen geheim gehaltenen Banksafe in der Schweiz. Nach meiner Meinung gefragt, sagte ich dem Professor, dass, wenn Lampert die Daten wie beschrieben habe, dann würde ich persönlich allen empfehlen, ihn mit Samthandschuhen anzufassen, solange man nicht sicher sein konnte, ob er weiteres Material hatte. Ich fragte nach, ob man denke, dass Lampert eine eigene Sicherheitsmassnahme geplant hätte. Falls es mit seinem Plan nicht klappt. Und was wäre mit eventuellen Komplizen? Nein, keines von beiden, sonst hätte man ihn sicher nicht ins Gefängnis geworfen, meinte der Professor. Nach wochenlanger Analyse der Situation kam man zum Schluss, dass Lampert alleine agiere. Es hätte lange Diskussionen gegeben, ob man ihn verhaften sollte. Ein Restrisiko würde immer da sein. Am Schluss musste man ihn verhaften. Er hätte einfach keine Einsicht gezeigt. Da hätte ich aber „Glück‚ gehabt, oder, fragte ich. Mein Fall liege ganz anders, erklärte der Professor. Hans-Adam würde meine Motive anerkennen. Er, der Professor, hätte auch in diesem Sinne auf Hans-Adam eingeredet. Wie bitte, fragte ich. Es wäre mir unbekannt, dass man auf Hans-Adam einreden könnte. Dieser sei doch massiv beratungsresistent. Nein, meinte er. Ich hätte zwar Hans-Adam schon in eine Ecke gedrängt wie noch keiner vor mir. Aber jede Wirkung hat ihre Ursache. Aha, sagte ich. Alles Klar. Oder nicht. Egal, sagte ich, wie geht es nun weiter? 374 Der Professor bestätigte mir, dass Hans-Adam an einer Lösung meiner Anliegen arbeitete. Nach Prüfung der Sachlage würde man eine Anklage gegen Helmut Roegele & Co. befürworten und unterstützen. Aber alles müsse der Reihe nach erfolgen. Ich erinnerte ihn daran, dass es Fristen einzuhalten gäbe. Ich wüsste, dass ich mit meiner langen Abstinenz vielleicht die eine oder andere gesetzliche Frist verpasst hätte. Aber ich kenne die StPO und eine Wiederaufnahme einer Strafuntersuchung kann jederzeit erfolgen, solange die Verjährungsfrist, wie in meinem Fall (101er), nicht abgelaufen wäre. Der Professor konnte dazu nichts sagen. Und was wäre mit der Anzeige wegen der Daten, fragte ich. Diese würde zurückgezogen oder für nichtig erklärt, sollte ich nach Hause kommen und kein Kunde einen Schaden erlitten haben. Und die falsche Anzeige von Roegele gegen mich, fragte ich. Da weder Spanien noch der angebliche geschädigte Roegele einen Antrag auf Strafverfolgung an oder in Liechtenstein gestellt hatten, könnte Hans-Adam dieses Verfahren einstellen lassen, berichtete der Professor. Vielen Dank, sagte ich. Vielen Dank. Und was ist mit dem blockierten Geld in Österreich? Er habe vom Regierungschef Hasler gehört, dass die Justiz in Liechtenstein angewiesen würde, solange mit einem endgültigem Urteil zu warten, bis eine Kriminalgericht in der Sache Argentinien letztinstanzlich ein Urteil gefällt hätte. Ich bedankte mich tausendmal und konnte mein Glück nicht fassen. Zuerst dachte ich laut nach, ob der Professor mich anlügen würde. Oder ob er von Seiten der hohen Finanz-Herren bewusst angelogen wurde, um mich nach Hause zu bringen. Aber vorläufig glaubte ich ihm jedes Wort. Ich wollte es glauben. Er verstand meine Bedenken und konnte dazu nur sagen, dass ich an das Gute im Menschen glauben sollte, so wie die in Vaduz an mein Gutes glauben würden. Leuchtete mir ein. Wo sei der Haken an der ganzen Sache, fragte ich. Er zählte mir die Bedingungen von Hans-Adam auf. Ich spitze dafür meine Ohren. Hans-Adam wünschte: Die Vernichtung aller Daten. Die Abgabe einer diesbezüglichen Erklärung. Die Rückkehr nach Liechtenstein. Kein Kunde darf zu Schaden kommen. Volle Kooperation in Liechtenstein. Eine Denkschrift von mir, worin ich beschreiben soll, wie man in Zukunft bei der LGT Gruppe einen Datendiebstahl verhindern kann und, im Falle von notwendigen Verhandlungen (bei 375 zukünftigen Datendiebstählen), Liechtenstein eine mögliche Katastrophe abwenden kann. Hans-Adam biete mir als Unterstützung für die kommenden Wochen und Monate folgendes an: Sichere Überfahrt von Holland nach Liechtenstein. Bestellung und Bezahlung eines Rechtsanwaltes. Anmietung und Bezahlung einer möblierten Unterkunft in Vaduz. Bestellung und Bezahlung eines Psychologen. Der Professor erwähnte extra, dass Hans-Adam ihm aufgetragen hatte, mir ausdrücklich zu sagen, dass er, Hans-Adam, meine Sicherheit und Unverletztheit garantieren würde. Niemand würde mir ein Haar krümmen. Vielen Dank. Ich würde Hans-Adam nicht enttäuschen. Der Bankdirektor war wieder zu uns gestossen und sagte zu mir: „Siehst Du, ich hatte Dich nicht angelogen.‚ Ich bedankte mich bei ihm. Der Professor fragte, ob ich die restlichen Papierdokumente bringen könnte. Ich fragte nach der Zeit und sagte ja. In zweieinhalb Stunden sollte dies machbar sein. Sie dachten ja ich würde in Rotterdam leben. Wir verabredeten uns um 16 Uhr am Hotel. Ich lief in Richtung Kanal weg. Die Sachertorte in der Holzschachtel in den Händen. Da kam mir etwas in den Sinn. Ich drehte mich auf den Absätzen um und rannte zu den Beiden. Ich erkundigte mich, ob die Batterie des Peilsenders in der Sachertorte noch genug Saft hätte, um auch noch in Rotterdam Signale senden zu können. Oder müsste ich eine neue Batterie für euch kaufen? Wir alle lachten uns krumm. Ich nahm mir vom Hotel Marriott aus ein Taxi zum Hauptbahnhof von Amsterdam. Dann inspizierte ich die Sachertorte ganz genau. Nicht das da doch was mit "eingebacken" wurde. Als ich sicher war, dass mir keiner gefolgt war, schlich ich mit hinten aus dem Bahnhof wieder raus, rauf auf die Fähre und mit dem nächsten Linienbus in Richtung Monnikendam. Auf halber Strecke musste ich nur auf einen anderen Bus umsteigen. Zu Hause legte ich mich zuerst mal aufs Bett. Ich hatte ja genug Zeit. Wieder in Amsterdam angekommen hatte ich erstmal wieder grossen Hunger. Eine Kebab löste dieses Problem. Ich kam an einem Käseladen vorbei und kaufte den beiden spontan ein dickes Stück Edamer Käse für ihren Heimweg. Pünktlich um 16 Uhr stand ich wieder vor dem Marriott. Ich überreichte wie in einer Zeremonie dem Bankdirektor unter den wachsamen Augen des Professors die Dokumente. Beide fragten mich, wann ich den letzten 376 Datenträger vernichten würde. Wenn ihr wollt, heute Nacht schon, war meine Antwort. Prima, sagte der Professor, dann könnte ich auch schon morgen eine neue, letzte diesbezügliche Erklärung für Hans-Adam unterschreiben. Dies News würde dem Landesführer sehr gefallen. Ich fragte den Professor, ob er in Anwesenheit des Bankdirektors nochmals die Punkte aufzählen würde. Was alles in Vaduz passiert wäre und passieren würde. Sowie was man von mir verlangte. Er hatte damit keine Probleme und erfüllte meinen Wunsch. Der Bankdirektor nickte nur ständig und meinte zum Schluss, dass wir alle froh sein können, dass es nicht wie beim Lampert geendet hätte. Ich wurde zu einem Nachtessen eingeladen und um 22 Uhr war Schluss mit den Aussprachen. Ich erreichte mein kleines Heim gegen Mitternacht. Fix und fertig warf ich mich ins Bett. In Gedanken ging ich den heutigen Tag durch und ich war seelenfroh, dass Hans-Adam diesen Professor ausgewählt hatte. Ich sinnierte lange wegen der Vernichtung der letzten externen Harddisk. Ich kam zum Schluss, dass ich ihnen leider etwas vormachen müsste. Nein, sie anzulügen behagte mir jetzt nicht. Ich würde ihnen sagen, dass ich diese Harddisk am Tage vor meiner Abreise zerstören würde und hoffte, dass sie dies verstehen können. In dieser Nacht konnte ich sehr tief schlafen. Dienstag, den 13.5. Schon vor 10 Uhr war ich wieder in der Nähe des Hotels. Als ich über die kleine Brücke schräg gegenüber vom Marriott lief, sah ich den Professor und den Bankdirektor gerade in den vorderen Eingang des Hotels gehen. Ich rief ihnen zu und winkte. Sie drehten sich um und der Professor winkte zurück. Ohne zu schauen rannte ich quer über die grosse Strassenkreuzung und fast hätte es mich erwischt. Ein kleiner Lieferwagen, der von links kam, musste wegen mir eine Vollbremsung einleiten und massiv nach rechts, in seinen Gegenverkehr steuern. Ich entschuldigte mich indem ich beide Handflächen in die Höhe hob. Auf der anderen Seite angelangt, scherzte der Bankdirektor, dass es jetzt schon OK wäre, wenn ich den Tod im Strassenverkehr finden würde. Ich hätte ja alle Datenträger vernichtet. Sicher, es würde in Liechtenstein ein paar Fragen aufwerfen, wenn Kieber ausgerechnet am dem ersten Tag nach Vernichtung aller Daten zu Tode gekommen wäre. Halt, Halt, nicht so voreilig. Ich hätte die letzte externe Harddisk noch nicht vernichtet, vernichten können, sagte ich. 377 Oh, der Lieferwagen wäre also nicht unsere Lösung gewesen, kombinierte der Professor grinsend. Wir alle begaben uns in ein Hotelzimmer. Ich hatte den Eindruck, dass das Zimmer von keinem der beiden benutzte wurde. Vielleicht hatten sie sich nur ein Tageszimmer für unser Treffen heute gemietet. Ich erzählte ihnen von meinem Plan, den letzten Datenträger erst kurz vor der Abreise zu vernichten. Sie waren damit einverstanden. Sie sagten, dass sie meinen Worten glaubten. Der Professor fügte hinzu, dass es ihn aus psychologischer Sicht nicht verwundern würde, wenn ich als Garantie den letzten Datenträger nicht vernichten würde. Dies wäre eine Hypothese, die man erforschen könnte, erwiderte ich. Trotzdem wäre es von Vorteil, meinte der Bankdirektor, wenn ich noch einmal einige persönliche Zeilen an Hans-Adam richten würde. Was ich dann auch tat. Ich bedankte mich bei ihm für die Hilfe und versprach ihm, alle Bedingungen zu erfüllen. Ich drückte meine Hoffnung aus, dass ich mich bald dazu entschliessen könnte, nach Hause zu kommen und das mir bei Ankunft nichts passieren würde. Sobald ich diesen Brief fertig hatte, zauberte der Bankdirektor wieder eine Vollmacht hervor. Diese hatte einen Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei. Man hätte einen sehr guten Rechtsanwalt, Dr. Wolfgang Müller von der Kanzlei Müller & Partner in Schaan/FL angeheuert. Diese Kanzlei hatte Internationale Verbindungen auch nach Spanien und Deutschland, dort wo ja einige der Täter aus Argentinien wohnen würden, wurde mir weiters erklärt. Den kenne ich, sagte ich. Der ist gut und vertritt ja prominent den Treuhänder Dr. Dr. Batliner im Prozess bei die Schadensersatzforderungen von Dr. Paul Schockemöhle aus Deutschland. Ohne mich zu fragen, ob ich mit diesem RA einverstanden wäre, sagte der Bankdirektor, dass dies nun mein RA wäre. Sie bezahlen ja die Rechnung. Mir war dieses Angebot etwas schwammig. Nicht, dass ich die Kanzlei Müller für nicht gut genug gehalten hätte. Lieber hätte ich die Rechnung selber bezahlt, auch wenn mir das Geld dafür sicher schon sehr schnell ausgegangen wäre. Aber ich hätte mich sicher auf einen Abzahlungsplan mit einem RA geeinigt. Wenn ich selber bezahlen könnte, dann hätte ich den optimalen Einfluss auf einen RA. Dieser Punkt war besonderes wichtig, da ich dann zumindest eine stärkere Mitsprache im Argentinien-Fall haben würde. Schlussendlich unterschrieb ich trotzdem die Vollmacht und fragte nach der anderen, 378 die ich früher unterschrieben hatte. Die wolle man für später aufbewahren, doppelt hält besser, war die Antwort vom Bankdirektor. Ich fragte, wer alles wüsste, dass ich in Holland sei und wer in Liechtenstein auch von meiner baldigen Heimreise Kenntnis hatte. Nur ganze fünf Personen, sagte der Bankdirektor. Zwei davon wären jetzt im Raum. Die anderen wären Hans-Adam und Alois, Regierungschef Hasler und Justizministerin Rita Kieber-Beck. Man hätte dies so vereinbart, um eine mögliche Sabotage der Operation „Rückführung von Kieber‚ zu verhindern. Sabotage? Wer würde eine Sabotage wollen, fragte ich. Er gäbe Leute in Vaduz, die es lieber hätten, wenn ich in Spanien anstatt in Liechtenstein landen würde. Ich schluckte leer und blieb still sitzen. Die Anzahl derer hätte sich aber in der letzten Woche verkleinert, angesichts was Lampert gemacht hätte. Dies bedeutet, dass es Personen aus dem kleinen Kreis derjenigen sein mussten, die von dem LGT- und dem LLB-Fall wussten. Genau, sagten beide. Sobald fest stehen würde, wann ich konkret heimreisen wollte, würden Hans-Adam oder Alois schon sicherstellen, dass niemand auf die Idee kommen würde, effektiv dazwischenzufunken. Dann bin ich aber beruhigt, sagte ich. Um auf Lampert zurückzukommen fragte ich ob der Professor denn denke, dass man mich in Vaduz überhaupt zum Lampert ins Gefängnis gehen lasse. Wenn er es empfehle und Hans-Adam es anordne, dann würde dem nichts im Wege stehen. Einen Versuch würde er auf jeden Fall befürworten und anregen, sagte er. Ich wollte auch wissen, wie die sich eine Reise von Holland nach Vaduz vorstellen würden. Der Professor wollte sich, ich weiss nicht warum, aus dieser Diskussion heraushalten und verliess den Raum. Er sagte, dass er Sandwich für uns kaufen ginge. Dies sei eine heikle Sache, erwiderte der Bankdirektor. Natürlich hätte man verschiedene Optionen geprüft. Eine von Hans-Adam favorisierte Lösung wäre ein Flug von einem kleinen Flughafen in Holland nach Zürich oder Altenrhein (auch in der Schweiz). Man könnte dafür eine im EU-Raum registrierte Maschine buchen. Ich weiss nicht, sagte ich. Eine andere Variante wäre mit einem Privatauto in die Nähe der französisch-schweizerischen Grenze zu fahren, dort den Wagen zu wechseln und bei einem der unbemannten Grenzübergänge mit einem Fahrzeug mit Schweizer Nummernschild in 379 die Schweiz zu fahren. Gefällt mir nicht, lehnte ich ab. Ich würde es Hans-Adam und der Liechtensteiner Regierung aber auch nicht leicht machen, beklagte sich der Bankdirektor. Sorry, sagte ich, mir wäre es auch lieber, wenn es keine Probleme für alle geben würde. Am kommenden Freitag würde er sich mit dem Hans-Adam treffen. Wir hätten ja noch Zeit, um eine definitive Lösung zu erarbeiten. Zudem würde ich nicht als „H.K.‚ reisen, sagte er. Das wäre ja klar, beruhigte mich der Bankdirektor. Der Professor kam zurück. Sie müssten bald zum Flughafen aufbrechen und wir vereinbarten die weiteren Termine. Ich begann, mich mit dem Gedanken anzufreunden, bald wieder in Vaduz zu sein. Sie verabschiedeten sich und ich wünschte ihnen eine gute Heimreise. "Halt die Ohren steif, achte auf Lieferwagen und Tschau Herr Kieber". Auf baldiges Wiedersehen, Herr Professor und Herr Bankdirektor. In den kommenden Tagen hatte ich 3 Anrufe vom Bankdirektor und 2 x war der Professor mit an der Strippe. Die Telefonate fanden am 15. um 13:30, am 21. um 13:05 und 17:30 und am 26. um 13 Uhr statt. Ich wurde darüber informiert, dass es am 16.5. ein längeres Treffen mit Hans-Adam gegeben hatte und eine Arbeitssitzung zwischen dem Bankdirektor und dem Professor am 20.5. In der Folge wurde der Regierungschef Hasler in der 3. und 4. Maiwoche persönlich konsultiert und unterrichtet. VADUZ Mai 2003 Alle Beteiligten bewerteten des Professors Reise als Erfolg. Der Professor konnte nicht definitive sagen, wann Kieber zurück nach Vaduz kommen würde. Aber er versicherte Hans-Adam, dass Kieber kommen würde. Die restlichen ca. rund 1000 Originaldokumente wurden dem Chef der Treuhand, Feuerstein übergeben. Dieser bat zwei eingeweihte Mitglieder aus dem Verwaltungsrat der Treuhand ihm behilflich zu sein, sie in die jeweiligen Akten im begehbaren Tresor im dritten Stock einzuordnen. Man konnte keinen Kundenberater oder gar eine Sachbearbeiterin damit beauftragen, da sonst in der Belegschaft bekannt geworden wäre, dass 380 irgendetwas faul war oder dass Daten entwendet worden waren. Bis anhin wusste niemand von der Belegschaft darüber. Lampert bekam einen Anfall im Untersuchungsgefängnis in Vaduz und musste ärztlich betreut werden. Er hatte nicht aufgehört zu toben und zu schreien. Die LLB und die Regierung waren beruhigt, weil nach der Verhaftung von Lampert am 8. Mai keine Zeichen von irgendwelchen Katastrophen in Deutschland erkennbar waren. Weder riefen Kunden aus Russland noch Kunden aus Deutschland an. Auch meldete sich niemand sonst bei der LLB direkt. Also keine Komplizen, schlussfolgerte man. Der kleine Kreis, der sich mit der Planung der Rückkehr von Kieber befasste, steckte in einer Sackgasse. Am 16.5. trafen sich der Bankdirektor und Hans-Adam zu einer Krisensitzung. Der Gesandte berichtete, dass Kieber nicht einfach einzuschätzen wäre. Kieber hätte ständige Wechselbäder in Bezug auf was er denen in Vaduz glauben soll oder nicht. Hans-Adam ordnete an, dass verstärkt auf Kieber einzureden wäre, aber ohne ihm zu drohen, da sonst er wieder in ein psychologisches Loch fallen würde und die in Vaduz noch an Weihnachten ins ferne Holland reisen müssten. Hans-Adam wollte wissen, ob Kieber etwas von grobschlächtigen Taktiken, die man am Anfang des Dramas angewendet hatte, wüsste. Der Bankdirektor war sich sicher, dass Kieber nur limitiert über die geplanten, teilweise ausgeführten, mehrheitlich abgeblasenen Handlungen und Hintergründe, wie z.B. über die Schnüffler in Berlin, Bescheid wüsste. Am 20.5. kamen der Professor und der Bankdirektor zu einem Brainstorming zusammen. Amsterdam Juni 2003 Während einer Velotour machte ich mir Gedanken über die Zukunft. Wie würde wohl mein Leben nach einer Rückkehr nach Liechtenstein sein? Da der Gerichtsprozess gegen Roegele & Co. sicherlich lange dauern würde, würde ich mich auf Jahre hinaus in Liechtenstein einrichten, hoffentlich einen guten Job finden, und – wer weiss – vielleicht auch bald eine eigene Familie haben. Da ich äusserst anpassungsfähig bin, hätte ich keine Mühe damit, nach der Rückkehr erstmal klein anzufangen. Eines stand aber schon jetzt für mich fest. Sollte ich das greifbare Glück haben und alles ohne „Blutvergiessen‚ 381 und ohne die Rache von Hans-Adam oder der hohen Finanz-Herren überstehen, dann müsste ich für alle in Stein meisseln: „Wirklich Schwein gehabt.‚ Ich wüsste nicht, wieso es nicht so kommen sollte. Wenn ich nach Hause komme, dann würde dies bedeuten, dass niemand zu Schaden gekommen war. Das heisst, nach Liechtensteiner Redensart: Kein Kunde ist belästigt worden, keine Kundengelder sind verloren gegangen, keinen Einnahmeverlust für Hans-Adam. Was übrig bleiben würde, wäre eine Geschichte einer BeinaheKatastrophe, mit einem beleidigtem, aber verzeihendem Landesführer, ein paar gekränkten Staatsanwälten, einem verstummten Treuhandchef, einem beruhigten Bankdirektor, einem wieder heiteren Regierungschef, einem erfolgreichen Professor, meine Folterer für Jahre hinter Gittern und zu guter Letzt, ein wieder lebensfroher Kieber. Na, dann wollen wir mal sehen. Ich hielt mich fit indem ich fast jeden Tag ins Freibad, dass auf der Velostrecke nach Amsterdam war, schwimmen ging. Ab und zu setzte ich mich in eines der Hotels der Stadt und beobachtete Tee schlürfend was sich vor mir abspielte. Selber schuld, als mir Mitte Juni ein Stück Kuchen fast im Hals stecken blieb. Ich sass im La Terrasse des Hotels De L’Europe beim Muntplein und las eine ältere Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL. Auf einmal wanderte meine Konzentration, vorab unbewusst zu einer Konversation zwischen zwei Herren, die ein paar Meter weg von mir sassen und mit tiefer Stimme aufeinander einredeten. Aha, Schweizer dachte ich zuerst. Oho, Rheintaler Dialekt stellte ich dann fest. Mist, Liechtensteiner Mundart, fluchte ich leise. Ich spitzte meine Ohren, einer der Zwei war definitiv aus Liechtenstein. Ich drehte mich um und schaute nach ihnen. Himmel Donnerwetter noch mal, das sass ein Treuhänder von der LLB eigenen Treuhandbude. Ich erkannte ihn. Ich hatte ihn schon mehrmals in Vaduz gesehen und mit ihm übers Geschäft im Allgemeinen geplaudert. Vermutlich war der Andere ein Kunde. Oft wurden solche Treffen im Ausland abgehalten, wenn der Kunde sich scheute nach Liechtenstein zu kommen. Wie hiess er noch mal, strengte ich mein Hirn an. Egal wie er heisst, dachte ich mir, gefährlicher ist, dass er wissen könnte, wer ich bin. Langsam packte ich den Spiegel in meine Tasche und entfernte mich wie ein geschlagener Hund in Richtung Concierge, wo ich darauf bestehen musste, dass ich dort meine Konsumation 382 bezahlen konnte. Noch mal gut gegangen. Ich war mir zwar sicher, dass er nichts von meinem Drama wusste, aber besser war es auf jeden Fall, wenn er mich nicht sehen würde. Das letzte Telefongespräch am 26. Mai brachte den erhofften Durchbruch leider noch nicht. Jedes Mal wenn sie wieder weg waren, der Professor und der Bankdirektor, bekam ich wieder Zweifel, ob alles so geschehen würde, wie man mir es gesagt hätte. Über den Monat Juni verteilt hatte ich mehrmaligen telefonischen Kontakt mit dem Bankdirektor, dem Professor oder beiden zusammen. So 25’(Minuten) am 2. Juni um 13:30, 4’ am 4. um 12:30, 13’ am 10. um 12:20, 10’ am 18. um 13:38 und die letzten 22’ am 26. um 13:30. Es gab immer noch einige Meinungsverschiedenheiten, aber im Grossen und Ganzen wurde man sich einig, dass ich am 01. Juli 2003 die Heimreise unter Begleitung antreten würde. Genau 175 Tage nachdem ich Liechtenstein verlassen hatte. Fast ein halbes Jahr lang war ich im Ausland. Wer hätte das gedacht. Da nun feststand, dass ich wieder nach Hause reisen würde, entschloss ich mich auch die in meinen eigenen Laptop eingebaute Harddisk und den Arbeitsspeicher (RAM) ganz zu entfernen und endgültig zu zerstören. Ich hatte zwar nie Daten von der LGT in meinem Laptop direkt gespeichert gehabt. Vor der Entnahme kopierte ich ein paar persönlich Dateien auf eine CD-ROM und zerstörte die ausgebauten Teile. In einem Computerladen kaufte ich eine neue Harddisk plus RAM und ein Fachmann baute sie ein. Anm.: Hier endet die im Kapitel 8 angefangene Aufteilung in der Erzählung zwischen mir im Ausland und den Anderen in Liechtenstein, sowie der Ersten & Dritten Person. In den folgenden Kapiteln, nicht weniger spannend, schreibe ich wieder im alten Stil. 383 KAPITEL 17 Explosives Gutachten und Freies Geleit Die in Vaduz Eingeweihten brüteten lange über einer Lösung nach, wie man mich sicher nach Liechtenstein zurückbringen könnte. Dabei ging es überhaupt nicht um die Frage, ob ich den Zusicherungen von Seiten Liechtenstein glauben würde. Alle, der Professor, der Bankdirektor und Hans-Adam, hatten mir ja mehrmals zugesichert, dass ich nicht im Kerker verschwinden würde, sobald ich heimischen Boden betreten würde. Ich glaubte ihnen zu 75 Prozent. Da ich die Reise mit dem Flugzeug kategorisch ausgeschlossen hatte – wer weiss, vielleicht wäre der Pilot auch in Barcelona gelandet - blieb nur der Weg über Land. Wobei ich auf die schnellste und kürzeste Strecke pochte ohne Begleitung einer offiziellen Liechtensteiner Aufsicht. Auf keinen Fall wollte ich die Reise mit einer unbekannten Person durchführen. Tief in mir war immer die Angst da, dass es eine Falle sein könnte. Man darf in dieser ganzen Geschichte nie vergessen, dass es hier um ein Milliardengeschäft geht. Es waren gewaltige Interessen damit verbunden. Menschen sind schon wegen viel „weniger‚ spurlos verschwunden. Da ich mich aber freiwillige zur Rückkehr entschlossen hatte, musste ich diese Ängste irgendwie unterdrücken. Jetzt ging es um Juristische und Rechtsstaatliche Fragen! Das Problem für Liechtenstein war, wie dies alles geschehen sollte, ohne dass es politische oder juristische Komplikationen mit Deutschland (und im gerigeren Masse mit Holland) geben würde, wenn das offizielle Liechtenstein mich von Amsterdam aus quer durch Deutschland zum Bodensee nach Österreich transportieren würde. Würden wir in eine (mobile) Zoll- oder Strassenkontrolle kommen, und ich mich als „H.K.‚ ausweisen, würde Deutschland aufgrund des Eintrags im Schengencomputersystem den spanischen Haftbefehl entdecken und eine Weiterreise fuer mich unmöglich machen. Die grösste Sorge für Hans-Adam, die Regierung und die LGT war natürlich die Gefahr, dass ich mich dann den Deutschen „datenmässig offenbaren‚ würde. Da sind darauf hoffen konnten, dass ich alle Daten und Kopien vor einer Abreise vernichten wuerde, war ihnen bewusst, dass es einen endgültigen Beweis dafür nie geben würde und zudem meine insider Geschäftskenntnisse auch ohne das Datenmaterial gefährlich werden könnten. 384 Regierungschef Hasler und Hans-Adam wollten von diskreten Experten in einer Art Gutachten mehr zum Problem „Transport H.K. von Holland nach Liechtenstein via Deutschland und Österreich‚ erfahren. Anfang Juni 2003 wurde es in Auftrag gegeben. In einer Sitzung vom 10.6.03 wurde die Expertenmeinung behandelt. Aufgrund der Brisanz der Schlussfolgerungen wurde es sofort als Geheimsache abgestempelt und unter Verschluss gehalten. Darin wurde zuerst daran erinnert, dass sollte ich nicht nach Hause kommen, dann würde schlussendlich Deutschland bestimmt die Daten von mir erhalten und dies wäre ein Desaster für Liechtenstein, HansAdam und die LGT. Anm.: Zum Zeitpunkt des Gutachtens hatte Vaduz ja noch nicht von mir "mitgeteilt bekommen", dass ich alle Datenträger "vernichtet" haette. Weiters wurde festgehalten, dass ohne die Verletzung von national und internationalen Vereinbarungen und Bestimmungen es unmöglich sein würde, mich von Holland via Deutschland und Österreich nach Liechtenstein zu bringen, ohne das Land Liechtenstein in Gefahr zu bringen und mich als Person samt meinem spezifischem Fachwissen zu exponieren. Liechtenstein könne ja Deutschland nicht um Hilfe für den Transport bitten. Das offizielle Deutschland (sowie Österreich & Holland) müsse um jeden Preis raus gehalten werden. Es wurde der Regierung empfohlen, nur nach Lösungen zu suchen, die eine 100 % Gefahrlosigkeit fuer Hans-Adam, Liechtenstein und dessen Regierung gewährleisten würden. Wie immer wussten sich Hans-Adam und die Hohen Finanzherren aus Liechtenstein zu helfen. Anm.: Das ich über die Existenz dieses Gutachten weiss liegt wie folgt: Einige Wochen nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein im Juli 2003, war mir beim Aktenstudium ein kleiner schriftlicher Aktenvermerk aufgefallen: eine kleine Randnotiz über das oben erwähnten Gutachten. Am 13.08.03 bat ich bei Landgericht schriftlich um eine Kopie dieses Gutachtens. Nichts regte sich. Sechs Wochen später, am 23.09. 03 schrieb ich nochmals an das Gericht. Erstaunlicherweise erhielt ich nicht vom Gericht eine Reaktion. Eine Dame aus der Regierungskanzlei rief mich an und teilte mir mit, dass es leider keine Kopie für mich gäbe. Ich erwiderte, dass ich aber gerne eine hätte. Eine Woche später kam wieder ein Anruf und es wurde behauptet, dass das Gutachten aus dem Archiv verschwunden sei. Es müsse doch eine Kopie davon irgendwo an einer 385 anderen Stelle geben, sagte ich. Elf Tage später wurde mir dann ausgerichtet, dass es nie ein Gutachten gegeben hätte. Damit sei das Thema beendet, wurde mir erklärt. Ich wollte nicht locker lassen und schrieb am 13.10.03 abermals ans Gericht mit der Bitte, mir eine Kopie des Gutachtens zuzusenden. Es kam nie eine Antwort. Ich hatte aber Glück. Einen knappen Monat später, im November '03 erhielt ich dank eines Bekannten aus dem Staatsapparat die Möglichkeit eine Originalkopie des Gutachtens zu lesen. Der Name des Verfassers war dunkelblau übermalt worden. Jetzt begriff ich, warum ich keine Kopie des Gutachtens erhalten hatte. Zurück zum Juni 2003 In der Zwischenzeit hatte sich „mein‚ neuer Rechtsanwalt, Dr. Wolfgang Müller, gemäss Auskunft vom Bankdirektor, in die Materie eingelesen. Mit der Vollmacht von mir hatte er zumindest alle Gerichtsakten einsehen können. Er konnte nicht mit mir kommunizieren, denn er wusste nicht wo ich war. Ihm wurde gesagt, dass ich bald nach Hause kommen würde. Wann und wie, darüber durfte er keine Fragen stellen. Auch sonst wurde er vorläufig eher im Dunkeln darüber gelassen, was man mit mir vorhatte. Obwohl er von meinen, sozusagen nun alten (wie ich dachte) Gegnern bezahlt wurde. Man würde ihn nach meiner Ankunft kontaktieren und "aufklären". Als schlauer Rechtsanwalt bemerkte er rasch, dass hier ein Problem für seinen Mandanten entstehen könnte. Da mein Einspruch gegen die Anklage im 140er am 10.3.03 vom Gericht abgewiesen wurde (was mir niemand im Ausland sagte) und da eine mögliche Anklage wegen des Datendiebstahls drohte (was mir auch niemand im Ausland sagte!), befürchtete er, dass ich nach meiner Ankunft eventuell in U-Haft genommen werden könnte. Dies war umso wahrscheinlicher, da ich ja seit bald einem halben Jahr unterwegs im Ausland war. Er wusste nichts von den Zusicherungen seitens Hans-Adams. Als Profi stellte er in meinem Namen einen Antrag auf freies Geleit. Freies Geleit ist ein Instrument der Strafprozessordung, das Beschuldigten von Seiten der Justiz bestätigt, dass diese nicht verhaftet werden, sondern bis zum Ende eines allfälligen Prozesses auf freiem Fuss bleiben können. 386 Der Antrag wurde am 04.06.03 gestellt und vom Obergericht in Vaduz formell in einer nicht-öffentlichen Sitzung am 16.06.03 genehmigt. Gültig nur in Liechtenstein. Das Gericht kam zum Schluss, dass ich sicher nicht nach Hause kommen würde, wenn kein freies Geleit gewährt würde. Eine brillante Schlussfolgerung! Eine Aufhebung des Liechtensteiner Haftbefehls alleine genüge gewiss nicht, wurde bei Gericht erkannt. Die am Entscheid beteiligen Behörden wussten aber nicht, dass ich in Holland war. Sie mussten es nicht wissen. Sie wussten nur, dass ich irgendwo im Ausland war. Die STA, die wie immer auch ihren Senf dazu sagen konnte, hatte (wen wundert’s) keine Einwände gegen ein freies Geleit. Obwohl die STA es lieber gesehen hätte, wenn ich in Spanien gelandet wäre. Ich erfuhr vom Freien Geleit erst nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein. Wobei mir der Sinn und Zweck dieser Übung (Freies Geleit) nie ganz durchsichtig erschien. Notabene war im Obergerichtsentscheid zum Freien Geleit protokolliert, dass es eine verbindliche Zusage der LGT gebe, dass sie auf eine Bestrafung von mir verzichten würden, wenn ich nach Hause kommen sollte. 387 KAPITEL 18 Ach wie gut, dass niemand weiss... ...dass ich Kieber Heinrich heiss. In den sieben Telefonaten im Monat Juni zwischen mir und dem Bankdirektor und/oder dem Professor wurde mir erklärt, dass man in Vaduz eine Lösung für eine reibungslose Reise zurück nach Liechtenstein gefunden hätte. Ich bestand auf eine schriftliche Garantie von Hans-Adam, bei Ankunft nicht doch noch ins Gefängnis geworfen zu werden. Auch dafür hätte man gesorgt. Ich würde vor Abreise eine handschriftliche Note von Hans-Adam erhalten, auf seinem Briefpapier mit Stempel und so. Darin würde er mir als Staatsoberhaupt garantieren, dass ich weder Haft noch sonstige psychische oder physische Nachteile zu erleiden hätte. Ich war mit dem Text zufrieden, wies aber darauf hin, dass ich die Unterschrift von Hans-Adam kennen würde und daher man nicht versuchen sollte, mir eine Fälschung unter die Nase zu reiben. Nach einigen Feinabstimmungen wurde mir vom Bankdirektor die gefundene Transportlösung mitgeteilt. Ich solle meine sieben Sachen packen und am 30. Juni, spätestens um 18 Uhr zum Hotel Marriott, genauer in das Terrace Café kommen. Der Professor würde dort auf mich warten. Er würde im Hotel zwei Zimmer mieten. Eines für ihn und eines für mich. Am nächsten Tag, dem 01. Juli 2003 würden er und ich zusammen in einem Mietwagen mit holländischem Kennzeichen frühmorgens Amsterdam verlassen und auf direktem Weg die ca. 880 Kilometer bis zur Grenze ÖsterreichLiechtenstein fahren. Auf meine Frage hin, was ist, wenn wir irgendwo kontrolliert werden, sagte er mir, dass ich mir keine Sorgen darum machen sollte. Ich protestierte und sagte, wenn ich nicht genau wüsste, wie alles abläuft, steige ich in keinen Wagen ein. Er begriff, dass ich unter keinen Umständen mich auf ein vernebeltes Abenteuer in Sachen Heimreise einlassen werde. Mit dem Hinweis, dass Hans-Adam ihm eigentlich strengstens aufgetragen hatte, mir nicht allzu viele Details der Lösung zu verraten, lies ich mich beruhigen, als er mir den Plan erklärte. Ich müsste alle meine Ausweise (Pass, ID-Karte, Führerschein), einfach alles, wo Heinrich Kieber drauf steht, vor der Abreise in ein weisses Kuvert einpacken, zukleben und ihnen vor der Abfahrt aushändigen. 388 Sollten der Professor und ich in eine Kontrolle in Holland, Deutschland oder Österreich geraten, dann würde man „H.K.‚ nicht entdecken. Bevor er den logischen zweiten Teil des Plans weiter erklären konnte, konterte ich schon der Frage, als wer ich mich denn bei einer möglichen Kontrolle ausgeben sollte. Und was würde mit meinen Papieren geschehen, wenn diese zwar nicht bei mir aber mit uns im Mietwagen gefunden wurden? Ihr würdet nicht alleine sein, sagte der Bankdirektor. Ein Zweitwagen mit zwei Passagieren würde unserem Auto ab dem Hotel in Amsterdam folgen. Meine Papiere würden versiegelt und sicher in einem Diplomatenkoffer verstaut transportiert. Eine eventuelle Polizei- oder Zollkontrolle des Koffers sei nicht möglich. Er könne mir aber nicht sagen, wer die Personen im anderen Wagen seien. Klar sei aber, dass es (diplomatisch) befugte Personen seien. Ich fragte, ob es Diplomaten aus dem Liechtensteiner Corps seinen. Er sagte, er glaube dies nicht. So wie er es mitbekommen habe, seien es Personen aus jenem Kreis, die seit Jahren von Hans-Adam mit Liechtensteiner Diplomaten-Pässen ausgestattet werden. Geplant sei, dass der Professor die Anderen einmal kurz vorher in Zürich oder Vaduz treffen würde, damit er sie dann in Amsterdam wieder erkennen könnte. Nun gut, soweit schien mir die Lösung als OK. Der Bankdirektor wusste schon, was jetzt meine nächste Frage sein würde und sagte, dass ich mir keine Sorgen um meine "Identität‚ während der Transitfahrt machen müsste. Der Liechtensteiner Pass, den der Fahrer von Hans-Adam mir am 14.01.03 in Berlin vor der LGT Niederlassung durch das Wagenfenster gezeigt hatte, sei der geniale Schlüssel. Hans-Adam und die Regierung in Vaduz haben aber darauf bestanden, dass mir der Pass mit Namen „Ulrich Meier‚ nicht persönlich für die Rückreise ausgehändigt werden dürfe. Um mich zu beruhigen, soll mir der Pass aber vor Abfahrt gezeigt werden. Sonst würde ich es wieder nicht glauben. Der Pass soll jedoch in den Händen der Insassen des Zweitwagens, der uns immer mit Abstand und in Sichtweite nachfahren würde, bleiben. Sollten der Professor und ich durch ausländische Beamte aufgehalten werden, dann würde unsere Schatten dies sofort mitbekommen und hinter uns aufschliessen. Ich solle dann sagen, dass ich meinen Pass im anderen Wagen hinter uns eingepackt hätte. Dann könnte ich ihn holen und zeigen. Eine clevere Lösung, sagte ich. Und wir beide erkannten, wie schon oft in den letzten Wochen, wie viel Wahrheit im Spruch „Geld regiert die Welt‚ liegt. 389 Wenn es um die heiligste Kuh aller Kühe in Liechtenstein geht, dann sind Hans-Adam und seine Regierung sofort bereit, ihre eigene sowie internationale Gesetzte zu brechen. Was nicht verwunderlich ist, wenn man sich jetzt - im Rückblick - die gefundene Lösung für den LLB-Fall anschaut. Dort hat die LLB über Jahre hinweg Erpressern ca. 9 Mio. Euro ausbezahlt, Mittels- und Strohmänner angeheuert, Spitzel auf die Erpresser angesetzt und so weiter. Da die Mehrheitsaktionärin der LLB das Land Liechtenstein ist und diese Beteiligung durch die Regierung (!) kontrolliert wird, konnte dies alles NICHT ohne die Zustimmung von Hasler und Hans-Adam geschehen. Selbstverständlich kam mir die von Liechtenstein orchestrierte Lösung für meinen sicheren Transport von Holland via Deutschland nach Hause auch ganz gelegen. Wobei ich nochmals betonen möchte, dass ich freiwillig nach Hause zurückkehren wollte. Nach monatelangen Diskussionen mit den Gesandten von HansAdam war es allen Beteiligten klar, dass ich unter Zwang niemals heimkehren würde. Trotz aller Ehrenworte seitens des Professors und des Bankdirektors war ich mir nicht ganz sicher, ob es nicht dennoch eine Kurzschlusshandlung auf deren Seite geben würde. Ich machte mir eine Liste der Pro und Contra. Ich hatte dem Duo Professor und Bankdirektor versprechen müssen, dass ich die letzte externe Harddisk mit den Daten vor der Abreise vernichten würde. Nach reiflicher Überlegungen kam ich zum Schluss, dass es Liechtenstein nicht riskieren würde, mich auf dem Heimweg in Deutschland zu „verkaufen‚. Ich wusste zu viel und das war meine Versicherung. Zudem waren fast sechs Monate vergangen, seit ich Liechtenstein verlassen hatte. Lange Monate in denen alle Seiten sich beruhigen konnten und die Sache mit der nötigen Distanz betrachten konnten. Ich vernichtete den letzten Datenspeicher im Juni auf dieselbe Art wie sein Zwillingsbruder. Hart hämmernd, aber schmerzlos. Die Idee, die Nacht zum 1.7. im selben Hotel wie der Professor zu verbringen, gefiel mir nicht so gut. Es wäre das erste Mal, dass sie wissen würden, wo ich übernachtete. Ich wollte aber den steigenden Enthusiasmus vom Professor nicht unnötig eindämmen und sagte dem Treffen im Terrace Café zu. Meine gepackten sieben Sachen liess ich aber bei Jane in ihrem B&B in Monnikendam. Ich hatte ja bis Ende Juni 2003 das Zimmer dort bezahlt und konnte ohne weiteres eine extra Nacht bleiben. 390 Am 30.06. fuhr ich frühmorgens mit dem Linienbus Richtung Amsterdam City und war schon um 09.30 Uhr beim Marriott. Ich war den ganzen Tag sehr nervös und bereute es, schon so früh in der City zu sein. Ich verliess das Hotel wieder und schlenderte das letzte Mal in der schönen Stadt herum. Plötzlich stand ich vor einem alten Barbiershop. Ich ging hinein und liess mir den kürzesten Haarschnitt den es gibt machen. Ich nannte ihn den Prison-Cut, den Gefängnisschnitt. Nach einem letzten feinen Essen in meinem Lieblingslokal lief ich zurück ins Hotel und wartete auf den Professor. Er erschien erst nach 18.00 Uhr. Wir waren beide sehr aufgeregt und gleichzeitig froh, dass es bald zu Ende war. Er gab mir meinen Zimmerschlüssel. Sein Zimmer sei in einem anderen Stockwerk. Er lud mich zu einem späten Abendessen ein, wie immer von Hans-Adam spendiert. Er übergab mir ein zugeklebtes Kuvert. Ich erkannte sofort, dass es vom Schloss Vaduz war, da es auf der Rückseite die Krone aufgedruckt hatte. Ich sagte, dass ich es erst später öffnen würde und steckte es behutsam ein. Wir gingen nochmals die wichtigsten Punkte durch. Er bestätigte mir, dass die vom anderen Wagen auch schon in Amsterdam seien und er sie schon getroffen hätte. Ich sagte, dass ich noch die letzte Nacht alleine in der Stadt verbringen möchte und wenn er nichts mehr von mir auf seinem Handy hören würde, ich um 07.00 Uhr am nächsten Morgen in der Hotellobby auf ihn warten würde. Ich bestellte noch eine Cola, mit dem Hintergedanken, länger als er im Café bleiben zu können. Endlich war er so müde, dass er sich verabschiedete. Ich versicherte mich, dass er, wie angekündigt, den Lift hoch zu den Zimmern nahm. Er war ausser Sichtweite. Ich rannte hoch in mein Zimmer. Ich riss die Bettdecke hoch, schmiss ein paar Handtücher im Badezimmer auf den Boden, benutzte die Seife, öffnete eine Packung Chips und goss Wasser in ein Glas ein. Meine Absicht war ganz und gar nicht, hier zu übernachten. Ich konnte die zu Recht vorhandenen Ängste (siehe ihre Aktivitäten in Berlin!), dass sie mich evt. mit Gewalt irgendwo hinschleppen würden, einfach nicht aus meinem Kopf löschen. Auch darum nicht, weil dies die erste und letzte Möglichkeit wäre, mich ohne Zeugen zu erwischen. Ich war mir ganz sicher, dass sie einen Zweitschlüssel für mein Zimmer hatten, da sie ja die Zimmer reserviert und bezahlt hatten. Bis anhin hatte ich bei fast allen Treffen beharrlich darauf geachtet, dass sie in der Öffentlichkeit stattfanden. 391 D.h. von anderen Menschen umgeben zu sein, oder zumindest eine geprüfte Fluchtmöglichkeit zu kennen. Ich machte mich auf den Weg zurück nach Monnikendam. Erst dort öffnete ich den Umschlag. Darin befand sich die postkartengrosse Notiz, mit aufgedruckter Adelskrone und aus weissem Büttenpapier vermutlich. Auf jeden Fall super teure Papierqualität. Unter dem Logo vom Schloss Vaduz war von Hans-Adam handschriftlich genau das vermerkt, was man mir angekündigt hatte. Unten stand noch zusätzlich: Angenehme Reise. Daneben die schnelle Unterschriftsvariante von ihm. Nach viereinhalb Monaten als Gast verabschiedete ich mich von meinen Gastgebern am Abend, weil ich am nächsten Morgen schon um 5 Uhr in der Früh von einem Taxi abgeholt werden würde. Jane und ihr Mann bedankten sich sehr für meine Treue und wünschten mir alles Gute. Ich schlief nicht so gut. Eigentlich gar nicht. Pünktlich um 05.00 Uhr hielt das Taxi in der kleinen Strasse vor dem B&B und 25 Minuten später liess es mich in einer Seitenstrasse in der Nähe des Hotels Marriott wieder raus. Es war ein wunderschöner Sommermorgen. Ich liess meine Koffer unten an der Rezeption stehen und nahm den Lift hoch zum Zimmer. Dort, in einem Anfall von „die letzten guten Tage sind vorüber‚, sammelte ich den ganzen Inhalt des Kühlschranks (mit Ausnahme der alkoholischen Getränke) inklusive allem Essbaren (Schokoriegel, Chips, Käsesnacks) ein und packte es in eine Tasche. Noch schnell eine kalte Dusche und das war’s. Amsterdam Ade. Wieder unten, wartete ich in der Lobby auf den Professor. Er kam frisch rasiert und parfümiert zur abgemachten Zeit runter und wir stopften unser Gepäck in den praktisch brandneuen Mietwagen der Marke Renault, Modell Twingo. Zurück an der Rezeption kam die übliche Frage: Minibar? Verlegen fragte ich ihn, ob Hans-Adam was dagegen hätte, dass ich praktisch alles ausser Alkohol aus der Minibar abgeräumt hatte. Gleichzeitig zeigte ich ihm die gefüllte Plastiktasche. Der Professor lachte und bezahlte beide Zimmer und die ca. 50 Euro für meine Minibarsammlung. Er sagte mir, dass er beauftragt worden sei, mich nun nach einem weissen Kuvert zu fragen. Ich übergab es ihm. Ich fragte ihn, ob er wisse, was da drin ist. Er verneinte es. Er wolle und müsse es nicht wissen. Er bat mich in der Lobby zu warten und er verschwand mit meinem Umschlag. Nach 20 Minuten kam er wieder. Ohne Kuvert. Er bat mich, 392 nach draussen zu kommen. Ich dachte mir nichts dabei. Er bat mich die kurvige Einfahrt entlang zu laufen. Auf halben Weg dorthin stand ein Mann, den ich noch nie vorher gesehen hatte. Als er mich mit Herr Ulrich Meier begrüsste, fiel auch mir der Groschen runter. Er öffnete eine blaue Dokumentenmappe, grösser als ein DIN A4-Format und zeigte mir den Pass mit meinem Foto drin. Den allezeit beliebten Schutz-Pass, die Schutz-ID. Ich bedankte mich und er nickte nur. Dann verstaute er den Pass wieder in der Mappe und ging in Richtung Vorderseite des Hotels. Der Herr Professor und der Herr Ulrich Meier stiegen in den Mietwagen ein. Vorher musste ich noch mein Handy samt SIM-Karte abgeben. Ich hatte keine Probleme damit, es war ja ihr Eigentum. Der Professor selber hatte zwei eigene Handys bei sich, die abwechselnd während der ganzen Fahrt mindestens alle 30 Minuten klingelten oder vibrierten. Wir hatten eine Europastrassenkarte mit uns und der Weg sollte uns ungefähr via Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart führen. Nach einer Stunde Fahrt, rief Hans-Adam an und fragte, ob alles gemäss Plan abgelaufen sei. Zu meiner Verblüffung, wollte Hans-Adam mit mir reden. Er fragte mich, wie es mir gehe und dass ich mir keine Sorgen wegen der Deutschen machen soll. Er fragte auch, ob ich ja nichts in Holland vergessen hätte. Ich versicherte ihm, nein, nichts vergessen. Nur noch alles in meinem Kopf! Er gab zurück: „Ja, das wissen wir alle.‚ Er beteuerte nochmals, dass ich ihn sobald als möglich persönlich sehen könne und auf mich ein schönes, kleines, neu möbliertes Zimmer in Vaduz warten würde. Ich erwiderte, hoffentlich nicht in der Aeulestrasse/Gewerbeweg (dort wo das Gefängnis ist). Er lachte und rief< nein, nein, nein. Die Fahrt war angenehm. Dank meines grossen Vorrats an Süssem aus dem Hotelzimmer musste ich auch nicht hungern. Ganz offen schaute ich ständig nach unserem Schatten. Der Professor hatte nichts dagegen. Ich erblickte den richtigen Wagen schon als wir noch auf dem Stadtgebiet Amsterdam fuhren. Es war ein dunkler BMW der 5er Reihe, kein holländisches Kennzeichen. Das konnte ich sehen. Der Wagen blieb immer vier bis fünf Autos hinter uns. Später konnte ich erkennen, dass es ein österreichisches Kennzeichen hatte. Sofort rief ich zum Professor: „Aha, es sind sicher Hans-Adams Verwandte aus Österreich, die mit den Diplomatenpässen, gell?‚ 393 Er sagte, er wisse es nicht und blickte nur stur nach vorne. Auf halber Strecke entschieden wir zu tanken und kalte Getränke einzukaufen. Der BMW hielt auch. Im Laden der Autobahnraststätte kauften wir uns Essen und bezahlten das Benzin. Ich sah zwei Männer neben dem BMW stehen, einer tankte den Wagen, der andere lief weg um mit dem Handy zu telefonieren. Es war der Mann, der mir in Amsterdam den SchutzPass gezeigt hatte. Um nicht in einer Radarkontrolle gestoppt zu werden, fuhren wir strikt nach Vorschrift. Die Stunden vergingen und wir machten Witze übers Bücherschreiben. Ich könne doch ein Buch schreiben, nachdem was ich alleine und wir zusammen erlebt hatten, sagte der Professor. Und über Argentinien. Natürlich könnte ich die Dinge nicht beim Namen nennen. Das ginge nicht, sagte er. Dann würde man ja erkennen können, dass Liechtenstein knapp einer Katastrophe entkommen war und dass Hans-Adam ganz anders war, als die meisten Menschen dachten und dass die Datensicherheit in Liechtenstein löchrig wie ein Schweizer Käse war. Wir erfanden Pseudonamen für ein imaginäres Buch: aus STA Haun wurde STA Schaum, aus Hans-Adam wurde Duke of Full-Pockets, aus LGT wurde Banque de la Liberté, aus Liechtenstein wurde Monaco. Ich erinnere mich noch ganz gut daran, dass ich dem Professor sagte, dass es unmöglich sein würde, ein Buch zu schreiben, ohne die Dinge beim richtigen Namen zu nennen. Hätte man mir damals gesagt, dass ich über 5 Jahren später, in 2008/2009 wirklich dieses Buch mit der wahren Geschichte schreiben würde, ich hätte alle für verrückt erklärt. Während der Professor uns unaufhaltsam Liechtenstein näherten, spielte sich in Vaduz anderes ab. Der Kreis der Informierten war ja sehr klein. Polizei und Justiz wussten ja nicht, dass ich jetzt unterwegs war. Da Hans-Adam telefonisch vom Professor über den Fortschritt der Heimführung auf dem Laufenden gehalten wurde, ordnete er die Vaduzer Polizei an, eine dringende Interpolmeldung nach Deutschland (BKA, Wiesbaden) zu senden, in der man alle vorhergegangenen Meldungen und Sachverhalte widerrufen sollte. Gemäss Aktennotiz wurde dies (am 1.7.) dann um 15:58 erledigt. Die deutsch-österreichische Grenze kam näher. Erstaunlicherweise atmete ich nicht schwerer sondern leichter. Vielleicht weil ich mich sichere fühlte. Österreich grenzt ja an Liechtenstein. Der Bodensee war 394 so schön an diesem Tag. Die Sonne hoch und stark, praktisch windstill. Nur die Musik aus dem Radiosender störte etwas. Wir überquerten die unsichtbare Grenze der zwei EU-Staaten und dann waren es nur noch ein paar Minuten bis nach Feldkirch. Ich erinnerte mich, wie ich vor fünf Monaten und 24 Tagen hier den Zug nach München genommen hatte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich unter diesen Umständen wieder durch Feldkirch fahren würde. Ich behielt den BMW im Seitenspiegel streng im Auge. Auf der Höhe, wo es rechts ein Thai- oder Chinarestaurant gab, genau in der Anhaltebucht der Stadtbusse, bevor es wieder den Hügel runter geht, Richtung Grenzposten, hielt der BWM an und wurde im Spiegel immer kleiner und kleiner. Wir waren nur noch ca. 1,5 Kilometer von liechtensteinischem Boden entfernt. Da brauchte man den „Schutz‚ jener aus dem BWM wohl nicht mehr, sagte ich. Der Grenzübergang Schaanwald war schon in Sichtweite. Ich kramte die handschriftliche Botschaft von Hans-Adam aus meiner Computertasche und hielt sie fest, wie ein Kleinkind sein liebstes Spielzeug. Dies sollte mich vor jedem Ärger schützen, dachte ich. An der Grenze, die von Schweizer Zöllnern auf liechtensteinischem Boden kontrolliert und bewacht wird, verlief alles sehr schnell. Man winkte uns wie Touristen durch. Gleichzeitig stiessen wir beide einen erlösenden Seufzer aus. Endlich am Ziel! JETZT war ich wieder voll in den Händen und unter Gnaden von HansAdam. Etwas zu wild für den Professor schaute ich mit langem Hals ständig nach vorne, nach hinten, rechts und links. Er beruhigte mich. Es sei keine Falle. Er fahre mich nach Vaduz zu der gemieteten Einzimmerwohnung. Sofort klingelte sein Handy wieder: Das Schloss wusste schon, dass alles gut gegangen war. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wieder in meiner Heimat zu sein. Wie als wären die letzten sechs Monate gar nicht passiert, so ruhig war alles. Fast jedes Haus an dem wir vorbeifuhren, jede Strasse die wir benutzten, alle kannte ich sie auswendig. Es war ja mein Hinterhof. Der Bankdirektor rief den Professor an. Man fragte mich, ob es OK wäre, wenn wir zuerst zur LGT BANK in der Herrengasse fahren würden. Kein Problem, sagte ich. Wir fuhren in die Tiefgarage, vorbei am Portier und der Sicherheitskanzel und parkten den Wagen. 395 Zuerst musste ich mich mal richtig strecken. Der Bankdirektor kam aus dem Personalausgang auf uns zu und begrüsste uns freundlich. Ob es mir wieder daheim gefallen würde, fragte er. Ja, alles beim alten, erwiderte ich. Zu meinem Erstaunen, hatte er den weissen Umschlag in seinen Händen, mit meinen Ausweispapieren drin. Er gab ihn mir. Er gab uns die Wohnungsschlüssel und nannte uns die Adresse: Buchenweg 1, Vaduz. Ich kannte den Weg und dirigierte den Professor dort hin. Er habe ein Zimmer in Triesen, erwähnte er noch. Es war so gegen 17 Uhr als wir auf dem Parkplatz vor dem Haus ankamen. Ich hatte ja nicht viel Gepäck und nach zehn Minuten war ich schon eingezogen. Es war eine kleine eineinhalb Zimmerwohnung. Es roch noch frisch gestrichen. Die Möbel waren brandneu, ebenso Bettwäsche und Handtücher. Es gab einen Esstisch mit vier Stühlen, ein Bett mit Nachtisch, ein Ledersofa mit Glastischchen, einen Kleiderschrank und eine Stehlampe. Alles gediegen und farblich abgestimmt. Die Einbauküche war relativ gross und das Badezimmer auch. Es hatte einen kleinen Balkon, der direkt über dem Hauseingang war. Links, weg vom Balkon konnte man auf die Wiese vor der Wohnung meines Nachbarn laufen und runter zum Parkplatz. Der Professor verabschiedete sich mit der Bemerkung, dass ich mich erstmals einrichten und ein paar Tage erholen soll. Am Freitag, den 4.7. hätte ich um 10 Uhr einen Termin beim RA Dr. Wolfgang Müller. Der Bankdirektor und eventuell er selber würden auch dort sein. Zudem solle ich mich auch auf ein Vier-Augen-Treffen mit Hans-Adam für nächste Woche Mittwoch, den 9.7. vorbereiten. Wenn es mir genehm wäre. Es wäre, erwiderte ich und bedankte mich bei ihm für alles was er getan hatte. Er bat mich, ihm die persönliche Notiz von Hans-Adam zurückzugeben. Jetzt wäre es ja klar, dass mir nichts passieren würde. Dieser Meinung war ich auch. Ich wollte die Notiz aber als Andenken behalten. Ging leider nicht. Der grösste Teil am Erfolg dieser Etappe war dem Professor zuzuschreiben. Der Rest dem Bankdirektor. Natürlich darüber schwebend immer der Hans-Adam. Obwohl der Professor auf der Lohnliste von ihm stand (nebenbei noch bis weit ins letzte Jahr, 2008 hinein), war sein Teil der Aufgabe der schwierigste. Nämlich mich zu überzeugen und mir neue Wege aufzuzeigen. Dies erledigte er so gut wie nur möglich. Er war wie ein Ventil zwischen Hans-Adam und mir. 396 Während der vielen Debatten in den vergangenen Monaten hatte ich, oft direkt, überwiegend zwischen den Sätzen horchend, mitbekommen, dass Hans-Adam mehrfach eine ganze andere, bestialische Sprache verwendete, wenn er mit seiner Regierung, dem Bankdirektor und dem Professor über mich sprach. Dies galt auch für den umgekehrten Weg. Teil der Aufgabe des Professors war es, deren und meine Worte so umzuformulieren, dass eine Lösung schlussendlich zustande kommen konnte. Ich habe meine Meinung über den Professor auch dann nicht geändert, als ich später, nach meiner Rückkehr erfuhr, dass der einzige Auftrag von Hans-Adam an ihn lautete: OZA- „Bring mir die Daten zurück! Koste es was es wolle! Mit Kieber oder ohne Kieber, ist mir scheiss egal‚ -OZE. Ich hoffte nun, dass, ganz nach dem Spruch „Zeit heilt Wunden‚, die fast sechs Monate meiner Abwesenheit reichen würden, sodass sich auch die zornigsten Gemüter wieder beruhigt hatten. Es sah ganz danach aus. 397 KAPITEL 19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe Ich packte meine sieben Sachen aus und richtete mich gemütlich in meinem neuen Heim ein. Im Badezimmerspiegel starrte ich mich an. "Hast es mal wieder geschafft, Herr Kieber". Fast sechs Monate lang unzählige Menschen unzählige Nerven gekostet. Ich schämte mich meiner Taten. Es war nicht der richtige weg. Ich will nicht sagen, dass ich keine andere Wahl hatte. Wenn man wählen kann, dann muss es ja mindestens zwei verschiedene Wege geben. Was soll’s? Ich hatte eine Entscheidung getroffen. Ich fühlte auch, dass – egal was ich in den 6 Monaten zuvor angestellt hatte – sich ein grosses Gefühl der Erlösung bei den Machthabern breit gemacht hatte. Nicht so sehr, weil ich wieder daheim war. Nein, sondern weil keine Daten verraten wurden und es somit keine geschädigten Kunden gab, und was für Liechtenstein viel wichtiger war, das Land wurde von einem politischen Tsunami mit vielen furchtbaren Konsequenzen verschont. Ich inspizierte die ganze Wohnung. Keine versteckten Kameras? Mikrofone? Wer weiss. Ich wusste, es würde immer diejenigen geben, die mir nicht ganz vertrauen würden. Genau so wie ich ihnen nie zu 100 Prozent trauen konnte. Der Abend war schwül. Die Sonne heizte den Raum trotz heruntergelassenen Rollos heftig ein. Der Jahrhundertsommer 2003 war ja voll im gang. Von der langen Fahrt müde, war schon um 19 Uhr Bettzeit. Ein besseres Kopfkissen müsste ich noch kaufen, war das letzte, was ich vor dem Tiefschlaf dachte. Am nächsten Morgen sah die Welt auch wieder gut aus. Es war schön, wieder zu Hause zu sein. Ich lief über Nebenstrassen bis zum Denner (Einkaufsladen) nach Triesen. Die nette Verkäuferin (er)kannte mich zum Glück nicht. Ich kaufte Milch, Brot und Müsli ein. Und ein frisches heisses Leberkäs-Brötchen. Himmel auf Erden: ein Liechtensteiner Leberkäse. So fein. Wieder zurück in der Wohnung wurde es mir schnell langweilig. Es war ein ungewohntes Gefühl. Kein Versteckspiel mehr, keine Sicherheitsvorkehrungen, kein ständiges Handyein- und ausschalten. Aber vor allem keine Diskussionen mehr und keine schwedischen Gardinen. Da ich ja kein Auto hatte, auch kein Velo mehr, machte ich mich zu Fuss in Richtung Hauptstrasse, zur Bushaltestelle. Die Haltestelle ist auf der Höhe des Gebäudekomplex, wo sich die Polizei, das Passamt und das Gefängnis befanden. Ich dachte an Lampert, der dort in einer Zelle sitzen würde. War ich froh, dass ich meine Drohungen nicht in die Tat 398 umgesetzt hatte, sonst wäre ich auch dort. Ich war frei. Vogelfrei. Dank Hans-Adams persönlicher, schriftlicher Notiz. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass auch etwas ganz anderes sein Gültigkeit hatte: das freie Geleit. Ich hätte auch die Hauptstrasse entlang die paar Kilometer ins Dorfzentrum laufen können. Aber das halbe Land fährt zu dieser Zeit diese Strasse entlang zur Arbeit. Und ich wollte nicht gesehen und erkannt werden. Die Möglichkeit, dass es einen Knall gab, war meines Erachtens schon da. Was, wenn jemand von der Justiz, der Polizei oder der Führungsetage der LGT mich sehen würde und vor lauter Schreck einen Karambolage auslösen würde? Ich setzte mich auf die Bank im Wartehäuschen, wartete auf den Bus und beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Ich erkannte die eine oder andere Person. Niemand sah zu mir rüber. Im Zentrum angekommen wollte ich bei der Post eine Monatsbusfahrkarte kaufen. Der Erste, der mir über den Weg lief, war mein Onkel Guntram (der Ex-Mann meiner Tante). Ja Heinrich, ja Heinrich – wo warst du dann, rief er voller Freude. Ich merkte sofort, dass er etwas wusste. Wenn etwas los war in Vaduz, er wusste es immer. Ohne auf meine Antwort zu warten, sagte er, dass hoffentlich alles gut gegangen sei. Er wusste, dass ich im Januar dem Hans-Adam einen Brief geschrieben hatte. Er erzählte mir davon. Mehr Details wusste er aber dieses Mal offenbar nicht. Ich hatte ihn und seine Freundin Marina immer sehr gemocht. Ich versprach, sie bald besuchen zu kommen. Grüsse von hier aus an die Beiden. Vaduz ist wie ein Dorf in den Bergen. (Fast) jeder kennt jeden persönlich oder man weiss zumindest wohin mit dem Gesicht. Bist ein Kieber, gell? Es war für mich ein Einfaches zu erkennen, wer, egal wie viel, etwas von dem Drama wusste oder nicht. Diejenigen, die gar nichts wussten, grüssten mich ganz anders und erinnerten sich oftmals erst dann, dass es lange her war, seit sie mich das letzte Mal gesehen hatten. Ja, ich war halt im Ausland unterwegs. Von den Anderen traute sich die Hälfte gar nicht mich anzusprechen. Der Rest wusste nicht ob sie mich verteufeln oder loben sollten. So oder so, das Volk, das etwas wusste, war erkennbar froh, dass ich wieder da war und dass augenscheinlich keine Katastrophe eingetreten war, sonst hätten sie es ja in den Medien gelesen und ich würde am Galgen hängen. Ich erblickte die Bäckerei Amman. Da musste ich hin. Endlich wieder heimische Backwaren. Ich kaufte mir einen Nussgipfel und trank eine heisse Ovomaltine. Beim Kiosk Schreiber sah ich Jumbo (sein Spitzname) 399 ,er wusste nichts. Ich erwarb ich eine Telefonkarte. Erst als ich mich umdrehte, erinnerte ich mich, dass schnurgerade gegenüber die LGT Treuhand war. Mist, nichts wie weg. Ich wollte nicht, dass mich jemand von dort sieht. Ich rief meine Stiefmutter, meine Schwester und ein paar Freunde aus einer Telefonzelle bei der Post Vaduz an. Alle konnten es nicht glauben, dass ich wieder zu Hause war. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich mich nicht gemeldet hatte und auch für alle Belästigungen, die sie eventuell wegen mir hatten. Niemand schimpfte mit mir. Das war schon mal positiv. Was sollte ich als nächstes tun, fragte ich mich. Ein Besuch beim gescheitesten Mann in der Justiz. Ohne Termin? Wie immer! Ich versuche es einfach. Ich lief rüber zum Gerichtsgebäude. Die Treppe hoch und klopfte bei seiner lieben Sekretärin an. Die war überrascht. Herr Kieber, aber Hallo! Gut, Sie wieder zu sehen. Kann ich mit dem Landrichter Dr. Paul Meier reden? Ja sicher. Von 11:30 bis 12:25 durfte ich mit ihm plaudern. Er war, wie seine zwei Damen im Vorzimmer, sehr geschockt, als sie im Januar von meinem Brief an Hans-Adam hörten. Sorry, konnte ich da nur sagen. Ich fragte natürlich sofort, ob es im 101er vorwärts gegangen sei. Nein, der Akt sei immer noch beim Obergericht, im Büro vom Richter Dr. G. Mislik (übrigens derselbe Richter, der das freie Geleit beschlossen hatte). Dieser würde in Kürze über meinen Antrag (vom 22.11.02) auf Fortsetzung der Strafuntersuchung gegen Roegele & Co. entscheiden, erinnerte mich UR Dr. Meier. Komisch, sagte ich. Hätte sich den nicht der RA Dr. Wolfgang Müller bei ihm gemeldet, als mein neuer RA in dieser Sache? Nein, nichts dergleichen. Ich sagte, dies könne nichts stimmen. Er bestätigte aber, dass es seit meiner Abreise im Januar zu keinem Wechsel des Rechtsanwalts gekommen sei. Ob mich Dr. Hirn nicht mehr vertreten würde, fragte er. Nein, seit ca. sechs bis acht Wochen sollte es der neue RA Müller aus Schaan sein. Er sei immer noch der UR in diesem Fall und er würde schwören, dass er mich nicht an der Nase herumführe, sagte er. Seltsam, seltsam, sagte ich zu ihm. Noch dachte ich mir nichts dabei. Ich bat ihn jetzt und hier den RA-Wechsel offiziell zu protokollieren. Im Moment ginge es zeitlich gerade nicht, sagte er. Am nächsten Dienstag, den 8.7. hätte er Zeit. Ich bedankte mich bei ihm. Also dann bis nächsten Dienstag. 400 In der Zwischenzeit gingen ein paar Gerüchte wie ein Lauffeuer in Vaduz umher. Eines, ein Falsches, erreichte schliesslich die Polizei. Diese war etwas irritiert, als sie hörte, dass ich heute, am 2.7. nach Vaduz zurückkehren würde. Die Polizei war ja gestern beauftragt worden, schnellst möglich den Deutschen eine Meldung zukommen lassen. Die Polizei kontaktierte die STA per Email und fragte nach, ob die etwas wüssten und formulierte ihre Bedenken, sollte ich von irgendeiner Richtung aus schon heute zurückkommen. Sie sorgten sich um mich, da ich noch passiv im Schweizer System (RIPOL) ausgeschrieben war. Es folgten mehrere hektische Anrufe und Faxe zwischen der Polizei und der STA. Die STA wusste auch nichts Genaueres, wünschte aber, dass die Polizei schleunigst die Grenzstelle in Schaanwald anrufen sollte, um als Vorsichtsmassnahme anzuordnen, mich nicht aufzuhalten, sollte ich die Grenze dort überschreiten. Gleich als nächstes sollte die Polizei die Ausschreibung im RIPOL von den Schweizern löschen lassen. Wie sich später herausstellte, war dieses Gerücht gezielt gestreut worden, um mögliche Saboteure im Glauben zu lassen, dass ich erst am 2.7. einreisen würde. Die LGT Treuhand schickte am 2.7. dem Landgericht einen Brief, worin sie den Rückzug ihrer Privatanklage in Sachen Datendiebstahl erklärten und den Antrag stellten, das Gericht möge daher das Verfahren gegen mich einstellen. Nachdem ich das Büro des UR Dr. Meier verlassen hatte, überlegte ich, wo ich ein Kissen kaufen könnte. Hunger hatte ich auch wieder. Und ich wollte mein Mittagessen nicht in einem Restaurant in Vaduz einnehmen. Im Einkaufszentrum Buchs, auf der Schweizer Rheinseite gab es genügend Auswahl. Buchs ist zwar Ausland, aber weder der Professor noch der Bankdirektor hatte mir untersagt in die Schweiz zu gehen. Ich nahm den Bus dorthin. Es dauerte nicht lange, bis ich die erste von mehreren peinlichen Situationen der kommenden Zeit erlebte. Ich spazierte vom Bahnhof Buchs auf der linken Seite der Einkaufsmeile Richtung Werdenberg. Auf der Höhe des COOP Ladens hörte ich zuerst lautes, unverständliches Gefasel und dann die Klänge von weggestossenen Stühlen. Ich schaute auf und drehte meinen Kopf zum rechten Bürgersteig. Dort sah ich einen Mann, der fluchtartig die Tische eines kleinen Cafés verlies. An der Hand hielt er eine junge Frau. Erst dann erkannte ich ihn. Es war der Chef der IT-Abteilung der LGT Treuhand. 401 Er musste mich zuerst gesehen haben und war wohl geschockt. Ich erinnerte mich, dass er immer mehrmals in der Woche zum Mittagessen nach Buchs zu seiner Freundin fuhr. Beide waren Schweizer. Er wollte wohl eine Konfrontation mit mir vermeiden. Besser so. Ich wüsste auch nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Ich bog in die nächste Abzweigung nach links und dann zum Migroseinkaufszentrum. Ich kaufte mir ein Kissen und einen dazu passenden Bezug. Auf dem Weg zur Bushaltestelle beim Bahnhof Buchs kam ich an einem TV-Geschäft vorbei. Es gab da ein Superangebot für ein kleines Kombigerät, TV und Videorecorder in einem. CHF 300.- kostete es. Fünf Minuten später war ich CHF 300.- ärmer und um einen Fernseher reicher. Das TV-Gerät würde man mir am Wochenende ausnahmsweise nach Vaduz bringen können, da ein Mitarbeiter der Firma in der Nähe von mir wohnen würde. Super. Wieder etwas Positives erlebt. Mit dem Kissen unter dem Arm fuhr ich mit dem Linienbus gleich wieder nach Vaduz. Den Donnerstag hatte ich mit meiner alten Liebe abgemacht. Zuerst wollte ich aber mit dem Bus in meine Heimatgemeinde fahren und das Grab vom Vater besuchen. Dort angekommen, redete ich mit ihm und erinnerte mich, als ich das letzte Mal dort war, hätte ich nie geglaubt, dass ich ihn überhaupt und wenn doch auch noch so schnell wieder besuchen kommen konnte. Ich betrat auch die wunderschöne renovierte Kirche in Mauren. Weisser Marmor überall. Mit dem Bus erreichte ich wieder Buchs und traf mich mit meinem Schatz. Wir verbrachten den Tag am kleinen Werdenbergersee. Sie hatte von nichts eine Ahnung und ich entschied, dass es besser war, es so zu belassen. Am Freitag, den 4.7., gerade als ich mich auf den Weg zum neuen RA Dr. W. Müller machte, bog der Bankdirektor mit seinem Wagen in meine Strasse ein. Er sagte mir, dass er vergessen hätte, mir mitteilen zu lassen, dass er mich abholen würde. Im Auto gab er mir ein Geschenk. Es war das Nokiatelefon aus Holland. Da das Handy ja keinen SIM-Lock hatte, hatte er mir eine neue SIM-Karte mit Rufnummer von der Telekom Liechtenstein kaufen und aktivieren können. Sie war auf meinen Namen registriert. So, sagte ich, wie konnte er denn die Nummer auf meinen Namen einlösen, ohne dass ich dabei war? Man musste sich nämlich dafür ausweisen. Er wich aus und sagte nur, schönes Wetter heute. Er drückte mir auch eine Kopie des Rückzuges der Privatanklage der LGT Treuhand in die Hand. Ich bedankte mich dafür. 402 Um 09.50 Uhr waren wir schon im grossen Sitzungszimmer der Kanzlei. Der Professor konnte leider nicht kommen, da er wieder nach Hause, nach Österreich gefahren war. Er brauchte auch seine Ruhetage. Seine Hauptaufgabe hatte er ja soweit erfüllt. Zehn Minuten später begrüsste uns Dr. Wolfgang Müller und legte eine Aktenmappe auf den Tisch. Dies ist aber sehr mager, dachte ich gleich. Ich bedankte mich für sein Zeit und die Annahme des Mandats. Die erste halbe Stunde sprach er ausschliesslich mit dem Bankdirektor und widmete mir keine Minute. Zu meinem Schrecken erkannte ich bald, dass er sich, wenn überhaupt, extrem minimal in meine Geschichte eingelesen hatte. Nicht nur stellte er Fragen, deren Antworten er eigentlich wissen müsste, hätte er die Akten studiert. Er kam auf Schlussfolgerungen, die fern der Realität waren. Kein Wunder, dass seine Mappe über mich so dünn war. Nach bald 35 Minuten wandte er sich direkt an mich. Man kann sagen, die Beziehung startete auf dem linken Fuss. Sehr zum Erstaunen des Bankdirektors, und wohl ganz im Sinne des wirklichen Auftraggebers (Hans-Adam), tadelte Müller mich und meinte, dass sich mein Vater im Grab umdrehen würde, wüsste er was ich dem Blaublut angetan habe. Ich war absolut nicht auf so etwas vorbereitet und anstatt ihm zu antworten, starrte ich den Bankdirektor an. Dieser konnte meine verschiedenen Gesichtsausdrücke ja schon im Schlaf richtig deuten. Ich stand auf und lief die Treppe hinunter zum Ausgang. Draussen sass ich auf der steinernen Treppe und beobachtete den Verkehr auf der Schaaner Hauptstrasse. Nach fünf Minuten kam der Bankdirektor raus und bat mich wieder herein. Müller sagte, dass er es nicht so gemeint hätte. Er schilderte was in den letzten 4 Wochen alles passiert sei und als er dann anfing von einem erfolgreichen freien Geleit zu erzählen, erlaubte ich mir ihn zu unterbrechen. Er durchblätterte die wenigen Seiten im Akt und zeigte mir den Beschluss. Er hätte dies in weiser Voraussicht Anfang Juni beantragt. Ich kam aus dem Staunen nicht raus und rechnete die Tage, Wochen zurück. Warum stand da, ich würde bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung auf freiem Fuss bleiben? Der Bankdirektor schaute verlegen aus dem Fenster. Müller fragte mich, ob Hans-Adam noch nicht mit mir gesprochen hätte. Nein, erst nächste Woche, erwiderte ich. Man hätte die Anzeige wegen der Nötigung noch nicht zurückgezogen, erklärte er mir dann. Dies sei jedoch alles nur eine Formsache. Ich sollte mir weiters keine Gedanken machen. Aha, OK, konnte ich da zuerst nur stammeln. 403 Aber seine Antwort genügte mir nicht. Ich fragte den Bankdirektor für was dann die persönliche Notiz von Hans-Adam gewesen sein soll, wenn da steht, dass ich sowieso freies Geleit hätte. Und warum hier im Beschluss suggeriert wird, dass ich unter Umständen im Gefängnis landen könnte? Sonst hätte ja RA Müller kein freies Geleit beantragen müssen. Der Bankdirektor rechtfertigte, dass die Notiz eine Geste von Hans-Adam gewesen, sonst wäre ich doch nie mit dem Professor im Wagen nach Hause gefahren. Ja gilt die Notiz denn nicht mehr, fragte ich entsetzt. Natürlich, doch, immer, war die Antwort. Und warum musste ich sie dann zurückgeben? Hans-Adam wollte solch ein Schriftstück nicht im Umlauf haben, war die banale Auskunft darauf. Und das mit dem „bis zum Urteil auf freiem Fuss bleiben‚ soll ich nicht wortwörtlich nehmen, alles nur rein juristische Formsache. Der Bankdirektor wurde wieder etwas griesgrämiger. Ich wandte mich deshalb an Dr. Müller mit der Frage, warum er sich beim UR Dr. P. Meier noch nicht als mein neuer RA im 101er gemeldet hätte. Und was war mit dem Zivilverfahren? Er war ehrlich sehr überrascht: Von einem 101er oder dem Zivilverfahren hätte er zwar am Rande gehört. Sein Mandat beschränke sich aber auf die juristischen Konsequenzen meines Briefes vom 7.1. an Hans-Adam. Innerlich wurde ich schon wieder wütend: „Am Rande gehört?‚ Beide Fälle sind im Detail als Beilage meines Schreibens an Hans-Adam geschildert, sagte ich. Ich war völlig perplex. Der Bankdirektor entschärfte die Lage, indem er sagte, dass sich alles aufklären würde. Eines nach dem Anderen. Müller sagte, dass er es im Gespräch mit Hans-Adam so verstanden hätte, dass dieser Gnade vor Rache walten liesse. Wie bitte? Gnade vor was? Rache? Das höre ich zum ersten Mal, stöhnte ich. Was soll das wieder bedeuten, fragte ich. Mir wurde schlecht und ich musste die Toilette aufsuchen. Als ich zurückkam weinte ich und wollte gehen. Man überredete mich aber zu bleiben. Nichts würde mir geschehen. Hans-Adam hätte dies auch dem RA am Telefon versichert. Ich fragte den RA ob er sicher meine Interessen vertreten würde, da er ja schlussendlich aus der Kasse von Hans-Adams bezahlt würde. Er erklärte, dass es sich hier um einen sehr aussergewöhnlichen Fall handeln würde und die Interessen aller berücksichtigt werden müssten. Aber, prinzipiell sei er natürlich für mich da. Ich bedankte mich artig beim ihm. Zum Abschied drückte er mir fest 404 die Hand und beglückwünschte mich zu meinem klugen Entscheid, freiwillig nach Hause zurückzukehren. Nach diesem eher bemerkenswerten Meeting fuhr mich der Bankdirektor nach Vaduz, zur Arbeitslosenversicherung (ALV), Stempelgeld beantragen. Ich wollte nicht, dass die LGT mir auch noch Brot und Butter bezahlt. Die Übernahme der Mietkosten (ca. CHF 750.pro Monat) war schon grosszügig genug. Er war immer noch angespannt. Wir verloren daher keine Worte mehr über juristische und andere Kämpfe. Bei der ALV wurde mir mitgeteilt, dass ich ab sofort bezugsberechtigt wäre. Mein Arbeitslosengeld würde ca. 70 Prozent des Durchschnittslohns der letzten fünf Jahre betragen. Ich hätte Anspruch auf 250 bezahlte Wochenarbeitstage, also ein gutes Jahr lang. Als Beweis für meine Bemühungen einen neuen Job zu finden, müsste ich meinem zugeteilten Sachbearbeiter fünf Bewerbungen pro Monat vorlegen. Kein Problem, sagte ich. Mein kalkulierter Durchschnittslohn war CHF 3'840.- und damit sehr hoch. Ich hatte also mehr als genug für meinen bescheidenen Lebensunterhalt. Ich sagte zum Bankdirektor, dass ich die Miete selber bezahlen wolle. Dieser lehnte dankend ab. Die LGT habe ja die Möbel gekauft und der Mietvertrag läuft auf ihren Namen. Wenn ich dann eines nicht allzu fernen Tages ausziehen würde, könnte die Firma die Wohnung für anderes Personal benutzen. Nochmals tausend Dank dafür, sagte ich. Er fuhr mich nach Hause und verabschiedete sich ins Wochenende. Die Polizei war immer noch nicht voll im Bilde und offenbar hatte mich weder sie noch jemand von der STA schon gesichtet. Am 4.7. verfasste die Polizei eine Randbemerkung. Angeblich soll ich wieder nach Liechtenstein eingereist sein. Daher bat sie um ein Treffen mit der STA und der Justiz, um zu besprechen, wie in dieser Sache weitergefahren werden soll. Am Wochenende kamen mir die ersten Zweifel auf, ob sich alles so abspielen würde, wie man es mir im Ausland bunt ausgemalt hatte. Schlimmer noch, ob sich in Vaduz in den letzten paar Monaten alles so abgespielt hatte, wie man es mir im Ausland erzählt hatte. Ich merkte, wie mein analytisches Denkvermögen wieder überdrehte. Nein, es konnte nicht sein, dass sich nach so vielen monatelangen Diskussionen mit dem Bankdirektor und dem Professor alles in Luft auflösen sollte. Nein, undenkbar. Und ich war keiner, der jedes zweite 405 oder dritte Wort falsch verstanden hatte. Im Gegenteil, ich ging jede Aussage, jedem Versprechen von Seiten des Bankdirektors und HansAdam gründlich auf den Grund. Natürlich hatten wir selten dieselbe Meinung, aber in Bezug auf die Lösungswege stellte ich sicher, dass wie alle dasselbe darunter verstehen. Wahrscheinlich, so kam im zum Schluss, war ich nur deswegen verwirrt, da ich erst seit vier Tagen wieder daheim war und den vollständigen Überblick noch nicht hatte. Ich war mir sicher, dass die Audienz bei Hans-Adam mir den nötigen Durchblick bringen würde. Zum Glück wurde mir am Samstagnachmittag der Fernseher geliefert. Dies brachte etwas Ablenkung. Für Montag, den 7.7., hatte sich niemand angemeldet und ich hatte auch keine Termine. Ich überlegte lange, ob ich in den sauren Apfel beissen und STA Haun direkt anrufen sollte. Nachfragen, wann man die Anklage im 101er erheben würde. Je mehr ich darüber nachdachte, umso weniger gefiel mir die Ausführung. Wenn überhaupt, wäre es besser zuerst einen Brief zu schreiben und die Reaktion abzuwarten. Eine schöne Abwechslung würde mir ein Ausflug in die Berge geben. Also ab ging es mit dem Bus nach Malbun, dem Liechtensteiner „St. Anton‚. Ich wanderte eine Runde im Kreis, dann runter nach Steg und durch einen kleinen Tunnel auf die Westseite des Höhenzugs. Die Aussicht war atemberaubend. Das ganze Rheintal lag einem zu Füssen. Welch Kontrast zur holländischen Landschaft. Ich durchquerte Wiesen und etliche Wald- und Feldwege bis ich in Triesenberg angelangte. Von dort ging es mit dem Bus wieder heim. Nach einem langen Tag war ich froh, die Beine hoch legen zu können. Wie abgemacht stand ich am Dienstag, den 8.7., pünktlich um 11 Uhr beim UR Dr. Meier auf der Matte. Der Zufall wollte es, dass der Neffe vom RA Wolfgang Müller, Dr. Roland Müller (Partner/Rechtsanwalt in der Kanzlei Müller) wegen einer anderen Sache gerade beim UR im Büro war. Trifft sich gut, sagte ich. Ich bat ihn doch für das kurze Gespräch mit dem UR zu bleiben. Gerne willigte er ein. Der UR erläuterte ihm schnell die Sachlage im 101er Gerichtsfall. Als UR im 101er wäre er überaus zuversichtlich, dass das Obergericht sehr bald meinem Antrag zur Fortsetzung der Strafuntersuchung befürworten würde. Das wäre zu begrüssen, erwiderte ich. Aber, fuhr ich fort, schon vorher würde die STA ihn informieren, dass sie die Strafuntersuchung 406 gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. wieder aufgenommen habe und eine Anklage einreichen würde. Dann müsste ich ja nicht selber als Subsidiarankläger fungieren. Das würde viele erleichtern, antworteten beide Juristen. Noch hätte der UR aber nichts in diese Richtung von der STA gehört. Wird schon noch kommen, versicherte ich beiden. Der Dr. Roland Müller versprach mir, seinen Onkel zu bitten, rasch seine Rechtsvertretung von mir in diesem Fall formell abzuschliessen. Am Nachmittag rief der Bankdirektor auf meinem Handy an und teilte mit, dass ich morgen um 9 Uhr ins Schloss kommen kann. Er sagte auch, dass ich nie vergessen soll, was Hans-Adam für mich getan hätte und keine Angst haben soll. Und wenn es geht, soll ich wegen allfälligen Meinungsverschiedenheiten nicht gleich aufbrausen. Warum? Warum sollte ich Missverständnisse mit ihm haben, fragte ich. Dies wäre nur ein guter Tipp von ihm. Er müsse jetzt gehen und beendete das Telefonat. 407 KAPITEL 20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam Der wohl wichtigste und schwierigste Tag meiner letzten sechs Jahre war gekommen. DAS Vier-Augen-Gespräch mit Hans-Adam dem II., dem Staatsoberhaupt und Landesführer. Am Abend zuvor hatte ich mir bei meiner Nachbarin ein Bügeleisen ausgeliehen. Frisch geduscht und rasiert, mit weissem Hemd und blauer Jeans bekleidet, war ich marschbereit. Der schnellste Weg hinauf zum Hans wäre die Abkürzung durch den Wald unterhalb vom Schloss, vorbei an der Rückseite des Regierungssitzes und dem Restaurant Real. Dann würde ich aber verschwitzt ankommen, erkannte ich. Und das ging nicht. Besser den Bus ins Zentrum nehmen und meinen Onkel Guntram bitten, mich zum Schloss zu fahren. Er war immer eine hilfsbereit Seele . Beim grossen Eisentor des Schlosses angekommen, drehte er seinen Wagen um und wünschte mir viel Glück. Es war jetzt 15 Minuten vor 9 Uhr. Ich klopfte ans Fenster des kleinen Portierhäuschen. Man erwartete mich schon, wurde mir gesagt. Zum meiner Verwirrung kam die rechte Hand von Hans-Adam, Gilbert Kaiser den Kieselweg auf der anderen Seite des eisernen Tors hoch gelaufen. Das schwere Portal öffnete elektronisch und ich schritt ihm entgegen. Ich war nicht zum ersten Mal auf Besuch im Schloss. In meiner Kindheit und Jugend hatte ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Hans-Adams Mutter, Fürstin Gina. Oft backte ich ihr meinen köstlichen Apfelstrudel und lief zu Fuss, im Sommer wie im Winter, den langen Fürstenweg von Schaan nach Vaduz durch den Wald, zu ihrem Schloss. Bis zu ihrem Tod 1989 hatte ich schriftlichen Kontakt und besuchte sie ab und zu. Der heutige Besuch war natürlich anders. Normalerweise wird ein Besucher alleine durch das Tor und dann runter zu alten Holzbrücke gelassen. Von dort sind es nur ein paar Schritte, vorbei an den Kanonen, die Richtung Tal ausgerichtet sind, bis zu den Büroräumen oder rechts um die Kurve in den Innenhof der Burg. Je nach dem, was für einen Termin man mit dem Blaublut hatte. Man wollte wohl bei mir von nun an auf Nummer sicher gehen. Ich kannte Kaiser seit einigen Jahren persönlich. Er hatte auch seit Jahren Kenntnis von meinem Argentinienfall. Er und seine nette Frau, die ab 408 und zu mit im Schloss arbeitete, gehören zum treuesten Mitarbeiterstab der von Liechtenstein. Endlich, endlich bist du wieder da, rief er mir zu. Ich murmelte etwas verlegen und fragte ihn, ob Hans-Adam gut gelaunt wäre. Jetzt wieder, freute ich mich zu hören. Er beschwerte sich, dass ich ab dem 7.1. reichlich Hektik hier in den Haushalt gebracht hätte. Man wäre sehr besorgt um die Reputation der Familie und der LGT gewesen, nicht zu vergessen die Gefahr für die Kunden. Ich weiss, ich weiss, erwiderte ich. Dann wurde er ernst und sagte, dass man es mir sehr übel genommen hätte, dass ich so viele Monate schlaflose Nächte hier im Schloss produziert hatte. Es sei ja alles noch mal gut gegangen, war das wenige, dass ich zu meiner Verteidigung sagen konnte. Er wurde noch deutlicher und sagte wortwörtlich, wenn ich die Daten verraten hätte, hätte ich diese Übeltat nicht überlebt. Diesen Satz untermauerte er bildlich indem er langsam mit dem Daumen seiner rechten Hand von ganz links bis ganz rechts entlang seiner Kehle fuhr. Mir wurde sofort klar, dass es kein Witz war. Auf dem Weg zum Büro erzählte er mir, dass mich die Blaublüter bis zum bitteren Ende gejagt hätten. Keiner pisst ungestraft denen ans Bein (Kaisers Worte). Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter laufen oder umkehren und raus rennen sollte. Aber, ich hatte in Wirklichkeit keine Wahl. Mir war bewusst, dass Hans-Adam mich die ersten 30 Minuten definitiv beschimpfen wird. Da musste ich durch und damit Basta. Kaiser begleitete mich bis ins Vorzimmer, wo die zwei Sekretärinnen am Computer sassen. Mir wurde gesagt, dass ich noch ein paar Minuten warten müsste. Dann wäre Durchlaucht empfangsbereit. Ich stülpte meine Hemdsärmel wieder runter und knöpfte sie zu, strich Hemd und Hose glatt und versuchte meine Nervosität zu unterdrücken. Die dunkle Holztüre öffnete sich und auf seine charakteristische Art & Weise kam Hans-Adam zwei Schritte auf mich zu und drückte meine Hand. Ich begrüsste ihn stürmisch und bedankte mich 10'000 Mal für die Audienz. Er drehte sich um und ich folgte ihm. Da erst erkannte ich, dass er gleich gekleidet war wie ich: weisses Hemd und eine blaue, jeans-artige Hose. Blau, die Farbe der Adeligen. Die Aussprache fand im jenem Raum statt, in dem er auch die ausländischen Gäste und ab und zu die Medien zu Gesprächen empfängt. Wir nahmen, jeder auf einem der Sofas, im 90° Winkel zueinander Platz. Die Möbel waren noch aus Zeiten seines Vaters, Franz Josef II. 409 Er wirkte nicht nur gelöst, er war es auch. Ich, sonst immer eine grosse Klappe, war ganz still und wartete ab, was als nächstes passieren würde. Er war auch nicht gerade ein Gesprächsschnellstarter. Stille. Keine Schimpftiraden. Die Torte, kam es mir in den Sinn. Die feine Torte. Ich bedankte mich für die Sachertorte. Gern geschehen, erwiderte er. Ich sah, dass er vor sich auf dem Salontisch eine Mappe liegen hatte, die mit Heinrich Kieber markiert war. Sie war dicker als diejenige beim RA Müller. Ich dachte es wäre immer eine gute Idee, nach dem Wohlbefinden seiner Frau, seiner Kindern und den Enkelkindern zu fragen. Allen gehe es gut, sagte er. Der Gesundheitsstand seiner Schwiegertochter gab Anlass zur Sorge in letzter Zeit. Ich bedankte mich für die Notiz. Keine Ursache. Es wäre auch für ihn ein Novum gewesen. Er hätte schon vieles in seinem Leben gemacht, aber eine solche Notiz hätte er noch nie ausfertigen lassen und unterschrieben müssen. Der Professor hatte ihm dies empfohlen, sagte er. Mit dem Stichwort Professor gewann unsere Unterredung an Fahrt. Wir redeten über die Richter, die STA, die Justiz im Gesamten, seinen Erfolg bei der Abstimmung im März, die LGT, die Daten, die Kunden, seine Beteiligung an der Firma Ricetec, über den ehemaligen CEO der LGT Gruppe, den Hans-Adam vor vielen Jahren wegen (ABB-) Insidertrading (illegaler Handel mit ABB Aktien) schassen musste und über seinen Bunker wo die kostbaren Bilder aufbewahrt werden. Hans-Adam war überrascht, dass ich so viele Detailkenntnisse über seine Belange hatte. Die meisten Liechtensteiner wüsste nur ein Zehntel davon, sagte er. Ich erwiderte, dass ich immer mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend ziehe, sehr viel lese und mich die Familie Liechtenstein immer schon fasziniert hatte. Er lachte freimütig – dies war für mich ein gutes Zeichen – und sagte, ja, mit offenen Augen und Ohren, sonst hätte ich die Gelegenheit, das Datenband zu entnehmen wohl nie erspäht. Er wollte mehr über die näheren Umstände des Diebstahls erfahren. Ihm sei gesagt worden, dass ich den Kniff noch nicht im Detail verraten hätte. Aber zuerst wolle er wissen, wie und warum ich ausgerechnet einen Hinweis in seiner Bilderkammer hinterlegt hatte. Ich erzählte ihm die Vorgeschichte dazu und dass ich unbedingt einen Mechanismus finden musste, bei dem ich sicher war, dass er selbst agieren musste und nicht wie immer einfach alles ohne es zu lesen 410 weiterdelegiere. Er sagte mir, dass er schon herausgefunden hatte, wie ich mir ohne Gewalt Zugang zum Bunker verschafft hatte. Diese Lücke sei jetzt geschlossen, sagte er und hob den Zeigefinger. Aber natürlich erwiderte ich, nie im Leben würde ich irgendwo einbrechen oder so. In Bezug zum DLT-Band, sagte ich, dass es kein grosser Trick war; eher eine günstige Verkettung von Unachtsamkeiten seitens der LGT Treuhand. Ich erzählte ihm die Details. Unbewusst nannte ich das genaue Datum nicht. Erst später fiel mir auf, dass er auch nicht danach gefragt hatte. Er beschrieb mir, dass er strengere Sicherheitsvorkehrungen angeordnet hatte. Zusammen, mit meiner noch abzuliefernden Analyse, wie in Zukunft so etwas verhindert werden könnte, würde das die LGT wieder an die Spitze in Sachen Datensicherheit katapultieren. Er erzählte mir auch, dass die Datenträger, die ich für ihn in Berlin abgegeben hatte, unter Aufsicht vollständig zerstört worden waren. Ich hätte ja vom aktuellen Drama bei der LLB gehört, sagte er. Ja! Inwiefern man denken würde, dass ich da eine Hilfe sein könnte, fragte ich ihn. Nun ja, antwortete er, er denke, dass es mir gelingen würde, die richtigen Fragen an Lampert zu stellen oder zumindest für die Polizei zu formulieren. Ich bat ihn meinen Beitrag nicht zu überschätzen. Nein, nein, sagte er, mein Input wäre wichtig und Teil meiner eigenen Rehabilitation. Er erwarte in Bezug auf seine LGT schon eine gut formulierte Denkschrift (Analyse) von mir. Wann er diese haben möchte, fragte ich ihn. So schnell es ginge, antwortete er mir. Ich würde schon morgen damit beginnen, versprach ich ihm. Warum ich keinen Beweis als Beilage in meinem Brief vom 7.1. geliefert hätte, fragte er mich als nächstes. Ich hätte halt gedacht, dass mein langer Brief, mit den vielen Details ausreichen würde. Er erzählte davon, wie es zu Missverständnissen innerhalb der LGT gekommen wäre. Einmal hiess es, Kieber hätte die Daten nicht, dann hiess es er hätte sie doch und so weiter, sagte er mit Unterstützung seiner Arme. Ich entschuldigte mich für die Ungenauigkeit meines Schreibens. Ich fragte ihn, ob es wirklich keine personellen Konsequenzen für meine ehemaligen Mitarbeiter gab. Hoffentlich sei niemand entlassen worden. Er bestätigte, dass niemand zur Rechenschaft gezogen worden sei. Er würde aber lügen, hätte er nicht 411 mit dem Gedanken gespielt. Insbesondere dachte er an Dr. Feuerstein, teile er mir mit. Jetzt, da nichts passiert sei, müsse man aber wieder in die Zukunft blicken. Das Geschäft laufe ausgezeichnet, sagte er wortwörtlich. Er bedankte sich ausdrücklich dafür, dass ich dem Bankdirektor gegenüber so beharrlich war und er deshalb die Papieroriginale wieder mit nach Hause genommen hat. Anstelle man sie in den Reisswolf stopfte. Ob ich mich versichert hätte, dass alle Datenträger unwiderruflich zerstört sind. Nicht dass sie jemand finden würde und die Daten rekonstruiert, sagte er. Ja, ja die Daten, sagte ich, Gott sei Dank wäre ich die los. Er fragte mich, ob die Daten der Mandate seiner grossen Familie, sei es als Begünstigte oder z.B. im Stiftungsrat, je in Gefahr gewesen waren. Nein, sagte ich. Es wäre so gewesen, wie ich es in meinem Brief an ihn vom 7.1. geschildert hatte. All diese Mandate wären nicht auf den zwei externen Harddisks und den vier DVDs gespeichert gewesen, aber auf dem DLT-Band natürlich vorhanden waren. Er konterte mit der Diagnose der IT-Abteilung der LGT Treuhand, die ihm gesagt hätte, eine Trennung solcher Mandate von der Masse sei nicht möglich. Ich war sehr erstaunt darüber und erklärte ihm, nichts sei einfacher als das. Wenn man eine Kopie von einem Datenstamm herstellt und man diverse Dateien nicht in dieser Kopie (auf neuem Datenträger) haben möchte, dann kopiert man sie einfach nicht rüber. Was nie rüberkopiert worden war, kann auch nie dort gefunden werden. Er war mit meiner Antwort merklich zufrieden. Warum ich in Berlin nicht in seinen Wagen eingestiegen bin, fragte er weiter. Ich konnte nicht. Ich wäre mir sicher gewesen, dass eine so frühe Rückkehr ein anderes Resultat gebracht hätte, als wir es jetzt erlebt hatten und erleben würden. Warum ich ausgerechnet nach Holland weitergefahren bin, fragte er mich. In Berlin konnte ich nicht mehr bleiben, erwiderte ich. Nachdem ihre berühmte Option 2 oder Variante 2 in Kraft getreten war, sagte ich. Hätte man mir die Schutz-ID in Berlin überlassen, wäre alles viel leichter für mich gewesen. Das Risiko war enorm, mit den Originalpapieren und den Datenträgern kreuz und quer durch Europa zu reisen. Ich hätte ihn aber per Emailkommunikation darauf hingewiesen, dass er und die LGT dieses zusätzliche Risiko tragen müssten, erlaubte ich mir zu erwähnen. 412 Ja, sagte Hans-Adam, im Rückblick hätte er mir den Schutz-Pass in Berlin übergeben sollen. Nie im Leben würde ich ihm deswegen Vorwürfe machen, sagte ich ihm. Uns allen hier in Vaduz kam die Vorstellung, wie ich mit den Angaben zu knapp 4000 Treuhandgesellschaften mit einem kombiniertem Bankvermögen von mehr als 7 Milliarden CHF in Berlin herumrenne, wie der Beginn des letzten Abendmahls vor, formulierte er es bildhaft. Ich fragte vorsichtig, ob ich diesbezüglich ein paar Anekdoten erzählen dürfte. Gerne, er habe heute für alles ein offenes Ohr. Ich berichtete ihm über meine Vermieterin Daniela in Berlin, ihre Ängste ich könnte ein Terrorist sein. Und über den Polizisten aus Münster/Osnabrück.. Da Hans-Adam sein Glück fast nicht fassen konnte, legte ich noch eines drauf und illustrierte ihm mein Aufeinandertreffen mit den angeheuerten Schnüfflern in Berlin. Nachdem er tief Luft geholt hatte, sagte er mit grosser Erleichterung, dass wir alle nochmals mit einem dicken veilchenblauen Auge davongekommen waren. Ich nickte beipflichtend. Und der Zwischenfall in Berlin mit den Privatdetektiven wäre nicht seine Idee gewesen. Ich konnte ihn verstehen. Ich hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe getan, sagte ich etwas gedrückt. Ich fragte ihn, ob es stimme, dass man sich mit dem Gedanken befasst hatte, mich mit Gewalt nach Hause zu holen. Oder mich ganz zu beseitigen. Sofort nachdem ich diese Fragen artikuliert hatte, bereute ich sie gestellt zu haben. Ich war mir sicher, dass er mir darauf keine ehrliche Antwort geben würde, geben könnte. Der Bankdirektor und sein Gilbert Kaiser hätten sich diesbezüglich klar geäussert, fügte ich fix dazu, um nicht den Eindruck zu hinterlassen, dass ich ihm offen und direkt solche gangstermässigen Pläne unterstellen würde. Er hielt inne und dachte nur kurz nach. Offenbar fühlte er sich sehr (selbst-) sicher und es war ihm auch bewusst, dass, was immer er jetzt dazu sagen würde, er es einmal und nie wieder in Worte fassen würde und es unter uns bleiben würde. Man sah es ihm geradezu im Gesicht an, dass er als Landesführer, als Mensch, wohl noch nie in eine solche Lage geraten war, die in soweit bringen würde, überhaupt auf solche Fragen eine Antwort zu formulieren. Trotzdem war seine Antwort glasklar: Obwohl er als Katholik Gewalttaten wie Kidnapping oder ähnliches ablehnen würde, hätte ich ihm mit meinem Handeln nur zwei Optionen offen gelassen. Nie würde er es zulassen, dass sein Geschäftsimperium einen Schaden erleiden 413 würde. Natürlich sei es klar, fuhr er fort, dass wenn der Schaden gross wäre, die davon am schwersten Betroffenen ihr Recht, den Schuldigen aus der Welt zu schaffen, in die eigenen Hände nehmen würden. Dies sei eine rein theoretische Frage, erwiderte er, da ja keine Daten verraten worden waren. Aber wären die Daten wirklich verraten worden, dann wäre eine solche drastische Massnahme – von wem auch immer durchaus evident, schloss er seinen Vortrag dazu. Wobei er sich keine Mühe gab zu verbergen, wen er mit den Schwerstbetroffenen meinte. Seine Sippe. Das Dümmste was ich dazu sagen konnte, hörte er dann auch von mir: Aha, ich verstehe ganz – kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen, sagte ich. Wie blöd von mir, stellte ich in Gedanken fest. Als würde ich eine solche Massnahme auch noch selber befürworten. Besser in dieser Richtung nicht tiefer bohren, dachte ich. Da ich spürte, dass man mit ihm wirklich Klartext reden konnte und ich das Gespräch von meinem Handeln wegleiten wollte, wagte ich mich vor und erwähnte seine Leichen im Keller. Schliesslich waren wir zwei alleine im Raum. Ich schilderte, wie erstaunt ich gewesen war, bei der LGT nicht nur Leichen gefunden zu haben, sondern auch aktive Mandate identifizieren konnte, die im starken Kontrast stand zu dem gängigen Bild was die (Finanz-) Welt von der LGT hatte und die LGT selber pflegen würde. Dass nicht nur ich, auch andere Mitarbeiter des Projekts e-Doc aus allen Wolken gefallen wären,als wir die vielen Mandate mit kriminellem Hintergrund gefunden hätten. Er äusserte sich dahingehend, dass ich schon verstehen müsse, dass er selber nie alle Mandate persönlich kennen könnte. Sein Bruder aber schon, meinte ich frech. Ich sagte auch, dass ich weder ihn noch die LGT kritisieren wolle. Ich fragte ihn, ob man mittlerweile so klug gewesen wäre und sich jener Mandate entledigt hatte. Nein, war die kurze Antwort. Hans-Adam erklärte dazu, dass was im Ausland als kriminell gelten würde, nicht automatisch bei uns so sei. Na, wenn dem so sei, dann lasst uns nur hoffen, dass die Daten nie den ausländische Behörden in die Hände fallen, erwiderte ich. Um das Gespräch weg von solchen Horrorszenarien zu bringen, bat ich ihn, mir das 3-D-Modell des Kerkers in Argentinien zurückzugeben. Der 414 UR Dr. Meier hätte mir gestern gesagt, dass es nicht zum Gericht gebracht wurde. Ach ja, die grosse Schachtel, sagte Hans-Adam, die habe er entsorgen lassen. Man wusste nicht wohin damit im Schloss. Ich dachte zuerst es wäre ein blöder Scherz von ihm. Aber nein, leider nicht, sagte er. Mich traf es sehr. Er war dann auch über den Schock, den seine Antwort im mir auslöste, sehr betroffen. Es tue im Leid, aber in der Anfangsphase wäre man sehr wütend auf mich gewesen. Das Modell wäre ein wichtiges Beweisstück, sagte ich, für den Gerichtsprozess. Wie konnte er es da wegwerfen? Warum man es nicht runter zum Gericht habe bringen können, fragte ich. Er wisse es nicht mehr. Mir kamen die Tränen und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er bestellte Papiertaschentücher bei seiner Sekretärin. Um die Stimmung wieder zu heben, erzählte er mir, dass er den 101er und der 140er selber studiert hätte. Grausam was mir dort angetan worden war. Er kenne Südamerika gut. Abscheuliche Dinge passieren da immer wieder. Von diesem Spanier Ventosa und dem Deutschem, Roegele heisst er, nicht wahr? Ich würde ihm Leid tun, sagte er wieder. Wenige Menschen hätten solchen Terror ohne einen psychischen Schaden überlebt. Ich wusste nicht genau, wie ich diese wortwörtliche Aussage von ihm deuten sollte. Meinte er damit, ich hätte einen Dachschaden davongetragen, oder meinte er ich hätte keinen. Egal, Böse hatte er sicher nicht gemeint, dachte ich. Ich fragte ihn vorsichtig, warum der neue RA Müller noch nicht beim Gericht in diesen zwei Fällen vorstellig geworden sei. Er selber sei leider kein Jurist, antwortete er. Oft hätte er sich dies in der Vergangenheit aber gewünscht, sagte er in Anspielung auf die verbittert geführte Auseinandersetzung im Abstimmungskampf um die neue Verfassung. Er führte weiters aus, dass ihm seine Experten auch bescheinigt hätten, dass mir Unrecht geschehen war. Die STA hätte ohne Schwierigkeit Anklage erheben können. Ob das Kriminalgericht in der Folge die Täter verurteilt hätte, stünde in einem anderem Buch, sagte er. Ich stimmte vollkommen mit ihm überein. Ich sagte, dass die STA die ganzen Jahre hindurch stets eine andere Ausrede gesucht und gefunden haben muss, um im 101er nicht vorwärts zu kommen. 415 Auf einmal piepste es aufdringlich aus Richtung des alten Schrank oder der Kommode nahe dem Kasten.. Ich erschrak. Er stand auf, entschuldigte sich und verliess den Raum. Ich sass da und dachte über das bisher gesprochenen nach. Dann kam mir der Gedanke, dass er womöglich das Gespräch heimlich aufzeichnen lässt. Darum der Piepston. Die Tonbandkassette voll oder das Digitalaufnahmegerät hatte keinen Saft mehr. Es vergingen zwei oder drei Minuten, dann kam er wieder rein und setzte sich auf seinen Platz. Er würde gerne jetzt über meine Zukunft reden, sagte er. Das wäre wünschenswert, erwiderte ich. Er erzählte mir, dass er folgenden Plan habe. Ihm sei es angeblich nicht gelungen, die Justiz davon zu überzeugen, dass man den 140er Gerichtsfall und die Strafuntersuchung im Zusammenhang mit meinem Brief an ihn einstellt. Noch bis Anfang dieser Woche hätte er Gespräche deswegen geführt. Als er merkte, dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall ansetzen wollte, unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn bitte ausreden zu lassen. Wegen der ganzen Angelegenheit hätte sich bei der Justiz und der STA ein gewisser Level an Ressentiments (Groll, Hass) mir gegenüber aufgebaut. Diese Hass sei zwar keine ideale, professionelle Berufsauffassung, dennoch führe kein Weg daran vorbei, die Affäre ein für alle mal, hier und jetzt in Vaduz zu beenden. Er müsse den involvierten Parteien, der Justiz eine gewisse Lösung anbieten, wobei sie ihr Gesicht nicht verlieren. Ein Ablassventil sozusagen, um der angestauten dicken Luft die Gelegenheit zu geben, kontrolliert entweichen zu können, erklärte er mir buchstäblich. Unter kontrolliert würde er mit „minimalem Schaden für mich‚ meinen, ergänzte er. Ich hatte eher das Gefühl, dass er das Ventil braucht, um seine angestaut Pressluft loszuwerden. Er war noch nicht fertig mit der Ausführung seines Plans. Da die Anklage im 140er rechtskräftig wäre, würde man die neu dazu gekommenen Straftaten, wie die versuchte Nötigung seiner Person mit dem 140er zusammenlegen und alles in einem raschen Verfahren gerichtlich abschliessen. Ich müsste es von der positiven Seite sehen. Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und bombardierte ihn mit Fragen. Seit wann wäre die Anklage im 140er rechtskräftig? Warum wurde mir nichts davon gesagt? Warum wurde mir von seinen zwei Gesandten etwas ganz anderes in Holland aufgetischt? Als er merkte, dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall ansetzte, 416 unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn bitte ausreden zu lassen. Zudem würde ich nicht verstehen, warum er sagt, dass er die Justiz von einer Einstellung der Verfahren nicht überzeugen konnte, wenn er doch Kraft der Verfassung jedes Gerichtsverfahren in Liechtenstein eröffnen, wiedereröffnen oder einstellen kann. Er wisse dies alles, erwiderte er zu meinem erstaunen. Aber, a-b-e-r, das Endresultat wäre dasselbe. Warum, fragte ich. Sie wollen doch das alles rasch hinter sich bringen, nicht wahr, fragte er mich und fuhr fort, ohne auf meine Antwort zu warten. Meine eigene Position in der Verfolgung der Täter von Argentinien würde immens an Stärke gewinnen, wenn vorher alle anderen Fälle juristisch abgeschlossen waren, sagte er und fügte folgende Argumentation an: Wir hätten hier zwei Optionen. Wir könnten die Spanier nochmals anfragen, ob die den bei Gericht in Barcelona hängigen Fall an uns abtreten würden, oder wir könnten die in Spanien vorgeworfene Tat bei unserem Gericht selber behandeln (dem 140er) und das Resultat an die Spanier übermitteln. Aufgrund der Vereinbarung mit der spanischen Justiz würde das Gericht in Barcelona unser Urteil anerkennen und somit den Fall dort schliessen. Was bedeuten würde, dass endlich, nach so vielen Jahren, auch der spanische Haftbefehl gegen mich aufgehoben würde. Dies leuchtete mir ein. Er habe das Gericht und die STA angewiesen, diesem Fall nun die höchste Priorität zu geben, sodass alles am Ende dieses Jahres erledigt sein würde. Ende des Jahres, sagte ich entsetzt und schüttelte den Kopf hin und her. Unmöglich! Und sowieso, welches Resultat würde er sehen, fragte ich ihn. Da ich mich vehement gegen die Beschuldigungen im 140er wehren würde, würde sich dieser Fall über Jahre durch alle Instanzen ziehen. Insbesondere weil die verurteilungssüchtige STA mit einem möglichen Freispruch nicht zufrieden sein wird. Er hätte dies mit seinen Experten auch bedacht. Ich befände mich in einer aussergewöhnlich optimalen Lage, sagte er. Da der Plan vorsah, den 140er mit den neuen Vorwürfen zusammenzulegen, könne ich ein mildes Urteil erwarten. Mein Vorstrafenregister beim Gericht sei ja leer. Tatsache wäre auch, dass ich keinen Schaden für ihn und Liechtenstein verursacht hätte, freiwillig nach Hause gekommen war und Reue gezeigt 417 hätte. Dies alles würde das Gericht berücksichtigen müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, würde er sofort vorstellig werden. Ich war, was selten vorkam, sprachlos. Natürlich, so empfahlen es ihm angeblich seine Experten, könne dies alles nur reibungslos und in einer überschaubaren Frist passieren, wenn ich mich bei der Gerichtsverhandlung nicht gross äussern würde. Am Besten sei es, wenn ich mich zu allem schuldig bekenne, sagte er. Ich musste zehn Mal leer schlucken. Wie bitte? Ich musste erst die Worte verdauen. Weiss mein neuer RA davon, fragte ich ihn. Ja, sagte er. Alles sei mit ihm so diskutiert worden. Das ich mich im Bezug auf die neuen Vorwürfe (resultierend aus dem Brief an ihn vom 7.1.) schuldig bekenne, könnte ich mir wage vorstellen. Es komme aber darauf an, was mir konkret im Gericht dazu dann vorgeworfen würde, sagte ich. Ein undurchdachtes „sich schuldig bekennen‚ könnte schwere Konsequenzen für mich haben, stellte ich fest. Aber unter keinen Umständen, auf keinen Fall würde ich mich im 140er schuldig bekennen. Ob hier alle verrückt geworden wären, fragte ich ihn und entschuldigte mich sofort für diese Frage. Das ergibt doch alles keinen Sinn! Nach über sechs Jahren Widerstand gegen die falschen Behauptungen, soll ich aus heiterem Himmel eine 180°-Drehung machen und mich ohne Kommentar einfach schuldig bekennen? Wer das von mir verlangen würde, hätte nichts von dem verstanden, was ich anprangert hatte. Es wäre mir bewusst, dass meine Karten im Moment nicht gut sind, sagte ich. Der Grund dafür waren die Fehlurteile der Justiz hier. Recht haben und vor Gericht Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe, belehrte er mich. Und manchmal mache es doch keinen Sinn, auf die ultimative Wahrheit zu pochen. Und wie man sich die Anklage im 101er vorstellen würde, fragte ich ihn dann. Es wäre doch absurd, wenn ich mich im 140er ohne weiteren Kommentar für schuldig bekennen würde und im nächsten Atemzug eine Anklage gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. vorgelegt würde. Der Anwalt von Helmut würde sich doch kaputtlachen und die Anklage in der Luft zerreissen. Hans-Adam hatte auch darauf eine Antwort. Seine Rechtsexperten wären der Meinung, dass ein Schuldbekenntnis im 140er absolut keinen Einfluss auf eine Anklage im 101er hätte. Beide Fälle wären juristisch getrennt behandelbar. Ich widersprach scharf. 418 Und was ist mit dem blockierten Geld, fragte ich. Würde ich mich im 140er schuldig bekennen, bedeute dies automatisch, dass meine Folterer das Geld bekommen. Nein, noch schlimmer Helmut würde alles bekommen. Dank dem Urteil vom Gericht in Vaduz könnte er einen doppelten Sieg feiern, über mich und über seinen Komplizen Mariano M.-V. R, mit dem er die Beute nicht mehr teilen müsste. Auch dazu hatte er sich eine rechtliche Meinung einholen lassen, sagte er. Er versprach mir dass er sofort nach Abschluss einer erfolgreichen Strafverfolgung auch helfen würde, die Gelder durch ein Zivilverfahren am Wohnort von Helmut wieder zurückzuholen. Koste es was es wolle. Weiters fragte ich ihn, wie dies alles praktisch ablaufen sollte. Was würde passieren, wenn mich das Gericht, nach einem sensationellen Schuldbekenntnis ins Gefängnis wirft? In der Sekunde, in der ich diese Frage beendet hatte, begriff ich die Bedeutung des Satzes im Beschluss zum Freien Geleit: „Der Antragsteller kann bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung auf freiem Fuss bleiben.‚ Ich schilderte Hans-Adam meine Befürchtung, dass man mich ins Gefängnis werfen würde und ich nie die Zeit, Kraft und Chance hätte, die wichtige Anklage gegen die Verbrecher mitzuerleben. Jetzt wäre mir auch klar, warum der neue RA Müller nicht für die Fälle 140 und 101 nominiert worden war, fügte ich konsterniert bei. Hans-Adam wurde etwas ungeduldig. Er sehe nicht, warum mich ein Gericht zu einer Haftstrafe verurteilen sollte. Zudem hätte er Mittel und Wege zur Hand, dies zu verhindern. Es würde keinen Zweck haben, jetzt auf Paragraphenreiterei zu pochen. Es wäre doch das Beste, wenn ich endlich über die Kombination Argentinien und Liechtenstein hinweg kommen würde. Ich sah ihn mit ganz offenen Augen an und fragte, was er damit meine. Er offenbarte mir, dass nicht nur er aufgrund meines gestörten Verhältnisses zur STA und der Justiz eine ganz kleine Erfolgsaussicht sehen würde, die Verbrecher ihre verdiente Strafe hier in unserem Land erhalten würden. Ich erkannte sofort, worauf er hinaus wollte. Diese Worte waren zu viel für mich. Ich entschuldigte mich höflich, stand auf und lief zur Türe. Auf dem kurzen Weg dorthin bedankte ich mich nochmals für seine Mühe, Gnade und sein Verständnis. Ich sagte ihm, dass ich es ihm nicht übel nehme, dass er mich mit Versprechen nach Hause gelockt hat, die er jetzt offenbar nicht einhalten konnte oder wollte. 419 Herr Kieber, Herr Kieber, b-l-e-i-b-e-n sie hier, rief er. Mir war die ganze Situation peinlich. Er konnte ja wirklich nichts dafür, was 1996 in Spanien und 1997 in Argentinien passiert war. Selbst im Hinblick auf seine LGT, die absolut keine saubere Weste hatte, wer war ich, ihm etwas vorzuwerfen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, dem vertraut wurde, der dann Daten mitgenommen hatte. Ich stand für ein paar Sekunden still und dachte blitzschnell nach. Sollte ich jetzt rausgehen oder sollte ich bleiben. Besser ich bleibe, dachte ich. Ich setzte mich wieder. Hans-Adam sagte, dass er selbstverständlich seine Zusagen und Versprechungen halten würde. Sonst würde er sie erst gar nicht aussprechen und überbringen lassen. Ich sollte ihn einfach mal fertig ausreden lassen, was den Plan betreffen würde. Er habe nach sorgfältiger Prüfung festgestellt, dass das Einsetzten oder Bestellen eines Sonderstaatsanwaltes sowie die Benennung eines ausserordentlichen Richtergremiums in LIECHTENSTEIN kein Vorteil (für mich) bringen würde. Warum, stellte er gleich selber die Frage. Weil wir da auf zu starke Widerstände treffen würden, sagte er. Ich begriff nichts mehr. Seine Experten kamen zum Schluss, dass das angestrebte Ziel, die Verbrecher von einem Kriminalgericht erfolgreich verurteilen zu lassen, viel besser in den Wohnsitzländern der Täter erreicht werden könnte. Das waren Deutschland, Spanien und Argentinien. Die Straftaten seien Offizialdelikte und sehr gut dokumentiert, die Beweislage exzellent. Mit der Verpflichtung der besten Rechtsanwaltskanzleien vor Ort wären die Täter schon mit einem Bein im Gefängnis. Der genaue Aufenthaltsort der Täter könnte gegebenenfalls mit Hilfe von privaten Ermittlern ausfindig gemacht werden. Hans-Adam sagte, er würde auch anerkennen, dass die Mühlen der Justiz in Argentinien sehr langsam mahlen würden. Für Spanien und vor allem Deutschland sehe er keine solchen Probleme. Die meiste Zeit wurde ja bei der Liechtensteiner Justiz vergeudet. Seit der Anzeige sind über sechs Jahre vergangen, rechnete er mir laut vor. Das würde doch zeigen, dass unser System nicht das schnellste wäre. Ich konnte ihm da nur leise und kopfnickend zustimmen. Natürlich wäre dies alles mit enormem finanziellem Aufwand verbunden, zitierte er die Worte der Experten. Die Sekretärin klopfte an die Türe und meldete einen Anrufer für HansAdam. Dieser stand auf und ging raus. Vorher sagte er noch, dass ich 420 mir die Angelegenheit doch ein paar Minuten durch den Kopf gehen lassen soll. Langsam verstand ich die Erläuterungen von Hans-Adam. Denkbar, dass er Recht hatte. Er hat sicher nur Topakademiker um Rat gefragt, sagte ich zu mir selber. Als er zurückkam, erzählte ich ihm, dass im 101er ja noch der Entscheid des Obergerichts ausstehen würde. Ja, er wisse dies, sagte er und erklärte mir: Selbst wenn meinem Antrag auf Fortführung der Strafuntersuchung stattgegeben würde, oder – was von Anfang an der Fall hätte sein sollen – die STA in Vaduz die Anklage erhoben hätte - würde dies nicht bedeuten, dass die Täter freiwillig vor dem Kriminalgericht erscheinen würden. Haftbefehle für die Täter wären dann der nächste logische Schritt. Ob das Ausland die Täter nach Liechtenstein ausliefern würden, stehe in den Sternen. Wenn ich es wünschte, könnte er der Justiz den Auftrag geben den 101er Gerichtsfall an die Justiz der betroffenen Länder abzutreten. Nein, nein, rief ich. Das dauert sicher wieder zu lange. Besser wäre es doch zumindest parallel dazu, eine Anzeige bei den Bezirksgerichten des Wohnorts jedes einzelnen Täters einzureichen. Oder, fragte ich. Ja, das meine er ja gerade, jubelte er. Natürlich wäre es mir freigestellt, diesem Plan zuzustimmen. Was er als sehr wünschenswert empfinden würde. So wie die Lage sich heute zeige, sagte er. Der Plan wäre durchführbar. Wer garantiere mir, sagte ich zu ihm, wer garantiere mir, dass wenn ich alle weiteren Forderungen von ihm erfüllen würde, wie zum Beispiel ein Pauschal-Schuldbekenntnis der zusammengelegten Vorwürfe, und wenn ich mich zudem so verhalte, wie es von ihm gewünscht wird, wer versichere mir, dass man nachher immer noch zu mir stehe würde und der Gerechtigkeit ihren Erfolg bringen würde? Von dem blockiertem Geld in Österreich kann ich mich endgültig verabschieden, sollte ich im 140er ein Schuldbekenntnis abliefern, sagte ich. Meine restlichen eigenen Mittel würden nie und nimmer ausreichen, um gleichzeitig in mehreren Ländern Topanwaltskanzleien zu bezahlen. Oder würde das Land Liechtenstein die Kosten übernehmen, fragte ich idiotisch. Er holte tief Luft und lieferte die bedeutendste Antwort, die ich je von ihm gehört hatte: Er, Johann Adam II. garantiere es mir. Er erkenne an, dass ich alle bisherigen Forderungen erfüllt hatte. Ich sei zwar länger als 421 ertragbar im Ausland geblieben, aber ich hätte mein Versprechen gehalten und niemanden verraten. Es habe ihn auch stark beeindruckt, dass ich kein Erpresser wurde, ganz im Gegensatz zu Lampert. Er versichere mir, dass er alles was in seiner Macht stehe unternehmen werde, um eine Strafanzeige gegen die Verbrecher in meinem Sinne voranzubringen. Er habe sehr gute Regierungskontakte nach Spanien und Deutschland. Als Dank für meine Loyalität übernehme er auch ohne zeitliches oder betragsmässiges Limit alle Kosten die in diesem Zusammenhang anfallen würden. OZA- Er gebe mir sein Wort dafür. Er gebe mir sein WORT -OZE Ich war wie gelähmt. Unser Staatsoberhaupt, mein Staatsoberhaupt gab mir sein Wort. Gab mir sein Wort. Mir sein Wort. Sein Wort. W-O-R-T. Es war kein Ehrenwort, nein. Ein Ehrenwort kommt von einem Ehrenmann. Und Hans-Adam war keiner. Er war mehr. Seine Institution war höher, die höchste Instanz im Lande, für mein Leben sowieso. Nicht dass ich dachte, er wäre wirklich an dritter Stelle: zuerst Gott, dann der Papst und gleich danach er. Mir reichte es, wenn er dies glaubte. Um es für meine deutschen Leser und Leserinnen symbolisch aufzuzeigen. Das Wort von Hans-Adam hat soviel Bedeutung für uns Untertanen, wie – auf Deutschland umgelegt – das Wort von Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel und Bundespräsident Herr Horst Köhler zusammen. Ohne, dass ich die zwei ausserordentlichen Politiker und Menschen mit dem Charakter eines Hans-Adam vergleichen will. Ob ich dies schriftlich haben könnte, witzelte ich ohne eine Antwort zu erwarten. Er forderte mich auf, niemandem von unserem Gespräch etwas mitzuteilen. Er würde es sehr ungern sehen, wenn Aussenstehende wie die Justiz oder die STA von unserem Gesprächsinhalt erfahren würden. Er bat mich auch, keine Details zu den Mandaten der LGT preiszugeben. Ich wunderte mich über diesen Wunsch und sagte, wer sollte mich dazu befragen. 422 Der erste Schritt in diesem Plan wäre meine Einvernahme morgen beim Untersuchungsrichter, antwortete er. Untersuchungsrichter? Morgen? Ich wüsste von nichts, sagte ich. Hans-Adam meinte, dass ich morgen um 9 Uhr einen Termin beim Untersuchungsrichter habe. Aha, sagte ich und zuckte mit den Schultern. Ich erzählte ihm, dass ich Gerüchte gehört hatte, dass ausgerechnet der STA Haun für die Strafuntersuchung der neuen Vorwürfe eingesetzt wurde. Hans-Adam sagte, er wisse dies nicht genau, würde aber aufgrund der Vorgeschichte mit mir übereinstimmen, dass dies mir gegenüber nicht fair wäre. Er betonte aber, dass ich den Haun ignorieren solle, dieser hätte nichts zu sagen und stelle kein Hindernis für mich dar. Er schaute auf seine grosse Armbanduhr und mit einem Seufzer sagte er, dass das Gespräch länger gedauert hatte, als ursprünglich geplant war. Er müsse sich leider verabschieden, wichtige Geschäfte warteten auf ihn. Er erwähnte noch, dass ich ihn jederzeit anrufen könne, wenn mich etwas bedrücken sollte. Ansonsten wäre ja der Professor auch noch für mich da. Er bat mich ihn auf dem Laufenden zu halten. Und er wünschte mir für die Arbeitssuche alles Gute. Mit einem Schmunzeln sagte er, dass er davon ausgehe, dass ich mich bei keiner Bank oder Treuhand bewerben würde. Nun, ich fange morgen bei der LLB an, scherzte ich. Dort sei ja eine Stelle frei. Er musste auch lachen. Als wir beide aufstanden, merkte ich, dass er und ich sehr verschwitzt waren. Hans-Adam sah wohl, dass ich etwas wacklig auf den Beinen war und bot mir an, von Kaiser nach Hause gefahren zu werden. Ich lehnte dankend ab und wollte lieber an der frischen Luft runter ins Dorf laufen. Ich durfte den Weg zum Tor alleine hoch laufen. Wieder ausserhalb der Schlossmauern, bog ich links ab und nahm den Weg runter durch den Wald ins Städtle nach Vaduz. Auf halber Strecke des Fusswegs setzte ich mich auf den Rand eines Brunnen. Ich wollte, ich musste nachdenken. In der ganzen Diskussion von 1 Stunde und 50 Minuten hatte ich ihm gegenüber immer die Wahrheit gesagt. Mir einer einzigen Ausnahme. Als er mich fragte, ob nun alle Datenkopien vernichtet seien und ich keine mehr hätte, musste ich ja sagen. Er glaubte es mir. Natürlich konnte (und kann) ich nicht in seinen Kopf hineinschauen. 423 Aber selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch den kleinsten, logischen Verdacht gehabt hätte, dass ich als eine Art Selbstschutz eine Kopie für mich behalten hatte, dann muss sich diese Befürchtung innerhalb weniger Wochen oder Monate in Luft aufgelöst haben, sonst hätte er sich nicht so benommen, wie er es in den Monaten und Jahren die folgten, gezeigt hatte. Zu Hause angekommen, rief ich den Bankdirektor auf dem Handy an. Er fragte wie es gegangen sei. Super sagte ich. Er war froh, dass die ganze Familie wieder an einem Tisch sass. Eigentlich wollte ich den Professor auch anrufen. Aber seine echte Nummer hatte ich ja nicht. Ich weiss nicht warum, aber diese Nummer wurde mir nie mitgeteilt. Vielleicht wollte der Professor dies nicht. Der Kontakt war ausschliesslich über den Bankdirektor möglich. So bat ich diesen, dem Professor meine Grüsse auszurichten. Er kündigte an, dass er, ebenso wie der Professor im August/September in die Ferien verreisen würde. Schön für sie, sagte ich. Am Abend notierte ich, wie so vieles in den letzten 10 Jahren, die Details vom heutigen Gespräch mit Hans-Adam in meinem Taschenbuch. 424 KAPITEL 21 Blutspur auf den Rheindamm Am nächsten Tag, den 10.7., sass ich pünktlich um 9 Uhr bei einer Untersuchungsrichterin im dritten Stock des Gerichts, Zimmer 23. Ich kannte sie von meiner Jugend in Schaan. Eine schöne Frau. Ich wusste nicht, dass sie eine Untersuchungsrichterin geworden war. Daher gratulierte ich ihr erstmals. Ich hatte mich nicht auf die Befragung vorbereitet. Warum auch? Gemäss Hans-Adam wäre ja alles nur eine Formsache. Auf die Hälfte der Fragen gab ich dem Wunsch von HansAdam und der LGT entsprechend keine Antworten. Weil es Fragen nach den (technischen) Details zum Datendiebstahl oder grob zum Inhalt der Daten selber waren. Irgendetwas musste der jungen UR aufgefallen sein, da sie mich fragte, ob die ihr vorliegende Kopie meines Briefs vom 7.1. so vollständig sei. Sie zeigte mir die Kopie. Ich erkannte sofort, dass mehrere Seiten fehlten. Da die Justiz diese Kopie vom Schloss erhalten hatte, war mir gleich klar, dass Hans-Adam hinter der Schrumpfung des Umfangs stecken musste. Also sagte ich zu ihr, dass dies alles war, was ich nebst der besprochenen Kassette, dem 3-D-Modell und der dicken Schachtel mit den Kopien von Gerichtsunterlagen zum Argentinienfall dem Hans-Adam Anfang Januar hatte habe zukommen lassen. Nach Abschluss der Einvernahme wollte die UR mir über ihre Sicht der Dinge erzählen. Zuerst dachte ich, dass meine Abenteuer in Berlin und Holland die schrillsten waren. Als sie aber anfing aus dem Nähkästchen zu plaudern, traute ich meinen Ohren nicht. Wirklich filmreif, was sich da in Vaduz zugetragen hatte. Sie konnte von aberwitzig wechselnden Haftbefehlen, von einer Krisen- oder Kriegkommandozelle und von Abhörmassnahmen zu berichten. Wie so oft in den folgenden Monaten, waren die Zungen meiner ehemaligen Gegenseite locker. Weil alle so erleichtert waren, dass die Katastrophe nicht eingetreten war. Es war das Gefühl einer Befreiung für sie. Auch hatte ich Glück und konnte fast immer die richtigen Fragen stellen, sobald ich einen Verdacht schöpfte oder mich etwas stutzig machte. Am Freitag, den 11.7., entschloss ich mich, beim Polizeichef Jules Hoch vorbei zu gehen. Liechtenstein ist ein kleines Land. Spontanbesuche sind oft kein Problem. Ich lief die paar Hundert Meter von meiner Wohnung rüber zum Polizeigebäude. Am Empfang fragte ich den Schalterbeamten, ob Herr Hoch da wäre und eventuell Zeit für mich hätte für ein kurzes 425 Gespräch. Man telefonierte herum und liess mich dann durch die doppelte Sicherheitstüre hindurch. Herr Kieber, mein lieber Kieber, sagte Hoch, als er mir auf der Treppe herunter entgegen kam. Er bat mich mit in sein Büro zu kommen. Er habe gehört, dass ich wieder im Land sei. In einem freundlichen Ton schilderte er mir das Chaos, das ich nach meiner Abreise verursacht hätte. Ich sagte zu ihm, dass ich deswegen heute persönlich gekommen wäre. Ich möchte mich bei ihm und seinem Team für den Stress entschuldigen. Ich erzählte ihm, dass ich am Mittwoch eine Audienz mit Hans-Adam auf dem Schloss hatte und ich mich dort auch entschuldigt hatte. Hoch bedankte sich und fragte wie es mir ginge. Blendend, erwiderte ich. Er erzählte mir, dass es eine surreale Situation, wie aus einem Horrorfilm gewesen sei, als sie alle im Schloss vor dem Kunstgemäldebunker standen. Niemand wusste, was sie dort erwarten würde. Hans-Adam hatte Angst gehabt, ich hätte ihm seine kostbarsten Bilder verätzt, übermalt oder zerschnitten. Als man den Hinweis gefunden hatte, war Hans-Adam zuerst sprachlos und dann sehr erzürnt, dass ich a) überhaupt einen Hinweis anbringen konnte und b) es niemand gemerkt hatte. Darum war es sein Erstgeborener, der Zeit hatte, nachzudenken, was wohl seinem Papa als erstes zur Wort- und Zahlkombination einfallen würde. Hochzeitsreise, war dann das richtige Resultat. Langweilig wurde es denen hier mit meinem Treiben nicht, sagte Hoch zum Schluss. Ich war froh, auch hier wieder auf eine allgemeine Erleichterung zu stossen. Ich fragte ihn ob er etwas über Haftbefehle wüsste, einem Kriegsstab oder so etwas. Er verneinte. Für mich nicht ganz überzeugend. Ich bedankte mich und versprach mich in Zukunft zu benehmen. Das Gespräch dauerte exakt von 11:00 bis 11:55. Anm.: Hoch erzählte mir natürlich nichts von den diversen Handlungen, zu denen er vom KKZ beauftragt worden war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich ausser den Kurzkommentaren der UR auch nicht mehr über das KKZ. Zu Hause angekommen, schrieb ich meinem RA Müller einen Brief. Ich schilderte ihm meine Einvernahme bei der UR. Ich äusserte mich auch zum möglichen Interessenkonflikt, da ich immer noch Bedenken hatte, ob er wirklich zu 100 Prozent meine Interessen vertreten würde, wenn er quasi von meinem Gegner nicht nur bezahlt sondern offenbar auch instruiert wurde. 426 Am Wochenende konnte ich mein altes Fahrrad, das ich eigentlich einem Bekannten geschenkt hatte, wieder abholen. Damit war ich wieder mobil. Ich genoss es auf den Rheindamm rauf und runter zu radeln. Ab und zu fuhr ich ins schweizerische Sargans oder sogar bis nach Chur hoch. Am Mittwoch, den 16.7., machte ich einen Veloausflug bis an die österreichische Grenze. Gerade als ich umkehren wollte, erreichte mich ein Anruf einer Bekannten auf meinem Handy. Ich würde in der Zeitung stehen. Im Liechtensteiner Vaterland. WAS, schrie ich. Warum? Wieso, fragte ich. Ich befürchtete, dass irgendjemand eine Story über die vergangenen sechs Monate gedruckt hatte. Dann kam mir in den Sinn, dass keine der zwei Liechtensteiner Zeitungen wirklich Interesse haben könnte, ein solches Drama publik zu machen. Schliesslich überleben beide Publikationen seit Jahrzehnten nur dank des dicken Zuschusses aus der Staatskasse. Beide Zeitungen sind das Organ einer der zwei Volksparteien. Es sei ein Edikt publiziert worden, sagte sie. Irgendetwas von einer Exekutionssache mit einem gewissen Herrn Helmut Roegele. Mein Blut begann zu kochen. Ich bedankte mich für ihren Anruf und fuhr fuchsteufelswild mit dem Velo vom Rheindamm runter ins nächste Dorf, nach Ruggell. Dort kaufte ich mir die Zeitung. Ich war so nervös, dass ich mich erst wieder auf dem Rheindamm traute, die Zeitung zu lesen. Folgendes war mit dem Titel EDIKT abgedruckt. An Herrn Kieber Heinrich, zuletzt in Neue Churerstr. 27, FL9496 Balzers, sind in der Exekutionssache Roegele Helmut vd: Heinrich Concin u. a. Rechtsanwälte in Bludenz gegen Kieber Heinrich die Beschlüsse vom 26. 2. 2003, OT Entfernt, zuzustellen, mit welchen die ausländischen Titel für vollstreckbar erklärt wurden und die Exekution bewilligt wurde. Da der Aufenthalt der oben genannten Person unbekannt ist, wird Herr Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hirn, Gilmstr. 2, 6800 Feldkirch zum Kurator bestellt, der sie auf ihre Gefahr und Kosten vertreten wird, bis sie selbst auftritt oder einen Bevollmächtigten namhaft macht. Bezirksgericht Feldkirch, Abt. 5, am 18. 6. 2003 427 Anm.: Da mein alter RA HIRN nicht mehr für mich beim Gericht in Feldkirch tätig war, musste das Gericht diese Anzeige publizieren; da sie keine rechtsgültige „“Adresse“ meinerseits mehr hatte. Verdammt, verdammt, verdammt noch mal, ich konnte es nicht glauben. Ich war kurz vorm Explodieren. Was für ein Urteil vom 23.2.2003? Wieso exekutierbar? Das letzte Wort in der Zivilsache war doch noch nicht gesprochen, schrie ich in den Himmel. Ich musste sofort nach Vaduz. Es war schon nach 16 Uhr und ich wollte noch den Bankdirektor in seinem Büro antreffen. Ich drückte die Pedale so schnell es ging. Ich fluchte die ganze Zeit. Und, man glaubte es kaum, wen sah ich auf einer Bank beim Rheindamm, auf Höhe des Schaaner Sportplatzes sitzen. Es sass der UR Dr. Paul Meier dort, neben sich sein Velo. Ich bremste so stark, dass es ein paar Meter schwarze Gummispuren gab. Ich warf mein Velo auf den Boden und ging zu ihm. Er war über meinen Zustand sehr erschrocken und fragte nach, was denn los sei. Ich zeigte ihm den Artikel und fluchte über alle. Ich hätte alles gemacht, was man von mir verlangt hätte. Erst vor einer Woche hätte ich Hans-Adam alles Mögliche zugestanden, sodass er, seine Regierung, seine LGT und ihr, die Justiz, dass alle ihr Gesicht nicht verlieren würden, schrie ich. Man hätte hochkarätige Anwälte für meine Sache eingespannt. Und was jetzt, sagte ich. Aus einem Zeitungsinserat muss ich erfahren, dass es in Bezug auf das blockierte Geld schon zu spät sein könnte. Niemand hätte mir davon etwas gesagt. Alles nur Lug und Trug. Dann, zum ersten und letzten Mal, verplapperte ich mich ein wenig. In meiner Wut konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ballte meine Fäuste und sagte etwas im Sinne: Ich wusste es! Ich wusste es! Euch kann ich es auch noch zeigen, kreischte ich. Ich stolperte und fiel ungebremst auf die geteerte Rheindammstrasse. Meine beiden Knie bluteten stark. Ich fing an zu schluchzen. Der arme UR, er musste wohl gedacht haben, ich sei verrückt geworden. Zu Recht, den nie hatte er mich so gesehen. Und auch ich selber erkannte mich nicht mehr. Ich hyperventilierte stark. Er war sehr bemüht mich zu beruhigen. Was ihm dann gelang. Ich bat ihn um Verzeihung. Ich war froh, dass ich ausgerechnet ihn getroffen hatte. Wer weiss, was ich in der LGT Bank angestellt hätte. Ihm vertraute ich immer ganz. Wir redeten über die Angelegenheit und da wir nicht in seinem Büro waren, also das Gespräch nicht in einem offiziellen Rahmen stattfand, konnte ich ihm mehr Details erzählen. Ich 428 schilderte ihm, wie das Gespräch mit Hans-Adam abgelaufen war, was ich alles in Berlin und Amsterdam erlebt hatte. Als das Thema wieder auf den Zeitungsartikel kam, fragte er mich auf einmal folgendes: Ob die LGT oder Hans-Adam mir nicht angeboten hätten, meinen finanziellen Schaden, den ich seit der Barcelonageschichte erlitten hatte, irgendwann zu vergüten. Typische Liechtensteiner Denken – mit Kohle jeden Ärger aus der Welt schaffen, sagte ich. Wenn die Gelder in Österreich verloren sind, dann sind sie halt verloren, sagte er. Ich erzählte ihm, dass mir einmal eine Art Geld für eine organisierte Flucht angeboten wurde; als ich im Ausland war. Ich war aber nicht darauf eingegangen, da ich sicher war, dass es eine Falle wäre, um mich nachher als Erpresser abzustempeln. Zudem hatte ich nie um Geld gefragt und würde solches nie annehmen. Ja, erwiderte der UR, er wisse dies. Warum auch, sagte ich. Das blockierte Geld ist meines. Es wäre rechtlich unmöglich, dass es der Verbrecher Helmut es bekommen könnte. Ich war felsenfest davon überzeugt. Was ich damit gemeint hätte, als ich geschrien habe, euch könnte ich es auch noch zeigen, fragte er mich. Nicht der Rede wert, sagte ich. Es wurde Zeit für ihn nach Hause zu gehen. Da meine beiden Knie noch sehr schmerzten, schoben wir beide unsere Velos neben uns her. Aus heiterem Himmel erwähnte er beiläufig, dass er sich vorstellen könnte, wo ich eine Kopie der Daten versteckt halte. Er grinste dabei. Wie bitte, dachte ich. Die sind ja alle paranoid mit diesem Thema. Denn schon letzte Woche wurde ich mehrfach gefragt: am Donnerstag die Untersuchungsrichterin, am Freitag der Polizeichef. Wo denn, fragte ich frech. „Im Internet, nicht wahr?‚ meinte er. Ich musste lachen. Erstens habe ich keine Kopie mehr. Zweitens müsse ihm doch klar sein, dass selbst wenn ich eine hätte, ich sagen müsste, dass ich keine habe. Also in beiden Fällen wäre die Antwort dieselbe. Daher bitte ich euch alle, diese Frage nicht mehr zu stellen, sagte ich. Drittens wäre das Internet der letzte Ort wo ich eine Kopie herumfliegen lassen würde. Rein aus Sicherheitsgründen. Bei der nächsten Abzweigung verabschiedete er sich von mir und radelte fort. Unter schwachen Schmerzen setzte auch ich mich aufs Radl und fuhr gleich nach Hause. Es wurde eine frühe Nacht für mich. Ich plante ganz früh am nächsten Morgen mit dem Bus zum RA Müller zu fahren und ihn wegen des Edikts zu fragen. 429 Gesagt, getan. Ich war schon um 08.00 Uhr am Donnerstag, den 17.7., bei der Post in Schaan. Ich wusste, dass der Bankdirektor auf seinem Weg zur Arbeit durch Schaan fahren könnte. Daher rief ich ihn auf seinem Handy an und bat ihn mich kurz bei der Post zu treffen. Zehn Minuten später war er angekommen. Ich zeigte ihm das Edikt und fragte, ob dies der Dank für mich wäre. Er war sichtlich geschockt und begleitete mich zu Müller. RA Müller konnte sich aus der Affäre ziehen, indem er sagte, dass er ja kein Mandat von Hans-Adam oder der LGT für die blockierten Gelder bekommen hatte. Der Bankdirektor sah ein, dass dies ein Versäumnis war. Er gab dem RA Müller die Order, der Sache nachzugehen. Ich bedankte mich bei allen und wünschte einen schönen Tag. Am nächsten Tag, Freitag, den 18.7., rief die Sekretärin vom Bankdirektor an und kündigte seinen Besuch bei mir zu Hause an. Er müsse mit mir einiges besprechen. Ich nutzte die Zeit und begab mich zum Landgericht, wo ich die bestellten Kopien vom 101er beim Gerichtssekretariat abholte. Um die Mittagszeit rief die Bank noch einmal an und verschob den Besuch auf 16:00. Kein Problem für mich, bestätigte ich die neue Zeit. Ich schnappte mir die Badehose und fuhr mit dem Velo zum Rhein. Dort tummelte sich auch ein alter Bekannter von mir. Dieser hatte wiederum enge Freunde im Regierungsamt. Offenbar hatte er Bruchstücke von einem Drama Anfangs Januar erfahren. Ich liess mich auf keine Diskussion ein und verliess diesen Rheinabschnitt. Um 16.10 Uhr stand der Bankdirektor vor meiner Wohnungstüre und klopfte. Ja aber Hallo, sagte ich und fragte, wie er durch die Haustüre kommen konnte, ohne Schlüssel. Er zeigte auf den Schlüssel in seiner Hand und meinte, dass ich doch wüsste, dass sie den Zweitschlüssel für unten und oben haben. Nein, wüsste ich nicht, erwiderte ich. Da sie die offiziellen Wohnungsmieter waren, erhielten sie die Zweitschlüssel. Für den Notfall, sozusagen, klärte er mich auf. Er fragte wie es mir gehe und ich sagte so lala. Man müsste halt abwarten, was jetzt wirklich alles passieren würde, sagte ich. Ich erzählte ihm, dass ich mit der Grundstruktur der gewünschten Denkschrift angefangen habe. Ich hätte die Idee, darin keine Namen, Firmen oder Zeitabschnitte zu benennen. Sollte die fertige Schrift in die falschen Hände gelangen, würde nichts geschehen. Gute Idee, bestätigte er mir. 430 Er hätte noch ein anderes Anliegen. Man hatte ja den Dr. Feuerstein und den Rest der Geschäftsleitung der LGT Treuhand nicht über seine Reisen ins Ausland, den Professor und die getroffenen Abmachungen eingeweiht. Hans-Adam wollte dies nicht. Auch wussten sie nichts von meiner Heimkehr. Diverse Leute der Treuhand hätten mich aber mehrmals mit dem Velo in der Umgebung der LGT Treuhand gesehen. Er bat mich deshalb, nicht in die Nähe der Treuhand zu gehen. Ausserdem, sollte ich irgendwo auf einen ehemaligen Arbeitskollegen der Treuhand, insbesondere Dr. Feuerstein treffen, so wäre man froh, wenn ich keine Diskussion anfangen würde, sondern einfach in eine andere Richtung weglaufen würde. Ja, mein Kommandant, zu Befehl, sagte ich. In Zukunft werde ich zu den Büroöffnungszeiten das Zentrum von Vaduz meiden. Ausser wenn ich im Linienbus von hier z.B. nach Buchs fahren würde, dann durchquere ich das Zentrum, steige aber nicht aus dem Bus. Zum Abschied sagte er mir, dass alles gut werden würde. Ich solle ihnen vertrauen und aufhören so misstrauisch zu sein. Schönes Wochenende Herr Bankdirektor. Ihnen auch, Herr Kieber. Die letzten zwei Wochen im Juli 2003 waren besuchsmässig sehr ruhig. Niemand hatte sich bei mir angemeldet. Keiner bedrängte mich mit Fragen. Den einzigen Termin, den ich hatte war der Pflichtbesuch beim Sachbearbeiter der ALV. Ich konnte ihm die erforderlichen fünf schriftlichen Bewerbungen vorlegen. Alle waren ohne Erfolg. Ehrlich gesagt, hatte ich mich nicht gross angestrengt. So wie die Dinge langen, wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich bald keine Stelle mehr antreten könnte. Höchstens in der Gefängnisküche. Um fit zu bleiben, wurde ich wieder Mitglied beim OLO’s GYM in Triesen. Drei oder viermal die Woche absolvierte ich ein Krafttraining dort. Auch besuchte ich meine alten Nachbarn in Balzers. Auch das Ehepaar, das meine alte Mietwohnung gekauft hatte, hatte sich gut eingelebt und war sehr glücklich dort. Niemand aus diesem Hause hatte etwas mitbekommen. Von meinen neuen Nachbarn in Vaduz lernte ich einige besser kennen. Meine einzige Waffe war das Schreiben. Ich verfasste einen Brief an den Bankdirektor und einen an RA Müller. Im Brief an den Bankdirektor drückte ich (im Vertrauen) mein Befremden über einiges, was sich seit meiner Rückkehr abgespielt hatte aus, zum Beispiel dass ich einfach nicht verstehe, warum man in der Angelegenheit der blockierten Gelder 431 noch nichts unternommen hatte. Es wäre ein wichtiger Bestandteil meines Kampfes der letzten sechs Jahre. Ich würde nicht verstehen, wie Hans-Adam auf einer Seite mir massiv helfen würde, die Verbrecher zur gerechten Strafe zu bringen, aber es ihn auf der anderen Seite offenbar nicht allzu gross stören würde, wenn einer der Verbrecher mit einem Sack voll Kohle für seine Taten auch noch belohnt würde. Ich würde langsam den Verstand verlieren. Dieses Thema schloss mit den Zeilen, dass ich insofern wieder Hoffnung habe, da man jetzt den RA Müller für die blockierten Gelder angeheuert hatte. Ich schilderte im Brief weiters, dass ich verwundert wäre, wie der RA Müller für mich im kommenden Prozess (140er) kämpfen wollte, wenn er bis jetzt noch nicht einmal die Akte studiert hatte. Mit welchem Kenntnisstand er mich verteidigen würde? Mit einer fliegenden Durchsicht des dicken Aktes einen Tag vor dem Prozess, fragte ich. Im Brief an RA Müller befasste ich mich vor allem mit den Fall 101er. Ich war von der Argumentation von Hans-Adam noch nicht ganz überzeugt. Ich bat den RA, sollte das Obergericht meinem Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung zustimmen, was allgemein erwartet wurde, dann wäre ich froh, wenn er mir als Subsidiarankläger bei der Ausfertigung der Anklage helfen würde. Ich wäre der Meinung, dass man es doch lieber zuerst einmal beim Liechtensteiner Gericht versuchen sollte. Die STA würde ja sicher keinen Auftrag von Hans-Adam bekommen. Beide Briefe lieferte ich persönlich am 31.7. bei den Büroadressen der Herren ab. Am gleichen Tag war auch die magere acht Seiten lange Anklageschrift mit den Vorwürfen im Zusammenhang mit meinem Schreiben an HansAdam fertig. Zu unserer (Bankdirektor, RA Müller und ich) Fassungslosigkeit wurde ich, ganz entgegen den Erwartungen und Beteuerungen, wegen dem Verbrechen der Gewalt und gefährliche Drohung gegen den Landesfürsten (§ 249 StGB), dem Verbrechen der schweren Nötigung (§15, 105, 106), dem Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands, insbesondere Deutschland und die USA (§124), dem Vergehen der Datenbeschädigung (§126) und dem Vergehen der Urkundenunterdrückung (§229) angeklagt. Ich sei deswegen zu bestrafen. In Liechtenstein formuliert die STA in der Anklage keinen Antrag auf die von ihr gewünschte Strafe. 432 Meinen aufmerksamen Lesern können sicher auch auf den richtigen Namen des STA tippen, der dieses Anklage geschrieben hatte und sie vor Gericht vertreten möchte. Ja, HAUN, wer den sonst. Nachdem was ich alles wegen ihm seit Jahren ertragen musste! Noch schlimmer: Nachdem was Hans-Adam, Liechtenstein und die LGT wegen ihm durch mich seit Januar 2003 (unter der Berücksichtigung des Datendiebstahls eigentlich schon sein 2002) mitmachen mussten! Warum? Warum, fragte ich. Warum ausgerechnet ER? Man hatte andere Staatsanwälte bei der Staatsanwaltschaft. Warum konnte man nicht einfach einen "unvorbelasteten" Ankläger nehmen? Langsam begriff ich, was Hans-Adam meinte, als er mir sagte, dass man der Justiz ein Ventil geben müsste, sodass sie Luft ablassen könnte. Dies war wohl eines der notwendigen Ventile. Dieser Umstand war äusserst unerträglich für mich. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Menschen, wären sie an meiner Stelle gewesen, es auch als sehr verletzend und demütigend empfunden hätten. Mein Gott, warum mussten sie mich immer noch quälen? Hatte ich mich nicht genug unterworfen? Was ich noch nicht begriffen hatte, war die Tatsache, dass dahinter ein ganz fieser (Rache)Plan stand. Mit verschiedenen, abwechselnden Akteuren. Jeder wollte zum Schuss kommen. Mit meinem RA und dem Bankdirektor diskutierte ich ausgiebig die Anklage. Der RA, als Jurist, beteuerte mir, dass ich keine Angst wegen der vielen Einzelvorwürfen haben sollte. Dies sei so üblich. Was in einer Anklage stehen würde, sei noch lange nicht dasselbe, was schlussendlich zu einer möglich Verurteilung gelangen würde. Der Bankdirektor, der immer schon eine feine Antenne für meine Gefühlslage hatte, machte sich grosse Sorgen um mich. Speziell dann, als ich trotzig kundtat, dass ich nie freiwillig zu der Verhandlung gehen würde, solange Haun dort sei. Ende. Zudem stellte ich die berechtigte Frage, wie das Gesamtbild noch stimmen könnte, wenn Hans-Adam mich unverkennbar zum Schlachthof führen lässt und mir gleichzeitig seine universelle Hilfe anbietet, damit die Verbrecher vor ein Kriminalgericht kommen. Der Professor wurde telefonisch über den sich verschlimmernden Zustand von mir informiert. Er war entsetzt. Über die Anklagepunkte selber und das ausgerechnet Haun diese vertreten soll. Aus psychologischer Sicht ein total falscher Schritt, diagnostizierte er aus der Ferne. Er empfahl 433 dem Bankdirektor Hans-Adam zu bitten, dass dieser mich anrufen soll und einiges klären soll. Bevor dieser aber mich anrief wurde mein Zustand noch unerträglicher. RA Müller meldete sich wieder. Seine Nachforschungen in Bezug auf die Gelder in Österreich hätten ergeben, dass eine Frist verpasst worden wäre. Die Gelder wären nun in Reichweite des Täters aus Argentinien, Helmut Roegele. Nachvollziehbarerweise tobte ich wie ein Wildschwein. Ich konnte es nicht fassen. Was für eine Frist, fragte ich. Es wäre eine 14Tage-Frist gewesen, die am 25.7.03 abgelaufen wäre. WAS, schrie ich. Man hätte also fristgerecht einen Einspruch erwirken können, jammerte ich. Er entschuldigte sich und meinte nur, dass es zu spät sei. Zu spät? Zu spät, schrie ich ihn am Telefon an und entschuldigte mich gleich für den Ton. Es war wie eine zweite Folter für mich. Nach über sechs Jahren konnte mein Folterer Helmut Roegele sein Glück nicht fassen und seine erpresste, quasi ‚abgefolterte‚ Beute abkassieren. Nicht nur konnte er sich auf fast 900'000.- CHF freuen, nein, er musste auch keinen einzigen Franken mit einem seiner Komplizen teilen. Natürlich schmerzte mich dieses Ende sehr. Ich weiss nicht, was in den Köpfen derjenigen in Liechtenstein vorgegangen war, als sie davon erfahren hatten. Sicher ist, dass es allen direkt oder indirekt Beteiligten klar sein musste, dass es furchtbare emotionale und psychische Konsequenzen für mich haben würde. Die nächsten paar Tage verbarrikadierte mich in meiner Wohnung und brütete darüber, was das alles bedeuteten soll und vor allem, wohin es noch führen würde. Am frühen Abend bekam ich einen Anruf von Hans-Adam. Er wusste von der Anklage, von Haun und der abgelaufenen Frist. Er erzählte mir, dass ich die Anklage nicht als fehlerfrei ansehen soll. Ich fragte ihn, warum ich überhaupt wegen Drohung, Nötigung u.s.w. angeklagt werden soll, wenn mir schon in Holland felsenfest versprochen wurde, dass ich überhaupt nicht belangt würde, wenn ich all seine Forderungen erfüllen würde. Er sagte zu mir, dass er mir dies mir beim Besuch auf dem Schloss ausführlich erklärt hätte. Und warum Haun, fragte ich. Er wiederholte, dass ich den Haun ignorieren sollte. Alles würde gut werden. Selbst beim blockierten Geld sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da 434 wüsste er aber mehr als ich, sagte ich. Ich fragte ihn, ob er ganz sicher wäre, dass ich bei der Justiz in Vaduz nie eine wirkliche Chance haben würde, eine Anklage im 101er rechtsgültig vorlegen zu können. Er bedauerte zu sagen, dass er davon überzeugt wäre. Ich weinte und fragte, warum er nicht die ihm durch die Verfassung zustehenden Rechte benützen würde, sodass zumindest eine Anklage angenommen würde. Ich wies ihn nochmals darauf hin, dass eine Anklage ja kein Urteil sei. Wenn er erlauben würde, dass das Gericht meine Subsidiaranklage annehmen würde, dann hätte er doch dafür keine Macht missbraucht. Ob das Kriminalgericht auf die Anklage mit Strafurteilen folgen würde, kann niemand voraussagen, sagte ich. Er bat mich, nicht allzu sehr darüber nachzudenken und mich stattdessen auf den mit ihm vereinbarten Fahrplan zu konzentrieren. Ich versprach ihm dies. Aber, so wollte ich ihn wissen lassen, ich könne nicht garantieren, dass ich bei einer Verhandlung anwesend sein würde, wenn es sich als wahrhaftig herausstellen sollte, dass Haun die Anklage vertreten würde. Ignorieren, ignorieren, wiederholte ich Hans-Adams Worte, aber das ist einfacher gesagt als getan. Bei allem Verständnis für die Unabhängigkeit, besser gesagt wohl die Unantastbarkeit der STA, kann es doch nicht der Wille von der Leitung der STA sein, den ganz klar voreingenommenen Haun als Kläger zu bestimmen. Nach allem, was schon passiert war. Klar kann eine STA nicht "neutral" sein, schliesslich vertritt sie ja die Anklage. Dass man aber extra den Haun dafür nominieren würde, wäre schon sehr niederträchtig, beendete ich meinen Vortrag. Er würde sich der Sache Haun nochmals annehmen, versprach mir Hans-Adam und sagte auch, dass es besser wäre, sich mit der STA nicht allzu sehr anzulegen. Ich bräuchte sie schliesslich noch wegen der Spaniensache. Er habe mit dem Chef der STA, dem Oberstaatsanwalt Dr. Robert Wallner mehrfach gesprochen. Dieser wäre von ihm beauftragt worden, das kommende rechtsgültige Urteil persönlich den Spaniern zu übermitteln, sodass jene das seit Jahren liegende Verfahren dort einstellen und den Haftbefehl löschen können. Diesem Hinweis folgend verfasste ich dann am 5.8. ein kurzes Schreiben an Dr. Wallner. Darin "bedankte" ich mich im Voraus für seine Mühe. Je mehr ich über die ganze Sache nachdachte, desto verwirrter war ich. Hier musste ich Rücksicht nehmen, da sollte ich dankbarer sein, hier musste ich beiden Augen zudrücken, da sollte ich kooperativer sein. Ich 435 verlor den Überblick. Auf einmal hatte ich grosse Angst, dass der ausstehende Obergerichtsentscheid im 101er negativ ausfallen könnte. Obwohl der UR und mein RA, beide juristische Experten, das Gegenteil erwarteten. Eine nochmalige Demütigung würde ich nicht ertragen können, das stand fest. So kam ich zum traurigen Schluss, dass es besser wäre, wenn ich all dem ein Ende setzte. Am 08.08. verfasste ich eine kurze Mitteilung an das Gericht. Ich stellte den Antrag auf Rücknahme meines Antrags vom 22.11.02 in Sachen Fortsetzung der Strafuntersuchung. Ausdruck meiner damaligen persönlichen Verfassung zeigen deutlich die letzten elf Zeilen jener Mitteilung ans Gericht. Ich habe auf ganzer Linie versagt und resigniert. Ich habe einfach keine Kraft und Energie mehr, eine mögliche weitere Demütigung nach neuerlichem jahrelangem Kampf vor Gericht zu bewältigen ohne dabei am Ende komplett durchzudrehen. Mit diesem Schreiben bin wenigsten i-c-h selber derjenige, der den „Deckel‚ auf diese Akt 10 Vr 101 / 97 – der mein ganzes Leben in den letzten 6 1/ 2 Jahren bestimmt hat – zuschlägt. Insbesondere möchte ich dem UR Dr. Paul MEIER für seine jahrelange Arbeit und dem Oberrichter Dr. Gerhard MISLIK für seine Mühe und Zeit, die er sich sicher genommen hätte - von ganzen Herzen danken. Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes Opfer Dies waren überhaupt meine allerletzten Zeilen, die ich dem Gericht geschrieben hatte. Insbesondere die letzten vier Worte hätten beim Gericht diverse Leute aufmerksam machen sollen. Aber eben, „hätten‚. Wie fast immer in den letzten sechseinhalb Jahren, wurden meine Notizen, Schreiben, Anträge, Analysen, Beweismappen, Antworten und was ich sonst noch alles für den 101er, 140er und das Zivilverfahren eingereicht hatte, überhaupt nicht, oder wenn dann nicht richtig oder vollständig gelesen. Ich muss dazu sagen, dass der UR Dr. Paul Meier fast eine Stunde lang versucht hatte, mich von dem Einreichen des oben genannten finalen Antrags abzubringen. Er redete wie ein Irrer auf mich ein, es nicht zu tun. Wenn ich dies tun würde, dann könnten die Verbrecher wiederum 436 einen Sieg über mich verbuchen, sagte er. Er versuchte mich davon zu überzeugen, dass nicht alle Richter so wie der LR Uwe Oehri wären. Ich konterte mit der Tatsache, dass ausgerechnet dieser Oehri den Vorsitz des Kriminalgerichts inne hat. Welche Chance hätte ich da, selbst wenn das Obergericht mir den Status als Subsidiarankläger erlauben würde? Dr. Meier versuchte es hartnäckig, es nutzte nichts. Er warnte mich, sollte ich diesen Antrag stellen, ich nie wieder das Verfahren in Liechtenstein eröffnen könne. Aktenmappe zu, bedeutet Fall geschlossen. Das wäre mir klar, sagte ich. Es gäbe noch die Möglichkeit eines Verfahrens im Wohnsitzland der Täter, so wie es mir Hans-Adam versprochen hatte, erinnerte ich ihn. Ich reiche den Antrag hiermit ein, war mein letztes Wort. Er machte einen letzten Versuch und fragte mich, ob mein RA Müller davon wüsste. Ich sagte nein. Meier meinte dann, dass er den Antrag von Müller mitunterschrieben haben wollte. Netter Versuch, sagte ich. Gemäss Gesetzt kann ich den Antrag auch ohne meinen RA einreichen. Gerade als Privatbeteiligter am Prozess, wusste ich zu berichten. Widerwillig nahm er meinen Antrag an. Ich muss gestehen, dass ich ein Gefühl der Erleichterung hatte. Endlich wusste ich wo ich stand. Keine Zeit- und Energieverschwendung mehr mit der Justiz hier. Klar war mir auch, dass sobald der Antrag die Runde gemacht hätte, nicht wenige bei der Justiz froh waren, endlich den 101er losgeworden zu sein. Insbesondere die STA, deren Widerstand gegen eine Kriminalverhandlung im 101er sich wie ein roter Faden durch die ganzen letzten sechseinhalb Jahre zog. Nicht zu vergessen die überraschten Gesichtern der Täter, zumindest von Helmut Roegele & seiner Frau, die ja einen Anwalt in Vaduz hatten. Die Täter dachten sicher, ich muss verrückt geworden sein. Aber eben, sie wussten und wissen es bis heute nicht, was alles im Hintergrund, leider oft nur zu ihren Gunsten, abgelaufen war. Was das war, dass können mein Folterer Helmut und seine Kinder in diesem Buch nachlesen. Ein fettes „Dankesschreiben‚ zusammen mit einem "Spendenscheck" von Helmut & Co. an Hans-Adam und die LGT wären jetzt sicher angebracht. Glaubst Du nicht auch, Helmut? Nachdem mein RA Müller eine Kopie meines Antrages vom 8.8. erhalten hatte, rief er mich sofort an und war entsetzt. Was nun wieder, sagte ich. Zuerst reden alle auf mich ein, ich soll die Argentiniensache in Liechtenstein vergessen. Jetzt, wo ich es radikal gemacht habe, ist man 437 entsetzt. Er hätte leider wieder schlechte Nachrichten für mich. Was denn wieder? Ist Helmut Roegele gestorben, fragte ich sarkastisch. Nein, er hätte gehört, dass der LR Uwe Oehri meinen Fall beim Kriminalgericht verhandeln möchte. Wie bitte? Ich glaubte es nicht. Hassen die mich so sehr, fragte ich ihn. Wie könnte Oehri den Fall behandeln, wenn er als Richter im Zivilstreit amtete und mir dort einen enormen Schaden zugefügt hatte und ich ihn in dem berühmten Schreiben, dass ja Gegenstand der Kriminalverhandlung sein würde, zu Recht der Inkompetenz und der Entwürdigung überführt hatte. Müller war auch erstaunt. Er wäre seit mehreren Jahrzehnten Anwalt. Nie hätte er ein solches Mass an Interessenkonflikt angetroffen. Für mich war das Fass voll. Ich bedankte mich für den Anruf. Ich wählte sofort die Nummer vom Schloss und bat beim Sekretariat mit Hans-Adam verbunden zu werden. Er wäre nicht im Hause. Wenn es dringend wäre, dann könnte er sicherlich innerhalb der nächsten Stunde zurückrufen. Ich bat darum. Danke und Auf Wiederhören. Ca. 40 Minuten später rief er an. Ich entschuldigte mich für die Anspruchsnahme seiner kostbaren Zeit, aber er habe mir ja gesagt, dass ich ihn jederzeit anrufen könnte, wenn mich etwas bedrücken würde. Ja, das stimme, sagte er mir. Ich erzählte ihm vom Vorhaben des LR Oehri. Hans-Adam war auch erstaunt, zumindest hinterliess er bei mir diesen Eindruck. Er sagte, dass er auch keinen Sinn darin sehen würde, wenn Oehri diesen Fall behandeln würde. Ich erzählte ihm, dass mich keine 100 Pferde in den Saal bringen würden, wenn Oehri und Haun mir gegenüber stehen würden. Sollte ich mit Polizeigewalt in den Saal gebracht werden, was durchaus möglich wäre, da ich als Angeklagter anwesend sein muss, würde ich kein einziges Wort sagen. Bei aller Liebe, sagte ich, und korrigierte mich gleich: Bei allem Bösen, mit der Betonung auf Bösen, das habe ich nicht verdient. Hans-Adam sagte gleich, niemand will mir Böses. Er würde sich dieser Sache auch annehmen, versprach er. Tausend Dank. Auf Wiederhören Landesführer. Auf Wiederhören Herr Kieber. Hans-Adam hatte Recht, mit Freundlichkeit kommt man viel weiter im Leben. Ich musste meine Verbitterung unter Kontrolle bringen. Und immer nur das von Hans-Adam versprochene Fernziel, die Täter von Argentinien vor ein Gericht zu bringen, nicht aus den Augen lassen. So entschloss ich, dass es an der Zeit wäre, dem Regierungschef Hasler und 438 dem Liechtensteiner Botschafter in Berlin ein paar kurze Zeilen zu schreiben. Darin entschuldigte ich mich für die turbulenten Zeiten, die ich verursacht hatte. Am 18.8. lieferte ich beide Briefe bei der Regierungskanzlei im Regierungshaus ab. Der Brief für den Botschafter wurde aus Vorsicht nicht nach Berlin gesandt, sondern ihm bei der nächsten Gelegenheit in Vaduz übergeben. Ein paar Tage später rief mich RA Müller wieder an. Er fragte gleich, ob ich mit Hans-Adam über den Oehri gesprochen hätte. Ja, sagte ich. Warum, fragte ich. Er sei in dieser Sache aktiv geworden und wollte gerade in meinem Namen einen Antrag auf Befangenheit des LR Oehri stellen. Vor Einreichung des Antrags habe er vom Gericht erfahren, dass Hans-Adam offenbar mit dem Präsidenten des Obergerichts, Hr. Max Bizozzero telefoniert haben muss und seinen Unmut über die Einsetzung von LR Oehri in diesen Fall kundtat. In der Folge wäre LR Oehri aufgetragen worden, sich selber für befangen zu erklären. Somit wäre der Weg frei für einen unvorbelasteten Richter in dieser Sache. Ich bedankte mich für die News. Ein kleiner Erfolg. Ganz logisch erschien mir diese Aktion jedoch nicht. Warum nahm sich der Oehri die Mühe aktenkundig seine Befangenheit zu erklären? Er, als Präsident des Kriminalgerichts hätte doch einfach von Anfang an „entscheiden‚ können, nichts mit der Verhandlung zu tun zu haben. Warum der Aufwand, fragte ich mich. Die Antwort dafür konnte ich in seiner Befangenheitserklärung vom 27.08. nachlesen. Auf zynische Art und Weise macht er meine Befürchtungen lächerlich und erklärt sogar, dass er persönlich nicht im Stande wäre, den Vorsitz zu übernehmen. Nun wieder zurück zu etwas heiterem: Eine weitere peinliche Situation erlebte ich ausgerechnet mit dem Bankdirektor. Das genaue Datum hatte ich leider nicht festgehalten. Es war aber im Juli oder August 2003. Er hatte mich zum feinen Essen eingeladen. Damit wir nicht zusammen in Liechtenstein gesehen wurden, wählte er das GECCO in Buchs/SG aus, ein Gourmetrestaurant. Ausgerechnet an jenem Tag speisten zwei Tische schräg hinter uns der Chef der IT-Abteilung der LGT Treuhand. Zusammen mit drei weiteren Personen. Ich sass zum Glück mit dem Rücken zu ihm. Der Bankdirektor konnte ihn diagonal über meine linke Schulter sehen. Das Lokal war klein und jeder der das Lokal verlassen wollte oder auf die Toilette musste, kam nicht um unseren Tisch herum. Ich wurde nervös, weil ich 439 doch dem IT-Chef, ein so guter Mensch, eine Menge Ärger bereitet hatte. Der Bankdirektor beruhigte mich. Dann kam, was kommen musste. Der IT-Chef stand auf und erkannte den Bankdirektor. Er fing an mit ihm zu reden und erblickte mich. Ich stand auf, begrüsste ihn und fragte, wie es ihm gehe. Gut, sagte er, lange nicht gesehen. Und dir, fragte er mich. Nach ein wenig Plauderei merkte ich, dass er offenbar dachte, ich würde nicht wissen, dass er es weiss. Er bemühte sich sehr seinen verständlichen Frust auf mich zu unterdrücken und seine Verwirrung darüber zu verbergen, den Bankdirektor mit mir essen zu sehen. Die letzten Tage im August 2003 waren ruhig. Die meisten waren in den Ferien und Mitte August feierten wir den Staatsfeiertag. Natürlich liess ich es mir nicht nehmen, auch zum Schloss zu pilgern. Zum Gedenkgottesdienst auf der grossen Wiese unterhalb des Schlosses und zur anschliessenden Verköstigung vom Volk und Touristen, spendiert vom Haus Liechtenstein. Diese Mal achtete ich darauf, nicht die Wege von Hans-Adam oder seinem Erstgeborenen zu kreuzen. Nicht wie im August 2001. Im Rückblick auf jenen Staatsfeiertag kann man heute wohl eine gewisse Ironie erkennen. Das Schweizer Fernsehen hatte in der "10vor10" Sendung vom 15.08.2001 einige Minuten über den Staatsfeiertag berichtet. Ausgerechnet, als ich hinter dem Rücken von Hans-Adam auftauchte, lief die Kamera. Meine Wege kreuzten sich auch dieses Mal mit denen des Blaubluts. Aber man beachtete sich einfach nicht gross. Ich nutzte die Tage um viel Sport zu treiben und mit dem Velo hatte ich schon über 1100 km abgeradelt. Oft fuhr ich hinter dem Gefängnis vorbei auf eine geteerte Feldstrasse die zum Rhein führte. Ab und zu kam mir der Lampert in den Sinn. Wie es ihm wohl gehen würde, fragte ich mich. In seinem Fall kam man nicht voran. Meine Dienste wurden nicht gebraucht (erst 2005 wurde es so heiss, dass man auch auf mich zukam). Jetzt, 2003, stelle sich Lampert stur und wollte mit niemandem reden. Ich hatte vom Gerichtspersonal gehört, dass seine Verhandlung im November stattfinden soll. Ich hatte meine eigenen Probleme und sowieso keine Zeit für Andere. Ende August schrieb ich Hans-Adam einen Brief indem ich meine Gedanken über meine Gerichtsverhandlung schilderte. Ich bat ihn um ein Vier-Augen-Gespräch vor der Verhandlung, die irgendwann im Oktober stattfinden sollte. Kurz darauf konnte ich in den Besitz einer 440 Notiz der Vaduzer Polizei gelangen. Darin war die Rede davon, dass sie meine vier CD-ROMs von Berlin im Safe aufbewahrten. In einem kurzen Schreiben teilte ich dies dem Hans-Adam mit. Der Grund dafür lag dran, dass er mir ja während der Audienz gesagt hatte, dass er meine 4 CDs auf dem Schloss komplett vernichtet hätte. Offenbar muss es da ein Missverständnis geben, wenn jetzt in den Unterlagen stand, dass die Polizei meine 4 CDs hatte. Auch konnte ich wieder mit meiner alten Liebe, wenn auch nicht so ausgeprägt wie vorher, anbandeln. Eine ganz andere Art von Herzklopfen erlebte ich, als ich eines schönen Morgens, genauer am Dienstag, den 9.9., nach einem Besuch beim Landgericht wieder nach Hause kam und meinen Briefkasten öffnete. Darin lag ein gefalteter Zettel mit einem Text in Computerschrift und in Grossbuchstaben. Es waren exakt sieben Zeilen: KIEBER! Lass Dich nicht klein kriegen! Pass auf den 10 Vr 140 97 auf! Du wirst reingelegt! Sag nicht zu allem Ja und Amen! Deine Unterkunft wird abgehört! Dein Mobiltelefon auch! Mir wurde schlecht. Ich rannte hoch in meine Wohnung und las den Zettel nochmals. Mist, nie hat man Ruhe, fluchte ich. Nicht, dass ich etwas zu befürchten oder zu verstecken hätte. Das einzige, was mir Ärger bereiten würde, wäre wenn sie einen Hinweise auf meinen Safe ich der Schweiz finden würden. Dies war aber unmöglich. Ich hatte absolut nichts bei mir oder in meinen Sachen, was in diese Richtung zeigte. Nur im Kopf. Und dieser war ja vor deren Zugriff geschützt. Ich strengte mich sehr an, um herausfinden, wer mir diese Worte zugesteckt haben könnte. Denn nur wenn ich wusste, wer dies war, konnte ich analytisch die Motive erforschen und den wirklichen Grund dieser Information herausfinden. Hatte es vielleicht mit dem Schreiben vom 13.08. zu tun, in dem ich das Gericht um eine Kopie des Gutachtens gebeten hatte (siehe Kapitel 17)? Oder hatte ich zu viele Fragen gestellt? Denn obwohl es auf den ersten Blick es so aussah, als ob die Person, die den Zettel geschrieben hatte, auf meiner Seite stand, kam ich beim zweiten Blick zum Schluss, dass eigentlich das Gegenteil der Fall war. All die wenigen, die wirklich auf meiner Seite standen, würden mich offen warnen und mir die Information ins Gesicht sagen. Und RA Müller, der zwar für mich intervenierte, aber von Hans-Adam bezahlt 441 wurde, würde so etwas nie tun. Dazu war er zu seriös. In meiner Gegnerschaft gab es Leute, die die angebotene Lösung von Hans-Adam nur widerwillig akzeptierten. Ich schreibe hier bewusst von Gegnerschaft. Aus meiner Sicht waren sie keine Gegner mehr, ich hatte ja Frieden mit ihnen geschlossen und dieser Friede wurde mir auch permanent von ihnen verbal bestätigt. Die isolierte Tatsache, dass ich noch eine komplette elektronische Kopie von Kundendaten plus diverse Geschäftsunterlagen in einem Safe in der Schweiz gebunkert hatte, war für mich kein ideologisches Hindernis für einen dauernden Frieden. Sie wussten ja nichts davon und ich konnte jetzt im Moment diese letzte Kopie nicht vernichten. Dazu würde ich immer noch zu einem späteren Zeitpunkt die Möglichkeit haben. Ich hatte mittlerweile erkannt, dass einige hier in Vaduz nicht am selben Strang zogen. Das bedeutete, dass es aus ihrer Sicht meine Gegner waren. Lange überlegte ich, wie ich herausfinden könnte, ob mein Leben abgehört wurde. War mein Handy nicht von der LGT gesponsert und mit neuer SIM-Karte ausgestattet worden? Ich selber war ja kein grosser Technik-Freak und konnte daher schwer, wenn überhaupt, mit elektronischen Mitteln die Wahrheit herausfinden. Ich versetzte mich in die Lage der Lauscher, falls es welche gab. Warum ich überhaupt abgehört werden würde, war mir schnell klar. Es gab sogar zwei Theorien. A) Sie wollten herausfinden, ob ich eine weitere Datenkopie hatte. B) Sie suchten nach neuem Belastungsmaterial. Für A) sprach, dass jeder halbwegs intelligente Gegner vermuten konnte, dass ich eventuell eine Kopie zurückbehalten hatte und er/sie deswegen herausfinden musste, wo ich sie versteckt haben könnte. Gegen A) sprach, dass sich langsam aber sicher abzeichnende aggressivere Verhalten mir gegenüber. Denn es ergab doch keinen Sinn, zu vermuten, dass ich eine Datenkopie besass und sich gleichzeitig liessen sie ein Versprechen nach dem anderen platzen. Ausserdem würden sie mich dann nicht ständig demütigten und weiterhin auf mir herumhackten. Was für B) sprach, war die teilweise krankhafte Kontrollsucht derer, die mich keine Minute aus den Augen lassen wollten und alles über mein Tun und Denken sammeln wollten, um einen Treffer zu landen. Nach ein paar Brainstormings (‚Hirnzellenkochen‚) kam mir eine einfache Idee, wie ich herausfinden könnte, ob man mich in der Wohnung abhören würde. Ich plante einen Test in den nächsten Wochen 442 durchzuführen, einen Trick, sodass sie nicht merken würden, dass ich von ihrer illegalen Operation wusste. Illegal darum, weil streng nach dem Gesetzt ein solcher massiver Eingriff in meine Privatsphäre nur während einer gerichtlichen Untersuchung erlaubt ist. Sonst hätte ich mich ja gleich in die Mitte des Raums stellen können und schreien „ihr könnt mich alle mal kreuzweise – ich grüsse die Lauscher‚. Wegen dem Abhören des Handys redete ich am besten mit dem UR Paul Meier, entschied ich. Am 10.9. erhielt ich die Vorladung zum Prozess. Dieser würde am 22.10.03 um 08.30 Uhr im Saal 1 beginnen. Natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, da die Regierung, Hans-Adam und die LGT die Angelegenheit als zu sensibel für die Ohren der Allgemeinheit befanden. Die „Sicherheit‚ des Landes würde riskiert werden. Da spielte es keine Rolle, dass nach Buchstaben des entsprechenden Gesetz, nur die eigentliche Verhandlung selber als nicht-öffentlich deklariert werden kann. Im Prinzip wären die Anklageverlesung und die Urteilsverkündung immer öffentlich. Natürlich hatte ich auch nichts dagegen, das Publikum auszusperren. Ich wollte meine Wäsche auch nicht für alle sichtbar geschrubbt haben. Da ich ja viel freie Zeit hatte, organisierte ich mehrere Besuche zum Aktienstudium beim LG. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder auf Belege gestossen war, die mich noch mehr zur Verzweiflung trieben. Im 140er z.B. fand ich Quittungen von über CHF 35'000.- . STA Haun hatte für diese horrende Summe Dokumente aus Spanien ins Deutsche übersetzten lassen. Und wen wundert’s noch, es waren ausschliesslich solche, die von Seiten der argentinischen Bande geliefert wurden. Der RA von Helmut Roegele nutzte die alleine vom Liechtensteiner Staat bezahlten teuren Übersetzungen im Zivilverfahren gegen mich. Permanent hatte das Landgericht meinen Antrag (basierend auf die mir gewährte Verfahrenshilfe) auf Übersetzung jener spanischen Dokumente, die mich entlasteten, ohne Begründung abgewiesen. Da ich dieser Fremdsprache selber mächtig war, hatte ich so gut es ging diverse Unterlagen selbst übersetzt. Wieder passte dies dem LR Oehri (im Zivilstreit) nicht. Eine weitere Arbeit für mich war das genauere Studium der 140er Anklage. Hans-Adam verlangte ja von mir, dass ich mich schuldig bekennen sollte und vor dem Kriminalgericht so wenig wie möglich sagen sollte. Er hatte und hat immer noch die absolute Kontrolle über jeden Richter. Dank der 443 neuen Verfassung konnte er jeden von ihnen, wenn es sein muss unter fadenscheinigen Gründen, aus dem Amt entheben. Was er natürlich nicht unter Kontrolle hatte, war die möglichen Fragen, die mir das Richtergremium während der Verhandlung stellen konnte. Daher fand er es besser, wenn ich mich sternenklar für schuldig bekennen würde und somit die Anzahl der möglichen Fragen drastisch reduzieren würde. Je mehr ich in der ausgefertigten Anklage las, desto grösser wurde meine Abneigung gegenüber einem MEA CULPA. Abgesehen davon, dass die vorgeworfene Tat (Wohnungskauf) nicht zutraf, wäre es geradezu hirnverbrannt, wenn ich mich zu dieser formulierten Anklage ohne massiven Protest für schuldig erklären würde. Die Anklageschrift hätte genauso gut aus der Hand vom Täter Helmut Roegele stammen können. STA Haun hatte praktisch Wort für Wort die Lügen von ihm und seiner Frau in die Anklageschrift übertragen. Eine völlig absurd aufgebaute Erzählung, die Grösstenteils auch in der Abwehrstrategie von Helmut und seiner Komplizen für den 101er Fall und dem Zivilverfahren zu finden war. Mit dem verlangten „ja, ich bekenne mich schuldig‚ würde ich selber, man stelle sich das vor, die Dichtung von Helmut & Co. mit einem Schlag als Gewissheit für immer und ewig einbetonieren. Nein, nein, nein - ich konnte hierzu auf keinen Fall einfach JA sagen. Sie können alles von mir verlangen, nur das nicht. Wiederum musste ich unser Staatsoberhaupt mit einem Anruf belästigen. Es war mir peinlich, ihn alle zehn oder 14 Tage anzurufen. Aber nach jedem Anruf sagte er mir, dass ich ihn immer kontaktieren dürfte. Er wäre ausser Landes, sagte man mir. Ob es dringend wäre, fragte seine Sekretärin. Nein erwiderte ich. Am Freitag, den 12.9., um exakt 10.30 Uhr rief er mich dann auf meinem Handy an. Das Gespräch dauerte genau 24 Minuten und 31 Sekunden. Ich erzählte ihm die Details von der 140er Anklage. Er hätte eine Kopie davon in seiner Mappe, unterbrach er mich auf halber Strecke. Ich sagte, dass ich unmöglich ohne mich wenigsten minimal verteidigen zu können, einfach Ja sagen könnte. Ich könnte ja auch nicht sagen: „Eigentlich bin ich nicht schuldig, bekenne mich aber schuldig.‚ Er müsse dies bitte verstehen. Er konnte meinen Bedenken folgen. Ich wies ihn auf die gefährliche Konsequenz hin, dass die Täter von Argentinien mein Schuldbekenntnis garantiert weiterverwenden würden. Ich würde doch vor jedem Gericht auf dieser Welt, wo immer wir es schaffen würden Helmut Roegele und 444 seine Komplizen vor ein Kriminalgericht zu bringen, als geisteskrank abgewiesen werden. Egal wie erdrückend unsere Beweise sind und, dank seiner (Hans-Adams) finanziellen Supermacht, egal wie stark mein Anwaltsteam wäre. Hans-Adam meinte, ich würde wieder zu viel nachdenken. Alles würde gut werden. Wiederum konnte er mich beruhigen. Ich glaubte ihm, dass er den grösseren Überblick als ich hatte. Meine Wahrnehmung, im Gegensatz zu seiner, war ja durch den jahrelangen Kampf geschwächt. Zudem hatte ich auch Angst vor dem Resultat der kommenden Verhandlung. Da war es immer besser, Hoffnung zu schöpfen. Am nächsten Tag schrieb ich Hans-Adam wieder einen Brief und bedankte mich für seine Worte. Ich informierte ihn, dass ich erfahren hatte, dass ich zwei Personen mit zur Verhandlung nehmen könnte. Ich bat ihn um sein Einverständnis, den Bankdirektor mitnehmen zu können. Den Brief brachte ich persönlich am folgenden Dienstag, den 16.9., aufs Schloss und gab ihn beim Portier ab. Den Zettel in meinem Briefkasten erwähnte ich im Schreiben aber nicht. Am 23.9. hatte ich einen Termin mit dem Neffen vom RA Müller. Er beherrschte die spanische Sprache und hatte in Spanien via einer Topanwaltskanzlei dort für mich interveniert. Es wurden den spanischen Behörden mitgeteilt, dass die dort hängige Sache bald in Vaduz vor dem Landgericht behandelt würde. Nach Abschluss würde man das Urteil auf offiziellem Weg via Eurojust in Holland bekommen. Ähnlich wie bei Interpol, funktioniert die Eurojust als Drehscheibe der verschiedenen Gerichtsbarkeiten innerhalb Europas. Diese Nachricht erfreute mich sehr. Die Kanzlei Müller musste mir leider auch mitteilen, dass es Helmut Roegele inzwischen gelungen sei, an die Gelder in Österreich zu kommen. Wieder ein Tiefpunkt in meinem Leben. Als es vor mehr als sechs Jahren blockiert wurde, waren es über CHF 825'000.-. Mit den Zinsen müsste es heute weit über 920'000.- sein. Viel mehr als das, was der Verbrecher Helmut Roegele von mir nun offiziell plündern durfte. Ich fragte, warum mir das Gericht in Österreich die Differenz nicht zurückgegeben hätte. Leider sei ihnen die Auskunft verwehrt worden, wie viel am Ende auf dem Konto lag, erklärten die Müllers. Ich konnte dazu nichts mehr sagen, ich wollte auch nichts mehr sagen. Man hätte dies verhindern können. Die Kanzlei Müller, typisch Juristen, sahen auch eine positive Seite. Wenn ich mich beim Gericht im 140er schuldig 445 bekennen würde, dann könne man dem Gericht auch mitteilen, dass die „Schuld‚ gegenüber Helmut Roegele in der Zwischenzeit beglichen wurde. Wenn sie meinten, war meine lapidare Antwort darauf. Es dauerte nicht lange, bis meine mündlichen und schriftlichen Beschwerden über Haun als Vertreter der Anklage auf seine Ohren trafen. Dieser war so gekränkt und beleidigt, dass er es für korrekt hielt, mich persönlich zu kontaktieren. Die Nummer muss er von meinem Briefkopf aus dem Schreiben an seinen Chef vom 5.8. abgelesen haben. Er fackelte nicht lange. Ich war so erschrocken, als er mich anrief, dass ich zuerst seine giftige Drohung gar nicht fassen konnte. Seinen Namen und seine Stimme zu hören, irritierte mich stark. Ich dachte nur, wie kam der überhaupt auf die Idee mich anzurufen. Er erpresste mich. Ja, Erpressung! Er wusste inzwischen, dass ich aufgefordert worden war, mich zu 10000 Prozent schuldig zu bekennen. Er wusste ferner, dass ich mich dazu weigerte und mich wegen seiner kommenden Präsenz in der Verhandlung beschwert hatte. Er sagte ganz cool, dass ich, was seinen Auftritt als Ankläger betreffe, gefälligst die Klappe halten soll. Und sollte ich mich nicht schuldig bekennen, würde er das Ehepaar Helmut Roegele & Salud H. zur Verhandlung am 21.10. höchstpersönlich herkarren. Das wäre doch ein Spektakel, feixte er. Wenn ich dies nicht wollte, dann müsste ich ein klares Schuldbekenntnis abliefern. Er brüllte wie ein Pavian. Er erwarte bis spätestens zwei Wochen vor der Verhandlung eine Nachricht von meinen Verteidiger, ob ich mich schuldig bekenne. Zudem drohte er mir, falls ich ein Schuldbekenntnis ankündigen würde und am 21. (10.) auf die schlaue Idee kommen würde auf „nicht schuldig‚ zu plädieren, dann würde er beantragen, die Verhandlung zu verschieben und dann Helmut Roegele & Co. vorladen. Ansonsten er Helmut und das ganze spanische Pack zur Feier einladen würde, wiederholte er schon wieder. Die würden sich hüten, hier her zu kommen, schrie ich ihn ohne gross zu überlegen an. Nicht mehr, lachte er gemein, da ich ja so schwachköpfig gewesen wäre, meinen Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung zurückzuziehen. Diesem Antrag hatte das Obergericht stattgegeben. Ich drücke mit solcher Kraft und Repetition auf die Ausschalttaste meines Handys, bis mein rechter Daumen schmerzte. Dieser Sauhund, dachte ich mir. Das macht er nicht. Unmöglich. Er darf so etwas nicht machen. Diese miese Kreatur erpresste mich. Der hat sich gar nicht geändert, wurde mir klar. Von Einsicht in die eigenen Fehler absolut keine Spur. Null. Nichts. Nada. 446 Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger verstand ich die Situation. Ich begriff nicht, wie sich Haun so aufführen konnte, ohne einen Rüffel von seinem Boss, Dr. Wallner oder der Justizministerin Rita Kieber-Beck zu riskieren. Vielleicht wollte man es so. Um mir Angst einzujagen. Wenn mein Handy abgehört wurde, dann wüsste Haun dies sicher auch. Das heisst, er hatte sicher Rückendeckung für eine solche Wortwahl mir gegenüber, leuchtete es mir ein. Trotzdem verfasste ich sofort einen neuen Brief an Hans-Adam. Im Schreiben gab ich im genauen Wortlaut den Anruf von Haun wieder und teilte Hans-Adam mit, dass ich mich nicht erpressen lasse. Ich flehte ihn an, diesem Haun eine auf die Rübe zu knallen. Ob den nun alle durchgedreht wären, fragte ich offen. Noch nie war eines meiner Schreiben so schnell beim Empfänger. Ich erwischte gerade noch den Schlosspförtner bevor er Feierabend machte und bat ihn den Brief gleich ins Schloss zu tragen. Am nächsten Morgen rief mich nicht Hans-Adam, sondern der Bankdirektor an. Er bat mich nochmals die genauen Worte von Haun zu wiederholen. Ich tat es und teilte ihm unmissverständlich mit, dass ich mir nicht drohen lasse. Schon gar nicht vom einem wie Haun. Natürlich lassen wir uns nicht erpressen, pflichtete er mir bei. Dann sagte der Bankdirektor etwas erstaunliches, was ich durchwegs als glaubhaft schluckte. Haun habe vom Leben doch keine Ahnung und nachdem alles über die Bühne gegangen wäre, hätte man für ihn in Liechtenstein keine Aufgabe mehr. Aha, dachte ich mir, habe wieder ein Teilstück eines anscheinend grösseren Plans erfahren. Ich musste dem Bankdirektor versprechen, dass ich keine Dummheit begehe und beim Haun oder sonst irgendjemanden bei der STA Radau machen würde. Versprochen? Versprochen! Am 3.10. hatten sich der Bankdirektor und der Professor für einen Besuch bei mir zu Hause angemeldet. Unsere Unterredung dauerte von 11:00 bis 12:15.Zuerst musste ich ihnen von einer grausigen Nachricht erzählen. Ich hatte in einem alltäglichen Gespräch unter Nachbarn erfahren, dass meine Vormieterin, ein zutiefst traurige und vom Leben geschundenen Italienerin sich in dieser Unterkunft kurze Zeit vor meiner Ankunft das Leben genommen hatte. Es stelle sich heraus, dass es jede Dame war, die 1997 meine kurzzeitige Nachbarin im Altersheim von Eschen war. Ich war sehr betrübt über diese Geschichte. Ich fragte die beiden Besucher, ob sie davon wussten. Nein, antworteten sie. 447 Hauptsächlich drehte sich die ganze Diskussion um die bevorstehende Verhandlung. Es wurde mir ein Text vorgelegt, den ich nach der Anklagevorlesung ablesen sollte. Die Anklage war in zwei Teile gespalten. Teil 1) betraf den Wohnungskaufs in Barcelona und Teil 2) betraf die Daten und den Brief an Hans-Adam. Sobald ich das Wort hätte, sollte ich zu beiden Teilen folgendes und nicht mehr sagen: Zum Thema „Roegele‚ möchte ich wie folgt mich äussern: Die Liechtensteiner Justiz hat in einem Zivilverfahren schlussendlich rechtsgültig nicht meiner, sondern der Version des Klägers glauben geschenkt. Dies muss ich akzeptieren. Aus h e u t i g e r Sicht, sowie sich die Dinge für meine Zukunft präsentieren, bekenne ich mich – aus verschiedenen, übergeordneten Gründen - formell juristisch schuldig. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Zum Thema „Landesfürst‚ möchte ich wie folgt mich äussern: Ich bekenne mich schuldig, den Brief vom 7. Januar dieses Jahres aufgesetzt und geschrieben, eine Kassette besprochen und zusammen mit verschiedenen Beilagen seiner DL nach Hause geschickt zu haben. Ich bedauere es ausserordentlich, schäme mich dafür sehr – insbesondere als bekennender Monarchie-Fan - und bereue es aufs tiefste, das ich dadurch seine DL und Andere unverschuldet in eine schwierige Lage gebracht habe. Ich befand mich in einer äusserst destruktiven Situation und meine Motive habe ich in besagten Unterlagen vollumfänglich und vollständig dargelegt. Manche greifen zu Gewalt, ich griff Feder. Kurz festhalten möchte ich nochmals, dass ich zum Zeitpunkt, als ich die Unterlagen bzw. elektronischen Datenträger an mich genommen habe, mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht habe, was ich damit anstellen werde. Hier möchte ich auch auf meine Einvernahme bei der Untersuchungsrichterin am 10. Juli dieses Jahres verweisen. Die juristische Beurteilung liegt selbstverständlich nicht bei mir. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen. Es war eine bitte Pille, die ich da schlucken musste. Da noch zwei Termine mit meinem RA Müller geplant waren, hätte ich noch genügend Zeit, alles mit ihm zu besprechen, sagten sie. Was gäbe es da noch zu 448 besprechen, wenn der Text mir zwingend vorgegeben wird, fragte ich. Wenn ich nichts zur Verteidigung sagen darf? Nachdem der Bankdirektor gegangen war, schlug der Professor vor, dass wir in die Schweiz fahren und dort Mittagessen gehen. Gute Idee, sagte ich. Wir fuhren mit seinem Wagen über den Rhein nach Buchs, kauften uns eine feine Schweizer Servalat (Bratwurst) und ein Bürli (Brötchen) und setzten uns draussen vor den Fussballplatz des FC Buchs. Wir redeten offen, mehr als üblich, über alle möglichen Themen. Aus seinen Schilderungen wurde mir dann auch bewusster, dass es für Hans-Adam auch nicht einfach war und ist. Ich erwähnte, dass ich über mich selber verärgert wäre. Warum, fragte er. Weil es doch so aussieht, alles würde alles anders rauskommen, als wir es in Holland besprochen hätten. Zum Beispiel den 101er, zählte ich auf. Als ich in Berlin und Holland war, hätte ich nie geglaubt, dass ich derjenige sein würde, der den Deckel zumacht. Ihr habt mich dazu clever überredet, sagte ich zu ihm. Er meinte, dass es sich schlussendlich als der richtige Weg herausstellen wird. Es würde ja bald alles zu Ende sein. Ja, sagte ich, dann kann man die zweite Etappe in Angriff nehmen. Endlich, endlich den Tätern aus Argentinien an den Kragen gehen. Er fragte mich noch, wie weit ich mit der Denkschrift wäre. Die sei bald fertig, erwiderte ich. Ob er eine Kopie davon haben könnte. Für ihn als Psychologe wäre es sehr interessant, meine Gedanken darüber zu lesen. Ich musste ihn aber enttäuschen, da mir Hans-Adam bei der Audienz gesagt hatte, dass ich nur ihm die fertige Arbeit übergeben sollte. Ich denke, dass Hans-Adam Angst hat, ich könnte wieder von den Leichen schreiben oder über sonst etwas, was ihn, sein Land oder die LGT diskreditieren würde. Obwohl ich dem Hans mehrmals erklärt hatte, dass ich keine Namen oder Orte erwähnen würde. Ich denke, er wird mit meiner Arbeit zufrieden sein. Das hoffte ich zumindest und ich wäre mir sicher, dass er ihm dann eine Kopie überlassen würde, sagte ich zum Schluss. Der Professor konnte nicht versprechen, am Tag der Gerichtsverhandlung zu kommen. Er würde aber sicher telefonieren. Ich bedankte mich für seine Bemühungen und brachte auch meine Hoffnung zum Ausdruck, noch vor dem Gerichtstermin mit Hans-Adam ein VierAugen-Gespräch halten zu können. Der Professor würde diesen Wunsch auch unterstützen. RA Müller versicherte mir mehrmals, dass ich keine Angst haben sollte. Ich befürchtete auch, dass evt. der Haun als Überraschungseffekt 449 Helmut Roegele & Co. eingeladen hatte. RA Müller meinte dazu, dass er diesbezüglich keine Hinweise bei Gericht gesehen habe. Gemäss Gerichtssekretariat wären von Klägerseite nur Haun und Dr. Wallner angemeldet. Dr. Wallner? Warum kommt die STA mit Doppelbesetzung, fragte ich. Er wisse es nicht. Er habe aber gehört, dass Haun Massnahmen getroffen habe, falls ihm etwas passieren sollte. Ihm etwas passieren? Nichts würde ihn dran hindern, diesem Prozess beizuwohnen. Selbst wenn er im Endstadium einer furchtbaren Krankheit wäre, er würde dieses Spektakel nicht verpassen wollen. RA Müller sagte mir auch, dass er ja auf Freispruch plädieren würde, zumindest was den Brief von mir an Hans-Adam angehen würde. Freispruch? fragte ich erstaunt. Ja, das wäre doch klar, meinte er. Das hätte er schon zu Anfang gesagt. Muss mir wohl entgangen sein, sagte ich ihm. Ich hatte immerzu nur schuldig, schuldig und nochmals schuldig in den Ohren und vergass vollständig, dass mein RA trotzdem noch einen Freispruch beantragen kann. Da man sich ja auf einen Schuldbekenntnis geeinigt hatte, formulierte er es elegant, würde ich nach seiner Berufserfahrung und unter den speziellen Umständen dieses Falles mit einer Bewährungsstrafe davon kommen. Aber dann wäre ich ja vorbestraft, sagte ich. Leider ja, sagte er, anders ginge es nicht. Mehr konnte er nicht für mich herausholen. Was herausholen, fragte ich. Müssten wir nicht zuerst die Verhandlung abwarten, um über herausholen zu reden, fragte ich. Nein, sagte er. Bei Gericht würde nicht viel geredet. Aber er sei doch mein Verteidiger, er müsse reden wie ein Kirchenprediger zu Ostern, verlangte ich. Wenn ich die Schnauze halten muss, gilt dies doch nicht für ihn, versuchte ich klarzustellen. Nicht das noch was schief ginge. Alles unter Kontrolle, erwiderte er. Ich solle endlich aufhören mir den Kopf zu zerbrechen. Ich fragte Müller auch, ob er mir helfen kann, das geheime Gutachten (siehe Kapitel 17) zu organisieren. Er wusste von keinem solchem Gutachten. Ich zeigte ihm die Randbemerkung in der Aktennotiz. Ich erwähnte, dass darin etwas mich entlastendes stehen könnte. Er würde die Sache abklären. Er instruierte mich auch, nur das vorzulesen, besser gesagt zu antworten, was mir eingetrichtert wurde. Ich sagte ihm, dass ich den Text auf ein Blatt Papier ausgedruckt habe und mit ins Gericht nehmen würde, für den Fall, dass ich zu nervös werde und den Text vergesse. Ich zeigte ihm das Blatt. Er las es durch. Wenn die STA etwas fragen würde und ich nicht antworten möchte, dann soll ich auf ihn 450 verweisen, dafür sei er ja da. Er erinnerte mich auch daran, dass ich nach der Urteilsverkündung auf keinen Fall vergessen soll, mich für das Urteil bei den Richtern zu bedanken. Warum das, fragte ich. Wegen des „Ventils‚, meinte er nur. Als Wertschätzung gegenüber dem Hohen Gericht und den Richtern. Aha, sagte ich, das mit dem Ventil hat sich also auch schon herumgesprochen. Solange ich dem Haun keinen Handkuss geben muss, habe ich damit keine Probleme, bemerkte ich. Ich war froh, dass ich so einen ruhigen, erfahrenen RA hatte. Am 14.10. war ich noch einmal beim Landgericht, um kurz diverse Akten einzusehen. Mein RA Müller hatte sich in der Zwischenzeit damit abgefunden, dass ich, wie ich es immer in den letzten sechs Jahren gemachte hatte (mit oder ohne RA), die Akten selber studierte. Am 17.10. war meine Denkschrift fertig und eine Kopie brachte ich dem Auftraggeber, Hans-Adam persönlich nach Hause. Das Wochenende vor dem Prozess war ruhig. Am Montag vor der Verhandlung war ich ganz nervös und hatte auf einmal 1000 Fragen an meinen RA. Er hatte Zeit für mich und ich besuchte ihn. Morgen wird alles gut, beruhigte er mich. Ich war nahe daran, ihm von dem Zettel oder den vielen Ungereimtheiten, die sich langsam aber sicher herauskristallisierten, zu erzählen. Ich vertraute mich aber Müller nicht an, da ich eines sicher wusste: Er war 1000-mal pflichtbewusster Hans-Adam gegenüber als mir. Was ja klar war. Ich war auch schwer enttäuscht, dass Hans-Adam keine Zeit mehr für ein kurzes Gespräch mit mir vor der Verhandlung hatte. Bevor ich aber meinen Lesern die Geschichte über die Gerichtsverhandlung erzähle, schiebe ich noch ein Kapitel dazwischen, worin ich euch das Resultat meiner von Hans-Adam geforderten Denkschrift zeige. Ich hatte mir für diese Forderung von ihm sehr viel Mühe gegeben. 451 KAPITEL 22 Es muss sich was ändern, damit . . . . . . es so bleibt, wie es ist. Dieser Satz (geborgt aus dem Roman Der Leopard von Giuseppe Tomasi di Lampedusa) war auch der Titel meiner Denkschrift, die ich vier Tage vor dem Gerichtstermin im Oktober 2003 fertig verfasst hatte. Als meinen Beitrag zur Versöhnung hatte ich mich so gut es ging bemüht, ein kurzes Werk zu schreiben. Das Resultat waren meine Gedanken zum Phänomen „Workplace Violence‚ (Verbrechen am Arbeitsplatz), mit speziellem Blick auf die Banken- & Treuhandwelt in Liechtenstein. Knapp drei Monate hatte ich daran gearbeitet. Vom Ergebnis druckte ich zwei Kopien: eine für mich und eine für den Auftraggeber Hans-Adam. Am Freitag, den 17.10. brachte ich seine Kopie hoch zum Schloss. Anm.: Der Inhalt selber entspricht Wort für Wort dem Original. Unter dem Hinweis auf einen "z. Zt. in Haft sitzenden XY" beziehe ich mich auf Hrn. R. Lampert. Bei dem Hinweis auf das Massaker im Kantonsparlament Zug (Schweiz) beziehe ich mich auf die mörderische Tat vom Hrn. F. Leibacher im September 2001. EINLEITUNG Geschätzte Leserin, Geschätzter Leser, Wahrlich stürmische Monate mit vielen bangen Momente, abenteuerliche Szenarien und hektische Umstände sind diesem Denkbericht vorausgegangen. Was ist geschehen? Die Antwort lautet „ w o r k p l a c e v i o l e n c e “. Dieser englische Überbegriff umschreibt die Gefahr, die jede Firma treffen kann. Es ist nicht jene Gefährdung, die von aussen kommt, sondern die von innen kommende. Wenn sich Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichsten Gründen dazu Entscheiden, zum Schaden des Arbeitgebers aktiv zu werden. Dieses Phänomen werden wir verstärkt in der Zukunft erleben können. Es ist die ständig rasant sich verändernde globale Welt, die mehr und mehr entseelt und habgierig erscheint und durch übermässiges Regulieren des privaten sowie öffentlichen Bereiches dem Mitbürger das Gefühl der Ohnmacht verleiht und ihn versucht in ein Korsett des „Normalen‚ zu zwängen. Aber eben, Normal hiess einst (und 452 heisst es heute noch oft) gerade nicht das Gewohnte, sondern das, was der aktuellen (!) Norm entspricht, und dies ist ein Richtmass, eine Vorschrift, ein Gebot. Die Wertvorstellungen und ethischen Prinzipien vieler Menschen haben sich unter anderem dadurch verändert. Zur Wirklichkeit gehört aber auch, dass viele Menschen, die nur den Niedergang und Verfall erwarten, denken, dass es, übertrieben gesagt, keine GerechtigkeitsDemokratie gibt. Es gibt nur einen Konkurrenzkampf beim Stehlen. Der Kampf gegen die Ignoranz, Arroganz und den Egoismus ist verloren, weil jeder hofft, mitmachen zu können. Diejenigen, die die Situation kennen, wollen nicht kämpfen, diejenigen, die kämpfen wollen, kennen die Situation nicht. Diejenigen, die gebildet sind, wollen keine Opfer bringen, diejenigen, die Opfer bringen wollen, sind stockdumm. (Bank)Überfälle sind in unserer Region ja praktisch ausgeschlossen oder zumindest sehr selten; potentielle Ziele für eine destruktive Absicht eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin sind die harten Faktoren (Einrichtungen, Gebäude aber auch Arbeitskollegen sowie Vorgesetze) und die weichen Faktoren (sensible Daten). Aus aktuellem Anlass und quasi aus erster Hand, habe ich – der Verfasser, als Laie - versucht in meinen Überlegungen und meiner Analyse ein breites Spektrum von möglichen Themenkreisen rund um die Datensicherheit bei Banken- und Treuhandunternehmungen hier auf Papier zu bringen. Die Aufteilung in Kapiteln habe ich wie folgt vorgenommen: ° Abkürzungen / Erläuterungen, ° Neuanstellung von Mitarbeitern ° Täterprofile / Tätervorgehensweise ° Verbesserte Sicherheit: Allgemein - E D V - Buchhaltung ° die 50 % Katastrophe ° Schlusswort. Die vorliegende Niederschrift ist – nebst meinen mündlichen Angaben zum Thema - als weiteren Teil meines Beitrages anzusehen, die Angelegenheit optimal für alle Aufzuarbeiten. Dies mit dem Ziel Veränderungen auszulösen und nicht nur luftleere Interpretationen zu produzieren. Weitere Ausführungen meinerseits erfolgen nicht. Es kann sein, dass einige meiner 453 „Problem-Lösungs-Gedanken‚ sich bereits in der Umsetzungsphase befinden oder sogar schon verwirklicht worden sind. In diesem „Bericht‚ – der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt - werden Sie keine Namen, Orte oder Dergleichen finden; dies ist vom Verfasser so gewollt. Die Anonymität für Alle (!) ist eine gut gewählte Form und bietet zudem Schutz. Es werden sich gewisse Beteiligte beim Lesen leicht selber erkennen können. Es versteht sich von selbst und wurde auch dem Verfasser ausdrücklich vom Auftraggeber zugesichert, dass nichts aus der vorliegenden Denkschrift gegen ihn oder andere in straf- oder zivilrechtlicher Form jemals verwendet wird. Vielen Dank. Abkürzungen / Erläuterungen T–A = Täter Typ A T–B = Täter Typ B T– C = Täter Typ C EDV = EDV–Abteilung, KB = KundenberaterIN SB = SachbearbeiterIN MA = MitarbeiterIN, HR = Personalabteilung Workplace Violence = existenzielle Gefahr für die Firma Die 50%-Katastrophe = die Daten oder Sabotageeinrichtung sind in der Hand des Täters; seine Drohung wurde aber noch nicht umgesetzt Die 100%-Katastrophe = die Daten wurden verraten oder verwendet, bzw. die Sabotage wurde ausgeführt Neuanstellung von Mitarbeitern Während sich der Fokus auf eine verbesserte, verfeinerte und umweltschonende Technik rund um den gesunden und modernen Arbeitsplatz, bedingt durch die ständig steigenden Anforderungen insbesondere von Seiten möglicher neuer MA, verlagert hat, sind vielleicht - trotz aller Anstrengungen – der 454 feinen Instinkt und Sensibilität für das Individuum selber etwas zu kurz gekommen. Um schon potentielle Täter aller Couleur aus dem Kreis möglicher Kandidaten für eine offene Stelle so gut wie es geht herauszufiltern, bedarf es nebst dem aktuellen Strafregisterauszug - das zudem von j e d e m Land vorgelegt werden sollten, wo der Bewerber in den letzten 10 Jahren gelebt(!) und/oder gearbeitet hat – und den üblichen standardisierten Fragen (schriftlich in Formularen oder protokollarisch(!) mündlich) weiterer Fragestellungen, die wie folgt lauten könnten: ° Wurde je im In- oder Ausland ein oder mehrere Verfahren* gegen Sie eröffnet? Wenn ja: Was waren die Vorwürfe an Sie? Wie endete(n) das/die Verfahren? Durch Einstellung? Warum? Durch Verurteilung? Wie lautete das/die Urteil(e)? ° Läuft gegenwärtig gegen Sie im In- oder Ausland ein oder mehrere Verfahren*, die noch nicht rechtsgültig/ rechtskräftig erledigt sind? Wenn ja: Was sind die Vorwürfe an Sie? ° Hatten Sie früher Verurteilungen, die auf den von Ihnen vorgelegten Strafregisterauszügen nicht mehr erscheinen oder vermerkt sind? Wenn ja: welcher Art waren diese Strafregistereinträge? ° Kamen Sie je in den Genuss einer Generalamnestie oder Begnadigung? Wenn ja: Was waren es für Vorwürfe an Sie? Wie lautete das ursprüngliche Urteil? * = ausgenommen Verkehrsdelikte. Ein Hinweis sollte im Fragebogen oder im persönlichen mündlichen Gespräch nicht fehlen; ansonsten die speziellen obigen Fragen nicht die gewünschte Wirkung haben: „Jegliche Falschangabe k a n n zur sofortigen/fristlosen Kündigung führen und unter Umständen zivil- oder strafrechtliche Folgen nach sich ziehen‚. Zweifelt man an den Angaben des Bewerbers, so besteht heute mit der Datenflut, die über jeden Mitbürger gespeichert ist, die Möglichkeit, bei Behörden im In- und Ausland, z.B. aus seiner (meistens öffentlich zugänglichen) Steuererklärung, Gemeinderegister u.s.w. relativ leicht an 455 aussagekräftige Informationen zu kommen – vorausgesetzt man kann sie richtig interpretieren. Freiwillig wird wohl kaum ein neuer MA Angaben zu seinem – falls vorhandenem – „belastetem Verhältnis‚ mit der Justiz machen. Durch gezielte Fragen kann man aber einiges Erfahren. Ein rechtschaffener Bewerber wird diese Vorsichtsmassnahme verstehen und keine Einwände haben. Ein spezielles Thema ist auch „umgekehrte Verhältnis‚; wenn ein neuer MA für einen sensiblen Bereichen zu einem bestehenden Kreis von alten MA (aller Abteilungen) stösst. Ein möglicher Täter (alter MA) – der durchaus n i c h t in derselben Abteilung wie der neue MA arbeiteten muss - kann sich diesen Umstand zu nutze machen, in dem er zum Beispiel durch systematische Fragen oder Bitte um Unterlagen den neuen MA für sich „instrumentalisiert‚. Vermutlich verwendet er eine Redensart die so lauten kann: „…. das wurde mir immer mitgeteilt…“,.. die Unterlagen brauche ich jeweils…“ u.s.w. Mit dem Resultat, dass der neue MA sensible Fragen beantwortet oder gar Unterlagen (Original oder Kopien) aushändigt. Da er denkt, der Fragende ist ja viel länger als ich im Betrieb tätig und wird schon Recht mit seiner Argumentation haben. Oder der neue MA – den organisatorischen Abläufen noch nicht ganz vertraut - will dem Älteren nicht „widersprechen‚. Daher ist es wichtig, dass man neuen MA, die in empfindlichen Bereichen arbeiten werden, klar kommuniziert welche Rechte andere MA haben, sich über ihre Arbeit im Detail zu „informieren‚. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen! Weitere Angaben dazu können Sie auch unter dem Abschnitt „E D V“ im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* nachlesen. Täterprofile / Tätervorgehensweise Aus der Vielzahl von möglichen Täterprofilen habe ich drei Typen ausgewählt, mit denen wir hier in unserer Gesellschaft wohl am ehesten konfrontiert werden. Viele, aber nicht alle Aspekte in Bezug auf Verhaltens- und Vorgehensweise haben die drei Arten gemeinsam. Was sie unterscheidet ist das alles antreibende MOTIV. Das MOTIV - ausschlaggebend für alles Handeln seitens des Täters u n d auch der dann später betroffenen Firma und evt. eingeschalteten Behörden! Das 456 MOTIV - ist eng mit der Psyche und der geistig-moralischen Haltung des Täters verbunden. Vielleicht wäre es das Beste, an das Innere des Täters mit speziellen psychoanalytischen Methoden ran zu kommen. Denn, ° die wenigsten Täter haben wirklich böse Absichten (aus seiner eigenen Sichtweise). ° die Täter auch oft Opfer ihres Umfeldes sind. ° jeder Täter wohl die Nähe zu seinem Thema braucht, oft auch Zuneigung. ° die Täter evt. unter einer psychischen Verhornung leidet – eine verminderte Fähigkeit oder Bereitschaft, (Gefühle zu empfinden), Gutes von Böse zu unterscheiden. Ohne die Täter zu beschönigen steht leider fest: Das Schlimme im Leben ist, dass jeder seine eigenen Gründe hat. Und ob der menschliche Geist (des Täters) sich selber verstehen kann – das ist eine philosophische Frage<< Leider kann im normalen Berufsleben die Psyche allfälliger potentieller Täter mittels Früherkennungsprogramme (Annahme prädikativer Symptome) präventiv nur schwer erkannt werden. Es gibt aber auch solche Täter, die sich nicht gleich in eine der 3 Kategorien einteilen lassen; entweder weil er (!) es vorerst so will o d e r weil er – evt. Beschränkt durch seiner eigene Intelligenz sich nicht klar ausdrücken kann. Dieses „Problem‚ löst sich aber meistens von selber: Des Täters Persönlichkeit (was er wirklich will) offenbart sich spätestens dann, wenn er an dem Punkt gelangt ist, wo er Entscheidungen (z.B. Forderungen) treffen muss. Die drei Typen sind: ° Typ A kurz T-A ° Typ B kurz T-B ° Typ C kurz T-C Der Typ A (T-A): Dieser Tätertyp ist rein auf einen wirtschaftlichen Vorteil, sprich GELD fixiert. Auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit hat er Zugriff auf mehr oder weniger sensible Daten (Kundendaten), 457 die er „zu verraten‚ droht, oder er kann durch seine innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner Sabotagedrohungen (z.B. in der EDV) erheblichen Schaden anrichten. Da Geld sein Ziel ist, hat er dem möglichen finanziellen sowie ideellen Schaden der Firma ein „Preisschild‚ verpasst und seine geldmässige Forderung dementsprechend ausgerichtet. Die Gründe seiner Motivation können vielfältig sein; Geld für aufwendigen Lebensstil, Geltungssucht, Schulden aller Art, kommt nicht klar mit der Tatsache „<Kunden sind reich, ich bleibe arm<‚ , u.s.w. . Ein Beispiel für diesen – kein altruistischen - Tätertyp ist der z. Zt. in Haftsitzende XY. Wenn man das Ziel des Täters, unberechtigterweise und kriminell an viel Geld zu gelangen, nicht ausser Augen lässt, kann es durchaus sein, dass der angegebene Grund – sollte das vom Täter behauptete oder angedeutete Motiv angeblich aus einem Konfliktthema z.B. m i t der Firma (falsche Behandlung, Mobbing, übergangene Beförderung etc.) entstanden sein – nur vorgeschoben ist, denn ein etwas cleverer Typ dieses Täters könnte auch versuchen, seine wahren Motive durch solche zu vertauschen, die in den moralischen Vorstellungen und juristischen Realitäten der Gemeinschaft – im Vergleich zu seinen echten Motiven - als weniger verwerflich angesehen werden. Und dies im vollen Bewusstsein der Scheinheiligkeit seiner Argumente! Es besteht auch durchaus die Gefahr bei diesem Tätertyp, dass er Komplizen hat. Dies innerhalb oder ausserhalb der Firma. Andere MA derselben Firma als wirkliche Gehilfen sind im Vergleich zu Komplizen ausserhalb der Firma aber eher unwahrscheinlicher, da eine „verbrecherische Verbindung‚ unter beruflichen MA (auf diesem tieferem Niveau, in Chefetagen kann dies schon anders aussehen) psychologisch eine höhere Hürde darstellt als eine zwischen privaten Bekannten/ enge Verwandten. Je nach der psychischen Verfassung und Intelligenz des Täters kann entweder er selber oder sein Komplize die Idee und das Konzept zur Tat erarbeitet sowie die Federführung übernommen haben. Das aktuelle (aus präventiver Sicht) bestehende soziale Umfeld verrät leider wenig über einen potentiellen Täter dieses Typs aus; er kann sowohl in intakten als auch gestörte soziale Netze leben. Es muss nicht ein gesellschaftlicher Einzelgänger sein; er kann durchaus Frau und 458 sogar Kinder haben (Geldgierige Menschen lassen sich davon nicht immer behindern). Einmal den Beschluss zur Tat (Datendiebstahl, Sabotage, Drohung etc.) gefasst, lässt er sich schwer vom falschen Weg abbringen; er handelt oft emotionslos und ist aber daher in meinen Augen erstaunlicherweise eher während seinen „Vorbereitungen‚ innerhalb der Firma erkennbar / optisch fassbar als die anderen hier beschriebenen Tätertypen ! Dies darum, weil er sich zu 100 % seiner Straftat immer in allen zeitlichen Abläufen voll bewusst ist und eine gewisse erhöhte Nervosität und – für einen geschultes „Auge‚ erkennbares verändertes (Arbeits-) Verhalten beim ihm anzutreffen ist. Dieser Tätertyp arbeitet n i c h t unbedingt nach dem Zufallsprinzip; d.h. er beschliesst höchstwahrscheinlich zuerst den Plan und führt ihn konsequent aus. Dies ergibt sich aus seinem hohen Grad an krimineller Energie. Es ist also n i c h t so, dass er „per Zufall‚ auf irgendetwas in der Firma als Droh- und Erpressungsmittel stösst und dann auf die Idee kommt, damit liesse sich Geld machen. Was seinen „Abgang‚ (Austritt, Kündigung) aus der Firma betrifft, sind viele Varianten möglich und diese stark von bestimmenden Faktoren anhängig. Bei einem aktuellen Fall (XY) - nach meinem Wissensstand - war der Täter wenige Wochen vor seinem „grossen Auftritt‚ aus der Firma ausgeschieden. Es gibt aber auch Täter, die nicht kündigen, sondern während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses, sozusagen „aus heiterem Himmel‚, sich zur finalen Erpressungsperiode entschliessen. Falls ihm der Datenklau oder die Sabotageeinrichtung gelingt, ohne dass es von Dritten in der Firma bemerkt wird, wird er nicht überstürzt kündigen, um keinen Anlass zu Spekulationen zu bieten. Ist sich dieser Täter nicht sicher, ob, wann und wie sein Datendiebstahl oder seine Sabotageeinrichtung bemerkt wird, wird er – trotz Strategie und Plan – die Firma ohne Kündigung verlassen. Wenn es im gelingt, kann er unter einem Vorwand sofortige Ferien beantragen, danach - um mehr Zeit zu gewinnen – sich Krank melden. Ist sich der Täter sicher, dass in unmittelbarer Folge (Tage später) der Datendiebstahl bemerkt wird, wird er - mit oder ohne Taktik und Zielsetzung – die Firma rasch verlassen und schnellstmöglich die Forderung/Drohung (oder beim T-B sein Hilferuf) mitteilen, um sich einen gewissen Schutz vor Verfolgung zu erhoffen. Bei 459 einem normal ausscheidenden MA verkleinert sich ein möglicher Verdacht, dass er Daten mitgehen lassen oder eine Sabotage vorbereitet hat, massgeblich, wenn der scheidende MA wirklich eine neue Stelle/Ausbildung antritt. Kleine Alarmglocken sollten läuten, wenn ein MA spontan (ohne wirklich nachvollziehbarem Motiv) kündigt und zudem im sensiblen Bereich gearbeitet hat. Wurde ein Datendiebstahl bemerkt und es kämen mehrere (Ex-) MA in Betracht, so sollte man - von der in Frage kommenden Gruppe der Ausgeschiedenen - zuerst jene unter die Lupe nehmen, die keine neue Stelle, Weiterbildung oder plausible Gründe (z.B. Mutterschaft) vorweisen können. Aber wie gesagt, sollte der Täter ein T-A oder T-B sein, wird er sich schon zu erkennen geben. Zweifelsohne gilt die Variante auch, dass ihm gekündigt wird. Da dies meistens für ihn voraussehbar war, wird er sich die Daten vorher aneignen; insbesondere dann, wenn er keine Kündigungsfrist (1,2 oder 3 Monate) dafür zur Verfügung hat. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch unter „ Der Typ C “ sowie im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %Katastrophe* nachlesen. Der Typ B (T-B): Einem Tätertyp dem ich entspreche. Was nicht heisst, dass alles was hier jetzt geschrieben steht, auch auf meinen Fall übertragbar ist. Auch hier kann ein Täter, der auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit Zugriff auf sehr sensible Daten (Kundendaten) hat, die er „zu verraten‚ droht, oder durch seine innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner Sabotagedrohungen (z.B. in der EDV) beträchtlichen Schaden anrichten. Seine Motivation ist eine Mischung aus letzter Hoffnung (für sein Thema) und Rache; an jenen, von denen er glaubt, ihn in diese Lage „getrieben‚ zu haben. Wobei er den betroffenen Personenoder Gesellschaftskreis nach eigenen Vorstellungen erweitert oder definiert. Je länger sich ein solcher Tätertyp damit befasst, umso weniger kann er die konsequente Trennung vollziehen. Der Täter versteht seine „Drohung‚ (die Daten oder ein anderes Instrument) als Hinweis zu seinen Kalamitäten und als Mittel zum Zweck an, um seiner Forderungen nach Behebung der ihm widerfahrenen Ungerechtigkeit (z.B. emotionaler und/ oder finanzieller Natur) 460 Gewicht zu verleihen. Am Ende einer mehr oder weniger langen Vorgeschichte, die sich ausserhalb oder innerhalb der Firma abgespielt hat, kommt der Täter selber zu einem Wendepunkt, wo er aus der Fallgrube der Verzweiflung nicht mehr entfliehen kann. Er ist an jenem Punkt angelangt, wo er das folgende Empfinden abgelegt hat: „Alles ablehnen und zu beklagen, dass nichts geschieht, kann keine vernünftige Strategie mehr sein‚. Das eigentliche Konfliktthema ist sehr massgeblich. Ist der Arbeitgeber (wenn auch nur aus Sicht des Täters) und das Konfliktthema (z.B. wegen Mobbing, ungerechter Behandlung, keiner Beförderung u.s.w. ) identisch, so muss die Firma – insbesondere bei MA, die rein theoretisch auf Grund ihres Wissens massiven Schaden anrichten könnten – nichts unversucht lassen, die Konfliktbewältigung positiv für alle Seiten voranzutreiben und abzuschliessen. Dabei könnte die Fähigkeit eines unabhängigen Schlichters/Vermittlers - von extern oder durchaus intern beim HR angesiedelt – oder andere Massnahmen (z.B. bei MA mit ohne Eigenverschuldung entstandenen finanziellen Probleme materielle, sprich monetäre Hilfe bieten) sehr hilfreich sein. Ist die betroffene Firma überhaupt nicht in den vorangegangenen Konflikt (wie in meinem Fall) involviert gewesen, ist es sehr schwer aus Sicht des Unternehmens präventiv vorzubeugen. Obwohl gerade diesem Tätertyp sein Gewissen sehr plagt, ist es bedeutend erschwert ihn intuitiv „auf frischer Tat‚ zu ertappen. Dies darum, weil er – im Vergleich zum Typ T-A - eine ganz andere Grundlage für seine Motivation und damit seine Psyche hat. Denn dieser Täter (T-B) füllt sein implizites Erinnerungsvermögen in einer irrsinnigen Anhäufung oft nach seinen Vorstellungen (die durchaus der Wahrheit entsprechen können) und dies hat, nach S. Freud, massiven Einfluss auf seine Psyche. Seine Vorgehensweise in der Firma ist oft vom Zufall gesteuert: abhängig von den gegebenen objektiven Möglichkeiten und seiner subjektiven Vorstellungskraft erkennt und nützt er die Gelegenheit, dies trotz des emotionalen Drucks (er ist sich des Unrechts bewusst), da er im momentanen Glauben lebt, das für ihn Richtige und Notwendige zu machen. In Hinblick auf seine Vorbereitung zur Tat innerhalb der Firma ist der markante 461 Unterschied von ihm zu T-A, dass er (T-B) eigentlich e i n e Möglichkeit s i e h t und der T-A hingegen e i n e Möglichkeit s u c h t und f i n d e t. Rein spekulativ ist ein Komplize auch bei diesem Tätertyp (T-B) möglich. Ein Arbeitskollege als Komplize bei internem als auch externem Konfliktthema ist eher unwahrscheinlich. Ein aussenstehender Komplize ist sicherlich auch selten der Fall, da es ein grosses Volumen an persönlicher Niedergeschlagenheit und Frustration braucht, die nur der Täter selber aufbringen kann, um eine solche massive rechtliche Grenzüberschreitung (gemäss seinen Motiven) zu begehen. Trotzdem besteht die Möglichkeit: wenn ein T-B so stark (psychisch) von einer Drittperson abhängig geworden ist, dass jene Drittperson die „Ermunterung‚ zur Tat auslöst und evt. später als paritätischer Komplize fungiert. Das soziale Umfeld dieses Tätertyps kann der präventiven Vorbeugung dienlich sein. Dies ist aber Abhängig vom eigentlichen Konfliktthema: Bei internen Themen (also zwischen dem Täter und der Firma) kann der Arbeitgeber mittels einer Profilstruktur die theoretische Eventualität, ob ein MA zum potentiellen Täter werde kann, evaluieren und dementsprechende Massnahmen einleiten. Bei externen Themen kann die betroffene Firma nur beschränkt vorbeugend aktiv werden. Das Spektrum eines möglichen externen „Kriegsschauplatz‚ ist ja bekanntlich enorm. Auslösende Lebenskrisen, die einen MA zum Täter dieses Typs verwandeln lassen können, sind z.B. Gerichtsfälle, Scheidungen, Alkoholmissbrauch, Spielsucht u.s.w.. Im Gegensatz zum Tätertyp T-A und T-C (falls dieser überhaupt etwas), „hinterlässt‚ dieser Typ (T-B) in seinem finalen Schreiben sofort erkennbar, dass es sich um einen Hilfeschrei samt Wunsch auf Kommunikation handelt. Das erlebte Unrecht wird oft akribisch durch unendliche Schreibwut mitgeteilt. Was den „Abgang‚ (Austritt, Kündigung) dieses Täter-Typs betrifft, so kann man generell sagen, dass die Angaben zum T-A hier auch gelten. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch unter „ Der Typ C “ sowie im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen. 462 Der Typ C (T-C): Dieser Typ ist der gefährlichste aller Typen. Dieser Typ ist aus Sicht der betroffenen Firma die ultimative Katastrophe, da eine Verhinderung praktisch unmöglich ist. Gleich wie beim T-A + TB hat dieser Typ auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit Zugriff auf sehr sensible Daten (Kundendaten) oder durch seine innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma die Möglichkeit einer Sabotage (z.B. in der EDV). Die echten Motive zu erkennen ist elementar für die Typen T-A + T-B, weil diese Kenntnis die Basis für die Strategie der betroffenen Firma/Behörde ist und sogar der Schlüssel für eine Lösung sein kann. Hier, beim Typen T-C ist dies allenfalls rückblickend für die Aufarbeitung der schon eingetretenen Katastrophe relevant. Warum? Er tut’s einfach. Er verrät die Daten oder setzt die Sabotage in die Tat um. T-C hat kein Gewissen (mehr). T-C hat vermutlich nur ein Hauptmotiv: Rache; an der Firma, an externen Personen, an der Gesellschaft, an der ganzen (Finanz)Welt, an sich selber. T-C droht nicht, verlangt nichts, stellt keine Bedingungen, will nichts ändern. T-C ist am Punkt „...nach mir die Sinnflut<‚ angelangt. Gerade in unserer statistisch ausserordentlichen Suizidgefährdenden Gesellschaft kann ein solcher Täter-Typ unbemerkt „heranwachsen‚. In einer heftigen Gemütserregung vor seinem Freitod will/wird er den höchst möglichen Schaden auslösen. Entweder kündigt er seinen Entschluss kurz vor der Katastrophe mittels geeigneten Mediums (Schreiben, Videoaufzeichnung, Telefon) an oder – dies ist auch schon vorgekommen – er gibt sich überhaupt nicht zu erkennen, weder vor noch nach dem von ihm ausgelösten Desaster. Ein anderer Typus, mit einer ähnlichen komplizierten Täterstruktur wie Typ T-C, vollendete seinen Hass auf Alles in maximaler Form der apokalyptischen Gewalt: wie vor einiger Zeit im Kantonsparlament Zug geschehen. Unserer T-C wird nicht zum Mörder, da er ja die Daten oder die Möglichkeit zur Sabotage hat. Wiederum ist das auslösende Konfliktthema in oder ausserhalb der Firma angesiedelt. 1. Der Täter ist z.B. im privaten Bereich emotional sowie psychisch schwer angeschlagen. Ungeachtet der bestätigten Hypothese, dass emotionale Schädigungen, die durch eine Beziehung entstanden sind, durch eine andere Beziehung wieder ausgeglichen werden können. 2. Er ist in einer Sackgasse 463 angelangt. 3. Seine empfundene Isolation hat die Höchstmarke erreicht. 4. Er leidet nur noch still vor sich hin. Sieht keinen Sinn im Leben mehr. Dies obwohl es einen zutiefst menschlichen Impuls gibt, Sinn zu finden in dem was geschehen ist. Der Sinn offenbart sich ja nicht im Ergebnis selbst. Täter konstruieren sich also eine Bedeutung. Und diesen Auftrag verfolgen sie oft mit einer Auf-Leben-und-Tod-Intensität. 5. Er wird ein DauerPessimist. Sein unerträglicher Ausspruch und Reflexionen aus dem beschädigten Leben bleibt von ihm n u n unkommentiert. 6. Niemand glaubt ihm mehr. Es muss aber nicht alles Lüge sein in der Finsternis menschlicher Not, was düster und unglaublich klingt. 7. Er ist keiner mehr, der in Worten das Heil sucht! 8. Er braucht/verwendet übrigens auch keine Komplizen. Präventiv ist ein solcher Täter (fast) nicht fassbar. Es kann aber durchaus – wie auch bei T-A + T-B - der berühmte Zufall ihn verraten. Hoffen kann man nur, dass der T-C schon vor der Katastrophe irgendwie konfliktmässig öffentlich / beruflich aufgefallen ist. Zu bemerken ist auch, dass dieser Typ bei seinen Vorbereitungen (Datenklau oder Sabotage) sehr, sehr professionell vorgeht. Viel besessener als T-A- oder T-B. Täter T-A- und T-B sind oft mit einem Teil der Daten oder kleinerem Sabotageaufwand zufrieden. Der Täter T-C will aber unbedingt alle Daten besitzen oder den höchst möglichen Sabotageschaden erreichen. Warum dieser Unterschied zu T-A und T-B ? Weil eben der T-C den Schaden herbeiführen will und wird! Die Tätertypen T-A oder T-B wollen eigentlich den Schaden nicht verwirklichen, sondern benötigen die Daten, je nach Motiv, als Mittel zum Zweck. Ein feiner aber gewichtiger Unterschied. Einen Abgang eines T-C hängt von seinem intuitiven Zustand ab; sobald er die Instrumente zur Schadensherbeiführung auf sicher hat, wird er entweder normal kündigen oder ganz darauf verzichten. Tendenziell wird er eher die Firma spontan „verlassen‚ (oder ihm wurde aus verschiedensten Gründen gekündigt). Es ist potentiell Irreführend anzunehmen, dass mit der vorhergehenden Abhandlung des T-C Täterprofil, das Thema damit erledigt ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein reiner T-C Tätertyp dem Finanzplatz einen Schlag verpasst, würde ich nicht als gegeben sehen; viel beunruhigender ist die Tatsache, dass aus einem ursprünglichen T-A oder T-B ein T-C werden kann. Warum? Voraussetzung dafür ist, dass jeweils beide Täter 464 (T-A oder T-B) weiterhin – d.h. auch nachdem durch Verhandeln, Einsicht, Aufgabe des Täters oder seiner Verhaftung die Katastrophe verhindert wurde – im Geheimen Kopien oder gar Originale der Daten aufbehält. Es gibt – leider - ganz, ganz wenige Ausnahmefälle, bei welchem ein Täter (T-A oder T-B) wirklich alle Daten zurückgibt oder vernichtet. Der T-A, getrieben von seinem Motiv, wird seinen „Schatz‚ nicht so einfach aus den Händen geben. Im Wissen, was auf ihn beim Fehlschlagen seines Vorhabens zukommt, wird er Wege und Mittel gefunden haben, seinen Besitz sicher und auf lange Zeit versteckt aufbewahren zu können. Natürlich kann die Staatsgewalt beide zu langer Haft verurteilen und sie somit eine gewisse Zeitspanne unter Kontrolle haben. Aus Sicht des T-A – wenn er auch nur ansatzweise den selektiven Gebrauch der Wahrheit benützt - ist ihm klar, dass, wenn er die ihm unter Umständen gebotene „gütliche‚ Lösung nicht annimmt, er die Härte des Gesetzes am eigenen Leib erfahren wird. Ein Faktum ist, dass er kein Problem mit der rechtlichen Auffassungsgabe, sondern mit seiner (eingebildeten) Psyche hat. Nach der Haftentlassung, kann es daher durchaus sein - vor allem, da er sein Ziel (Geld) nicht erreicht hat und wenn er zudem durch die Kleinheit seiner Gesellschaftsumgebung stark geächtet ist – dass er aus Rache die ursprüngliche Drohung in die Realität umsetzt. Und dies heimlich oder offen. Nach dem Prinzip des T-C Typs. Aus Sicht des T-B kann eine Verwandlung zum T-C unter beiden Konstellationen möglich sein. Obwohl er sich der eigenen Schuld bewusst ist und auch eine Strafe akzeptieren würde, wäre es emotional - was wiederum massiven und heftigen Einfluss auf seine Psyche hat, was erneut sein Handeln lenkt – ein Desaster, wenn er für sein Handeln (die Wirkung) die Konsequenzen tragen muss und der Teil seines ursprünglichen Motivs (die Ursache) unerledigt liegen bleibt. Eine Wende vom T-B zum T-C ist auch möglich, wenn die ihm während den „Verhandlungen‚ gemachten Versprechungen und Zusicherungen sich als Luftblasen herausstellen. Einen erneuten „Hilfeschrei‚ – in welcher Form auch immer – würde es nicht geben. Warum auch: der erste Hilfeschrei hat ihm ja nichts gebracht und nichts geholfen. Er wird also weder neu drohen noch den Wunsch zur 465 Kommunikation haben. Er verwandelt sich zum T-C und handelt danach. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen. Verbesserte Sicherheit Der Faktor Mensch ist und bleibt die grösste Schwachstelle bei der Sammlung, Verarbeitung und Aufbewahrung von sensiblen Daten im Banken – und Treuhandbereich. Ich bin kein Experte; kann aber meinen Gedanken dazu hier freien Lauf lassen und hoffentlich zur Anregung für manche Verbesserung anstiften. A) Allgemein: Heute ist es so, dass – rechtlich und moralisch bedingt – vorhandene gravierende persönliche Probleme eines MA die Firma im Grunde nur dann tangieren, wenn sich dies negativ auf die Arbeit auswirkt. Die Unterscheidung von „privatem‚ und „beruflichem‚ Problem kann meiner Meinung nach – aus Sicht der Firma – n i c h t stetig als zwei verschiedene Elemente betrachtet und dementsprechend behandelt werden. Dies darum, weil der MA als Mensch nicht in 2-facher Form existiert und daher seine privaten Sorgen sehr wohl grösseren Einfluss auf die Firma haben, als diese zu glauben wagt und denkt. Aber, wie weit soll nun „Fürsorge‚ der Firma diesbezüglich gehen? Ist das akute Konfliktthema des MA innerhalb der Firma angesiedelt, z.B. Ärger mit den Vorgesetzten, anderen MA u.s.w. , so hat dies den Vorteil, dass die Firma unverfälscht davon schon in einem frühen Stadium Kenntnis hat und infolgedessen Handlungen ausführen kann, damit der MA nicht zu einem Täter heranreift. Dasselbe gilt für den Fall, wo das Konfliktthema zwar ausserhalb der Firma liegt, aber die Auswirkungen innerhalb der Firma bemerkt werden: z.B. bei Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder andere starke persönliche Änderung des Charakter des Betroffenen u.s.w. Plagen den MA Sorgen und Nöte in seiner „Freizeit‚, deren Effekte im täglichen Arbeitsbetrieb nicht auffallen oder keine unmittelbare direkte Wirkung auf sein Verhalten sichtbar machen, wie z.B. Spielsucht, Geldsorgen aller Art u.s.w. , hat die Firma dennoch die Möglichkeit präventiv einem Heranreifen des MA zu einem der hier beschriebenen Täter-Typen etwas entgegen zu stellen. 466 Generell könnte sich die Firma folgende Schritte überlegen: In einer geeigneten Form von MA-Mitteilung und in ausgesuchten Worten kundtun, dass man - als fortschrittliche Firma – folgendes neu „offerieren‚ kann: - ab sofort können sich betroffene MA an eine bestimme Stelle (z.B. im HR, besser aber extern) melden, wo ihnen ein Lebenshelfer, Psychologe Hilfe anbietet. Dieser „Service‚ ist total anonym. Das bedeutet, auch dem Betroffenen selber die Aussicht sich (vorerst) anonym offenbaren und mitteilen zu können, muss angeboten werden. Selbstverständlich erfahren weder die Firma noch andere Stellen über den Inhalt der Anliegen. Die Vertraulichkeit ist immer gewährt und nichts von den Unterlagen landet in der Personalakte. Auch soll es dort keinen Eintrag geben. Die Kosten übernimmt zur Gänze (!) die Firma. Der Grund dafür liegt auf der Hand: ein auf solche Hilfe angewiesener MA könnte sich eigentlich ja privat an einen Psychiater, Psychologen oder andere solche Dienste wenden und die Krankenkasse dafür zahlen lassen. Viele Mitmenschen scheuen aber diesen Schritt, weil dann in einer kleinen Gesellschaft wie der unseren, zu viele Mitbürger unter Umständen erfahren könnten (trotz der Schweigepflicht), dass man Probleme hat. Die Betroffenen schämen sich wegen Ihrer Probleme dafür oft. Bei privaten materiellen Problemen kann gerade eine Bank problemlos unbürokratisch und grosszügig Hilfe anbieten. Nicht im Sinne von verbilligten Hypotheken oder sonstigen Darlehen und günstigeren Kontokonditionen, was sie ja heute schon tut, sondern tatsächliche finanzielle Hilfe für solche ArbeitnehmerInnen, die selbst- oder unverschuldet in eine Krise geraten sind. Wie ein solches Angebot ausgestattet und kommuniziert werden kann, sodass ein Bedürftiger auch davon Gebrauch macht, wissen die Spezialisten von HR und Bank besser als ich. Auf jeden Fall müssen im „Angebot‚ Stichwörter wie folgende erwähnt und untermauert stehen: gewährleistete absolute Vertraulichkeit, keinen Eintrag in der Personalakte, egal welche Summe und Art der finanziellen Probleme, evt. sogar zinslose Hilfe, alle Administrativ- und Abklärungskosten begleicht die Firma zu ihren Lasten. Durch Umsetzung obiger Ideen, wird die später garantiert kommende Frage an einen schon aktiven Tätertyp (also bei Eintritt der 50 %-Katastrophe), „ warum haben Sie sich nicht vorher/ früher an uns wegen Hilfe gewandt<?‚, überflüssig. 467 Kritiker meiner Vorschläge werden sagen: „<.vergiss es. Es würde sich sowie so keiner melden..‚. Woher wollen die dies wissen – hat man es je so angeboten? Nein ! Es ist unnötig hier zu erwähnen, dass trotz der möglichen Kosten sich solche Massnahmen auch dann schon gelohnt haben, wenn damit nur ein potentieller Täter innerhalb von einigen Jahren verhindert werden kann. Garantiert! Der Arbeitgeber muss auch bestrebt sein, ein Arbeitsklima zu schaffen und pflegen, wo „Rachegefühle‚ nicht keimen können und somit sich wenigstens kein internes Konfliktthema etablieren kann. Von problematisch gewordenen MA, denen die Firma nicht (mehr) weiterhelfen kann, diverser Rücksichten hin oder her, muss man sich auch frühzeitig trennen (können)! Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch ganz klar im Leadership des Unternehmens! B) EDV: Selbst die beste und teuerste elektronische Sicherheit wird meiner Meinung nach nie ganz verhindern können, dass ein tatkräftiger Täter, der auch kein „Leisetreter‚ ist, einen Datendiebstahl begeht oder eine Sabotagemöglichkeit (z.B. Datenverlust, Datenvernichtung) sieht. Insbesondere dann, wenn der Täter selber aus dem EDV-Departement der Firma kommt. Man hat zwar einen permanenten technischen Fortschritt, der es eigentlich einem Täter immer schwieriger machen sollte, an sein Ziel zu gelangen. Aber ironischer weise kann die technische Arbeitserleichterung, indem man z.B. fortwährend alles elektronisch Archiviert und kompakt auf einer zentralen Datenablage speichert, um so dem MA, SB oder KB Zeit und Arbeitsaufwand zu ersparen, gleichfalls dem Täter helfen, schnell, einfach und sauber an Unmengen von Daten zu gelangen. In einem aktuellen Fall konnte aufgezeigt werden, dass man nie zu früh mit der Verschlüsselung - insbesondere des SicherungsBack-Up – beginnen kann. Die in jenem Fall betroffene Firma hat nun in der Zwischenzeit nicht nur ihre Back-Up’s verschlüsselt, sondern auch durch die Inbetriebnahme des neuen „xy-security‚, dass u.a. einen Schlüssel für Ver- und Entschlüsselung aller Daten im normalen Gebrauch verwendet, Übertragungswege schütz und protokolliert (!) sowie Key-Provider-Module benutzt, Voraussetzungen geschaffen, die dem neusten Stand der Technik entsprechen. Sicherlich ist auch die Entschlüsselung eines Sicherungsbandes ausserhalb der designierten Plattform nicht 468 mehr möglich. Einem Täter, sollte er nicht selber aus der EDVAbteilung stammen, ist es damit zumindest sehr, sehr schwer gemacht worden, falls er gleichwohl rechtswidrig ein Sicherungsband an sich nehmen konnte, schlussendlich an lesbare und somit verwendbare Datensätze zu kommen. Ein kleines Risiko besteht aber weiterhin: dann, wenn er das Band Spezialisten (z.B. einer Dienststelle eines fremden Staates) übergibt. Auch sollten alle MA in der EDV auf bohrende, scheinbar harmlose aber dennoch für die Arbeit des Auskunft begehrenden unlogische und unnötige Fragen sensibilisiert werden, um einem möglichen Täter keine „Geheimnisse‚ zu offenbaren, die ihm bei seiner Tat nützlich sind. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass sich ein etwas einfallsreicherer Täter bei solcher Fragerei in Bezug auf seine EDV - Kenntnisse „viel dümmer‚ stellt, d.h. er gibt vor, sich weniger auszukennen als er dies wirklich tut. Das führt oft zum Ergebnis, dass der Angefragte auch ihm über die normale Antwort hinaus – da er ihm helfen will – mehr preisgibt. Womöglich ausserdem über Gegebenheiten, die dem Täter gar nie oder vorerst nicht in den Sinn gekommen wären. Ein möglicher Täter, der selber im EDVBereich der Firma arbeitet, hat weiterhin die Möglichkeit zum Datendiebstahl, Datenvernichtung oder Sabotagevorbereitung (dies eher aber auf der elektronischen Seite: z.B. Viruseinschleusung*). Es ist daher durch technisches AlarmProtokoll und logische Abläufe sicherzustellen, dass ein einzelner MA n i c h t die praktische Möglichkeit hat, alleine ein separates, zusätzliches Sicherungsband (evt. sogar unverschlüsselt) oder sonstige Datenträger (CD-Rom, DVD) ab der Datenbank herzustellen. Oder physisch irgendwelche vollen Datenträger durch das Gebäude „trägt‚ und die Möglichkeit für Ihn (und unter gewissen Umständen auch Dritten) schafft, den Träger zu vernichten, auszutauschen, kopieren oder zu entwenden. Ein solches Gefahrpotential kann man stark vermindern, wenn man die Detail-Verantwortung für die Datensicherung, Datenverschlüsselung und hardwaremässigen Datenaufbewahrung auf mindestens zwei MA verteilt. Nicht eine Teilung im Sinne, dass der eine am Montag, der andere am Dienstag an der Reihe ist, oder der eine den Chef spielt und der andere sein Untergebener, oder einer als Aufpasser des anderen 469 auftritt, nein, eine Teilung im Sinne „erzwungener‚ gemeinschaftlicher Verantwortung. Konkret: 1. Hardwaremässig: Nur noch gemeinsam die die Back-Up-Bänder holen und versorgen. Auf Personalseite ist dies zwar zeitaufwendiger, aber für eine lückenlose Sicherheit notwendig. 2. Softwaremässig: Um alle Back-Up’s jeglichen Typus herzustellen, bzw. systemtechnisch in Auftrag zu geben, müssen zwingend mindestens zwei MA (mit eigener persönlicher Passworteingaben, nebeneinander oder hintereinander) dafür bevollmächtigt werden. Niemals soll dies von einem einzelnen MA möglich sein! (* = Das Einnisten von gefährlichen Viren, „Zeitbombe‚ durch einen Profi ist denkbar). Was das Gefahrenpotential der anderen MA (keine EDV-Mitarbeiter) betrifft, so kann – nebst meinen Ausführungen auf der vorhergegangen Seite – seitens der EDV einiges eliminiert oder zumindest verhindert werden. Solche „normalen‚ MA (SB, KB) haben ja Zugriff zumindest auf die ihnen zugeteilte Mandate. Querübergreifende Benutzrechte auf andere Mandats-Pools sollten konsequent nicht (mehr) erteilt werden; dies erhöht – für einen möglichen Täter - nur den Zugriff auf weitere sensible Daten. Mangels Kopiermöglichkeit auf CD-Rom oder DVD könnte ein Täter Hardcopies (ab System direkt via Drucker oder ab Original via Kopierer) von sensiblen Kundendaten(Mandate) herstellen und so entwenden. Um solchen Aktivitäten auf die Spur zu kommen, könnte man evt. softwareseitig für eine EDVListe ein so genanntes Drucker- und Kopiererprotokoll installieren. Darin soll - wenn möglich – nicht nur die Anzahl ausgedruckter/kopierter Seiten mit Angabe über Benutzername, Arbeitsstation, verwendeter Drucker (!)und Kopierer, Zugriffsort, Datum und Zeit festgehalten werden, sondern auch die Art des Dokumentes (wirtschaftlicher Berechtigter, Pass- oder Adressangaben, Finanz- oder Sorgfaltsplichtdaten u.s.w). Auf Grund eines vorher erstellten Check-Profils könnten dann rätselhafte Vorgänge (frühzeitig) erkannt und hinterfragt werden. Eine weitere Vorsichtsmassnahme könnte darin bestehen, dass man z.B. jene sensiblen Daten, die vom Arbeitsablauf her eigentlich nur einmal (beim ersten Mal) kopiert, gescannt und gespeichert werden müssen (z.B. Passkopien, Sorgfaltspflichtunterlagen) später eine Sperre erhalten und damit nicht mehr kopiert/gedruckt werden können. Diese drei 470 Vorschläge (Drucker- und Kopiererprotokoll, gesperrte DOC’s) sind nicht einfach umzusetzen, aber sich Gedanken darüber zu machen und einen Versuch dazu wagen sicherlich wert. C) Buchhaltung: Eine wahre Fundgrube ist dieses Departement. Unerlässlich für einen Täter, der nicht oder nur indirekt mit der EDV-Abteilung beruflich zu tun hat und es in erster Linie auf gespeicherte Daten abgesehen hat (ein Täter, der selber aus der EDV-Abteilung kommt, kennt die notwendigen Tools ja schon). Es mag einem Täter gelingen in den Besitz der „Hardware‚ (z.B. Back-Up Tapes, CD-Rom’s oder DVD’s) der Datenspeicherung zu gelangen oder an die „Hardware‚ (z.B. Serverraum) seines Sabotageobjekts heran zu kommen. Damit ist sein Ziel noch nicht erreicht: Ohne Kenntnis über die angewandte Software läuft nichts. Ich meine weniger die (nun neu) vorhandene Verschlüsselungssoftware (siehe dazu die Aufführungen im vorigen Abschnitt) sondern die verwendete allgemeine Betriebssoftware; insbesondere die Back-Up-Software. Es gibt Hundert, wenn nicht Tausende verschiedene Back-UpSoftwareanbieter und dazugehörige Varianten. Welche nun in der Firma verwendet wird, könnte ein Täter, der nicht damit in der EDV arbeitet, nie im Leben erraten. Aber, von irgendwo muss ja eine solche Software herkommen und irgendwann muss sie auch bezahlt worden sein. Diese und sehr viele andere nützliche Hinweise findet man in der Buchhaltung: Dort – oft in einem speziell ausgesonderten Ordner – sind Bestellungen, Lieferscheine, Rechnungen, Zahlungen, Garantieurkunden und manches mehr sauber abgeheftet. Mein Vorschlag deshalb: Alle Unterlagen für die EDV, die in der Buchhaltung aufbewahrt werden, sollten – so wie es mit den wichtigen Druckschriften, die in der EDV-Abteilung selber vorkommen, gehandhabt wird – ausdrücklich verschlossen und abgesichert verwahrt werden. Der Zugriff muss nachkontrollierbar geregelt werden. Die 50 % - Katastrophe Trotz aller Vorsichtsmassnahmen - nicht nur diejenige, die ich auf den vorgegangen Seiten beschrieben habe – wird es leider immer wieder einem Täter gelingen, sich beabsichtigt in eine für die Firma gefährliche Konstellation zu manövrieren. Der Täter besitzt 471 entweder sensible Daten (Originale oder Kopien, oder beides) oder hat die Möglichkeit zur Sabotage. Er (T-A oder T-B) hat nun das Potential zur Drohung, Nötigung oder gar Erpressung u.s.w.: die Daten wurden von ihm aber noch nicht „verraten‚, beziehungsweise die Sabotage hat er noch nicht durchgeführt. Somit ist die 50 %-Katastrophe eingetreten! (Die 100 %-Version davon wäre die vollzogene Preisgabe der Daten oder die Durchführung der Sabotage – der Typ T-C also). Auch hier wieder – ist meines Erachtens – das grundlegende Motiv des Täters für die nun kommende heikle Periode der Auseinandersetzungen beherrschend. Die Firma ist im Prinzip mit zwei Übeln konfrontiert: ein Kleineres und ein massiv Grösseres. Der T-A wird seine Geldforderung so berechnet haben, dass es eine kräftig kleinere Summe ist, als der finanzielle Schaden (andere Nachteile noch gar nicht mitberücksichtigt), die der Firma entstehen würde, wenn die Daten verraten oder die Sabotage gelingt - eben das kleinere Übel. Der T-B, sofern er nicht absurde, unmöglich zu erfüllende Ansprüche stellt (z.B. Absetzung eines Politikers, Verurteilung, Verhaftung einer Person u.s.w.), nimmt an, dass die Ausführung seiner Bedingungen - die dennoch eine Mischung aus grosser Not und manchmal wilder Forderungen sein kann - im viel kleinerem Verhältnis zum möglichen gigantischen Schaden (aller Art) stehen, dem grösseren Übel. Beide Tätertypen haben sich bei der Planung und Vorbereitung hauptsächlich auf die für sie optimistische Annahmen – wie die Gegenseite reagieren wird gestützt. Ein Fehler der oft auch Ideologen häufig unterläuft. Aus eigener Erfahrung kann ich nur dringend empfehlen, grundsätzlich den Behauptungen des Täters – er würde dies oder jenes aus der Firma besitzen – unbedingt glauben zu schenken. Und dies trotzt der immer vorkommenden Bedenken und Einwände verschiedenster Stellen und Personen in der Firma. Natürlich empfinden die involvierten Firmenabteilungen die „Blossstellung‚ als Angriff und wehren sich nicht nur reflexartig dagegen, sondern lassen sich oft auch zu sachlich falsche Äusserungen hinreissen, die wiederum Grundlage folgenschwere, falsche Entscheidungen seitens der Firma oder Behörden sein können. Das kostet Zeit und kann den Täter, der bereits hoch nervös sein wird, zu bedrohlichen (Trotz472 )Reaktionen verleiten. Falls der Täter nicht schon beim ersten Kontakt (z.B. Schreiben) den Beweis seiner Behauptung in Bezug auf die Daten oder Sabotagemöglichkeit durch Beilegen einer Kopie oder ähnlich erbracht hat, so ist es ein Einfaches, ihn dazu zu bewegen. Da der Täter ja die Erfüllung seiner Forderungen als Ziel hat, wird er ohne zu klagen der Aufforderung nachkommen. Um keine Zeit zu verlieren und das Risiko zu vermindern, dass bei einer solchen Beweis-Periode durch ein Missgeschick Daten in noch gefährlichere Hände gelangen - sollte ein Täter behaupten, dass er alle Daten besitze - so kann die Gegenseite, wenn sie den Kern der Behauptung des Täters rein technisch oder individuell minimal für möglich hält, ihn bitten, als Beweis einige speziell ausgesuchte Mandate oder Kontoauszüge in geeigneter Form vorzulegen. Die geforderte kleine Auswahl sollte dann eine Mischung aus sehr wichtigen Mandaten (z.B. VIP, PEP) und eher unbedeutenden (z.B. kleine Kunden, unwichtige Daten) sein. Bringt er den gewünschten Beweis, so kann man unanfechtbar davon ausgehen, dass er a l l e Daten, so wie er es schilderte, besitzt. Die betroffene Firma muss sich wohl zuerst – mit oder ohne Involvierung der Behörden – im Klaren sein, was verhandelbar ist und wo sie hart bleiben will. Aus den Drohbriefen oder –anrufen und dem aktuellen Verhalten des Täters lassen sich immer Rückschlüsse ziehen. Die Gegenseite (Firma/Behörden) muss – wenn nötig mit Hilfe von externen Spezialisten - das Bewusstmachen und die Nachvollziehbarkeit der Gedankenprozesse des Täters für sich sichtbar und nutzbar machen. Auch empfehle ich – falls der Täter selber keine Person bestimmt hat und der persönliche Kontakt vom ihm erwünscht wird – aus psychologischen Überlegungen für einen Verhandlungsführer n i c h t dafür in Frage kommende ehemalige MA des Täter oder gar seinen Chef zu delegieren. Eine „Konfrontation‚ zwischen Täter und solchen Personen wäre zu stark gefühlsbetont und vorbelastet. Zudem sind solche Verhandlungsführer oft der emotionalen Versuchung erlegen, dem Täter die Sache „hölzern‚ auszureden. Eine parteilose, externe Person ist dafür viel, viel besser geeignet. Eine, die bereit ist, über alles mit sich reden zu lassen, zur Not auch über „fremde‚ Themen. In der Anfangsphase ist es auch Vorteilhaft: Nichts zusagen! Nichts ausschliessen! Wenn in der echten 473 beiderseitigen Kommunikation (mittels welchem Medium auch immer) in der Folge aber festgestellt wird, dass dem Täter – aus welchen Gründen auch immer - der gewählte Verhandlungsführer (nun) n i c h t (mehr) passt, so rate ich dringend, trotz allfälliger Einwände von behördlicher oder anderer Seite diesen auszutauschen. Auch wenn es schwer fällt. Der Täter ist am Drücker. Jede Provokation muss absolut vermieden werden. Hat man sich auf eine S p r a c h r e g e l u n g (!) geeinigt, so ist eine ununterbrochene K O M M U N I K A T I O N mit dem Täter sehr, sehr wichtig. Egal was die Firma für Strategien verfolgen will oder wird. Nichts ist gefährlicher als mit dem Täter die Verbindung abzubrechen, nur weil eine Seite (meistens die betroffene Firma mit/ohne Behörden) es beim Betrachten der nun vorliegenden Probleme belassen will, um eine Radikal-Lösungs-Phase einzuläuten, weil man nicht an deren (mit dem Täter gemeinsamen) Lösbarkeit glaubt / glaubte. Ein - zur falschen Zeit - fatalen Beschluss zum Abbruch (und z.B. Haftbefehl) ist schnell gefällt; insbesondere dann, wenn Entscheide auf Grund fehlender Mehrheiten, betonierter Gruppeninteressen und dem Würgegriff der eigenen Bürokraten gefällt wurden. Die blosse Inszenierung staatlicher Tatkraft bringt nichts. Die Verhaftung eines Täters – sollte er nicht aufgeben – muss als allerletztes Mittel in Erwägung gezogen werden. Und auch nur dann, wenn sichergestellt ist, dass zu 99,9 % die 100 %-Katastrophe nicht eintreten kann. Da es zu 100 % ja sowie nie ganz ausgeschlossen werden kann! Den Täter physisch „privat‚ zu fassen oder behördlich fassen zu lassen ist heute mit kriminaltechnischen Mitteln relativ einfach. Eine dritte Gefahr – wie in meinem Fall – besteht darin, wenn durch die Firma oder von staatlicher Seite eine Kettenreaktion ausgelöst wird, die nicht mehr gestoppt werden kann und beide Seiten dadurch die Kontrolle über den Verlauf der Dinge verlieren könnten und am Ende - obwohl von keinem Teil gewollt - auf einmal die wirklichkeitsnahe Chance (folglich auch ohne zutun des Täters) einer 100 %-Katastrophe real besteht und alles noch schwieriger macht. Man bedenke daher, dass nicht jeder (ich habe auch nur Teile davon in meinem „Schreiben‚ geschildert) preisgibt, was für Vorkehrungen man zum Eigenund Datenschutz getroffen hat, falls die Gegenseite eine Falle 474 oder ähnlichem ausbrütet Wenn ein Täter nichts dergleichen vermerkt, heisst dies im Übrigen noch lange nicht, dass er auch keine Massnahmen getroffen hat. Also keine Strategie fördern, wo als Nebeneffekt (!) im Endresultat die 100 %-Katastrophe eintritt. Sicherlich braucht es eine gewisse „Irreführung‚ des Täters durch die Gegenseite; Oft missbraucht man aber dafür das Gebiet des „vertrauen schaffen‚. Vorsicht! Vertrauen ist eine künstliche Angelegenheit und wird bei Verhandlungen (von beiden Seiten!) oft mit Hoffnung verwechselt. Das erste Opfer der Hoffnung ist immer die Realität. Ausser Acht lassen darf man auch nicht die Tatsache, dass – wie sein Gegenüber – der Täter, abhängig von und fundiert durch seine Gelehrtheit, sicher nicht mit all seinem Wissen „raus rückt‚. 1. Publiziertes Verhaltensmuster (z.B. Zielfahndung, Abhören der Telefonate, Standorterkennung durch IP-Feststellung des E-Mail-Versand) oder 2. juristische Feinheiten (u.a. Unterschied ob er persönlich oder anonym, z.B. per Post oder Hauseinwurf, die Daten an Drittstaatendienststellen übergibt) ist/sind dem aufmerksamen Täter zugänglich und daher wird er es zu vertuschen, zu vermeiden und/oder richtig umzusetzen versuchen. Auf Grund der soliden verfügbaren Ressourcen der Gegenseite ist er zwar immer auf der Verliererseite, aber bei solchen Verbrechen kann das Ziel „der Guten Seite‚ nicht sein, den Täter psychisch und physisch zu erledigen. Wenn ein handlungsfähiges Krisenmanagement den gesamten Prozess unter diesen Gesichtspunkten steuert – dann, wenn auch nicht unbedingt für den Täter selber – ist die Gute Seite am Ende viel eher auf der Gewinnerseite. Des Weiteren muss eine mediale Öffentlichkeit um jeden Preis verhindert werden. Speziell zu den einzelnen Tätertypen kann ich dazu festhalten: Der T-A ist eher weniger freiwillig zu Kommunikation gewillt. Er will seine Forderung schnell und ohne grosses „Blablabla‚ erfüllt sehen. Ihm ist ein rascher Erfolg wichtig. Darin liegt auch folgende Gefahr: wie ich zu diesem Typ im eigenen Kapitel erwähnt habe, sind –rein theoretisch – schon bei der Vorbereitung und dann Forderung Komplizen möglich. Auch wenn der Haupttäter (ehem. MA) die Existenz solcher Helfershelfer unter Umständen gar nie offen legt. (Durch gezielte, distinguierte Neugierde, kann im Übrigen herausgefunden werden, ob der Täter Gehilfen hat oder nicht. 475 Oder er selber nur Gehilfe ist!). Gefährlicher wird es, wenn sich der Täter durch falsche, überhetzte Aktionen der Gegenseite bedrängt fühlt und sich neue, vorher fremde „Helfer‚ sucht, die er zu neuen „Partner“ macht oder machen muss(!). Dann hat auch die Gegenseite eine komplett veränderte Situation, die noch schwerfälliger als vorher zu lösen sein wird. Eine solche Konstellation ist daher unbedingt zu vermeiden! Bei diesem Tätertypen gibt es sicherlich solche Stimmen, die sagen, man soll auf die Geldforderung eingehen und zahlen. Ich wurde auch gefragt, ob ich, rein hypothetisch – obwohl kein T-A - im Rollentausch als Firma bezahlen würde. Dies ist eine schwierige, ja fast philosophische Frage. Dies kann nur eine betroffene Firma alleine entscheiden. Die Gesetzeshüter werden schreien: NEIN. Wenn die Drohung aber so massiv ist und keine gütliche- eine andere gibt es mit diesem Typ praktisch nicht – Lösung (eine Verhaftung ist keine Lösung sondern nur ein „Zwischenstopp‚) in absehbarer Zeit möglich ist, dann – so vermute ich – ist es aus Sicht der Firma sogar besser, dem Täter (vorerst) sein offensichtliches erstrebtes „Glücksgefühl‚ zu erfüllen; anstatt die 100 %-Katastrophe einschlagen zu lassen und danach schlussendlich erfolglos das ultimative, beispiellose Desaster zu reparieren versuchen. Beim T-B steigen die Siegeschancen für die Firma enorm, wenn sie sich auf einen Konsenskurs begibt. Auch wenn im ersten, aufgeheizten Zeitabschnitt jede Seite massiv für sich das Recht reklamiert. Der T-B sucht eigentlich Anerkennung für sein Anliegen, will verstanden werden. Je nach dem, wie viel er – aus seiner Sicht - in der Vergangenheit chronisch zu hart ran genommen worden war, wird er mehr oder weniger die Regung verspüren, kürzer oder länger mit sich Verhandeln zu lassen. Wesentlich ist aber, dass er Verhandeln will und wird. Interessanter Weise kann die Gegenseite bei diesem Täter-Typ meistens die Erfahrung machen, dass je mehr Zeit verstreicht, umso überwiegender er den Datenbesitz als Last empfindet. Der Grund dafür liegt in der komplizierten Struktur einer Mischung von Loyalität, seines Sukkurses und seiner - wenn auch wechselhaften – Ausrichtung auf die gedankliche Durchdringung der Wirklichkeit. Der Etappen-Weg bis zu einer gemeinsamen akzeptablen Lösung kann sehr steinig und sehr zeitaufwendig sein. Ich bin sicher, dass dort, wo es in der Vergangenheit (in 476 einer zivilisierten Welt) mit dem Tätertyp T-B zu einem derartigen förderlichen Ergebnis gekommenen ist und diese Resultate öffentlich gemacht worden wären, man feststellen hätte können, dass die jeweils gefundene Lösung aus rein juristischer Sicht nicht ganz lupenrein war. Im Sinne einer ausreichenden Schadensbegrenzung ist dieser Umstand leider nicht vermeidbar. Es kann sein, dass auch dieser Täter-Typ Forderungen materieller Form stellt. Oft sind es „Schadensersatzforderungen‚, resultierend – so wie er schildert – aus ihm gegenüber begangener Rechtswidrigkeit. Es besteht aber ein gewaltiger Unterschied zu einer finanziellen Forderung von seitens eines TA: Der T-A hat keinen Schaden erlitten und will sich – schlicht gesagt – einfach bereichern und der Anspruch entbehrt daher jeder Basis. Beim T-B ist die Grundlage seiner Forderung irgendwo in der Vergangenheit schon dokumentiert und er hat also einen finanziellen Schaden nachprüfbar faktisch erlitten (unabhängig der rechtlichen Sichtweise). Soll nun der denkbare Anspruch geldmässig befriedigt werden? Wenn ja , von wem ? Der Firma ? Der Staat ? Den wahren Schuldnern ? Diese Fragen kann ich aus meiner Sicht nicht beantworten kann. Schlusswort Abschliessend möchte ich festhalten, dass folgender Spruch „Die wirkliche Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit‚ für beide Seiten gilt. Es dürfen keine Mittel gespart und keine Methoden ausgelassen werden um zu einer gemeinsamen Lösung zu finden, die in der Substanz von allen Betroffenen getragen werden kann. Nie, nie einem T-B verlockende, verführende Versprechungen machen, die bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch für alle. Eine weitsichtige Firma wird sogar „ihren‚ Täter, egal ob T-A oder T-B, egal ob er in Haft oder in Freiheit lebt, nach dem gesetzlichem Finale der Prozedur ausserdem ein Stück weit in seinem Leben begleiten um somit ihre ausserordentliche Sozialkompetenz wirklich zu leben. E N D E der Denkschrift 477 Hans-Adam schickte mir am 21.10.03 einen Brief und bedankte sich ausdrücklich für meine Arbeit. Er habe dem Professor und dem Bankdirektor eine Kopie zukommen lassen. Jetzt, wo ich meine Arbeit für mein Buch nochmals durchgelesen habe, war ich über die Aktualität und das fast genaue Eintreffen diverser Schlussfolgerungen verblüfft. Insbesondere wenn man die paar Zeilen meines Schlusswortes liesst. Grausig! Ich konnte ja unmöglich wissen, was sich in den Jahren nach dem Oktober 2003 abspielen würde. Lampert, ein T-A, wurde mit Hilfe seines Komplizen Michael F. (aus Deutschland) zum T-C. Die 100-prozentige Katastrophe für die LLB wurde Wirklichkeit. Gegen Ende 2003 wurde ich informiert, dass man mit Hilfe meiner Denkschrift versucht hätte, an den Lampert heranzukommen. Rückblickend denke ich, dass Hans-Adam in Wahrheit keine Zeile von meiner Arbeit gelesen hat. Vermutlich fand seine Kopie denselben Weg wie mein 3-D-Kerker-Modell: ab in den Müll. 478 KAPITEL 23 Überraschung! Überraschung! Verhandlung vor dem Kriminalgericht Vaduz am 21.10.2003: Der D-Day war gekommen. Der Desaster-Tag. Um 08.00 Uhr wartete ich auf dem Vorplatz des LG auf RA Müller und den Bankdirektor. Der Professor entschuldigte seine Abwesenheit ein paar Tage vorher in einem Anruf an mich. Später wurde mir klar, dass seine Abwesenheit auch einer der Hinweise war, dass er nicht zum Kreis der vollständig Eingeweihten gehörte. Sonst wäre er nämlich hier gewesen, um mir zu helfen. Denn noch bevor die Kirchenglocken 12 Uhr Mittag schlagen würden, hätte ich dringend einen Psychologen gebraucht. Die Verhandlung fand im „Ballsaal‚ des Gerichts statt, dem grössten Verhandlungszimmer. Als würde man eine Horde Zuschauer erwarten. Meine Seite wartete unten im Keller, im Raum mit dem Kaffee- und Getränkeautomaten fürs Gerichtspersonal. Als wir dann hoch in den Gang mit den Verhandlungszimmern gingen, erblickte ich zwei Landespolizisten, uniformiert und bewaffnet. Und als ich dann sah, dass sie in den Saal 1 hineinmarschierten, wusste ich sofort, dass die für mich waren. Da stimmt etwas nicht, sagte ich zum Bankdirektor. Er war auch erstaunt darüber, dass die Polizei anwesend war. RA Müller war so freundlich und fragte bei einem der Polizisten nach. Die Antwort beunruhigte mich sehr. Die STA hätte die Polizei beantragt. Ich wurde kreidebleich. Die wollen mich nach der Verhandlung verhaften, zitterte ich. Ich wurde reingelegt, schrie ich. Nein, sagten meine beiden Begleiter. Das ich bisher nicht verhaftet wurde, war ja klar, erkannte ich. Das Freie Geleit bewahrte mich davon. Doch es gab einen kleinen, aber gefährlichen Unterschied: Es stand nämlich geschrieben, dass ich bis zur Urteilsfällung, nicht bis zur Rechtsgültigkeit eines Erstinstanzlichen Urteils auf freiem Fuss bleiben könnte. Ich war mir nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee war, nach Hause zu kommen. Ich kämpfte mit mir selber und sagte meinen Begleitern, dass ich nicht in den Saal gehen würde. Es bedurfte angestrengter Überredungskunst um mich davon abzubringen. Der Bankdirektor, der mir natürlich viel näher stand als der RA, fürchtete um den grossen Plan, den sie ausgekocht hatten. Er wollte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, sollte ich nicht in den Saal gehen. Die Bullen würden mich dann vielleicht mit Gewalt 479 vorführen. Ein Unheil wäre dies, jammerte er. War mir alles wurscht. RA Müller, der Technokrat unter uns, wiederholte zum 1000. Mal, dass ihm Hans-Adam höchstpersönlich mehrfach gesagt hätte, dass mir nichts passieren würde. RA Müller begründete seine Gewissheit damit, dass wenn man dem Wort von Hans-Adams keinen Glauben mehr schenken kann, man niemandem glauben kann. Dies leuchtete mir ein. Auf dem Weg zum Saal 1 kreuzte sich mein Weg mit dem von STA Haun. Es war sehr lange her, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Er blickte mich nicht an und schaute ostentativ auf den Boden. Pünktlich um 08.30 Uhr waren alle im Saal. Ich in der Mitte, vor mir die fünf Richter. Auf einer Seite der STA Haun, auf der Anderen RA Müller. Hinter mir in der ersten Sitzreihe sass der Bankdirektor und ganz hinten links sass Dr. Robert Wallner. Ansonsten war niemand anwesend. Als meine Vertrauensperson wurde der Bankdirektor von Hans-Adam abdelegiert, wogegen die STA nichts einzuwenden hatte. Ein Wunder, ein Wunder, dachte ich mir im Stillen. Die STA hat mal nichts dagegen. Nach den Angaben zu meiner Person wurde gleich der Ausschluss der Öffentlichkeit beantragt. Zur Sicherheit des Landes. Dies wurde vom Gericht einstimmig befürwortet. Ich sass auf dem Angeklagtenstuhl und hatte meinen Zettel in der Hand. Ich brachte keine Akten mit. Auch RA Müllers Tasche war nicht so schwer beladen, wie sie bei einem Verteidiger eines solchen fetten Prozesses hätte sein müssen. Aber eben, die Rolle von Müller war nicht die eines Verteidigers. Er war mehr ein juristischer Vermittler zwischen Hans-Adam, der LGT als seine Brötchengeber und meiner Wenigkeit. Nach Verlesung der Anklage wurde ich aufgefordert, dazu etwas zu sagen. Ich stand auf und las den Zettel Wort für Wort runter. Nachdem ich damit fertig war, drehte ich mich zum Bankdirektor und dem RA. Beide nickten schwach mit dem Kopf. Ein gutes Zeichen, dachte ich. Dann passierte etwas, was niemand erwartet hatte. RA Müller sagte mir nachher, dass er auch völlig irritiert gewesen wäre. Als ich mich wieder umgedreht hatte, starrte mich der vorsitzende Richter an und flüsterte etwas zum Beisitzer. Er bat mich, den Zettel nach vorne zu bringen. Er fragte, ob ich unter Instruktionen seitens der LGT handeln würde. Ich bat um Entschuldigung und erwiderte nur, dass ich gerade gesagt hätte, dass ich keine weiteren Fragen beantworten kann. Dem Richter gefiel meine Antwort gar nicht. Er stand auf und 480 zusammen mit einem Beisitzer verschwand er für ein paar Minuten mit meinem Zettel in das kleine Beratungszimmer neben dem Saal. Ich setzte mich wieder und konnte nicht mehr tun als warten. Als sie zurückkamen, sagte der Vorsitzende etwas in Richtung abgekartetes Spiel oder ähnlich. Er sprach so undeutlich und leise, dass ich ihn nicht verstehen konnte. Müller hatte auch keine besseren Ohren als ich und der Bankdirektor war noch weiter weg. Da weiters nichts Negatives geschah, kam ich zum Schluss, dass der Richter nichts Unwürdiges oder gar Unzulässiges gemeint haben musste. Dann stellt RA Müller eine Frage, die wir vorher abgesprochen hatten. Das Thema war der Zeitpunkt meines Entschlusses, ins Ausland zu gehen, um möglicherweise die Daten zu verraten. Es folgte praktisch dieselbe Frage von Haun. Das war’s? Ich war überrascht, wie Haun sich zurückgehalten hatte. Ich hätte eher gedacht, dass der wie ein Kannibale loslegt. Offenbar war dem Gericht alles so klar, dass sogar auf ein Vorlesen der Beweise gegen mich verzichtet wurde. Die STA verlangte einen Schuldspruch im Sinne der zusammengelegten Anklageschriften und eine schuld- und tatenbemessene Bestrafung. Mein RA verlangte einen Schuldspruch zum Teil 1) und Freispruch zum Teil 2). Bezüglich einer Bestrafung beantragte mein RA ein gerechtes und vor allem gnädiges Urteil. Ich durfte auch noch sagen, dass ich mich den Worten des RA anschliessen würde und um ein mildes Urteil bitten würde. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Die dauerte von 10:15 Uhr bis 11:30 Uhr. Für die Dauer der Urteilsfindung verliessen wir drei den Saal und begaben uns wieder in den Keller zum Pausenraum. Vorher grüsste mich Dr. Wallner und gratulierte mir zu meinem Mut (nach Hause zurückzukehren). Ich bedankte mich bei ihm dafür, den Haun an kurzer Leine gehalten zu haben. Auch bedankte ich mich nochmals zum Voraus für seine Mühe, das kommende Urteil in Spanien anerkennen zu lassen. Die Polizisten waren auch nicht mehr zu sehen. Mit Haun sprach ich kein Wort. Um 11.25 Uhr wurden wir wieder in den Saal gerufen. RA Müller wunderte sich schon, warum das Gericht über eine Stunde für die Beratung brauchte. Je länger er dauerte, desto nervöser wurden der Bankdirektor und auch ich. Die Polizisten waren wieder da. Einer stand 481 draussen vor der Saaltüre, der andere drinnen. Schlechtes Zeichen, dachte ich. Zur Urteilsverkündung standen wir alle auf. Gemäss Protokoll, bestehend aus einem Deckblatt und fünf Seiten, wurde das Urteil einstimmig gefällt. Anm.: Dass ich hier in meinem Buch aus dem an und für sich geheimen, versiegelten Beratungsprotokoll zitieren kann, liegt daran, dass ich das Original habe. Wie viele der anderen Unterlagen, aus denen ich für mein Buch in Hülle und Fülle zitieren und berichten kann, wurde mir dieses Protokoll später von dritter Seite anonym zugesteckt. Logischerweise konnte ich 2003 nicht wissen oder erahnen, dass ich Jahre später ein Buch schreiben würde. Aber wegwerfen wollte ich die immer grösser werdende Sammlung auch nicht. Sie waren und sind es immer noch: Ein Teil meines Lebens. Ein Blick heute in die verschiedenen Gerichtsakten würde bestätigen, dass verschiedenen Originalprotokolle nicht mehr vorhanden sind. Wer das Material entnommen hatte, weiss ich nicht und selbst wenn ich es könnte, wollte ich es nicht herausfinden. Der etwas brummig dreinschauende vorsitzende Richter verkündete im Namen von Fürst und Volk das Urteil: „Heinrich Kieber wäre des Verbrechens des schweren Betrugs ( Anm.: „schweren“ wegen der Höhe der Kaufsumme für die Wohnung in Barcelona) nach den § 146, 147 Abs 2 StGB, des Verbrechens der Gewalt und gefährlichen Drohung gegen den Landesfürsten nach § 249, dem Vergehen der versuchten Nötigung nach den § 15, 105 Abs 1, dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 und dem Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 schuldig zu sprechen. Für das Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands nach § 124 Abs 1 StGB, und zum Vergehen der Datenbeschädigung nach § 126 a Abs 1, wäre er freizusprechen. Als Bestrafung, wäge man die Straferschwerungs- und Strafmilderungsgründe gegeneinander ab, erscheine eine Freiheitsstrafe von vier Jahren ausreichend aber auch angemessen zu sein. Bei der Strafbemessung konnte zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er unbescholten war (Anm.: keine Vorstrafen hatte), dass das Vermögensdelikt zum Teil 1 schon vor langer Zeit begangen wurde, dass der Schaden aus diesem Vermögensdelikt 482 gutgemacht ist (Anm.: Helmut Roegele konnte ja das Geld in Österreich abkassieren), und dass er seine Drohungen nicht verwirklichte, sondern sich letztlich reuig zeigte und die Daten vernichtete bzw. zurückgab. Als erschwerend war das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen zu beurteilen. Die Prozesskosten von CFH 30'000.- werden dem Angeklagten auferlegt‚. Ich war auf alles vorbereitet. Nur auf das nicht. Was für ein Schock. Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben. Ich muss in einem Horrorfilm gelandet sein. V-I-E-R Jahre? Vier Jahre? Vier! Und nichts auf Bewährung ausgesetzt. Das würde bedeuten, dass ich mindestens für 32 Monate, also Zwei 2/3 Drittel Jahre ins Gefängnis musste. In Liechtenstein war es Gesetz, dass man bei guter Führung nur zwei Drittel der Strafe absitzen muss. Mir wurde kotzübel. Ich drehte mich um zum RA. Dieser flüsterte etwas von meiner Dankbarkeit. Jetzt noch, fragte ich ihn und er nickte hef