Der Dieb. Die Daten.

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Der Dieb. Die Daten.
Der Fürst.
Der Dieb.
Die Daten.
TATSACHENBERICHT
von HEINRICH KIEBER
1
INHALT
Seite
Vorwort
4
Urheberrechte / Hinweis / Erklärung / Abkürzungen
6
Kapitel:
K1
1997 – ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS
9
K2
Zimmer unter den Alten
97
K3
Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld
101
K4
Ein Kübel voll Schweineblut
124
K5
Die Welt des schmutzigen Geldes
133
K6
Heiligsprechung unter Vollnarkose
152
K7
Dicke Post für Hans-Adam
167
K8
Wenn Herr KIEBER eine Reise tut
196
K9
Chaos-Tage ohne Ende
252
K10 Heinrich! Mir graut's vor Dir!
274
K11 Die Polizei – Dein Freund & Helfer !
284
K12 Holländischer Käse
296
K13 Ein Essen für Sechs Euros
318
K14 Weisswein und Rotes Blut
323
K15 Heinrich's Tod in Utrecht
335
K16 Vier mal 9 mm
370
K17 Explosives Gutachten und Freies Geleit
384
K18 Ach wie gut das niemand weiss....
388
K19 Dickes Kissen und dünne Aktenmappe
398
K20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam
408
K21 Blutspur auf dem Rheindamm
425
K22 Es muss sich was ändern, damit...
452
K23 Überraschung! Überraschung!
479
2
K24 Führt die Todesstrafe wieder ein
501
K25 Der Feind hört mit
505
K26 Gnade im Sonderangebot
524
K27 Blaue Flecken und Herzinfarktsymptome
543
K28 Listen, Listen - wer hat noch keine?
553
K29 Zürcher Geschnetzeltes
571
K30 Afrikanische Hitze
592
K31 D A V I D
601
K32 My BIG Brother is watching YOU!
613
K33 Skandal! Skandal! Wirklich, der Skandal?
620
K34 Handbuch! Handbuch! Wer will noch eins?
623
K35 Gib mir Deine Kohle!
630
K36 Letzter Akt! Vorhang auf für .....
636
EPILOG
647
INTERNETLISTE
650
3
Vorwort
Geschätzte Leserin,
Geschätzter Leser
Was haben wir in den vergangenen Monaten nicht alles über den
„grössten Steuerskandal Deutschlands - die Liechtenstein-Affäre - die
grösste Sensation 2008‚ weltweit lesen können. Jede und jeder hatte
dazu etwas zu sagen. Die Steuerfahndung, der BND, Finanzminister
Peer Steinbrück, Kanzlerin Angela Merkel, Parteien von rechts bis links,
diverse sonstige Behörden, die Medien, ja selbst ein Bischof und
natürlich Fürst Hans-Adam und sein Clan, plus seine Regierung in
Liechtenstein und die LGT Banken- und Treuhandgruppe.
Pünktlich zum Karneval 2008 brach eine weltweite FasnachtsSchnitzeljagd nach tausenden Steuersündern aus. Völlig zu Recht, wie
auch die solide Mehrheit meint.
Zu einer anderen Hetze, ganz nach seinem Geschmack hat Hans-Adam
schnell geblasen: die auf den Dieb, den Bankdaten-Terroristen, wie die
hohen Finanz-Herren aus Vaduz ihn nun nannten.
Der Dieb, ja der war ich.
Der kleine Tropfen Öl, na ja, vielleicht waren es doch ein paar Gallonen,
die ich in das nur scheinbar lupenreine Trinkwasser des
Fürstenhaushaltes sowie der Liechtensteiner Regierung geworfen hatte,
hat unglaubliche Wellen geschlagen. Für viele Menschen ist es schon
erstaunlich, ja geradezu faszinierend beobachten zu können, mit welcher
multimedialer Kraftanstrengung Hans-Adam und seine MarionettenRegierung geradezu paranoid und krankhaft ständig damit beschäftigt
sind, die Weltöffentlichkeit und insbesondere auch das eigene Volk zu
täuschen, bzw. einer fortdauernden Gehirnwäsche zu unterziehen. Beim
Volk den Hasspegel auf mich ja extrem hoch zu halten. Damit der Fokus
immer schön auf den ‚bösen, bösen‚ Kieber bleibt. Und niemand
wirklich einmal richtig der Sache auf den Grund geht und in Frage stellt.
ERSTENS über die Art und Weise wie die Hohen-Finanz-Herren in
Liechtenstein ihre oft schmutzigen Bank/Treuhand-Geschäfte tätigen,
bzw. ausgeführt hatten.
4
Und ZWEITENS über die Wahren Gründe seitens des Datendiebs und
die Wahren (illegalen und durchaus kriminellen) Handlungen von
Hans-Adam und seiner Regierung in der ganzen Angelegenheit
‚der Fürst- der Kieber-die Daten‚ .
Zu dem was in den verschiedenen Medien berichtet wurde, kann ich nur
in ganz, ganz wenigen Fällen meine Zustimmung geben. Über vieles
habe ich bloss den Kopf schütteln können. Oft musste ich auch
schmunzeln, denn ganz ohne Humor lässt sich dieses eher traurige
Multi-Akt-Drama nicht durchstehen. Ein paar Seiten in einer Zeitung
oder ein TV-Interview reichen einfach nicht aus, um die wahren
Hintergründe, die zu dieser einmaligen Sensation führten, aufzuzeigen.
Knallharte Hintergründe, deren Veröffentlichung Hans-Adam und seine
Vasallen unbedingt verhindern wollen.
In diesem Buch, meinem Buch, gebe ich euch einen sehr tiefen und
detaillierten Einblick in die Umstände, wie es geschehen konnte, dass
das was 1997 mit meiner Folter tief im südamerikanischen Kontinent
begonnen hatte, elf Jahre später mit der öffentlichen Zündung der
deutschen Datenbombe endete. Wie es soweit kommen konnte, dass z.B.
Leute wie Klaus Zumwinkel live im Frühstücksfernsehen abgeführt
wurden. Es ist eine bewegende Geschichte, bitter für alle Seiten,
obendrein oft peinlich. Ich kann enthüllen wie Hans-Adam seine
heiligste aller heiligen Kühe, die LGT Gruppe, krampfhaft schützte und
seinen mittelalterlichen Herrschaftsanspruch verteidigte. Wie er sein
Geld, seine Macht und Position als Staatsoberhaupt missbrauchte, um
mit Hilfe der Marionetten-Regierung in Vaduz die Veröffentlichung der
Daten zu verhindern und sie alle nicht davor zurückschreckten, dafür
Methoden anzuwenden, die meilenweit entfernt von Gut und Böse
waren. Natürlich kriege auch ich mein Fett im Buch ab. Ehrenwerte
Personen gibt es in dieser Geschichte wenige.
Ich bin zuversichtlich, dass jeder von euch am Ende des Buchs ein
eigenes, komplettes Bild über diesen Skandal machen kann.
Nun denn, ich wünsche euch reichlich Lesevergnügen.
Vielen Dank
Heinrich Kieber
Washington, D.C.
Valentinstag, 15.Februar 2009
PS Am Ende des Buches findet ihr eine Liste mit interessanten Internetwebseiten.
5
Urheberrechte/ Hinweis / Erklärung / Abkürzungen
Urheberrechte
© Heinrich Kieber 2009
Alle möglichen Rechte (Copyright) zu diesem Buch und den Fotos /
Zeichnungen liegen ausschliesslich bei Heinrich KIEBER. Das Buch
darf nur für den PRIVATEN Gebrauch verwendet werden.
Ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung vom Rechteinhaber
darf für KOMMERZIELLE Zwecke aus diesem Buch nichts kopiert,
weitergegeben, veröffentlicht, zitiert oder anderweitig verwendet
werden.
Hinweis
Für dieses Buch habe ich so oft wie möglich Originaltexte verwendet.
Alle Originaltexte haben als Unterscheidung zur restlichen Niederschrift
links und rechts einen b r e i t e r e n Seitenrand, sind
also als Textblock beidseitig nach innen verschoben.
Kurze Originalzitate haben jeweils am Anfang das Zeichen OZA- und
am Ende das Zeichen -OZE.
Bei dem in Buch genannten BANKDIREKTOR handelt es sich um Herrn
Dr. Pius Schlachter der LGT Bank.
Bei dem in Buch genannten PROFESSOR handelt es sich um den
Kriminalpsychologen Herrn Dr. Thomas MUELLER.
Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr oft kurze
Anmerkungen. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer mit
„ Anm.: “ an.
An wenigen Stellen musste ich – von Dritten angeordnet - aus
rechtlichen Gründen und in einigen Fällen aus Sicherheitsüberlegungen
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diverse Originalnamen und/oder Originalindizien abkürzen oder ganz
umbenennen.
Auch musste ich Textstellen ganz oder teilweise weglassen, was dann
mit dem Zeichen ‚OT Entfernt‚ gekennzeichnet ist. Alle erwähnten
Plätze, Städte, Länder, Sachdetails und Zeitangaben entsprechen den
wahren Örtlichkeiten oder Gegebenheiten.
In meiner nächsten, kommenden Veröfftenlichung werde ich eine
unzensierte Version frei vorlegen können.
Erklärung zu Zeichnungen, Fotos und dem Diagramm
Die drei Bleistiftzeichnung im Buch sind Originalabdrucke von
Handzeichnungen, die ich im September 1997 für das Landgericht
Vaduz habe anfertigen lassen. Alle Fotos in diesem Buch (Ausnahme
Titelseite) sind Originalabzüge von den Fotos die ich im Dezember 1997
(Kette und ich) oder Februar 1998 (Turmnachbau) für das Gericht habe
herstellen lassen. Die abgebildete Person auf den Fotos bin ich selber.
Alle Fotos wurden von meinem Vater Alfons erstellt. Wie tief die
Wunden (zwei runde Verbrennungspunkte und horizontale
Schürfwunde) waren, kann man auf einigen Fotos noch sehr gut sehen,
obwohl die Wunden damals schon neun Monate alt waren und auch
medizinisch behandelt wurden. Das Drei-Seiten-Diagramm wurde an
Ostern 1998 von mir für das Gericht angefertigt. Der Originaltitel:
"Psychogramm vom Opfer - Grafik über den Psychoterror und die
seelische Grausamkeit während der Gefangenschaft".
Abkürzungen (in alphabetischer Reihenfolge)
AVOR
= Arbeitsvorbereitung (fürs Scannen von
Treuhanddokumente)
BAK
= Belegartenkatalog (Index zu jedem Treuhanddokument)
DB
= Drittbegünstigter (einer Stiftung)
DL / LF
= Durchlaucht / Landesfürst Hans-Adam
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EB
= Erstbegünstigter (z.B. einer Stiftung)
FL
= Fürstentum Liechtenstein
IT
= EDV / IT Abteilung
KKZ
= Kriegskommandozentrale (in Vaduz)
KYC
= (Englisch) Know Your Customer („Kenne Deine Kunden‚Profile)
LG
= Landgericht Vaduz
LR
= Landrichter
LTV
= LGT Treuhand Vaduz (alte firmeninterne Abkürzung)
NGO’s
= Nicht-Regierungs-Organisationen
OG
= Obergericht Vaduz
OGH
= Oberster Gerichtshof Vaduz
OT
= Originaltext
OT Entfernt = Weggelassene Textstellen (siehe unter Hinweis)
OZA-
= Start Original-Kurzzitat
-OZE
= Ende Original-Kurzzitat
RA
= Rechtsanwalt / Rechtsanwälte
SR
= Stiftungsrat (einer Liechtensteiner Stiftung)
STA
= Staatsanwaltschaft / Staatsanwalt / Staatsanwältin
StGB
= Strafprozessgesetzbuch
StPO
= Strafprozessordnung
UR
= Untersuchungsrichter oder- richterin
VR
= Verwaltungsrat (bei Liechtensteiner Anstalten, AG’s)
WB
= Wirtschaftlicher Berechtigter (z.B. einer Stiftung)
ZB
= Zweitbegünstigter (z.B. einer Stiftung)
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Kapitel 1
1997 - ANNUS HORRIBILIS MAXIMUS
SWISSAIR Flug Nr. SR 143, von Buenos Aires nach Zürich, 30 Minuten
seit Take-Off, C-Class, 1. Reihe rechts, Fensterplatz. Ein Mann sitzt
zittern, schwitzend und mit sehr ängstlichen Augen unruhig auf dem
ihm gerade neu zugewiesenen Platz. Nicht nur ist sein Verhalten
äusserst verdächtig (Gott sei Dank waren dies noch die "Vor 9/11"Zeiten, sonst hätte er es gar nicht bis in das Flugzeug geschafft), nein, er
hat auch noch seltsame, blutbesudelte, weisslich-gelbe Stofffetzen um
seinen Hals und die beiden Handgelenke gewickelt. Seit dem Abflug hat
er nicht aufgehört zu weinen. Sonst eher eine Plaudertante, konnte er
praktisch fast nicht mehr sprechen. Es reichte aber aus, dem netten
Steward in der Economyklasse, der sich Sorgen um ihn machte, zu
erzählen, dass er vor Jahren selber 5 Jahre lang mal bei der SWISSAIR
gearbeitet hatte und damit ein Flugzeug, diese Flugzeug irgendwie
Heimat für ihn bedeutete. Damit er sich besser, vor allem in Ruhe
erholen konnte offerierte der Steward ihm einen Sitz in der praktisch
leeren Businessklasse bis zum Zwischenstopp in San Paulo. Klar
erkennbar war es, dass der Passagier Furchtbares durchgemacht haben
musste. Dieser Passagier war ich.
Je weiter ich weg von Argentinien war, desto besser ging es mir und
desto weniger glaubte ich, dass mir noch mehr Leid & Terror zugefügt
werden konnte. Ich war sehr abgekämpft, leiblich und vor allem
psychisch. Wie in Trance erlebte ich die Ankunft am Mittwoch, den 9.
April 1997 morgens früh um 06.15 Uhr in einer sauberen, heilen Welt
namens Airport Zürich. Auch der Gang durch die Passkontrolle, die
Gepäckausgabe und der Zoll. Ich versuchte einige Leute telefonisch zu
erreichen, um sie eindringlich zu bitten, mich am Flughafen abzuholen.
Doch waren sie entweder schon bei der Arbeit oder einfach nicht
erreichbar. Mit dem Zug fuhr ich dann via dem Zürcher Hauptbahnhof
nach Sargans im Schweizer Rheintal und von dort mit dem Linienbus
zur Haltestelle des Spital Vaduz, wo ich um 09.10 Uhr eintraf. Mit samt
meinem Koffer und den Taschen schleppte ich mich ins Spital. Der
untersuchende Arzt Dr. M. Moser verfasste folgenden Bericht:
Datum: 10.04.1997 / Zeit 09.20 Uhr
Diagnose / Behandlung
Kieber Heinrich / 30.03.1965 / Meldina 312 / FL-9493 Mauren
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Angaben des Patienten: Der Pat. ist heute Morgen am Flughafen
Kloten/ZH aus Argentinien angekommen. Laut Bericht hat er
dort einen Freund besucht, den er in Spanien kennen gelernt hat.
Der Freund habe ihm noch Geld geschuldet, deshalb wollt er dies
in Argentinien eintreiben. Dort angekommen sei er jedoch
eingesperrt und am rechten Bein angekettet worden. In
Todesangst habe er mehrmals versucht, sich das Leben zu
nehmen (siehe Bericht). Gegen Bezahlung eines Lösegeldes sei er
schliesslich freigelassen worden. Die Wundversorgung sei durch
einen Laien auf der Hazienda des Freundes vorgenommen
worden. Beschreibung der Verletzungen:
1. Im Bereich des rechten Handgelenkes, volarseitig, in der
mittleren Handgelenklinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die
Wunde verheilt, es liegen drei Nähte in sito. Die Wunde ist zum
Teil mit weisslichem Wundpuder verklebt. Im Bereich der Finger
keinerlei Sensibilitätsstörungen oder motorische Ausfälle.
2. Im Bereich des linken Handgelenks, volarseitig, im Bereich der
mittleren Handgelenkslinie, eine ca. 5 cm lange Wunde. Die
Wunde ist leicht entzündet, mit gelblichem Sekret bedeckt, drei
in sito liegende Wundnähte, die aus Zahnseide oder
irgendeinem, bei uns nicht verwendeten Material bestehen. Die
Sensibilität im Bereich der Langfinger unauffällig. Der Daumen
und der Daumenball jedoch deutlich mit herabgesetzter
Sensibilität. Hier ist die Zweipunktdiskriminierung nicht
möglich. Die Motorik der Langfinger ist ebenfalls nicht
beeinträchtigt. Der Daumen kann operiert werden. Die Kraft der
Oppositionsbewegung ist jedoch herabgesetzt (schmerzbedingt?).
Das Spreizen der Finger ist unauffällig. Die Sensibilität im
Bereich des Handrückens und der Handinnenfläche ist
unauffällig.
3. Unterhalb der Fossa interjugularis findet sich eine 7 cm lange
Wunde, rechts lateral davon eine oberflächliche ca. 3 cm lange
Wunde. Die Wunden sind mit weisslichem Puder verklebt, es
liegen einige Nähte in sito. Der Patient gibt an, bei seiner
Verletzung sei die Wunde so tief gewesen, dass aus der Luftröhre
Luft nach aussen entweichen konnte. Derzeit ist jedoch
diesbezüglich keinerlei (Atmungs-) Beeinträchtigung
festzustellen.
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4. An der linken Halsseite, am Vorderrand des Musculus
dernoclaidum mastoideus im mittleren Drittel, eine ca. 3 cm
klaffende Wunde. Die Wunde ist ebenfalls mit weisslichem Puder
verklebt, eine Naht am Wundrand noch in der Haut vorhanden.
Die Wunde befindet sich direkt oberhalb der Carotis!!
5. Im Bereich des rechten Unterschenkels lateral, dorsalseitig, drei
etwa ein Zentimeter im Durchmesser messende Krusten.
Ansonsten hier nichts zu sehen. Neurostatius: Der Patient ist
grob neurologisch unauffällig. Er ist klar zu sich, seiner Person,
zeitlich und örtlich orientiert. Keine Hinweise auf eine Psychose.
Der Patient ist doch sehr agitiert, was auf den Schlafmangel und
die Erlebnisse der vergangenen Tage zurückzuführen ist.
Diagnose: Schnittwunde im Bereich beider Handgelenke
volarseitig, unterhalb der Incisura interjuguleris, sowie im
Bereich der linken Halsseite. Behandlung: Entfernen der
Wundnähte, reinigen aller Wunden, Beta-isotoner-Verbände. Der
Pat. ist Tetanusgeschützt. Eine Wundkontrolle ist am Samstag,
den 12.04.1997, vorgesehen.
Mit freundlichen Grüssen Dr. M. Moser , Assistenzarzt / rb
(Anhang: 4 Fotos der Verletzungen)
Nach der Arztuntersuchung, wobei auch Fotos von allen Verletzungen
gemacht wurden, kamen die zwei Liechtensteiner Kriminalbeamten Hr.
Büchel und Hr. Kindle zu mir ins Spital. Ich schilderte ihnen aufgeregt
die Erlebnisse der letzten zwei Wochen. Je mehr ich ins Detail ging,
umso so grösser wurden ihre Augen, ebenso wie ihr Entsetzen. Wir
vereinbarten, dass ich am nächsten Tag zu ihnen (Kripo) kommen soll,
um eine umfassende Anzeige auf Tonband zu machen. In einem
Gästezimmer von Freunden in Vaduz konnte ich den bitter nötigen
Schlaf – mit Hilfe von kleinen, ärztlich verordneten Pillen – für fast 24
Stunden lang nachholen.
WAS IN ALLER WELT IST IN ARGENTINIEN PASSIERT?
Am nächsten Morgen wurde ich von den Kripobeamten im
Polizeigebäude empfangen und in ein Sitzungszimmer gesetzt. Dort
wurde ich mit ausreichend leeren Tonbandkassetten versorgt und man
bat mich meine Anzeige auf Band zu sprechen.
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Beginn Originaltext (OT) meiner Anzeige:
Anm.: Ich bitte die Leser zu Berücksichtigen, dass ich zum Zeitpunkt meiner
Aussage/Anzeige noch sehr stark unter dem Schock des gerade erlebten stand
und meine gesprochenen Worte eins zu eins in die Niederschrift übernommen
wurden. Daher die oftmals sehr langen Sätze, die wenigen unfertigen Sätze,
Wort- oder Satzwiederholungen und verkehrte Satzaufbauten. Weitere Details,
die ich zusätzlich zur Tonbandaussage in schriftlicher oder mündlicher Form bei
der Polizei, der Staatsanwaltschaft (STA) und dem Untersuchungsrichter (UR)
gemacht habe, sind auch integriert im OT wiedergegeben.
Guten Tag
Heute ist der 11. April 1997 und ich bin hier in einem
Sitzungszimmer der Landespolizei Liechtenstein um meine
Aussage auf Band aufzunehmen. Diese Aussage soll gleichzeitig
Dokument für mich und Anzeige gegen die Täter sein und ich
werde in Hochdeutsch sprechen, was die Abschrift meiner
Aussage erleichtern wird, und auch damit ich eine gewisse
Distanz zu dem Geschehenen machen kann. Mein Name ist
Kieber Heinrich, geb. 30.03.1965 in Mauren, Bürger von Mauren,
z. Z. nicht angemeldet im Land, da ich mich Ende November
letztes Jahr (1996) von Mauren wieder nach Australien
abgemeldet hatte, wo ich auch ursprünglich hin wollte, aber noch
ein paar persönliche Sachen und Angelegenheiten in Europa
erledigen wollte, bevor ich wieder zurückgehe. Jetzt mache ich
noch ein paar Angaben zu Namen der Personen, die involviert
waren bei dieser Entführung und Geschehnissen, das wären: Ich
selber natürlich, dann als Organisatoren die zwei Personen, der
Spanier Mariano Marti-Ventosa Roqueta aus Barcelona und Herr
Helmut Roegele und sein Frau Salud Hidalgo, beide aus Sant Pol
de Mar, nördlich von Barcelona, Katalonien, Spanien. Ich werde
später dann die genaue Abschrift und Daten, die ich zu diesen
Personen habe, auf einem Blatt vermerken. Zur Vorgeschichte:
Den besagten Mariano kenne ich seit ursprünglich 1981, weil er
der Freund von einer Deutschen war, die Helga heisst und mit
deren Tochter Ruth besuchte ich damals in die Schweizerschule
in Barcelona. Aber erst 1992/1993, um die Jahreswende, als ich
zufällig das erste Mal aus Australien zurück war, um in Bern auf
der australischen Botschaft meine Niederlassungspapiere zu
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regeln, erfuhr ich, dass Mariano und seine Freundin Helga in
Zürich waren wegen irgendeinem komischen Geschäft, das sie da
hatten, und da habe ich sie natürlich besucht, weil ich sowieso 2
bis 3 Monate warten musste bis meine Papiere für Australien
geregelt waren, im Zuge dieses Wiedersehens hat mich Mariano
dazu überredet, dass ich ihm einen Kredit von ca. CHF 240'000.-gewähre, den er mir zu 12 % verzinsen wollte; was ich auch
gemacht habe, weil ich wusste, Mariano hat Gutsbesitz in
Spanien und ein riesiges Boot und das Übliche halt, was man sich
als geistige Absicherung nimmt. Ich habe natürlich auch ein
Dokument über diese Schuld, das er mir gegeben hatte. Ich ging
dann ungefähr im März 1993 nach Australien zurück und wartete
seit damals auf die Rückzahlung dieses Darlehens. Ich hatte viel
Briefkontakt mit Mariano, hin und zurück von Australien, auch
von Neuseeland aus und er versprach mir immer, dass er zahlen
wird, im Moment aber kein Geld hatte: "Liquiditätsprobleme",
dies und das und jenes und ich habe natürlich nur geduldig
gewartet. Ich habe nie gross gedrückt, denn ich wusste, dass er
fast alle seine Besitztümer im Namen seiner Frau oder Söhne
hatte, wie es in Spanien üblich ist, damit die Steuerbehörden oder
andere Kreditoren nichts wegnehmen können. Also, wenn ich
Druck gemacht hätte, dann hätte ich sicher NIE etwas erhalten.
Ich kam dann Mitte 1995 das erste Mal wieder nach Europa, nach
Spanien zurück, weil ich mich um meine Schuld, also um die
Schuld, die er gegenüber mir hat, kümmern wollte, und ich
wurde dann vertröstet, ja, vielleicht in diesem Jahr (1995) oder
eben im nächsten Jahr bekäme ich mein Guthaben sicher zurück.
Ich blieb dann ein Weilchen in Spanien, habe auf seinem Boot
gewohnt, das ich übrigens zeitweise, das heisst vom September
1995 bis Ende September 1996 sogar als Garantie vollständig
besass, aber nur Ärger mit ihm und dem Boot hatte. Mit der Zeit
merkte ich, dass Mariano nicht fähig war, mir die Schuld
zurückzuzahlen, ohne dass er irgendwo eine Hypothek
aufnimmt oder was immer er herbeizaubert.
Zu Herrn Helmut Roegele ist zu sagen, dass ich den auch schon
länger kenne und dass wir im letzten Jahr ein Immobiliengeschäft
gemacht haben, womit er nachher nicht zufrieden war und eine
erfolglose Anzeige in Spanien gegen mich erstattet hatte, die auch
zu einer Aussage seinerseits führte und dann aber stillgelegt
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wurde, weil es Aussage gegen Aussage war. Helmut Roegele
(wie auch Mariano Marti-Ventosa Roqueta) hatte akute flüssige
Geldsorgen und Helmut musste dringend eine seiner
Wohnungen um jeden Preis verkaufen. Am Anfang dieses Jahres
als Mariano mir erzählt hat, dass er mir jetzt seine Schuld
zurückbezahlen könnte und zwar hätte er auf seiner Hazienda
(also Farm) in Argentinien einen Hypothekarkredit beantragt,
weil er gewisse Änderungen auf der Farm vornehmen wolle und
die Kreditsumme um seine Schuld gegenüber mir erhöht hatte,
damit er mich bezahlen kann. Ich soll doch bitte rüberkommen
und dort könnte ich es auch kriegen, d.h. am 1. April, das sagte er
mir im Februar so, dass er am 1. April die Unterschrift bei der
Bank in Argentinien tätigen würde und ich doch ganz gerne
rüberkommen könnte, seine Farm besuchen und dann bei
derselben Bank, die den Kredit auszahlt auch ein Konto eröffnen
könnte und er mir die Schuld, die er gegenüber mir hat, mit
Zinseszinsen und Kosten, überweisen würde. Ich hab mich
darüber zwar gefreut, obwohl über 4 Jahre verstrichen sind, seit
ich ihm das Darlehen gegeben habe und ich eigentlich nicht mehr
geglaubt habe, dass es noch was kommen wird; trotzdem aber
wollte ich Argentinien und seine Farm kennen lernen, von der er
mir früher viel erzählt hat. Dort, wo auch seine drei Söhne mit
deren Frauen und Kinder auf der Farm wohnen, wollte ich ihn
besuchen.
So kam es, dass ich in der 3. Woche März tatsächlich ein Ticket
am Flughafen Zürich mit der Lufthansa für ca. CHF 1500.gekauft habe. Ein Flug Zürich-Frankfurt-Buenos Aires direkt, für
den Dienstag, 25. März, mit Rückflug Buenos Aires-FrankfurtZürich am 21. April 1997 fest gebucht. Ich hätte aber die
Möglichkeit für eine Gebühr den Rückflug auf ein anderes
Datum zu ändern. Ich habe meinen Freunden oder Familie,
meiner Mutter, nicht viel darüber erzählt, was ich machen würde,
ich ging einfach für einen Monat, so habe ich mir gedacht, in die
Ferien, und wenn er zahlt dann ist gut, wenn er nicht zahlt, dann
kann ich auch nichts machen, das ist halt im Leben, dass man
nicht alles haben kann. Wie ich dann meine Tasche gerichtet habe
mit Kleider dementsprechend für Herbstwetter, es soll dann ja
noch warm sein, so im letzten Fax, den er mir gegeben hat, wo er
mir hoch und heilig schreibt, dass er alles bezahlen werde und
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ich mir keine Sorgen machen solle und so weiter und so fort. Ich
habe meine Ausweispapiere und dummerweise auch noch mein
Reisegeld, das ich Bar auf mir hatte, (ungefähr CHF 8000. — in
Schweizerfranken und US$ 1‘500. —) mitgenommen. Am
Dienstag war Abflug und am Mittwoch vor Ostern , den 26. März
kam ich um 07.30 Uhr früh Lokalzeit in Buenos Aires an, fuhr in
das Hotel SALLES in Buenos Aires, weil ich wusste, Mariano ist
dort - wie er mir am Telefon vorher gesagt hatte - weil seine
nicht-geschiedene, erste Frau, die Mutter seiner Kinder, Carmen,
angeblich am selben Tag nach Spanien fliegen würde. Ich bin im
Hotel angekommen und mir wurde vom Türsteher mitgeteilt,
dass Mariano und seine Frau gerade zur Tür hinausgegangen
sind. Ich habe dann den ganzen Tag gewartet und schaute mir
Buenos Aires ein wenig an, eigentlich nur vom Hoteleingang aus
und am Abend kam dann Mariano, wie üblich ganz gut gelaunt
und hektisch und erzählte mir von dem Problem mit seinem alten
Mercedes Coupe, das er nach Argentinien mitgebracht hatte, ein
blauer SLC-Type mit Argentinischem KFZ-Nr. daran, der kaputt
war.
Die Zylinderkopfdichtung war angeblich geplatzt und es kam
Wasser heraus. Also sind wir am Abend, bevor es dunkel wurde,
noch in Buenos Aires herumgefahren um eine anständige
Werkstatt zu finden, die nicht zu teuer war für ihn und die
fanden wir auch. Mariano wollte eigentlich, dass ich schon an
jenem Tag, dem Mittwoch, weiterfliege oder weiterfahre nach
Bahia Blanca. Das liegt eine Stunde Flugzeit, so glaube ich, 500
km südlich von Buenos Aires und dort würde sein Sohn Marco,
der mit leicht rötlichen Haaren, ja fast keine Haare mehr, mich
abholen. Mariano sprach auch von einem Empfang für mich wie
für einen "König" und er sagte auch, dass er eine Überraschung
für mich habe, wobei ich darauf tendierte, dass es sich um
meinen Geburtstag handeln sollte, der am kommenden Sonntag
stattfand, mein 32. Geburtstag. Ich aber sagte zu Mariano, ich
fahre gerne mit dir mit dem Auto runter, damit ich die
Landschaft ein wenig sehen kann und er müsste nicht alleine
fahren. Warum sollte ich jetzt mit dem Flugzeug fliegen? Ich
hatte ja Zeit, ich musste ja nicht pressieren um auf die Farm zu
kommen und so kam es, dass ich diese Nacht von Mittwoch auf
Donnerstag doch in Buenos Aires im 2-Bett-Hotelzimmer blieb,
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welches Marino schon die Tage vorher belegt bzw. gebucht hatte.
Ich musste also kein eigenes Zimmer buchen oder im Hotel
einchecken.
Am Donnerstag assen wir zusammen Frühstück und Mittagessen
und waren damit beschäftigt in die verschiedenen Garagen zu
fahren um sein Auto reparieren zu lassen. Am Nachmittag hat er
wieder gesagt, er würde mir sogar das Ticket für den Flug von
Buenos Aires nach Bahia Blanca bezahlen, was ich ungewöhnlich
fand, weil er sonst nie Leute so einlädt oder nie etwas ausgibt in
diesem Stil. Ich habe dann, da ich ja nichts vermutete, das Ticket
akzeptiert und wir haben nachgeforscht wann ein Flug ist. Er
wollte unbedingt, dass ich am Abend fliege - im Nachhinein
weiss ich jetzt natürlich schon weshalb ich am Abend fliege sollte
- und der Abflug war, so glaube ich, um 19.10 Uhr oder 19.15 ab
dem Inlandsflughafen in Buenos Aires. Er fuhr mich dorthin,
kaufte das Ticket - ohne Name - für ungefähr US$ 68.-, er
bezahlte es mit seiner goldenen Kreditkarte von der Banco
Santander oder Banco Atlantico; beide aus Spanien.. Er hat sich
verabschiedet und hat gesagt sein Sohn, Marco, er ist ungefähr
gleich alt wie ich, er werde mich in allen Ehren empfangen und
ich solle dann warten. Mariano käme dann in den nächsten Tagen
runter, sobald das Auto fertig repariert sei. Ich hatte kurze blaue
Hosen (Jeans-Shorts) und ein T-Shirt mit kurzen Ärmeln an.
Mit meinem mitgenommenen Gepäck kam ich dann abends um
20.30 Uhr oder sogar erst 21.00 Uhr in Bahia Blanca zum ersten
Mal in meinem Leben an. Ich hatte noch einen
Adressenaustausch mit einer Nachbarin, die neben mir im
Flugzeug sass. Während der Gepäckausgabe kam schon der Sohn
von Mariano, Marco, obwohl er sich als Mario ausgab, den
anderen Sohn, den es gibt, aber im nachhinein wusste ich ja, dass
er Marco war, dieser leicht Rothaarige. „Marco‚ fuhr nicht den
Bronco, einen grossen amerikanischen braunen Ford, entgegen
dem was Mariano mir gesagt hatte, sondern einen Fiat 600 oder
Seat 600, sogar mit noch den alten Kennzeichen aus Barcelona.
Das Auto, das sie auch aus Spanien als Haushaltsgut mitgebracht
haben, als die Söhne nach Argentinien ausgewandert sind. Der
kleine Wagen stand draussen auf dem Flughafenparkplatz: wir
haben meine grosse, weiche, blaue Reisetasche hinten hinein
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gestopft und meine Anzugtasche, wo auch meine Dokumente
und mein Geld und alles drin war, auf den hinteren Sitz
geworfen. Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz und geplant war,
die Strecke, die ca. 90 bis 100 km lang ist, von Bahia Blanca
Richtung Saavedra und dann zur Farm, die ungefähr 15 km von
dem Dorf Saavedra entfernt liegt, gleich in Angriff zu nehmen.
Die Farm heisst "Estanzia San Francisco" und der Haupteingang
der Farm sollte eigentlich über die Strasse "Camino de la Ermita"
erreicht werden. Als wir dann endlich – es war schon
stockdunkel - abfuhren , sagte mir Marco, dass es ein kürzerer
Weg wäre, wenn wir den hinteren Teil der Farm anfahren und
nicht den Umweg über das Dorf Saavedra machen und dann von
dort auf die normale Zufahrtsstrasse Richtung Haupteingang der
Farm fahren würden. Wir fuhren also von dem Parkplatz beim
Flughafen in Bahia Blanca weg. Ich konnte mir natürlich die
Schilder, die ich gesehen habe, nicht alle merken, weil ich auch
nichts dergleichen erwartet habe, was nachher geschehen ist.
Irgendwann fuhren wir rechts von der geteerten Strasse weg auf
einen breiten weissen Sand-, Gesteins- oder Geröllweg, also nicht
geteert, sogar ein Stück über eine Wiese und während dieser gut
dreiviertel bis 1 Stunde Fahrt redeten wir über das Leben auf der
Farm etc. etc. Auf den letzten Metern bevor wir mit dem Auto
anhielten, schon auf dem Farmgrundstück, sagte Marco, dass er
noch eine Türe schliessen müsse, bevor wir zum Haupthaus
fahren. Ich habe mich nicht darüber gewundert, im Nachhinein
ist es natürlich komisch, dass auf einer so grossen Farm, wo
niemand oder fremde Menschen weit und breit sind, irgendeine
Türe geschlossen werden muss, wo doch sonst alles immer offen
gelassen wird. Wir fuhren die letzten 150 Meter auf Gras und im
Wagenscheinwerferlicht konnte ich dann einen runden Turm
erkennen, an dem wir links davor anhielten. Der Motor wurde
abgestellt, Marco sprang aus dem Auto. Das Wagenlicht war aus.
Bevor das Wagenlicht ausging, konnte ich noch weiter vorne
rechts ein anderes Auto parkiert erkennen, ich glaubte es neben
einem Schopf, Baracke zu sehen. Ich bin aber nicht sicher, ob dies
ein Schopf war, also eine kleine Halle oder ein kleines Gebäude.
Die Fahrerwagentür blieb offen, ich sass im Auto, nichts ahnend
und dann ging es los:
17
Auf einmal kam von hinten ein maskierter Mann mit einer Pistole
in der Hand zum Fahrersitz, setzte sich und forderte mich, mit
der Pistole auf mich gerichtet, blutrünstig auf sofort
hinauszugehen. Ich natürlich, wie vermutlich jeder der so was
nicht erwartet hat, habe im Schock reflexartig den Pistolenlauf
mit meiner Hand umschlossen und versucht die Pistole, die auf
mich gerichtet war, wegzudrücken, weil ich dachte, da passiert
noch was, der drückt noch ab und ich bin tot. Aber das hat mir
nicht viel geholfen, weil dann zwei andere Männer mit
Maskierung, eine Art Skimütze, die Beifahrertür aufrissen. Einer
von denen hatte eine deutlich erkennbare Maschinenpistole, eine
alte, wobei das Magazin seitlich, also 90 Grad horizontal
herausragte, und nicht wie normal von unten eingesteckt war. Ich
konnte einem von den Dreien einen Fausthieb verpassen, sie
natürlich schlugen zurück, wobei dann meine Brille über dem
Nasenbein zu Bruch ging und ich die Brille verlor. Dadurch gab
es eine triefe Schramme, wo dann auch das Blut zu fliessen
begann. Sie zerrten mich brutal aus dem Wagen und da ich ja
ziemlich kräftig gebaut bin, war das nicht so einfach. Sie stülpten
mir einen weiss-gelblichen Sack über den Kopf, wobei, wie ich
später sah, es sich um einen Getreidesack oder ähnliches handelt,
worin man Getreide abfüllt. Ich konnte trotzdem noch auf den
Boden runter schauen und wurde zuerst über Gras und dann
über Beton in einen Raum geschleppt und gezogen. Der Raum
war bestückt mit Naturstein in verschiedenartigsten Formen,
eher kleinen Stücken, die in Zement rundherum eingelegt waren,
wobei der Zement ziemlich dick zwischen den Natursteinrillen
aufgetragen wurde. Beim Eintritt in diesen Raum, wo das Licht
brannte, konnte ich auf der linken Seite einen
Elektroschweissapparat erkennen, ich wusste, dass es ein solcher
Apparat ist, weil obendrauf die Gesichtsschutzmaske, die man
bei solcher Apparatur verwendet, lag.
Ich wurde dann bäuchlings auf eine Matte oder Bett geworfen,
die Hände wurden mir hinten mit einer dicken Schnur fest
übereinander zusammengebunden und zwei oder eineinhalb der
drei Personen setzte sich dann auf mich und ich habe gezittert
wie Laub im Herbst und um mein Leben gebeten. Ich habe sie
angefleht, mich nicht umzubringen. Ich wusste nicht, warum das
18
alles geschehen sollte, darum möchte ich hier auch noch
hinzufügen, dass ich eigentlich die ersten Sekunden dachte, dass
wir, d.h. der Sohn von Mariano, „Marco‚, und ich, Opfer anderer
Verbrecher wurden, die die Farm oder wem immer das Gebäude
gehörte, überfielen. Mir wurde dann der rechte Schuh, Marke
Timberland, samt dem Socken, abgezogen. Währenddessen
haben sie mir auch den Knäuel wieder aus dem Mund
genommen. Der weisse Sack über meinem Knopf hatte sich rot
verfärbt und da haben sie sehr wahrscheinlich gedacht, sie
müssten mir dem den Knäuel, den sie mir vor dem Haus in den
Mund gestopft hatten, damit ich vermutlich nicht schreien konnte
oder so, wieder wegnehmen, da ich sonst eventuell nicht atmen
konnte, da die Nase stark blutete. Heute weiss ich, warum sie mir
überhaupt einen Knäuel gegeben haben, weil der Turm nicht weit
weg vom Hauptwohnhaus der Farm liegt und sie vermeiden
wollten, dass ich anfange zu schreien und das es jemand von den
Angestellten oder den Leuten, die dort auf der Farm wohnten,
hören könnten. Während mir Tücher, also Textilstoffteile auf
mein rechtes Bein, das ja frei war, weil ich ja kurze Hosen an
hatte, gelegt wurden, hörte ich wie der Elektroschweissapparat in
Betrieb gesetzt wurde. Ich dachte an grausame Folter oder so und
hab nur um mein Leben gefleht, damit sie mich nicht umbringen.
Es war dann aber so, dass mir ein Eisenstück an mein rechtes
Bein oberhalb der Ferse angeschweisst wurde und obwohl sie mir
schützende Tücher auf mein Ober- und Unterbein gelegt hatten,
die Funken, die so ein Elektroschweissapparat abgibt, hatten
doch zwei Stellen an meinem unteren Schenkel an der Wade
verbrannt, die man heute noch sehr gut erkennen kann. Ich
zitterte und nachdem sie ihre Schweissarbeit erledigt hatten,
wurde mir der Sack vom Kopf weggenommen und sie tupften
das Blut in meinem Gesicht mit einem schmutzigen Lappen weg
und ich glaube, es war nicht Blut aus der Nase, sondern es war
Blut aus einer Wunde ausserhalb des Nasenflügel, die dadurch
entstanden war, als die Brille beim Wegschlagen zerbrochen
wurde und dadurch einen Schnitt in das Fleisch gemacht hatte.
Sie hoben meinen Kopf und unterlegten ihn mit einem Kissen.
Ich spürte auch wie sie eine zusammengefaltete Decke auf meine
Beine legten. Es wurde kein Wort gesprochen während der
19
ganzen Angelegenheit, ich habe nur zwei Mal den Namen Mario,
Mario gerufen, in der Annahme, dass es sich ja um Mario
handelte, obwohl es ja der Marco war und nicht der Mario, der
das alles gemacht hat mit seinen Gehilfen, die ich nicht erkennen
konnte, weil sie ja maskiert waren. Eine braune, schwere
Metalltür wurde zugeschlagen, ein Riesenlärm und das Licht
brannte noch. Ja, bevor sie gegangen sind, habe ich gespürt wie
sie meine Hosentaschen leerten, wo ich ungefähr US$ 180.— in
kleinen Noten hatte, mein Münzportemonnaie - und auch einen
kleinen goldfarbenen Schlüssel, der zum Schloss gehört, das ich
an der Anzugstasche befestigt hatte, wo die Dokumente drin
waren. Obwohl die Verbrecher schon ein Weilchen den Raum
verlassen hatten und ich ja auf dem Bauch lag, mit Gesicht zur
Wand, traute ich mich nicht umzudrehen, weil ich nicht wusste,
ob noch jemand im Raum ist. Ich zitterte noch lange und hatte
Angst und dachte nur warum, warum, warum. Ich drehte mich
nach einer Weile um und habe den Raum liegend angeschaut.
Erst nach weiteren zwei Stunden getraute ich mich aufzustehen
und musste Folgendes feststellen.
Es wurde eine schwere Kette an mein Bein geschweisst und unter
dem Ring, der um mein Bein war, ein Stoffstück unterlegt und
auf meine Haut darunter ein schwarzes Gummistück und dann
die kalte Kette. Es war ein Stück von einem Rohr, ich nehme an,
es war das Endstück eines Rohres mit einem Gewinde daran, also
Rillen für ein Gewinde. Das Eisenstück war nicht rundherum
geschlossen, sondern war 2 bis 3 cm offen, dort wo zwei
Gliedstücke, je eins links und rechts auf den Ring geschweisst
wurden, vermutlich vorher schon, und dann ein weiteres
Gliedstück auf die zwei Gliedstücke darauf geschweisst und an
diesem dritten Gliedstück hängte dann eine zwei bis drei Meter
lange, schwere Stahlkette, die an der Wand eingelassen war.
Anm.: Alle Zeichnungen wurden für das Landgericht Vaduz
angefertigt. In Zeichnung auf der nächsten Seite und der Zeichnung auf
Seite 42 hat die Zeichnerin aus praktischen Gründen den in meiner
Aussage beschriebenen Kasten mit dem Stromzähler und der Steckdose
(für das Elektroschweissgerät) weiter unten an die Wand skizziert,
anstelle weiter oben, wo es an die Turmwand angeschraubt war.
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21
Den Raum beschreibe ich wie folgt: Es ist ein runder Raum, es ist
ein Wasserturm, sehr feucht und kalt und wenn man bei der Türe
hinein kommt war links mein Feldbett. Neben meinem Feldbett
an der Wand war ein Fenster in der Grösse eines normalen
Fensters mit zwei Flügelfenstern zum Öffnen. Am Kopfende des
Bettes war ein alter Ofen ohne Türchen für die zwei Stellen, wo
man Holz hinein gibt und es ist ein so genannter Wasserofen,
weil es am Wassersystem angeschlossen ist damit man
Heisswasser produzieren kann und gleichzeitig kochen kann.
Oberhalb des Ofens ist ein ca. 50 Liter grosser, silberner
Wasserbehälter, der das gekochte Wasser, dann auffangen sollte.
Neben dem schmutzigen, schwarzen Ofen stand ein kleines
Möbelstück, wie so ein Mini-Mini-Sekretär mit einem Fach, das
man mit der Tür schliessen konnte und das vierte Bein war
gebrochen, sodass man es entweder an die Wand oder an den
Ofen anlehnen musste, wenn man darauf etwas schreiben oder
essen wollte, weil sonst das Stück umkippen würde. Weiter nach
rechts schwingend im runden Kreis sieht man dann einen
Durchgang ohne Türe, dieser Durchgang führt zu einem kleinen
Gang, wo links ein Waschbecken eingemauert ist mit Sims und
unter dem Sims an der Aussenwand des Waschbecken konnte ich
ein verschobenes, rechteckiges Herstellerkennzeichen erkennen.
Es war alles ziemlich schmutzig.
Vorbei an diesem Waschbecken konnte ich in einen Raum, wo
links ein schmutziges WC mit einem losen, nicht angeschraubten,
schwarzem WC-Deckel war, oberhalb der Wasserbehälter für das
WC, sehen, dass es mit flüssigem Klebstoff schon mehrmals
repariert worden. Vor allem das Abflussrohr, das sich zur Hälfte
im Raum befand und zur anderen Hälfte in der Wand
verschwand und unten wieder heraus kam. Die
Wasserspülbetätigung war eine Schnur, eine schwarze
Plastiknylonschnur, die herunter hing und am Ende 2 bis 3
Knoten hatte. Rechts davon ist eine Dusche in die Wand
eingelassen, d.h. die Duschvorrichtung kam aus der Wand heraus
und dort wo sich der Wasserstrahl verbreiten kann, wurde die
Wand und der Boden im 90 Grad Winkel, also links und rechts,
die Wand und der Boden braun angemalt. Sonst war alles weiss
in diesem runden Raum und in diesen zwei Nebenräumen.
22
Gegenüber der Dusche war ein Spülbecken mit je Kalt- und
Warmwasserhähnen separat angebracht, alles sehr dreckig. Und
darüber, an die Wand geschraubt ein Spiegelschrank mit einem
kleinen Abstellfach darunter. Der Wasserablauf der Dusche ist
ohne Gitter im Boden und rechteckig. Das Wasser funktionierte
nicht, weder für das erste noch das zweite Waschbecken oder die
Dusche oder das WC, es gab kein Wasser. Im WC war nur eine
Füllung im Tank der WC-Spülung vorhanden. Die Eisenkette
wurde so angelegt, dass es genau reichte, damit ich vom Bett bis
zum WC gehen konnte. Es war alles sehr schmutzig und dreckig,
trotzdem waren auf der rechten Seite des Waschbeckens, im so
genannten „Badezimmer‚, ein hellblaues Handtuch und eine
neue Seife in der Seifenschale.
Es gab drei Fenster, ein Fenster, wie schon beschrieben, oberhalb
meines Bettes, ausserhalb dieses Fensters war ein Lattenrost, der
geschlossen war. Es war ein Lattenrost aus braunem Metall und
war zu, nur bei ungefähr die Grösse eines A4-Blattes im
Lattenrost konnte man die Latten verstellen und man konnte
dann etwas hinausschauen. Draussen am Fenster war noch ein
Metallgitter, ein Ausbruchgitter, das aber sicher schon vorher
dort war, als man den Turm baute. Das Fenster im Gang,
zwischen dem Badezimmer und dem Hauptraum war mit zwei
Kippfenstern versehen, viel kleiner als das im Zimmer wo ich
schlief, in meinem Raum, und an dem Fenster vor dem grossen
Waschbecken und dem kleinen Fenster im Badezimmer wurden
von aussen an die Gitterroste Wellbleche, die man zum
Dachbauen nimmt, zugeschnittene Wellbleche mittels Draht
befestigt, damit man nicht herausschauen kann oder andere
Leute nicht hinein schauen konnten. Ich konnte nur schräg hoch
in den Himmel durch einen Schlitz schauen und sonst sah ich
nichts von diesen zwei kleinen Fenstern. Es war also unmöglich
dort auch hinauszugelangen.
Ich hatte riesige Angst und betete und eigentlich war mir nicht
kalt, obwohl ich in kurzen Hosen war und im kurzen Hemd.
Nachdem ich alles inspiziert hatte und feststellen musste, dass
die Kette fest in der Wand eingemauert war, ich vermutete auch,
dass die Kettenvorrichtung, die an der Wand war, erst frisch
23
gemacht wurde, weil es weiss gestrichen war und auch die ersten
Kettenglieder von der Wand mit weisser Farbe überzogen waren.
Ich muss auch sagen, dass man überall im runden Raum, der
übrigens auch auf der gegenüberliegenden Seite meines Bettes
eine Rundtreppe in den oberen Stock hatte, die weiss gemalt war
und das Geländer, wo man die Hand drauflegt, ist braun gemalt,
alles aus Beton. An vielen Stellen konnte man sehen, dass Regale
und Aufhängevorrichtungen, die in diesem Raum offenbar früher
vorhanden waren, weggeschraubt wurden, weil man die alte
Farbe darunter sah und auch die riesengrossen Löcher von
Schrauben mit Dübeln. Vermutlich wollten sie, dass ich nichts
wegnehmen konnte, womit ich einen Wächter oder wen auch
immer erschlagen konnte oder verletzen würde, darum gab es
überall Stellen mit diesen Abzeichnungen mit ehemals
vorhanden Regalen, Schränken und anderem Zeug. Ich legte
mich dann ins Bett auf mein Kissen, das einen riesengrossen
Blutfleck vorwies von den Stunden, die ich regungslos auf dem
Kissen lag, und legte mich schlafen.
24
25
Freitag vor Ostern.
Den ganzen Tag habe ich kein Essen erhalten, das Zeitgefühl ging
mir auch weg, weil mir meine Uhr auch weggenommen wurde,
jedoch so ca. mittags hörte ich ein Auto, es war ein Diesel. Ich lag
noch auf dem Bett und bekam Herzflattern. Ich lag seitlich
gekauert auf dem Bett und von draussen hörte ich laut Schlösser
öffnen, als würden 50 Schlösser daran sein, und ein Geknalle und
sehr laute Geräusche.
Mit einem Tritt, vermutlich wurde die Türe immer so aufgeknallt,
sodass ich mehr erschrak: ich sah zwei Männer, die leicht gebückt
wie beim Skifahren mit gespreizten Beinen und einer Pistole, die
mir alt erschien und einem Revolver, ein silberner mit einem
langem Lauf, der mir neu erschien, auf mich gerichtet vor der Tür
standen, vermummt. Einer kommt auf mich zu und deutet mit
dem Revolverlauf oder Pistolenlauf, in dem Fall, auf mein Kissen
und zwar auf den Blutfleck auf dem Kissen. Ich vermutete, dass
er den Blutflecken meinte und ich sagte dass es das Blut von
gestern Abend war. Er deutete ohne Worte an, ich solle mein
Kopf unter das Kissen begeben und mit den Oberarmen und
Händen von aussen das Kissen an meinen Kopf drücken damit
ich nicht sehe wer kommt oder was sie tun.
26
Ich tat es und spürte den Revolverlauf auf meinem Kopf. Ich
hatte Angst und zitterte andauernd. Sie kontrollierten die Kette
und hoben mein Bein und rüttelten daran. Ich glaube auch, sie
kontrollierten das andere Ende der Kette um zu schauen, ob ich
nicht was gemacht habe. Es wurde dann von einem der Männer
in Spanisch gesagt, dass ich, falls ich versuchen sollte zu fliehen
oder sonst was machen würde, oder wenn ich ausschlagen
würde, sie mich ohne Skrupel umbringen würden. Die Männer
gingen und dies nicht ohne dass sie die Tür mit einem
Riesenschwung zuknallten, was mich noch mehr ängstlich
machte. Ich weinte und weinte und weinte.
Wenn der Wind ein wenig kam, das spürte ich, weil ich meine
Fenster offen hatte, dann setzte sich die Wasserpumpe in
Bewegung, was für mich bedeutete, dass es eine
Windwassermühle sein musste. Wenn man in einer solchen
Situation ist und lange Zeit zum Denken hat, dann kommt
automatisch der Fluchtgedanke.
Die verfluchte Kette war aber nicht so leicht loszukriegen. Ich
habe dann, als es ein wenig hell wurde, an jenem Freitag, die
Fenster nochmals inspiriert und festgestellt, dass es unmöglich
sein wird durch diese Fenster ohne Werkzeuge oder andere
Hilfsmittel zu entkommen. Beim Laufen, wenn man es so nennen
kann, innerhalb dieser 3 kleinen Raumebenen, hat sich dauernd
die Kette verdreht, was dann zu einem kürzeren Radius meiner
Bewegungsmöglichkeit führte. Ich musste dann immer öfters im
Tag mich nach links um meine eigene Achse drehen damit sich
die Kette wieder entwindet. Ich weinte oft und betete wieder und
fragte mich warum, warum nur? Sie haben mir am Freitag nichts
zu essen gegeben, aber ich hatte sowieso keinen Hunger. Am
selben Tag, ich schätze so um 22.00 Uhr abends, bekam ich
wieder Besuch, der sich wie immer in den folgenden Besuchen so
abspielte. Ich hörte meistens ein Auto heranfahren, meistens ein
Diesel, Riesenlärm, dann die Türschlösser geöffnet, dann ein
Schlag an die Türe, Waffen, Kontrolle der Kette, kein Wort zu mir
und dann gingen sie wieder. Ich konnte mehr oder weniger
schlafen in der Nacht von Freitag auf Samstag. Samstag früh
bekam ich wieder Besuch, sie brachten mir meine Brille, die sie
mit Schnellklebstoff zusammengeflickt hatten und Schreibpapier
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mit Schreiber und die zwei Nachrichtenmagazine, die ich mir in
Frankfurt am Flughafen gekauft hatte, das eine war der SPIEGEL
Nr. 13 von diesem Jahr und die rosarotfarbene Financial Times.
Es kam wieder zu Morddrohungen von einem der Bewacher auf
spanisch und wieder mit den Angaben, ich soll ja nicht versuchen
zu fliehen, weil ich sonst tot bin. Es kam dann so, dass ich mehr
oder weniger beruhigt war, da ich doch dachte, sie seien ein
wenig human, da sie ja mir was zum Lesen brachten und auch
Früchte und altes Brot bei diesem Besuch am Morgen. Ich
versuchte dann den SPIEGEL Nr. 13 als Abwechslung zu lesen
und musste an die Story der Entführung des Hamburgers
Industriellen Reemtsma denken und es gab auch sonst in diesem
SPIEGEL einige Seiten, die mich sehr traurig stimmten wie z.B.
gab es eine Werbung einer Autofirma mit einem Besenfresserzitat
und der Besen, den dieser Mann in der Hand hielt, den hätte ich
gerne gehabt um den Saustall, wo ich mich befand, aufzuräumen.
Dann gab es noch eine Werbung im SPIEGEL Nr. 13 von einer
Telefongesellschaft, einer Mobiltelefonfirma, mit einem
abgebildeten Mobiltelefon und eine Nummer im Display : die
Nummer, die dort eingegeben war, die fing mit 01 80 an und die
war eigentlich nur 3 bis 4 Nummern anders als die Nummer
meines besten Freundes in Zürich, die auch 01 865 u.s.w. war,
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was hätte ich bloss gegeben damit ich ihn anrufen könnte. Der
Preis pro Minute war dort in der Anzeige 69 Pfennig; ich habe
mir gedacht, auch wenn die Minute 690 Mark kosten würde, ich
hätte ihn so gerne jetzt angerufen. Ich habe alles über die Tage
verteilt gelesen ausser ein paar Artikel: z.B. einer der über
Selbstverletzungen geschrieben war, wie sich Leute, aus welchen
Gründen auch immer, Selbstverletzungen am eigenen Fleisch
zutun.
Es ist auch zu sagen, dass die Financial Times in solchen
Situationen nicht das geeignete Lesemittel ist über Geld und
Kurse nachzulesen. Die Zeitung habe ich dann nur als Tischdecke
für das schmutzigen kleinen Möbelstücklein verwendet. Ich
öffnete das kleine Look-Out wie man auf Englisch sagt, also
dieser kleine Lattenrost vom Hauptfenster, den ich verschieben
konnte und sah ein paar Bäume vor mir und rechts davor einen
künstlich aufgehäuften Erdhügel in dieser Waldlichtung und
weiter weg sah ich dann die gelbe Wiese mit ein paar Kühen.
Später musste ich auf das WC und spülte das WC. Die Hände
konnte ich ein wenig waschen indem ein paar kl. Tropfen aus der
Wasseranlage kamen.
Am Nachmittag desselben Tages bekam ich wieder Besuch. Wie
befohlen verdeckte ich mein Gesicht damit ich nichts sehen
konnte und wie üblich wurde mir die Pistole auf den Kopf oder
auf die Brust gedrückt, falls ich dummes Zeug vorhatte. Es
wurde mir eine Notiz hinterlegt, die mit Schreibmaschine
geschrieben worden war, aber auf Faxpapier gedruckt war. Ich
nehme an, sie haben es mit dem Faxgerät des Hauses kopiert.
Darauf stand auf Spanisch, dass ich Angaben machen soll über
meine Geschäfte oder vor allem über mein Vermögen, das ich
besass. Es sollte so aussehen, als wäre dieses ein Fax von Übersee
gewesen, von Europa. Zu jenem Zeitpunkt schrieb ich noch
normal mit dem mir verteilten Papier und Kugelschreiber an
Mariano. Ich schrieb warum, wofür, wie viel und was das alles
bedeuten soll. Ich sass auf dem weissen Plastikstuhl, den habe ich
noch vergessen zu beschreiben. Ich hatte einen weissen
Plaststuhl, so wie man sie für Gartenstühle verwendet, auch in
diesem Raum. Ich schrieb ihm, ob er sich nicht schäme mich als
Freund dort so zu haben. Ich bat ihn dringend, mich zu besuchen
damit wir darüber reden könnten, vor allem am nächsten Tag, an
29
meinem Geburtstag am Sonntag, 30.03., zu kommen. Ich war
traurig für mich selber, für meine Familie und für seine Familie
auch. Ich ass einen Apfel und das alte Brot und war ein wenig
beruhigt an jenem Tag, weil ich keine Besuche mehr erwartete
und dadurch für mich selber alleine sein konnte. Ich hoffte auf
eine ruhige Nacht. Den Brief den ich an Mariano geschrieben
habe, habe ich unter der Türe so durchgesteckt, damit ein Ecken
des Briefes noch in meinem Raum lag und ich so sehen konnte,
wann und ob er weggenommen wurde. Müde und mit der
schweren Eisenkette an meinem rechten Bein, schlief ich im Bett
mit den zwei Decken ein.
Sonntag, 30. März, mein 32. Geburtstag.
Ich wachte früh auf und dachte an Flucht, aber wie konnte ich
flüchten, ich kannte die Farm nicht und war in der Nacht
gekommen, also ist es sehr schwierig. Falls ich je aus diesem
Turm raus kommen sollte, wohin ich dann rennen sollte, links
rechts oder wohin, weil ich ja nicht wusste wo Sicherheit für mich
sein könnte. Ich hätte ja in die falsche Richtung rennen können
30
und dann 30 km lang in der Wildnis herumirren, das ging also
nicht, aber wenn man eingesperrt ist, dann denkt man sowieso an
Flucht. Die Kette, wie konnte ich die Kette lösen. Ich erinnerte
mich, dass man, wenn man verheiratet ist oder Leute die
verheiratet sind und sie den Ehering loswerden wollen, es mit
Seife probieren. Da ich ja eine Seife hatte, dachte ich mir, aha, ich
werde warten bis es Abend ist, weil während dem Tag
wegzuspringen, da würden sie mich auf 100 km auf dem freien
wohl Feld sehen, also wollte ich, wenn schon, in der Nacht weg.
Also dachte ich mir gut, ich werde mit dem Versuch, die Kette
mit Wasser und Seife über meinen Fuss zu ziehen, warten. Meine
Nerven lagen frei. Auf einmal bekam ich grössere Angst:
Nach einer halben Stunde hatte ich meine Meinung geändert und
sagte zu mir, wer weiss, was noch passiert, es ist besser, wenn
ich es jetzt versuche. Ich zog so meinen rechten Schuh aus und
auch den Socken und da ich kein fliessend Wasser hatte, benützte
ich ein wenig Wasser von der WC Schlüssel, seifte meinen
nackten Fuss samt dem Eisenring ein und nahm auch das Tuch
und das Gummiband unter dem Eisenring weg und versuchte
mit aller Gewalt den Eisenring über meinen Fersen und
Vorderfuss zu stülpen. Es ging aber nicht, der Verschluss, also
dieser Eisenring war ja nicht ganz geschlossen und die
dementsprechenden Ecken, die dieser Ring hatte, stachen sehr
fest auf meine Ferse, wo ich mich leicht verletzte, ich war
verzweifelt, denn selbst mit Seife ging es einfach nicht. Ich war
traurig und weinte und trocknete meinen eingeseiften Fuss mit
dem Handtuch ab und war sehr bemüht den Stahlring auch von
der Seife zu befreien, was mir nicht ganz gelang, weil sich die
Seife auch in den feinen Rillen des Gewindes festgesetzt hatte. Ich
war traurig, weil ich realisierte, dass die Kette so angemacht
wurde, dass es für ewig war, was mein Tod bedeutete. Ich
weinte, weil ich an meine Familie dachte und dass mich keiner so
schnell vermissen würde, weil ich keine genauen Angaben
gemacht habe, wo ich jetzt noch mal hinging, und zudem hatte
ich auch realisiert, dass es auf einer solch grossen Farm eine
Leiche loszuwerden kein Problem wäre. Wer sollte mich je da
finden? Ich bekam auch Panik, weil ich die Seife nicht vollständig
vom Ring entfernen konnte, und ich befürchtete, dass wenn bei
31
einer Kontrolle die Wächter nicht die Dümmsten sind, und
erkennen, dass es dort Seife daran hat und dann vielleicht
erkennen oder erraten, was ich vorgehabt hatte. Ich hatte Angst,
dass sie mich dafür foltern werden oder anderswie bestrafen
würden. Ich blieb den ganzen Vormittag im Bett. Spät abends am
Sonntag bekam ich wieder Besuch. Es war Lärm mit Autos, Tür
aufgeschlagen, Revolver auf Kopf und kein Wort. Sie nahmen
den Brief, den ich die Nacht zuvor unter die Tür gelegt hatte
dann weg, brachten mir Kaltes zum essen und zum trinken
Wasser. Die Kette wurde kontrolliert. Ich hatte Riesenangst, falls
sie die Seifereste entdecken würden und ich dachte mir, wenn sie
es entdecken würden, dann würde ich sagen, dass ich meine
Füsse gewaschen habe. Aber dann war das Problem, sie würden
mich fragen mit was, mit Urin oder mit was, wenn kein Wasser
vorhanden ist. Sie gingen dann aber wieder.
Anm.: Auf den 2 Fotos (nächste und übernächste Seite) kann man sehr
gut die 2 eingebrannten Stellen an meiner rechten Wade erkennen, die
von Funken beim Anschweissen der Kette herstammen. Auf dem 2. Foto
ist auch die noch nicht verheilte horizontale Schürfwunde wunde der
Kette gut sichtbar (2-3 cm oberhalb meines rechten Daumens). Die für
das Landgericht Vaduz nachgebaute Kette samt „Mauerstueck“ befindet
sich heute im Keller des Landgerichts, im „Argentinien-Akt“.
32
Das WC füllte sich ohne dass ich es spülen konnte und auch
tagsüber war der Raum gefüllt mit dem Lärm von der
Wasserpumpe draussen. Mariano kam doch nicht, wie ich ihn
gebeten habe an meinem Geburtstag. Ich weinte und war traurig,
weil sie mir nicht nur meine Freiheit genommen hatten, sondern
auch meine Fluchtmöglichkeit, aber wohin sollte ich auch
flüchten. In der Nacht hörte ich oft Schüsse und auch Hunde. Das
war kein gutes Zeichen. Ich war mir auch bewusst, falls ich
überhaupt von der Kette wegkommen sollte, ich dann weiterhin
nicht aus dem Raum flüchten konnte, da die Fenster so
zugenagelt waren, also war es aussichtslos.
Der Fluchtgedanke ist dabei gestorben.
Nervös schlief ich ein.
33
Am nächsten Tag, Montag, 31. März.
Es ist der Geburtstag meiner Mutter, sie ist 60 Jahre alt geworden.
Ich weinte wieder, aber weniger, weil ich nicht mehr soviel
weinen konnte. Ich las den SPIEGEL nochmals, denn man muss
ja etwas tun, um die Zeit totzuschlagen, um auf einen anderen
Gedanken zu bekommen. Der Tag ist ja sehr, sehr lang. Ich
schreibe wieder an Mariano. Diesmal etwas unterwürfiger. Bitte
ihn zu kommen, offeriere ihm mein ganzes Geld und schreibe
auch, wie er es sich aneignen kann, hoffte auf baldige
Freilassung, hoffte auf seinen Verstand, etc. etc.
34
An diesem Montag bekam ich Vormittags wieder Besuch. Wie
üblich ein Auto, ein Dieselfahrzeug, das ich nicht sehen konnte
von der kleinen Fensteröffnung aus, die ich hatte. Wieder Waffen,
wieder vermummt und wieder Morddrohungen. Sie brachten
Essen und eine Notiz von Mariano. Die Notiz von Mariano, ich
wusste sie war von ihm, aber sie wurde nie von ihm
unterschrieben. Es war sogar, dass darin stand, dass Mariano
angeblich für wichtige Geschäfte nach Europa zurückkehren
musste. Ich wusste aber und konnte an der Art und Weise wie es
geschrieben war, erkennen, dass es Mariano's Stil war. Auf der
Notiz stand, dass die Zeit auslaufe und es wurde Besuch aus
Europa angekündigt. Sie legten mir Rechnungen vor. Rechnung
in „Anführungszeichen‚, denn es waren Forderungen an mich,
absurde Forderungen an mich, wo sie vermutlich meine späteren
Geldzahlungen rechtfertigen wollten. Ich habe sie im Detail nicht
gelesen, weil wissen Sie, wenn man in Gefangenschaft ist, dann
unterschreibt man alles. Ich hätte auch unterschrieben, wenn sie
mir gesagt hätten, ich soll schreiben, wie ich John F. Kennedy
ermordet hätte. Es ist egal, man unterschreibt einfach alles, es ist
zwecklos, man will nur lebendig aus der Sache wieder
herauskommen.
Es kam auch der Gedanke an Mord. Ich meine den Mord an
Wächtern um hier herauszukommen, aber wie. Wenn man bei
der Türe herein kommt, links oben an der Wand, kam ein
Stromkabel aus der Wand heraus in einen kleinen Kasten mit drei
runden Sicherungsknöpfen und dann in einen grauen Kasten
führt, wo man die elektrische Wasserpumpe ein- und ausschalten
kann. Neben dem Stromkabel war auch ein Stromzähler der
Marke ABB von 1992 mit dem Zählerstand von entweder 2030
oder 3020, ich bin mir nicht mehr sicher. Ich habe mir überlegt, ob
ich eventuell die Wächter, wenn sie zur Tür hereinkommen, mit
einem Stromschlag erledigen könnte. Bin mir aber nachher
unsicher geworden, weil ich mich mit Strom nicht gut auskenne
und nicht gewusst hätte, welches Kabel wo zu was führte und
zudem dachte ich, mit einer Kette am Bein würde evt. der Strom
wie eine Erdung an mir vorbeigehen. Wenn nicht ein Stromschlag
dann vielleicht die Waffe entnehmen dachte ich mir, was aber
nicht so einfach sein wird, weil ich nicht nahe genug an die Waffe
gekommen wäre, damit ich meine Hand hätte anlegen können
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und ich kein Tumult riskieren wollte, was sicher mein Tod
bedeutet hätte.
Der Gedanke an eine Schlägerei kam auch, aber einen gegen zwei
oder drei und ich dann noch angekettet; dies ist nicht sehr
hilfreich. Für einen Rest, für andere Möglichkeiten, hatte ich
einfach keine Kraft oder war zu dumm dazu. Ich selber war sehr
schmutzig, weil ich fast eine Woche in derselben Kleidung
gesteckt habe und die Luftfeuchtigkeit in diesem Wasserturm,
Wasserwindmühle, ziemlich hoch war. Auch begann der
Stahlring in der Nacht zu kratzen, wovon man heute noch die
Schürfwunden erkennen kann. Ich bekam wieder Besuch mit
denselben Vorzeichen wie Lärm, das Auto, die Waffen, die Türe
und Morddrohungen. Es gab auch erste Schläge auf meinen
Kopf, wobei ich nicht wusste, womit ich das verdiente oder was
ich getan hatte. Bei jener Visite wurde mir wieder Essen, Brot und
Früchte und sogar meine blaue Jacke gebracht, weil sie
vermutlich vermutet hatten, dass ich während des Tages, wenn
ich nicht im Bett bin, eigentlich frieren sollte, weil die Sonne nur
ganz klein, also der ganze Raum immer im Schatten war.
Zu meiner Überraschung brachten sie auch mein kleines
Necessaire, also meine Badeutensilien, Reinigungsutensilientasche mit, was wie folgt beinhaltete: Es war eine
Hygienetasche und es war ein Nagelklipser drin, mit einer
Fingernagelreinigungsvorrichtung, ein Rasiermesser von der
Marke Gillette, kein Schaum, ein paar kleine Seifen von Hotels,
sonst gaben sie mir nichts und es gab auch keine Antwort auf
meine Bitten, die ich im Brief davor formuliert hatte. Sie checkten
wieder die Kette, diesmal sehr gründlich und knallten die Türe
beim Hinausgehen zu und verriegelten sie mit massivem Lärm.
Wisst ihr, wenn man selber nicht in einer solchen Lage war, ist es
vermutlich nicht so einfach für Aussenstehende nachvollziehbar:
wie und warum ich das, was ich später tat, machte und wie und
warum ich dazu kam. Wenn man sich in Händen solcher
Verbrecher befindet, dann macht man sich sicherlich Gedanken,
wie stehen die Chancen, dass man lebend aus dieser
Gefangenschaft herauskommt. Jeder der so was miterlebt hat,
wird vermutlich zugestehen, dass es zum ersten Gedanken an
möglichen Selbstmord kommt.
36
Die Gründe warum ich an Selbstmord gedacht habe, waren die
Folgenden: Ich hatte Todesangst auszustehen unter diesem
psychischen und sonstigem Terror, und ich habe nie von den
Entführern gehört, dass, falls ich dies und dies erfülle, ich dann
freikomme. Während der ganzen Zeit sagten sie das nicht. Ich bin
selber kein Feigling und möchte hier sagen, es ist anders, wenn
sich jemand wegen einer verlassenen Freundin oder eines
verlorenen Arbeitsplatzes in Freiheit vor den Zug wirft oder sich
sonst irgendwie umbringt. Dann ist er vielleicht in meinen Augen
ein Feigling oder dumm, weil wegen einer Freundin oder
anderen zerbrochenen Beziehungen oder eines verlorenen
Arbeitsplatzes sollte man sich nicht umbringen. Aber in einer
Gefangenschaft sieht die Sache ganz anders aus. Ich hatte auch
Riesenangst vor Folter, weil sie es auch in zweideutigen
Andeutungen so gemacht hatten, was auch eine sexuelle Folter
beinhaltet hätte. Es ist nämlich so, dass ich dort realisieren
musste, dass sie mir nicht nur meine Freiheit, sondern auch
meine Fluchtmöglichkeiten genommen hatten und das Einzige,
was einem noch übrig blieb war die Macht über Leben und Tod
d.h. die Macht über sein eigenes Leben d.h. ich konnte noch
selber bestimmen, wann ich sterben wollte oder nicht. So
entschied ich mich die zwei kleinen Rasierklingen, die in dem
Wegwerf-Giletterasierapparat darin waren, heraus zu nehmen.
Ich tat es mit der Fingernagelreinigungsvorrichtung am
Nagelknipser. Ich brach die zwei Klingen heraus, lernte mit
verschlossenen Augen wie ich ohne mich zu schneiden erkennen
konnte, welche Seite das Messer und welche Seite nur diese
angehefteten oder angeschweissten kleine Metallstreifen waren.
Ich wickelte sie je in ein Stück Zeitungspapierchen hinein und
steckte eine Klinge in die vordere, rechte kl. Münztasche von
meiner kurzen Jeanshose und die andere habe ich mir in die linke
Po-Hosentasche gesteckt.
Der Grund darin liegt da, ich vermutete, falls sie mich foltern
oder sonst was mit mir machen würden oder nur meine Hände
gefesselt auf den Rücken binden würden, so hätte ich doch noch
eine Möglichkeit mit der rechten Hand auf den Rücken gebunden
in die linke Potasche zu greifen und das Messerchen, das eine
Länge von ca. 2 cm und ca. eine Breite von 0,5 bis 1 mm hatte,
heraus zu nehmen und vielleicht dadurch die Schnur um meine
37
Hand oder sogar meine Blutvenen aufzuschneiden. Den Rest der
Klinge, also den Rest der Vorrichtung zum Rasieren habe ich in
altes Brot rein gesteckt. Die Lage wurde auch sonst unangenehm.
Das WC war verstopft und Mücken und anderes Zeug
verbreiteten sich in meinem Raum. Ich schrieb wieder an
Mariano, wobei ich jedes Mal immer unterwürfiger wurde, und
ich flehte ihn an, mich freizulassen, wobei ich natürlich auch
sagte, dass ich von seiner Geldschuld nichts mehr haben wollte,
da mich diese Geldschuld in diese Lage gebracht hatte.
Komischerweise fühlte ich mich nach den getätigten Dingen mit
der Rasierklinge besser, da ich glaubte, ich alleine entscheide,
wann ich sterben will oder nicht. Das war das Letzte was mir
blieb. Ich bin ein lebensfroher Mensch und sonst nie depressiv
oder sonst was, aber ich hatte nur dies und ich wollte nicht, dass
sie es mir wegnehmen könnten. Natürlich ausser sie kämen mir
zuvor und davor hatte ich natürlich wieder Angst. Ich möchte
hier auch hinzufügen, dass ich gedacht habe, was kann ich mir
selber noch Schönes machen, bevor ich diese Welt verlassen sollte
und das Einzige, was mir in den Sinn kam, wäre eventuell eine
letzte Masturbation an Gedanken an die letzte Frau die ich lieben
durfte.
Ich überlegte mir dann, was dann passieren würde, wenn ich ihre
Bedingungen, die sie mir ja nicht konkret gestellt hatten, erfüllen
würde. Lassen sie mich frei, davon schrieben sie aber nichts. Ich
dachte ich kannte Mariano gut, aber ich kannte ihn zumindest so
gut: er würde nie einen Mord planen, ich glaubte es nicht.
Abgesehen davon ist er ein riesiger Feigling. Aber ich war mir
sicher, er würde im Effekt jemanden umbringen lassen, weil im
späteren Gespräch einem der Bewacher, er war ein Farmknecht,
sagte dieser auch, dass in Argentinien ein Menschenleben nicht
viel wert hat und dass es für die Angestellten nicht möglich war
sich den Befehlen des Gutsherrn, selbst wenn es Mordbefehle
wären, zu widersetzen. Also Mariano müsste sich nicht mal die
Finger selber schmutzig machen. Ich überlegte mir auch, dass es
selbst nach meinen Zahlungen keinen Grund geben würde,
warum mich Mariano freilassen sollte. Sicher gebe es Gründe,
aber auf der anderen Seite war die Leichtigkeit mit der er mich
38
auf der Farm verschwinden hätte lassen können viel grösser und
das beunruhigte mich.
Es wäre anders gewesen, wenn er mich in Spanien oder in Vaduz
entführt hätte und mich gefangen genommen hätte. Da ist die
Lage komplizierter. Auf einer grossen Farm, wo kein Mensch
genau weiss, wo ich bin und da gibt es mögliche Unfälle oder da
ist einfach die Leichtigkeit eines solchen Vorhabens viel grösser
und dadurch auch viel präsenter im Kopf von Mariano, nehme
ich an.
Wir haben immer noch Montag, Geburtstag meiner Mutter und
ich musste ihn in den Briefen immer ständig davon überzeugen,
dass ich kein Rachemensch bin, wie z.B. die Argentinier oder die
Latinos im Generellen. Ich will hier nur heil rauskommen und
werde niemand etwas sagen. Ich schrieb so, dass er gar nicht
darauf eingehen sollte, sondern sagte nur, ich will hier raus und
das Geld ist mir nicht wichtig. Ich will einfach auch Dinge
erfüllen, meine Träume, wie Heirat, Familie, Kinder und ein
ruhiges Leben führen. Ihr müsst verstehen, dass man alles macht,
was sie verlangen, weil man Ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist.
Am Montagnachmittag, spät, bekam ich wieder Besuch. Wieder
der Lärm eines Wagens, der sich ankündigte, und ich bekam
sofort Herzflattern. Die Türe wurde wieder massiv aufgeschlagen
und die Waffe an den Kopf gehalten und die Kette wieder
kontrolliert. Eine Notiz von Mariano mit Schreibmaschine
geschrieben, ohne seine Unterschrift darauf, wurde mir wieder
zugesteckt. Er glaubte mir nicht oder sie glaubten mir nicht in
Bezug auf mein Geld und wie man es transferieren könnte oder
meine einzige geschilderte Möglichkeit wie ich an das Geld
kommen könnte und er sagte auch, dass Morgen der letzte Tag
sei und dass die Zeit zu Ende gehe. Das war alles. Das Essen ist
wieder kalt gewesen. Ich glaubte durchzudrehen, obwohl mein
Geist ganz scharf blieb. Ich versuchte zu schlafen, konnte aber
nicht.
Dienstag, 1. April.
Mein ganzer Körper schmerzte und ich hatte eine unruhige Nacht
hinter mir. Ich war traurig und glaubte, dass ich hier nie
rauskommen werde. Ich überzeugte mich davon selbst, wartete
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aber ab. Es war mir sehr kalt, ich kontrollierte die Rasierklingen
in meinen Hosen und merkte mir wieder auf welcher Seite die
scharfe Klinge war. Ich liess alles nochmals durch meinen Kopf
gehen und es widersträubte mir, daran zu denken, dass ich bald
soweit kommen könnte, mir selber das Leben zu nehmen. Es
kann ja nicht sein, dass ich gehe, ohne dass ich meiner Familie,
meinen Freunden, meinen besten Freunden und der Welt ADIOS
gesagt hätte. Aber von hier aus konnte ich ja niemanden
erreichen. So geschah es, dass ungefähr am Mittag wieder Besuch
kam. Ich begab mich wieder in die übliche Position, eingekauert
unter meine Bettdecke, das Gesicht unter das Kissen und die
Hände und Oberarme vor meinem Gesicht. Ich hörte mehrere
Personen, Schritte und zu meiner völligen unglaublichen
Überraschung stand da Verdammt noch Mal dieser Verbrecher
Helmut Roegele mit seiner Frau Salud Hidalgo und zwei
Wächtern mit gezogenen Revolvern und Pistole vor mir im
Raum. Ich möchte noch anfügen, dass ich bei einem dieser
Besuche beim Wächter klar erkennen konnte, dass der silberne
Revolver mit Patronen in der Trommel voll geladen war.
Ich begann erst dann zu realisieren, dass wahrhaftig Helmut
Roegele und Mariano das alles ausgeheckt hatten. Die zwei
Wächter waren maskiert und mit Waffen, Helmut und seine Frau
nicht. Sie kamen in sehr gepflegtem Stil daher. Ich zitterte am
ganzen Körper am ganzen Leib. Helmut schrie mich auf
Spanisch an und dann auf deutsch und er sagte: "Ja, jetzt können
wir Dir das antun." Ich kniete auf vom Bett und kniete vor ihm
auf dem kalten Boden mit meinen kurzen Hosen und sagte: „Ich
habe Euch doch nichts getan und ich flehe um mein Leben." Die
Worte von Helmut waren sicher ein grosser Teil des
Auslösungsprozesses, was ich mir dann später angetan habe. Er
sagte: „Wir kriegen dein Geld sowieso. Entweder du machst es
uns als Überweisung oder du wirst hier einen "Unfall" erleiden."
Er sagte es in vollem Ernst. Er sagte wortwörtlich: "Ermordet
wirst du hier sicher nicht, wir sind nicht so blöd und machen uns
die Hände schmutzig, sondern du wirst z.B. einen "Reitunfall"
oder von einem "hohen Baum fallen" und der Arzt wird dies als
Unfall bestätigen und mit den Rechnungen, die du in
Gefangenschaft unterschrieben hast oder mit den
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Schuldanerkennungen werden wir gegen deine Erben losgehen.‚
Die Erben wären mein Vater Alfons Kieber oder meine Mutter
Maria, da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe.
Er hat es mit einer solchen Deutlichkeit gesagt, dass ich keinen
Anlass dazu hatte, an seinen Worten oder den möglichen Taten
seiner Mittäter zu zweifeln, auf keinen Fall. Er legte mir zwei
Rechnungen vor um die Transaktionen wohl ein wenig legaler,
wenn man so sagen kann, zu gestalten. Ich las nur eine
Forderung von 80 Millionen Peseten von ihm und eine Forderung
von 150 Mio. Peseten von Mariano und ich dachte nur, das ist
mein Ende. Erstens, wieso dachten die ich hätte so viel Geld und
zweitens wie konnten sie mir so was unterschieben, da ich ihnen
doch absolut gar nichts schulde! Im Gegenteil, Mariano schuldet
mir sogar viel und das weiss er und Helmut ganz genau. Ich habe
die Postenaufstellung nicht gelesen, was dann dazu führte, dass
die Frau von Helmut sich aufgeregt hat und geschrienen hat:
"Willst du sie nicht lesen?" Ich habe geantwortet: "Ich kann es
nicht." Sie forderte ihren Mann auf, es mir vorzulesen, aber das
tat er nicht. Ich unterschrieb aber, ich wurde genau beobachtet
und Helmut hat darauf geachtet, dass ich meine genaue
Unterschrift mache und nicht eine schusslige. Ich musste also
zuerst auf der Zeitungen, die ich als Tischdecke benutzte, zuerst 2
bis 3 Mal meine Originalunterschrift üben, weil ich so zitterte
und ich mich erst beruhigen musste. Dann im vierten Anlauf
unterschrieb ich auf das Papier von Helmut, das ich erst gar nicht
gelesen hatte. Die massiven Drohungen, die darauf folgten
möchte ich nicht wörtlich wiederholen, weil ich sie nicht ganz
verstehen konnte, aber es war einfach eine massive Drohung, die
sicherlich jedem eingefahren wäre. Sie machte noch den
Kommentar auf spanisch, seine Frau, dass ich halt noch weiter
leiden muss, weil sie mir nicht glaubten, dass ich nur soviel Geld,
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wie ich dem Mariano aus dem Kerker geschrieben habe, habe,
was mich gezwungenermassen zu der Annahme brachte, dass ich
noch gefoltert werden sollte, da ja die normale Haft, wenn man es
als normal bezeichnen kann, die ich bis anhin durchgemacht
hatte, ohne grosse Folter, dass das das Wenigste oder das
Einfachste in deren Augen war oder das weniger Schlimmste in
deren Augen, was ich bis anhin erlebt habe. Sie wollten noch
mehr Tortur und er hat es auch so ausgedrückt. Sie sind dann
schon nach 20 Minuten gegangen, nicht ohne einen weiteren
Besuch am Abend anzukündigen und ich setzte, da ich ja leben
möchte, einen ersten, erzwungenen und vordiktierten,
handgeschriebenen Brief an Herrn Bankdirektor Bröll der
BAWAG in Österreich in Feldkirch auf. Ich schrieb ein normaler
Brief an ihn und bat um Überweisung mit dem nötigen
Codewort, obwohl ich ja nicht wusste, wohin das Geld zu
überweisen war, weil sie mir noch keine Angaben dazu gemacht
haben. Da schrieb ich einfach den Überweisungsauftrag und liess
dann den Platz leer damit Helmut oder Mariano dies selber
einfüllen konnten, wohin es überwiesen werden soll.
Da kommt mir wieder in den Sinn, dass ich – als ich die Financial
Times im Kerker gelesen hatte, ich auf einen speziellen Artikel
gestossen bin; in der Aufregung fällt mir jetzt der Inhalt nicht
mehr ein: es hatte aber zu tun mit Angaben über Vermögen oder
so; in meiner Angst, dass Helmut, der auch Englisch kann, den
Artikel sehen würde und mich beschuldigen würde, ich hätte
Aussagen zu meinem Vermögen, auf Grund der Worte, wie im
Artikel verwendet wurde, "verfälscht". Ich bekam wieder eine
Panik und riss den Artikel aus dem Blatt und zerkaute den
ganzen Artikel und ass ihn auf.
Ich spürte, dass meine Situation hoffnungslos war, und dass mein
Ende nah war. Es lag einfach in der Luft. Wiederholt hatten sie ja
nie von Freiheit gesprochen, kein Mensch hat von Freiheit
gesprochen, nach Erfüllung der Bedingungen und sie hätten mich
ohne Probleme Monate so halten können, ohne dass mich je
jemand gefunden hätte. Ich war traurig, weil ich nicht "Good
Bye" und "Auf Wiedersehen" zu meiner Familie, meinen
Freunden und allen Leuten, die ich kenne und die mich geliebt
haben, hätte sagen können. Ich erinnere mich dann an einen
Sonntagsartikel oder einem Samstagartikel in dem Magazin vom
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Tagesanzeiger in Zürich, wo ein Journalist ein Buch geschrieben
hat "Das war es also" und er Leute interviewt hat, die Dinge im
Leben erlebt haben und die sich dann schon in gewissen
Altersstufen gefragt haben, ob es das schon war. Ich musste mich
dann auch wahrhaftig, als 32-jähriger Mann plus zwei Tage
selber fragen, ob es DAS wirklich schon war. Ob ich nie mehr das
Licht, die Sonne, Vaduz, meine Familie, meine eigene
"zukünftige" Familie, Frau und Kinder erleben werde. Das
machte mich sehr, sehr traurig. Da ich auch vermutete, dass sie
mir nicht glauben werden, wegen der tatsächlichen Höhe meines
Vermögens, musste ich annehmen, dass sie mich töten werden.
Von späterer Freiheit sprach ja niemand. Ich schrieb den
handgefertigten Brief an Herrn Bröll zu Ende, es waren
eineinhalb Seiten, und unterschrieb ihn korrekt. Auf dem Brief
waren auch die genauen Angaben des Kontos und des
Lösungswortes darauf. Ironischerweise hiess das Lösungswort
Teklanika und das ist ungefähr der Name eines Flusses in Alaska,
wo ich 1989 mit meiner damaligen Freundin, die ich sehr geliebt
habe, auf Besuch war. Im Denali-National- Park in Alaska sagten
wir uns, falls wir eines Tages heiraten werden und ein Kind
haben sollten, dann werden wir es, wenn es ein Mädchen werden
sollte, Teklanika nennen, weil uns dieser Name sehr gefallen hat.
Und ich war nun dort in dem Raum und musste Teklanika
schreiben und nachher meinen eigenen Tod bestimmen.
Meine Sinne waren sehr geschärft.
Die Zuhörer mit schwachem Herz sollten jetzt nicht weiterhören
und die anderen bitte ich um Verzeihung, falls ich zu detailliert
vorgehe. Ich war mir sicher, dass beide Verbrecher, Helmut und
Mariano, vor allem Mariano mit seiner 1,5 Mil. CHF-Forderung
"enttäuscht" sein würde und er sicher schon das Geld in
Gedanken ausgegeben hat. So ist er und er wird bestimmt böse,
weil er nicht im Geringsten so nahe an das Geld kommt, an diese
Summe, die er sich erwünscht hat von mir und als Profit aus
dieser Operation schlagen wollte. Nebst dem Verlust und nebst
dem Nichtbezahlen seiner Schuld dazu. Ich dachte mir, ich
könnte mir eigentlich auch am Abend nach dem letzten üblichen
Besuch das Leben nehmen. Damit ich sicher war, wenn ich
verblute, dass ich auch genug Stunden habe, um zu sterben. Mir
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kam dann die Angst, dass ich vielleicht nachher keine
Gelegenheit dazu hätte über mein Leben selbst zu bestimmen,
weil doch die Worte von Helmut und seiner Frau und die
Andeutungen der Wächter, dass es mir noch schlechter ergehen
sollte und dass ich noch leiden musste, als nur diese in deren
Augen "einfache Gefangennahme", wobei natürlich meine eigene
ANSICHT darüber wichtiger und vor allem die ECHTE ist. Ich
war ja der Gefangene und nicht sie. Meine Gefühle dazu waren
natürlich die Ausschlaggebenden und meine Eindrücke und
nicht deren die draussen frei herumlaufend konnten. Ich hatte
keine Zeit mehr und wollte auch nicht einen Abschiedsbrief
schreiben, weil ein Abschiedsbrief, wenn ich tot bin, da war ich
mir sicher, sie einen Brief an meine Mutter oder meinen Vater
nicht übergeben werden würden, darum hätte es auch keinen
Sinn gemacht einen zu schreiben. Ich stand auf vom weissen
Plastikstuhl mit all meinen Sinnen sehr geschärft und auch die
Augen wie ein Adler geschärft. Ich zog meine Jacke aus, die ich
an hatte und legte mich auf das Bett. Ich hatte natürlich selber nie
Erfahrung mit einem Selbstmordversuch, warum auch, und bin
auch sonst kein Mediziner. Ich dachte einfach, dass es mit
Handgelenken aufschneiden genügen sollte und dann das Blut
fliessen sollte und einfach der Herzstillstand eintritt, weil kein
Blut mehr kommt oder das Gehirn stirbt, weil kein Blut mehr
kommt. Natürlich habe ich mir auch gedacht, dass ich gegen die
Wand rennen könnte, aber mit der Kette am Fuss kann ich nicht
genug Anlauf nehmen und zudem war ich mir nicht sicher, ob
das funktioniert. Auch die Glasscheiben habe ich mir vorgestellt
als Selbsttötungswaffe, aber die Rasierklingen schienen mir schon
sauberer und schärfer als das Glas. Ich legte mich also auf mein
Bett und nahm zuerst mit der rechten Hand die rechte Klinge aus
der vorderen Münztasche meiner kurzen Hose und ohne dass ich
grossen Schmerz empfand, schnitt ich mit der rechten Hand
einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal mit schräg, dem
schräg angesetztem kleinen Messer in das linke Handgelenk.
Beim 5. Mal machte es "SSSSch", wobei ich vermutlich eine Vene
oder einen Nerv angeschnitten hatte. So dachte ich jedenfalls. Das
Blut floss nicht gleich und nicht so wie ich es mir erdacht hatte
und gar nicht so wie es im Film immer ist. Ich wollte mit einer
frischen Klinge, mit der 2. Klinge, die linke Hand aufschneiden,
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musste aber feststellen, dass ich ja auf dem Bett lag, auf dem
Rücken, so musste ich wieder aufstehen mit der rechten Hand
nach hinten in die linke Po-Tasche greifen, die Klinge aus dem
Papier auswickeln, in die linke Hand geben, die komischerweise
nicht geschmerzt hat, und dann zwei- bis dreimal mit schräg
angesetztem Messer tief in das rechte Handgelenk schnitt.
Wieder machte es "SSSSch". Ich lag wieder auf dem Bett und legte
die Hände auf den Boden damit das Blut auch gut fliessen
konnte. Ich dankte Gott und noch anderen Leuten für das, was
sie für mich getan hatten und ich bat Gott um Verzeihung auch
für das was ich getan hatte und dass er mich bitte in den Himmel
nimmt und mir meine Familie verzeihen werde. Komischerweise
verspürte ich keinen Schmerz, nur vielleicht einen kleinen,
brennenden Stich in meinen Händen. Ich war bereit zu sterben
und auch hatte ich nicht eine Sekunde lang, nachdem ich die
Hände aufgeschnitten hatte, das Bedürfnis es abzubrechen, ich
wollte sterben, weil die Täter mich überzeugt hatten, dass sie
mich umbringen werden und mich dadurch zum Selbstmord
getrieben hatten. Ich will noch jetzt dazu sagen, dass ich all
meinen Mut, den ich je in meinem Leben gehabt hatte,
zusammennehmen musste, damit ich mir solchen Schaden,
solche Verletzungen beifügen konnte. Es ist falsch zu glauben,
dass es einfach war, sondern im Gegenteil, man muss seinen
ganzen Mut aufbringen um sich selber das Leben so zu nehmen.
Wenn ich eine Pistole gehabt hätte, wäre es einfacher und
schmerzfreier erledigt gewesen und viel schneller, aber das hatte
ich ja nicht. Zudem musste ich leider wiederum feststellen, dass
das Blut nicht so floss, wie ich es vermutet hatte, und ich dadurch
in eine Lage kam, wo ich feststellte, dass ich SO nicht sterben
werde, nicht sterben konnte. Ich musste aber sterben; es gab
keinen Weg zurück. Die zweite Rasierklinge, die noch in meiner
linken Hand, zwischen den zwei Fingern blutverschmiert klebte,
nahm ich mit der rechten Hand weg und setzte mit dieser Hand
zum hoffentlich finalen brutalen Schnitt in die linke
Halsschlagader an; ich wusste, dass wenn diese durchtrennt oder
massiv angeschnitten ist, das Blutfliessen ohne Hilfe von Aussen
nicht gestoppt werden kann. Die kleine Klinge bohrte sich links
ca. unterhalb des Unterkiefers ins Fleisch und beim
Herunterschneiden versuchte ich den Druck auf die Klinge zu
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erhöhen, so dass ich die tief irgendwo darunter liegende
Haupthalsschlagader zerschneiden kann. So, das sollte genügen,
so war ich überzeugt. Wie sich jetzt (Anm.: später im Spital Vaduz)
herausstellte, habe ich die Hauptschlagader um ca. 0,4 cm
verpasst. Minuten, die mir wie Sekunden erschienen vergingen
und der Tod wollte nicht kommen. Verdammt noch mal....
So stand ich, stand ich wieder vom Bett auf und glauben Sie mir,
es ist möglich wieder aufzustehen, obwohl man beide
Handgelenke zerschnitten hat und wenn man auch ohne grossen
Erfolg versucht hat, seine "eigene Kehle" durchzuschneiden. Ich
nahm eine Decke vom Bett, umwickelte die Decke um meine
rechte Faust und schlug in beide kl. Fenster, die oberhalb von
meinem Bett waren, ein. Es war ein Riesenkrach und die Scheiben
flogen überall herum. Ich suchte mir ein Stück, dass längste Stück
mit dem spitzigsten Spitz aus und legte mich wieder hin. Das
Glas, in einer Form eines Dreiecks, hielt ich in meiner linken
Hand, zwischen Daumen und den anderen Fingern und mit der
rechten Hand suchte ich nach den Pulsadern, bzw. dem heftig
schlagenden Puls in der „Halsgrube‚. Ich konnte links und rechts
von der Halsgrube dort den Puls stark spüren, aber am stärksten
spürte ich ihn an der kleinen Mulde am Halsansatz. Ich legte die
Glasspitze darauf an und hielt mit der linken Hand das Glas fest
und mit der rechten Hand machte ich eine Faust, holte mit dem
Arm aus und schlug mit voller Wucht, was ich noch konnte, auf
das Glasmesser drauf, damit es einen Stich gibt. Es gab einen
starken Schnitt in meinen Hals und ich hörte auch Luft
entweichen. Ich vermute, dass es die Luftröhre war und dachte,
wenn sich Blut in die Lungen füllt, dass ich dann so sterben
konnte. Ich wollte aber ganz sicher gehen und setzte das Glas
nochmals links, ein wenig von mir ausgesehen nach links, die
Spitze versetzte ich nach links und – nach einer Drehung des
Glasstücks - schlug nochmals zu und liess das Glas danach auf
meinen Bauch fallen. Es strömte sehr viel Blut heraus und floss
herunter, links und rechts von meinem Hals und in meine Haare.
Auch hatte ich jetzt tiefe Schnitte am linken Daumen und
Zeigefinger. Ich legte die Arme wieder hinunter auf den Boden
und hoffte, dass Gott mich zu sich nehmen würde. Ich wollte
sterben. Da ich sicher war, dass sie mich umbringen würden oder
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zuerst foltern würden und davor hatte ich Angst. Ich spürte,
komischer Weise keinen grossen Schmerz, konnte aber noch
durch die Nase und dieses Loch atmen. Ich wartete auf den Tod
und wartete und wartete und betete zu Gott, er solle mir
verzeihen und mich zu ihm aufnehmen, wie wir es in der Schule
gelernt hatten, in unserer Schule. Es war komisch, ich dachte, es
müssten langsam die Sinne nachlassen, die Augen und die Ohren
oder so, aber es war nicht dementsprechend, ich konnte die Vögel
klar hören und die Decke des Zimmers gut beobachten und ich
konnte auch meine Zehen bewegen und ich verstand nicht wie so
was möglich war. Dann auf einmal fing der Körper selber an,
ohne dass ich es wollte, komische Laute von sich zu geben, das
heisst der Unterteil von meinem Kiefer war wie gelähmt und
mein Herz pumpte wild daher und die Lunge oder der Magen
füllte sich mit Luft und die Laute waren so wie eine Kuh schreit.
Ich lag da, vielleicht 15 - 20 Minuten und wartete auf den Tod,
der kam nicht, aber dafür kamen die Wächter, weil sie vielleicht
mein Schreien gehört hatten oder nicht, ich weiss es nicht. Ich
war nicht bewusstlos und ich hörte die Tür aufgehen und sah
zwei vermummte Gestalten dort, mit Waffen in denen Händen
und der eine, das war dann der Sohn Mariano's, Mario, ich habe
ihn dann erkannt, weil sie, als sie mich gesehen haben in dieser
Blutschweinerei, die aussah wie auf einem Schlachthof, sie die
Kapuzen abgenommen haben und die Waffen weggeschmissen,
irgendwo hin, und einer von beiden schrie dann, ich weiss nicht
welcher, "der verdammte Sauhund" hat sich umgebracht. Später
dann kam der Knecht zu meinem Bett, und fragte: "Warum,
warum, hast du das getan?‚ Ich sagte nur, nein ich sagte nichts,
eigentlich, ich wollte nur alleine gelassen werden. Und habe
vielleicht geflucht, dass es mir nicht gelungen ist meinem Leben
ein Ende zu setzen. Sie haben sofort die Handtücher oder das
Handtuch aus dem Badezimmer geholt und der eine Sohn,
Mario, hatte ein Mobiltelefon und hat sofort, weiss Gott wen,
angerufen und einer sagte noch, sie müssten den Papa, also den
Mariano informieren, dass der eine habe sich umgebracht, der
Vollidiot oder versucht sich umzubringen und dann ging das
Gerenne los. Sie haben noch kurz, denn ich lag nochmals ca. 1015 Minuten so da, mir mit einem Handtuch meine
Halsverletzung und die Hände eingewickelt. Ich hörte auch, weil
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sie nicht wussten wie mit der neuen Lage umzugehen, dass sie
darüber referiert haben, ob sie mich sterben lassen sollten, gleich
totschlagen sollen oder ob sie mir helfen sollten. Jetzt hatten sie
natürlich ein Problem. Sie hatten einen halbtoten Gefangen und
kein Geld. Dies war natürlich ein Problem und da ich jetzt weiss,
dass sie nur für das Geld, so geldscharf waren die und mich
natürlich für das Geld "operiert" hatten. Darum hatten sie mir
auch geholfen, sonst hätten sie mich sterben lassen, denn früher
oder später wäre ich mit dem Blutverlust sowieso gestorben, da
bin ich mir ganz sicher, das haben sie auch gemeint. Dann hatten
sie einen Knecht beauftragt, ich kenne seinen Namen nicht, er hat
nur gesagt, ich soll ihn auf Spanisch "den Vogel" nennen. Dann
haben sie mir das Hemd vom Leibe gerissen, die Hose behielt ich
an. Man darf nicht vergessen, dass ich noch die Kette am Bein
hatte. Sie schmierten die Glasscherben weg und hoben auch noch
den vorhandenen Fensterrahmen links und rechts auf der
Fassung und brachten das ganze Fenster mit den zerbrochenen
Scheiben ins Freie. Ich konnte mich selbst nicht mehr bewegen
und war in Ekstase oder so. Sie richteten meinen Körper auf und
die Beine schoben sie von Richtung Bett auf den Boden, sodass
ich dann so eingeknickt auf dem Bett sass und diese Handlung
mit mir geschehen liess. Ich habe dann nichts gesagt und sie
haben eine zweite Matratze eine alte, echte Matratze, das andere
war ja nur ein Schaumstoff mit einem Stoff überzogen, vom
oberen Stock die Treppe hinunter geschleift und sie gegenüber
von der Wand, wo ich jetzt mein Bett hatte, hingelegt, d.h. unter
die Steinwendeltreppe. Sie schleppten mich über den Boden oder
noch besser gesagt schleiften mich über den Boden samt Kette auf
die andere Seite und legten mich hin. Es gab Diskussionen über
was zu tun war, der Knecht kam zu mir und sagte: ‚Enrique, ich
muss dich jetzt‘ nähen. Ich wollte oder stammelte etwas von
Spital oder Arzt, aber sie gingen nicht darauf ein. Er war ja nur
der Handlanger, und ein Knecht hat in Argentinien sowieso
nichts zu sagen, sie sind wie Leibeigene bei diesem Gutsherrn
Mariano.
Ich lag dann dort, und ich weiss heute, dass einer der Söhne dann
wie verrückt ins Dorf gefahren ist und bei der Apotheke
Verbandszeug, Tetanusspritze, Infusion, Nadel und weiss Gott
was, geholt hat und auch Gaze. Dieser Stoff wird da zum
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Verbinden gebraucht. Der Unfall passierte so ungefähr um 14:00
Uhr / 14:30 Uhr, mein Selbstmordversuch. Ich blieb dann
eingedeckt liegen und der Knecht kniete sich einmal links, einmal
rechts unter der Wendeltreppe in die Ecke und fing an beim Hals,
die Haut, zusammen zunähen. Es gab natürlich keine
Betäubungsmittel und zudem habe ich gar nichts gespürt, ich
vermute, dass ich um die Gegend der Verletzungen sowieso
schon so sehr, ich weiss den medizinischen Ausdruck nicht, aber
sicher schon sehr betäubt war, da es ihn doch Mühe kostete die
Nadel durch meine Haut zu stecken, da heisst ich die Nadel nicht
spürte. Nachdem er den Hals zusammengenäht hatte, nähte er
vier Stiche auf das linke Handgelenk und drei Stiche in die rechte
Hand. Alles wurde mit Gaze verbunden und ich blieb dann unter
der Decke ohne Hemd auf einem Kissen aus Kunststoffwolle
liegen. Die Kette blieb noch daran. Später bekam ich dann Besuch
vom Sohn Marco, weil ich um einen Arzt beim Knecht gebeten
hatte. Marco sagte ganz kalt mit dem kältesten Blick, den ich je in
einem Mann oder Menschen gesehen habe: „Heinrich, du musst
selbst gesund werden hier, wenn nicht, dann müssen wir dich
umbringen, weil wir können auf keinen Fall einen Arzt hierher
kommen lassen oder dich ins Spital bringen, weil du sonst die
Polizei rufen würdest und das ganze Unternehmen samt der
Hazienda in Gefahr bringen würdest.‚ Nämlich selbst in
Argentinien ist die Polizei auch reaktionsfähig und nicht dumm,
wenn ich das so sagen darf. Ich weinte nur, weil ich dachte,
entweder heisst es, als ich wieder zu normalen Gedanken kam
und dort lag, verfluchte ich es, dass ich es nicht geschafft hatte,
meinem Leben ein Ende zu machen, denn ich wollte doch von
dieser Situation rauskommen und jetzt war es noch schlimmer.
Jetzt lag ich zwar halbwegs verpflegt, aber immer noch in diesem
scheiss, verdammten, kühlen, kalten, dreckigen, schmutzigen
Verliess und immer noch die Kette am Bein und es hatte sich
nichts geändert. Der Sohn Marco, der Rothaarige, sagte mir auch,
falls ich nicht, falls es zu Komplikationen kommen könnte, wie zu
einer Infektion oder Lungenentzündung oder so, sie natürlich
keinen Arzt rufen könnten und ich dann im Ofen verbrannt
würde. Sie haben dort einen grossen Ofen, wo sie jeweils die
Reste der Kühe oder der Kuh, die sie pro Monat für den
Eigengebrauch schlachten, verbrennen, damit sie keine
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Restspuren hinterlassen. Ein Vergraben käme nicht in Frage, da
es früher oder später zu Funden meiner Gebeine kommen
könnte, wobei ein Ofen mit so hoher Temperatur nichts übrig
lassen werde von mir. Ich war natürlich nicht gerade fröhlich
über solche Nachrichten und was mich natürlich anstrengte
selbst gesund zu werden, so gut wie ich es selbst in der Hand
hatte. Mich wundert es heute, dass ich nicht an den Verletzungen
einer Entzündung gestorben bin, denn dem Knecht seine Hände
sahen schwärzer und dreckiger als die eines Kaminfegers aus.
Am Abend spät kamen sie mit einer Infusionslösung, weil ich
soviel Blut verloren hatte. Dummerweise, wie man heute noch an
den Unterarmen links und rechts erkennen kann, konnten sie
keine vernünftige Vene finden, d.h. ich musste soviel Blut
verloren haben, dass sich die Venen im Unterarm links und
rechts nicht deutlich zu erkennen gab, weil sie zuwenig mit Blut
gefüllt war. So kam es, dass ich links sieben Einstiche mit der
blöden Scheissnadel links und zwei oder drei Einstiche rechts im
Unterarm bekam. Sie haben auch die Flasche mit der Infusion so
hoch über mir an die Wand genagelt und aufgehängt, dass der
Flüssigkeitsdruck so stark war, dass die Lösung wie aus einem
voll offenen Wasserhahnen sprudelte. Und nicht wie es sein sollte
mit kleinen Tropfen. Sowieso, die Infusionslösung ging nicht in
eine Vene hinein, sondern in die Haut dazwischen und es
bildeten sich Schwellungen in der Haut. Ich musste ihn darauf
hinweisen, dass die Nadeleinstiche nicht korrekt sind und er
versuchte es dann bis zu 10 Mal oder so und dann haben wir
gesagt, lassen wir es lieber sein. Da lag ich nun wie ein halbtoter
Hund an einer Kette und schmutzig war ich auch noch dazu, weil
ich mich ja nicht waschen und die Wäsche auch nicht wechseln
konnte. Die Unterhosen und Hosen konnte ich nicht wechseln,
weil man sie nicht über die Kette ausziehen konnte.
51
Währenddem ich gepflegt oder behandelt wurde, räumten sie mit
grosser Gründlichkeit die andere Raumseite auf und nahmen die
andere Matratze weg. Das Bettgestell, das auch durchblutet war,
das habe ich gesehen, d.h. dass das Blut durch die
Schaumstoffmatratze floss und dann auf die Federn und auf das
Bettgestell durchtropfte. Auch wurden alle Scherben aufgeräumt
und die Fensterrahmen aus den Angeln genommen und
weggenommen. Von nun an hatte ich einen ständigen Bewacher,
es war der Knecht, der vor mir auf dem Stuhl sass und mich
beobachtete, ich weiss nicht, ob die Angst grösser war, dass ich
mir noch einmal was antun könnte und sie dadurch das Geld
nicht erhalten könnten, oder ob die Bewachung und Beobachtung
wirklich dazu da war, um zu schauen, ob ich nicht doch sterben
würde. Mir tat alles weh, die Öffnung in der Speiseröhre, wie sie
mir jetzt sagten, ich dachte es sei die Luftröhre, aber sie sagten
nein, es sei die Speiseröhre und es wäre die Luft vom Magen
herausgekommen.
Ich habe bis gestern, bis zu meinem Besuch bei Herrn Dr. Moser
im Spital Vaduz selbst geglaubt, dass es die Speiseröhre ist, aber
er hat mir gesagt dass die vordere Röhre die Luftröhre ist, jetzt
52
weiss ich auch nicht, was ich denken soll. Egal, es tat mir alles
weh, ich hatte Angst wegen der Öffnung, wegen dem Loch in der
damals noch Speiseröhre, wie ich noch glaubte, weil mir nur die
Haut zugenäht wurde. Sie sorgten sich um mich. Logischerweise
mussten sie mich ja aufpäppeln damit ich die Kohle organisieren
konnte und wegen meines miserablen Zustandes und ob wirklich
keine Gefahr bestand, dass ich fliehen konnte, ich wollte auch
nicht mehr fliehen, ich wollte entweder nur Tod oder lebendig
aus diesem Haus, aus dieser Geschichte, aus diesem Raum, aus
diesem Land weg. Obwohl ich mich in so schlechtem Zustand
befand, hatten sie mich trotzdem in der Kälte gelassen, ich weiss
nicht wieso. Spät am Abend, ich konnte sowieso nicht schlafen,
weil die Matratze, die sie mir untergelegt haben, hatte ein
Riesenloch in der Mitte, sodass mein Gesäss im Loch lag und ich
dann mit den Rippen auf einer gewissen Kante lag und dazu mir
der ganze Rücken und der ganze Körper schmerzte. Ich wollte
auch nicht schlafen, weil ich mit einem Auge, dem linken,
hinüber zur Tür geschaut habe, die jetzt offen blieb, sie haben die
Tür nicht mehr zugeschlossen und vor mir auf dem Stuhl oder
zeitweise auch neben den Stuhl der Bewacher sass. Im oberen
Stock hat der Knecht im Bett geschlafen oder er beobachtete mich.
Ich hatte immer noch das Gefühl, dass Mariano mit seinen drei
Söhnen, wobei der dritte Sohn, Pedro, den ich nie gesehen hatte,
und ich nicht weiss, ob er auch informiert war, d.h. ich habe ihn
dort nie gesehen, aber ich habe in einmal in Spanien kennen
gelernt. Ob Mariano mit seinen Söhnen, Mario und Marco, doch
nicht zum Schluss gekommen sind, dass sie mich wegen meinen
schweren Verletzungen und der Gefahr, dass ich nicht
durchkommen könnte oder was immer, dass sie doch
entschieden mich gleich zu beseitigen. Ich hatte auch Riesenangst
als der Knecht mein Hals zugenäht hatte und dann, der
anwesende, unmaskierte Mario mit seinem Messer das Ende der
Schnur durchtrennte. Ich lag nur bewegungslos da und schaute
mit meinen Augen unter den Lidern hervor und sah wie Mario
mit seinem grossen, langen Messer an meiner Kehle die Schnüre
vom Nähen abtrennte. Ich hatte solche Angst und ich glaubte
fest, dass er mir im Effekt die Kehle durchschneiden könnte um
diesem Drama und diesem Problem ein Ende zu machen. Sehr,
sehr spät am Abend kamen dann überraschend der Verbrecher
53
Helmut und seine Frau zu meinem Bett. Ich lag ja nicht mehr auf
einem Gestell, sondern nur noch auf der nackten Matratze auf
dem Boden. Ich flehte Helmut Roegele an, da ich
fälschlicherweise dachte, dass er ist der Einzige von dieser Bande
hier, der noch ein wenig menschlich auf mich wirkte und meine
Tränen kamen mir in die Augen und ich flehte sie an, mich nicht
alleine zu lassen und hier wie ein Hund verrecken zu lassen. Sie
schworen mir und sagten auch, dass sie angeblich von dem
Ganzen zuvor nichts gewusst hätten, erst nach dem Nachtessen
wurde es ihnen erzählt und sie hätten sich angeblich sehr
aufgeregt und verstanden nicht, warum Mariano mich nicht in
ein Spital bringen wolle, d.h. sie verstehen es schon, aber sie
wollten es nicht machen. Ich erzählte ihnen von den missglückten
Infusionseinführungen, dass wenn ich nicht an meinen
Verletzungen oder einer Vergiftung oder Entzündung von den
dreckigen Händen des Knechts sterben werde, dass ich sicher
hier in dieser Kälte und bei dieser Luftfeuchtigkeit an einer
Lungenentzündung sterben werde, da ich sonst schon schwach
war. Sie versprachen mir, dass sie sich um mich kümmern
würden und ich solle so schnell wie möglich gesund werden,
damit ich hier herauskomme natürlich nachdem ich Ihre
Bedingungen, d.h. ihre Geldforderungen bezahlt hätte. Denn sie
hatten sich nun auf das eingelassen, diese Herren und Verbrecher
und sie wollten auf keinen Fall jetzt ohne einen Pfennig Verdienst
diese Lage beenden, nur weil ich versuchte, mich umzubringen.
Das Einzige das es wirklich zu jenem Zeitpunkt bewirkt hat, war
dass sie mir geglaubt haben, dass ich nur das habe, was ich habe
und keinen Pfennig mehr.
Mittwoch, 2. April.
Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich mit einem
Auge auf den Bewacher schaute und aufpassen musste, dass er
sich nicht die Hose verbrannte, weil er vor dem Stuhl einen
Gaskocher aufgestellt hatte und vor mir eingenickt war und die
Beine und damit seine Hosen ziemlich nah am Feuer dieser
Gasflamme gestreckt hatte. Zweitens habe ich immer die Tür
beobachtet, die nicht verschlossen wurde, weil ich vermutete und
überzeugt davon war, dass es zu einer Kurzschlussreaktion
kommen könnte von Seiten der Verbrecher und dass sie in der
54
Nacht kommen und mich erschiessen, die Möglichkeit war sehr,
sehr gross, dass es passieren würde, um dieser unvorhergesehen
Wendung, die ihr Verbrechen genommen hatte, ein Ende zu
bereiten. Mir ist dann auch aufgefallen, dass an der Aussenseite
der Stahltüre offenbar extra für diese Gefangenschaft mehrere
zusätzliche Riegel mit Schliessvorrichtung daran angeschweisst
wurden. Nochmals, am Mittwoch morgen kam Marco und sagte
mir, dass ich, wenn ich nicht selber gesund werde, sie mich
erschiessen oder umbringen müssten. Wobei sie es nicht selber
machen würden, weil die ganze Familie Marti-Ventosa Roqueta
Feiglinge sind. Es waren solche Leute, die dir von hinten in den
Rücken fallen und dies vermutlich einfach ihren Angestellten
übertragen würden, mit der Begründung, dass es
lebensnotwendig für den Erhalt der Einheit und den Erhalt dieser
Farm ist, dass man mich beseitigen muss, weil sonst alle im Knast
oder wo immer landen würden, nehme ich an. Auch bat ich um
einen Arzt oder um ein Spital, weil ich nicht glauben konnte, dass
mit diesen kleinen Korrekturen, die der Knecht an mir verübt
hatte, überleben würde. Obwohl sie mir auch noch eine
Tetanusspritze in den Hintern geschossen haben und noch eine
andere Spritze, die sie beim Arzt im Dorf oder sonst wo gekauft
hatten, ich konnte nicht glauben, dass das so heilen würde.
Zudem war ja mein seelischer Zustand auch nicht der Beste und
das heisst es war eigentlich eine sehr verrückte Lage, weil ich ja
noch angekettet war und wieder in der Scheisse des Kerkers drin
war. Der Knecht blieb die ganze Zeit bei mir, Tag und Nacht, und
es gab auch einige, peinliche Situationen, wo ich auf den
Stuhlgang musste und ich mich aber schämte. Für den Urin war
es kein Problem, denn da konnte ich in eine leere
Mineralwasserflasche aus Plastik meine Blase entleeren und auf
die Toilette musste ich im Moment nicht gehen, da ich ja sowieso
nicht viel gegessen hatte. Ich blieb dann den ganzen Tag im Bett
liegen und dauernd kamen Leute und fragten nach meinem
Bewusstsein, nach meinen Gefühlen und ich sagte, ich könne
meine Hände, meine Arme und nichts bewegen. Mein Hals war
ganz starr. Das Herz und das Hirn waren sehr geschärft. Ich
weiss nicht auf wessen Treiben hin entschieden wurde, dass sie
mich verlegen würden und zwar aus diesem Raum heraus und in
einen anderen Keller. Jetzt kommt mir noch in den Sinn, dass ich
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für mich selber, wenn ich dachte, dass ich mal rauskomme, ich
mir soviel wie möglich merken muss von den Details dieses
Gefängnisses. Ich weiss z.B. als ich dort auf dieser Matratze auf
dem Boden unter der Rundtreppe lag, dort eine Stelle gibt, wo
der weisse Verputz und die Farbe weggebröckelt ist und die
Form, die es hinterlässt auf dem dunklen, grauen Betongrund ist
die Form einer Maus oder einer Ratte, einer ganz Kleinen. Zudem
müssen jetzt beim betonierten Treppengeländer von dieser
Rundtreppe zwei bis drei Löcher in die Betonmauer
eingehämmert sein, wo sie den Nagel eingeschlagen haben damit
man die Infusionsflasche aufhängen kann, die, die sie ja nicht gut
brauchen konnten, die Infusionslasche. Zudem kann jeder ganz
klar erkennen warum, denn falls es zur Anklage kommt, sie
sagen würden, ja das hat der Heinrich sich selber beigebracht,
weil er depressiv war, obwohl mich alle Leute die mich kennen,
sofort verstehen würden oder sofort die Hand ins Feuer legen
würden, dass ich mir nie selber ohne diese zwingenden
Massnahmen oder Umstände unter denen ich mich befunden
hatte, ich mir das Leben nehmen würde und zudem ist dann die
grosse Frage hier, wenn die, die als meine Freunde gelten oder
galten, Mariano und Kompagnon, warum holten sie denn keinen
Arzt oder haben mich ins Spital gebracht, als ich mir solche
Verletzungen zufüge und ich weiss ganz genau, dass es keinen
einzigen Arzt in Argentinien oder sonst wo gibt, der mich vom 1.
April an bis ich zu meiner Abreise aus Argentinien gesehen hat,
weil ich eben in Gefangenschaft war und sie es nicht riskieren
konnten, dass ein Arzt mich aufsucht, weil der Arzt ja vermutlich
dann zur Polizei gegangen wäre und weil er vermutlich auch die
Verletzungen oder die Kette gesehen hätte.
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Auf jeden Fall haben sie dann entschieden, dass ich aus dem
kalten Keller in das Haupthaus verlegt werden sollte, wo ich
besser genesen kann. Ja, das Problem lag daran, dass die
restlichen Familienangehörigen, vor allem die Frauen, glaube ich,
nicht informiert waren, und sie mussten es also so herdrehen,
dass ich in der Nacht oder im Dunkeln oder ganz geheim in ein
Zimmer in diesem grossen Haus eingeschleust werde. Ich konnte
mich mit meiner letzten Kraft und mit Hilfe von ihnen dann vom
Bett aufstehen und trotzdem musste ich wieder vier bis fünf
Stunden auf dem weissen Stuhl in dem leer geräumten Raum
warten, weil es wieder Komplikationen gab.
Die Komplikationen gab es daraus, dass Helmut und Mariano
sich zugehend uneinig wurden, wie der Weiterverlauf dieser
Angelegenheit sich entfalten sollte, Helmut hatte schlechte
Karten, weil er selber mit seiner Frau auf dieser Farm, dem
Mariano und seinen Söhnen und der ganzen Angelegenheit
ausgeliefert war, wobei ich ihn hier nicht in Schutz nehmen
möchte, weil er ein Hauptinitiator zusammen mit Mariano von
dieser Angelegenheit ist und dann natürlich selber
verantwortlich ist für die Lage, in der er glaubte sich zu befinden.
Ich musste also vier bis fünf Stunden auf diesem Stuhl warten
und das Zimmer wurde ganz, ganz leer geräumt. Alle Spuren
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wurden soweit wie möglich entfernt. Natürlich, bevor ich gehen
konnte, haben sie eine Eisensäge gebracht, es war, glaube ich,
eine grüne "Black and Decker", auf jeden Fall war es eine grüne,
elektronische Eisensäge, die sie dann nicht benutzen konnten,
weil der Strom ausgefallen war. Ich natürlich, in meiner
Elendsverfassung, glaubte eher an einen Trick, dass sie wieder
versuchen würden etwas mit mir zu machen, und ich war so
geängstigt, dass ich mir vorstellen konnte, dass sie mit dem
Eisenschneider vielleicht mein Bein abhacken könnten. Sie waren
böse, dass ich mir so was zugetan habe und dass ich die ganze
Organisation auf den Kopf gestellt hatte. Den Eisenschneider
konnten sie dann nicht verwenden, weil es keinen Strom gab, so
sprang der Marco weg und brachte eine Handeisensäge und ich
habe mein Fuss nicht gesehen, weil ich ja dafür unbeweglich
liegen bleiben musste und habe nur gehofft, dass sie mir nicht
weh tun. Der Knecht war auch da und hat mich beruhigt und
hielt den Eisenring fest und abwechslungsweise haben sie dann
die Kette oder den Eisenring aufgesägt. Es war für mich eine
grosse Erlösung, dass ich nach einer Woche an dieser Kette, 24
Stunden lang, endlich frei war. Sie zogen mir meinen Socken und
meinen Schuh wieder an, den sie vorher ausgezogen hatten, vor
dem Abtrennen, nein, sie zogen mir beide Schuhe und den
Socken aus und steckten meine Füsse unter die Bettdecke. In
diesem Zwischenraum, der zum Badezimmer geht, haben sie den
Gaskocher aufgestellt und heisses Wasser gekocht. Ich musste
leider wieder Angst haben, weil ich dachte, sie hätten mir meine
Schuhe und meine Socken ausgezogen - um die sie sich eine
ganze Woche nicht gekümmert hatten- weil sie vielleicht meine
Fusssohlen verbrennen wollten, damit ich nicht wegflüchten
könne. Mir sagten sie, dass dies ab und zu bei solchen Situationen
sein muss, dass man die Füsse in kochendes Wasser stellt und
dadurch die Fusssohlen aufschwollen und natürlich keine
Möglichkeit für mich bestehen würde, wegzurennen, da ich nicht
mehr auf den Füssen stehen könnte. Ich hatte solche Angst, so
Angst, wie noch nie in meinem Leben während der ganzen
Geschichte. Sie haben mir dann Tee gemacht und nicht die
Fusssohlen verbrannt und ich trank ihn NICHT, denn mein
Körper war ganz auf Alarm eingestellt, aufpassen was geht und
weil ich eben wusste, dass es ganz feige Leute sind, die mich
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eigentlich nur von hinten umbringen, d.h. mir gut zulächeln
würden. Dies war ein grosses Problem, denn wenn man schon in
Gefangenschaft ist, dann finde ich, ist es wahrscheinlich besser,
wenn man direkt konfrontiert wird und es wird gesagt,
erschiesst mich oder anstelle man fälschlich schon in solcher Lage
ist, dass man ihnen 100-prozentig ausgeliefert ist und dass sie wie
sie es mit mir gemacht haben, mich dauernd in der Unwissenheit
liessen, was genau geschehen wird und mich falsch informierten,
bewusst, und ich dadurch mehr Angstzustände bekam, als dass
ich mich hätte beruhigen können. Am Schluss konnte ich keinem
von allen Leuten mehr trauen und war sehr traurig darüber. Jetzt
kommt mir noch in den Sinn, dass an dem Besuch, an dem Tag,
wo mich Herr Helmut und seine Frau und die zwei Bewacher
zum ersten Mal besucht haben, das war kurz vor meinem
Selbstmordversuch, dass ich beim Flehen um mein Leben und wo
ich gemerkt habe, sie glauben mir nicht, dass ich gesagt habe,
dann sollen sie mich, wenn sie mich umbringen, mich bitte mit
der Pistole erschiessen und daraufhin hat Helmut gesagt: "Nein,
so einfach machen wir es dir nicht, wir werden dich einem
grausameren Tod, einen grausamen Unfall erleben lassen, wo du
noch lange halb tot bei Bewusstsein sein bleibst und dann stirbst."
Ja, das ist mir noch in den Sinn gekommen.
Ich sass also, als mir die Kette gelöst wurde, auf dem Stuhl und
wartete nochmals weitere drei Stunden. Meine Nerven wurden
wieder auf das Äusserste gespannt, weil dauernd der Sohn
Marco oder Mario immer rein kamen und raus gingen und
geflüstert haben mit meinem Knecht und ich wusste nicht, was
los ging. Einmal sagten sie, der Deutsche – Helmut - habe einen
Lügendetektorapparat organisieren können und sie werden mich
daran anschliessen und wenn sie mir Fragen stellen würden über
mein Vermögen und es nicht stimme, das was ich habe, dass das
alles ist und wenn dann der Lügendetektor das herausfände, ich
dann gefoltert werde. Ich konnte es nicht glauben, dass ich am
Tag zuvor oder waren es zwei Tage, ich bin mir nicht mehr
sicher, ob es schon Dienstag, Mittwoch oder Donnerstag war, wo
ich diese drei Stunden auf dem Stuhl auf die Verlegung wartete,
denn ich hatte solche Angst, dass ich vielleicht, bedingt durch
meine Gemütslage und meine Nerven beim Lügendetektor
versagen werde und dass dieser vielleicht falsch reagieren würde,
59
weil ich wusste ja, ich habe ja nicht mehr Geld, aber vielleicht
würde durch meine Situation das Resultat des Lügendetektors
anders herauskommen und ich dadurch gefoltert werde. Ich habe
dann wieder geweint und gesagt, dies ist alles was ich habe, und
ich will hier nur raus. Der Knecht hat mich versucht zu
beruhigen. Er war der Menschlichste von allen, wenn man es so
nennen darf, und ich habe schon mal gehört und ich weiss, dass
wenn gefangene Leute oder so westliche Gefangene über längere
Zeit gefangen sind, versuchen sie halt an jeder Hoffnung, allem
Positiven, wenn man es so nennen kann, jedem positiven
Gedanken eines der Bewacher oder der Verbrecher, man versucht
sich daran anzuhängen und das Menschliche zu sehen und man
wünscht sich, dass es doch so Leute sind, wie Sie und ich
zusammen und dass wir uns nie fähig sehen, so etwas anderen
Menschen anzutun. Zudem wussten sie ganz genau, dass, wenn
sie mir wieder falsche Informationen gaben und mir Angst
machten, dass ich am Ende meiner Nerven war und dadurch
noch mehr Angst hatte. Es kamen sehr oft Momente, wo man
meine ganze Hand und beide Arme stark zitterten und ich
konnte es nicht stoppen, dass sie zitterten. Also ich konnte auch
nicht etwas in meine Hand nehmen oder so, sie zitterten einfach
so stark, dass ich es nicht verstecken konnte und dummerweise
zitterte ich um mein Leben und zitterte, weil ich Angst hatte, sie
würden mir nicht glauben, dass ich die Wahrheit sage. Sie
wiederum nahmen genau das Gegenteil an, nämlich dass wenn
ich zitterte, sie vermuteten, dass ich so Angst hätte, weil ich nicht
die Wahrheit gesagt hätte und nicht deshalb‚ weil sie mit der
Folter gedroht hatten. Das ist die Ironie darin. Ich wartete und
wartete und mir wurde schlecht, weil ich einfach nicht wusste,
warum wir warteten. Auf einmal kam der Täter Helmut herein –
mit etwas, ich habe es zuerst gar nicht gesehen - einem Kuvert,
darin war ein Brief. Er sagte mir heuchlerisch: "Entschuldigung
Heinrich, wir konnten dich nicht früher verlegen wegen den
Söhnen von Mariano." Ich weiss genau, wenn Mariano so was
sagt, ist es immer er selber, er schiebt gerne die Schuld auf andere
Leute, weil "die Söhne von Mariano", die angeblich wirklich
nichts wussten, sie haben nur die Befehle ausgeführt von
Mariano, sie wussten angeblich nicht genau, warum‚ was, wieso,
Geld und so. Die Söhne von Mariano eben, wollten, dass ich das
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unterschreibe. Ich sagte: "Klar, ich unterschreibe alles, was mir
vorgelegt wird, es ist mir Wurst." Wiederum musste ich mit Hilfe
der zwei Wächter, dem Knecht und dem einen Sohn von
Mariano, Marco, aufstehen. Sie haben mir unter die Arme
gegriffen und mir das kleine Möbelstück gebracht, wo die
rosarote Zeitung schon weg war, alles war eigentlich schon weg
und ich musste dort auf der Rückseite des Kuvert wieder meine
Unterschrift üben, damit es nicht verzittert ausschaute. Ich habe
es gemacht und dann habe ich die Unterschrift auf ein maschinen
geschriebenes Papier gesetzt, das, wie ich erkennen konnte,
ungefähr die Abschrift von meinem handgeschriebenen Brief
war, den Letzten, den ich geschrieben habe an, den an
Bankdirektor Bröll in Feldkirch und die zusätzlichen Angaben,
die darauf waren, waren eben Angaben mit Bankkonten und so,
die ich selber nicht wusste, Kontos wohin das Geld hinkam. Ich
glaube eine Überweisung würde auf ein Konto in Spanien
gemacht, das der Firma gehört, einer Briefkastenfirma von
Panama und es ist dieselbe alte Briefkastenfirma aus Panama, die
heisst "Maritim Compania Naviera S.A." oder so ähnlich; die ist
auch Besitzerin der Hazienda "Estanzia San Francisco", also der
Farm San Francisco und das andere Konto war ein
Geschäftskonto von Helmut Roegele. Ich habe es unterschrieben
und dann musste ich wieder warten und wieder warten und der
Knecht stand immer neben mir und machte einen Kreis um mich
herum und machte mich ganz nervös. Der andere Sohn von
Mariano, jeweils der Marco oder Mario, kamen
abwechslungsweise zur Tür herein und flüsterten und standen
drinnen vor der Tür und öffneten die Tür ganz wenig und
schauten hinaus was vor sich ging und was nicht vor sich ging
und so. Ich habe gedacht, die würden mir nur sagen, dass sie
mich in Sicherheit bringen würden, aber in Wirklichkeit würden
sie mich umbringen. Ich habe den Fax und den Brief
unterschrieben und vielleicht hätten sie ja Glück gehabt und
hätten das Geld so gekriegt, wie es von mir aufgesetzt wurde,
weil wir alle noch nicht wussten, weder ich noch die andere Seite,
dass es in dem spezifischen Fall, wie ich das Geld bei der
BAWAG hatte, das Buch selber erforderlich war, das Sparbuch in
dem das Geld verbucht war.
61
Schlussendlich, als es dunkel wurde, denn ich habe darum
gebeten, mich nicht in der Dunkelheit zu verlegen, weil ich
wusste, dass Dunkelheit der Tod bedeutet. Ich bin bei Dunkelheit
auf die Farm gekommen und bin überfallen worden, und ich
wusste Dunkelheit, das hat kein gutes Omen. Trotzdem wurde es
dann dunkel und endlich kam Helmut wieder und hat gesagt, er
würde mich zum Haupthaus begleiten, das übrigens nicht weit
weg liegt. Dies hat er mir zum ersten Mal gesagt, ich wusste ja
nicht wie weit und wo dieser Wasserturm war oder wie viele
Wassertürme es auf dieser Farm gibt. Sie stülpten mir eine dieser
Skimasken über den Kopf und halfen mir auf die Beine. Es war
das erste Mal, dass ich halbwegs laufen konnte und wäre
eigentlich nach vorne hingefallen, vermutlich aus Blutmangel
oder so, und da mussten sie mich angestrengt auffangen, weil ich
über 100 kg schwer bin. Ich wurde in ein Auto gebracht, ein
grosser Jeep, ein Amerikaner, wie ich später erkennen konnte
und sass in der Mitte. Rechts von mir sass Helmut und links
wurde das Auto von Mario gesteuert. Ich glaube es war auch sein
Dienstwagen, also Arbeitsauto. Meine rechte Hand hat mir so
weh getan und ich habe die Hand von Helmut gehalten. Die
Skimütze war nicht ganz dicht; also mussten sie mir aus einer
Tasche, die sie hatten, worin sich ein Leintuch befand, das weisse
Leintuch um meinen Kopf wickeln, damit ich den Weg vom
Wasserturm zum Haupthaus nicht sah. Ich habe die Hand von
Helmut ganz fest gedrückt und ich bat Helmut auf Deutsch: "Du
kennst den Weg, du bist schon hierher gefahren, pass auf, dass er
nicht einen falschen Weg fährt." Ich habe wieder Angstzustände
bekommen, weil Mario, der den Wagen fuhr, war nicht die
normale Route gefahren, weil ich hörte wie Helmut zu Mario auf
Spanisch sagte: ‚Ja, wohin fährst du? Warum fährst du so? Wo
fährst du hin?" Ich hatte solche Angst, ich dachte, jetzt haben sie
den Helmut auch überrumpelt oder sie spielten mir alle etwas
vor und weil Helmut offensichtlich ohne zu lügen erkannt hat,
dass es nicht derselbe Weg ist und Mario nur sagte, er solle sich
beruhigen, er fahre einen Umweg damit die Angestellten und die
Frauen vom Haupthaus mich nicht erkennen oder sehen würden.
Ich hatte solche Angst, ich dachte, sie würden mich an eine
Waldlichtung fahren und ich hätte eine Kugel im Kopf. Ich sagte
das im Auto zu Helmut. Es war eine Fahrt von, ich weiss nicht, es
62
kam mir länger vor als es war, aber ich schätze so ca. drei bis vier
Minuten, mehr nicht mit seinen Umwegen. Ich habe Helmut
gebeten, dass wenn sie mich erschiessen, bitte eine Kugel in den
Kopf, nur bitte keine Folter. Ich habe aber das Wort Folter nicht
mal in den Mund genommen, weil es dumm ist die Leute auf
Ideen zu bringen, die sie vielleicht im Moment gar nicht hatten
oder an die sie gar nicht dachten im Moment und wenn sie
merkten, dass ich vor irgend etwas sehr viel Angst hatte, dann
würden sie mich extra damit foppen oder mich ängstlich machen,
weil sie wissen würden, dass genau dieses Thema mich sehr
beängstigte. Ich habe darum gebeten: "Nur eine Kugel im Kopf,
falls es soweit ist. Bitte lasst mich als Mensch sterben und nicht
als ein Schwein oder eine Kuh." Wahrhaftig, er hat das Auto
angehalten und dann wurde mir das Leintuch vom Kopf
abgewickelt und die Mütze auch. Ich konnte dann sehen, ich war
beruhigt, denn ich konnte ein kleines drei mal zwei Meter grosses
Kinderschwimmbecken auf der Wiese erkennen, auch
Kinderspielzeug, ein Gartenstuhl mit rundem Tisch aus Metall
und zwei Stühlen. Ich wurde an der Hand unterstützt, weil ich
selber nicht gut laufen konnte und durch eine Tür in das
Hausinnere gebracht. Es war ein Haus aus den 30er Jahren, gross
gebaut und mit sehr viel Holz.
Ich wurde die Treppe hoch und dann in ein Zimmer gebracht. Ich
war sehr beruhigt für den Moment, weil im Zimmer meine blaue
Tasche war und meine Anzugtasche. Das Zimmer war durch eine
Tür zu betreten, hinter der Türe war ein Gang und von diesem
Gang aus ging eine Tür in ein Zimmer, die andere Tür in ein
Badezimmer, die andere Tür in mein Zimmer und noch ein
Badezimmer und ein weiteres Zimmer. Der Knecht, mein
Bewacher, war auch bei mir und für ihn, glaube ich, war es das
erste Mal, dass er in einem solchen Haus gewohnt hat oder solch
ein Badezimmer gesehen hat, weil er sehr arm ist. Er hat eine
Frau und vier Kinder, wie er mir sagte, aber ich wusste nicht, was
ich glauben sollte und was nicht, sie haben mich so viel
irregeführt. Das Zimmer, wo ich war, war mit zwei Einzelbetten
aus schönem Holz belegt. Ein Tisch, vermutlich original eine
andere Farbe, aber dann mit brauner Farbe dick übermalen mit
einem Stuhl und einem weiteren Stuhl ohne Armlehnen oder
beide mit Armlehnen, ich glaube, einer ohne und einer mit. Auf
63
dem Tisch hatte es ein kleines Regal fest montiert, einer zweiten
Tischplatte nach hinten, worauf man Sachen abstellen konnte.
Das Zimmer hatte zwei Fenster. Eines in eine Richtung und das
andere in die andere Richtung. Das Zimmer war ein Eckzimmer
des Hauses. Beide Zimmerfenster waren wie alle Zimmer im
Haus mit Eisengitter zugemacht, gegen Diebe und sonstiges
Zeug, original gebaut. In der Wand vor meinem Bett, wo ich
schlief, waren an der Wand, wo das Fenster in der Mitte ist, links
und rechts Bücherregale eingelassen. Dann gab es einen grossen
Schrank, das Zimmer hat eine Decke von mindestens 2,5 Meter
oder drei Meter Höhe, es war sehr hoch. Der Schrank selber war
mindestens 2,5 Meter mit drei oder vier Türen. Zwischen den
zwei Betten war ein weisser, alter ein Meter mal 1,5 Meter grosser
Teppich, der Rest des Bodens im Zimmer war mit Holz belegt. Es
gab peinliche Situationen, weil der Bewacher immer bei mir
bleiben musste und ich war ja sehr stinkig und dreckig und
meine Haare waren von der Halsverletzung voll vom Blut
verklebt. Ich konnte mich natürlich nicht selber waschen und sie
liessen mich in Bezug auf das Geld einen halben Tag in Ruhe,
dass ich mich erholen konnte. Der Verband wurde gewechselt, es
war Donnerstag, mit Sicherheit. Der Verband wurde gewechselt
und ich wurde ins Badezimmer geführt und dem Knecht wurde
aufgetragen mich zu waschen, was nicht eine peinliche Situation
für mich war. Ich sass nackt in der Badewanne mit halbvollem,
warmen Wasser und rote Farbe floss überall herunter, vom
getrockneten Blut. Er hat dann alles, ausser meinen Händen und
dem Hals, gründlich mit Seife gereinigt und ich konnte aus
meinem eigenen Gepäck frische Unterwäsche und ein Pyjama
anziehen. Mir tat alles weh und im Spiegel sah ich aus <wie
Leute ausschauen, wenn sie im KZ waren, vielleicht, ich weiss
nicht, nur so dünn war ich nicht. Auf jeden Fall konnte ich am
Donnerstagabend früh ins Bett. Mir wurde das Essen auf
verschiedenen Tablaren gebracht. Ein gelbes, dann ein braunes,
angestrichenes Holztablar, darauf einem Teller, schön angerichtet
von der Köchin und mit Wasser, aber ich traute ihnen nicht. Ich
hatte im Boden der durchsichtigen Plastikflasche, im Wasser
weisses Pulver gesehen, ich wusste also nicht, ob sie mich so
umbringen wollten oder ob sie mich so betäuben wollten. Auf
jeden Fall habe ich das Wasser immer ausgeleert, wenn der
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Knecht nicht da war. Er hat nicht mit mir gegessen, er ging nach
unten und hat mit dem Personal gegessen. Wobei natürlich
immer alle Türen, zuerst meine Zimmertüre mit lautem Knalle
und dem Schlüssel abgeschlossen wurde und dann die nächste
Türe vom Gang in die restlichen Räume des Hauses ging, wurde
immer abgeschlossen mit einem Schlüssel, der aussen steckte.
Aber wie gesagt, ich hatte sowieso keine Fluchtgedanken mehr
gehabt. Ich wollte nur heil hier raus und wenn es vielleicht länger
gedauert hätte, hätte ich vielleicht ohne Kette eine bessere
Möglichkeit gehabt, wegzukommen, weil ich doch nachher näher
an den Autos war und näher im Hauptgebäude. Aber trotzdem,
ich hätte ja nicht gewusst wohin ich fahren sollte, und ich will
nicht daran denken, was für Konsequenzen es gehabt hätte, wenn
ich ein Auto geschnappt hätte und sie mich wieder geschnappt
hätten, daran will ich nicht denken. Sie glaubten mir jetzt, sie
wollten bloss feststellen, wenn sie das Fax an die Bank in
Feldkirch schickten, ob es dann so gemacht werden könne, wie es
im Fax stand. Übrigens, alle Anrufe wurden von Marianos
Telefon, seinem Mobiltelefon, dass er in Argentinien hat,
ausgeführt und ich bin sicher, dass wie in den meisten Ländern,
wenn die Telefonrechnung kommt, dass bei den Abrechnung die
ganzen Nummern, die man angewählt hat mit dem Datum, Zeit,
Uhrzeit und Dauer und Gesprächskosten erscheinen wird.
Marianos Mobil-Nummer ist von Europa aus ist 0054 68441800,
das ist die Mobilnummer von Mariano und von diesem Mobil
aus haben wir dann die Gespräche geführt, die sie mich
gezwungen haben zu führen. Es hiess also am Donnerstagabend,
dass wir am Freitag früh aufstehen müssen, weil wir ja 5 Stunden
hinter Europa sind, zeitlich gesehen, sie wollten zuerst den Fax
schicken und ich hatte die Nummer nicht. Ich sollte anrufen und
fragen, ob es so in Ordnung sei. Also am Donnerstagabend ging
ich ins Bett und der Knecht hat im selben Raum über mich
gewacht und mir dauernd gesagt: "Mach keinen Blödsinn, sonst
legen wir dich um." Er ist zwar oft zu mir gekommen und hat
geflüstert, sag es niemandem, sag es niemandem und er hat mir
erzählt, dass ihnen, also den Bewachern, etwas ganz anderes
erzählt wurde, warum ich hier bin und so. Also, er hat es mir so
gesagt, ob es stimmt weiss ich nicht, dass Mariano's Söhne den
Bewachern und einigen Mitbewohners gesagt haben, dass ich ein
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Terrorist sei und, dass ich zu allem fähig wäre und sehr
kampffähig sei und so weiter und dadurch müsste äusserste
Vorsicht angewendet werden zu dem Zeitpunkt, wo sie mich
festnehmen würden und für die Zeit danach. Er erzählte mir
auch, dass er sich nicht den Befehlen von Mariano widersetzen
kann, weil sie sind wie Leibeigene und er hat vier Kinder und
eine Frau zum Pflegen und das ganze Zeug und ich wusste nicht,
wenn er mir das in angeblicher Vertrautheit erzählte, ob es gut
für mich ist oder nicht, weil ich wollte nichts riskieren. Ich wollte
nichts Persönliches wissen, ich wollte nur meine Sachen erfüllen
und was sie von mir verlangten und bat: "Lasst mich frei, dass ich
noch einmal mein Land Liechtenstein, meine Familie und
Freunde, wieder sehen kann und mein Leben als
wiedergeborener 32-jähriger Mann von vorne anfangen kann."
Ich ging also zu Bett, es war die erste Nacht in diesem Bett. Es
war ein gutes Bett mit weissen Kissen und Laken und ich habe
zwei Decken über mir gehabt und beide Betten waren mit einer
violetten, künstlichen Tagesdecke bedeckt. Die Fenster waren von
aussen grün gestrichen und braun von innen. Das Holz war
abgeschmirgelt und die Fenster hatten Fliegengitter. Ich konnte
ein Fenster für die frische Luft öffnen.
Freitagmorgen.
Der erste Freitag im April, morgens um 03.00 Uhr wurde ich
geweckt und musste humpelnd unterstützend von den Wächtern
mit Helmut zusammen ins Freie gehen, weil sie vermuteten oder
wussten, dass der Empfang vom Mobiltelefon im Freien natürlich
besser sei als im Haus drinnen. Sie haben dann, schon zu diesem
Zeitpunkt, den Fax nach Feldkirch abgeschickt. Ich habe dann,
ich nehme an, es war dort zwischen 09:30 Uhr oder 10:00 Uhr
angerufen und mit einer fröhlichen Miene nach Feldkirch
telefoniert. Ich glaube, die Sekretärin hat das Telefon
abgenommen, und ich habe gesagt: "Ja, Grüss Gott, da ist Kieber
Heinrich aus Argentinien."
Helmut und die mich gefangen genommen haben, befahlen mir,
ich solle einfach sagen, ich sei in Buenos Aires. Sie haben genau
aufgepasst, dass ich keinen Fehler machte und ich solle ja nichts
verraten, sonst sei ich ein toter Mann. Ich habe dann gefragt, ob
Herr Bröll da sei und das wurde verneint. Er käme erst später. Ich
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fragte, ob sie das Fax erhalten und gelesen haben. Sie hatten ihn
nicht gelesen, weil er an Direktor Bröll gerichtet war. Dann hat
sie gesagt, ich soll in einer Stunde nochmals anrufen. Auch
wurde mir bei allen Telefonaten, die mir aufgezwungen wurden,
eine Pistole an meinen Hinterkopf gedrückt. Es war eine kleine,
teilweise braun, teilweise blanker Stahl. Eher eine Ladypistole.
Diese hatte ich vorher noch nicht zu Gesicht bekommen. Es muss
die von Helmut oder seiner Frau gewesen sein, denn jedes Mal,
wenn er zu mir ins Zimmer kam, zog er sie aus seiner Tasche.
Aber während jedem Telefongespräch, also Anruf nach Europa,
überreichte er, ja er, die Knarre immer einem der Söhne von
Mariano. Nie dem Knecht, diesen hatte ich nie mit einer Waffe
gesehen, ausser er wäre einer von diesen gewesen, die
vermummt früher in meinen Kerker stürmten. Einer der Söhne
setzte also den kalten Lauf an meine Kopfrückseite. Dies weil es
Helmut ja nicht selber machen konnten, die Pistole halten, weil er
ja immer ständig sein Ohr mit am Mobiltelefon hatte, um
mitzubekommen, was gesprochen wird. Er war also immer Kopf
an Kopf mit mir. Einmal hielt einer der Söhne die Knarre an
meine linke Schläfe, was Helmut aber sofort energisch ablehnte,
aus Angst, der Sohn könnte abdrücken und die Kugel würde ja
durch meinen Kopf aus der meiner anderen, rechten Seite, in
seinen Kopf fliegen. Helmut verlangte dann vom Waffenhalter,
den Lauf gerade, vorne auf meine Stirn zu setzten. Ich bin dann
wieder ins Zimmer gebracht worden und legte mich auf mein
Bett und hoffte, dass jetzt alles ein gutes Ende nehmen würde.
Ich glaube eine Stunde später haben wir angerufen und Herr
Bröll war dort, und ich habe gefragt, ob es so, wie im Fax
gewünscht gehe? Und Herr Bröll hat gesagt, es geht nicht so,
leider nicht. Während dem Telefongespräch mit dem Mobil habe
ich ja immer das Telefon so abgewinkelt von meinem Ohr gehabt
damit es Helmut auch verstehen konnte auf Deutsch, was gesagt
wurde. Ich habe natürlich dem Helmut vorher gesagt, dass es
verdächtigt sein würde, wenn ich jetzt mit Herrn Bröll
Hochdeutsch sprechen würde, da wir ja sonst immer in unserem
Dialekt reden. Herr Bröll hat mir erklärt, man kann nur was
abheben oder verschicken kann, wenn ich mit dem Sparbuch
komme oder jemand anders, und mit dem Codewort. Ich habe
Herrn Bröll, weil ich Angst hatte, Helmut würde mir nicht
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glauben und so, gebeten: "Bitte erklären Sie DAS meinem
Bekannten hier." Er hat gesagt, das könne er nur mir sagen, dann
habe ich ihn gebeten, erklären sie einfach generell was es auf sich
hat mit solchem Typ von Sparbüchern in Österreich. Er hat dann
mit Helmut am Telefon gesprochen, da wusste natürlich Herr
Bröll nicht, wer es war, und dann haben wir aufgehängt.
Vorher haben wir gesagt, dass wir später nochmals anrufen
würden, nein wir haben gesagt, wir würden es organisieren, dass
das Buch abgeholt werde und falls alles gut gehen würde, würde
am kommenden Montag jemand erscheinen und Herr Bröll sagte,
dass er dort sei, nur nicht zwischen 9.30 Uhr und 11.00 Uhr, dann
wäre aber seine Sekretärin, Frau Türtscher dort und die wisse
über den Fall auch Bescheid. Ich habe mich bei Herrn Bröll
bedankt und wurde wieder ins Zimmer geführt. Ich glaube, sie
glaubten mir jetzt ein wenig mehr nach meinem
Selbstmordunfall, weil ich ja wirklich sterben wollte. Sie haben
nicht mehr an jedem Wort gezweifelt, das ich gesagt habe.
Abgesehen davon, wenn man in einer solchen Lage ist, kommt
man gar nicht auf die Idee, sie noch reinzulegen. Es wäre ja purer
Selbstmord in einer anderen Form. Die Leute denken natürlich
nicht so und dann habe ich gesagt, wo das Sparbuch ist und das
Sparbuch hatte ich, weil ich es nicht eingeschlossen habe, weil
man braucht ja ein Codewort dazu, also auch wenn jemand das
Buch findet, das an den Überbringer lautet, muss man ein
Codewort haben, sonst kann man kein Geld abheben. Nur ich
und die Bank wissen das Codewort. Mittlerweile natürlich auch
Helmut und Mariano. Ich sagte, ich hätte es in Vaduz bei einem
Bekannten von mir und der heisst Martin OT Entfernt, den
kennen Sie sicher auch vielleicht. Ich habe dann den Verbrechern
gesagt, im Brief, den ich an Mariano am Sonntag oder am 31.03.
oder am 30.03. geschrieben habe, wo ich Mariano das ganze Geld
angeboten habe, schrieb ich dies und es ist auch die Wahrheit,
weil sonst würde ich es in einer solchen Lage nicht schreiben. Ich
habe geschrieben, das Buch ist bei dieser Person und diese Person
ist immer, ich weiss es ganz genau, ist immer am ersten Dienstag
des Monats, ungefähr um Mittagszeit, lokale Zeit in Vaduz, in
der Wohnung zu Hause. Sonst ist er oft unterwegs. Alle 14 Tage
Dienstags, was ich natürlich nicht gesagt habe, ist eben dieser
Tag, wo Martin stempeln gehen muss, weil er seine Arbeit
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verloren hatte in Liechtenstein. Ich kenne Martin schon seit ewig,
schon aus meiner Jugend. Ab und zu habe ich ihn besucht und
ich kann meine Sachen bei ihm unterstellen. Hier ist die
Geschichte natürlich normal, aber für die da drüben in
Argentinien, sie konnten es nicht begreifen, warum ein
erwachsener Mann, der Martin, denn so wenig zu Hause sei. Ich
habe gesagt, Martin hat noch Kunden oder geht andere Leute in
Österreich besuchen und so. Wir müssten es versuchen und da
der erste Dienstag im Monat schon vorbei war, den 01. April,
hatte ich auch geschrieben in jenem Brief, dass er im schlimmsten
Fall erst wieder am 14. April, der dritten Dienstag in dem Monat,
zu Hause sein musste. Wir haben dann am Freitag morgen, ich
glaube, es war 10.00 Uhr morgens in Argentinien und da war es
ungefähr 03.00 Uhr nachmittags in Europa einen Versuch
gemacht. Zu meiner grössten Freude, ich habe mich noch nie so
darüber gefreut - das weiss Martin natürlich noch nicht, ich habe
ihn noch nicht gesehen oder mit ihm darüber gesprochen - zu
meiner grössten Freude war er zu Hause und hat das Telefon
abgenommen. Ich habe gesagt: "Martin, ja, wie geht es denn so?
Ich bin hier in Argentinien, in Buenos Aires, und ich wollte dich
nur fragen, gehst du die nächsten paar Tage weg?" Helmut hat
immer zugehört. Martin sagte, nein, nein, gerade gestern
Donnerstag, sei sein Bruder aus Deutschland mit deren Kinder
und Frau nach einem längeren Aufenthalt für die Osterferien
abgereist. Er müsse viel Wäsche waschen und er hätte nicht vor,
das kommende Wochenende wegzugehen. Martin sagte noch:
„Am Besten rufst Du mich am Abend an, wenn Du für eine
Übergabe etwas organisieren willst.‚ Vorher habe ich ihm eben
gesagt, dass ich jemanden vorbeischicken werde, wegen einem
Dokument. Somit war Helmut, der nachher Mariano
benachrichtigte, informiert. Interessanterweise versteht natürlich
keiner von Marianos Seite Deutsch. Mariano musste also Helmut
vertrauen. Es war Freitag, 12.00 Uhr mittags, in Argentinien. Sie
haben mir meine Uhr zurückgegeben. Ich konnte die Uhrzeit
ablesen. Das Gespräch mit Martin hat also stattgefunden, das
Erste, die Bank war auch informiert. Sie mussten sich nur noch
einig werden, wen sie schicken wollten. Da ich Mariano gut
kannte, habe ich schon vermutet, dass er keinen Kompromiss
eingehen würde und er jedem misstraut und so hoffte ich, dass
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sie auf einen gemeinsamen Nenner, auf eine gemeinsame Person
kommen könnten, die dann das Sparbuch abholen musste und es
zur Bank brachte. Dann geschah folgendes, man hätte es nicht
geglaubt. Ich war in meinem Zimmer eingesperrt und lag
meistens auf meinem Bett und war nur froh wenn ich von
meinem Bett aus die Sonne und die Vögel und den blauen
Himmel aus einem ganz geöffneten Fenster sehen konnte und
hoffte, dass sich die Lage jetzt besserte. Ab und zu kam der
Bewacher mit Ach und Krach herein und wollte irgendetwas. Die
Wunden verheilten, weitere Bänder etc., das wollte ich nicht. Ich
wollte nur meinen Frieden. Dann auf einmal klopfte es wieder.
Der Bewacher stand auf, machte die erste Tür im Zimmer auf.
Dann ging er in den Gang hinaus, zum anderen Zimmer und ich
sah Helmut hereinkommen. Ich hatte vorher Schreie unten im
Haus gehört, also lautes Schimpfen. Helmut kam zu mir und
sagte auf Deutsch, er wollte zu mir rüberkommen, aber der
Bewacher, der Knecht, der kein Deutsch versteht, drängte ihn
wieder weg nach aussen. Helmut sagte zu mir: „Heinrich, wir
haben uns gestritten, also ich, Mariano und meine Frau. Lasse
dich nicht einschüchtern." Ich dachte, mein Gott, jetzt haben die
auch noch miteinander gestritten, jetzt werden sich die scheiss
Verbrecher nicht einig, wer wie viel kriegen sollte von meinem
Geld. Denn ursprünglich wollte ja Helmut 80 Mio. Peseten (ca.
CHF 800‘OOO.-) und Mariano wollte 150 Mio. Peseten (ca. CHF
1,5 MIO.-). Also haben sie vermutet, ich hätte vermutlich zwei bis
drei Mio. Franken und mir würde nach dem ganzen Drama, ich
weiss nicht, noch was übrig bleibt, damit ich noch mein Essen
kaufen könne oder sie würden mich umbringen. Ich hatte wieder
mehr Angst bekommen, weil ich dachte, hoffentlich gibt es da
nicht noch mehr Drama. Ich habe zu Helmut gesagt: "Schau, ich
kann nur geben, was ich habe und ihr müsst euch selber einig
werden, wer wie viel bekommt."
Der Streit, wie ich später erfahren habe, ist dadurch zwischen den
Verbrechern ausgebrochen, weil ja von meinem Geld 50 Prozent
an Helmut und 50 Prozent an Mariano zugeteilt war. Aber
Helmuts Seite, vor allem seine Frau Salud hat natürlich gesehen,
oder hat nachgerechnet, und stellte natürlich fest, dass Mariano
mehr bekommen würde, weil er ja nicht nur die Hälfte von dem
erpressten Geld erhalten sollte, sondern auch die CHF 250‘OOO.70
bis CHF 260'000.- von der Schuld an mich gratis bekommen
sollte. Und dies wusste Helmut. Also erhielt Mariano nicht nur
dieselbe Summe wie Helmut, sondern auch obendrein CHF
250000. - geschenkt, da er mir mein Darlehen von 1993 nicht
mehr zurückbezahlen „musste‚, bzw. Wollte. Dadurch sahen
Helmut und seine Frau ein Ungleichgewicht in der Verteilung
der Fangpraemie und wollten vermutlich mehr. Helmut wurde
also aus meinem Zimmer rausgedrückt und eine halbe Stunde
später kam der Sohn von Mariano herein, Mario, und sagte zu
mir: "Heinrich, schau, es hat Krach gegeben." Er sagte wahrhaftig,
dass Mariano ein so sturer Mensch sei, ein Manipulant, dass er
angeblich kurz davor war Helmut, den Deutschen, mit seiner
Frau, auch in den Turm einzusperren um mit mir einen Deal
einzugehen. Ich habe gesagt, ich habe gefleht: „Bitte, bitte, mache
keinen Streit, bitte werdet einig, sonst gibt es am Schluss noch
mehr Blut." Ich konnte nicht viel tun, ich hatte alles getan, ich
hatte ihnen alles anvertraut, wo das Geld zu holen war, sie
mussten sich nur auf eine Person einigen, wer es holen musste
oder ich könnte auch Martin sagen, er solle mit dem Büchlein
nach Feldkirch gehen und die Banküberweisung machen. Das
wollten sie natürlich nicht, weil sie Angst hatten, das würde nicht
passieren oder Martin würde mit meinem Geld abhauen, wenn er
das Codewort und das Sparbüchlein habe. Auf jeden Fall, hat der
Sohn gesagt und nachher auch Marco, dass falls sie die
Deutschen einsperren müssten, die ja auch hilflos waren und
nichts zu sagen hatten auf der Farm, ja, dann hätten sie mit mir
vermutlich einen Deal gemacht. Aber ich war mir gar nicht so
sicher, weil ich dachte mir, wenn Mariano so weit geht und die
Deutschen auch noch einsperrt und dann müsste er alle drei
beseitigen, weil sonst zu viel gegen ihn in der Hand wäre. Sein
Sohn hat mir vorgeschlagen, wir würden nur drei Viertel
überweisen lassen von dem was ich habe und ich könnte den
Rest behalten. Ich war nicht erfreut über eine solche Wende, weil
ich wusste oder weiss, falls es zu einer Einsperrung kommt von
den anderen, wenn sich die scheiss Verbrecher nicht einigten,
dann würde Mariano noch mehr unter Zugzwang kommen und
müsste vermutlich eine Radikallösung suchen, was den Tod
meines und des Deutschen und seiner Frau beinhalten könnte.
Ich habe gesagt, schau, ich bin in einer Lage, ich verhandle mit
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dem der Gewalt über mich hat. Gewalt über mich hatte Mariano.
Ich musste also mit ihm um mein Leben, um meine Freilassung
verhandeln. Die Sache hat sich dann beruhigt, weil später, am
Nachmittag, jemand klopfte an der Türe. Der Bewacher, der
Knecht, war nicht im Raum mit mir und ich ging leise zur Türe.
Auf der anderen Seite stand die Frau von Helmut und sagte:
"Heinrich, beruhige dich. Es ist alles wieder OK. Wir haben nur
wegen Geld gestritten und so". Ich sagte: "OK, OK." Ich wollte
auch nicht zu viel diskutieren, ich wollte keine Geheimnistuerei.
Ich wollte nicht in das Spiel eintreten, wo sie mir nachsagten,
wissen Sie, das Spiel, wo wer hat, was hat oder einer kommt zu
mir und fragt, was hat der andere gesagt, dann kommt der
andere zu mir, und so weiter. Ich wollte gar nicht darauf
eingehen, ich wollte nur meine Freiheit. Sie sollten das Geld
haben und mich wieder frei lassen, ich wollte nur das. Durch die
ganze Geschichte haben wir natürlich den Anruf an Martin am
Freitagabend verpasst, da Liechtenstein ja fünf Stunden voraus
ist, aber da wir alle glaubten, er bleibt am Wochenende zu Hause,
so dachten wir, wir rufen einfach am Samstag nochmals an.
Am Freitagabend wurde mir das erste Mal gutes Essen gebracht.
Ich möchte hier noch anfügen, dass mir gerade in den Sinn
kommt, dass am 6. April Mariano's Geburtstag war, da habe ich
dann spüren können, wie er mich "liebt". Auf jeden Fall, Freitag
Nacht gingen wir alle aufgeregt ins Bett und am Samstag,
vergangene Woche, mussten wir wieder früh aufstehen, um 05.00
Uhr oder so und von 05.00 Uhr bis 10.00 Uhr haben wir versucht
Martin anzurufen, hier in Liechtenstein in Vaduz auf seine
Nummer. Aber Martin nahm nicht ab und von diesem Zeitpunkt
an, 10 Uhr morgens europäischer Zeit, haben wir jede halbe
Stunde probiert. Ich habe zu Helmut gesagt, weil ich ja
freikommen wollte: "Helmut, du hast ja das Mobiltelefon in der
Hand, also komme nicht jedes Mal zu mir ins Zimmer mit dem
dazugehörenden Drama. Wenn Martin das Telefon abnimmt,
dann hängst du einfach gleich wieder auf und springst zu mir
und dann kann ich mit ihm reden und ihm sagen, was er machen
muss oder wer kommt.‚ Mittlerweile haben sich die zwei
Parteien, Mariano und Helmut, auf den, ich glaube, den
Schwager von Helmut geeinigt. Er heisst Peter Kroschel, voller
Name Karl-Heinrich Peter Kroschel aus Ochsenhausen in
72
Deutschland, das musste ich dem Bankdirektor später auch
genau buchstabieren. Dieser Kroschel wohnt in Ochsenhausen
oder in Ulm oder irgendwo, ist pensionierter Arzt und mit der
Schwester von Helmut und diese heisst Isolde, glaube ich,
verheiratet, und sie haben auch Kinder. Mir wurde gesagt, wenn
ich mit Martin wieder spreche, solle ich ihm Folgendes sagen:
"Martin, hier ist der Heinrich, ja, wir haben jetzt jemanden
gefunden und zwar kommt ein Herr, ein Deutscher, der gerade
zufällig in der Gegend von Liechtenstein ist.‚ Was natürlich eine
Lüge war. „Dieser Herr kommt also vorbei und ich würde dich
bitten Martin, dass du dem Herrn, er heisst Peter Kroschel, ein
grosser Schlanker - wie mir gesagt wurde - das Bankdokument
gibst." Also ich habe bis anhin noch nicht vom Bankdokument
gesprochen mit Martin, aber ich müsste dann sagen, das
Dokument, er solle es herausholen und es ihm übergeben. Dessen
Sohn Jürgen, Peter Kroschel's Sohn Jürgen aus Ulm, der würde
dann am kommenden Mittwoch, so sollte ich Martin sagen, von
Deutschland aus nach Buenos Aires fliegen und das Dokument
mitbringen und ich selber sei noch im Norden von Argentinien
an der Grenze zu Brasilien und würde dann auch am Mittwoch
in Buenos Aires ankommen. Dort würde mir der Jürgen das
Kuvert, das sein Vater, Peter, bei dir abgeholt hat, überbringen,
weil ich es für gewisse Sachen brauchen würde. Wir haben am
Samstag den ganzen Tag, jede halbe Stunde, angerufen. Es
klingelte, klingelte und er nahm nicht ab. Das durfte doch nicht
wahr sein. Es war dann bei euch in Europa abends, bei uns
Nachmittag, da kam Helmut herein und sagte zu mir: "Wir sind
ganz nervös, Mariano auch und so, weil wir wissen nicht, was
wir von dir glauben sollen. Wir glauben, dass es vielleicht nur ein
Codewort war, als du mit Martin früher telefoniert hast. Und das
Wort "Dokument" ein Stichwort / Codewort zwischen dir und
Martin war.‚ Ich hatte ja Martin am Telefon bis anhin am
einzigen Anruf nicht Bankdokument gesagt, sondern nur
Dokument. Ich flehte Helmut an: „Nein, bitte, bitte nicht!‚ Wie
hätte ich es auch machen sollen in einem Wort? Wenn sie gedacht
haben, es wäre ein Codewort gewesen für meine ganze
Gefangenschaft und der Situation hier, also alles in einem kurzen
Wort zu beschreiben. Zudem habe ich zu Helmut gesagt:
"Überlege doch bitte, was denkst du, der Martin würde jetzt
73
wissen, wo ich bin und würde das Flugzeug besteigen und nach
Argentinien kommen?" Sowieso würde er auch, wenn es so wäre,
- das habe ich dummerweise auch noch gesagt, damit "bestätigte"
ich noch ihre falsche Theorie - und wenn es so wäre, dann würde
er trotzdem das Telefon abnehmen, er würde doch nicht das
Telefon nicht mehr abnehmen. Es war furchtbar. Sie haben mir
nicht mehr geglaubt. Ja, sie glaubten ich plane ein
Befreiungskommando oder so etwas. Sie haben wieder
Morddrohungen gemacht und gesagt: "Wir werden dich am
kommenden Sonntag aufspiessen". Und nicht das Schwein, das
sie vor hatten aufzuspiessen, ein kleines Schweinchen braten,
weil dieses Vorhaben habe ich vom Knecht erfahren, weil ja
Marianos Geburtstag ist, er ist am 06. April geboren und der
kommende Sonntag dann war ja seiner. Ich habe solche Angst
gehabt, nein, bitte, bitte, bitte, ich habe solange gefleht, bis
Helmut es mir geglaubt hat, weil er dann selber denken musste,
dass wenn einer so viel fleht und wieder so um sein Leben auf
den Knien bittet, dass es dann ja stimmen muss. Für die Leute,
die nicht in derselben Situation waren wie ich, war es schwierig;
selbst die Verbrecher konnten das gar nicht begreifen, so scheint
es mir, weil sie ja in Freiheit sind. Sie sind den ganzen Tag frei
herumgelaufen und haben sich auf Millionen von Peseten
gefreut, das Geld von mir, die haben keine Ängste durchgemacht.
Das ist eine ganz andere Sache. Auf jeden Fall wurde es dann
schlimmer, weil den ganzen Samstag wir es versucht haben
Martin zu erreichen. Und wir haben uns gefragt, wieso nimmt er
nicht ab? Es kann doch nicht sein, weil der Martin hat doch
gesagt, er bliebe zu Hause. Meistens blieb er zu Hause oder, dann
habe ich aber zu Mariano und Helmut gesagt, dieser Martin ist
ein Bekannter von mir, er ist nicht von mir abhängig, er ist nicht
ein Sklave von mir, er müsse nicht wegen mir in Vaduz bleiben,
nur weil ich angerufen hätte, es könnte sein, im Gegenteil, wenn
es ihm gefalle, könne er nach Afrika gehen oder nach Australien
übers Wochenende. Und wahrhaftig, Martin war die ganze Nacht
nicht zu Hause. Wir haben die ganze Nacht von Samstag auf
Sonntag, europäische Zeit, da war bei uns ja noch 22.00 Uhr
abends oder so, probiert. Ich habe dann das Leben von Martin
durchgedacht und diskutiert, er ist keiner der abends in Bars
herumhängt, kein Säufer, und wo konnte er bloss sein und er hat
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doch gesagt, er bleibe dort, es war furchtbar. Auf jeden Fall war
es dann so, dass ich sagte, ich müsse eine Lösung finden. Ich habe
gesagt, ich rufe den besten Freund von Martin an: Sigi
Wohlwend, dies ist ein Lehrer in Balzers, ich habe jedoch die
Nummer nicht bei mir, aber der weiss sicher, ob Martin
weggegangen ist oder was immer. Helmut hat vom Mobil aus
seinen Schwager angerufen, den Peter Kroschel in Deutschland
und der Schwager sollte bei der Schweizer Auskunft abklären,
wie die Nummer des Sigi lautet. Eine halbe Stunde später wurde
Helmut wieder von seinem Schwager angerufen und Helmut
kam dann zu mir und sagte, es gäbe keinen Sigi Wohlwend,
sondern es gäbe nur einen Helmut Wohlwend und der sei noch
Anwalt und da dachten sie, es wäre eine Täuschung, ein Trick
von mir gewesen und ich hätte nur "meinen" Anwalt anrufen
wollen. Also es war furchtbar. Dann haben wir, es war schon
22.30 Uhr oder 23.00 Uhr abends, am Samstag, trotzdem diesen
Helmut Wohlwend angerufen, die Nummer, die wir vom
Schwager bekommen haben und dann sagte ich: "Hier ist Kieber
Heinrich. Ich rufe aus Buenos Aires an, es tut mir leid, wenn ich
sie störe, aber ich habe ein dringendes Bitten. Bitte können Sie
mir die Nummer von Sigi Wohlwend, vielleicht heisst er
Siegfried oder Sigmund, es ist vielleicht eine Abkürzung, geben?"
Er sagte: „Nein, nein, es muss der Sigi Wolfinger sein.‚ Dann
sagte ich: "Ja, ja, ja, das ist der Sigi Wolfinger, entschuldigen Sie
1000 Mal, dass ich störe, aber ich habe von der Auskunft ihre
Nummer erhalten." Ich konnte mich nicht mehr erinnern in den
Ängsten die ich hatte, dass der Lehrer Sigi Wolfinger heisst.
Helmut Wohlwend hat mir dann seine Tochter an das Telefon
gegeben und die Tochter hat mir die Nummer herausgesucht und
ich habe dann gewartet und gewartet und gewartet am Telefon in
meinem Zimmer. Übrigens konnten wir dann schon von meinem
Zimmer aus telefonieren, weil wir festgestellt haben, dass der
Mobilkontakt in meinem Zimmer funktioniert, weil mein Zimmer
ein Eckzimmer war. Die Linie wurde unterbrochen. Ich rief
nochmals an und dieser Helmut Wohlwend von Balzers, Anwalt,
glaube ich, wie Helmut Roegele mir gesagt hatten, der sagte, ich
solle die Nummer 38 so, so, so anrufen und ich solle solche
späten Telefongespräche unterlassen, sonst werde er ganz
"grantig", und ich habe mir gedacht, wenn der wüsste, was hier
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lief, dann würde er nicht so reden und ich habe mich 1000 Mal
bedankt. Ich habe nachher sofort Sigi angerufen und er hat das
Telefon am Samstagabend abgenommen. Sigi fand es komisch,
weil der Martin hätte ihn am vergangenen Donnerstag oder
Freitag in Balzers besucht und Martin habe zu ihm gesagt, dass er
am Freitagnachmittag kommen würde, aber gekommen sei er
nicht. Ich sagte ihm, dass ich ihn dringend sprechen müsste, dass
ich aus Buenos Aires anrufen werde und Sigi hat gesagt, wenn er
was höre, werde er es ihm sagen, er solle zu Hause bleiben, weil
der Heinrich versucht habe ihn jede halbe Stunde anzurufen. Ihn
wurmte es auch, dass er weggegangen ist, und weil er nichts
darüber gesagt hätte. Ich habe das Telefongespräch mit Sigi
beendet und Helmut und dadurch Mariano waren sehr beruhigt
über die Aussage von Sigi, leider nur vorläufig. Wir dachten, er
wird schon zurückkommen. Sonntag der 06. April kam, der
Geburtstag von Mariano, ich konnte schon ein wenig selbständig
im Zimmer laufen, mich selber mit der rechten Hand ein wenig
waschen im Badezimmer ohne dass ich in der Badewanne in die
Hocke gehen musste, weil ich nirgends aufstützen konnte mit
den schmerzenden Handgelenken. Ich konnte durch das Fenster
nach draussen sehen, wie sie ein Feuer auf dem Erdgrill auf
einem Wellblech, so nennt man das, machten. Sie haben ein
kleines Schwein geschlachtet zu Ehren Mariano's Geburtstag und
zu Ehren der grossen Geldsumme, die bald kommen würde,
nehme ich an, haben sie das gemacht. Es war eine Schweinerei;
mir haben sie nachher den halben Kopf von dem Schwein, nur
mit der Haut und kein Fleisch gebracht. Sie haben es mir auf
einem Tablar serviert und fünf Tonnen Brot dazu und „Einen
Guten‚ gewünscht. So ein verdammter ...‚ er ass das ganze
Fleisch von dieser kleinen, zarten Sau und mir gab er den Kopf
und die Haut. Ich hatte nichts gegessen, ich fand es eine
Beleidigung. Trotzdem habe ich ein wenig herumgestochert, als
hätte ich etwas gegessen und die Haut vom Schwein ein wenig
verschnitten damit es nicht so aussah, als hätte ich nichts
angefasst, damit sie nicht böse wurden. Den Kopf konnte man
sowieso nicht essen, ich weiss nur, dass das Fleisch auf den
Backenknochen, das Beste wäre, aber das war nicht mehr da. Auf
jeden Fall waren sie mir wieder böse und glaubten mir nicht und
sagten wieder, das war nur ein Code von Dir. Es war natürlich
76
keiner, aber aufgrund der allerdings komischen Anrufe, Faxe
konnte ich nicht ausschliessen, dass jemandem in Europa evt. die
Sache verdächtig vorkam. Ich habe zu Gott gebetet, dass mir
keiner irgendein Befreiungskommando schickt. Da Saavedra ein
kleines Dorf ist, welches sicher nicht 500 Polizisten hat, die haben
vielleicht einen, zwei oder drei Dorfpolizisten und wenn die
kommen würden und ich bin heute noch davon überzeugt, wenn
die gekommen wären, wüsste Mariano sofort um was es ginge
und er würde alle umbringen. Bevor er in den Knast gehen
würde, oder seine Farm verlieren, würde das Polizistenauto
verbrennen oder die Polizisten erschiessen und mich dazu! Ich
bin überzeugt davon, also wirklich, da kann ich meine Hand ins
Feuer legen. Ich habe nur gebetet, dass niemand eine solche
Organisation planen würde, denn es wäre sinnlos, es wäre
selbstmörderisch und mörderisch. Mir ging es dann wieder
besser. Sie haben mir später am Abend besseres zum Essen
gegeben: Salat, Suppe, Hähnchen und Brot und wieder das
Wasser mit dem komischen, weissen Pulver unten am Boden.
Das Wasser habe ich nicht getrunken, weil ich nicht wusste, was
es ist. Ich habe nichts getrunken, ach ja, Cola haben sie mir
einmal gebracht. Es waren alle froh, dass es mir besser ging,
immer haben sie mich gefragt, wie es mir geht und so, der
Verband wurde mir mehrmals gewechselt. Ich musste auch
seitlich verlegt werden und sie haben mir 500 ml Tabletten oder
mg, ich weiss nicht mehr, von diesem Antibiotikum "Antinags"
oder so ähnlich heisst es, gegeben. Ich habe 32 Tabletten von
denen geschluckt, alle 6 Stunden eine. Diese Tabletten haben mir
sicher auch gegen irgendeine Erkrankung geholfen. Ich hatte
wieder Gründe gesucht und mir versucht zu bestätigen, dass
Martin sicher am Montag kommt, dass er am Dienstag da ist,
obwohl Dienstag kein "Stempeltag" wäre, nach meinen
Berechnungen. Ich dachte, dass die Putzfrau jeweils Dienstags
kommt und da ja über Ostern bis zum vergangenen Donnerstag,
der erste Donnerstag im April, Martin Besuch von der Familie
mit zwei Kindern hatte, sicher die Putzfrau kommen musste. Ich
versuchte Helmut zu beruhigen. Er hat dann gesagt, sicher, sicher
und Helmut musste dann Mariano beruhigen und mich wundert
es heute noch, dass Mariano darauf eingegangen ist, dass ein
Familienangehöriger von Helmuts Seite das Geld abholte. Es kam
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zu Situationen, wo ich dem Knecht gesagt habe, bitte rufe nach
dem Sohn von Mariano, dem Mario, weil ich wissen musste, ob
die wussten was hier abläuft, denn sobald der Gesandte von
Helmut, in diesem Falle, Peter Kroschel, sobald er den Code mit
dem Sparbuch in der Hand hatte, er alleiniger Besitzer vom
ganzen Geld war. Ich habe nur gebetet, dass die keinen extra Deal
machen oder Helmut auf die Idee kommen könnte und sagen
könnte, der Heinrich hat uns angelogen, da war nicht genug Geld
darauf und ich hätte das Gegenteil nicht von meinem Zimmer
aus beweisen können. Und Mariano verstand ja kein Deutsch. Ich
habe gedacht, hoffentlich machen sie nicht so was und darum
habe ich nach dem Sohn gefragt. Mariano selber wollte ja nicht
kommen, der feige Hund. Den habe ich seit er mich am
Inlandflughafen in Buenos Aires auf den Flug nach Bahia Blanca
zu seiner Farm abgesetzt hat, seit diesem Abend, nie mehr
gesehen. Ich rief nach dem Sohn und habe Marco gesagt, nein
dem Mario, er ist der Jüngere, der Mario, ist auch der, der die
Farm leitet, als Beauftragter. Ich habe Mario gefragt, ob er wisse
was hier ablaufe, was nun geschehen sollte und ob es Mariano
auch wisse. Er hat mir bestätigt, dass er genau wisse, was ich mit
Helmut vereinbart hätte. Ich wollte ja nicht, dass da noch was
gedreht wurde und der andere den anderen betrügt und ich bin
nachher der Not leidende "Tote". Auf jeden Fall wusste Mariano
um was es ging und ich kann nur annehmen, dass er sich auf eine
Einzelperson, also auf eine Person, die nur dem Helmut vertraut
ist, eingelassen hatte. Der einzige Grund ist, Mariano hätte
natürlich Helmut und seine Frau hier in Gewalt haben können,
bis er seinen Anteil vom Verbrechen erhielt. So kam es dann, dass
am Sonntagabend in Argentinien, ca. 22.30 Uhr oder 00.30 Uhr,
nachdem wir wieder jede halbe Stunde den Versuch gemacht
haben nach Vaduz zu telefonieren, Martin prompt das Telefon
abgenommen. Helmut sprang in mein Zimmer und sagte: "Jetzt
ist er zu Hause, ich rufe gleich nochmal an". Martin erzählte, dass
er zwei Tage im Tirol bei seinen Bekannten war, die eine
Schreinerei haben, ganz unangekündigt. Ich konnte mir natürlich
nichts anmerken lassen, dass wir fast jede halbe Stunde in den
letzten 48 Stunden probiert hatten, ihn anzurufen. Ich habe
gesagt: "Super.‚ Dann habe ich ihm gesagt, wie es mir
aufgetragen wurde, dass ein Peter Kroschel, graue Haare, gross,
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vorbeikommen werde und ich fragte Martin, wann es ihm passen
würde. Er sagte, am Montag um 01.00 Uhr. Ich habe zu Martin
bei diesem Gespräch – immer mit Helmuts Ohr auch am Telefon
– gesagt: "Gehe in dein Gästezimmer, in dem Zimmer in dem
Schrank hängt eine gelbe Regenjacke, die ich mir letztes Jahr
gekauft habe, aber noch nie getragen habe. Sie hängt in einer
weissen Schutzhülle". Er ging hin, holte die Jacke raus und ich
habe extra nicht gesagt, was drin ist, weil damit der Helmut von
Martin am Telefon mithört, was drin ist. Ich habe zu Martin
gesagt: "Bitte, mache die Brusttasche auf, was findest du? Ja, da
ist ein rotes Büchlein drin. Was steht vorne drauf?" BAWAG, gut,
es ist ein Banksparbuch. Und dann war Helmut sehr erleichtert,
dass alles so gut ging. Ich sagte zu Martin: "Bitte stecke es in ein
Kuvert und am Montag kommt dieser Peter Kroschel und holt es
ab und gibt es seinem Sohn Jürgen und dieser Jürgen kommt
dann per Flug von Deutschland am Mittwoch nach Argentinien
und gibt es mir". Martin sagte: "Gar kein Problem". In dieser
Sonntagnacht haben wir "alle" wieder einmal gut geschlafen. Am
Montagmorgen um 08.00 Uhr war ich bereits wach in
Argentinien, denn 08.00 Uhr plus fünf Stunden gibt 13.00 Uhr in
Europa und ich dachte, dass dies die Stunde ist, wo ich mein
Vermögen verlieren werde, wo ich die Früchte meiner Arbeit,
meines Sparens, meiner Intelligenz verlieren werde und jetzt
wird es übergeben. Ich bin wach geblieben und habe die Stunden
gezählt und habe gedacht, ich nahm an, dass vielleicht um 13.30
Uhr der Typ schon in Feldkirch ist. Wir haben die Bank nach dem
letzten Gespräch von Freitagnachmittag mit Herrn Bröll nicht
mehr angerufen, weil Helmut es nicht wollte, da es zu verdächtig
sei. Ich nehme an, dass es so passierte: Herr Kroschel musste nach
Feldkirch gegangen sein und als Beweis wollte dann Helmut und
Mariano, dass die Überweisung, die er auf die Konten gemacht
hatte, per Fax nach Argentinien sandte. Das wurde Herrn
Kroschel so aufgetragen. Ich bin mir nicht sicher, ob er genau
wusste, was da läuft, er wusste bestimmt nicht, dass ich
eingesperrt war – aber, ich konnte dies nicht definitiv wissen.
Ihm wurde es aufgetragen und er hat es gemacht. Aber trotzdem
war er Mitläufer und er muss für seine Taten die Verantwortung
stehen. Er kann immer noch alles abstreiten, aber ich wäre froh,
wenn man ihn Einvernehmen würde oder so, das muss die
79
Polizei wissen. Ich wusste, dass sie sich geeinigt haben, Helmut
und Mariano und um es nicht offensichtlich Halbe-Halbe zu
machen, machten sie, glaube ich, machten sie 52 Prozent für
Helmut und 48 Prozent für Mariano. Mariano ist eigentlich nur
darauf eingegangen, weil Helmut argumentiert hat, dass ja mein
Reisegeld in Bar, das ich bei mir hatte, ca. CHF 8000.- und ca. US$
1 ‘500.- in US$ Noten, dass er, Mariano dieses Geld behalte
könne. Mir soll er einen Teil davon geben, damit ich überhaupt
noch ...‚ haben sie mir gesagt, ich wusste immer noch nicht, ob sie
mich freilassen würden, ich war mir nicht sicher. Bis anhin, das
muss jeder verstehen, das Wenige, was sie mir positives gesagt
hatten, haben sie natürlich auch nur darum gesagt, weil sie mich
- um ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen - manchmal in gute
Stimmung zurückbringen mussten, sodass ich positive denke.
Denn wenn ich nach massiven Drohungen seitens Mariano und
Helmuts Clique wieder überzeugt war, sie bringen mich um,
hätte ich ja auf stur stellen können, sagen können, ihr kriegt kein
Geld von mir, bringt mich gleich mit einer Kugel um. Sie mussten
ja "freundlicher‘ mit mir umgehen, damit ich alles schön mache,
was sie von mir verlangt haben.
Montagnachmittag in Europa, Peter Kroschel hat, so glaube ich,
alles erledigt und die Bank hat sich dann geweigert, das hat mir
Helmut gesagt. Die Bank hätte sich geweigert, den Fax nach
Argentinien zu schicken und so. Mich würde es nicht
verwundern, wenn er, Bröll etwas vermutet hatte. Dass es ihm
komisch vorkam, da ich ihn persönlich kenne, ich weiss nicht, ob
ich mich am Telefon komisch angehört habe, weil ich weiss
nicht<, aber ich musste ja, ich habe es nicht freiwillig gemacht.
Am Telefon mit ihm war ich ganz kalt und habe schnell die
Anordnungen durchgegeben und die nötigen Fragen gestellt. Das
Geld wurde vom Konto weggenommen und die Überweisungen
gemacht. Die Bank hat sich aber nicht bereit erklärt, dies zu faxen.
Peter Kroschel ging auf die Post, die nicht weit weg ist und
versuchte das Fax von dort zu senden. Der Fax im Haus von
Mariano hat die Nummer 0054 9239 1287, das ist auch die
Telefonnummer der Hazienda. Diese Nummer muss man zuerst
anrufen und sagen, man solle das Faxgerät in Betrieb einstellen.
Beim zweiten Anruf kann man faxen. Am Nachmittag um ca.
15.00 Uhr bis 16.00 Uhr europäische Zeit kam Helmut in mein
80
Zimmer. Er kam ins Zimmer und erzählte, dass dummerweise
nur der obere Teil des Fax angekommen sei, den Herr Kroschel
geschickt habe. Und nur mit genau dem Teil von Helmut
Roegele's Überweisungen und nicht den von Mariano, was
Mariano natürlich wieder sehr misstrauisch stimmte. Er dachte,
er hätte nichts gekriegt, es war wieder ein Drama. Ich war dann
nicht mehr der Wichtigste nachdem das passiert war und sie
haben Herr Kroschel, der wieder auf die Hausnummer angerufen
hat, eine andere Faxnummer gegeben und zwar die Faxnummer
von einem Telefondienst im Dorf von Saavedra. Wir mussten also
noch länger warten, bis Herr Kroschel die Überweisungsbelege
auf die neue Faxnummer in Saavedra geschickt hatte und jemand
musste sie dort holen gehen. Ich habe die Überweisungen nie
gesehen, sie haben mir die Faxüberweisung nie gezeigt. Nur
davon gesprochen. Die Zeit verging an dem Montag und alle
waren sichtlich erleichtert oder „Happy‚, weil sie meine Kohle
gekriegt hatten. Vor allem Mariano, der hat sich einen schönen
Schnitt daraus gemacht. Nicht nur die Hälfte meines Geldes hat
er genommen, sondern auch die Geldschuld, die er mir schuldet,
kann ich vergessen. Auf jeden Fall war ich ganz nervös - alle
anderen waren Happy. Nur ich wurde immer nervöser und
unruhiger und zitterte, weil ich dachte, wenn sie mich jetzt
umbringen oder umlegen wollen, dann müssen sie es schnell
machen. Ich vermutete, dass sie mir jetzt nicht mehr geglaubt
haben, dass ich nicht mehr Geld besitze und dass sie zuerst
vermutlich dachten, wir nehmen das, was wir haben und dann
können wir ja immer noch...... Sie haben genug Andeutungen
gemacht. Sie können mich ja immer noch foltern oder mir Angst
machen oder dann wieder einsperren. Ich hätte mich nicht
gewundert, wenn sie mich nur aufgepäppelt hätten, damit ich
das alles mache und wenn ich dann wieder gesund bin, kann ich
ja wieder in den Kerker gehen, wenn keine Lebensgefahr wegen
den Verletzungen mehr besteht. Helmut hat, um die Bank "zu
beruhigen", mir aufgetragen bzw. mich gezwungen, dass ich die
Bank am Nachmittag, bevor sie geschlossen haben, am
Montagnachmittag wieder anrufe und Herrn Bröll verlange und
mich für die ganze Transaktion bedanke. Ich habe dann
angerufen und Herrn Bröll hat abgenommen und ich habe ihm
gesagt: „Vielen Dank Herr Bröll, ich erzähle es Ihnen dann, wenn
81
ich wieder nach Hause komme.‚ Mariano hat dann zeitweise an
diesen Tagen entweder Helmut alleine oder Helmut samt seiner
Frau oder nur seiner Frau Besucherverbot für mein Zimmer
erteilt. Mariano hatte Angst – keine Ahnung warum - dass ich
etwas mit Helmut aushecken könnte, weil er und sein Clan kein
Deutsch verstanden. Sie haben deshalb verboten, dass ich mit
Helmut auf Deutsch spreche. Ich habe mich dann immer
aufgeregt, weil Helmut immer mit mir Deutsch gesprochen hat
und ich habe dann spanisch geantwortet, damit es mein
Bewacher auch hört und damit sie sahen, dass ich nichts mit ihm
habe, also keinen Deal hinter dem Rücken machen will, sondern
dass ich ihm auf Spanisch antworte und ich nichts dafür kann,
wenn Helmut nicht auf Spanisch mit mir sprach. Dies hat dann
der Bewacher verstehen können. Und er, der Bewacher immer,
nachdem Helmut oder seine Frau - welche nicht gut deutsch
spricht und ich nur spanisch mit ihr rede - mich besucht haben,
weggerannt und zu Mariano gegangen ist und ihm alles erzählt
hatte. Mariano war immer informiert. Ich habe den Sohn von
Mariano, Marco, gefragt, ob Mariano mich besuchen kommt oder
was er vorhat. Darauf sagte er, im Moment wisse er es nicht, sie
müssen da noch schauen. Da habe ich mir gedacht, oh je, jetzt
machen sie wieder so ein Spiel, vielleicht haben sie einen
Kurzschlusseffekt und bringen mich doch um. Auf jeden Fall zu
meiner Verwunderung bin ich dann eingeschlafen und am
Montagabend konnte ich nicht gut schlafen und habe immer zur
Tür geschaut, ob nicht doch noch einer kommt und mir die Kehle
durchschneidet. Am Dienstag haben sie mich dann aus dem
Zimmer gelassen und einen bewachten Rundgang gemacht,
nachdem ich schon fast 1 1/2 Wochen oder über 10 Tage
eingesperrt war - und das 24 Stunden, ohne dass ich viel bzw.
überhaupt nichts gesehen habe, ausser aus dem Fenster raus, vor
allem im zweiten Zimmer. Zu meiner Überraschung haben sie
dann Helmut Fluginformationen einholen lassen, wie er mir
erzählt hatte. Und sie haben mir gesagt, dass es am Besten sei,
wenn ich am Dienstagnachmittag verdufte, sofern ich gehen
könne. Was mich am Meisten verwundert hat ist, dass Mariano
sich mit einer Fotokopie der Überweisung zufrieden gab. Ich
hatte gedacht, er würde sicher warten, bis seine Bank in Spanien was sehr lange dauern kann - bestätigt, dass sie das Geld erhalten
82
haben. Ich vermute, dass ich heute hier sitzen kann und mein
Herz normal schlägt und mir nur die Hände und der Hals weh
tun, hat vielleicht auch damit zu tun, dass ich mit meinem
Selbstmordversuch denen vor Auge geführt habe, was überhaupt
hier passiere. Ich weiss es nicht - nein, ich kann es nicht sagen. Ich
kann nur sagen, und das müssen Sie mir bitte glauben, es hätte
auch ebenso gut das andere passieren können. Sie hätten nämlich
kein Problem gehabt, mich umzulegen und irgendwo zu
verstecken. Es wäre entweder das Eine, eben Freiheit, welche ich
jetzt habe, oder das Andere passiert. Beides hatte die gleich
grosse Chance, dass es mir passieren könne. Damit will ich sagen,
dass es in den Köpfen von denen war, mich zu beseitigen,
nachdem ich das Geld bezahlt habe, oder vorher, wenn ich nicht
tue was sie wollen. Es war immer ein Kopfproblem. Das haben
sie mir durch die vielen Details, die ich auf diesen sieben
Kassetten darauf gesprochen habe, ständig bewiesen und auch
mir vor Augen geführt, dass sie die Möglichkeit hätten, indem es
notwendig wäre, die Möglichkeit auch ausnützen werden. Wie
z.B. mir gleich nach dem Unfall mit einem kalten Blick gesagt
wurde, dass, wenn ich jetzt nicht selber gesund werde, dass sie
mich umlegen müssen oder verbrennen bzw. vernichten müssen.
Es geht einfach nicht anders, weil ich auf keinen Fall ein Spital
oder einen Arzt aufsuchen darf.
Am Dienstag haben sie mich gebeten meine Sachen zu packen.
Das habe ich dann auch gemacht. Ich wollte immer mit Mariano
sprechen, aber er kam nicht. Wahrscheinlich war er zu feige und
hat immer seine Söhne vorgeschickt. Einmal hat mir der Wächter
gesagt - der Vogel - :Es war vermutlich naiv von mir zu denken,
nachdem was sie mir alles angetan hatten, dass ich noch denke er
würde kommen und mit mir sprechen. Vermutlich hatte er
Angst, ich würde ihm eine kleben oder ihn ermorden oder ich
weiss auch nicht. Aber man denkt halt anders, wenn man in
Gefangenschaft ist, nicht normal und oft nicht logisch. Aber oft
doch sehr logisch. Auf jeden Fall kam es so, dass sie
abgesprochen hatten, dass Helmut mich bis zu meinem Flug
begleitet und ich abhauen soll. Sie wussten ja von meinen
Aussagen, von meiner Angst, die ich hatte. Ich würde nie, wenn
ich auch die Möglichkeit gehabt hätte, zur argentinischen Polizei
gehen, denn das Land ist so korrupt und kompliziert. Ich hatte
83
solche Angst, dass sie mich im Effekt erschiessen würden, bevor
ich überhaupt eine Zeugenaussage machen könnte. Ich war nicht
immer ein guter Mensch, jeder hat seine Fehler, aber ich bin nicht
deprimiert, nachdem was vorgefallen ist. Klar ist das Geld weg,
aber ich verdiene es wieder, aber das ist mir im Moment nicht
wichtig, ich kann ja wieder arbeiten und bin gesund. Aber das
Gefühl der Freude, dass ich noch LEBE - da ich ja wirklich hätte
tot sein sollen - ist viel grösser als die Trauer über das was mir
angetan wurde. Nur Dank der Differenz zwischen den Gefühlen
kann ich jetzt noch als gerader Mann aufstehen und mein Leben
weitermachen. Ich sehe vieles in einem anderen Licht, sehe viele
kleine Freuden und würde auch nicht mehr weggehen. Ich will
nicht mehr reisen, ich hatte so viel Heimweh gekriegt, weil ich ja
noch nicht von dieser Welt gehen konnte, ohne mich von allen zu
verabschieden. Das konnte nicht das Ende sein, in einem Grab
oder Ofen in Argentinien, das ich noch nie zuvor gesehen hatte.
Selbst wenn ich als Toter nach Mauren gekommen wäre, könnte
es nicht sein, dass ich schon als 32-Jähriger ein Grab mit einem
Kreuz bei der Maurer Kirche habe. Darum ist die Freude noch
viel grösser, dass ich jetzt noch lebe.
Ich weiss, Liechtenstein lässt mich nicht verhungern.
Auf jeden Fall traute ich niemandem mehr dort in Argentinien,
ich wollte nur Helmut sagen, nimm mich mit, wenn Dir noch
etwas an mir liegt. Ihr werdet vielleicht fragen, wo ist der Hass?
Ich hatte damals keinen Hass. Der Hass kommt vielleicht heute
oder jetzt oder seitdem ich frei bin. Klar empfindet man riesigen
Hass und ich würde vielleicht dasselbe denen antun. Aber was
eben den Wandel oder das so nahe am Tod gewesen zu sein, löst
dann doch einen Prozess aus, wo einem doch alles andere, vor
allem die negativen Dinge nicht mehr interessieren. Wenn ich
mich mit Helmut oder Mariano näher befasse, färbt es nur
negativ auf mich ab. Ich will mich gar nicht mehr damit befassen.
Ich vertraue der Liechtensteiner Polizei und der Justiz, die
bestimmt das tut, was ich vielleicht selbst in die Hand genommen
hätte. Vor allem die dummen Leute, da ich weiss, wie sie heissen
und wo sie wohnen. Ich weiss alles. Ich kenne sogar ein wenig
ihre Lebensgewohnheiten. Ich weiss nicht, was sie sich dabei
gedacht haben.
84
Auf jeden Fall habe ich meine Sachen gepackt, hatte frische
Unterwäsche und Hosen an, die Schuhe geputzt und die letzte
Bandage um den Hals und die Hände gemacht und das Zimmer
nochmals angeschaut. Dann hiess es, Mariano würde uns –
Verbrecherehepaar Roegele und mich - zum Flughafen fahren ca. 100 km weit weg. Er alleine mit meinem Koffer, Helmut und
seine Frau wollten auch weg von dort, weil sie vermutlich Streit
hatten. Ich weiss aber nicht, ob das alles nur vorgespielt war. Ich
kann nur aus meinen kleinen vier Wänden das beschreiben, was
ich selber erlebt habe. Alles was sich ausserhalb abgespielt hat,
kann ich nicht richtig beurteilen. Nach dem Mittagessen am
Dienstag, ca. 13.00 Uhr, meine Sachen hatte ich gepackt, meine
Ausweise hatte ich nicht gesehen, die müssten noch irgendwo
sein. Dann haben sie mir gnädigerweise, weil ich gesagt habe,
dass ich kein Geld mehr habe, von meinem eigenen Geld Fr. 3000.
- und US 200.- gegeben, damit ich etwas hatte, wenn ich in
Zürich ankomme. Ich wusste noch immer nicht, ob sie mich
wirklich gehen lassen werden. Ich konnte es einfach nicht
glauben. Ich wollte es aber nicht zeigen. Ich habe einfach wie
apathisch das gemacht, was sie von mir verlangt hatten und dann
meine Koffer gepackt. Mariano kam dann eine halbe Stunde
bevor ich das Zimmer verliess zu mir und hat nicht viel gesagt.
Er hat mir meinem Pass hingeschmissen und die Wunde
angeschaut und ist dann wieder gegangen. Er hatte noch zwei
Wächter dabei, da sie wohl Angst hatten ich würde versuchen
Mariano mit meinen Händen zu erwürgen oder so. Auf jeden Fall
habe ich gedacht, das ist ein zu einfacher Abgang, das kann nicht
sein. Aber ich nehme an, dass sich die Sache ein wenig gewendet
hat, dadurch dass Helmut und Mariano sich in die Haare
gekommen sind und Helmut nun auch um sein Leben gebangt
hat oder auch nicht. Dies ist auch nur mein Eindruck. Wir sind
dann alle in den Ford Bronco eingestiegen, das ist ein USFordmodel, ein Riesending mit einem gewaltigen Motor und
zwei Türen vorne und hinten eine Heckklappe und hinten mit
einer kleinen Bank und vorne mit zwei grossen Sitzen. Es hatte
einen braunen Teppich und ein argentinisches Kennzeichen. Er
hatte dieses Fahrzeug zu der Zeit gekauft, als er die Farm gekauft
hatte. Die Farm hat er auch nicht länger als seit 1991, glaube ich.
Dann habe ich noch gehört, wie Mariano seinen Sohn fragte, was
85
der schnellste bzw. einfachste Weg aus der Farm ist und wenn er
das Haupttor verlassen habe, ob er dann links oder rechts fahren
soll. Links ging es dann über das Dorf Saavedra und dann auf die
Nationalstrasse und rechts ging es über Grenzstrassen zwischen
den Farmen auf die Nationalstrasse. Wenn er nach rechts fahre,
spare er ca. 15 oder 18 km. Mich wunderte es, dass Mariano, der
oft auf der Farm war, seinen Sohn nach dem kürzesten Weg
fragen musste. Auf jeden Fall sind wir dann alle eingestiegen und
zu aller Frechheit wollten sie noch ein Foto mit mir machen, die
spinnen ja vollkommen. Vielleicht brauchten sie das zum
Erklären, dass es ein „lustiges Ferienabenteuer‚ für mich war.
Einbandagiert, mit langen Hosen, dasselbe was ich heute hier bei
der Polizei anhabe. Wir sind dann losgefahren. Obwohl der Sohn
sagte, dass man links fahren solle, ist Mariano nach rechts
gefahren. Wieso ist er nach rechts gefahren? Da bekam ich Angst.
Vor uns tauchte ein weisses Auto auf. Vielleicht wollte er mich,
weg von den Hausangestellten und seiner Frau Carmen neu
irgendwohin verschleppen und umbringen. Mit Hilfe vom
Roegele. Auf einmal sah ich ein kl. Weisses Auto. Ich dachte
sofort dies könnte die Söhne von Mariano sein; Roegele machte
dann ein Scheisskommentar und sagte dass jetzt die letzte Stunde
für mich geschlagen hat. Sie mussten den Angstpegel hoch
halten, damit ich nicht auf dumme Ideen komme. Aber das
andere, kleine, weisse Auto ist dann Richtung einer anderen
Farm gefahren. Weit vor uns sah ich eine Strassenblockade und
ich habe wieder gezittert und gedacht das ist das Ende. Dann
lieber eine Kugel, warum wieder das ganze Drama. Aber es hat
sich dann herausgestellt, dass es die Strassenarbeiter mit
Baumaschinen waren, die die Strasse neu planiert haben. Wir
fuhren und fuhren. Ich sagte kein Wort und war froh um jeden
Meter, den ich von dieser Farm hinter mir liess. Es war so heiss
und staubig.
Und nach ca. einer Stunde kamen wir in Bahia Blanca an. Bahia
Blanca ist ein Dorf von ca. 100.000 Einwohnern. Wir gingen gleich
zum Flughafen. Ich hatte kein Ticket von Bahia Blanca nach
Buenos Aires. Ich hatte nur das Bargeld und mein Gepäck. Ich
war erst da ziemlich sicher, dass ich nicht sterben werde oder
sicher, dass mir nichts passieren würde. Weil auf dem Weg von
der Farm bis zum Flughafen hätte noch ein Unfall oder alles
86
Mögliche passieren können. Mariano hat sich dann
verabschiedet, mehr oder weniger freundlich. Ich wollte ihm
natürlich nicht die Hand drücken. Ich wollte aber nicht gehässige
oder aufmüpfig erscheinen, weil ich Angst hatte, er könnte
meinen, ich wolle Rache üben. Ich hinterliess nur den Eindruck,
dass ich auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause wollte.
Wir haben gewartet.
Helmut hat mit seiner Kreditkarte, ich weiss nicht, ob es eine
Goldene war, uns allen drei - mir, seiner Frau und sich - das
Ticket bezahlt. Ich glaube wir flogen mit LAPA oder LACA, eher
LAPA von Bahia Blanca nach Buenos Aires, das kostet pro Person
USD 68. -. Für mich wurde auch ein Lufthansaflug reserviert. Die
Lufthansa fliegt am Montag, Mittwoch und Freitag - so glaube
ich. Wir haben am Dienstag für den nächsten Tag reserviert,
obwohl der Flug ausgebucht war, aber ich war auf der Warteliste.
Mein ursprüngliches Lufthansaticket hätte dann geändert werden
können, da ich am 21. April ja fix den Rückflug original gebucht
hatte. Ich konnte im Flugzeug nach Buenos Aires nur weinen.
Verbrecher Roegele sass auf der anderen Seite des Ganges mit
seiner Frau neben mir, stumm. Ich sagte auch nichts, ich wollte
auch niemanden sehen. Sie haben zwar Polizisten im Flughafen,
aber was sollte ich jetzt tun. Nachdem was geschehen war, hat
man keine Energie mehr. Ich wusste nicht, würden sie mir
glauben oder nicht. Vielleicht halten sie mich für verrückt und
stecken mich in eine psychiatrische Klinik. Ich wollte nur weg
von diesem Land, vom ganzen Kontinent und einfach nach
Hause. Wir sind dann am Abend in Buenos Aires angekommen.
Es war schon ein wenig dunkel. Wir steigen in ein Taxi und
fuhren zum Hotel, das Mariano für uns reserviert hatte. Helmut
und seine Frau hatten ein Doppel- und ich ein Einzelzimmer. Es
war dasselbe Hotel, in welchem ich schon bei meiner Hinreise
war – Salles. Dort habe ich mich eingeschrieben, mit richtigen
Namen und eigener Passnummer und so. Alle gingen aufs
Zimmer und ich musste mir neues Verbandsmaterial kaufen.
Helmut sagte zu mir, dass ich das selbst kaufen gehen solle. Das
überraschte mich sehr. Ich bin dann zum Hotel raus und dachte,
dass sie mir evtl. folgen. Ich ging zum Schein in ein, zwei, drei,
vier Apotheken bis ich das gefunden hatte, was ich brauchte - die
anderen hatten es nicht. Als ich dann sicher war, dass mir keiner
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folgte, habe ich Leute gefragt, wo ich einen Fax senden könne. Ich
bin dann sofort, es war dann Dienstag um 20.30 Uhr oder 21.00
Uhr, in Europa Mittwoch, 01.00 Uhr oder 02.00 Uhr morgens, zur
Hauptstelle der staatlichen Telefongesellschaft von Argentinien
gegangen. Dort im Erdgeschoss gab es eine Möglichkeit ins
Ausland zu Telefonieren oder zu Faxen. Ich habe mit zitternder
Stimme darum gefleht, dass sie mir zwei Blatt Papiere oder ein
Blatt und einen Kugelschreiber geben sollen und ich musste die
Faxnummer von Feldkirch erfragen. Ich dachte mir, ich kann es
nicht der Polizei in Liechtenstein oder Österreich schreiben, in
nur einer Seite – die würden die Situation nicht auf Anhieb
kapieren; und zudem war Herr Direktor Bröll der Einzige, der
den Zusammenhang erkennen könnte, mit dem Wenigen das ich
ihm geschrieben habe. Also habe ich von der Kabine Nr. 43 aus,
welche sich im untersten Stockwerk vom Hauptgebäude der
Telefongesellschaft von Argentinien, zuerst die argentinische
Auskunft angerufen und darum gebeten, dass sie mir die
Faxnummer von der BAWAG in Feldkirch geben. Die Auskunft
in Wien sei um diese Zeit nur sehr knapp besetzt und sie müssten
deshalb zurückrufen, wurde mir mitgeteilt. Ich hoffte, dass es
schnell geht damit Roegele nichts merkt- das ich so lange weg
bin. Dann kam der Rückruf und sie gaben mir eine Nummer mit
der Vorwahl 512 und ich wusste, dass die Nummer nicht
stimmen konnte. 512 ist nicht Feldkirch. Vielleicht ist es 5522. Ich
hatte der Frau gesagt, die zurückgerufen hat, dass es nicht sein
kann. Und dann hat sie nochmals nachgeschaut und gesagt, dass
es schon stimme und dies eine Faxnummer sei. Es kann schon
sein, dass es evtl. Innsbruck war, dachte ich mir. Der Mann an
der Kasse der Telefongesellschaft hat mir nämlich eine alte Liste
gezeigt, auf der Innsbruck mit 512 aufgeführt war. Und es konnte
schon sein, dass es eine Faxnummer in Innsbruck war, evt. auch
von der BAWAG - aber ich wollte ja Feldkirch haben. Auf jeden
Fall habe ich den Brief fertig geschrieben und darauf vermerkt,
dass ich diese Nummer erhalten habe und wenn es eine falsche
Adresse ist, sollen der Empfänger dieses Fax ihn an die BAWAGZentrale in Wien oder Herrn Bröll in Feldkirch weitersenden. Ich
habe dann nochmals die Auskunft angerufen und habe die
Faxnummer von Wien erhalten, mit einer Eins. Dann habe ich die
Nummer gewählt und die zwei A4-Blätter der dort arbeitenden
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Frau - in der Telefongesellschaft in B.A. - in die Hand gegeben.
Dann kam aber kein Fax-Ton sondern eine männliche Stimme. Da
sagte ich, das kann doch nicht wahr sein. Die Frau gab mir dann
den Hörer in die Hand und ich habe dann gesprochen. Es war
dann tatsächlich die BAWAG in Wien. Da dachte ich mir, was
macht denn ein Arbeiter der BAWAG um 02:00 Uhr nachts? Es
war soviel ich weiss der Nachtwächter und ich habe ihn nur um
eine Faxnummer gebeten. Er sagte mir, ich solle an die jetzt
gewählte Nummer die Ziffern, ich glaube es waren 2490 oder
2480, anhängen. Es ist mir zwar komisch vorgekommen, dass ich
erst eine normale Telefonnummer anwählen und dann diese
Nummer anhängen musste. Aber ich nahm dann an, dass es sich
vermutlich um einen Telefoncomputer handelte. Also habe ich es
gemacht. Und es war eine Faxnummer und es hatte funktioniert.
Ich hatte den Fax geschickt und bin nachher gleich zurück zum
Hotel gegangen und schon waren Helmut und seine Frau beim
Eingang des Hotels und hatten gefragt wo ich gewesen wäre und
was ich gemacht hätte. Ich hatte Angst, denn ich hatte für das Fax
US$ 27 bezahlt und ich hatte US$ 200 bei mir gehabt. Auch hatte
ich aus dem Geld noch Telefonkarten gekauft, falls ich meine
Mutter oder jemanden anrufen könnte. Denn vom Hotel aus
wollte ich nicht anrufen, da ich befürchtete, dass Helmut evtl. die
Liste von meinen geführten Gesprächen verlangen würde. Ich
hatte Angst, dass Helmut auf die Idee kommen könnte und
meine Geldtasche verlangen würde und ich könnte nicht
erklären, warum ich auf einmal US$ 45 weniger hatte. Die Binde,
die ich kaufte kostete nur US$ 3 also müsste ich ja von diesen US$
200 noch US$ 197 haben. Aber ich hatte ja nur noch US$ 155, weil
ich für die Telefonkarten US$ 18 und Fax US$ 27 bezahlt hatte. Sie
haben dann aber nicht nachgefragt. Sie sagten nur, ich solle zum
Essen mitkommen. Sie wollten mich nicht aus den Augen
verlieren. Ich bin dann mit essen gegangen. Ich habe nicht viel
gemacht und gesagt. Interessant war, dass sie die ganze Schuld
Mariano zuschieben wollten. Es sei seine Idee gewesen. Es sei
seine Sache.
Wir gingen dann ins Hotel und ich konnte in der Nacht nicht
schlafen. Ich war so nah am Ziel und ich wollte nur noch weg. Ich
wusste, dass es einen Swissairflug am Mittwoch morgen gibt,
und zwar der um 9.40 Uhr. Die Lufthansa würde erst am
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Nachmittag fliegen. Ich wollte nicht noch warten. Also habe ich
meine Sachen gepackt, habe mich rasiert und ich habe meine
letzte Binde selber gemacht, dieselbe, mit welcher ich später im
Vaduzer Spital aufgekreuzt bin. Ich bin dann schon um 05.00 Uhr
aufgestanden oder 04.00 Uhr oder 03.00 Uhr, ich weiss es nicht
mehr genau und bin aus dem Hotel raus gegangen. Es hatte ein
Nachtportier. Ich bin weit weggelaufen und habe eine
Telefonzelle gefunden und habe dann eine Nummer gewählt und
prompt hat jemand abgenommen und ich wurde mit Herrn Bröll
verbunden. Ich habe ihn gefragt, ob er meinem Fax erhalten habe.
Er bejahte. Er sagte, er bringe mich in Sicherheit und ich sagte,
dass ich schon halb in Sicherheit bin. Aber ich spürte von ihm
Vertrauen. Ich wollte nur weg.
Man kann niemandem mehr trauen im Land, es ist so korrupt.
Die Telefonkarten waren sehr schnell aufgebraucht und ich
konnte nicht mehr mit Herrn Bröll sprechen. Ich bin dann sofort
ins Hotel zurück, habe ausgecheckt und für mein Hotelzimmer
bar bezahlt (US$ 70). Ich habe den Sammelbus genommen, der
vor dem Hotel stand. Ich war schon früh am Flughafen und habe
nach dem Swissairflug gefragt. Es hatte noch Platz und kostete
US$ 1'600, nur Hinflug. Das sind fast CHF 2'500. Dann hat der
Swissairangestellte mir einen besseren Deal vorgeschlagen und
zwar, ich solle ein Rückflugticket, obwohl ich gar nicht mehr
zurückkehren wollte, kaufen: das kostete nur US$ 1'118. Ich habe
also genügend CHF für diesen US$-Betrag umgetauscht und das
Ticket bezahlt. Ich bin ohne Probleme durch die Passkontrolle
gegangen und habe einen Stempel bekommen. Und habe das
Flugzeug bestiegen. Ich habe nur geweint, geweint und geweint,
alles zusammen! Ich war nur froh, dass ich überlebt habe. In
Vaduz bin ich mit dem Reisegepäck direkt ins Spital gegangen.
Herr Dr. Moser hat mich angeschaut. Jetzt ist die Geschichte zu
Ende und was weiter geschehen wird, wird sich zeigen. Ich hoffe,
dass für das menschliche Verbrechen, das mir angetan wurde,
vor allem Mariano Marti-Ventosa Roqueta und auch Helmut
Roegele und Bande ihre Strafe erhalten werden. So wie es Gott
oder die Justiz vorgesehen hat. Ich danke allen für ihre Hilfe, die
sie mir entgegengebracht haben und ich möchte auch bitten, dass
Sie in vollem Bewusstsein sind, dass es ein schwerer Schlag für
mein Leben war, und dass ich jetzt nicht weiss, ob ich doch noch
90
irgendwie Depressionen erhalten werde. Im Moment sehe ich das
zwar nicht so, aber vielleicht kommt es später, wenn ich ein
normales Leben führe, dass mich dann die Gedanken oder die
Erinnerung an die Geschichte sich wieder aufwärmen.
Vielen Dank für alles. H.K. 11. und 21. April 1997.
Ende Originaltext (OT) meiner Anzeige.
Nach der erforderlichen Anzeige (auf Tonband) und der weiteren
Detailangaben zum Verbrechen war ich sehr befreit. Wie um
tonnenschwere Felsen erleichtert schritt ich aus dem Polizeigebäude
Vaduz hinaus, in den schönen, warmen und sonnigen Aprilnachmittag.
Am 17.4. habe ich der Polizei weitere Angaben über die Gefangenschaft
in einem Schreiben überbracht:
A) Glühbirne, Notiz, Zahnfleisch
Ein anderes Detail des Kellers (Wasserturm), wo ich gefangen
gehalten wurde, sind die 3 Glühbirnen. Im runden Raum ist ein
Licht links oben, gleich beim Eintritt durch die Türe (so hoch,
dass ich es mit angespannter Kette gerade noch berühren
konnte). Ursprünglich, d.h. während meinen ersten Tagen, war
eine 60 Wattbirne aus klarem Glas in der einfachen Fassung drin.
Sie ging zu Bruch und ich musste sie mit einer der 2 anderen
Birnen tauschen, wollte ich nicht 24 Std. im Dunkeln sitzen. Im
Durchgangsraum (vom rundem Raum zum WC-Raum), dort wo
das grössere Waschbecken installiert ist, ist ein Licht links oben
montiert, quasi auf der gerundeten Aussenwand des Turms. Ich
schraubte die Birne raus, es war eine 40 Watt aus mattem Glas
(evt. auch eine 60 Watt; aber auf jeden Fall eine schwächere Birne,
als die‚ die ich dann im WC-Raum abgeschraubt habe). Jene vom
WC-Raum - auch aus klarem Glas - brachte ich in den runden
Turmraum weil sie die Stärkste war und jene vom
Durchgangsraum schraubte ich in den WC-Raum - oberhalb des
kleinen hölzernen Spiegelkästchens.
Ich habe mir während der Gefangenschaft auch Gedanken
darüber gemacht, wie ich ein Hinweis meines "dortgewesenseins"
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hinterlassen kann. Ich kam auf die Idee eine kleine Notiz auf
Spanisch irgendwo zu verstecken - Möglichkeiten gab es dazu
sehr viele. Ich schrieb sogar auf einen kleinen Zettel (Papier und
Schreibzeug hatte ich ja) ein Text mit folgendem Inhalt : HIER
WAR ICH, HEINRICH KIEBER aus Liechtenstein seit dem
Donnerstag vor Ostern 1997 gefangen gehalten bis zum Tag
meiner Freilassung oder Todes. Ich hätte auch eine gute Stelle
gefunden, und zwar war das grosse Waschbecken im
Durchgangsraum unten auf zwei aus der Wand herausragenden
ca. 4 cm langen Eisenstützen gestellt. Zwischen dem
Beckenboden und dem Eisenstück hätte die Notiz gut rein
gesteckt werden können. Ich tat es nicht, weil ich auf einmal
Angst bekam, dass wenn die Verbrecher vielleicht auch darauf
kommen könnten, dass ich so was tue, und es dann finden
würden, dann möchte ich nicht an die daraus resultierende Strafe
denken. Somit verschwand meine kleine Notiz in tausend Stücke
Ein anderes Erlebnis hatte ich mit meinem Zahnfleisch: Die Täter
geben mir sehr wenig zu Essen, von dem ich noch weniger ass. Es
kam vor, dass ich im Turm über 24 Stunden nichts zu mir nahm
(ausser eventuell ein Schluck Wasser aus der Flasche). Als ich
dann später einen Apfel (grüner) essen wollte und natürlich
beissen musste, tat mir mein Zahnfleisch so weh, dass ich dachte,
die Zähne bleiben im Apfel stecken. Ich vermute, dass es damit
zusammenhängt, dass ich über eine so ungewöhnlich lange Zeit
nichts gebissen habe. Mit ein Grund kann auch die hohe
Luftfeuchtigkeit und die dauernde Kälte sein. Dies müsste ein
Arzt oder Zahnarzt bestätigen.
B) Genauer Tag
In meiner Tonbandaussage habe ich, so mag ich mich erinnern,
den Dienstag 01. April als den Tag genannt, wo ich die grösste
Todesangst empfand und mir (auf Grund der aussichtslosen
Situation in der ich mich befand) das Leben nehmen wollte.
Ich rechne die Tage hin und her und bemühe meine Erinnerung
so stark es geht: ich kann aber heute nicht ganz genau sagen, ob
es der 01. April oder der 02. April war. Ich weiss nur ganz genau,
dass es nicht am Sonntag 30.3. war (weil mein Geburtstag) und
nicht am Montag 31.3. war (weil der Geburtstag meiner Mutter)
92
und ich die Tage bis zum 31.3. mittels Strichlein gezählt habe.
Durch den Schock des getriebenen Selbstmordes entstand wie
eine Lücke in meinem Gehirn, was den genauen Monatstag
betrifft. Wieder sicher bin ich mir aber ganz, dass ich die Nacht
vom -Donnerstag nach Ostern (1. Donnerstag im April) im neuen
Gefangenenzimmer im Haupthaus verbracht habe, weil ich sehr
früh am Freitagmorgen (ca. 3.00 Uhr / 4.00 Uhr morgens)
gezwungen wurde, den Hr. Bröll zum Ersten mal anzurufen,
nachdem die Verbrecher den Fax nach Feldkirch gesendet hatten.
Am 21.4. ging ich wieder zur Polizei. Dort wurde mir eine Abschrift der
Tonbandaussage vorgelegt, so dass ich eventuelle Fehler oder
Missdeutungen korrigieren konnte. Es gab nur ganz wenige Stellen, wo
ich etwas berichtigen musste. Dann wurde die Abschrift als Anzeige
angenommen. Eine Kopie wurde mir gegeben. Selbstverständlich habe
ich in den in Folge der Polizei und den Untersuchungsbehörden alle
Dokumente und Beweise im Original überlassen: wie zum Beispiel dem
beglaubigten Darlehensvertrag zwischen Mariano Marti-Ventosa
Roqueta und mir vom 6.3.1993, den notariell beglaubigten
Immobilienverkauf- bzw. Kaufvertrag zwischen Helmut Roegele und
mir vom Oktober 1996 (worin er richtigerweise schriftlich bestätigt hatte,
dass er die ganze Kaufvertragssumme für die Wohnung in BAR und vor
der Unterzeichnung erhalten hatte), die Faxe von Mariano, datiert vom
31.1., 9.2. + 12.2. (alle 1997), womit er mich nach Argentinien lockte. Die
Behörden machten für sich Kopien von allem und die Originale bekam
ich später wieder zurück.
Was wurde aus meinem Sparbuch? Ich hatte Glück, riesengrosses Glück.
Auf Grund meines Fax an die BAWAG wurde die Bank sofort aktiv und
versuchte fieberhaft die schon eingeleiteten Banküberweisungen an die
Verbrecher Helmut und Mariano zu stoppen. Das Geld war schon von
der BAWAG weg und sogar schon ausserhalb Österreichs. Wie ein
Wunder, wirklich wie ein Wunder konnte die BAWAG die Gelder in
allerletzter Sekunde zurückholen. Dies nur darum, weil es bei noch auf
einem Konto bei ihrer Korrespondenzbank im Ausland lag, und noch
nicht auf die Bankkonten der zwei Verbrecher weitergeleitet wurde,
welche bei anderen Banken eingerichtet waren. Es war also pures Glück,
dass weder Helmut noch Mariano zufällig ihre Bankkonten nicht auch
bei der Korrespondenzbank der BAWAG in Spanien hatten. Dann wäre
93
er zu spät gewesen, weil nur ein Gericht in Spanien die definitive
Gutschrift auf die Konten der Beiden verhindern hätte können, bzw.
rückgängig machen können. Ich konnte es nicht glauben, als mir Dir.
Bröll die Gute Nachricht brachte. Man kann sich die langen Gesichter der
Verbrecher gar nicht vorstellen, als sie erfolglos bei ihren Banken
nachgefragt haben mussten, warum die dicke Kohle noch nicht
angekommen war. Beide hatten sicher einen 99-prozentigen Herzinfarkt,
als ihnen ihre Bank mitteilte, dass nix eingetroffen war. Nachdem was
sie alles an operativer Logistik, an Brutalität und Waffengewalt ausüben
mussten, um meine Entführung, meine Gefangennahme, Erpressung
und Folter erfolgreich zu machen. Beide haben sicher vor Wut gekocht.
Hätten sie mich in Argentinien nur 24 Stunden länger gefangen gehalten,
wäre das Geld auf ihren Konten gelandet. Ich konnte es immer noch
nicht glauben. Es war wie in einem Traum. Da Helmut ja Deutsch
konnte, hatte er mehrere Male bei der BAWAG in Feldkirch angerufen
und wurde dort auf die Rechtsabteilung der Bank in Wien verwiesen.
Die Telefongespräche mit ihm wurden aufgezeichnet. Es war dann, als er
erfahren konnte, dass der Bankkontobesitzer (ich) eine Anzeige gegen
ihn und andere bei der Polizei erstattet hatte. Dem Helmut wurde hörbar
schlecht und er leierte etwas von dem Wohnungsverkauf und
behauptete, dass ich der Verbrecher wäre, nicht er. Er hatte natürlich
sofort gemerkt, dass er nun in der tiefen Scheisse steckte. Er bekam Panik
und belästigte zuerst meine Mutter und meine Tante in Spanien per
Telefon. Nicht nur bedrohte er sie beide mit schweren Konsequenzen,
sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen. Seine Frau und Mariano
riefen auch bei ihnen an. Die Telefonnummern hatte sie ja von mir schon
in der Gefangenschaft abverlangt. Mariano wusste, dass meine Mutter
(und Tante) aus Spanien kommen, so konnte er mit ihnen auf Spanisch
reden. Meine Mutter und meine Tante sollten mir ausrichten, dass sie
mich umbringen würden, sollte ich die Anzeige nicht zurücknehmen.
Meine Familie stand wegen den Telefonaten unter einem grossen Schock
und es dauerte lange, bis sie sich davon erholen konnten. Ich hatte die
Polizei in Vaduz immer über jede Bedrohung und Belästigung
informiert. Es war schon eine verrückte neue Situation für die beiden
Folterer. Zuerst hatte Mariano die volle Kontrolle über alles (in
Argentinien), da es ja seine Farm, sein Kerker, sein Gebiet war. Und nun
war er auf Helmut (in Europa) angewiesen, um seinen Anteil der Beute
doch noch zu bekommen. Helmut musste schnell handeln. Mariano hatte
wegen der Anzeige weniger Angst. Er war ja weit weg. Helmut war
94
aber mit seiner Frau wieder zurück in Spanien und konnte sich klar
vorstellen, was für eine schwere Gefängnisstrafe sie zu erwarten hätten.
Wie detailliert ich die Anzeige erstattet hatte, wusste er noch nicht. Er
hatte aber sofort richtig kombiniert, dass er ein massives Problem damit
hatte, zu erklären, warum er rund CHF 400'000.-- von mir bekommen
hatte, bzw. - dank der BAWAG - nun bekommen hätte sollen. Man
erinnere sich, dass man mir während der Gefangenschaft zwar diverse
Pseudorechnungen, bzw. Anerkennungen für beide Überweisungen zur
Unterschrift vorgelegt hatte. Sie wollte damit - für alle Fälle - eine
"berechtigte" Grundlage auf Papier haben. Denn sollte ich nach meiner
Freilassung, ungeachtet ihrer Drohungen es trotzdem wagen die
Zahlungen bekämpfen, würden sie die Schriftstücke aus Argentinien
"vorlegen" und hoffen, dass sie damit durchkommen. Dasselbe würde
passieren, wenn ich tot wäre und dann irgendjemand – z.B. meine
Familie oder die Bank - die extrem verdächtige Auflösung meines
Sparbuches hinterfragen würde. Die Banküberweisungen sind ja für
immer dokumentiert. Mit einer Anzeige war die Situation für Helmut &
Co. hochgefährlich. Er musste also in erster Linie das Motiv (die Beute)
bekämpfen. Das heisst, er musste auf Teufel komm raus versuchen, die
Zahlung an ihn als rechtmässig erscheinen lassen. Im Moment konnte er
keinen Gedanken darin verlieren, dass er - was die abgepressten
Zahlungen betraf - eigentlich 3 Probleme hatte: a) Die Zahlung an ihn. b)
Die ungefähr gleichgrosse Zahlung an Mariano und c) die "Zahlung" an
seinen Schwager! Kroschel hatten sich nämlich den übrig gebliebenen
Restbetrag meines Sparbuches, um die CHF 10'000.-- einfach in den
eigenen Sack gesteckt, indem er den Betrag auf seinem eigenen, neuen
Konto bei der BAWAG gutschreiben liess. Helmut wollte seinen
Schwager damit für seine "Umstände" belohnen. Ich war richtigerweise
in der Position, wo ich nebst dem Helmut und dem Mariano auch dem
Kroschel die absolut berechtigte Frage stellen konnte, welches Recht alle
Drei hatten, auch nur einen einzigen Franken von meinem Geld zu
nehmen. Helmut hatte keinen einzigen Franken aus dem Wohnungskauf
zu Gute - was ich mit dem Notarvertrag beweisen konnte. Mariano
schuldete mir seit 1993 CHF 245'000.- plus Zinsen, was ich mit den
dazugehörigen Quittungen, Vertrag, Banküberweisungen und
bankenseitigen Bestätigungen locker beweisen konnte. Kroschel war ein
Mann, den ich nie in meinem Leben je getroffen hatte, mit dem ich nie in
meinem Leben je etwas zu tun hatte; bis er als Mittäter in den Kreis der
Verbrecher aufgenommen wurde.
95
Ich bin ja selber kein Jurist; aber die knallharten Fakten lagen im meinem
Fall "sternenklar" vor. Abgesehen davon, dass die Verbrecher überhaupt
kein Geld oder sonstiges von mir zu erhalten hatten, im Gegenteil,
Mariano mir seit März 1993 (und dies heute immer noch) über CHF
245'000. — plus 12 Prozent p.a. Zinsen schuldet, war die ganze
Konstellation, wie die Verbrecher an mein Sparbuch, das Codewort des
Kontos bei der BAWAG kamen, die Beute fast 50-50 aufteilten, eine
Analogie des klassischen Deliktes von schwerer Entführung, schwerer
Freiheitsberaubung und schwerer Erpressung und Nötigung etc.
Es gab überhaupt keine ökonomische Grundlage dafür, warum ich in
Argentinien jeweils mehr als CHF 400'000.— den Tätern Helmut Roegele
und Mariano Marti-Ventosa Roqueta hätten überlassen sollen. Daher
war ich und bin heute noch zu 1000 Prozent überzeugt, dass die
Verbrecher vor einem Kriminalgericht absolut keine Chance haben, sich
aus der Sache herauszureden.
Niemals, niemals, niemals, niemals, nie und nimmer und nochmals
NIEMALS!!!!
96
Kapitel 2
Zimmer unter den Alten
Am nächsten Tag, dem 12. April, fuhr ich mit dem Zug zurück nach
Zürich, um meine wenigen Sachen zu holen. Ich war immer noch müde
und zutiefst traurig, obwohl ich doch gerade der Hölle entkommen war.
Dennoch, selbst der Fussmarsch in der Abenddämmerung vom
Hauptbahnhof via Hechtplatz zum Haus Schiffländi Nr. 4 war mir nicht
ganz geheuer. Dort, im Dachstuhl des Gourmets Restaurant "Blockhus"
hatte ich vom Wirt Pierre seit ein paar Monaten ein möbliertes Zimmer
im Dachstuhl angemietet.
Ich wollte unbedingt mit einem meiner damaligen Freunde reden. All
meine Träume waren zerstört. Mein bisheriges Leben wurde durch
gewalttätiges Drücken der "RESET-Taste" aus den Fugen geworfen. Es
war schon spät am Abend, als ich einen Freund, der in der Nähe des
Flughafens wohnte, endlich erreichen konnte. Ich hatte immer noch die
frischen Vaduzer Bandagen an den verletzten Körperstellen und das
Bild, das ich in einer der verglasten Telefonkabinen auf dem
Bellevueplatz in Zürich abgab, konnte nicht surrealer sein. Die Passanten
begannen schon mich anzustarren. Leider hatte mein Freund gerade
seine Eltern zu Besuch. Die kommen nur alle drei oder vier Jahre zu ihm
und ausgerechnet an diesen Tagen war es wieder soweit. Ein Treffen mit
ihm war deshalb nicht möglich. Ich habe ihm nur sagen können, dass ich
zurück aus Argentinien sei und es mir nicht gut gehe. Ein Anruf bei
meiner Exfreundin, die weit weg von Zürich wohnte, brachte etwas
emotionale Erleichterung. Als ich mich später vom Wirt des „Blockhus‚
verabschiedete, traf ich per Zufall im Restaurant unten eine Frau wieder,
die ich vor zwei Monaten kennen gelernt hatte. Die nette,
alleinerziehende Deutsche Mutter arbeitete im Schauspielhaus oben am
Heimplatz. Unter anderen Umständen wäre vielleicht was aus uns
geworden. Als sie mich dann so sah, konnte sie erst ihre Verwunderung,
dann ihren Schock und später ihre Abneigung nicht verbergen. Schade!
Wir hatten uns sehr gut verstanden.
Nach meiner letzten Nacht im Zimmer in Zürich, ging die Reise
abermals nach Vaduz. Aus Schamgefühl wollte ich nicht bei meinem
Vater und meiner Stiefmutter in deren Haus leben. Da ich aber auch
nicht alleine irgendwo hausen wollte und ein Aufenthalt im Spital nicht
notwendig und angebracht war, blieb mir nur die Möglichkeit, ein
97
kleines Zimmer im Altenheim übrig. Das heisst, der Staat bot es mir an.
Zumindest für die erste Zeit. Dort wurde für warmes Essen und reine
Wäsche gesorgt. Mit Sack und Pack zog ich also nach Eschen im
Liechtensteiner Unterland, in das Betreuungszentrum St. Martin in der
Dr. A. Schädler-Strasse ein. Mein Zimmer war im unteren Stock, schön
möbliert und mit eigener Dusche ausgestattet. Aussicht auf blühende
Wiesen, die ab und zu von gefrässigen Huftieren abgegrast wurden.
Frühstück und Mittag- sowie Abendessen wurden in zwei Schichten
serviert. Ich durfte aber kommen und gehen wann ich wollte und war
auch vom obligaten Meldesystem in Bezug auf die Menueauswahl
befreit.
Meine beiden Nachbarn, links und rechts, waren auch keine echten
Rentner. Etwas älter als ich und mit grossen zwischenmenschlichen
Problemen überladen. Drei Zimmer weiter war eine freundliche und
liebenswerte italienische Dame für kurze Zeit auch Gast im Altersheim.
Ich kannte sie aus meiner Kindheit in Schaan, wo ihre beiden Söhne mit
mir in die Schule gegangen waren. Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr
gesehen. Sie wurde hier in Sicherheit vor ihrem gewalttätigen Ehemann
untergebracht. Ich habe sie anschliessend nie wieder getroffen. Ihre
liebenswerte Eigenart kam unter tragischen Umständen wieder in mein
Bewusstsein. Sechs Jahre später, im Juli 2003, zog ich ausgerechnet in
jene frisch gestrichene 1-Zimmerwohnung im Mehrfamilienhaus am
Buchenweg 1 in Vaduz ein, wo sie sich kurz davor das Leben genommen
hatte. Angemietet und neu möbliert wurde diese Wohnung für mich
durch die Bank des Fürst von Liechtenstein – Hans-Adams LGT Bank.
Das Leben im Altersheim war voller Überraschungen. Ich fügte mich in
den geordneten Rhythmus des Altersheims stillschweigen ein, trotz
meines verzigfache Energieüberschusses im Vergleich zu den
Mitbewohnern. Stundenlange Diskussionen mit den 70-80-Jährigen
waren sehr aufschlussreich und spannend. Mit der Zeit lernte ich sie alle
persönlich kennen, wobei ich meine Erlebnisse in Argentinien nicht mit
ihnen teilte, nicht teilen wollte. Das Essen war erstklassig und die
sprichwörtliche Friedhofsruhe war schon wieder wohltuend. Toll war,
dass ich jeweils am Abend dank der frühen Gute-Nacht-Stunde meiner
Mitbewohner, eigener Herr über die TV-Fernbedienung und somit den
Fernseher war. Ich kann nur jedem empfehlen, wenigstens einmal sich
das Leben in einem Altersheim genau anzuschauen; ich versichere Euch,
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ihr werdet ganz anders über alte Menschen und speziell euer eigenes
"älter werden" nachdenken. Nicht das es an Geld je mangelt, aber auch
in einem so reichen Land wie Liechtenstein ist das Seniorenheim ein
(geistiges) Abstellgleis für viele alte Bürger. Vor allem für jene, die keine
eigenen Familienmitglieder mehr haben oder deren eigenes Fleisch und
Blut den "Wir-besuchen-die-Alten-NIE" – Bazillus pflegen. Es war
traurig mit anzusehen, wie viele der Bewohner tagein, tagaus
anspruchslos auf den unvermeidbaren Sensenmann warteten.
Ich hatte immer noch Schmerzen im Hals und an beiden Handgelenken.
Mein vorher sehr gutes Gedächtnis und meine Konzentrationsfähigkeit
haben unter der Tortur und dem Stress der letzten Wochen stark
gelitten. Ich verbrachte die Tage damit, viel nachzudenken, mich wieder
aufzufangen und mein Kampf gegen die Täter zu organisieren und
aufzunehmen. Schon wenige Tage nach meiner Anzeige bei der Polizei
in Vaduz begann ich, umfassende Schriftstücke mit mehr Details und
Erklärungen zu den Tätern zu verfassen und sie den Behörden zu
übergeben.
Erstaunlicherweise hatte ich überhaupt keine Mühe, mit mir vorher
unbekannten Menschen ausführlich über das Ertragene zu reden,
insbesondere mit den Untersuchungsbehörden. Ganz anders war dies
mit jenen, die mir nahe standen. Da hatte ich oft Angst vor deren
Reaktion. Weil mein Schmerz ja fast unfassbar war. Ganz zu schweigen
von dem Stigma einen Selbstmordversuch gemacht zu haben. Nach und
nach traten also immer mehr neue Leute in mein Leben, die sich
beruflich mit dem "Ausgang meiner Argentinienvisite" befassen
mussten. Viele von ihnen würden Jahre später noch eine wichtige Rolle
in dieser Geschichte spielen.
Da war die Ärztin Dr. Silvia Rheinberger aus Vaduz. Meine Hausärztin.
Eine äusserst kompetente und mitfühlende Person. Nach solch
messerscharfen Schnitten am Handgelenk wie ich sie hatte, wird oft
untersucht, ob die Nervenstränge wieder zusammenwachsen und keine
Schwächung der Empfindsamkeit zurückbleibt. Gott sei Dank hatte ich
im Kerker in Argentinien auch keine medizinische Kenntnisse darüber,
wie man "erfolgreich" die Hauptblutader am Handgelenk durchtrennt:
nämlich tief und parallel zum Arm und nicht quer, wie ich es tat. Nach
gründlicher medizinischer Prüfung aller Verletzungen überwies sie mich
an einen Spezialisten beim Spital St. Gallen. Zum Glück war keine
99
neurologische Operation nötig. Heute noch empfinde ich nur beim
Fingernagelschneiden an der linken Hand ein kleines Kribbeln in den
Fingern und im Handgelenk. Dadurch dass ich Rechtshänder bin, war
der Schnitt an meinem linken Handgelenk etwas tiefer, da ich motorisch
automatisch mehr Druck und Kraft mit der rechten Hand ausübte. Es
wurden somit die durchlaufenden Nervenstränge mehr in
Mitleidenschaft gezogen.
Erst zwei Monate nach meiner Rückkehr aus Argentinien war ich
innerlich so weit, auch meinen Vater und die Stiefmutter persönlich für
etwas längere Zeit zu treffen. Sie waren sehr mitgenommen von der
ganzen Geschichte und versicherten mir – falls erforderlich – mir
finanziellen und sonstigen Beistand für den juristischen Kampf um die
Gerechtigkeit zu leisten.
Ich glaube, es gibt zwei Gruppen von Opfern: jene die nach grausamen
Erlebnissen nur schweigen können und oft einsam und depressiv
werden. Und die anderen, zu denen glücklicherweise ich gehöre, die sich
LAUT und STARK äussern können.
100
Kapitel 3
Die Jagd nach den Verbrechern und der Kampf ums Geld
Eine weitere Dame, die Staatsanwältin Alma Willi aus Balzers, sollte für
die ersten paar Jahre meine ganze Hoffnungsträgerin sein. Als erste
Amtshandlung hatte sie gerichtlich feststellen lassen, dass Liechtenstein
in diesem Fall (Aktennummer 10 Vr 101/97, Landgericht Vaduz- kurz
der „101er‚) eine juristische Zuständigkeit besass. Dies war deshalb der
Fall, weil das Verbrechen als geschlossene Tat angesehen werden
konnte, also die Entführung, Freiheitsberaubung, schwere Erpressung
und schwere Nötigung zusammen mit der unberechtigten Annahme
oder Übernahme meines Sparbuchs in VADUZ durch den Mittäter
Kroschel. Über diesen Bescheid war ich sehr erfreut. Das weitere
Verhalten der Staatsanwaltschaft (STA) in Vaduz spielte eine
massgebliche Rolle, warum sich ein anderes Unheil ab dem Jahr 2002
zusammenbrauen würde.
Der meinem Fall zugewiesene Untersuchungsrichter (UR) war der
Landrichter Dr. Paul Meier. Als ich ihn zum 1. Mal treffen konnte, war
meine Akte schon mit vielen Schriftstücken seitens der Polizei, der STA
und von mir gefüllt. Ich war heilfroh, dass er ein offenes Ohr hatte. Ich
erkannte sofort, dass er äusserst qualifiziert war. Nie sollte ich mich in
ihm täuschen. Ich hatte mich sogleich als so genannter Privatbeteiligter,
was mir als Opfer einige Rechte gibt, am Strafverfahren (101er) gegen die
diversen Täter beteiligt. Ferner unterstütze mich auch der geachtete
Rechtsanwalt (RA) Dr. B. Hirn (mit solchem Nachnamen muss man ja
ein RA werden), ein Österreicher, der eine Kanzlei in Feldkirch und in
Vaduz hatte.
Bei der ersten Vernehmung durch den UR Dr. Meier war ich etwas
nervös, da ich Angst hatte, irgendein der vielen wichtigen Details, die
ich auf Tonband bei der Polizei Wochen zuvor ausgesagt hatte, zu
vergessen oder zu verwechseln. Alles lief aber gut. Aufgrund der
massiven Schwere der Taten (schwere Erpressung, schwere Nötigung,
Körperverletzung, Freiheitsberaubung u.s.w.), die nach Strafgesetzbuch
jeweils pro Delikt eine Maximalstrafe zwischen fünf und zehn Jahren
Gefängnis vorsehen, war es für den UR Dr. Meier sehr wichtig, ein
rechtsmedizinisches Gutachten bezüglich aller Körperverletzungen
erstellen zu lassen, zusätzlich zu meiner ausführlichen, an Details nicht
zu überbietenden Wiedergabe des brutalen Verbrechens, sowie der
101
Faktenlage zu der versuchten Erpressung. Seine Wahl fiel auf den
ausgewiesenen Univ. Dr. Paul Umach, Facharzt der Gerichtlichen
Medizin in Innsbruck, Österreich. Dr. Umach hat mich dann im
Altersheim in Eschen am 25. Juni 1997 besucht, befragt und untersucht.
Sein Gutachten gebe ich im OT hier wieder:
Anm.: Das Kapitel Eins (I.) bis zur erste Hälfte von Kapitel Drei (III.). seines
Gutachtens beinhalten eine Zusammenfassung des Auftrages des UR, meine
Schilderungen aus der Anzeige und die Angaben des Spital Vaduz. Da all dies
schon in diesem Buch erwähnt ist, beginnt der Originaltext ab der Mitte des III.
Kapitels.
(III.)<..Bei der klinischen Kontrolluntersuchung befand sich
Heinrich Kieber in gutem Allgemein- und Ernährungszustand,
war voll orientiert, voll kommunikationsfähig. An der linken
Halo-Vorderseite, quer über dem Kopfnickermuskel verlaufend,
war eine 6 cm lange, verdickte rote Narbenbildung gegeben,
welche im Bereich des hinteren Narbenendes
schwalbenschwanzartig gespalten war. Diese Narbe dem Aspekt
nach vorne unten seichter auslaufend. Knapp oberhalb der
beschriebenen Narbe eine weitere 6 cm lange, eher strichförmige
Narbe, ebenfalls von hinten oben nach vorne unten über dem
Vorderrand des Kopfnickermuskels verlaufend. Im Bereich der
Drosselgrube wurde eine leicht geschwungen verlaufende, von
links oben nach rechts unten verlaufende, 4,5 cm lange, etwas
unregelmässige rote und verdickte Narbenbildung festgestellt.
Etwa in der Mitte der Narbe war eine weitere 3 cm lange,
unregelmässig gestaltete Narbe quer nach links abgehend, knapp
unterhalb derselben eine weitere 1 cm lange Narbe nach rechts
oben abzweigend. In gerader Verlängerung nach unten rechts der
erstgenannten Narbe ist eine gleichartige 1 cm lange Narbe im
Abstand von ca. 1,5 cm gegeben. Oberhalb des Schüsselbeines
rechts, brustbeinnahe, war eine weitere v-förmig gestaltete 3 cm
lange Narbenbildung über den rechtsseitigen Halsweichteilen
gegeben. An der Beugeseite des linken Handgelenkes war eine
quer verlaufende, 5 cm lange, etwas verbreiterte und rot gefärbte
Narbenbildung gegeben mit den deutlichen Spuren von vier
Nähten. Etwas handflächenwärts dieser Narbe war eine
umschriebene Druckempfindlichkeit mit elektrisierendem
102
ausstrahlenden Schmerz in die beugeseitigen Langfinger
gegeben. Die Beweglichkeit der Langfinger ungestört, die
Beweglichkeit des Daumens insofern eingeschränkt, als das
Abspreizen nur unzureichend möglich ist im Vergleich zu rechts.
Die Sensibilität im Bereich der Finger und der linken Hand
ungestört. An der Beugeseite des rechten Handgelenkes, quer
verlaufend, eine 5 cm lange, rote, etwas verbreiterte
Narbenbildung mit den Spuren nach drei Wundnähten.
Sensibilität und Motorik im Bereich der rechten Hand und der
Finger rechts nicht gestört. An der hinten Aussenseite der rechten
Wade, zwischen 30 und 31 cm über der Fusssohle gelegen, war
eine rundliche, im Durchmesser 1 cm haltende bräunliche
Narbenbildung mit strahlig-narbiger Oberfläche gegeben.
Unterhalb dieser Narbe in einer mittleren Höhe von 26,5 cm über
der Fersensohle, war eine etwa 8 mm messende, oval gestaltete
bräunliche Narbenbildung mit strahliger Oberfläche gegeben,
etwas innerhalb davon eine gleichartige reiskorngrosse Narbe.
An der hinteren Aussenseite des rechten Beines, 20 cm über der
Fersensohle lokalisiert, war eine praktisch horizontal
verlaufende, 1,3 cm lange und bis 3 mm breite rötlich-braune
Verfärbung der Haut ohne Veränderung der Hautstruktur wie
nach abgeheilter Hautabschürfung gegeben.
IV. Nach den Unterlagen ist festzustellen, dass bei Heinrich
Kieber Narbenbilder vorliegen, welche als Folge angeblich
verschiedener Tathandlungen und Ereignisse eingetreten sein
sollen. Die Verletzungen sind im Ambulanzbericht des
Krankenhauses Vaduz beschrieben und auch lichtbildmässig
dokumentiert. Sowohl nach dem dortigen Befund als auch dem
jetzigen Narbenbefund ist davon auszugehen, dass die
Verletzungen des Heinrich Kieber tatsächlich in jenem Zeitraum
zustande kamen, welcher von ihm angegeben wird. Es ist
natürlich nicht möglich, eine Zuordnung auf Tage genau zu
treffen, jedoch ist es auszuschliessen, dass von den bei Heinrich
Kieber befundenen Verletzungen bzw. jetzigen Narbenbildern
eine oder mehrere wesentlich früher zustande gekommen wären
als in der letzten Märzwoche 1997, wie von Kieber berichtet.
Folgt man den Angaben des Heinrich Kieber, so sollen die
Verletzungen am rechten Unterschenkel mit der Tathandlung
103
durch Dritte in Zusammenhang stehen. Nach dem Narbenbild ist
festzustellen, dass die beschriebenen Narben im knienahen
Bereich des rechten Unterschenkels eindeutig auf
Hitzeinwirkung zurückzuführen sind und es sich um sog.
Verbrennungsnarben handelt, während die unterste quer
verlaufende Narbe ihrer Struktur nach für eine oberflächliche
Hautverletzung im Sinne einer Hautabschürfung spricht und
durchaus mit jener Kanteneinwirkung der angebrachten
Metallmanschette in Zusammenhang gebracht werden kann in
der Form, wie dies von Kieber auch berichtet wird. Somit können
diese Verletzungen am rechten Unterschenkel zum einen auf
Verbrennungseinwirkung durch möglichen Funkenflug beim
Schweissen, zum anderen durch Einwirkung der beschriebenen
Metallmanschette zur Kettenanlage am rechten Bein
zurückgeführt werden. Diese Verletzungen sind in ihrer
Gesamtheit wohl noch als solche medizinisch an sich leichten
Grades anzusprechen mit einer Gesundheitsschädigung oder
Berufsunfähigkeit, welche an die 24-Tage-Grenze wohl
heranreichte, diese aber nicht überschritt.
Die zurückgebliebenen Narbenbildungen an der Beugeseite des
linken und rechten Handgelenkes sind typisch für die Zufügung
sog. Pulsaderschnitte im Rahmen von Suizidversuchen, wobei
am linken Handgelenk offenbar auch der Mittelnerv etwas in
Mitleidenschaft gezogen wurde mit den vorübergehenden
Sensibilitätsstörungen im Bereich des Daumens und der Finger
und der minimalen Bewegungseinschränkung. Aus derart
angelegten Pulsaderschnitten kommt es nicht zu schweren
Blutungen und insbesondere nicht zu solchen, welche
lebensbedrohlich wären, da bei dieser Schnittführung grosse
arterielle Gefässe nicht getroffen werden und somit der
Blutverlust in engen Grenzen bleibt. Die Narben sind jung, die
zurückgebliebenen Narbenspuren zeigen, dass eher unkundige
Wundversorgung primär stattgefunden hat, was auch aus dem
Arztbericht des Krankenhauses Vaduz unschwer abzuleiten ist.
Die Verletzungen am Hals können von verschiedenen
Tathandlungen herstammen. Die an der linken Halsvorderseite
gelegenen etwa quer bzw. schräg von hinten oben nach vorne
unten verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel, beide
etwa 6 cm lang, sind als Narben nach Schnittverletzungen
104
anzusprechen, wobei der Schnitt von hinten oben nach vorne
unten geführt wurde. Diese Schnittführung ist für einen
Rechtshänder, welcher sich durch Halsschnitte vom Leben zum
Tod befördern will, typisch. Natürlich sind die von Heinrich
Kieber verwendeten Klingen eines Einwegrasierers diesbezüglich
nur ein bedingt taugliches Mittel, mit welchem nicht so weit in
die Tiefe geschnitten werden kann, dass es auch zu einer
entscheidenden Verletzung eines arteriellen Gefässes kommt. Der
Schnitt war aber über der Halsschlagader lokalisiert, allerdings
zu oberflächlich. Eine mehrläufige Narbe befindet sich bei
Heinrich Kieber direkt über der Drosselgrube mit
unregelmässiger Gestaltung, etwa an jener Stelle, wo auch bei
einem therapeutischen Luftröhrenschnitt durch die Weichteile
eingegangen wird, um einen direkten Zugang zur Luftröhre zu
erreichen. Die über der Luftröhre hier liegenden Weichteile sind
dünn, sodass durch eine Sticheinwirkung hier sehr leicht eine
Eröffnung der Luftröhre möglich ist ohne relevante Verletzung
benachbarter Organstrukturen. Wenn Heinrich Kieber nun
angibt, hier ein dreieckiges Stück eines Glassplitters eines
Fensterglases angesetzt und hinein- gedrückt bzw.
hineingeschlagen zu haben, den Splitter wieder etwas
herausgezogen und gedreht und nochmals hineingestossen zu
haben, so würde sich daraus nicht nur das unregelmässige
Narbenbild über der Drosselgrube erklären, sondern auch die
Angabe des Verletzten erklärbar sein, dass er Luft heraus pfeifen
gehört habe und auch eine Art Schleim gespürt habe, bei dem es
sich offensichtlich um Bronchialschleim gehandelt hat. Auch die
v-förmige Verletzung etwas rechts der genannten Narbengruppe
oberhalb des rechten Schlüsselbeins wäre als
Glassplitterverletzung durchaus möglich. Auch hier wurden
offensichtlich entscheidende tiefer liegende Strukturen nicht
erwischt.
V. Zusammenfassend sind die gegenständlichen Verletzungen
des Heinrich Kieber nach dem eigenen Untersuchungsbefund
und in Beachtung der Unterlagen des Krankenhauses Vaduz
junge Verletzungen, welche durchaus in dem in Rede stehenden
Zeitraum 26. 3. 97 bis 2. 4. 1997 entstanden sein konnten.
Auszuschliessen ist, dass diese Verletzungen oder ein Teil
105
derselben wesentlich früher als in diesem bezeichneten Zeitraum
entstanden wären. Jene Verletzungen, welche Heinrich Kieber
von fremder Hand zugefügt wurden, sind diese am rechten
Unterschenkel lokalisierten. Es handelt sich dabei um drei
Verletzungsmerkmale, wie sie typischerweise nach
Verbrennungen auftreten, die am weitesten am Unterschenkel
unten gelegene Verletzungsmarke ist eine solche, wie sie nach
primär etwas tiefer reichender Hautabschürfung zurückbleibt
und ist der Lokalisation und Form nach durchaus möglich als
Einwirkung des oberen Randes der behaupteten
Metallmanschette, wie sie von Kieber beschrieben wurde. Diese
Verletzungen sind insgesamt noch als medizinisch an sich
leichte Körperverletzungen anzusprechen mit einer
Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit, welche an die
24-Tage—Grenze wohl heranreichte, diese aber nicht überschritt.
Die Verletzungen an der Beugeseite des linken und rechten
Handgelenkes sind Schnittverletzungen, welcher ihrer Art und
Lokalisation nach typisch für Suizidversuche sind mit
anschliessender eher laienhafter Wundversorgung. Bei jenen
zwei an der linken Halsseite mehr oben gelegenen, schräg
verlaufenden Narben über dem Kopfnickermuskel handelt es
sich um Zustände nach Schnittverletzungen eher oberflächlicher
Art, wobei die Schnittrichtung von hinten oben nach vorne unten
anzugeben ist. Diese Verletzungen konnten durchaus durch
eigene Hand mit einer Rasierklinge zugefügt worden sein. Die im
Bereich der Drosselgrube zurückgebliebene unregelmässige,
mehrfach geschenkelte Narbenbildung wäre zwanglos erklärbar
durch ein Vorgehen, wie von Heinrich Kieber geschildert, dass
nämlich die Spitze einer Glasscherbe hier eingestossen wurde,
wobei von einem mehrfachen Einstechen mit verschiedener
Richtung der Glasscherbe ausgegangen werden kann, ohne dass
die Glasscherbe jeweils aus der Wunde ganz herausgezogen
wurde. Bei einem solchen Vorgehen ist auch eine Anspiessung
der Luftröhre, welche hier sehr oberflächlich unter den
Weichteilen liegt, zwanglos möglich. Eine Selbstheilung der
Luftröhrenverletzung ohne weitere operative Massnahmen ist
möglich und nicht ungewöhnlich, zumal offensichtlich ja die
Weichteilwunden selbst mit Nähten, wenn auch nicht sehr
kundig, versorgt wurden. Die weitere Narbe an der Halsseite
106
rechts oberhalb des Schlüsselbeins wäre ebenfalls durch
Einwirkung einer Glasscherbe erklärbar, ohne dass hier relevante
bzw. tiefer reichende und schwerwiegendere Verletzungen
entstehen. Insgesamt ist festzustellen, dass das befundene
Narben- und Verletzungsbild aus gerichtsmedizinischer Sicht
durchaus mit den Schilderungen des Heinrich Kieber in Einklang
gebracht werden kann.
Innsbruck, 16. 7. 1997, (gez.) Dr. Paul Umach.
Als ich dann eine Kopie des gerichtsmedizinischen Gutachtens erhalten
hatte, ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Als Opfer hat man immer
Angst, die Leute würden einem nicht oder nur teilweise glauben. Ich
hatte eigentlich soweit Glück, da es an der Glaubhaftigkeit meiner
Anzeige und all meiner Aussagen seitens der Polizei und dem Gericht in
Vaduz absolut nie Zweifel gab.
In den verbleibenden Monaten des Jahres 1997 war ich praktisch ein
Dauerbesucher beim Landgericht Vaduz gewesen. Drei bis vier Mal pro
Monat habe ich, oft ohne Termin, beim UR angeklopft und höflich
gefragt, wie der Stand der Dinge sei. Alles ging sehr langsam voran. Er
sagte mir, dass seine Hände gebunden seien, er könne faktisch nur auf
Antrag oder Anweisung der STA handeln, so will es die
Strafprozessordnung (StPO). Es ist die dienstliche Pflicht der STA, den
schweren Beschuldigungen juristisch auf den Grund zu gehen und
mittels der gesetzlichen Macht und den weitreichenden Hilfsmitteln hat
die STA die Möglichkeit dazu. Ich nahm meine Rolle als Privatbeteiligter
sehr ernst und nutzte 100fach die Gelegenheit, um der so genannten
Wahrheitsfindung zu dienen.
Leider nutzte die STA ihre Macht zur Nachforschung nicht aus.
Unglaubliches passierte. STA Alma Willi, als die anklagende Behörde,
hatte es nie für notwendig angesehen, mit mir persönlich zu reden. Im
Gegensatz zum UR Dr. P. Meier, dessen Bürotüre immer für mich offen
stand, habe ich mit ihr in der Zeit nur einmal kurz zwischen Tür und
Angel reden können und dies auch nur per Zufall, da sich ihr Büro
damals noch in demselben Gebäude wie das Landgericht befand.
Dialoge mit dem Opfer waren nicht ihre Stärke. Sie war sehr kurz
angebunden, bestätigte mir aber, dass die STA an der Anklage arbeiten
würde. Ich hatte immer Respekt und Anstand vor den Behörden gezeigt
107
und mit dieser für mich wichtigen Aussage seitens der STA war ich
mehr als zufrieden.
Dazu muss man folgendes wissen:
Gerade ab dem Jahr 1997 kam das Land Liechtenstein immer stärker
unter Beschuss von diversen Europäischen Staaten und den USA, direkt
oder über die OECD (Organisation for Economic Cooperation and
Development) oder der FATF (Financial Action Task Force). Wegen
Geldwäschereivorwürfe, Billigung und Förderung von Steuerbetrug und
–hinterziehung, Unterstützung der organisierten Kriminalität und
generell als Steuerparadies.
Der Druck stieg auch mit dem exklusiv für die damalige deutsche
Regierung eigentlich als vertraulich klassifizierten BND-Bericht von 1999
über die kriminellen Netzwerke der Liechtensteiner Finanzwelt. Diese
schimpfte öffentlich über den BND und Deutschland sowieso, schickte
den Liechtensteiner Regierungschef samt Gefolge nach Berlin, um die
alle (wieder) Milde zu stimmen. Zu Hause aber lachten sie hinter
vorgehaltener Hand: "Fast hätte es uns erwischt!". Die hohen FinanzHerren hatten das Glück, dass der Hauptzuträger des BNDs (aus
Quellen von 1997 und 1998) selber kein "vorbildlicher Treuhänder" war,
da er in verdächtige Geldverschiebungen und Aktionen im Ländle
verwickelt war. Wir in Liechtenstein wussten, was dem BND 1997 nicht
gelang, und ihm daher für das vollständige Bild fehlte: einen tiefen
Einblick in die "Dunkelkammer" der betroffenen Banken und
Treuhänder, wo die ultimativen, beweiskräftigen Dokumente lagern!
Diese "Unvollständigkeit" sollte dem BND Jahre später nicht mehr
passieren.
Auch der Inhalt der berühmten CD vom Treuhandbüro "Dr. Dr. Batliner"
aus Vaduz sorgte für reichlich Aufsehen. 1996 hatte ein Mitarbeiter
Batliners die CD mit nach Hause genommen, später gelangte sie in die
Hände der Medien und der deutschen Behörden. Es folgten massenhafte
Steuer-Strafuntersuchungen und seitenweise negative Berichte in den
deutschen Medien. Auf einmal war das kleine Liechtenstein nicht nur in
aller Munde sondern auch in Verruf geraten. Selbst Hans-Adam war
gezwungen öffentlich seinen "sauberen Finanzplatz" zu verteidigen. Er
erkannte an, dass die Ausstattung der Untersuchungsbehörden (STA,
Justiz und die Kripo) in seinem Land in personeller als auch technischer
108
Hinsicht schon lange nicht mehr den damaligen Anforderungen
entsprach.
In aller Eile wurde Anfang 2000 ein Sonderstaatsanwalt, Dr. Kurt Spitzer
aus Österreich sowie mehrere ausländische Spezialisten mit grossem
multimedialem Pomp von Hans-Adam persönlich angestellt und
dirigiert, um das Böse im Ländle auszurotten. Wie in einem
Fasnachtsumzug wurden diverse Persönlichkeiten aus Liechtenstein
(z.B. die Herren Marxer & Ritter etc.) abgeführt, gar (kurzzeitig)
verhaftet und später auch angeklagt. Es wurden Büroräume durchsucht,
Treuhand- und Bankendokumente beschlagnahmt, grosse
Untersuchungsberichte angefertigt und noch grössere Prozesse
angekündigt.
"Dr. SPITZER hat aufgeräumt" jubelte Hans-Adam. Was das Ausland
nicht mehr mitbekommen hatte, war die Realität. Denn schlussendlich
wurde niemand aus der Gruppe der Beschuldigten Banker und
Treuhänder je rechtsgültig verurteilt (abgesehen von kleineren
Vergehen). Im Gegenteil, die Regierung in Vaduz musste Jahre später
nach praktisch geheimen Verhandlungen sehr hohe
Entschädigungssummen an sie auszahlen. Wir in Liechtenstein
verurteilen prinzipiell keine Banker oder Treuhänder nur weil sie
Geldwäscherei fördern oder billigen oder Steuerbetrug und hinterziehung aktiv unterstützen.
Erst Jahre später wurden neue – angeblich von den Finanzmachthabern
unabhängige – Aufsichtsbehörden geschaffen, um dem ständigen Druck
vom Ausland entgegenzuwirken: zum Beispiel die FIU (Financial
Intelligence Unit) im März 2002 oder im Mai 2004 die FMA (Finanz
Marktaufsicht). Auch wurden neue Sorgfaltspflicht- und andere
Finanzgesetze erlassen. All dies hauptsächlich zum Gefallen der
ausländischen Behörden, staatlichen Organisationen und den lästigen
Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO’s).
All diese hektischen Aktivitäten über Jahre hinweg seitens der Justiz, der
STA und der Regierung hatten zur Folge, dass praktisch keine Zeit da
war für die Arbeit an den anderen bei Gericht oder STA liegenden Fällen
wie der meine. "Das (verfluchte) GELD" hatte eben IMMER Vorrang!!
Ohne Übertreibung kann ich fest behaupten, dass ich als Opfer
(nicht nur in der Rolle als Privatbeteiligter am Prozess) alles nur
denkbare und Menschenmögliche gemacht habe, um der STA und dem
UR bei ihrer Arbeit zu helfen. Wenn man es genau nimmt, habe ich die
Arbeit der STA getan. Ich habe im Jahr 1997 (bis Ende 2002) Hunderte
109
von Seiten niedergeschrieben, Akten angefertigt, Fotos gemacht und
Modelle bauen lassen. Alles jeweils in dreifacher Form; 1x für UR, 1 x für
STA und 1 x für meinen RA Dr. Hirn.
Da ich nicht verlangen kann, dass die Justiz sich zum Tatort nach
Argentinien begibt, habe ich bildlich, fotografisch und im Modell den
Tatort nach Vaduz gebracht. Am Anfang war ich sogar naiv genug in
einem Schreiben an den UR Dr. Meier die Möglichkeit nach einer Reise
zum Tatort zu erfragen. Nur unter höchstem Polizeischutz natürlich.
Nicht das ich nochmals im Kerker auf der Farm lande. Ich war im
Glauben, dass eine solche Reise, unter Aufsicht von Interpol
Argentinien, durchführbar wäre. Selbst wenn die Täter den
Gefängnisturm mit einem Hochdruckreiniger gereinigt hätten,
Kriminalspezialisten sollten in der Lage sein, immer noch Blutspuren
von mir zu finden. Abgesehen davon müssten noch die Spuren der Kette
(an der Wand), an dem wohl ausgetauschten neuen Fenster u.s.w. zu
finden sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass ausländische
Strafverfolgungsbehörden in ein anderes Land reisten, um einen Tatort
anzusehen. Dies habe ich alles dem UR geschrieben. Leider war eine
solche Reise (mit mir oder ohne mich) nicht machbar. Die STA hätte es
nicht bewilligt. Ich war sehr enttäuscht. Zudem verstand ich es auch
nicht, warum die STA nicht einmal via Interpol die Argentinier
zumindest bitten konnte, den Turm und die Farm wenigstens zu
besuchen und zu inspizieren.
Genau nach dem Spruch "ein Bild sagt mehr als Tausend Worte" hatte
ich schon im August 1997 den Auftrag für 3 Kohle-Zeichnungen gegeben
und sie am 01.09.1997 zusammen mit einem Begleitschreiben dem UR
übergeben. Kurz vor Weihnachten 1997 hatte ich auch das 1:1 Modell des
Eisenfussrings und Eisenkette samt Mauerstück fertig und am 21.12.1997
mit Fotomappe und Begleitschreiben dem UR überreichen. In der
Fotomappe waren Fotos mit mir in diversen Situationen während der
Gefangenschaft nachgestellt. Da niemand in Argentinien nachschauen
gehen wollte, entschloss ich mich einen professionellen Nachbau in
Auftrag zu geben. Im Februar 1998 war Nachbau des Kerkers (mit jedem
kleinsten Detail) als dreidimensionales Modell fertig. Über 1000 Franken
habe ich dafür bezahlt. Das Modell war auf einer ca. 0,5 cm dicken
Holzplatte, 1,5 x 1 Meter gross, geklebt. Ich habe eine Serie von
verschiedenen Fotos davon gemacht um die in meiner Anzeige bei der
Polizei gemachten Angaben bildlich zu unterstützen. Diese Foto-Mappe
110
mit exakten schriftlichen Hinweisen und Querverweisen auf die
jeweilige Zeile aus der Anzeige, hatte ich am 17.2.1998 fertiggestellt und
dem UR gebracht.
Das 3D-Modell musste ein trauriges Ende nehmen - mehr dazu später
im Buch.
Mein Leben drehte sich nur um den 101er Akt! Alles andere war
nebensächlich; zum Glück hatte ich aber meinen Humor nach meiner
Rückkehr aus Argentinien nicht ganz verloren. Ich war natürlich auch
jeden Tag froh, dass ich noch lebe und noch nicht in Depressionen
verfallen war. Die tiefen seelischen Narben verursachten aber einiges an
Nebeneffekten. So zum Beispiel als ich mit einem Freund einen Kinofilm
der US-Regiebrüder Ethan und Joel Coen mit dem Titel FARGO im
Freiluftkino in Vaduz ansehen wollte (es war im Sommer 1997 oder
vielleicht auch 1998). Der Film basiert auf einer wahren Geschichte. Als
jene Szene gezeigt wurde, wo die zwei Amateurkidnapper die Frau des
Autoverkäufers aus ihrem Haus entführen wollten, wurde mir Kotzübel
und ich musste von der Sitztribüne fliehen. Selbst Jahre später, als die
(seelischen) Narben etwas verwachsen waren und ich den Film bei
einem Freund per Zufall auf DVD sehen konnte, schaffte ich es zwar
etwas länger sitzen zu bleiben, die Gewaltszenen sind einfach noch
immer zu viel für mich. Obwohl ich weiss, dass es Schauspieler waren.
Ich habe mir seit dieser Zeit nie wieder einen Gewaltfilm angesehen.
Gerade als ich dachte, das Horrorjahr 1997 wäre bald vorüber, da wurde
ich eines besseren belehrt. Auf einer meiner Gänge zum UR Dr. Meier,
und dem obligatorischen Blick auf die ON-Liste
(Akteninhaltsverzeichnis) des 101er, blieb mein Herz stehen und der
Atem stocken: gemäss Eintrag gab es eine Beschuldigteneinvernahme
von Helmut Roegele hier in Vaduz am 11.08.1997. Der nächste Eintrag
auf der darunter liegenden Zeile war: (Eingang) "Schreiben von H.
Kieber v. 11.08.1997". Ich konnte mich nicht gleich entscheiden, worüber
ich mich am meisten massiv ärgern sollte:
A) Dass der Haupttäter vernommen wurde – ohne dass das LG mich
oder meinen RA informierte hatte und mir daher die Möglichkeit
genommen hatte, als Opfer einen Input zur (geplanten Vernehmung)
111
von Helmut Roegele zu machen (was ich als Privatbeteiligter am Prozess
hätte machen dürfen)
oder
B) Dass ich offenbar einem "explosivem Schock" knapp entgangen bin,
weil ich ja am selben Tag (08.11.1997) im Büro des UR Dr. Meier war, um
ein Schreiben von mir in den Akt einfügen zu lassen. (All die Jahre habe
ich immer jedes Schreibstück etc. persönlich bei Gericht abgegeben und
nie per Post versandt).
Es läuft mir heute noch – bald 12 Jahre später - eiskalt den Rücken
runter, wenn ich nur daran denke, was es wohl in mir ausgelöst hätte,
wäre ich wahrhaftig dem Helmut Roegele samt seiner Frau, meinen
Peinigern & Folterern, in den Gängen des LG im August 1997 (ohne
Vorwarnung oder Betreuung) begegnet. Ohne zu Übertreiben, ich hätte
ihn und seine Frau vermutlich glatt platt gemacht. Zumindest
symbolisch. Ich bin zwar absolut kein Mensch der Gewalt, ich ziehe das
geschriebene Wort vor. Aber selbst als gut erzogener und intelligenter
Mensch wäre mein Verlangen einfach nicht Unterdrückbar gewesen, den
Tätern das selbe zu wünschen, was sie mir angetan hatten.
Das sich Helmut & Co. überhaupt auf den Weg nach Vaduz trauten, war
für mich rückblickend keine Überraschung. Sie konnten ja sehen und
selbst erleben, dass die Behörden in Liechtenstein offenbar nicht gross
handelten und die Sache sich lange, lange hinziehen würde.
Sofort verlangte ich eine Kopie der Vernehmung. Ich kann es nicht in
Worte fassen, was ich beim Lesen dieses Schriftstücks durchgemacht
hatte. Ich verfluchte alle im Land. Zuerst war mir aufgefallen, dass die
Frau von Helmut Roegele, die mit ihm in Vaduz gegenwärtig war,
NICHT als Beschuldigte einvernommen wurde, sondern als Zeugin!?!?
Völlig unverständlich für jeden Juristen. Obwohl ich ihre Taten im Detail
aufgezeigt hatte und sie einen grossen Teil der Verantwortung der Taten
übernehmen müsste. Ich bin ja kein Jurist, aber zum minimalen
Verständnis einer Strafuntersuchung gehört die Vernehmung aller
Beschuldigten. Der UR Dr. Meier sagte mir, dass die STA nur die
Vernehmung von Helmut verlangt hatte und da seine Frau, Salud
"praktischerweise" anwesend war, sie selber gerne eine Zeugenaussage
machen wollte. Wie praktisch<..
112
Als ich die an den Haaren herbeigezogenen Antworten von Helmut auf
die Fragen des UR gelesen hatte, bin ich emotional in ein tiefes Loch
gefallen. Er bejahte, dass er zwar in Argentinien gewesen sei, die Sache
mit dem Geld sei aber "freiwillig" geschehen, die Verletzungen seinen
ein "Unfall" gewesen, ich hätte z.B. meine runden Verbrennungen auf
der Rückseite (!) meiner rechten Wade dadurch geholt, indem ich
angeblich zu nahe stand als ich einem Farmknecht beim Schweissen
"zugeschaut" hätte. Völliger Mist. Wie soll dies gehen? Physikalisch gar
nicht möglich: Wie kann ein Schweissfunke über mehrere Meter hinweg
horizontal fliegen, zwischen meinen Beinen hindurch sausen und dann
eine 180 Grad-Drehung machen, um hinten in der Mitte meiner Wade zu
landen und sich dort einzubrennen? Verdammt noch mal – völliger Mist.
In seiner Aussage bestätigte Helmut sogar, dass er (mit anderen) "ein
wenig Druck" auf mich hätten ausüben müssen. Und spätestens hier
hätte die STA massiv nachhacken sollen. Man kann es fast nicht glauben:
Niemand hatte von Helmut gefordert, er solle im Detail erklären, was er
mit "ein wenig Druck ausüben" gemeint hatte. Niemand! Er erklärte
weiter, dass er keine Erklärung dafür hatte, warum ich, sobald ich (in
Buenos Aires) alleine war, verzweifelt versuchte hatte, die ganze vorher
angeblich von mir "genehmigte" Geldtransaktion zu stoppen obwohl
doch alles so makellos "freiwillig" gewesen sein soll. In einer
schriftlichen Eingabe an das LG Feldkirch hat Helmut behauptet, ich sei
ja medizinisch bestätigt geistesgestört, hätte eine langjährige
psychiatrische Betreuung abgebrochen und vor der Psychiatrie „auf der
Flucht‚. Alles kompletter Unsinn. Nie im Leben war ich je in oder runter
einer Psychiatrischen Behandlung. Aber Helmut war ja gezwungen
Phantasie-Antworten zu geben, er musste ja seinen angeblichen
Anspruch auf die Hälfte der Ausbeute der schweren Erpressung
irgendwie untermauern und auch irgendwie die noch schweren
Anschuldigungen (die schwere Nötigung, die Freiheitsberaubung, die
schwere Körperverletzung etc) abwehren.
Es dauerte einige Wochen, bis ich mich von diesem Schock erholt hatte.
Es war wie eine zweite Folter.
In der Zwischenzeit waren die Täter auch nicht untätig. Sehr erbost über
seine misslungene Erpressung, insbesondere aus monetärer Sicht, ging
Mariano in kellertiefe Deckung. Wenn ich heute so zurück denke, dann
113
wünsche ich mir, ich hätte die Yacht (Holzboot) ANALIA verkauft.
Kaufangebote hate ich einige. Ich bin 1995 extra wegen seiner
Geldschuld mir gegenüber (bzw. Das NICHT-Bezahlen der Schuld) nach
Barcelona gezogen. Um dort zu sein, wo er lebte. Auf meinen ständigen
Druck hin hat er mir dann im September 1995 alle Aktien der spanischen
Einzelf irma, die das Boot seit Jahren besass als Sicherheit für das
Darlehen überschrieben. Ich wurde auch als einziger Direktor der Firma
nominiert und registriert. Ein ganzes Jahr lang (von September 1995 –
September 1996) gehörte das Boot mir. Zeitweise lebte ich auf dem Boot
im Hafen. Der Grund warum ich es nicht verkaufte, war, weil er mir
ständig in den Ohren lag und behauptetet, die ‚nächste Woche‚, im
nächsten Monat‚.... werde er mir sicher das Darlehen samt Zins
zurückbezahlen. Er wollte das Boot unbedingt wieder haben. Mit dem
Boot hatte ich mehrheitlich nur Ärger. Wie er mein Boot ohne die
Firmenaktie und ohne meine Unterschrift als Direktor Jahre (nach dem
Argentiniendrama) später verkaufen konnte, ist sein kriminelles
Glanzstück. Heute noch, im Jahr 2009, ‚warte‚ ich – wohl vergebens –
auf seine Rückzahlung des Darlehens.
Helmut und seine Frau aber wurden sich der zu Recht schweren
Beschuldigungen sehr rasch bewusst (u.a. auf Grund diverser
polizeilicher Vernehmungen in Deutschland, Österreich, Spanien und
Liechtenstein) und musste daher rasch handeln. Er und seine Frau
suchten dringend und verzweifelt nach einem Mittel, meine Position im
Strafverfahren gegen sie in Liechtenstein zu "schwächen". Zu meiner
grossen Bestürzung wirkten sie massiv auf die Behörden in Spanien ein
(die natürlich vorher nichts von deren Verbrechen in Argentinien
wussten) und erwirkten am 25. Mai 1997 (also knapp sechs Wochen nach
Argentinien), und dies völlig zu unrecht, dass die spanischen Behörden
einen internationalen Haftbefehl gegen mich ausstellten. Sobald ich
durch meinen eigenen Rechtsanwalt in Spanien von dem internationalen
Haftbefehl via LG Vaduz erfahren hatte, habe ich den zuständigen
Richter in Barcelona ausfindig gemacht und ihm auf Spanisch einen 3seitigen Fax gesendet, worin ich zusammengefasst die Verbrechen der
Täter schilderte und den Grund erklärte, warum ich derzeit nicht nach
Spanien kommen konnte. Erst einige Jahre später habe ich erfahren
können, dass in Barcelona Helmut vehement, schlussendlich ohne
Erfolg, versucht hatte, den Eingang dieses Schreibens in den dortigen
Akt zu verhindern.
114
Ja, der Internationale Haftbefehl, was für ein "Segen" für die Täter. Damit
versuchten sie, zumindest symbolisch immer darauf hinzuweisen, dass
ich ja der Luzifer sei. Um es eindeutig richtig zustellen: Der Haftbefehl
war nur deshalb ausgestellt worden, weil ich selber NICHT mehr nach
Spanien gehen wollte und konnte. Und ich glaube alle meine Leser und
Leserinnen können nachvollziehen, dass ich nach diesen abscheulichen
Erlebnissen sicherlich KEINE Lust hatte, ins Land des Folterers Helmut
zu gehen. Natürlich war es mir absolut nicht angenehm, einen
internationalen Haftbefehl zu haben, aber ich rannte vor niemanden
weg. Ich engagierte einen Rechtsanwalt in Spanien, der sich darum
kümmerte. Die taktisch agierenden Täter hatten immer darauf gehofft,
dass ich nach Spanien komme, um mich persönlich zu verteidigen und
somit die Verfolgung ihrer schweren Verbrechen beim LG Vaduz für
Jahre hinaus ins Stocken geraten würden oder gar eingestellt würden.
Aber die absolute Priorität Nr. 1 (eigentlich die Einzige) für viele, viele
Jahre seit dem 9. April 1997 war für mich die Verfolgung und Bestrafung
aller Täter. Ich habe all mein Denken, meine Energie, meine Kraft und
Zeit auf dieses Ziel konzentriert. Ich war sehr erfreut, dass die BAWAG
Bank in Österreich den Diebstahl meines Gelds durch Rückabwicklung
der Transaktion in sprichwörtlich allerletzter Minute, eigentlich Sekunde
gelungen ist. Wahrhaftig unglaublich, dass dies der Bank gelang, da die
Gelder (mit Ausnahme dessen, was sich der "Bote" Peter Kroschel
einsteckte) schon bei der spanischen Korrespondenzbank der BAWAG in
Madrid lagen. Die Gelder blieben bei der BAWAG Bank, bis ein Gericht
entscheiden würde, was damit geschehen sollte. Die Täter kamen
dadurch in radikalen (juristischen) Zugzwang. Um zu verhindern, dass
ihre Verbrechen durch sie selber "bestätigt" werden würden, mussten sie
ihren angeblichen echten Anspruch auf die nun blockierten Gelder
schnell anmelden. Und schon konnten sich die Täter nicht mehr mit
ihren Lügengeschichten zusammenhalten: Mariano hat erst gar nicht
versucht, einen angeblichen Rechtsanspruch auf seine "Hälfte der Beute"
beim LG in Feldkirch, Österreich oder irgendwo sonst anzumelden.
Helmut Roegele und seine Frau waren sich um die Konsequenz eines
"Nicht-Handelns" sehr bewusst und engagierten einen RA in Feldkirch.
Wiederum erhofften sie sich einen Vorteil, da ein möglicher Zivilprozess
um das Geld voraussichtlich beim LG in Feldkirch stattfinden würde
und der internationale Haftbefehl mich daran hindern könnte, dort
selber aufzutreten. Mein in Liechtenstein beauftragter RA Dr. Hirn hatte
115
auch eine Kanzlei in Feldkirch und konnte somit für mich in der
Zivilsache dort auch tätig werden.
Was man so alles bedenken muss, wenn man einen internationalen
Haftbefehl am Hals hat: Im Sommer 1997 hatte ich einen
Mountainbikesturz auf der Essanestrasse in Eschen. Die dicke Schraube,
die den Sitz an der Sitzstange festhält war urplötzlich während der Fahrt
abgebrochen, der Sitz brach weg und ich war für Sekunden in der Luft
gehangen, während das Velo alleine weiterrollte. Ich landete – mit dem
Hintern zuerst – in der Mitte der stark befahrenden Hauptstrasse. Der
Lastwagen hinter mir konnte gerade noch ausweichen, aber ein
Personenwagen aus der Gegenrichtung machte kurzen Prozess mit dem
Velovorderrad. (Nein, Hans-Adam hatte nicht an der Schraube gesägt,
das Schicksal würde uns erst Jahre später enger zusammen führen). Ein
Krankenwagen musste her und sie wollten mich ins nahe liegende Spital
nach Feldkirch fahren. "NEIN, NEIN" rief ich. Ich gehe nur ins Spital
Grabs, in der Schweiz auf der anderen Rheinseite. Wer weiss, wie lange
ich im Spital liegen muss. Wäre ich in Feldkirch gelandet, hätten evt. die
Täter davon erfahren und nach meiner Auslieferung von Österreich nach
Spanien geschrien. Da war mir die Schweiz schon lieber!
Ich hatte Glück, es war nur ein kleiner Bruch am Ende des Steissbeins
und eine Verstauchung der unteren Wirbelsäule. Keine Operation
notwendig. Ich musste aber für 9 Wochen tagsüber ein massgefertigtes
Spannkorsett tragen. Gut für die Haltung. Mein RA Dr. Hirn hatte die
Gelegenheit für Schadenersatz beim österreichischen Hersteller der
Schraube gesehen und prompt zahlten sie ohne grossen Streit ca. 22'000.Schweizer Franken: ging alles in meine Kriegskasse.
Aus den ursprünglichen geplanten "paar Monaten" im Altersheim
wurden es schlussendlich über acht Monate. Zu Beginn des neuen Jahres
1998 zog ich in eine möblierte 1-Zimmer-Anliegerwohnung ins das
schöne Balzers, im Liechtensteiner Oberland ein. Ich traute mich wieder
etwas mehr unter die normalen Menschen, ich suchte und fand Kontakt
ausserhalb meines üblichen Kreises von:
"UR – (STA) – RA – UR – (STA) – RA -UR <.".
116
Nicht das ich meinen Fokus änderte. Um vor allem den grossen
psychologischen Stress und die durchgemachte Todesangst während der
Gefangenschaft aufzuzeigen, erstelle ich zum ersten Jahrestag meiner
Folter eine schematische Darstellung (Psychogramm/Diagramm) und
hatte es am 10.04.1998 dem UR für den Akt gebracht. Eine Originalkopie
des Schemas findet ihr auf den nächsten drei Seiten.
(Bitte Buch nach links drehen)
117
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120
Ich verfiel in eine noch grösser Schreibwut und nahm jede einzelne
Aussage, die ich von den Tätern hatte, unter die Lupe und stellte eine
ausführliche schriftliche Mappe zusammen, die über 1,6 Kilogramm (!)
wog. Darin zeigte ich dem UR und der STA die unzähligen
Widersprüche auf. Widersprüchlichkeiten nicht nur zwischen den
Aussagen der diversen Täter, sondern auch jene Widersprüche in den zu
verschiedenen Zeiten gemachten Aussagen derselben Person. Mit der
Zeit war ich eher froh, dass ich überhaupt einige Aussagen der Täter
hatte, schlimmer wäre es gewesen, wenn sie nichts gesagt hätten.
Dadurch, dass sie sich immer und immer wieder widersprochen hatten,
konnte ich deren Lügengeschichten einfach und klar den Behörden
aufzeigen.
Neuen Optimismus in Bezug auf die Arbeit der STA in meinem Fall
hatte ich erlebt, als der frische und neue Leitende Staatsanwalt, der
Österreicher Dr. Robert Wallner seine Arbeit in Vaduz aufnahm.
Während der LIGA (Liechtensteinische Industrie & Gewerbe
Ausstellung) im Jahr 2000, sah ich ihn per Zufall am Messestand des
Radio L (Radio Liechtenstein), wo er anlässlich seiner Anstellung ein
Interview gab. Ich sprach ihn an und erklärte ihm wer ich sei und
referierte kurz über meinen Fall. Er zeigte sich sehr interessiert und
versprach mir, in den nächsten Tagen der Sache nachzugehen und mir
zu berichten. In der Folge wurde die STA Willi vom Fall abgezogen und
dem ebenfalls neu angestellten Staatsanwalt, Herrn Frank HAUN
zugeteilt. Einerseits war ich froh, dass mein Fall weg von der Willi war,
die nichts als kostbare Zeit ungenutzt verstreichen liess. Andererseits
hatte ich auch die Befürchtung, dass Herr Haun, ein junger, eher
unerfahrener Jurist aus Österreich mit meinem Fall überfordert sein
könnte.
Meine ursprüngliche Befürchtung verflüchtigte sich, als ich ihn
mehrmals zufällig entweder in den Gängen des Gerichtsgebäudes oder
auf dem Platz davor in den Jahren 2000 bis 2002 traf. Wie sie so sind, die
Juristen und Staatsanwälte: immer hektisch erscheinend und
kurzgebunden. Schon am 18.10.2000 habe ich ihm einen zehnseitigen
Brief mit einer wirklich kurzen Zusammenfassung aller Ereignisse
zukommen lassen. Er bestätigte mir, dass er meinen Fall sehr gut kennen
würde und sich damit stark befassen würde. Später, und dies zum
letzten Mal im Januar 2002, versicherte er mir, dass er an der
121
Anklageschrift gegen die Täter arbeite und diese in drei bis vier Monaten
fertig sein sollte. Ich erinnere mich sehr genau an seine, diese für mich
sehr wichtigen Worte! Es war ein schöner Wintertag, und ich fuhr mit
dem Mountainbike an den Rhein und war voller Zuversicht, dass bald
ein Kriminalgericht in Vaduz über die Täter (falls sie denn zur
Verhandlung erscheinen sollten) zu Gericht sitzen würden. Ich wusste
immer und es ist heute noch so, dass bei einer Gerichtsverhandlung über
die Taten in Argentinien die Täter sich NIE, NIE, NIE aus der
Verantwortung herausreden können!
Zu jener Zeit hatte der UR Meier in seinem zweiten Versuch wieder
keinen Erfolg. Er wollte auf Grund internationaler Vereinbarungen
bezüglich der Übernahme von Strafverfahren (via Eurojust oder so
ähnlich), zum zweiten Mal Spanien dazu bewegen (übrigens mit meiner
vollen Unterstützung), meinen Fall dort an das LG Vaduz abzutreten.
Warum Spanien den Fall nicht abgeben wollte, erfuhr niemand. Und
weshalb sie auch nie ein Rechtshilfegesuch oder einen
"Auslieferungsantrag" an Liechtenstein stellten, ist unerklärlich. Dem
Gericht in Spanien war seit dem Spätsommer 1997 mein Aufenthaltsort
bekannt und sie hatten auch eine Adresse von mir in Liechtenstein.
Nichts geschah von Seiten der spanischen Justiz. Somit blieb der
Haftbefehl aus Spanien aufrecht. Ganz wie sich dies der Verbrecher
Roegele wünschte.
In meinem Privatleben ging es auch wieder bergauf. Ich lernte meinen
neuen Wohnort Balzers besser kennen und erlebte dort sowie im
Nachbarort Triesen neue, wunderbare Freundschaften. Auf diesem Weg
hier grüsse ich sie alle ganz herzlich. Von meinem Drama in Argentinien
sowie dem juristischen Kampf wussten sie alle nichts.
Im Mai 1998 zog ich in eine 3-Zimmer-Wohnung in einem
Mehrfamilienhaus (MFH) in der Neue Churerstrasse 27 in Balzers um.
Der Neubau mit sieben Wohnungen wurde von einer Liechtensteiner
Aktiengesellschaft (AG), der REAL INVEST AG gebaut, die
pikanterweise wiederum die finanziellen Mittel dafür aus
Schwarzgeldkonten einer Stiftung aus Liechtenstein erhielt, die einem
Deutschen aus der Nähe von Hamburg gehörte. Ich kannte den Direktor
der AG gut und er machte mir ein super Angebot. Für einen sehr
niedrigen Mietzins von CHF 700.- pro Monat konnte ich einziehen, wenn
122
ich "ein Auge" auf das seit Fertigstellung fast leer stehende MFH halten
würde. Die noch freien Wohnungen sollten an Kunden verkauft werden.
Meine Aufgabe bestand darin, die Anlage im Schuss zu halten und
Kaufinteressenten durch die schönen, leeren Wohnungen zu führen. Ich
richtete meine Wohnung mit meinen eigenen, neu gekauften IKEA
Möbeln ein. Darin hatte ich auch ein kleines Büro eingerichtet und dort
fast täglich für meinen Kampf recherchiert, geschrieben und gedruckt.
Mein Einzug in dieses MFH-Haus an der Neue Churerstrasse würde –
rückblickend – eine schicksalhafte Rolle spielen. Unter mir war einige
Monate vor mir eine junge Person eingezogen, die wiederum persönlich
mit dem Direktor der besagten AG seit langem befreundet war. Die
Person arbeitete seit Jahren bei der Treuhand der LGT Gruppe in Vaduz.
Mehr dazu etwas später.
123
Kapitel 4 Ein Kübel voll Schweineblut
Ich war natürlich auch sehr aktiv an der Front um meine, in Österreich
liegenden Gelder. Um seine angebliche Unschuld in Argentinien (vor
allem aus taktischer Sicht) zu untermauern, war es für Helmut sehr
wichtig, den Kampf um das Geld erbittert weiterzuführen. Sehr
unangenehm für ihn und seine Truppe (Frau und Schwager) war, dass
die anderen Täter (Farmbesitzer Mariano und Söhne) sich seit der
missglückten Erpressung nicht mehr ans Tageslicht getraut hatten. Für
sie darum sehr unerfreulich, weil diese Tatsache auch indirekt beweist,
dass ihre ganze Version eine Lüge war. Den heuchlerischen Antrag von
Helmut, die im Sommer 1999 definitiv gerichtlich gesperrten Gelder
seien ihm sofort auszuzahlen, wurde – mangels Rechtsanspruch - vom
LG Feldkirch sowie dem Oberlandesgericht Innsbruck
niedergeschmettert. Dennoch blieb die Sperre aktiv und Helmut wurde
auferlegt, eine Zivilklage im Wohnsitzland der anderen Partei (ich)
einzureichen. Also beim LG in Vaduz. Das wird ja interessant, hatte
mein RA zu mir gesagt. Und ich war eigentlich hoch erfreut über die
Forderung des Gerichts in Österreich, dass erst dann das gesperrte Geld
freigegeben wird, wenn ein rechtsgültiges Zivilurteil in Bezug auf die
Gelder aus Vaduz vorliegt, denn fast wäre es dem Täter Helmut etwas
später auf Grund eines Formfehlers gelungen, unrechtmässig an meine
gesperrten Gelder zu kommen. Erfreut deswegen, weil er nie und
nimmer einen solchen Prozess gewinnen konnte.
In der Folge wurde eine Zivilklage um das Geld beim LG Vaduz im
Januar 2000 eingereicht. Mein RA hatte dann sofort umfassend eine
Klagebeantwortung abgefasst und beantragt, dass die Akten aus dem
Strafprozess gegen Helmut Roegele & Co. (101er) zugezogen werden.
Über meine Vorstellungskraft hinaus sollte sich dieser Zivilprozess auch
massgeblich an meiner steigenden Wut über die Aktionslosigkeit der
Justiz im Argentinienfall entwickeln.
Nicht vergessen, es war ein Zivilprozess, kein Strafprozess! Trotzdem
stand für Helmut & Co. alles auf dem Spiel. All die massiven Beweise
gegen sie, die schreiende Logik daraus, mussten sie mit allen möglichen
Mitteln bekämpfen. Der RA von Helmut in Vaduz entpuppte sich als
sehr skrupellos (Er vertrat ihn auch im Strafprozess). Ich, auf meiner
Seite mit RA Hirn, sah der Sache sehr zuversichtlich entgegen.
Vermutlich haben auch einige meiner Leser, die schon mal zum Gericht
"springen" mussten, selber – wie ich – entrüstet erleben müssen, dass
124
Recht haben und Recht bekommen zwei fundamental verschiedene
Dinge sind.
Wie im Delirium schwankte ich einerseits zwischen der nackten Furcht,
meine Folterer persönlich und leibhaftig wieder zu sehen und den
daraus unbeschreiblichen Konsequenzen für mich und andererseits der
euphorischen Freude darüber, dass dies die Gelegenheit sein würde, bei
der die STA endlich Helmut und seine Frau in die Mangel nehmen
konnte. Nach zwei Tagessatzungen (nur in Anwesenheit der
Rechtsanwälte) im Februar und Mai 2000 wurde die Hauptverhandlung
der Zivilsache auf den 20. Juni 2000 festgesetzt. Der RA von Helmut
hatte die Information über das mögliche Erscheinen des Ehepaares bis
zur allerletzten Minute zurückbehalten. Ein Erscheinen von Helmut
(oder auch mir selber) war von Gesetztes wegen nicht zwingend
erforderlich, ich aber wollte unbedingt persönlich dort anwesend sein
und mich nicht nur durch meinen RA vertreten lassen.
Je näher der Termin kam, umso aufgewühlter wurde ich. Nicht wegen
dem Inhalt des Zivilprozesses, da waren wir, mein RA und ich, uns zu
1000 Prozent bombensicher, dass Helmut (als Kläger) diesen Prozess
hochgradig verlieren würde.
Man muss es sich vorstellen: Es würde das ERSTE Aufeinandertreffen
von uns beiden seit Argentinien sein. Mein monumental aufgestauter
Hass auf meine Peiniger, mit dem ich seit April 1997 alleine leben
musste, würde auf seine Quelle treffen. Eben die Beiden. Nicht dass ich
die Mittäterschaft von Mariano & Co. vergessen hatte. Ich habe der STA
und dem UR über die Möglichkeit von Helmuts Erscheinen geschrieben
und verlangt, dass sie eine Neuvernehmung von Helmut wegen seiner
unzähligen Widersprüche durchführten und ausserdem eine
Erstvernehmung seiner Frau, der Täterin Salud. Auch habe ich gebeten,
dass die STA bitte eine Verhaftung der beiden wegen "Fluchtgefahr
und/oder Verdunkelung" wirklich, wirklich in Betracht ziehen sollte.
Der Zivilprozess wurde dem Landrichter Dr. Uwe Oehri zugewiesen. Ich
kannte ihn nicht persönlich. Mein RA aber schon. LR Oehri ist ungefähr
in meinem Alter. ER war im Land "berühmt", leider nicht dank
"gerechter Urteile" – eher wegen des Gegenteils: Es lagen schon damals
einige Beschwerden bei der Justiz über ihn vor. Es sei sehr parteiisch und
seine richterliche Würdigung vorgebrachter Beweise oft abstrus. Dies
kümmerte mich nicht gross, denn ich hatte da keine Bedenken.
Ich hatte viele unruhige Nächte vor dem wichtigen Termin. Ich hatte
solche Angst. Angst vor mir selber! Angst, ich könnte mich nicht
125
beherrschen und würde etwas Dummes tun, wenn ich die Folterer sehen
würde. Man konnte ja nicht feststellen, ich konnte ja nicht feststellen,
dass ich das ganze Thema "Folter in Argentinien" mit der Zeit hätte
verarbeiten können. Nein, jeden Tag seit April 1997, jedes mal wenn ich
aufstehe, sehe ich die vielen Narben und denke an das furchtbar
Erlittene. Ich entschied mich dem Gericht einen Brief zu schreiben, um
auf diese ausserordentlichen Umstände hinzuweisen. Zuerst wollte ich
dem LR Oehri, als Einzelrichter in dieser Sache, schreiben. Nach
Absprache mit meinem RA, kam ich zum Schluss, dass es nicht
angebracht wäre, wenn ich als Beklagter dem zugeteilten Richter direkt
anschreiben würde. So richtete ich den Brief an Dr. B. Marxer, den
Landesgerichtspräsidenten. Er war mit dem 101er Fall vertraut, da sich
dieser aussergewöhnliche Fall im kleinen Liechtenstein, vor allem in
Justizkreisen schon lange herumgesprochen hatte. Ich schilderte meine
Ängste vor einem Zusammentreffen und dass ich einfach ausserstande
sei, zu garantieren, dass ich nicht ausflippe. Daher hatte ich ihn um die
Anordnung von Vorsichtsmassnahmen (z.B. Polizei oder
Schutzpersonal) gebeten. Er bedankte sich für mein Schreiben per
Telefon und sagte, dass er alles tun werde, um eine mögliche
Konfrontation zu entschärfen, bzw. meinen Stress zu mildern.
Was habe ich mir in den Tagen vor dem grossen Tag alles ausgedacht.
Ich wusste, ich musste mich beherrschen. Ich wollte keine
Gesetzwidrigkeit machen und auch nichts, was den Bemühungen der
STA oder UR im 101er zuwiderlaufen würde. Ich wusste, ich durfte
unter keinen Umständen "Hand an Helmut oder seiner Frau legen".
Zuerst dachte ich mir eine raffinierte Falle für Helmut aus. Nein, keine
fliegenden Kugeln. Mit Hilfe des katholischen Pfarrers von Vaduz wollte
ich ihn während einer Sitzung mit dem Pfarrer in ein heimlich
aufgezeichnetes Schuldgeständnis locken. Wobei ich zum Schein auf ein
fiktives "Versöhnungsangebot" eingehen würde. So verzweifelt war ich,
ihn zur Strecke zu bringen. Ich verwarf diesen Plan, weil mir bewusst
wurde, dass ich aus Zorn mich nicht hätte beherrschen können. Und
zudem Helmut ein ganz gerissener Delinquent ist. Dann hatte ich die
Idee mit dem Blut. Blut, das ich ohne Probleme vom "Onkel Herbert"
(der Besitzer der Malbuner Spezialitäten) hätte organisieren könnte. Ich
ging sogar so weit, dass ich bei einer Jurastudentin, die beim LG Vaduz
das Praktikum absolvierte, nachfragte, ob ein Kübel davon, gemäss StGB
eine grobe Tat wäre. Sie konnte mir keine klärende Antwort geben. Ich
126
malte mir das Bild aus, wo ich vor dem Gerichtsgebäude auf die Folterer
lauerte und ihnen dort einen Kübel voll warmem Schweineblut ins
Gesicht schleuderte. Oder ein anderer Traum: Ich stopfe die stark
blutverschmierten kurzen blauen Jeanshosen den Zwei in den Hals, bis
nichts mehr davon ersichtlich ist. Ein Traum! Es ist jene Hose, die ich im
Kerker anhatte und seit dem Umzug ins Eckzimmer auf der Farm in
meiner Tasche ausgetrocknet aufbewahrte. Nach Ankunft in
Liechtenstein habe ich sie in einen Plastiksack der COOP Ladenkette
ungewaschen umgepackt und mit Klebeband luftdicht verschlossen. Es
ist, wie meine Narben, ein Symbol für meine Gefangenschaft und das
Erlittene. Ja, und ich habe sie heute noch, fast 12 Jahre später, bei mir,
verstaut tief unten in einer Box. Nie mehr geöffnet seit April 1997. Wer
weiss, eines Tages kann ich sie doch noch den Tätern "zum Frass
vorlegen".
Also, zurück zum Showdown beim LG Vaduz. Ich war überpünktlich
vor Ort und wartete draussen auf meinen RA. Helmuts RA kam kurz
darauf und dann< er und sie, arm in arm. Mein Herz drohte zu
explodieren und ich konnte nicht mehr atmen. Mein RA versuchte so gut
es ihm gelang, mich abzulenken. Wie noch nie im Leben beherrschte ich
mich. Ständig dachte und sagte ich zu mir: "Warte ab Heinrich, die STA
wird bald in Aktion treten, du wirst deine Gerechtigkeit erhalten". Das
ging gut, bis Frau Salut einen bissigen Spruch losliess, aber erst dann, als
sie sicher war, dass es niemand ausser uns hören würde und zudem
sprach sie natürlich auf Spanisch: "Wir hätten dich gleich im Kerker
umlegen sollen". Ich antwortete auf Spanisch: "Du Hure". Und sie
spuckte mich 3 Mal an, wobei sie kein einziges Mal traf, da ich mit
raschen Kopfbewegungen der Spucke ausweichen konnte.
Die Sicherheitslösung des Gerichtspräsidenten bestand aus zwei
Landespolizisten, uniformiert und normal bewaffnet. Ich sah sie vor dem
Gerichtssaal im Gang stehen. Ich kannte sie flüchtig, wir sind ja ein
kleines Land. Ich war felsenfest überzeugt, dass nun endlich die STA die
Hände aus dem Sack genommen hatte und eine Verhaftung der Beiden
nach der Verhandlung angeordnet hatte. Ich und mein RA sassen am
grossen U-förmigen Tisch gegenüber von Helmut und seinem RA. Der
Richter mit Sekretärin zwischen uns allen, rechts von mir. Die Beiden
Polizisten hinter Helmut. Zu unserem Erstaunen, erlaubte es der LR
Oehri der Frau von Helmut in den Saal zu kommen und ca. drei Meter
127
von mir, an der Wand, mit Gesicht zum Richter, Platz zunehmen.
Warum? Sie war ja nicht die Klägerin sondern eine Zeugin von Helmut.
Zeugen werden nur dann in den Saal gerufen, wenn deren Aussage dran
ist. Aber nein, der LR Oehri, obwohl er ja über diese ausserordentlichen ,
vermutlich ganz seltene Konstellation, in der ich mich mit den "Klägern"
befand, Bescheid wusste, erlaubt es ihr, die ganze Zeit im Saal präsent zu
sein. LR Oehri, trotz Proteste seitens meines RA, erlaubte es sogar, dass
Helmut, wenn er sich in seiner Aussage gerade widersprochen hatte, auf
Spanisch bei seiner Frau nachfragen konnte, wie es "denn genau"
gewesen war und er dann – auf Deutsch – die "korrigierte" Antwort dem
LR gab.
Es war grausam! Dir Frau von Helmut versuchte mich aus der Fassung
zu bringen, indem sie mich wie eine Irre ständig anstarrte. Der LR Oehri
hat meinen Antrag auf Zuziehung der Gerichtsunterlagen des
Argentinienfall (101er) nur sehr widerwillig, und mit massiver
Verzögerung beantwortet. Er war an einer Vollzulassung nicht
interessiert. Obwohl ja der Zivilprozess nur daraus resultierte, dass die
Erpressung von Helmut (zumindest) finanziell keinen Erfolg hatte. Der
LR war zum Schrecken von mir und meinem Rechtsanwalts seit
Prozessbeginn sehr auf Seiten von Helmut; er wollte meine Beweise und
Argumentation in der Verhandlung nie fertig anhören und unterbrach
ständig meinen RA und auch mich, als ich meine Antworten auf seine
Fragen und die des RA von Helmut gab. Auch wurden praktisch alle
meine Anträge auf Beweisaufnahme von ihm abgelehnt. In einem
Liechtensteiner Zivilprozess ist ein Einzelrichter wie Oehri praktisch
narrenfrei, was er als Beweise "würdigen" möchte oder eben nicht. Für
mich war die Anwesenheit der Folterer unerträglich.
Mir wurde sehr heiss und ich bekam von dem Gesprochenen schnell
nicht mehr viel mit. Mein Anwalt machte sich grosse Sorgen. Den LR
Oehri interessierte das einen feuchten Scheissdreck. Er genoss es
augenscheinlich die ganze Tragödie, die sich vor seinen Augen abspielte.
Ich brachte fast kein Wort aus mir heraus – und das will was heissen!
Nach mehreren Stunden war die Tortur vorüber. Ich musste mich so
brutal unter Kontrolle halten. Ich wartete auf das, was jetzt geschehen
wird. Ich merkte schon, dass das Verbrecherehepaar wegen der zwei
Polizisten stark irritiert war. Sie fragten sich auf Spanisch, warum die
Polizisten hier seien. Ich hoffte so sehr, dass jetzt die STA im
Gerichtskorridor auftauchen würde und den beiden, oder zumindest
Helmut, einen Haftbefehl unter die Nase reiben würde, um ihn
128
anschliessend abzuführen. Aber nichts geschah, auch mein Anwalt
staunte darüber, dass beide einfach so aus dem Gebäude laufen konnten,
ohne dass irgendjemand sie anhielt, geschweige denn ansprach. Ich
steigerte mich in einen Wutanfall hinein und mein RA hatte wirklich
Mühe mich zu beruhigen. Wir werden ja später im Akt lesen können, ob
die STA sie zur Einvernahme vorgeladen hat, sagte er mir. Am selben
Tag habe ich herausgefunden, dass sie nicht in Liechtenstein, ja nicht
einmal in der nahen Schweiz übernachtet hatten. Sie hatten Angst (vor
einer Verhaftung oder Ähnlichem) und hatten sich ein Hotel in
Feldkirch, in Österreich gebucht.
Bevor ich selber abklären konnte, ob die STA nun endlich die
erforderliche Neu- bzw. Ersteinvernahmen der Täter vollbracht hatte,
kontaktierte mich die STA via Telefon. Man konnte keine Einvernahme
"organisieren", aber sie würden dies zuverlässig nachholen. Ich verstand
nichts mehr. Auf meinen Verweis hin, dass, wenn Helmut von der ihm ja
bald zu präsentierenden Anklage der STA wegen Argentinien erfahren
würde, er nie wieder in Liechtenstein auftauchen würde, sagte man mir,
dass die STA dann eben einen internationalen Haftbefehle gegen ihn
ausstellen würde und die Auslieferung beantragen würde. Das ergibt
doch keinen Sinn, widersprach ich. Deren Antwort: Lassen Sie uns
unsere Arbeit so machen, wie wir es für richtig halten.
Es kam zur zweiten Verhandlung am 19.10.2000 und später auch einer
Streitverhandlung im April 2001, immer noch vor dem LR Oehri. Und
jedes Mal haben Helmut und seine Frau mich mit bissigen
Randbemerkungen zur Weissglut gebracht. Ich habe nach aussen hin
nicht mehr darauf reagiert. Ich musste still sitzen, obwohl ich auf
glühenden Kohlen sass.
Vor jeder Verhandlung informierte ich wiederum schriftlich die STA
und den UR und hatte abermals gebeten, die Gelegenheit zu nutzten,
endlich aktiv zu werden und eine Überführung der Täter in
Untersuchungshaft anordnen. Da ansonsten beide wieder ins Ausland
verschwinden würden und deren Auslieferung langwierig und komplex
sein würde. Alle Beteiligten merkten sofort, dass die persönliche
Anwesenheit meiner Foltere während der Gerichtsverhandlungen mich
absolut starr und aktionslos machte. LR Oehri brachte es ausserdem
fertig, dass eine der längsten Verhandlungen sogar ohne meinen RA
stattfinden konnte. Er hatte seine Amtsgewalt geschickt genutzt, um
129
mittels Paragraphenreiterei und Ausnutzung von Fristen, buchstäblich
eine Minute vor Verhandlungsbeginn zu verhindern, dass mein RA
teilhaben konnte (der Grund dafür war, weil ich bei Gericht um
Verfahrenshilfe - Uebernahme der Anwaltskosten - gebeten hatte, da
meine eigenen Mitteln zu Ende gingen). Bei dieser Verhandlung brachte
Helmut sogar einen (gekauften) Zeugen aus Spanien mit. Dieser
bestätigte übereifrig alle Angaben des Klägers. Diese waren komplett
diametral zu dem was im öffentlich-rechtlichen (!) Notarvertrag über
den Wohnungskauf stand. LR Oehri nickte nur eifrig in Richtung Kläger.
Ich, ohne Rechtsbeistand, war ausserstande den Zeugen richtig zu
befragen. Man muss sich das mal vorstellen: Ohne Übertreibung kann
ich wirklich sagen, dass es ganz, ganz ausserordentliche Umstände bei
diesem Zivilprozess waren und LR Oehri, der mich schon bisher im
Verfahren ständig genötigt bzw. gedemütigt hatte, jedes Mal die Sache
noch ein Stück schlimmer machen konnte. Ich konnte meine Gedanken
nicht auf das Wichtige konzentrieren. Eigentlich konnte ich mich auf
nichts konzentrieren, weil ich fortwährend an Argentinien denken
musste, weil ständig die zwei verdammten Folterer zwei, drei vor
meiner Nase sassen. Und dann war ich noch alleine, ohne mein Anwalt
im Saal. Verflucht noch mal, wieder hatte der LR Oehri es zugelassen,
dass die Frau von Helmut, eine "Zeugin", ständig im Gerichtsaal präsent
sein konnte. Warum hat er dies erlaubt? Eine Zeugin im Verfahren hat
absolut nichts im Saal zu suchen, solange sie nicht selber dran ist mit der
Aussage. Das ist doch fundamentalstes Zeug jeder Gerichtsverhandlung.
Ich bin mir ganz sicher, dass der LR Oehri dies zugelassen hatte, nicht
nur um dem Kläger einen Vorteil zu geben, weil seine Zeugin ja den
ganzen Prozess hautnah mitbekommen hatte und dadurch ihre eigenen
Aussagen dementsprechend hätte modellieren können. Er hatte dies
bewusst so gewollt, sodass ich deswegen noch mehr in Wut gerate. Um
mich zu plagen! Was hatte ich dem Oehri angetan? Nichts! Ich habe mich
so, so stark zusammengerissen, eine Minute länger und ich hätte mir alle
Knochen meiner eigenen Hand gebrochen, so fest hatte ich meine Hände
zusammengepresst.
Des Weiteren wurde von Helmuts RA angekündigt, dass eine Schweizer
Treuhänderin, Frau Rita Hauser aus Rorschach am Bodensee, als Zeugin
für Helmut zur Verfügung stehen würde. Wie bitte? Die Erwähnung
ihres Namens dürfte bei vielen ihrer ehemaligen über 1000 deutschen
Kunden, vor allem jenen aus dem süddeutschen Raum, noch heute einen
Wutausbruch und Nervenzusammenbruch auslösen und die Haare
130
(sofern sie noch welche haben) "wie elektrisch geladen" zu Berge stehen
lassen. Ausgerechnet sie! Frau Rita Hauser war seit Mitte der 90er in
einen grossen Anlage-Betrugsskandal verwickelt und von der Schweizer
Justiz seit 1994 strafrechtlich verfolgt. Sie soll ihre Kunden um über 70
Millionen CHF betrogen haben. Die Print- und Internetmedien
berichteten ausführlich darüber. Ich kannte sie nicht. Helmut erzählte
mir aber im Jahre 1996 (dem Jahr des Wohnungskaufs), dass er eine Art
langjähriger Geschäftspartner der Treuhänderin Hauser ist, oder
gewesen war. Die beiden hatten sich zwar zerstritten, machten nun aber
wieder Geschäfte zusammen. Er wollte ursprünglich, dass ich einen Teil
des Kaufpreises für die Wohnung an sie ausbezahle, da sie ihm als
Gegenleistung für frisches Geld (für ihren angeblichen juristischen
Kampf gegen eine US-Bank in Lugano) eine hohe, fette Geldsumme
versprochen hatte. Nach einem Telefongespräch mit ihr im Jahr 1996,
kam mir ihre Geschichte sehr, sehr anrüchig vor. Nach weiteren
Abklärungen in Schweizer Bankenkreisen, annullierte ich, fast zu spät,
eine mögliche Zahlung an sie. Als ich erfuhr, dass sie Helmut als Zeugin
für Vaduz "helfen" sollte, habe ich für das LG Vaduz ein Schreiben
aufgesetzt und öffentlich bekannte Dokumente beigelegt. Darin warnte
ich LR Oehri vor der äusserst zweifelhaften Zuverlässigkeit einer
möglichen Aussage seitens der Treuhänderin Hauser. Offenbar hatte
Helmut sie "in der Hand", er musste etwas aus ihren vergangenen
gemeinsamen Geschäften wissen, dass ihr – wenn es publik gemacht
würde – sehr schaden würde.
Interessanterweise traute sie sich selber nicht nach Vaduz zur
Zeugenaussage. Obwohl es nur ein paar KM zwischen Rorschach und
Vaduz sind. Sie liess sich nur schriftlich per Rechtshilfegesuch aus
Liechtenstein an die Schweiz mit Hilfe eines Richters in Rorschach zur
protokollierten Aussage bewegen. Der Grund dafür lag darin, dass sie
befürchtete, in Liechtenstein, verhaftet und nach Deutschland
ausgeliefert zu werden.
Ihre Zeugenaussage wurde vom LR Oehri mit Jubel in den Zivilprozess
assimiliert und er merkte nicht einmal, dass sie eindeutig über Dinge
berichte, die sie gar nicht wissen konnte. Erst im erzürnten Streit um ihre
Person als Zeugin, hatte sich Helmut verplappert und bestätigt, dass er
ein oder mehrere Tage vor ihrer terminierten Aussage beim Gericht in
der Schweiz extra von Spanien zu ihr nach Hause gereist sei und sie
genau instruiert habe. Dies hatte den LR Oehri aber gar nicht gestört. Er
verletzte meine Rechte im Verfahren mehrmals. Meine Einwände gegen
131
die Glaubwürdigkeit dieser Treuhänderin wurden erst gar nicht vom LR
Oehri zu Kenntnis genommen. Wie Recht ich aber hatte, zeigte sich
später, als Frau Hauser in der Schweiz angeklagt wurde und die STA 10
Jahre (!) Haft verlangte. Im Januar 2006 wurde sie mit medialer
Begleitung dann wegen gewerbemässigen Betrugs und Geldwäscherei
zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Punkt.
Wieder schlief die STA. Keine Verhaftung! Keine Einvernahme!
Nichts. Aber dennoch die Aussage mir gegenüber, dass sie hart an der
Arbeit sind. Wieder, wieder und wieder<. Nun gut, vielleicht war ich
zu naiv. Aber zu meiner Verteidigung muss anerkannt werden, dass ich
mich auf die Angaben und diesbezüglichen Aussagen seitens der STA
verlassen musste. Sie war die Behörde. Sie hat die Autorität.
Das Urteil in erster Instanz in meinem Zivilprozess wurde im Oktober
2001 gefällt: Ich verlor den Prozess. Ich kann es heute immer noch nicht
fassen. Darum hier an dieser Stelle eine grosses "Dankeschön" an den LR
Uwe Oehri; danke für dieses äusserst "gerechte Urteil". "Danke" für den
unerwarteten Sieg für Helmut, über mich als Mensch und über mein
Vermögen. Ich weiss, es ist immer einfach für diejenigen, die vor Gericht
verlieren, zu schreien, der Richter irre sich oder sei inkompetent die
komplexe Sachlage richtig zu beurteilen. Aber hier war es ganz anders.
Was für ein Hohn musste ich erdulden. Nicht nur hatte es den Helmut
bis heute geschafft, sich der Verantwortung seiner schweren Verbrechen
in Argentinien zu entziehen, nein, er wurde noch dafür belohnt! Was für
ein beissender, vor allem gefühlsmässiger Schock für mich und
"Verbrecher-Sieg" für ihn: Anstelle die in Südamerika erpresste Summe
mit dem anderem Verbrecher Mariano teilen zu müssen, erhielt er
ALLES. Man stelle sich dies vor. Was soll ich da noch sagen?!?!?
Mein RA war ausser sich; er hatte so etwas noch nie erlebt.
Helmut & seine Frau haben schnell gemerkt, dass ihnen hier in
Liechtenstein im 101er-Verfahren offenbar nichts passiert. Demzufolge
waren sie bei jedem Besuch selbstbewusster aufgetreten. Und ich Idiot
habe mich zurückgehalten, weil ich fest im Glauben war, weil ich fest im
Glauben war und auch im Glauben gelassen wurde, dass die
Staatsanwaltschaft schon das richtige tue. Aber ich bin doch nur zum
Narren gehalten worden.
Natürlich bin ich mit dem Urteil vom Erstgericht sofort in Berufung
gegangen. Eine Nicht-Öffentliche Obergerichtsverhandlung war für den
Oktober 2002 anberaumt.
132
Kapitel 5
Die Welt des schmutzigen Geldes
Nun zurück in meine andere Weltordnung. Trotz der sich Jahr für Jahr
anhäufenden starken psychologischen Schläge für mich und den einigen
nur mit dem Kampf für die Gerechtigkeit ausgefüllten Jahren, wurde es
Zeit, dass ich mich langsam aber sicher wieder in die normale Welt
begebe, eine Welt bestehend aus guter Arbeit, liebe Freunde und
sinnvolle Freizeit !
Der Zufall wollte es, dass im Herbst 2000 die LGT Treuhand (die
Treuhandfirma des Fürstenhauses), der Arbeitgeber derjenigen Person,
die im selben Haus in Balzers wohnte wie ich, aus Vaduz dringend
geschultes Personal für ein kurz zuvor fertig geplantes Projekt brauchte.
Ich erinnere mich noch genau, wie die Person mir in der Tiefgarage
sagte: "Du solltest mal wieder was Sinnreiches tun und nicht nur hier zu
Hause herumhängen". Die Person wusste ja nichts von Argentinien und
meinem Kampf. Die Person meinte auch, dass ich mit meiner
diversifizierten Ausbildung und Beherrschung mehrerer Fremdsprachen
ideal für das Projekt bei der LGT Treuhand wäre.
Die LGT Treuhand residierte im Städtle 18 und wenn ich mich nicht irre,
war es das ehemalige alte Postgebäude in Vaduz, gegenüber dem
traditionellen Feinschmecker Restaurant der Familie REAL. Die LGT
Treuhand plante für den Frühling 2001 einen Umzug in ein super
modernes Bürogebäude, gleich neben dem Kunstmuseum Vaduz. Das
neue Gebäude – im Städtle 28 - gehört der Gemeinde Vaduz. Mit
Ausnahme des Erdgeschosses, wo diverse Läden einziehen sollten,
waren alle oberen drei Stockwerke exklusive für die Treuhand reserviert.
Die LGT zahlte den fast 10 Millionen CHF teuren Innenausbau selber
und hatte einen langjährigen Mietvertrag in der Tasche. Der Ausbau
beinhaltete sogar einen begehbaren Panzerschrank im dritten Stock
sowie eine spezielle, von aussen nicht erkennbare Panzergarage, deren
Zufahrt sich in der öffentlichen Parkebene des ersten Untergeschoss
(UG) befindet. Die Parkebene zweites UG ist öffentlich und hat eine
befahrbare Verbindung unter dem Kunstmuseum hindurch zur
Parkgarage der Vaduzer Post. Auf dem unterirdischen Weg dorthin
kann man praktischerweise auch in die Gebäude und Büros der
Staatsanwaltschaft, (später auch zu) der FMA und FIU gelangen; die
Wege in Vaduz sind eben auch "Strassen-Parkmässig" sehr kurz. Die
133
Verbindung zwischen den Parkgaragen der Post und der LGT ist auf
Betreiben der LGT bautechnisch geöffnet, bzw. angeordnet worden.
Dadurch können jene Kunden, die sich noch mit dem eigenen Auto nach
Vaduz trauen, via Tiefgarageneinfahrt bei der Post ungesehen bis zur
LGT heranfahren. Eine weitere Besonderheit: die diversen verdeckten
Eingänge zur Treuhand. Kein Kunde setzt seinen Fuss via den
Haupteingang auf Ebene Grundgeschoss (Schlossseitig) in die Treuhand,
dort wo das grosse Schild "LGT Treuhand" hängt. Man will damit nicht
in Verbindung gebracht oder davor gesehen werden. Die Kunden
kennen die diversen Türen, z.B. die Türe fast noch in der Kurve der
Tiefgarageneinfahrt zwischen dem 1. UG und dem 2. UG. Verrückt und
Genial! Wer plant und baut schon eine Türe in der Kurve einer
Tiefgarageneinfahrt. Ich persönlich fand die Panzergarage im JamesBond-Stiel sehr aufregend. Was braucht eine Treuhand eine
Panzergarage? Eine Bank: ja, logisch! Man darf aber diejenigen
Treuhandkunden nicht vergessen, die ihre dicke Kohle in BAR im
eigenen Auto oder im Mietwagen nach Vaduz kutschieren. Kurz vor der
Ankunft beim LGT Treuhand Gebäude nehmen sie Kontakt mit ihrem
Kundenbetreuer auf, dann fahren sie in die normale, öffentliche
Tiefgarage (1. UG.), um dann rechts vom öffentlichen Lift/Treppe durch
das von Geisterhand automatisch geöffnete Panzertor hinein auf den
Abstellplatz zu fahren. Der Kunde sollte im Wagen eingeschlossen sitzen
bleiben, bis das Tor, mittels einer verstecken Kamera immer kontrollierund steuerbar, hinter ihm wieder vollständig geschlossen war. Erst dann
konnte man intern die andere kleinere Panzertüre, die in das
Bürogebäude der Treuhand führt, elektronisch entriegeln.
Der neue Chef der Treuhand, Dr. Nicola Feuerstein hatte eine
fortschrittliche Vision "vom Papierlosen Büro", dem so genannten "eDoc"-Projekt. Er wollte ein modernes Arbeitsumfeld für alle damals ca.
80 ständigen MitarbeiterInnen schaffen. Die beinhaltete wegen der
begrenzten Aufbewahrungskapazität im neuen Gebäude (im Städtle 28)
in der Zukunft so wenig Akten und Dokumente wie möglich in den
Schränken der Kundenbetreuern oder SachbearbeiterInnen liegen zu
haben. Das Angebot von XEROX Schweiz AG bekam den Zuschlag.
Diese wiederum engagierte einen Subunternehmer aus Chur im
Bündnerland, die Firma CONNEX AG. Die Connex AG hatte sich gute
Fertigkeiten mit der Digitalisierung von Bankkundendaten (u.a. der CS
oder UBS in Zürich, so erinnere ich mich) angeeignet und war für den
134
Auftrag bestens gerüstet, alle Dokumente der aktiven und passiven
Mandate der LGT Treuhand einzuscannen und einem neu zu
schaffenden Treuhand spezifischen Index (dem benannten
Belegartenkatalog = BAK) zuzuordnen. Die XEROX lieferte die
Maschinen und die Connex AG war für das Personal zuständig. Die zu
verwendende Software und Plattform war die DOCUWARE. Eine
Dokumenten-Verwaltungs-Datenbank, die speziell für die
Unterschiedlichkeit von Treuhandunterlagen (um-)programmiert
wurde. Da das normale Kundentreuhandgeschäft weiterlaufen musste,
konnte die LGT Treuhand nicht auf den bestehenden Mitarbeiterpool für
das Projekt zurückgreifen. Es mussten eigens rund 30 neue, fachkundige
Mitarbeiter angeheuert werden. Alle potentiellen zukünftigen
Teammitglieder mussten sich einer strengen Sicherheitsprüfung seitens
der LGT Gruppe unterziehen: schliesslich ging es um hochgeheime und
ultimative Kundenunterlagen tausender Stiftungen, Anstalten und
anderer Gesellschaftsformen Liechtensteiner Briefkastenfirmen.
Nach ein paar kurzen Telefonaten und Abklärungen sah ich eine
hypothetische Möglichkeit mich bei der LGT via der CONNEX AG zu
bewerben. Ich hatte noch nie eine Arbeitsstelle im Banken- oder
Treuhandsektor gehabt. Als ein aufgeweckter, immer mit offen Augen
(und ich kann auch sagen "langen Ohren" – nicht zu verwechseln mit
„langen Fingern‚) durchs Leben fliegender Liechtensteiner, waren mir
aber die "Finessen" des heimischen Finanzsektors absolut bekannt. Da
meine 100-prozentige Konzentrationsfähigkeit in Argentinien gelitten
hatte, war ich mir nicht sicher, ob ich die Erwartungen für einen solchen
Job erfüllen konnte. Der Reiz für mich bei diesem Job lag daran,
abgesehen vom einem "Bombenlohn", dass es die Möglichkeit zur
Teilzeitarbeit (zwischen ca. 60-80 %) gab und es eine auf ca. drei bis vier
Monate befristete Stelle war. Natürlich war da auch mein internationaler
Haftbefehl aus Spanien, der mir immer noch zu denken gab. Obwohl ich
es bis anhin in meinem Privatleben in Liechtenstein gut "verstecken"
konnte, war mir ganz klar, dass wenn ich nicht offen mit der LGT bin, sie
es kurz nach meiner Anstellung sowie erfahren würde. In Juristen- und
Gerichtskreisen war mein Fall sehr präsent und oft diskutiert worden;
auch kennt im kleinen Vaduz jeder jeden....
Ich kannte flüchtig mehrere Mitarbeiter, die bei der LGT Treuhand
arbeiten. Auch solche, die in der treuhandeigenen Rechtsabteilung tätig
waren. In der zweiten Woche im Oktober 2000 habe ich einen Mitarbeiter
135
jener Abteilung angerufen und um ein Treffen gebeten. Ich erwähnte,
dass ich mich evt. für die Mitarbeit im laufenden Projekt e-Doc /
DOCUWARE bewerben möchte. Ich wurde gebeten doch am nächsten
Tag in die Treuhand zu kommen.
In einem Kundensitzungszimmer zeigte ich alle Unterlagen zu Spanien
und Argentinien und erläuterte ohne Ausnahme den Stand der Dinge.
Ich musste diese Unterlagen für drei Tage in den Händen der
Rechtsabteilung lassen. Am vierten Tag wurde ich angerufen und
gebeten wiederum ins Büro zu kommen. Nach Prüfung und Durchsicht
der Faktenlage durch die Leitung der Rechtsabteilung stelle der
internationale Haftbefehl kein Problem für sie dar, so wurde mir
mitgeteilt. Sie erkannten - im Rahmen des Möglichen - auch, dass die
Anschuldigungen seitens der Täter weder Hand noch Fuss hatten. Sie
baten mich nur, niemanden in der Firma davon zu erzählen. Und sie
mündlich auf dem Laufenden zu halten, was ich dann stets tat.
Ich erinnerte mich damals auch, dass seit dem Jahr 1999 in den Medien
(sporadisch in Liechtenstein und mehr in Deutschland) immer wieder
Berichte auftauchten, über die zwei (Schweizer?) Treuhänder, die
mitsamt Familien in Liechtenstein lebten und je einen internationalen
Haftbefehl eines Berliner Gerichts (ich glaube es war vom Gericht
Tiergarten oder Tempelhof) am Hals hatten und Deutschland deren
Auslieferung von Liechtenstein verlangte. Die vorgeworfenen Taten
lagen u.a. im Bereich des (Steuer-)Betrugs und anderer schwerer Delikte.
Die Liechtensteiner Justiz entschied sich schlussendlich gegen eine
Auslieferung der beiden nach Deutschland. Hauptsächlich, und dies war
für Deutschland empörend, aus humanitären Gründen. Der Oberste
Gerichtshof in Vaduz konnte eine Trennung (im Falle einer
Auslieferung) von ihren Familien (mit Schulpflichtigen Kindern) den
zwei gut in Liechtenstein integrierten Treuhändern NICHT zumuten.
Während jener Zeit, und auch heute noch, sind die zwei bekannten
Treuhänder im Treuhandgeschäft in Liechtenstein tätig. Daher bedeutete
es für die Liechtensteiner Finanzwelt (incl. der LGT) keine Aufregung,
wenn gegen "Mitarbeiter" internationale Haftbefehle bestehen.
Die LGT Treuhand hatte also eine Woche bevor ich dann am 16. Oktober
2000 via Connex AG die Arbeitsstelle antrat, im Detail Kenntnis über
meine "juristischen Angelegenheit". Die nun von Seiten Hans-Adams im
Frühling 2008 geäusserte Behauptung, die LGT wusste "von nichts" –
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entspricht NICHT der Wahrheit. Aber ich verstehe ihn, da er unbedingt
die Realität verheimlichen möchte, nämlich, dass die LGT Leute in ihrer
heiligsten aller heiligen Abteilungen einstellt, die einen Haftbefehl
ausstehen haben.
Wie alle neuen Mitarbeiter musste auch ich einen aktuellen
Strafregisterauszug (ausgestellt vom LG Vaduz) vorlegen. Dieser war
natürlich "Ohne Eintrag", da ich keine Vorstrafen hatte. Weder dort noch
anderswo!
Schon mein erster Arbeitstag war sehr spannend und ich lernte den
Vertreter der XEROX (Schweiz) AG und den Boss der Connex AG
persönlich kennen. Der ursprüngliche Plan der LGT Treuhand war, drei
bis fünf grosse Schiffscontainer oder dergleichen teils auf dem
firmeneigenen, teils auf dem Gemeindeparkplatz hinter dem (alten)
Bürogebäude aufzustellen und jeweils mit Sicherheitspersonal zu
bestücken. Die neuen Mitarbeiter, alle von ausserhalb, würden dann
unter strenger Aufsicht die nötige und zeitraubende Vorarbeit zum
Scannen erledigen und dann die ganze Kundenmappe jeweils in den
Container, wo die grossen Scanner stehen würden, tragen. Dass man
überhaupt auf die Container kam, lag daran, dass alle Büros im alten
Gebäude ja schon vom bestehenden Mitarbeiterstab belegt waren und
einfach kein Platz für die bis zu 30 Personen, die für das e-Doc-Projekt
nötig waren, vorhanden war. Das heisst, es gab schon Platz, aber nur im
verwinkelten Keller zweier (nur oberirdisch) miteinander verbundener
Gebäude.
Die Idee der Container wurde schnell verworfen, hauptsächlich aus
Sicherheitsgründen. Im Übrigen war die ganze Idee des papierlosen
Büros von Dr. Feuerstein nicht ganz unumstritten. Viele Kundenberater
waren zwar der beabsichtigten neuen, moderneren Arbeitsweise nicht
abgeneigt, vertraten aber die Meinung, man müsse die jeweiligen
Kunden (also die Begünstigten der Stiftungen, Anstalten etc.) anfragen,
ob sie einer Digitalisierung ihrer Kundendaten zustimmten. Rechtlich
gesehen, gehören alle Dokumente (mit wenigen Ausnahmen wie z.B.
interne Aktenvermerke) dem Kunden: die LGT Treuhand bewahrt sie
nur für ihre Kunden auf.
Natürlich steht es der LGT Treuhand frei, wie sie die internen
Geschäftsabläufe organisiert. Vor allem unter den älteren, langjährigen
Kundenbetreuern, wie z.B. bei Peter Meier herrschte die Meinung vor,
dass die grosse Mehrheit ihrer Kunden, würde man sie den fragen, einer
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Digitalisierung NICHT zustimmen würde. Dies vor allem aus Angst.
Man erinnerte sich noch sehr gut an die Katastrophe resultierend aus
dem CD-Diebstahl im Treuhandbüro Dr. Dr. Batliner, welches nebenbei
das erste Treuhandbüro in Liechtenstein war, dass die Kundendaten
elektronisch, zentral auf CDs oder DVDs speicherte.
Die Leitung der LGT Treuhand entschied sich, die Kunden erst gar nicht
zu fragen und teilte dem Rest der noch besorgten Kundenberater mit,
dass sie entweder die neuen Methoden akzeptieren oder sich halt
anderweitig (nach Arbeit) umschauen müssten. Dazu muss man auch
wissen, dass Dr. Feuerstein damals erst kürzlich zum Chef der LGT
Treuhand ernannt wurde und er von ausserhalb der LGT Gruppe kam.
Seine "neuen Wege" waren nicht nach jedermanns Gusto.
Der eigentliche Start war durch das Projektteam, bestehend aus der
Leitung der Treuhand und externen Beratern, etwas zu hastig geplant
und daher mit einigen Denkfehlern behaftet. Der Zeitfaktor spielte auch
eine Rolle, da das ganze Projekt fertig sein musste, bevor die Treuhand
im Frühling 2001 in das neue Gebäude einziehen würde. Darum blieb
uns, dem e-Doc-TEAM, nichts anders übrig: wir richteten es uns in den
circa acht Kellerräumen, verteilt auf die zwei Gebäude, so gut wie es
eben ging ein.
Wir waren eine bunt gemischte Truppe: Liechtensteiner, Schweizer und
Österreicher deren Unterschied in Ausbildungen, Alter, Engagement
und Moralverstellung nicht grösser hätte sein können. Jeweils in einem
eigenen Raum standen die zwei Monster-Scanner von XEROX. Immer
zwei bis vier Mitarbeiter teilten sich einen Raum, der extra dafür mit
alten LGT Büromöbeln ausgestattet wurde.
Schon kurz nach dem Start unserer Arbeit sollte sich der Aufenthalt in
den Kellern (ich schätze mal gebaut in den 60er Jahren oder gar früher)
für einige von uns gesundheitlich negativ auswirken. Die Wände waren
sehr feucht und der über die Jahre angesetzte Staub in den Akten war
auch nicht gerade ein Segen für unsere Lungen, ganz zu schweigen von
der Luftqualität. Einige Damen verlangten nach Tests, um zu klären, ob
der gut sichtbare Pilz an gewissen Wänden mit nördlicher Ausrichtung
gefährlich sein könnte. War er nicht, aber der jungen Mitarbeiterin, die
schwanger war, wurde empfohlen, sich von diesen Räumen
fernzuhalten.
Die meisten arbeiteten in Teilzeit, da die zu erledigenden Aufgaben
höchste Konzentration abverlangte. Länger als drei bis vier Stunden am
138
Stück mit voller Achtsamkeit war nicht drin. Stapelweise holten wir die
Kundenakten in den kleinen Büros der Kundenberater ab und führten
strenges Protokoll über was, von wem, wann und warum weggetragen
wurde. Jeder Akt gelangte in die so genannte AVOR, die
Arbeitsvorbereitung. Dort wurde der Akt von allen Büro-, Heft- und
sonstigen Klammern befreit um dann stapelweise – wenn es geht ohne
ein Blatt zu verlieren – in den Scanner gefüttert zu werden.
Das Problem bestand darin, und dies war auch ein Hauptfaktor der sich
anbahnenden massiven Zeitverzögerung, dass sich im Leben einer
Stiftung unzählige verschiedene Arten von Belegen, Briefen und auch
Grusskarten (der Kunden) oder sonstiges ansammeln. Der moderne
Scanner hasst alles was nicht die Norm ist. Viele Dokumente waren sehr
alt oder für die AVOR äusserst knifflig. Aber mit ausreichend
Gründlichkeit und Frohsinn schafften wir es tagein, tagaus.
Wir sassen "da unten" im Keller und die Creme de la Creme der
Kundenberater plus deren Sachbearbeiterinnen "oben". Über den ganzen
Zeitraum des Projekts wurde an den Personaleingängen der Treuhand
externes Sicherheitspersonal postiert, das uns jeweils beim Eintreten
oder Verlassen des Gebäudes kontrollierte; d.h. in unseren Taschen
nachschauten ob wir evt. Kundendossiers mitlaufen lassen. Wir konnten
darüber nur lachen. Das letzte was wir nach stundenlangem
Aktenwälzen noch machen wollten, war sicher nicht die Arbeit auch
noch nach Hause zu nehmen.
Die Arbeit war für mich an und für sich sehr interessant. Der Hauptteil
meiner Verantwortung lag darin sicherzustellen, dass die nun
eingescannten Dokumente 1. im Computersystem "zusammen blieben",
also nicht geteilt wurden oder in den Weiten der "Bits und Bytes"
verloren gingen, 2. der richtigen (original) Mandatsnummer zugeteilt
wurden und 3. – das Wichtigste – gemäss dem BAK vollständig indexiert
wurden.
Um diese dritte Stufe überhaupt fachgemäss auszuführen, musste ich
und meine dafür geschulten Teammitglieder ALLE einzelnen
Dokumente durchlesen und dann entsprechend dem BAK-Index
abschliessend unter der Mandatsnummer elektronisch speichern.
Die LGT Treuhand hatte Kunden aus aller Welt. Deutsch, Englisch,
Französisch, Spanisch und Italienisch waren die üblichen Sprachen, in
der die LGT Treuhand mit ihren Kunden kommunizierte. Daher war es
ideal wenn wir diese Sprachen mehr oder weniger beherrschten. Es gab
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solche Akten, die nur 80 – 100 Einzeldokumente (mit jeweils einer oder
mehr Seiten) hatten, oder solche, die bis zu 300 hatten.
Für diejenigen unter den Lesern, die keine Stiftung, Anstalt oder AG in
Liechtenstein besitzen oder wenig Wissen darüber haben, hier ein paar
kurze, vereinfachte Erläuterungen:
Der Treuhandkunde ist im Vergleich zum reinen Bankkunden ein sehr
komplexes Wesen. Der reine Bankkunde in Liechtenstein hat ein oder
mehrere Konten direkt bei der Bank selbe; erhält Auszüge, Belege oder
sonstige Bankkorrespondenz, die zu 100% bei der Bank zurückbehalten
und dort gelagert wird. Nicht das der eine Bankauszug versehentlich
beim Kunden oder schlimmer beim Nachbarn in Deutschland im
Briefkasten landet. Oder – oh Schreck - beim Finanzamt. Beim
Bankkunden ist alles Schwarzgeld ist im Namen des Kunden auf seinem
eigenen Konto gelagert.
Der Treuhandkunde, eben der eher Superreiche und/oder
Übervorsichtige wählt z.B. eine rechtlich eigenständige Liechtensteiner
Stiftung aus, indem er diese durch die Treuhand gründen lässt. Der
Stiftungsrat eröffnet im Namen der Stiftung dann die Bankkonten. Der
Treuhandkunde transferiert sein Schwarzgeld auf die Konten der
Stiftung. Dies natürlich auf hoch komplizierten und raffinierten
Umwegen, sodass ein direkter (offener) Bezug zwischen ihm und der
Stiftung (z.B. von offizieller deutscher Seite aus) nicht nachvollzogen
werden kann. Also der berühmte "Paper-Trail" (nahtlose
Nachvollziehbarkeit jeder Transaktion) geköpft wird. Prinzipiell bleibt er
(und andere die er benennen kann) Kraft dem so genannten Beistatut
Begünstigter der Stiftung und somit aller Gelder und sonstigen Aktiven,
die der Stiftung gehören. Das Beistatut einer Stiftung hält fest, wer,
wann, wieso und wie hoch als Begünstigter von dem Vermögen
profitieren kann.
Oft ist es so, dass die Stiftung direkt oder mittels unterliegenden
Offshorefirmen (andere rechtlich eigenständige Gesellschaften aus
Liechtenstein oder anderen Steuerparadiesen wie z.B. Panama oder den
Britischen Jungfrau Inseln), neben den meist beträchtlichen Bankkonten
auch Immobilien, Patente, Bilder, Yachten und dergleichen besitzt und
kontrolliert. All diese "Besitztümer" einer Stiftung produzieren eine Flut
an Papier, das wiederum im Akt landet. Generell kann gesagt werden,
dass ein Treuhandkunde eine grössere und intensivere Beziehung zu
seinem Kundenberater hat, als ein „normaler, einfacher‚ direkter
140
Bankkunde. Daher hat jede Treuhandfirma (speziell wenn es eine
Treuhandabteilung einer Liechtensteiner Bank ist) die höchste
Sicherheitsstufe im Umgang mit den Kundendaten, d.h. sie sollte es
haben. Mit der Zeit wurden wir in unserem Team beim Indexieren der
Dokumente immer besser und schneller. Der BAK war in 12
Hauptgruppen und diese in rund 120 Untergruppen eingeteilt.
Das bedeutet, dass jedes Dokument zumindest ein Mal genau einer der
Untergruppen zugeordnet werden musste.
Und was wir da alles zu lesen hatten!
Die geschäftsbedingte Korrespondenz (z.B. zwischen der Stiftung und
der Bank wo die Konten sind oder der Stiftung und einer
Immobilienfirma, die die Villa in Sardinien betreut etc.) hatte schon an
und für sich grosses Volumen im Akt. Mit der Zeit war diese Art von
Schreiben eher langweilig zu lesen. Am Anfang war es noch ein
Wettrennen: Wer hat den Akt mit dem dicksten Fisch, das grösste
Konto? "Oh< hier ist einer mit 8 Mio. Euro", "Aha< hier ist einer mit 28
Mio. Dollars", "Und dieser mit 150 Mio.", << "Nein, noch besser – hier
ist ein PEP (Politisch exponierte Persönlichkeit), dort ein Sportler, hier
jemand aus dem Umkreis eines Ex-Diktators" etc.
Eines hatten aber alle gemeinsam: "Sie zahlen für ihre Vermögen in
diesen Gesellschaften KEINE Steuer zu Hause!" Dieses
Kundenverlangen, keine Steuern bezahlen zu müssen, stand immer
prominent am Anfang jeder Kundenbeziehung und wurde auch als
Verkaufsargument für eine Gesellschaft aus Liechtenstein verwendet.
Unabwendbar bekam man den Eindruck, dass wir als Treuhand aus dem
Leben des Kunden oft mehr wussten als seine Frau, Kinder oder sonstige
Familienmitglieder. Alleine aus den Tausenden verschiedenen oft
skurrilen Geschichten, die sich im Leben der Begünstigten abspielten,
und den Weg via Vermerk in den Akt fanden, könnte ich ein dickes
zweites Buch auflegen. Denn viele Kunden erzählten ihren
Kundenberatern auch im Detail wie es "zu Hause" oder "im Geschäft" zu
ging. Berichtet wurde über Ängste und Bürden, interne
Familienstreitigkeiten und Versöhnungen, die längste Luxusreise, die
neuste Anschaffung, der letzte Trick um an mehr Geld zu kommen.
Endlos die Beispiele und all dies fand sich u.a. in den internen
Aktenvermerken wieder, vor allem wenn es Auswirkungen auf das
jeweils aktuelle Beistatut hatte.
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Da war z.B. ein rassistischer Kunde, dessen Tochter als Zweitbegünstigte
im Beistatut nominiert war (d.h. im Normalfall wird sie dann
Erstbegünstigte, wenn der Aktuelle, eben ihr Vater, stirbt). Diese hatte
aber einen Schwarzafrikaner als Geliebten. Der Vater gab dem
Stiftungsrat den Auftrag, seine Tochter im Beistatut zu streichen, solange
sie diesen Freund hat. Der Stiftungsrat tat was ihm "befohlen" wurde.
Jahre später findet sich ein Vermerk, dass die Tochter nun einen
"Weissen" als Freund hat und wieder in die Begünstigtenliste
eingetragen werden soll.
Oder
Ein heissblütiger Kunde, der eine geheime Zweitehefrau samt Kind im
Ausland hat und im Falle seines Todes will, dass das gesamte Vermögen
dieser Frau im Ausland zufallen soll und nicht an die „heimische‚
Ehefrau.
Oder
Der überängstliche Kunde, der aufgeschreckt durch Medienberichte, in
Vaduz sollen sich deutsche Steuerfahnder herumtreiben und Autos mit
deutschen Kennzeichen in den Tiefgaragen der diversen
Geschäftsgebäude fotografieren, folgende Vereinbarung mit der LGT
Treuhand getroffen hatte: Er parkiert sein Fahrzeug in der Schweiz, auf
der anderen Seite des Rheins, nimmt den Linienbus nach Vaduz und
trifft sich mit seinem Kundenberater für eine Geldübergabe oder –
auszahlung jeweils vor der Toilettentüre im unteren Stockwerk des
Restaurants Amman, gleich neben der Apotheke Hasler. Und sich dann
sofort danach die Wege trennen sollen.
Oder
Der angriffslustige Kunde, der noch nach seinem Tod "Die Rache ist
MEIN" inszeniert haben möchte. Auf den ersten Blick erschien seine
Stiftung ganz normal. Sie hatte ein Bankvermögen von mehreren
Millionen Euro. Zu Lebzeiten hat er den Stiftungsrat instruiert, seine
Frau und Kinder als Zweit-, Dritt- und Viertbegünstigte zu führen. Seine
Familie wusste nichts von dem Geld in Vaduz. Er hatte auch ein
versiegeltes B5 -Kuvert seinem Kundenberater übergeben, worauf stand:
142
"Nur im Todesfall von Hr. XY zu öffnen – siehe Aktenvermerk vom
xx.xx.1998". Also nach seinem Tode. In dem dazu gehörenden Vermerk
stand, dass sobald die LGT gesicherte Kenntnis über sein Ableben hatte,
diese unverzüglich die Witwe und Kinder gemäss üblicher Prozedur
kontaktieren und nach Vaduz oder Zürich einladen sollte.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass Erstbegünstigte wünschen, dass
Ehefrauen und Kinder erst nach Ableben des Stifters von der Existenz
einer Stiftung in Vaduz erfahren sollen. Was gewöhnlich viel
Begeisterung bei der ahnungslosen Familie auslöst. In diesem Fall soll
dann das versiegelte Kuvert in Anwesenheit der Familie geöffnet und
vorgelesen werden.
Ein Mitglied meines Teams in der AVOR öffnete aus Versehen dieses
Kuvert und bereitete es zusammen mit dem Umschlag zum Scannen vor.
Ich hatte dann den Akt auf dem Bildschirm. Im Schreiben aus dem
Kuvert stand, dass er, der nun verstorbene, als letzte rechtsverbindliche
Instruktion an den Stiftungsrat hiermit anordnet, dass das ganze
Vermögen der Stiftung unverzüglich an die "so-und-so" ausbezahlt
werden soll und die Stiftung dann gelöscht werden soll.
Die erwähnte Person, die das ganze Geld bekommen soll, stammte nicht
aus seinem Familienkreis. Als Grund gab der Kunde in hässlichen
Worten an, seine Frau hätte mit dem Herrn XY und mit dem Herren XZ
ein jahrelanges Verhältnis gehabt. Seine Kinder seien auch nicht ehrlich
gewesen. Was für ein Schock dies wohl für seine Frau und Kinder
auslösen wird, speziell wenn sie Minuten zuvor noch erhofften, gerade
Millionäre geworden zu sein. Die schriftliche Instruktion im versiegelten
Kuvert (na ja, jetzt war es nicht mehr versiegelt) ist rechtsgültig, da sie
vom Erstbegünstigten (dem Mann) zu seinen Lebzeiten
niedergeschrieben wurde und dem Stiftungsrat vor seinem Ableben zur
Aufbewahrung übergeben wurde.
Zudem zählt das Vermögen in der Stiftung rechtlich gesehen nicht zum
Erbe des Verstorben. Nach Absprache mit dem Kundenberater musste
ich diese Instruktion aus der Computerdatei löschen und das Original
vernichten. Dies darum, weil das Stiftungsvermögen gemäss seinen
letzten Instruktionen gleichzeitig auch weg von der LGT Bank hätten
gehen sollten, zu einer Bank in der Schweiz. Die LGT hat es aber immer
lieber, wenn nachrückende Begünstigte als Kunden von der Treuhand
betreut werden und auch die Gelder bei der LGT Bank bleiben. So kann
auch "Kundenpflege" betrieben werden. Der einzige (ausserhalb der LGT
143
Treuhand), der vom ursprünglichen Plan wusste, war - um es grausig
auszudrücken - der Kunde selber. Der würde ja aber dann schon tot sein.
Nach dem "Aktenstudium" tausender deutscher Kundendossiers fühlten
wir uns in meinem Team wie abgeklärte Psychologen, weil wir einen
sehr tiefen Einblick in die Seele und "Sorgen" des Reichen Deutschen
erhalten hatten. Die vier oben kurz veranschaulichten Beispiele waren
für uns damals eher Anlass für riesiges Gelächter.
Worauf wir alle aber vor Seiten der LGT nicht vorbereitet wurden,
waren jene Kundenmandate, die eindeutig über das "normale Mass"
(wenn ich mal so sagen kann) der reinen Beihilfe zur Steuerhinterziehen
hinausgehen. Es ist ja allgemein bekannt, dass Steuerhinterziehung im
Heimatland des (ausländischen) Bank- oder Treuhandkunden in
Liechtenstein absolut kein Strafbestand oder Vergehen ist.
Was mich besonders überrascht hat, war die Tatsache, dass die LGT (!)
so viele "Leichen im Keller hatte", sprich Mandate über Jahre betreute,
wo buchstäblich sofort erkennbar war, dass sehr unsaubere Geschäfte
getätigt wurden und werden. Was kann es dümmeres geben, als wenn
die Kundenberater in ihren selbst angefertigten oder angeordneten
internen Aktenvermerken schwarz auf weiss, manchmal ganz klar, oft
etwas in der speziellen Treuhandsprache verschleiert, Hinweise,
Bemerkungen und Erklärungen protokollieren, die über illegale
Aktionen Auskunft geben.
Da wir in unserem Team den gesamten Akt nach dem Scannen vor uns
auf dem Bildschirm abrufen konnten, war es uns möglich, alle Abläufe,
Transaktionen und damit deren Zusammenhänge schnell zu erkennen
(wir mussten ja jedes Blatt lesen, um es einem Index zuordnen zu
können). Nicht dass ich die Personen, die als Begünstige hinter einer
solchen Briefkastenfirma stehen, persönlich kannte. Nein. Natürlich
tauchte ab und zu ein Name in den Unterlagen als Begünstigter auf, der
uns allen aus den Medien bekannt war; sei es z.B. aus der Politik,
Wirtschaft oder aus aktuellen oder vergangenen Gerichtskriminalfällen.
Zum Beispiel hatte ich einen Akt vor mir, deren Begünstigte ungefähr
zur selben Zeit im Zusammenhang mit einer grossen europäischen
Firmenpleite standen. "Aha!", sagten wir uns – die Kohle hier in Vaduz
hatte man mal wieder nicht entdeckt". Schade für die Gläubiger, dachten
wir uns. Wir im Team wären dank unserer Erkenntnisse jede Wette
eingegangen, dass es bei mindestens der Hälfte aller Mandate – würden
144
sie öffentlich bekannt gemacht - "böse, böse Überraschungen" geben
würde.
Mein Gott, es war und ist ja Allgemeinwissen im Ländle, wer immer
schon, damals und heute die Schwarzen Schafe im Treuhand- und
Bankenbusiness sind. Sie ändern zwar oft ihren Firmennamen, aber man
findet sie dennoch alljährlich in irgendwelchen Untersuchungsberichten
diverser ausländischer Strafverfolgungsbehörden vom "around the
Globe" wieder.
Aber die LGT ? ? ? !!!!
Nie hätte ich und andere im meinem Team, die mit der Liechtensteiner
Finanzlandschaft vertraut waren, gedacht, dass Hans-Adam, als
ultimativer Besitzer der LGT Gruppe, ein solches Reputations-Risiko
eingehen würde, indem er Kunden in seinen Büchern stehen hat, die
illegale Geschäfte tätigen und dies auch unter Mithilfe oder Tolerierung
der LGT Treuhand und der LGT Bank.
Dies bewusst und unbewusst, auf Grund der sehr lahmen Anwendung
der eigentlich guten Sorgfaltspflicht und anderer bestehender Gesetze.
Wir wussten alle, dass z.B. die Russen nicht gerne bei der LGT als
Kunden gesehen werden. Um diese Kundschaft kümmert sich speziell in
Vaduz zum Beispiel die Sinitus Treuhand, die Serica Bank oder First
Advisory (ehem. Dr. Dr. Batliner), u.s.w. . Nach den immer wieder
aufkommenden Skandalen, deren Enthüllung zu 99,99 Prozent NICHT
in Liechtenstein beginnen, weiss man doch:
"Irgendwann fliegt andauernd etwas auf!".
Was soll jetzt als Entschuldigung für die LGT herhalten?
° Dass viele dieser Mandate vor dem Inkrafttreten der strengeren
Sorgfaltspflichtgesetze angenommen wurden?
Diese lumpige Ausrede wurde in den vergangenen Jahren immer und
immer wieder von Liechtenstein verwendet, das Letzte mal im Februar
2009.
Etwas Besseres fällt denen nie ein. Weil sie natürlich wissen, dass, sollte
eine Leiche unerwartet an die Oberfläche gelangen, die Öffentlichkeit
(Medien etc) nie die vollständigen Unterlagen zu einem solchen Fall
145
haben wird. Deswegen kann die betroffene Bank oder Treuhandfirma
behaupten, dass die schmutzigen Geschäfte der Stiftung oder Anstalt etc.
angeblich aus einer Zeit stammen, wo noch die schwachen
Sorgfaltspflichtgesetze galten, also Liechtenstein den Vorfall oder
Skandal für die Medien "zurückdatiert".
Quasi sei eine Strafverfolgung (wegen der Geldwäscherei) aus
Liechtensteiner Sicht leider nicht mehr möglich, da die Fristen in
Liechtenstein dafür abgelaufen wären. Egal ob das Mandat noch aktiv
ist, also der Kunde weiterhin illegale Geschäfte mit oder ohne Wissen
der LGT getätigt hatte oder noch tätigt. Streng genommen macht dies
keinen Unterschied. Abgesehen davon, dass die meisten Straftaten (der
LGT Kundschaft) im Zeitraum der neuen, strengeren
Sorgfaltspflichtgesetzte vollbracht wurden, wäre nach dem Wortlaut des
Gesetztes auch dann eine Strafverfolgung, oder zumindest eine
Strafuntersuchung zu beginnen, wenn die Tat in der Zeit davor
passierte.
Dies darum, weil die den Bankvermögen zugrunde liegenden (Erst)Straftaten (z.B. Korruption, Betrug), ausnahmslos im Ausland begangen
wurden und dort die Fristen praktisch in allen bekannten Fällen noch
nicht abgelaufen waren. Und da in Liechtenstein eine Einzelstraftat wie
z.B. Korruption oder Betrug auch geahndet werden, müsste man in
Vaduz der Sache auch nachgehen. Hätte bloss das Ausland mehr Glück
und könnte viel öfter selber auf Unterlagen über eine Verbindung
zwischen einer Straftat in ihrem Land und einem Vermögen in Vaduz
stossen, dann könnte es mit diesem Material die Liechtensteiner um
Hilfe bitten. Eben, hätten sie bloss! Liechtenstein agiert praktisch nie von
sich aus, auch wenn es detaillierte Kenntnisse über die übelsten
Straftaten erlangt, wie ich in den folgenden Kapiteln beweisen kann.
° Das auf Grund der Auffassungsgabe der LGT über das was "kriminell"
ist und was nicht, keine "Leichen" erkennbar waren oder sind?
Haben die in Vaduz mit der ersten Ausrede keinen Erfolg, dann muss
diese Formel herhalten: "Was bei denen im Ausland als kriminell gilt,
muss nicht unbedingt bei uns so sein". Die einfache Steuerhinterziehung
meine ich damit gar nicht. Auch wenn es um andere Vorwürfe aus dem
Ausland geht, ist Liechtenstein in der Interpretation was eine Straftat ist
und was nicht, sehr, sehr flexibel.
146
° Das intern eine Art Dogma gilt: "Reden ist der schnelle Tod",
"Schweigen ist pures Gold", einschliesslich "die blinde Kuh dazu" und
man ist vollkommen?
Dies war leider die Wahrheit. Die LGT Führung hatte nicht nur mir
gesagt, dass man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen soll, wenn man
auf die "Räume mit den Leichen" stossen sollte.
Ich war nicht der Einzige aus dem Team der die Leitung der Treuhand
bei der wöchentlichen Sitzung - naiv genug waren wir ja – mit Fragen
über solche Kunden bedrängte. Uns wurde schnell klar gemacht, dass es
nicht unsere Aufgebe sei, "dumme Fragen" zu stellen. Im Befehlston
wurde uns gesagt: Dokument lesen – Dokument indexieren – und die
Klappe halten! Basta.
Schon nach einem Monat hatten zwei junge Mitarbeiter keine Lust mehr,
solches mitzumachen. Sie kündigten und mussten sofort gehen. Einer
von ihnen, es war ein Jurastudent, hatte sogar ein heisses Streitgespräch
mit dem Dir. Feuerstein über die falsche Moral der LGT im Allgemeinen
und der Liechtensteiner Finanzwelt im Bezug auf die schmutzigen
Mandate.
Beide Teammitarbeiter wurden durch Neue ersetzt. Man darf aber die
einfachen Mitarbeiter bei der LGT Treuhand, der LGT Bank oder jeder
anderen Treuhand oder Bank jetzt nicht verdammen. Für sie ist es ein
Job wie jeder andere auch. Schlussendlich trägt die Leitung die
Verantwortung, zusammen mit den Besitzern der Gruppe, eben HansAdam und seine Familie. Sein Bruder, Prinz Philipp Erasmus war bis im
Sommer 2006 der CEO der LGT Gruppe, wurde dann auf den Stuhl des
Vorstandsvorsitzenden beordert und der neue CEO wurde der
zweitälteste Sohn von Hans-Adam, Prinz Maximilian N.M. Man kann
also festhalten, dass sich Hans-Adam nicht damit herausreden kann,
dass er "von nichts" wusste. Ausdrücklich nicht mehr seit dem 7. Januar
2003 – siehe Kapitel 7.
Das Arbeitsklima bei der Treuhand war sehr gut, wie bei vielen anderen
Betrieben wurden Mitarbeiterausflüge in die Schweiz oder nach
Österreich durchgeführt. Sobald ein Betriebsausflug ins Ausland
bevorstand, wurde ich von der Rechtsabteilung gefragt, ob ich mitgehen
wolle. Wegen dem Haftbefehl. Ein Ausflug in die Schweiz, egal ob mit
147
Firma oder Privat, war kein Problem. Die Grenze ist von Balzers bis nach
Ruggell offen. Ich bin in meiner Freizeit oft mit dem Mountainbike oder
dem Auto in die Schweiz gefahren. Schon kurz nach Argentinien
verdrängte ich die eigentlich kleine Gefahr wegen des Haftbefehls dort
Ärger zu bekommen. Manchmal bin ich auch in die Kanzlei meines RA
nach Feldkirch gefahren. Es wurden mir auch nie irgendwelche
Verordnungen oder Reiserestriktionen von Seiten Liechtenstein
auferlegt. Bei einem Betriebsausflug meines Teams nach Feldkirch bin
ich einfach mit dem eigenen Auto via meiner Heimatgemeinde Mauren
über die kleine Grenze dort nach Österreich gefahren. Sind die
Grenzbeamten überhaupt präsent, dann winken sie einen oft durch.
Wird man aber angehalten, wollen sie die Identitätskarte sehen. Hat man
darin, wie ich, den Heimatort Mauren eingetragen, wird man gleich
weiter gelassen, da die Benutzung dieses abgelegenen Grenzübergangs
"als einer aus Mauren" den Beamten logisch erschien. Auch fuhr ich oft
mit dem Linienbus über die grosse Grenze Schellenberg / Feldkirch nach
Österreich. Ein Grenzbeamter steigt zwar in den Bus ein, wirft einen
Blick auf die ID-Karten oder Pässe und das war’s auch schon.
Mein gleichzeitiger Kampf gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co.
auf allen Bühnen verbrauchte viel meiner Energie, trotzdem habe ich bei
der LTG immer volle Leistung gebracht und meine Vorgesetzten lobten
mich sehr. Einen emotionalen Dämpfer war der unerwartete Tod meines
Vaters Anfang 2001. Ein Jahr zuvor erhielt er die Diagnose Krebs. Ich
hatte nie eine sehr innige Beziehung zu ihm, aber seit meiner Rückkehr
aus Südamerika sahen wir uns regelmässig. Jeden Monat drei oder vier
Mal. Wir gingen essen oder einfach einen Kaffee trinken. Er war sehr
bekannt und beliebt in Liechtenstein. Ich bin auch heilfroh, dass er all
dies was in 2003 und später passiert ist, nicht miterleben musste.
Mit Mühe und Not schafften wir es im Keller, fristgerecht die aktiven
Mandate einzuscannen und die Papierakten von Unnötigem zu befreien
(z.B. Ferienansichtskarten der Kunden). Es war keine Zeitreserve mehr
vorhanden, um auch die inaktiven, alten Mandate via AVOR zum
Scannen zu bringen und zu indexieren. Der Umzug stand vor der Türe.
Das alte Bürogebäude, im Städtle 18, gehörte nicht der Treuhand und
wurde von den Besitzern schon weitervermietet. Das Projekt e-Doc,
sofern es die extern angeheuerten Mitarbeiter betraf, war am 31. März
2001 offiziell zu Ende.
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Drei aus meinem Team, eine Jurastudentin, ein Fachmann und ich
wurden per 29. März 2001 von der LGT direkt übernommen und wir alle
bekamen unbefristete Arbeitsverträge. Schon seit Anfang des Jahres 2001
wurden systematisch alle Treuhandmitarbeiter, einschliesslich der
Direktion sowie jene Vorstandsmitglieder der Treuhand, die intern
Zugriff auf die elektronischen Kundendateien wünschten, im Umgang
mit dem neuen System geschult. Die Schulung wurde mir aufgetragen.
Ich war sehr stolz darauf. Ich durfte die dafür notwendigen Unterlagen
in Eigenregie herstellen und auch jeweils die neuste Version des BAKs,
dem Belegartenkatalogs. Meine Kurse waren sehr beliebt, oft heiter und
äusserst abwechslungsreich.
Der Kern des Problems lag darin, ALLE Mitarbeiter auf eine LINIE zu
bringen, da jeder und jede seine/ihre eigene Vorstellung davon hatte, in
welchem Index ein Dokument abzuspeichern sei. Es dauerte über 12
Monate bis alle der fast 100 Mitarbeiter aus Vaduz, Zürich und Lugano
die zwei- bis dreitägigen Lehrgänge mit jeweils einer bis drei Personen
pro Gruppe bei mir in Vaduz absolvierten. Sicherheitstechnisch waren
wir auf den neusten Stand. Zugriffsmässig wurde das neue System
analog dem Alten ausgelegt. Das heisst, die Kundenberater hatten nur
Computerzugriff auf jene Mandate, die sie selber betreuten. Die
Sachbearbeiterin auf diejenigen, die sie betreuten. Die Direktion hatte
logischerweise Zugriff auf alle Mandate. Dies galt auch für die
Mitarbeiter der IT-Abteilung. Und ich, mittendrin als Allrounder und
Problemlöser für alle, hatte ständig den vollen Zugriff.
Interessanterweise hatten wir drei, die verbliebenen aus dem e-DocTeam, ein unglaubliches mentales Lexikon über mehr Mandate in uns
gespeichert, als die eigentlichen Kundenbetreuer, die sich seit Jahren mit
dem Kunden austauschten. Natürlich hatten wir den Inhalt der fast 4000
Mandate nicht auswendig im Kopf abrufen können. Trotzdem waren die
Treuhandmitarbeiter fortwährend erstaunt, als wir auf Anhieb Details
aus Stiftungen erzählen konnten.
Heute noch, obwohl ich die Firma seit mehr als sieben Jahren verlassen
habe, erinnere ich mich bildlich noch immer seitenweise an Hunderte
von Stiftungen und deren wahnsinnige Geschichten. Die von Klaus
Zumwinkel fällt mir da gerade ein. Oder die heiklen Mandate, die
auffällig noch nicht in die Öffentlichkeit gelangt sind.
Bei den aktiven Mandaten wurden alle Papierdokumente, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, in gefrässigen Papiervernichtungsmaschinen
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zum Verschwinden gebracht. In Plastiksäcke abgefüllt, wurden sie von
eigenen Mitarbeitern per Firmenwagen in die Müllverbrennungsanlage
Buchs, Schweiz gefahren. Dort gibt es einen speziellen Dienst, der vor
allem von Banken und den Treuhändern gerne in Anspruch genommen
wird. Nach Voranmeldung kann man, zusammen mit einem Mitarbeiter
der Anlage, eine kleine Seitenöffnung im Ofen benutzten und dort die
Papierschnitzel direkt in die, so glaube ich, ca. 1000 Grad heisse Flamme
werfen. In "Null Komma Nix" sind verfängliche Dokumente in Rauch
aufgegangen.
Das Set jener Dokumente, die nicht verbrannt werden sollten, haben wir
im begehbaren Panzerschrank im 3. Stockwerk des neuen Büros pingelig
genau und sauber eingelagert. Der Zugang dazu wurde elektronisch
gesichert. Der Zugang zu allen internen und externen Türen im ganzen
neuen Gebäude war mittels elektronischen Schlüssels geregelt. Mein
Schlüssel öffnete mir fast alle Türen.
Die dicken Mappen der inaktiven Mandate, die ja aus Zeitmangel nicht
eingescannt worden waren, wurden im alten Gebäude (mit Zugang von
Aussen durch eine Stahltüre) auf drei Kellerräume verteilt aufbewahrt.
Die LGT mietete diese Räume weiterhin. Die Schlüssel dafür hatte ich
auch. Manchmal wurde ich von Kundenberatern oder gar vom Direktor
gebeten, einen bestimmten alten Akt in jenen Kellerräumen heraus zu
graben. Das jemand danach fragte, lag daran, dass ab und zu aus
juristischen Gründen alte Geschichten exhumiert werden mussten. Die
Kundenberater, natürlich mit Ausnahme des Chefs, hätten auch selber
dorthin gehen können. Aber sie wussten, dass ich 100 Mal schneller den
Akt im dort vorherrschenden, chaotischen alten Archivierungszustand
finden würde. Wir hatten keine Zeit mehr, diese Akten auch
auszusortieren.
Es gab Tage, wo ich Stunden im Keller Akten von links nach rechts, von
oben nach unten und von hinten nach vorne bewegen musste, um
endlich an eine gesuchte Stiftung zu kommen. Ich gestehe, dass es häufig
berauschend war, sich bündelweise die verrücktesten Mandate
durchzulesen. Insbesondere passierte dies dann, wenn mein Auftrag
darin bestand, eine bestimmte Seite oder einen Sonderfall aus einem
alten Akt herauszusuchen. Die Stiftungen lebten ja oft weiter, nicht bei
uns, aber bei anderen Treuhändern. Bei Wechsel des Treuhänders wird
nicht immer die ganze Mappe dem neuen Treuhänder übergeben.
150
Zum Glück waren solche Anstrengungen und Trips in alte, dunkle
Kellerräume bei den aktiven Mandaten dank des neuen Systems nicht
mehr notwendig.
Bei der LGT zu arbeiten, war auch wie ein Statussymbol. Man arbeitete
nicht bei einer x-beliebigen Treuhandbude, nein! Bei der Fürstlichen
Treuhand. Hans-Adam, als verschwiegener und äusserst auf Diskretion
bedachter Führer, vertraute den Leute seiner LGT Treuhand so sehr,
dass die meisten der persönlichen Stiftungen der Mitglieder der
Fürstenfamilie auch bei der Treuhand verwaltet wurden. Dies war für
ihn nicht zwingend oder logisch notwendig. Er hätte die Mandatsleitung
auch an jenes, eher geheime Büro mit Sitz an der Herrengasse in Vaduz,
delegieren können, das auch die Mutter aller Stiftungen, die "Fürst von
Liechtenstein Stiftung" verwaltet.
Dieser Stiftung gehört alles was Hans-Adam und sein Clan besitzt. Die
über 29 bei uns verwalteten Gesellschaften, die klar der Familie
zuzuordnen sind, beinhalteten im Vergleich zu anderen superreichen
Kunden nichts Aussergewöhnliches oder Spektakuläres. Berufsbedingt
hatte ich alle Akten dieser Stiftungen durchgelesen und indexiert. Es
sind Menschen wie du und ich. Mal streiten sie, Mal geizen sie und
manchmal sind sie generös. Na ja, etwas Leichengeruch hatte die eine
oder andere Stiftung schon.
Die Welt der Treuhandmitarbeiter in Liechtenstein ist klein. Man kennt
sich. Beim Feierabendbier oder Cola wurde zwanglos über die neusten
Mandate oder Skandale geredet. Ab und zu versuchte einer
aufzutrumpfen, indem er erzählt, dass diese Persönlichkeiten bei seiner
Firma Kunden sind oder jene Millionen bei seiner Firma verwaltet
werden. Unterhaltsam wurde es dann, wenn man auf ehemalige
Arbeitskollegen traf, die jetzt bei anderen Treuhändern oder einer
anderen Bank arbeiteten. Gegenseitig wurde man ausgequetscht um in
Erfahrung zu bringen, wo es nur besser sei, wo mehr Leichen verwaltet
werden. Je länger ich bei der Treuhand arbeitete, umso weniger regte ich
mich über einzelne, heisse Mandate auf.
151
KAPITEL 6 Heiligsprechung unter Vollnarkose
Das Jahr 2002 begann eigentlich wie jedes der fünf vorhergehenden
Jahre, genährt von meinem unerschöpflichem Optimismus und dem
Glauben, dass die Gerechtigkeit siegen wird und dies das Jahr sein wird,
in dem die Verbrecher vor ein Kriminalgericht gestellt werden.
Beharrlich hielt ich den UR Dr. Paul Meier und die STA über die
allerdings immer weniger werdenden Neuigkeiten in Sachen
Argentinien oder Spanien auf dem Laufenden. Meine Arbeit bei der LGT
Treuhand erfüllte mich sehr und ich hatte, wie schon lange nicht mehr,
das Gefühl ein normales, wenn auch nicht optimales Leben zu führen.
Sogar in Sachen Herzblatt hatte ich Glück und wunderschönen Zeiten
erleben können. Ein dicker Kuss nach Zürich ;-).
Obwohl es für mich absolut keine Anzeichen gab, dass sich irgendetwas
drastisch an den über die Jahre hinweg vorgezeichneten Pfaden ändern
würde, muss sich mein Unterbewusstsein vorerst unbemerkt
schleichend in eine andere Richtung orientiert haben. Dies war wohl der
Anfang vom Ende meines ehrlichen Kampfes um die Gerechtigkeit.
Damit meine ich nicht eine Richtungsänderung wonach ich die STA und
das LG Vaduz links liegen lassen würde und selber Hand an die
Verbrecher legen würde, eben rücksichtslose Rache ausüben würde.
Natürlich, nachdem was ich in Argentinien durchstehen musste, kann
jeder wirklich nachvollziehen, dass ich mich zumindest gedanklich mit
"ebenbürtiger" Rache – auch als Teil meiner eigenen Therapie –
auseinandersetzten musste. Nie habe ich aber Anlass dazu gegeben, dass
dies mein ausgewählter Weg zur Gerechtigkeit sein oder werden sollte.
Ganz im Gegenteil, ich war so felsenfest davon überzeugt, ja eigentlich
von Seiten der STA überzeugt worden, dass in diesem Jahr 2002 die
anspruchsvolle Anklage wegen schwerer Entführung, schwerer
Freiheitsberaubung, schwerer Erpressung, Nötigung und
Körperverletzung stehen und ein Kriminalgericht einberufen würde.
Deswegen hatte ich mich entschlossen, die Arbeitsstelle bei Treuhand zu
kündigen, um mich zu 1000-prozentig darauf zu konzentrieren.
Dem Rechtsdienst der LTV erzählte ich dann voller Zuversicht, was sich
im Oktober 2002 abspielen werde. Dass Gerechtigkeit geschehen werde
und ich meine ganze Energie auf diese kommenden wichtigen Wochen
152
und Monate konzentrieren wollte. Meine Hauptaufgabe bei der
Treuhand war erfüllt: alle Mitarbeiter waren auf dem neusten Stand der
internen Schulung und auch alle dazu notwendigen Unterlagen waren
up-to-date. Ich sagte ihnen, dass ich unter Einhaltung der dreimonatigen
Kündigungsfrist zum Ende November 2002 die Firma verlassen wollte.
Sie waren enttäuscht, dass ich gehen wollte und versuchten mich zum
Bleiben zu überreden. Da ich natürlich nichts im Kündigungsschreiben
über meinen juristischen Kampf erwähnen konnte und wollte,
empfahlen sie mir, einfach hineinzuschreiben, dass ich mich ausserhalb
der Firma weiterbilden möchte. Denn rein gar nichts schreiben, quasi
nur einen Einzeiler, das wollte ich auch nicht. Nach Absprache mit
ihnen, setzte ich folgendes Schreiben auf und sendete diese am
29.08.2002 dem Personaldienst der LGT.
An die Geschäftsleitung der LGT Treuhand AG,
Vaduz, den 29. August 2002
Sehr geehrter Herr Dr. Nicola Feuerstein, Sehr geehrter VR
Werner Orvati, Sehr geehrte Herren der Geschäftsleitung.
Es ist mir nicht leicht gefallen!
Auflösung des Dienstverhältnisses.
In den letzten Wochen habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich
meine Freizeit sinnvoll mit persönlicher und beruflicher
Weiterbildung ausfüllen kann. Mit meinen jungen 37 Jahren sehe
ich noch die Kraft und Möglichkeit meinen Wissens-Horizont im
grösseren Stil zu erweitern. Z.B. neue, schwierigere Sprachen zu
erlernen und auch Kurse/Schulen zu besuchen, die neues Wissen
vermitteln und die Persönlichkeit formen. Der diesbezügliche
Markt ist sehr gross und die Auswahl keine leichte Aufgabe. Der
errechnete Zeitaufwand für die in Frage kommende
Neuorientierung ist beachtlich. Nach reifer Überlegung bin ich
zum Schluss gekommen, dass dafür meine ganze Energie
gebraucht wird und ich darum die Arbeitsstelle fristgerecht,
unter Einhaltung der 3-monatigen Kündigungsfrist auf den 30.
November 2002 kündige. Niemand ist unersetzbar - das gilt auch
für mich....... Man kann heute feststellen, dass mein
Aufgabengebiet (e-doc) eine gute Eigendynamik entwickelt hat:
° das e-doc-Organisation steht.
° Der neue BAK ist in Kraft.
° alle MitarbeiterInnen sind bis ins Detail geschult.
153
° Die Bereinigung der MAN ist voll im Gang
° Die e-doc-Unterlagen sind up-to-date.
Ob Sie nun die Stelle neu besetzten oder die Aufgaben auf
bestehende MA verteilen; selbstverständlich werde ich bis zu
meinem letzten Arbeitstag zu 100 % mithelfen, dass die Übergabe
nach Ihren Wünschen und Vorstellungen über die Bühne geht.
Hiermit möchte ich auch meinen Dank speziell an Dr. Pius
Schlachter, VR Werner Orvati, Dr. Nicola Feuerstein, Wolfgang
Bösch aussprechen, dass ich für fast 2 Jahre Teil dieser LGT
Familie sein durfte. Auch allen Anderen danke ich für das
Vertrauen und für den gezeigten Führungsstil. Ich wünsche allen
gute Geschäfte und vor allem Gesundheit, Glück und
Zufriedenheit.
(gez.) Heinrich (HENRY) Kieber
Die nun von Hans-Adam und anderer diversen Liechtensteiner Seiten im
Februar, März 2008 gemachten Behauptung, die LGT Treuhand hätte mir
gekündigt, oder ich wäre (ohne Kündigung) ins "Ausland abgetaucht" ist
falsch und eine Lüge. Natürlich kann ich deren Entstellung der Wahrheit
nachvollziehen. Es sieht einfach für sie besser aus, nach dem Ausbruch
des Skandals Mitte Februar 2008.
Alle Mitarbeiter der LGT Treuhand waren über meine Kündigung
erstaunt und viele fanden es schade. Ich war, wie mein Ex-Chef einmal
sagte, ein aufgeweckter "bunter Hund". Ich arbeitete noch die vollen
DREI Monate der Kündigungsfrist, bis Ende November 2002 durch. Und
war abermals zusätzlich im Dezember 2002, berufsbedingt viermal
zurück ins Büro zur Unterstützung in Sachen e-Doc gerufen worden.
Auch im Sommer 2002 wurden alle Bewohnern des Hauses Neue
Churerstrasse 27 in Balzers von der neuen Hausverwaltung informiert,
dass für die noch nicht verkauften Wohnungen (also auch diejenige, in
der ich seit Jahren wohnte) endlich Käufer gefunden worden waren.
Meine Wohnung wurde von einem netten italienischen Ehepaar mit
zwei Kindern, das schon lange in Liechtenstein wohnte, für den
Eigengebrauch gekauft. Sie kündigten mir deshalb und wir vereinbarten,
dass ich spätestens bis Ende Dezember 2002 ausziehen werde. Sie sagten,
sie könnten in ihrer jetzigen Mietwohnung noch bis Ende Februar 2003
154
bleiben und dass sie einen Umzug in ihre neu gekaufte Wohnung im
Januar/Februar 2003 planten.
Als im August 2002 der Termin für die Obergerichtsverhandlung in der
Zivilsache bekannt gegeben wurde, habe ich sofort den Staatsanwalt
Haun angerufen. Ich teilte ihm mit, dass es im Oktober 2002 wohl die
letzte Möglichkeit wäre, Helmut und seine Frau wegen Argentinien
festzunehmen und endlich richtig einzuvernehmen, da beide vermutlich
zur Verhandlung nach Vaduz kommen würden. Ich dankte dem
Staatsanwalt wie immer für seine Mühe und er hat mir wortwörtlich
zugesagt, Helmut Roegele nochmals und seine Frau erstmals als
Beschuldigte wegen Argentinien durch den UR befragen zu lassen. Über
eine mögliche angeordnete Inhaftnahme konnte er mir aus beruflichen
Gründen leider nichts verraten. Die Anklage würde dem Paar dann
ausgehändigt. Er sagte sogar, er könne das für mich tun, gar kein
Problem. Ich war sehr erleichtert und dankte ihm tausendmal dafür,
dass es jetzt endlich, endlich vorwärts ginge.
Das Ehepaar war im Oktober zur nächsten Runde im Zivilprozess
angereist. Ich machte mir wiederum keine Sorgen, denn ich wusste ja,
dass sie jetzt definitiv wegen Argentinien einvernommen werden sollten
und dass die Anklage druckfrisch kommen würde.
Die Obergerichtssitzung am 03. Oktober war nicht-öffentlich. Und auch
ohne Beisein der Parteien. Circa zehn bis 14 Tage später wollte ich bei
der Sekretärin des UR Dr. Meier die Kopien der Einvernahme des
Ehepaars Roegele holen. Sie gab mir eine Kopie in die Hand. In der
Hektik und da emotional zu aufgewühlt hatte ich das Deckblatt nicht
gleich gelesen. Im Gang traf mich der Schlag!
Es war eine Aussage von Helmut und seiner Frau im 140er, dem
(Spanien-) Fall in Vaduz gegen mich und nicht eine Einvernahme im
101er, dem (Argentinien-) Fall gegen Helmut & Co.
Sie wurden deswegen überhaupt nicht einvernommen. Ich war ausser
mir! Mein Zorn war nicht zu bändigen! Ich rannte sofort quer durch
Vaduz zum Haus der STA rüber und klingelte. Es war ein oder zwei
Minuten vor 12 Uhr Mittags. Eine Männerstimme sagte mir über die
Gegensprechanlage, dass Haun schon zu Mittagessen gegangen sei. Dies
war besser so – für mich. Ich musste mich beruhigen. Ich musste mich
beruhigen! Ich musste mich verdammt noch mal beruhigen! Mir wurde
ganz schlecht! Aber warum hat er mich angelogen? Warum hat er
155
gesagt, er würde Helmut & Co. mit der Anklage in die Mangel nehmen,
er könne das für mich tun, es ginge vorwärts, wenn er in Wahrheit nichts
getan hat? Er hätte es nicht sagen müssen, er ist nicht dazu verpflichtet
mir Auskunft darüber zu geben, was läuft und was nicht. Ich rief dann
sicher 30 Mal die Büronummer von STA Haun an. Jedes Mal wurde ich
von einer Sekretärin dort vertröstet und aufgefordert am nächsten Tag
anzurufen. Immer ohne Erfolg.
Einige Tage später kam das Urteil des Obergerichtes vom 3.10.02 per
Post zu mir nach Hause: Verloren.
Ein weiterer Tiefschlag. Ich ging mit meinem RA sofort wieder in die
Berufung, dieses mal an den Obersten Gerichtshof in Vaduz.
Im November 2002, am 8. oder 9. bekam ich eine Abholaufforderung der
Post in Balzers. Ich musste zwei dicke Kuverts (per Einschreiben) vom
Gericht aus Vaduz abholen. Obwohl ich einen RA hatte, konnte ich es so
organisieren, dass das Gericht mir die Post direkt schickte. Der eine
Umschlag enthielt eine fixfertige Anklage (140er) gegen mich
(Wohnungskauf in Spanien 1996). Ich war sprachlos.
Die Anklage war mit 7.11.02 datiert und von STA Haun unterschrieben.
Er war der Staatsankläger. Mir wurde übel und ich konnte die Zeilen in
der Anklage nicht klar lesen. Meine Augen begingen zu schimmern und
der Kopf wurde schwer.
Das andere Kuvert enthielt einen zwei Seiten langen Brief vom UR Dr.
Meier, datiert auch vom 7.11.02. Darin musste er mir auf Anordnung des
STA Haun mitteilen, dass die STA das Strafverfahren (101er) gegen alle
Beteiligten im Argentinienfall eingestellt hatte. Ohne Angabe von
Gründen. Die STA muss gemäss Gesetzt niemandem den Grund
angeben, warum sie einen Fall einstellt. Es genügt, wenn die STA in
ihrem eigenen, nicht-öffentlichem "Fallbuch" die Gründe einträgt. Dieses
Buch wird bei der STA verwahrt.
Für mich war die Welt am Ende! Die Scheiss STA! Warum keine Anklage
im 101er? Warum der 101er eingestellt? Was heisst ohne Grund? Warum
ich angeklagt? Wie konnten sie nur? Diese Lügner.
Nur Gott weiss genau, warum STA Haun, vom Teufel geritten, mich
verbissen wegen Barcelona verurteilt sehen möchte.
Einiges deutet auf ein falsches Spiel der STA hin: Fakt ist, dass die
spanische Justiz zwei mal die Bitte (offizielle Anträge) des UR Dr. Meier
156
um die Abtretung des Falls an das Gericht des ständigen Wohnsitz des
Beklagten, nämlich das LG Vaduz in Liechtenstein, abgelehnt hatte. Eine
solche Möglichkeit würde das entsprechende europäische Abkommen
ausdrücklich vorsehen. Ein weiteres Faktum ist: Der Kläger in Spanien,
der Verbrecher Helmut Roegele, hat nie ein Gesuch gestellt oder den
Wunsch gegenüber der Justiz in Liechtenstein oder in Spanien
geäussert, dass er eine Strafverfolgung meinerseits wegen des
Wohnungskaufs 1996 in Barcelona hier beim LG Vaduz haben möchte.
Das wäre das "Logischte" gewesen. Er und sein RA in Vaduz kannten
seit Sommer 1997 mein offizielle Adresse.
Ja, es wäre logisch gewesen, hätte sich die ganze Sache in Barcelona
(Wohnungskauf) und in Argentinien nach der Version von Helmut
ereignet. Da dies nicht der Fall war, hatte Helmut das ureigenste
Interesse daran, dass die Spanier nicht auf die Idee kommen würden,
ihren Fall nach Vaduz abzugeben. Für ihn war es lebensnotwendig, dass
der Haftbefehl gegen mich aufrechterhalten blieb. Denn nur wenn ich
weiterhin in meiner juristischen Verteidigung geschwächt und
persönlich in meiner Mobilität eingeschränkt bliebe, könnte mein Kampf
um eine Strafanklage gegen die Täter aus Argentinien beeinträchtigt
werden.
Es bestand also nie ein Antrag von irgendwelcher Seite an die STA in
Vaduz, ein Strafverfahren wegen des Wohnungskaufs in Vaduz
durchzuführen. Trotzdem war Herr Haun scharf auf eine Anklage gegen
mich. Erst dann wurde mir langsam bewusst, dass sich der LR Oehri mit
dem STA Haun ständig abgesprochen haben musste und dass sie auch
die Entwicklungen in beiden hängigen Gerichtsfällen (Zivil und Straf) in
Vaduz gemeinsam orchestrierten. Rückblickend weiss ich ganz genau
warum man dies so wollte: Ich wurde der Liechtensteiner Justiz immer
lästiger. Obwohl ich mich (bis zur "dicken Post" an Hans-Adam im
Januar 2003 - siehe nächstes Kapitel) gegenüber der ganzen Justiz
gegenüber immer korrekt und anständig verhalten hatte. Weder hatte
ich die Fassung verloren noch mich beschwert, wenn sich der LR und
vor allem die STA von Anfang an etliche offenkundige Fehler leisteten,
die schwerwiegende juristische Konsequenzen für mich bedeuteten
(ganz zu schweigen von den Demütigungen). Obwohl dies so war,
wurde ich von Seiten des LR Oehri und speziell seitens der STA wie der
letzte Dreck behandelt. Meine Unterlagen, die zum Himmel schreienden
Beweise werden einfach nicht gelesen! Und wenn dann nur
oberflächlich. Nie wurden sie aber gewürdigt!
157
Was die Einstellung des 101er Strafverfahrens betrifft, möchte ich auch
noch Folgendes schreiben (was ich übrigens auch Hans-Adam auf eine
Tonkassette als Beilage zum "Brief vom 7.1.03" mitgeteilt habe, siehe
nächstes Kapitel): Wenn man den Akteninhalt des 101er ansieht, so hat
eigentlich der STA Haun nichts gemacht. Nichts was der
Wahrheitsfindung dienlich war. Wo sind seine Bemühungen vermerkt?
Nichts hat er gemacht, rein gar nichts! Er hat nur all seine Kraft auf das
Ziel gesetzt, das Verfahren gegen die Verbrecher ohne Grund einstellen
zu können. Es ist halt billiger für das Land und besser für seine
Reputation. Eine Spurensicherung am Tatort in Argentinien hätte ohne
Probleme durch Interpol Argentinien bewerkstelligt werden können. Es
wäre sicher kein Problem für deren Spezialisten gewesen, Blutproben
von meinem Blut im Turm festzustellen, obwohl die Verbrecher
vermutlich schon alles gereinigt hatten. Und warum hat man meine
anderen Angaben zum Inneren des Turm, in dem ich gefangen gehalten
wurde, nicht überprüft? Es hätte auch Liechtenstein nichts gekostet.
Abgesehen von den im Detail nicht zu überbietenden Schilderungen zur
Entführung, Freiheitsberaubung und Gefangenschaft in Argentinien, die
"niemand sich einfach nur ausdenken kann" und abgesehen vom
Gutachten des Gerichtsmediziners, springt ein weiterer Beweis jedem,
vor allem einem Staatsanwalt, geradezu ins Auge: Wo ist die
wirtschaftliche Grundlage für die Behauptung des Verbrechers Helmut,
ich hätte f r e i w i l l i g, "quasi aus Spass am Geldverteilen" ihm ca. CHF
400'000,-, dem Komplizen Mariano ca. CHF 400'000,- und dem Schwager
von Helmut ca. CHF 10'000,- überweisen bzw. überlassen wollen??? Das
ist eine völlig absurde Behauptung seitens der Täter. Weder Mariano
noch der Schwager hatten seit Argentinien nie auch nur eine Sekunde
lang einen Anspruch auf "ihren Teil" der bei der BAWAG liegenden
Gelder gemacht und beide sind um Untergrund verschwunden. Vorher
hatte der Schwager, Herr Kroschel nach meiner Anzeige eiligst auf seinen
Anteil "verzichtet". Helmut war mit der verlogenen "Wohnungskauf"Geschichte ja bekanntlich erfolgreich. Wenn da ein halbwegs normal
funktionierender Staatsanwalt keine starken Gründe für eine
Anklageerhebung sieht, hat er den falschen Beruf ausgewählt. In
meinem Fall waren die involvierten Staatsanwälte nicht dumm. Die
Hürde für eine Anklageerhebung durch die STA ist laut
Strafprozessordnung gar nicht hoch. Gemäss StPO muss die STA sogar
Anklage erheben. Ob dann ein Kriminalgericht die Täter verurteilen
würde, ist eine ganz andere Sache. Und wenn in meinem Fall die
158
Beweise für eine Anklage nicht ausreichen, dann weiss ich nicht was der
Gesetzgeber verlangt.
Haun wusste ganz genau, dass ich nie die finanziellen oder
kräftemässigen Möglichkeiten hatte, eine Anklage in Argentinien
voranzutreiben. Abgesehen davon, dass ich nochmals zehn Jahre auf die
Gerechtigkeit hätte waren müssen. So hat er mir meine letzte
Möglichkeit geraubt, die Leute zur Rechenschaft zu ziehen. In Wahrheit
wollte er mir nie helfen, ich war ihm ein zu lästiger Fall. Was mein Blut
zum kochen brachte, war – der nun rückblickend klar ersichtliche,
unehrliche Umgang der STA mit meiner Folter.
STA Haun sagte mir einmal am Telefon, ja er verstehe was ich
durchgemacht habe, ja er verstehe das, er kann es nachvollziehen, er
helfe mir! Ich verlangte nie, dass die Justiz alles im Detail nachlebt.
Erstens geht das nicht und zweitens fehlt der Justiz naturgemäss die
eigene, persönliche Erfahrung dafür. Ich habe auch nicht um Mitleid
gebeten. Ich habe nur wieder und wieder und wieder schriftlich und
mündlich gebeten, die Verbrecher der gerechten Strafe, sprich einem
Kriminalgericht zuzuführen. Ich war so naiv zu glauben, dass die STA
und Justiz den Fall zum Kriminalgericht bringen würde. Nicht mal eine
ordentliche Einvernahme der Beschuldigten und Vorenthaltung derer
Widersprüche hatte man bewerkstelligen können.
Ich finde es auch eine absolute heuchlerische Berufsauffassung wenn
derselbe Staatsanwalt mir seit mehreren Jahren in der Causa Argentinien
vorgibt die Anklage sei bald fertig geschrieben, diese aber nie
produziert. Anschliessend erhebt derselbe Staatsanwalt Anklage gegen
mich (was man doch wirklich einem anderen Staatsanwalt hätte
überlassen können). Auch der hinterlistige, exakt gleichzeitig terminierte
Versand der zwei Umschläge (Anklage 140er & Einstellung 101er), der
mich emotional hart treffen sollte, zeigt die deutlich zynische
Geistesrichtung der STA. Gegen die Anklage habe ich postwendend
und fristgerecht schriftlich Einspruch erhoben.
Ich fuhr sofort zum UR Dr. Meier in sein Büro. Er war auch betrübt über
die Einstellung. Er hat mir aber Mut gemacht und gesagt, dass ich als
Privatbeteiligter an diesem Verfahren unbedingt einen Antrag auf
Fortsetzung des Strafverfahrens bei Gericht innerhalb der 14-Tage-Frist
stellen sollte. Das Obergericht würde dann entscheiden, ob das
Strafverfahren wieder fortgesetzt würde und wenn ja, dann ohne die
STA. Die Chance auf Weiterführung des Strafverfahrens sei sehr gut,
meinte er. Der Privatbeteiligte (also ich) könnte dann Anträge an den UR
159
machen oder gar selber eine Anklage, als benannter Subsidiarankläger
einbringen und erheben. Die STA ist aus dem Spiel. Also hatte ich am 22.
November 2002 einen siebenseitigen Antrag auf Fortsetzung der
Strafuntersuchung für den Fall 101 gestellt und am gleichen Tag für
beide Fälle (101er &140er) einen Antrag auf Verfahrenshilfe gestellt.
Damit ich weiterhin professionellen Beistand durch meinen RA erhalten
konnte und bezahlen konnte.
Es waren die letzten Wochen meiner Arbeitszeit bei der LGT Treuhand.
Einem Vertrauten aus der Rechtsabteilung hatte ich von den
Horrornachrichten erzählt. Da ich schon gekündigt hatte, wünschte man
mir Alles Gute und viel Zuversicht. Ende November 2002 gab es dann
eine kleine Abschiedsparty im grossen Pausenraum der Treuhand und
es wurde mir eine schöne Abschiedskarte mit kleinen Geschenken
überreicht. Somit fand meine Arbeit in der Welt der dicken Koffer voller
Geld, der schmutzigen Geschäfte, der Leichen, der Machtkämpfe und
der offener Gier ein Ende.
Was mich aber mehr und mehr erstaunte, war mit welchem
Selbstbewusstsein, ja fast schon Leichtigkeit Hans-Adam, die Regierung
und die hohen Finanz-Herren über all die Jahre hinweg immer wieder
dem Ausland versichern konnten, dass hier alles lupenrein war. Dass sie
die Besten sind, dass sie die Schwarzen Schafe im Rhein ersäuft hätten.
Obwohl wir doch alle in Vaduz wussten, dass dies fette Lügen waren. Es
waren glattzüngige Behauptung zu sagen, dass die Justiz und praktisch
der ganze Finanzsektor ständig im Abwehrkampf gegen die bösen,
kriminellen Kunden gewesen wären. Nimmt man die wenigen
Gerichtsurteile unter die Lupe, die im Zusammenhang mit
Briefkastenfirmen, Geldwäscherei, Korruption, Betrug etc. in
Liechtenstein gefällt worden waren, kann man klar erkennen, dass die
hohen Finanz-Herren, die einheimischen Banken und Treuhänder immer
verschont und geschützt haben. Oder vergleicht man die Jahresstatistik
der gesetzlich vorgeschriebenen Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen
von Seiten der Banken, Treuhänder und anderer Organe mit dem Total
der verwalteten Vermögen aller Liechtensteiner Banken zum jeweiligen
Zeitpunkt, dann war die Anzahl der Meldungen geradezu lächerlich.
Bei so vielen Milliarden Schweizer Franken und den damit
einhergehenden Banktransaktionen müssten in Wahrheit schon aus
vergleichbaren Erfahrungswerten (z.B. aus der Schweiz) viel mehr
160
Verdachtsmomente vorhanden sein und gemeldet werden. Jeder
Finanzanalytiker wusste dies. Verwundert hatte es aber keinen der
einheimischen Analytiker. Die Liechtensteiner Finanzwelt hat ausgefeilte
Tricks entwickelt, sodass die Pflicht zur Meldung umgangen bzw.
verhindert werden kann.
Als ehemaligen LGT Treuhandmitarbeiter konnte ich solche Tricks
schwarz auf weiss in den Akten nachlesen. Mit der Statistik wollte
Liechtenstein natürlich dem Ausland weiss machen, dass der
Finanzplatz sauber sei und die Kontrolle funktionierte. Hans-Adam,
stellvertretend für die Finanzwelt von Liechtenstein, ist ein Meister der
verschiedenen Masken. Je nach dem ob er entweder ausländische
Regierungsvertreter, Behörden oder die Medien vor sich hat oder
wichtigen Kunden eine Privataudienz gewährt, er stülpt sich immer die
passende Maske über. Mehr darüber in den folgenden Kapiteln.
Wenn ich in meine andere Welt wechselte, in der Folter, Erpressung und
mir geraubtes Geld regierten, eine Welt, der ich nie entkommen konnte,
dann verformte sich dieses Erstaunen in eine steigende
Desillusionierung. Schnell wurde ich der andauernden,
gebetsmühlenartigen, selbst erfundenen "Heiligsprechung" der hohen
Finanz-Herren aus Liechtenstein überdrüssig.
Wegen des enormen emotionalen Stresses bekam ich im November auch
zusätzlich gesundheitliche Probleme: Schmerzen im oberen
Bauchbereich. Ein Besuch bei meiner Hausärztin Dr. Rheinberger in
Vaduz brachte keine grosse Linderung. Sie empfahl mir, eine Operation
durchführen zu lassen. Die Entfernung der Galle. Gallensteine hatte ich
zwar keine, aber der Schmerz kam mitten in der Nacht und dies schnell
und heftig. Eine Operation wäre nur unter Vollnarkose machbar.
Es wäre meine erste Vollnarkose in diesem Leben. Ich hatte Angst davor.
Ob man da wieder aufwacht? OK, Hans-Adam, die Regierung in Vaduz
und einige der Leser, die Kunden der LGT Treuhand waren oder sind,
wünschen sich jetzt vermutlich, dass ich nie wieder aus der Narkose
aufgewacht wäre. Meine Operation war für den 20. oder 21.12.02
geplant. Alle meine Freunde und Bekannten und die im Spital
wunderten sich, warum ich so kurz vor Weihnachten unters Messer,
überhaupt ins Spital wollte. Mir war das egal, für mich waren dieses Jahr
wahrhaftig keine Weihnachtsfeiern geplant.
161
Mein Antrag auf Verfahrenshilfe wurde am 04.12.02 für beide Fälle vom
UR bewilligt. Das war immerhin somit geregelt. Aber dann wieder die
STA. Verflucht noch mal. Obwohl sie nichts mehr mit dem 101er zu tun
hatte und ihre Bücher geschlossen hatte, konnte sie es nicht lassen, mich
weiterhin zu ärgern. Sie legte am 12.12.02 Beschwerde gegen den
Beschluss des UR Dr. Meier ein, mir Verfahrenshilfe im Argentinienfall
zu gewähren.
Unglaubliche Frechheit! Ich bat den UR um Rat. Er sagte, obwohl die
STA aus dem Spiel sei, habe sie trotzdem die rechtliche Möglichkeit
ihren "Senf" weiterhin dazuzugeben. Deren zynische Logik, warum ich
keine Verfahrenshilfe bekommen sollte, möchte ich meinen Lesern nicht
vorenthalten: Die STA argumentierte auf vollen fünf Seiten, dass ich
keine Verfahrenshilfe brauchen würde und erhalten sollte, da ich ja den
Antrag auf Fortsetzung der Strafuntersuchung (101er) vom 22.11.02 auch
selber geschrieben hätte, und daher als Subsidiarankläger "selbst zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Lage sei".
Was für Quatsch. Wie soll ich, als Laie, fähig sein, einen kommenden
denkbaren Kriminalgerichtsfall ohne einen Profirechtsanwalt an meiner
Seite als "Kläger" durchzuführen. Was für Schwachsinn. Man erkennt,
dass die STA alles versucht hat, um mir – der nun ohne die STA, alleine
weiterkämpfen musste – das Leben schwer zu machen. Wo solches und
anderes Verhalten seitens der Staatsanwaltschaft bei gepeinigten Opfern
hinführt, konnte mal bald sehen. Ich hatte dann 14 Tage Zeit, um gegen
diese Beschwerde eine Gegenäusserung zu machen, was ich dann auch
später am 26.12.02 erledigt hatte.
Je mehr ich über die Einstellung des 101er nachdachte, um so grösser
wurden meine Enttäuschung, meine Trauer, meine Wut und mein Hass.
Leider hatte ich niemanden ausser dem UR, den ich um Rat oder Hilfe
bitten konnte. Aber meine Wege zu ihm waren auch schon ausgelatscht.
Mir wurde immer klarer, dass all meine Schreiben an die Justiz und die
STA, all meine Arbeit nichts genützt hatte. Und all ihre Fehler und
Unzulänglichkeiten. Ich war und bin sicher auch nicht vollkommen
fehlerfrei.
Ich hatte keine Kraft mehr dafür, keine Kraft mehr Briefe aufzusetzen,
Briefe, die eh keiner liest! Und das war auch Teil des Problem: keiner
liest es, keinen kümmerte es, aber wenn es ums dicke Kohle geht, dann
war und ist man in Vaduz schnell bei der Sache. Irgendwann hat alles
ein Ende, dachte ich mir. Was mich noch am leben hielt, war das Ziel alle
162
am Verbrechen Beteiligten zur gerechten Strafe zu führen. Koste es was
es wolle! Koste es was es wolle!
So fasste und formulierte ich einen Plan und entschied mich als letzten
Strohhalm bei Hans-Adam um Hilfe zu bitten. Mit den Daten, so war
mir voll bewusst, hatte ich ein Machtinstrument in den Händen, womit
ich sie alle zwingen konnte, mir endlich zuzuhören.
Es waren äusserst schwierige und verrückte Wochen für mich. Ich
musste viele Entscheidungen treffen: Was soll mit dem Datenband
geschehen? Was mit den kiloschweren Originaldokumente? Wohin
damit ? Soll ich es nutzten? Wie? Wann?
Gesundheit: Wird die Operation gut verlaufen? Neue Wohnung: Noch
nichts gefunden. Wohin umziehen?
Daten? Welche Daten? Ach ja, bis anhin habe ich Euch noch nicht
geschildert, dass ich in den Besitz aller Kundendaten der LGT Treuhand
gelangt war. Wie bei so vielem in meinem Leben spielte der Zufall
wieder eine grosse Rolle. Die nächsten paar Kapiteln in meinem Buch
werden für Klarheit schaffen.
Zufällig las ich zu jener Zeit auch irgendwo einen Spruch von KANT:
"Er fordert den Einzelnen auf, sich immer wieder zu fragen, wie weit die
eigene Freiheit – auch die zum Bösen – gehen darf, ohne die Freiheit der
Anderen zu beschädigen". Wie greifbar ich dies auf meine Situation
beziehen konnte, war schon "beängstigend und faszinierend".
Bezeichnenderweise dachte ich dabei nicht nur an meine ehemaligen
Arbeitskollegen, die ja nichts dafür konnten. Nein, ich dachte auch an
die tausenden Kunden, deren Leben ich aus den Aktenvermerken
kannte. Ich konnte mir gut vorstellen, was die über die finanziellen
Konsequenzen hinausgehenden Auswirkungen sein könnten.
Trotz der inneren Hektik ging ich ins Spital Vaduz und wurde
erfolgreich operiert und am 22.12.02 entlassen. Die Vollnarkose war eine
neue Erfahrung und meine grösste Angst dabei war, dass ich im
Aufwachzimmer meinen "Plan" ausplappern würde. Mit den neuen
Eigentümern der Wohnung konnte ich vereinbaren, dass ich alles sauber
gereinigt erst am 06. Januar 2003 übergeben musste. Ich verkaufte mein
Auto, verschenkte meine Möbel, löste den ganzen Haushalt auf, löschte
163
meine Bankkonten, mit Ausnahme des Kontos bei der auch nun
berühmten LLB (Liechtensteinische Landesbank), wo ich noch am
03.01.2003 am Schalter einen Kontoauszug abholte.
Weihnachten 2002 und die Neujahrstage verbrachte ich damit, die
Wohnung zu reinigen und übergabebereit zu machen. Ich schlief viel
und ging alles im Kopf noch mal durch. Natürlich war ich sehr traurig,
dass alles soweit kommen musste. Ich erzählte meinen Freunden, dass
ich ab dem 7. Januar 2003 für drei Monate oder so Ferien im Ausland
machen würde.
Der Stichtag für mich war der 7. Januar 2003. Der Brief und die Kassette
waren fein säuberlich abgepackt. Als Beilage zum Brief habe ich noch
einige Kopien der Gerichtsakten beigelegt. Das 3-D-Modell des Kerkers,
dass ich 1998 für das Gericht habe bauen lassen, hatte ich bis anhin bei
mir zu Hause aufbewahrt. Der UR war mit den Fotos davon und dem
damaligen Begleitschreiben vorerst zufrieden und fügte er sie in den Akt
ein. Ich erinnerte mich, wie der UR. Dr. Meier und ich uns 1998 bildlich
vorstellten, wie man das 3-D-Modell in einem Kriminalprozess
verwenden könnte. Das Modell verpackte ich zusammen mit einer
Schuhschachtel (die ich auf die Holzplatte festklebte), gefüllt mit
weiteren Akten und gab es am 04.01.2003 dem Taxiunternehmen Gabor
mit dem Auftrag ab, es spätestens bis zum 08.01.2003, Punkt 11 Uhr
hinauf zum Schloss an Hans-Adam zu überbringen. Gerne hätte ich auch
Hans-Adam den originalgetreuen Nachbau der Eisenkette, samt Ring
und Mauerstück zukommen lassen. Aber dieses Beweisstück lagerte
(und lagert heute noch) im Keller beim LG Vaduz.
Am Dienstagmorgen, den 7. Januar 2003, war ich um 09:35 in der LGT
Bank in Vaduz, um mein letztes Konto dort aufzulösen. Dann ging es mit
dem Linienbus weiter in meine Heimatgemeinde Mauren, im
Liechtensteiner Unterland. Mit dabei hatte ich einen grossen Koffer (mit
wenigen Kleidern und viel Originaldokumente drin), einen kleinen
Koffer und meine Computertasche (mit dem Tape, der externen
Harddrives und den DVD’s).
Ehrlich gesagt war ich nicht ganz sicher, ob ich den Brief an Hans-Adam
(siehe nächstes Kapitel) schlussendlich bei der Post aufgeben würde. Ich
hatte grosse Skrupel. Ich kannte seine Familie sehr gut. Seine Mutter,
Fürstin Gina hatte eine spezielle Beziehung zu mir. Sie kannte mich seit
meiner Kindheit im Gamander in Schaan. All die Jahre über, bis zu
164
Ihrem Tod Ende der 80er hielt ich schriftlich Kontakt mit ihr. Ich
vergesse nie die grosse Freude die sie hatte, als ich ihr in meinen
Teenagerjahren selbst gemachten Apfelstrudel im Winter im Schnee zu
Fuss über den Fürstenweg von Schaan ins Schloss brachte. Sie hatte so
ein grosses Herz. Als ich einmal Anfang 1983 in Zürich strandete, rief ich
sie an. Sie sagte, sie sei in zwei Tagen in Zürich und ich solle auf der
Rückseite des HB Zürichs, beim (heutigen) Landesmuseum am
Nachmittag auf sie warten. Und wahrhaftig, Fürstin Gina kam
angefahren. Mit ihrem VW Jetta und wie immer voller Freunde am
Leben. Ich konnte bei Bekannten von ihr in Schaan eine Weile bleiben,
bis ich dann eine kaufmännische Ausbildung anfing und eine eigene
Wohnung hatte. Hans-Adam kannte ich auch aus jener Zeit persönlich.
Unbestritten war ich ein starker Anhänger der Monarchie. Das machte
das alles nicht einfacher.
Bis anhin ging alles gut. Niemand bei der LGT Treuhand hatte den
Diebstahl des Datenbandes bemerkt. Während der Vorweihnachtszeit
habe ich auch einige meiner ehemaligen Arbeitskollegen der LTV im
Dorf getroffen oder sie kamen mich im Spital besuchen. Erst mit der
unwiderrufbaren Aufgabe des dicken Briefes am Schalter bei der Post in
Mauren würde das Unheil seinen Lauf nehmen. Jede Sekunde bis zu
diesem Zeitpunkt hätte ich den Lauf der Dinge anhalten können.
Der Transport des Kerkermodells zum Schloss hatte ich zwar schon
organisiert und bezahlt. Aber selbst wenn ich dies nicht hätte stoppen
können, wäre in jenem Paket nichts was mir hätte Ärger einbringen
können. Langsam und schleppend war ich an der Bushaltestelle
"Gemeindeverwaltung" in Mauren ausgestiegen. Ich zog die Koffer
hinter mir her hoch zum Friedhof. Am Grab meines Vater hielt in inne
und nahm Abschied von ihm. Ich war mir relativ sicher, dass ich nie
wieder nach Liechtenstein oder an sein Grab zurückkommen könnte.
Zumindest für einige Jahre nicht mehr. Vom Friedhof aus, hinten bei den
Gräbern, kann man eine Steintreppe hinunter Richtung Post laufen. Dort
angekommen, ich glaube es war zwischen 11 und 12 Uhr, bezahlte ich
die Gebühr von ca. CHF 25,- für die eingeschriebene Express-Lieferung
zu Hans-Adam auf sein Schloss Vaduz.
Er würde den dicken Umschlag noch am selben Tag erhalten.
Es war schon seltsam: Ich fühlte gleichzeitig eine ungeheuere Traurigkeit
und auch Erleichterung darüber, dass der Argentinienfall wieder oben
auf dem Stapel landen würde. Ich hatte noch einen zweiten Brief
165
abgeschickt. An UR Dr. Meier. Darin schrieb ich ihm kurz, dass ich unter
allen Umständen an meinem Antrag zur Weiterführung der
Strafuntersuchung gegen Helmut & Co. festhalten wollte und würde,
komme was wolle. Im Brief waren auch neue Beweise, die ich aus
Spanien per Post erhalten hatte und selber ins Deutsche übersetzt hatte.
Ich bat ihn höflich, diese Unterlagen zu kopieren und im 101er, 140er
und im Akt des Zivilverfahrens abzulegen.
Ich wartete auf den Linienbus nach Feldkirch, der mich zum Bahnhof
bringen sollte. Da angekommen, lief alles genau nach Plan. Ich kaufte
mir für die kommende Zeit genug Euros und nahm den Zug nach
München. Dort, in einem alten, staubigen aber gemütlichen
Imbissrestaurant gegenüber dem Hauptbahnhof sass ich in einer Ecke,
all meine Koffer festhaltend und ass etwas kleines, um die Zeit bis zur
Zugabfahrt nach Berlin totzuschlagen.
Berlin, Hauptstadt Deutschlands.
166
Kapitel 7
Dicke Post für Hans-Adam
Es war wirklich kein einfacher Entschluss, mich an Hans-Adam zu
wenden, ihm einen Brief zu schreiben. Ich war aber in höchster Wut über
all das, was ich in den vorhergegangenen Jahren erleiden musste. Mein
restliches Blut hatte den Siedepunkt erreicht. Es hat sich alles aufgestaut
und nun war es Zeit, den Dampf gehörig abzulassen. Während des
ganzen Monats Dezember 2002 feilte ich am Text des Briefes und an den
Worten für die Kassette. Gewiss, ich habe meine Hausaufgaben gut
gemacht. Ich hatte alles bis ins kleinste Detail nachgeforscht, überlegt
und ausgearbeitet. Es war mir klar, dass ich mit dem Absenden des
Briefes eine Sprengladung scharf machen würde, deren explosive
Legierung die hohen Finanz-Herren mit ihrer gigantischen,
ausgeprägten Liechtensteiner Geldgier, Arroganz, Ignoranz und
Machtbesessenheit vor Schreck erstarren lassen würde.
Sozusagen eine Art Fürstentum Liechtenstein-Neutronenbombe.
Ich musste auf alle möglichen Gegenschläge seitens Hans-Adams
vorbereitet sein. Ich war ja, wie immer, nur eine Ein-Mann-Truppe. Er
hingegen hatte alle nur vorstellbaren staatlichen sowie privaten Mittel
zur Verfügung, um Krieg gegen mich zu führen. Er hat nicht nur
unbegrenzte Geldmittel in Milliarden Höhe und viel Macht, sondern
auch die Macht, „die Macht zu missbrauchen‚! Der Originalbrief an ihn
hatte über 38 Seiten. Ausserdem hatte ich zusätzlich eine persönliche
Tonbandkassette besprochen und dem Brief beigelegt, weil es mir
wichtig und richtig erschien, nebst dem gedruckten Wort auch in
akustischer Form meinen Standpunkt, insbesondere die grosse
Frustration zu darzulegen. Die gesprochenen Worte auf der Kassette
beinhalteten praktisch identisch das Thema unter Punkt I. aus dem Brief.
Für ganz wenige Stellen im Brief wurde mir aus verschiedenen
rechtlichen Gründen und vereinzelt auch wegen Sicherheitsbedenken
aufgetragen Originaltext/-Worte mit dem nachstehenden Ausdruck zu
ersetzt: OT Entfernt. Ich bin sicher, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt
die unverdeckte Version dieses Briefes veröffentlichen kann.
Als unterstützende Hilfe für meine LeserInnen findet ihr kleine
Anmerkungen im Brief. Diese sind kursiv geschrieben und fangen immer
mit „ Anm.: “ an.
167
kieber heinrich – liechtensteiner staatsbürger - im Januar 2003
An unseren regierenden Fürsten S.D. Hans-Adam der II. von und
zu Liechtenstein und Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit und wäre Ihnen sehr dankbar,
wenn Sie wirklich die Zeit aufbringen würden, alles selber bis
zum Schluss zu lesen.
So wie man Ihre direkte Sprache kennt, will auch ich versuchen,
ohne Umschweife kurz und bündig aufzuschreiben, was ich
mitteilen möchte. Dieses Schreiben hat zehn Themenpunkte.
Vielleicht erinnern Sie sich an mich. Ich habe Ihnen einen
Grussbrief im Januar 2002 auf das Schloss gebracht und auch ein
Glas einer Ihrer Lieblingskonfitüre – schwarze Kirschen. Ich
bedanke mich für Ihre Antwort. Aber, ich bin es nicht mehr
würdig Antwort- oder Grussbriefe von der Fürstenfamilie
aufzubewahren; ich lege daher alle Briefe der letzten 15 Jahre
gebündelt bei. Beiliegend zu diesem Brief hier finden Sie alle
Unterlagen über ein brutales Verbrechen, dass mir im März/April
1997 in Argentinien angetan wurde und mein Handeln und
Denken massiv geändert hat. Ein zweites Paket mit weiteren
Dokumenten kommt Morgen, den 08.01.03 um ca. 11 Uhr per
Kurier für Sie im Schloss an.
Was immer jetzt in der Folge geschieht, niemand – auch Sie Fürst
Hans-Adam – wird mich verstehen können, wenn man nicht die
umfassenden Unterlagen, die SIE jetzt nun und morgen haben
werden, studieren. Und um einen Weg aus diesem schwarzen
Loch zu finden – muss man mich verstehen! Ich habe ein
Gewissen und in diesem Fall ein sehr Schlechtes. Es tut es mir
sehr, sehr Leid, dass es alle sehr hart trifft und noch härter treffen
kann. Denn innerhalb der kommenden 2 Stunden werden Sie
erschrecken; in den darauf folgenden 12 Stunden wird eine Wut
aufkommen. Am nächsten Tag wird diese Wut sich immens
steigern; innerhalb weniger Tage werden Sie mich hassen. So sehr
hassen, dass selbst bei Ihnen - einem visionären Staatsmann und
sehr guten Fürsten - das heimliche Verlangen aufkommen wird,
mir den Tod zu wünschen: die Macht und das Geld dazu haben
Sie ja – fehlt nur noch der Wille.
168
Nein, ich bin nicht verrückt! Trotz Ihrem Hass auf mich bitte ich
Sie um Vergebung. Ich bin ein intelligenter Mensch und mein
Handeln ist mir sehr bewusst.
Meine Antriebskraft zu tun was ich getan habe, liegt in der
Erniedrigung, der Demütigung, der Todesangst und in dem
Schmerz der Folterung, die ich in Argentinien erleiden musste.
Zusammengefasst erkennt man meine Motive in der
Tonbandaussage* von meiner Anzeige bei der FL-Polizei vom
April ’97 und in meinem Schreiben* an den Hauptverbrecher
vom 24.02.2000. * = Kopie Beiliegend.
Meine Antriebskraft zu tun, was ich tun werde, liegt in der
Unfähigkeit / Weigerung der FL-Staatsanwaltschaft Anklage
gegen die bekannten Täter zu erheben.
Dass SIE Durchlaucht diesen Brief samt den Unterlagen in den
Händen halten, liegt daran, dass ich von der FL-Justiz,
insbesondere von der Staatsanwaltschaft trotz der erdrückenden
Beweise und massiver Widersprüche seitens der Beschuldigten
billig im Stich gelassen worden bin. Da meine Aufführungen
diesbezüglich über 400 Seiten füllen würden und ich schon in den
letzten sechs Jahren hunderte Seiten voll von Anträgen, Analysen
und Aussagen etc. an die Justiz geschrieben habe, habe ich für Sie
Vollmachten (vermutlich bräuchten Sie gar keine) für die volle
Aktensicht beigelegt. Eine kurze Zusammenfassung mit meinen
konkreten Klagen habe ich mittels meines Rechts auf freie
Meinungsäusserung auf beiliegende Kassette (Seite A)
gesprochen. Ich bitte Sie, die Kassette abzuspielen und mehrmals
abzuspielen und zuzuhören! Danke.
Ich habe von allen Unterlagen, die ich zu selber zu Hause hatte,
elektronische Kopien erstellt und übergebe Ihnen als Beilage (zu
diesem Brief und im Paket) alle meine Papierkopien.
(gez.) h. kieber
beilagen: erwähnt
Die Zeichnungen auf den jeweiligen Rückseiten der zehn Themen
sind Fotokopien der drei Kohle-Bilder aus dem 101er Akt, die ich
extra dafür zeichnen lies.
169
I. Gerechtigkeit
Einschliesslich an meine Ausführungen auf der beiliegenden
Kassette bitte ich Sie, Durchlaucht, als Oberste Instanz unseres
Staates mir Gerechtigkeit zu ermöglichen. Ich will nicht das Recht
beugen oder gar etwas zu meinen Gunsten erzwingen. Fast sechs
Jahre habe ich jeden Tag gewartet, dass die Staatsanwaltschaft
endlich etwas macht. Aber nichts geschah. Rückblickend bin ich
überzeugt, dass man mich einfach im Glauben lassen wollte, es
würde etwas geschehen.
In den vergangenen sechs Jahren hatte die FL-Justiz viele
aufgestaute Strukturprobleme zu bereinigen. So mussten Sie ja
u.a. den Sonderstaatsanwalt Dr. Spitzer einsetzen. Mein Fall ist
komplizierter als jene Fälle, die mit dem Finanzplatz
Liechtenstein zu tun hatten/haben. Die Justiz musste wohl
Prioritäten setzten. Wie so oft hat sich auch hier gezeigt, dass
wenn es um materielle Dinge (sprich GELD) geht oder wenn das
Ansehen unseres Landes gefährdet ist, dann ist man fix und
schnell.
Wenn es ums Blut geht, wenn das Opfer ein niemand ist, dann, ja
dann muss man warten, warten, warten. Mein Fall wurde einfach
immer wieder nach hinten geschoben. Ein lästiger Fall; mit Tätern
aus Spanien, Deutschland und Argentinien, mit Tatorten in
Argentinien, Vaduz & Feldkirch.
Es ist traurig und geradezu ironisch, dass ich mit nun solchen
Mitteln meinen Fall in der ‚Prioritätenliste‚ nach vorne
katapultieren musste. Mit der Zeit kam auch mir die Einsicht,
dass mir wohl niemand im FL helfen will. Nach Argentinien zu
gehen, dort wo die Haupttat geschah, um Anzeige/Anklage zu
erheben, ist absurd, da sich dort die Gesellschaftsstrukturen im
Stadium der Auflösung befinden.
Seit langem frage ich mich, wer mir helfen kann. Ich, ein kleiner
Mann, mit einem Schmerz und Hass so gross wie der Ozean.
Obwohl ich nicht will, dass der Hass auf die Verbrecher mich in
meinem Tun leitet, kann ich es nicht abbauen. Nach der grössten
Demütigung, die ich im Kerker in Argentinien erfahren musste,
hat mich vor allem die gemeine Demütigung, der mich im
grossen Stil der Richter Uwe Oehri bewusst ausgesetzt hat, indem
er meine Folterer (Herr und Frau R.) wie Sieger über meinen
170
Geist und Körper hat auftreten lassen, zu Mitteln greifen lassen,
derer ich mich schäme.
DREI mal musste ich diese zusätzliche Demütigung ertragen. Ein
Mal sogar, ohne meinen Anwalt, weil dies der LR U. Oehri so
wollte. Der Einzige, der zu mir stand (nebst meinem Anwalt Dr.
Burkart HIRN) war der Landrichter Dr. Paul MEIER. Aber ihm
waren ja die Hände gebunden; so wie er mir sagte. Die STA ist ja
die, die dem UR zu beauftragen hat. Alle Beteiligten wissen, dass
ich nie und nimmer beweisen kann, warum die Richter oder die
STA dies oder jenes unterlassen haben zu tun. Ich bin ein
niemand. Die betroffenen Richter werden sagen, ich sei nur
beleidigt, dass ich nicht gewonnen habe. Aber so einfach ist das
nicht. Hätten sich die Richter die Mühe gemacht, die Beweise und
vielen, vielen Widersprüche der Kläger samt deren ‚Zeugen‚
wirklich zu lesen und zu analysieren, dann wären sie zu einem
anderen Urteil gekommen.
Es würde mich nicht wundern, wenn durch den ständigen
Informationsaustausch zwischen den Richtern im Zivilverfahren
und der STA eine Art Absprache, sprich Vorverurteilung,
stattfand. Die STA wusste immer vor mir wie wann, wo, was, das
Zivilgericht entschieden hatte, obwohl sie mit dem Zivilprozess
gar nichts zu tun hatte. Denn es ist nicht zu verkennen, dass
durch das Urteil in der Zivilsache die STA „praktischerweise‚
den Fall 10 Vr 101/97 elegant killen konnte. Und damit ist
Liechtenstein ein teurer, komplizierter, langwieriger Fall erspart
geblieben. Insbesondere hat sich der Staatsanwalt F. Haun einen
Haufen Arbeit erspart. In früheren Telefongesprächen und
einmal persönlich im Gerichtsgebäude sagte mir Haun ständig,
dass er mich verstehe und er an der Anklage arbeite. Viel früher,
kurz nachdem er den Fall vom Oberstaatsanwalt Dr. R. Wallner
zugeteilt bekam, sagte er mir am Telefon, dass er in ca. zwei
Monaten die Anklage erheben kann. Seitdem sind über zwei
Jahre vergangen.
Mir geht es nicht um das Geld! Das gesperrte Geld in Feldkirch
ist und bleibt mein Eigenes. Daran ändert auch ein erstes Urteil
zugunsten der Verbrechers Helmut R. nicht. Durchlaucht, Sie
sind ein bekennender Anhänger der Selbstbestimmung. Ich habe
diese Selbstbestimmung in mich aufgenommen und erkannt, dass
ich selber für eine gerechte Verurteilung der Verbrecher sorgen
171
muss. Ich bitte Sie daher, analog zu anderen Fällen, einen
Sonderstaatsanwalt zu ernennen, der sich intensiv mit dem
ganzen Fall befasst und die Befugnis erhält, gemäss dem Gesetz
zu agieren und ein ausserordentliches, unabhängiges
Richtergremium zu ernennen, das sich dem Zivilfall annimmt.
Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich will nicht, dass ein
Unglück über die LGT und FL-Finanzwelt hereinbricht, aber
eines ist für mich klar: Wenn Akt 10 Vr 101 /97 so enden und 10
Vr 140 /97 so starten soll, wie es sich Haun jetzt erdacht hat und
wenn die schlimmsten Verbrecher R. + Co. auch nur einen EURO
von meinem gesperrten Geld in Feldkirch ausbezahlt (offiziell
oder im geheimen) erhalten sollten, ohne dass ein
Sonderstaatsanwalt und/oder ein ausserordentliches
Richtergremium in den Fällen nach neuer Untersuchung ein
neues abschliessendes Urteil fällen konnten, dann werde ich mich
für Hilfe an die USA und Deutschland wenden.
Warum ich der festen Überzeugung bin, dass mir die USA sowie
Deutschland helfen werden, zeige ich Ihnen in den folgenden
Kapiteln im Brief auf. Ich habe in Liechtenstein all meine
Strukturen aufgelöst: meine Arbeitstelle hatte ich gekündigt, aus
der Mietwohnung bin ich ausgezogen und meinen Hausrat
aufgelöst. Mit all meinen sozialen Kontakten habe ich gebrochen
u.s.w.
Ich bin jetzt in Deutschland.
Wenn ich etwas nicht habe, dann ewige Zeit! Verdammte lange
sechs Jahre habe ich gewartet, gehofft und meine ganze Energie
in die Verfolgung der Verbrecher gesteckt – es soll jetzt keiner
kommen und sagen;
... wir brauchen Monate.......
Auf Grund der besonderen Umstände kann und werde ich nur
bis Ende Januar 2003 warten, um zu erfahren, ob überhaupt was
gemacht wird.
Sie und Ihre LGT können ja gar nichts dafür. Das Schicksal will
es, dass Sie nun doch involviert werden. Dass der Zeitpunkt auch
noch mit Ihrem erbittertem Abstimmungskampf über die neue
Verfassung im FL und der Neuorientierung Ihrer LGT Gruppe in
172
Deutschland zusammen fällt, tut mir leid. Es gibt aber keinen
‚passenden‚ Zeitpunkt.
Ich bin fest entschlossen alles, alles, alles in meiner Macht und
Unmacht stehende zu tun, um meine Folterer zur Strecke zu
bringen. Wenn der Staat Liechtenstein mir wirklich hilft, dann
gut. Wenn der Staat aber nicht fähig ist, seinen Bürgern gemäss
dem Gesetz und den Auslegungsmöglichkeiten des Gesetztes zu
Gerechtigkeit zu verhelfen, dann bleibt dem Bürger nichts
anderes übrig, als das Selbstbestimmungsrecht in die Hand
zunehmen und sich an Andere (in diesem Fall andere Länder) zu
wenden, von denen er glaubt, dass Sie ihm helfen können.
Ich bin mir bewusst, dass eine Katastrophe über die LGT, seine
Kunden und Liechtenstein hereinbrechen kann. Ich weiss auch,
dass ich am Ende die Zukunft für mein Leben verloren habe.
Diesen Preis bin ich gewillt zu bezahlen, wenn ich meine Folterer
der verdienten Strafe zuführen kann.
II. LGT Treuhand
Anm.: Es folgt eine Beschreibung der Umstände, wie es dazu kam, dass ich bei
seiner LGT Treuhand arbeitete und später selber kündigte: OT Entfernt.
Dann…..
Ich bitte Sie, keine personellen Konsequenzen bei der LTV zu
ziehen. Meine ehemaligen Chefs und MitarbeiterInnen können
nichts dafür. Es liegt natürlich in Ihrem Ermessen, wer alles von
diesem Drama in der LGT-Gruppe erfahren soll. Bitte
beschränken Sie den Personenkreis bei der LTV und LGT auf das
absolute Minimum. So kann keine Unruhe entstehen und mit
Gottes Hilfe wird das Unglück abgewendet. Vielen Dank.
III. DLT- Backup-Tape
(Anm.: Das vollständige
Kunden-Datenspeicherband)
Im vergangenen Jahr erschienen immer wieder neue Artikel über
die Probleme von Dr. Dr. Herbert Batliner in den Medien. Dort
hatte ein ehemaliger Mitarbeiter vor Jahren eine CD-Rom mit
173
Angaben über sein Kunden sowie deren Vermögenswerte von ca.
400 Gesellschaften entwendet und dem SPIEGEL zugesandt. Die
deutschen Steuerbehörden haben in der Folge mehrere hundert
Steuerstrafprozesse eröffnet und nach eigenen Angaben bis heute
ca. 300 Mio. (DM) an Nach- und Strafsteuern einkassiert.
Auch unter uns Mitarbeitern bei der LTV wurde darüber
diskutiert. Was wären die Konsequenzen, wenn es in der LTV
passieren würde? Jemand hat gesagt, welch ein Instrument dies
wohl wäre, wenn man solche Daten in den Händen hält.
Irgendwann im letzten Jahr habe ich zufällig mitbekommen und
erkannt, wie relativ leicht es wäre an eines der zwei täglichen
Tages-Backup DLT-Tape der LTV zu kommen. Jede Nacht wird
bei der LTV im Serverraum (2.OG) via CP360-62 das komplette
System, alle Programme und alle Daten (MASTER +
DOCUWARE), auf Raid5-Bereich 2 (f:SQL_Backup) gesichert,
sprich gespeichert. Das Tape (aus CP TL891) wird dann jeweils
von der IT Abteilung beschriftet und im kleinen Datentresor
aufbewahrt. Die Bänder werden üblicherweise mehr als 1 x für
diese Aufgabe verwendet. OT Entfernt.
Aus den Gründen, die ich im Punkt I. (Gerechtigkeit) erklärt
habe, habe ich ein solches DLT-Tape an mich genommen. Zum
Zeitpunkt der Entnahme, sprich Diebstahl des Bandes wusste ich
aber noch nicht ob ich die Daten je missbrauchen würde. Ich
wusste auch nicht, ob die Daten verschlüsselt sind. Vermutlich
schon, so dachte ich mir. Ich habe dann ein gebrauchtes, externes
DLT-Laufwerk gekauft um die Daten überhaupt lesen zu können.
Zu meiner völligen Überraschung stellte sich heraus, dass die
Backup-Daten nicht verschlüsselt auf dem Tape gespeichert
wurden. Nicht ganz einfach, aber mit der verwendeten BackupSoftware OT Entfernt kann man die Daten lesbar machen. Aus
dem Inventory DOCUWARE sind alle Dateien im TIFF-Format
mit MS-Software lesbar, da DocuWare ein so genanntes
selbsttragendes Archiv ist und daher keine spezifische DocuWare-Software (Zugang) zum Lesen der Daten erforderlich ist.
Im DocuWare auf dem Tape sind über 1'159'000
Mandatsspezifische (Kunden-) Dateien gespeichert. Da alle DLTTapes der LTV eine fortlaufende Serienproduktionsnummer des
174
Herstellers auf der Rückseite haben, können Sie feststellen, dass
Ihnen das TAPE mit folgender Serie-Nummer fehlt: 122054
SH207F822 86.
Anm.: Ich habe dem Brief Fotos des DLT-Tapes beigelegt, worauf klar die
Seriennummer und andere Details ersichtlich waren, wie z.B. die interne ITMarkierungen. Der Datums-Kleber, der angibt, von welchem Tag das Back-UpTape stammt, habe ich aber vorher entfernt, sodass man nicht genau feststellen
konnte, bis zu welchem Tag ich alle Daten hatte. Dies aus strategischen
Gründen (siehe auch am Ende dieses Buchkapitels).
ORIGINAL-DOKUMENTE:
Wenn es zu der Notwendigkeit kommt, wo ich die Hilfe der USA
oder Deutschland oder anderer betroffener Länder erbeten muss,
um die Verbrecher zu bestrafen, wird vielleicht die LGT zu
Behaupten versuchen, ich hätte nie dort gearbeitet; obwohl ich
mit Arbeitsvertrag und Lohnzahlungen (ganz abgesehen vom
DLT-Tape selber) es widerlegen kann, habe ich zum Beweis, dass
ich sehr wohl dort gearbeitet habe, gezielt Originaldokumente
‚ausgeliehen‚. Sie stammen aus dem Städtle 28: div. Archive
(Raum G1346, 3. OG // Raum G1851, 1. UG). Zum Raum G1346
wurde ich jeweils auf Grund meiner Arbeit hineingelassen. Und
Städtle 18: Raum 704/705 A + B.
s sind drei Arten von Originalen:
A) AUS- oder EINzahlungsbelege (BX= Belegexemplar) vom
Kassenschalter der LGT (vereinzelt von Fremdbanken) mit
zusätzlicher Empfangsunterschrift (und Fingerabdrücke) des
wirklichen Wirtschaftlichen Berechtigten. Aufgeteilt in Total in
CHF: Auszahlungen CHF 334'203'000. - //
Einzahlungen CHF 212'331'000.-.
Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend aufgerundet.
OT Entfernt
B) Unterlagen über EIN- oder AUSzahlungsausführungen des
UFF- und IBEX-Trust an 26 externe Stiftungen zwischen
Dezember 1988 und Dezember 2000. Total in CHF 6'784'183'000.OT Entfernt.
175
C) Diverse Originale mit Kundenunterschrift. Über den Inhalt
dieser Originale möchte ich vorerst nichts sagen.
Alle Originale (A,B + C) dienen nur zur Beweiskraft. Es sind
keine Wertdokumente (wie z.B. Aktienzertifikate oder Zessionen)
darunter. Nach erfolgreichem Abschluss werde ich Ihnen alle
Originaldokumente vollumfänglich retournieren.
Anm.: Auch hier habe ich Fotos (von ausgewählten Einzeldokumenten) im Brief
beigelegt. Es waren ca. 2’150 Einzeldokumente: 85 % davon im Format DIN
A5, der Rest A4. Bei den Dokumenten unter „B)“ handelt es sich um einen
grossen Europäischen Konzern, der für die Gewinnausschüttung von über 6,7
Milliarden(!) CHF zwischen Dez. 1988 und Dez. 2000 faktisch eine geheime
Doppelbuchhaltung führte, um diese kolossale Summe an diverse Personen via
26 verschiedene Stiftungen über komplizierte Umwege steuerfrei zukommen
lassen zu können. Jene Stiftungen wurden aber nicht von der LTV verwaltet,
sondern von anderen Liechtensteinischen Treuhandfirmen. Die LGT Bank
fungierte als Gelddrehscheibe und die LGT Treuhand stellte ihr Fachwissen für
die Abwicklung über die 2 genannten Trusts zur Verfügung.
IV. Übersicht Kunden und deren Vermögen
Nach Auswertung aller Daten aus dem DLT Tape, besitze ich alle
Unterlagen über Gründungen, Auftraggeber, Wirtschaftliche
Berechtigte [WB oder BO], Beistatuten, LTV- u. LGTSorgfaltspflichtdokumente, Bank- und andere Vermögenswerte
(Immobilien, Schiffe, Patente, Bilder etc.), Barein- u.
Auszahlungen, Transfers, Aktenvermerke u.s.w. von Total 3929
verschiedene Gesellschaften (Stiftungen, Anstalten, AG, Trust
etc.), die in Vaduz registriert sind. Inklusive die mehreren
hundert Mandate der LGT Treuhandbüros in Zürich & Lugano
(sowie der OT Entfernt). Sowie Kopien von über 105 (Leichen-)
Mandate aus dem alten Vaduzer Archiv.
Alle diese oben genannten 3929 (Schwarzgeld)-Briefkastenfirmen
haben / hatten genau 8655 verschiedenen Einzelbankkonten.
Davon 7834 Bankkonten bei der LGT Bank und 821 Bankkonten
bei Fremdbanken (z.B. OT Entfernt etc.).
176
Aktueller Stand der Bankvermögenswerte aller obigen Konten
(2001/02): CHF 7'160'844'000.- (davon liegen 5'682'296'000.- auf
Konten bei der LGT Bank und CHF 1'478'548'000.- bei
Fremdbanken). Höchststand gemäss Unterlagen: CHF
9'866'237'000.-(davon 8'023'504'000.- bei LGT Bank und CHF
1'842'733'000.-- bei Fremdbanken). Hier nicht eingerechnet sind
die CHF 6'784'183'000.-- Ein/Auszahlungen, die für den UFF- und
IBEX-Trust über die LGT Gruppe zwischen Dez. 1988 bis Dez.
2000 gelaufen sind. (Siehe "Original-Dokumente" unter Punkt
IV.). Alle Beträge sind auf die nächsten Tausend CHF
aufgerundet.
Genau 5828, mehrheitlich natürliche Personen sind / waren für
diese 8655 Einzelbankkonten der 3929 Gesellschaften als
Erstbegünstigte / Wirtschaftlichen Berechtigten registriert.
In 46 Fällen sind Politisch Exponierte Personen (PEP) involviert.
Zusätzlich habe ich in verschiedenen Listen genaue
Personenangaben (Aktenvermerke) über weitere total 207
Interessenten gefunden, die aber nach dem 1. oder 2.
Besuch/Gespräch nicht eine Kundenbeziehung mit der LGT
eingegangen sind. Davon waren 68 aus OT Entfernt, 41 aus den
OT Entfernt, 56 aus der OT Entfernt, 18 aus OT Entfernt und der
Rest aus diversen Ländern. 1 x ging es um eine Umgehung des
US-Embargos gegen den IRAK. Gemäss internen Angaben
wollten diese 207 Interessenten Total CHF 517’000’000.‚Schwarzgeld‚ als Neukunden bei der LGT deponieren.
Anm.: Es folgte eine vollständige Länderliste (Total 82 verschiedene Ländern)
mit der jeweiligen Anzahl von Stiftungen, Anstalten u.s.w. (nicht die Anzahl
involvierten Personen, die immer höher ist). Eine Auswahl: Deutschland über
ca. 1400 Stiftungen/Anstalten etc., Österreich über 350, Schweiz über 700,
U.K. über 450, USA über 600 , Kanada über 280, Italien über 390, Frankreich
über 195, Spanien über 220, Beneluxländer über 230, Skandinavischen Länder
über 195, Osteuropa (incl. Russland) über 150, Südamerika über 135.
Das Total aller Stiftungen u.s.w. aller Länder ist grösser als die Zahl „Total
Gesellschaften“ (3929), weil es einige Gesellschaften gibt, die eine Verbindung
z.B. nach Deutschland und nach Österreich haben, und daher einmal in der
Zählung Deutschland und einmal in der Zählung Österreich erschienen.
177
V. USA
Wenn mir Liechtenstein nicht helfen kann, meine Folterer zu
gerechten Strafen zu verurteilen, werde ich mich zuerst an die
USA wenden. Warum glaube ich, dass die Amerikaner mir helfen
werden? In den USA gibt es spezielle Gesetzte, die einer
Verurteilung von Tätern selbst dann ermöglicht, wenn die Tat im
Ausland geschah und keine der Involvierten Personen US-Bürger
ist. Zudem gibt es den US Patriot Act of 2001 (26.OCT).
Ich behaupte nicht, dass die LGT (bewusst) irgendetwas mit
Terrorismusfinanzierung oder dergleichen zu tun hat. Ich bin mir
aber sicher, dass bei denjenigen Kunden der LTV, die selber
Iraner, Iraker sind oder aus anderen arabischen Ländern
kommen, oder andere Nationalitäten besitzen und mit Iran, Irak
oder anderen terrorismushelfenden Staaten Geschäfte machen,
werden sie genauer unter die Lupe (d.h. amerikanische Lupe)
genommen, US-Gesetzes-Verletzungen zum Vorschein kommen
werden.
In den über 645 Gesellschaften der LTV hat es Verbindungen mit
den USA; sei es weil der Settlor, WB/BO, Protektor, Beirat etc.,
US-Bürger oder Greencardholder ist, oder grössere Zahlungen an
US-Personen im Ausland getätigt wurden oder Transfers über die
USA liefen. Bei drei Gesellschaften sind nach meinen Daten PEPIndikatoren da, obwohl keine PEP-Formulare ausgefüllt wurden.
Bei allen involvierten Gesellschaften ist eine Verletzung u.a. des
IRS-Code 1957 und im geringeren Masse Code 1956 festzustellen.
Zudem kann man feststellen, dass fast alle Gesellschaften gegen
die US-Gesetzesvorlagen (IRS-Codes etc.) verstossen haben, die
im Gutachten von OT Entfernt., alle N.Y., vom 30.08.2002 erwähnt
sind. Zusätzlich sind weitere 41 Personen aus den USA als
Interessenten bei der LTV registriert, ohne dass es zu einem
Mandat kam. Zwei Personen sind Doppelbürger und als PEP zu
deklarieren. Auch habe ich auf dem Tape interne Schriftsätze
gefunden, die ganz deutlich die Wege aufzeigen, wie die
Kundenberater der LTV die Kunden (alle Nationalitäten) beraten
können, die sich gegenüber den US-Behörden (IRS) nicht
Offenlegen wollen und dennoch US-Aktien und/oder
insbesondere US-Immobilien weiterhin halten oder neue
erwerben wollen, um so US-(Steuer)-Gesetze umgehen zu
178
können. Hauptsächlich wird empfohlen, dies mit einer Panama
Gesellschaft zu tun. Solches Vorgehen der involvierten Stiftungs
(SR)- oder Verwaltungsräte(VR) könnten die US-Behörden u.a.
mit dem LAJOFP (Long Arm Jurisdiction Over Foreign Persons)
verfolgen.
Diverse Beratungen bei einigen Kunden stehen eigentlich auch
im Gegensatz zu der heiligen Devise der LTV: ‚Keine Geschäfte
mit dem oder im Steuerdomizil des Kunden‚. Also die
eingesetzten SR/VR Geschäfte im Namen der Stiftung im
Heimatland des Wirtschaftlichen Berechtigten tätigen: wo wir
doch alle wissen, dass solche Aktivitäten wegen der
Aufdeckungsgefahr hoch riskant sind.
Verletzungen des (QUALIFIED Intermediary Status) QI-Status:
Die US Steuerbehörde IRS hat die Liechtensteinischen „KenneDeine-Kunden‚- Regeln (KYC-Rules) am 28.02.01 bewilligt und
zugestimmt und dem Land rückwirkend auf den 01.01.01 den QI
Status erteilt. Die LGT hat am 07.03.01 das Gesuch für den
Banken-QI-Status eingereicht und konnte ab diesem Datum
provisorisch als QI handeln. Nach den ersten 2 Jahren wurde der
QI-Status nochmals um 2 Jahre – bis Ende 2004 verlängert.
Nun, nach Durchsicht aller Mandate mit QI-Angelegenheit die
ich gefunden habe, kann man Verstösse feststellen und es wird
die IRS interessieren, dass z.B.:
° bei 38 Stiftungen/ Anstalten noch nach der Ablauffrist vom
31.12.2001 der Kauf von US Aktien erfolgte, obwohl die
erforderliche Dokumentationspflicht (W-9, W-8IMY oder W8BEN incl. beglaubigter Passkopie pro WB) nicht erfüllt waren.
° Bei einigen neuen Stiftungen/Anstalten der LTV im
Kundenauftrag nach dem 01.01.2001 durch die LGT oder
Fremdbank US-Aktientitel gekauft wurden, obwohl der Kunde
OT Entfernt hat oder die LGT gemäss QI-Vertrag zwischen LGT
& IRS ‚vergessen‚ hat, dies zu tun.
° Es eine kleine Anzahl Stiftungen/Anstalten (Simple/Grantor)
gibt, wo der Wirtschaftliche Berechtigte US Steuerbürger ist. Es
gibt/gab also Kundenbeziehungen mit Status ‚US-Persons‚ mit
US-Aktientiteln im Depot, die gemäss QI-Vereinbarung hätten
registriert sein müssen – es aber nicht sind. Dadurch
unterläuft/verhindert die LGT automatisch die erforderliche,
sporadisch, externe US-Buchprüfung für den QI Status, weil die
179
Prüfung nur für solche Konten gemacht werden kann, wo USPersonen als WB/BO registriert sind. D.h. Keine Registrierung =
Keine Prüfung! Das würde den USA sehr sauer aufstossen!
US-Verbrechen:
Eine Auswahl von 6 Stiftungen der LTV zeigen gemäss AV, dass
die/der WB selber in US-Crimes verwickelt waren oder es
wurden Zahlungen getätigt, die US-Strafprozessen
zuwiderlaufen. Beispiele:
° hat die LGT eine Struktur angeboten (damit sie nicht selber in
die Schusslinie gerät aber dennoch mitverdienen kann), wo der
WB als ehemaliger Firmenbesitzer, die er in den Konkurs
getrieben hat, eine Benachteiligung der Gläubiger durchsetzen
konnte.
° oder es werden Kundenbeziehungen aufrechterhalten, obwohl
der Kunde wegen einem 50 MIO US$-Betrugs-Scam auf der
Internationalen Watchliste steht.
° Die Amerikaner wird auch interessieren....
~ wie ehemalige und tätige ausländischer Hohe Beamte so solch
grosse Vermögen kommen.
~ oder das Mitglieder aus dem Familienkreis des früheren
Diktators OT Entfernt Gelder bei der LGT liegen haben.
~ welche ausländische, diktatorische Herrscherfamilien wo, wie
viel Geld und andere Werte bei der LGT Treuhand verwalten
lassen.
Diese hier auflisteten Beispiele sind nur eine Auswahl von vielen
mehr, wo man verschiedenste Gesetzesverstösse feststellen kann,
die weit über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=
Steuerhinterziehung) hinausgehen. Insbesondere kommt auch die
die Organhaftung (seitens SR & VR) bei vielen Mandaten ins
Spiel.
VI. Deutschland
Will mir Liechtenstein nicht helfen, meine Foltere hinter Gittern
zu bringen, so wende ich mich nach den USA an die Deutschen
um Hilfe. Warum sollte mir Deutschland helfen? Ich bin sicher,
eine Deutsche Zuständigkeit ergibt sich auch dadurch, da der
180
Haupttäter im Argentinienfall, der Verbrecher Roegele ein
Deutscher ist und der Lösegeldabholer Kroschel auch!
Die 1409 Briefkastenfirmen, mit den Total über 2800
Erstbegünstigten (mit Deutschem PASS oder Nicht-Deutsche, die
in Deutschland ihr Steuerdomizil haben) und die zusammen über
3 Milliarden CHF Bankvermögen haben, bilden die grösste
Gruppe der LTV-Mandate (Aktive, Abgänge oder Löschungen).
Abgesehen von den wenigen deutschen PEP’s, die als solche
deklariert sind, hat ein Check von Kunden, die von ihrem Umfeld
her (gemäss Gründungsaktenvermerk [z.B. Beruf, Vermögen,
Ehepartner] oder späteren AV’s) etwas mit der Politik oder
Wirtschaftspolitik zu tun haben könnten, in diversen
Internetdatenbanken (z.B. bei politikus.de, spiegel.de u.s.w)
erstaunliches hervorgebracht (24 Treffer).
Fünf Beispiele:
~ ein Familienmitglied eines Anwaltes der OT Entfernt hat eine
Stiftung der der LTV (Adresse des Anwalts stimmt mit der
Adresse des EB im Formular überein)
~ eine ehemaliger Kommunal OT Entfernt, der der Korruption
beschuldigt wird, hatte eine Stiftung bei der LTV.
~ Ein höherer OT Entfernt aus OT Entfernt hatte eine Stiftung bei
der LTV.
~ Ein Mitglied der deutschen OT Entfernt-Stiftung ist Kunde bei
der LTV.
~ Ein Kunde der LTV ist Mitglied der OT Entfernt OT Entfernt
Alle hatten bzw. haben mal kleine, mal grosse Summen auf den
Konten! Sind dies etwa OT Entfernt gelder?
Einige aus Deutschland politisch wie wirtschaftlich heikle
Mandate, die der LTV klar bekannt sind. Beispiele:
~ eine Gesellschaft, die als Off-Shore-Company für die mit
politischem Klagelied in Konkurs gegangene PHILLIP
HOLZMANN AG galt und US-Geschäfte tätigte, die sich als
illegale Preisabsprachen bzw. Bestechung herausstellten (Gemäss
AV)
181
~ Eine eigene LTV-Gesellschaft tätigte eine Zahlung von etwas
über DEM 5,6 MIO via Deutschland. Im AV schrieb der KB, dass
die Zahlung eindeutig als Bestechungsgeld zu werten sei.
~ Der OT Entfernt Mann OT Entfernt hat seine Stiftung (die OT
Entfernt Stiftung) bei der LTV via der im OT Entferntskandal
federführenden OT Entfernt -Stiftung (bei OT Entfernt) über ein
Konto bei der Fremdbank OT Entfernt gefüllt.
Sind diese Gelder auch OT Entfernt gelder?
~ Des weiteren gibt es ein OT Entfernt Schwarzgeldkonto der OT
Entfernt, die als Eigentum OT Entfernt identifiziert wurde. Der in
mehreren AV’s offen geschilderten Hintergrund der
Einzahlungen und Verwendungszweck der Auszahlungen
werden OT Entfernt als massiv rechtswidrig eingestuft. Eine
ähnliche Einrichtung, die ‚ OT Entfernt -Stiftung‚, wurde vor
Jahren bei OT Entfernt ‚gefunden‚.
~ Über eine BVI-Company der LTV wurde eine Zahlung von US$
10 MIO im Zusammenhang mit der ABB (Asea Brown Boveri)
getätigt. Diese Zahlung ist als Bestechung leicht zu erkennen (da
im AV schlecht verschleiert vermerkt).
~ den (politischen wie wirtschaftlichen) Chef einer der grössten
Deutschen Staatsfirmen und Arbeitgeber und Inhaber einer sehr
vermögenden LTV-Stiftung will ich hier erst gar nicht namentlich
erwähnen.
~ Selbst der Französische Ölkonzern ELF, dessen OT Entfernt der
OT Entfernt in Deutschland seit Jahren ein Skandal ist und
neuerdings gemäss dem OT Entferntartikel in OT Entfernt auch
die FL-Justiz beschäftigt, indem sie mehrere Rechtshilfegesuch
nach Deutschland versandt hat, hat in den 90er bei der LTV eine
Holding einrichten lassen, die ganz offensichtlich dazu diente
Korruptionsgelder zu verteilen und zu waschen, die im
Zusammenhang mit der Ölexploration stehen.
~ Auch im SPIEGEL Nr. 47 vom 18.11.2002 las ich ein Artikel
(Seite 124+126) über div. dubiose Zahlungen rund um das Kirch182
Imperium in Deutschland. Ich habe mich an ein Dokument
(‚Checkliste aussergewöhnlichen Transaktionen‚) mit Hinweis
auf den Kirch Komplex eines Mandats auf dem Tape erinnert: der
Name des WB steht zwar nicht im Artikel des Magazins. Aber die
hastig gewünschte und dann ausgeführte Banküberweisung von
über 2 MIO CHF (ausgerechnet in das Steuerdomizilland des WB
- die USA), passt genau in das Schema der im Artikel
aufgeführten Verschleierungstaktik.
~ Der extremste wirtschaftlich kriminelle (deutsche) Fall, den die
LTV betreut(e) bzw. half abzuwickeln, ist jenes Mandat wo
massive OT Entfernt sgelder auf ganz präzis ausgefeilten Wegen
über mehrere Gesellschaften hier in Vaduz und in OT Entfernt an
OT Entfernt OT Entfernt (und anderen Personen in dessen
Umkreis) des grossen Deutschen OT Entfernt OT Entfernt gezahlt
wurden. Mit dieser OT Entfernt wurde OT Entfernt.
Auch viele andere Mandate zeigen offen Kriminelle Handlungen:
z.B. Gläubigerbetrug (Mandats-Nummern: OT Entfernt),
Kreditbetrug (OT Entfernt ), Subventionsbetrug (OT Entfernt),
Geldwäscherei (OT Entfernt), Korruption (OT Entfernt)
Schmiergeldzahlungen und Bestechungen (OT Entfernt).
Es gibt hunderter weitere Deutscher Mandate, deren richtige &
korrekte Interpretation der Aktenvermerke (Avs) und Zahlungsabläufe verschiedenste Gesetzesverstösse aufzeigen, die weit
über eine reine ‚Schwarzgeld‚-Vermögensverwaltung (=
Steuerhinterziehung) hinausgehen. Z.B. solche LTV-Stiftungen,
deren einzige Aktiva verschieden grosse Aktienpakete von an der
Börse in Deutschland kotierten Gesellschaften sind. Manche der
durch die LTV im Namen der Stiftung ausgeführten
Transaktionen sind gelinde gesagt nicht gerade Kleinaktionärsfreundlich und verstossen eindeutig gegen diverse Gesetze. Oft
dienten solche Transaktionen zur Vertuschung und
Verschleierung der vom (Börsen-)Gesetz vorgeschriebenen
Offenlegungspflicht bei Überschreitung eines definierten
Prozentsatzes bezüglich Besitz von Aktien oder Börsenkapital
oder bei vorgenommenen Aktienkkapitalschnitten.
183
Des weiteren haben sich namentlich 68 Personen aus
Deutschland als Interessenten bei der LTV gemeldet, ohne dass es
zu einem Mandatsvertrag kam (gemäss AV). Die Problematik
einer FL-Stiftung im (deutschen) Steuer- und Strafrecht zeigen die
Ausführungen von Dr. Rainer Spatscheck aus München, die auch
auf dem DLT-Tape gespeichert sind. Auf dem Band findet man
auch Aktenvermerke und Schulungsunterlagen für die
Kundenberater, was dem vom Deutschen Fiskus festgestellten
„Durchgriffsrecht‚ des WB/Stifters bei einer Stiftung mit
Mandatsvertrag (STMM) entgegengesetzt werden kann: nämlich
die STOM (Stiftung OHNE Mandatsvertrag). Wie die LTV in
Zukunft mit Deutschland Kunden Geschäfte machen will, zeigt
auch das NSL-Gutachten vom Sommer 2002.
VII. Schutz-Identität
Durchlaucht Fürst und Erbprinz, wenn Sie nun diesen Brief in
den Händen halten, bin ich, hoffentlich sicher, schon in
Deutschland angekommen. Selbstverständlich werden Sie
verstehen, dass ich unter den nun vorliegenden Umständen nicht
in Liechtenstein oder in der Schweiz auf eine Lösung warten
kann. Obwohl gerade Deutschland als EU–Land eine „Gefahr‚
für mich darstellt, habe ich den Schritt gemacht, denn wäre ich
nicht nach Deutschland gegangen, so würde gar nichts mehr
gegen die Verbrecher geschehen.
Dank dem Hauptverbrecher Helmut R. habe ich ja die Probleme
mit Spanien. Ich bin mir der grossen Gefahr bewusst, dass ich evt.
in Deutschland in eine Polizeikontrolle geraten kann. Ich
versuche es zu vermeiden. Ich kann mich aber nicht 24 Stunden
verstecken. Falls ich in eine Kontrolle gerate, wobei bei
Ausländern meist ein Computercheck durchgeführt wird und die
Deutschen versuchen würden mich festzuhalten, werde ich
versuchen in eine US-Einrichtung (Botschaft oder Konsulat) zu
gelangen. Gelingt mir das nicht, so habe ich keine andere Wahl,
als die Deutschen über meinen wirklichen Grund des Aufenthalts
aufzuklären, alle Daten auszuhändigen und um deren Hilfe zu
bitten.
184
Um diesem Desaster zu entgehen gibt es nur eine Möglichkeit! Es
tut mir Leid, dies zu verlangen, aber nur mit einer neuen
temporären Schutz-ID werde und kann ich zum Schutz von
Liechtenstein, der LGT und der tausenden Kunden aus aller Welt
so lange in Deutschland warten, bis ich erfahre, zu welchem
Urteil bzw. Bericht ein unabhängiger Staatsanwalt und
unabhängiges Richtergremium gekommen sind. Bedingungslos
vom Urteil oder Bericht bin ich dann bereit mich mit einer
Vertrauensperson von Ihnen in Deutschland zu treffen, um einen
Weg aus der drohenden Katastrophe zu finden. Ich bitte Sie
daher mit beiliegenden Fotos von mir zwei gleichnamige FL
Pässe auszustellen. Da der Name und das Geburtsdatum zufällig
gewählt wurden, gibt es keine Verwechslung mit einer echten
Person. Vor Ihnen verstecken kann und will ich mich ja mit
diesem neuen Pass nicht, Sie kennen ja die Passdaten. Bitte
beachten Sie aber, dass Sie es in der Hand haben, wer davon
erfährt. Man wird Ihnen sicher raten, sofort die Polizei
einzuschalten. Abgesehen davon, dass ich alle meine
Verbindungen nach FL aufgelöst habe und weder dort noch
arbeite noch wohne, möchte aber darauf hinweisen, dass der
Chef der FL-Wirtschaftspolizei (EWOK) in Vaduz – die in diesem
Fall sicherlich die Führung der Untersuchung haben möchte - ein
DEUTSCHER ist. Er hätte sicherlich Interesse zumindest an den
Deutschen Datenmenge. Selbst wenn alle Vorsicht geboten wird –
irgendjemand (Sachbearbeiter, Sekretärin, Archivar oder Bote
etc.) in der Justiz oder bei der Polizei in Liechtenstein oder sonst
wo würde es ausplaudern.
Zudem kann ich mit der Zusendung der neuen Pässe erkennen,
dass Ihnen an der Lösung etwas liegt. Das ich um 2 Pässe bitte,
liegt daran, dass ich einen Reserve-Pass brauche, wenn einer
unbrauchbar wird oder verloren geht. Nach Ende, welches auch
immer, werde ich Ihnen beide Pässe zurückgeben. Ich bitte Sie
beide Pässe in einer Hülle in das beigelegte beschriftete Kuvert
einzupacken und fest zuzukleben. Dieses Kuvert bitte wiederum
in ein neutrales grosses A4 Kuvert geben. Auf diesem A4-Kuvert
vorne bitte folgende Aufschrift anbringen: ‚Wird von Hr. Kieber
abgeholt oder er lässt es abholen oder gibt telefonisch an wohin
es weitergeleitet werden soll‚.
185
Ich bitte Sie das Kuvert einer Vertrauensperson zu übergeben.
Diese soll damit entweder nach Feldkirch fahren und dort bei
UPS Austria (Freecall Austria 0810-xxxxxx) abgeben, (Bitte nicht
mit der UPS Schweiz senden, da dann der Zoll Einblick nehmen
könnte) oder die Vertrauensperson soll das Kuvert persönlich in
Frankfurt abgeben, damit es spätestens am Montag, den
13.01.2003, 14 Uhr dort ist. Empfänger ist die LGT Niederlassung
Frankfurt*, Bockenheimer Landstrasse 107, z.Hd. Geschäftsführer
oder Sekretariat, D- 60325 Frankfurt. Inhalt: Dokumente.
* = ab dem 07.01.03 ist das Büro wieder besetzt.
Die LGT Frankfurt sollte natürlich NICHT eingeweiht werden.
Man soll nur telefonisch (0049 69 xxxxxxxx) mitteilen, das ein
Kuvert für einen Kunden per UPS oder Kurier ankommen wird;
man braucht auch keinen Ausweis vom Abholer einzusehen.
Wenn evt. jemand kommt und nach dem Kuvert für Herrn
Kieber fragt, soll man es einfach ohne UPS-Umschlag, aber im
grossen A4-Umschlag, übergeben.
Falls evt. Herr Kieber anrufen sollte, soll man bitte das Kuvert
gemäss seinen Angaben weiterleiten. Kosten zu Lasten der LGT
Deutschland.
Sollten die Pässe nicht bis am Montag, den 13. Januar 2003 in
Frankfurt sein, oder ein Kuvert zwar ankommen, aber kein oder
nur ein Pass drin ist, so nehme ich an, dass Sie andere Pläne zur
Lösung dieser Situation verfolgen. Dann muss ich keine
Rücksicht mehr nehmen und werde sofort Hilfe bei den
Amerikanern erbeten.
Anm.: Ursprünglich wollte ich in diesem Punkt zwei einfache, sogenannte
Identitätskarten von Hans-Adam verlangen, da sie eigentlich für meine Zwecke
(eine andere, sichere Identität während meines Aufenthaltes in Deutschland)
auch ausgereicht hätten. Nachforschungen meinerseits ergaben aber, dass die
ID-Karten für Liechtensteiner Bürger von einer Spezialfirma in der Schweiz
hergestellt werden und das Liechtensteiner Passamt sie von dort per Post
bestellt. Dies kann bis zu 14 Tage dauern. Ich wusste aber, dass Hans-Adam
selber (!) schnell Liechtensteiner Pässe drucken kann, unabhängig von der
Regierung. Hans-Adam hat nämlich das absolute Recht, Ausländern jederzeit
per Dekret die Liechtensteiner Staatsbürgerschaft zu verleihen. Oder nach seiner
Wahl (wovon er auch rege Gebrauch macht) Liechtensteiner Diplomatenpässe
(zu 95 % exklusiv an seine eigene, grosse Familie) zu verteilen. Ich bat ihn um
186
zwei normale Pässe. Den Termin „13.01.03“ habe ich bewusst gesetzt, da ich
Hans-Adam nicht zu viel Zeit geben wollte, diesen ersten Schritt zu machen.
Mit zu viel Zeit, wer weiss auf welche „dummen“ Gedanken er und seine
Truppe hätte kommen können.
VIII. Datensicherheit
Meine erste Idee war, alle brauchbaren kundenspezifische
Dokumente komplett und verschlüsselt ins Internet zu stellen.
Die grosse Datenmenge wäre technische kein Problem gewesen.
Internetfirmen wie z.B. ‚xdrive.com‚ bieten solche Dienste an.
OT Entfernt. Von dieser Version habe ich aber abgesehen, da ich
nicht zu 100 Prozent ausschliessen kann, dass die involvierten ITSpezialisten evt. beim Installieren dennoch Einsicht in die Daten
nehmen könnten.
Einfacher und sicherer ist eine externe Harddisk (Festplatte). Sie
kostet nicht viel, ist klein, handlich und einfach zu bedienen, da
es als zusätzliches Laufwerk erscheint. Eine 20 GB Festplatte
reicht mehr als nötig aus, um von allen Gesellschaften jene
Kunden-, Vermögens- und Geschichtsdaten zu speichern, die
notwendig sind, um eine Identifizierung und History zu
ermöglichen. Ich habe mir 2 solcher ‚PocketDrives‚ gekauft. Die
Daten auf diesen 2 externen Festplatten* sind mittels eines
Verschlüsselungsprogramms (ähnlich dem Crypto-Suite von
BHV, also 256 Bits nach AES-Standard) vor fremdem Zugriff
absolut sicher. Zusätzlich habe ich mir dieselben Daten auf vier
DVD-Rom’s* (je 4,7 GB) gebrannt. Den Computer, den ich für
diese Vorgänge verwendet habe, war zu keiner Zeit am Internet
angeschlossen; somit ist ausgeschlossen, dass je etwas ins Netz
gelangen konnte oder Viren oder Spione sich eingenistet haben
könnten. Das Original-LTV-DLT-Tape habe ich so belassen wie es
ist (keine Verschlüsselung). Das Tape und all die
Originaldokumente habe ich nach Deutschland trotz des hohen
Risikos mitgenommen. Sie werden getrennt und werden sicher
verwahrt.
Die 4 DVD’s* habe ich auch mitgenommen und sie werden sicher
aufbewahrt. Die 2 Externen Harddisks* habe ich auch
187
mitgenommen. Sie werden auch getrennt und an einem sicheren
Ort aufbewahrt werden.
Niemand kann jetzt ohne mein Dazutun weder an das Tape, die
Originaldokumente, die DVD’s* oder 2 Externen Harddisks*
kommen, noch ohne mein Dazutun die Daten lesen. Es sind VIER
voneinander unabhängige Hürden zu nehmen: es braucht VIER
unterschiedliche Komponenten, die - in der richtigen Reihenfolge
- es ermöglichen, schlussendlich wirklich zu lesbaren Daten zu
kommen.
Wobei DREI der 4 Komponenten nichts mit Software oder
hochtechnischem Zeug zu tun haben. Die VIERTE Komponente
ist natürlich der 256 Bits-Verschlüsselungs-Schlüssel. Die DREI
ersten Komponenten sind einfacher Natur. Sie haben nichts
miteinander gemein. Damit kann ich zu 100 Prozent
ausschliessen, dass wenn jemand – was eigentlich unmöglich ist durch widrige Umstände Kenntnis von einer der 3 ersten
Komponenten erhält, falls er/sie überhaupt es als solche erkennt,
zu den Daten gelangen kann. Das jemand nur schon 2
Komponenten ohne meine Angaben in den Händen halten kann,
ist unmöglich. * = Auf diese Datenträger habe ich jene Mandate,
die zu Ihrer fürstlichen Familie gehören (Schwester, Kinder etc.)
sowie jene Mandate, die Prinz Philipp sowie seinen
Schwiegereltern zugeordnet werden, nicht aus dem DLT-Tape
rüberkopiert.
Anm.: Irgendwie dachte ich mir, dass das Hans-Adam etwas besser schlafen
könnte, wenn er weiss, dass ich all jene privaten Mandate der Treuhand, wo er
und Mitglieder seiner grossen Familie persönlich Wirtschaftlich Berechtigte
sind, nicht auf dem im Brief beschriebenen Datenträgern gespeichert hatte.
IX. Meine Sicherheit
Grundsätzlich möchte ich bekräftigen, dass ich kein Interesse
habe, der LGT als Gruppe, den tausenden einzelnen Kunden und
dem Finanzland Liechtenstein Schaden zuzuführen. Denn der
Auswirkungen einer möglichen ultimativen Katastrophe bin ich
mir bewusst: Immense Imageschädigung der LGT Gruppe
weltweit - Eröffnung tausender Strafsteuerverfahren gegen die
188
Kunden - Rufschädigung des Finanzplatzes Liechtenstein Verlust von Kundengeldern in Milliardenhöhe Schadensersatzklagen gegen die LGT (analog wie bei Batliner) Einleitung verschiedener Strafverfahren, da ohne Zweifel viele
der grossen Vermögen unrechtmässig erworben wurden
(Korruption, Verbrechen, Betrug, Insiderhandel etc.) Gravierende Konsequenzen für viele einzelne Kunden (Job,
politische Karriere) - politische Konsequenzen einiger OT
Entfernt-Parteien - Die vielen Möglichkeiten der Amerikaner will
ich erst gar nicht erwähnen u.s.w. ...
Und das alles wegen einer handvoll Verbrecher aus Deutschland,
Spanien und Argentinien. Sicherlich, der Auslöser werde ich sein,
aber die Verantwortung trägt die FL-Staatsanwaltschaft, LR U.
Oehri, zusammen mit den Verbrechern. Ein kleiner Teil des
Schutzes der LGT (Daten) und Liechtensteins ist auch mein
Schutz (sollte mir diese Schutz-ID verweigert werden, dann muss
ich keine Rücksicht nehmen und werde selber mit den Daten
samt den Originaldokumenten mich bei den Amerikanern
melden).
1. Sollte man mir während meiner Entgegennahme des Kuverts
mit der Schutz-ID oder bei einem späteren Treffen eine Falle
stellen, so müssen Sie wissen, dass ich jeweils für diese und
andere Zeiten die zweite externe Harddisk bei mir tragen werde.
Dann übergebe ich eine Harddisk sofort und führe die deutschen
Steuerbeamten zu den Originaldokumenten.
2. Oder sollte man mir bei diesen zwei Gelegenheiten (Schutz-IDAbholung) oder bei einem späteren Treffen eine Falle ‚privater
Natur‚ stellen, also Sie mich z.B. Privat schnappen wollen, so
teile ich Ihnen mit, dass ich mich sehr gut zu wehren weiss.
Sollte dies alles nichts bringen und mich nicht schützten, so nützt
es Ihnen auch nichts, denn ich habe es so eingerichtet, dass ich
ohne meine physische Präsenz Dritten den Zugriff wahlweise,
obwohl räumlich / geographisch getrennt, auf Alles (DLT-Tape,
Originaldokumente, Externe Harddisk und die DVD’s) oder auf
einzelne Datenträger gewähren kann. Ich aktiviere einen
vorbereiteten zeitlich programmierbaren E-Mail-Versand. In
189
einer ersten E-Mail (Text in Englisch und Deutsch) beschreibe ich
wer ich bin, was ich habe und meine Gründe warum es tue.
Die Liste der Empfänger sind:
askDOJ@usdoj.gov (for the US-Ambassador in Berlin MR Daniel
R. Coats or 2nd in charge MR Terry.R.Snell),
zentrale@bundesnachrichtendienst.de (für Dr. August Hauning),
info@bka.de, poststelle@bmf.bund.de (für Finanzminister Hans
Eichel), spiegel@spiegel.de (für Stefan Aust),
aizenmann@washpost.com (for Nurit Aizenmann, Washington
Post, US) redaktion@nzz.ch (für Hugo Bütler, CH),
editor@sundayherald.com (UK), business@ thetimesco.uk (UK),
synd.admin@ft.com (Financial Times UK),
money.editor@guardianunlimited.co.uk (The Observer,UK),
cmeier@gujba.com (Gruner+Jahr, D), wirtschaft@myfaz.net (FAZ,
D), info@bild.t-online.de (D), mm_redaktion@managermagazin.de (für Dr. Wolfgang Kaden, D), radaktion@profil.at (für
Dr. Robert Buchacher, OES.) patrikdaniel@sph.com.sg (The
Business Times, SIN), stworld@cyberway.com.sg (The Straits
Times, SIN), info@scmp.com (to the editor of the South China
Morning Post, HK) marcello.sorgi@lastampa.it, info@lemonde.fr
(to Boris Razon, Fr), Philippe.Reclus@ lefigaro.fr (Fr),
letters@iht.com (Intern. Harald Tribune).
Die Behörden in den USA und Deutschland sowie Der SPIEGEL =
die ersten 5 Adressen in obiger Liste - erhalten auch eine zweite
E-Mail, dessen Versand-Zeitpunkt auch programmierbar ist.
Darin teile ihnen zusätzlich mit, wie sie über die 4 Komponenten
direkt an die (lesbaren) Tapes und die Originaldokumente
kommen: die USA an die erste externe Harddisk und
Originaldokumente, die Deutschen Behörden an die zweite
externe Harddisk und der Spiegel an die 4 DVD’s.
Der Zeitpunkt des Abschickens beider E-Mails habe ich so
gewählt, dass ich bis zu „xy‚- Minuten nach dem kritischen
Zeitpunkt die Möglichkeit habe, die E-Mails zu stoppen. Zudem
habe ich noch eine Sicherheitsstufe (Schlüssel der verschlüsselten
zweiten E-Mail) eingebaut, um versehentliches Senden zu
190
unterbinden. Der verwendete Provider ist aus Taiwan und ist
daher (frei von fremdstaatlicher Kontrolle) völlig unabhängig.
Die Formel ist einfach: Werde ich während ich auf einen
Schlussbericht eines Sonderstaatsanwaltes und eines
Richtergremiums warte und das Resultat bei einem Treffen in
Deutschland vorgelegt bekomme, nicht in Ruhe gelassen,
dann werde ich zum Bluthund von Liechtenstein.
Wenn ich schon keine faire und rechtsstaatliche Gerechtigkeit
bekomme, dann sollen wenigstens all die verschiedenen Länder
(gemäss Liste unter Punkt IV.) ihre (Steuer-) Gerechtigkeit
bekommen!! Amen und Ende.
Es widerstrebt mir sehr, und die Vorstellung der Kettenreaktion
ist grausam; aber was habe ich zu verlieren? Habe ich nicht heute
schon alles verloren? Muss eine solche Katastrophe passieren, bis
man in Liechtenstein zum Minimum von Grundrechten kommt?
Offensichtlich JA.
X. WIE WEITER & Kontaktmöglichkeit
Ich bitte Sie und Ihren Erbprinzen die Angelegenheit nicht
einfach wieder den alten Behörden zu delegieren – das führt zu
nichts! Ich bin aber auch nicht in einer Position, Ihnen
mitzuteilen, an wenn Sie sich wenden sollen, aber mit Ihnen sind
es jetzt zwei Personen (Sie und ich) die von diesen Unterlagen
erfahren haben. Mein Anwalt ist nicht informiert. Auf der einen
Seite verstehe ich ganz klar, wenn Sie sofort den Henker rufen.
Das Bedeutet, Sie alleine haben es ab jetzt in der Hand, wer wie
viel von diesen Unterlagen, die Sie in den Händen halten
erfahren soll. Sie müssen es selber abwägen, wer involviert
werden soll. Jede zusätzliche Person ist eine Person mehr, die
meine Wandlung zum Rächer auslösen kann.
Ich habe eine sichere und einfache Kommunikationsmöglichkeit
übers Internet eingerichtet. Das nötige LOGIN Wort der E-MailAdresse ist ganz in Ihrer Nähe: Ich bitte Sie in die Schatzkammer
in Ihrem Rundturm im Schloss zu gehen. Dort wo all Ihre
191
kostbaren Bilder hängen. Im Blickwinkel eines ideellen
Selbstbildnisses (wo er sich als Musiker darstellt) des Maler
Gerard DOU ist im Innenrahmen des gegenüberliegenden
Metallgitters (an welche die verschiedenen anderen Bilder
aufgehängt sind) habe ich selber das LOGIN Wort angebracht.
(Falls das Selbstbildnis im Lager umgehängt worden ist; der
hängende, fahrbare Metallrahmen trägt die Nummer 49/51).
Sie werden es sofort erkennen: das Wort (mit 2 Zahlen) hat nichts
mit den Bildern oder dem Rahmen zu tun. Somit haben Sie das
LOG-IN Wort. Das dazugehörende PASSWORT ist jenes Wort,
das Ihnen persönlich, Durchlaucht Fürst Hans-Adam, als erstes
einfällt, wenn Sie dann das LOG-IN Wort in der Schatzkammer
lesen.
Ich habe dies alles so gemacht, da ich sicher gehen will, dass Sie
wirklich mich versuchen zu verstehen. Später werde ich Ihnen
sofort mitteilen, beim welchem Provider (Homepage) die E-MailAdresse eingerichtet ist. Dann haben Sie das LOGIN Wort, das
PASSWORT und den PROVIDER (alles in Kleinbuchstaben
eingeben). Auf der Homepage des Providers finden Sie auf der 1.
Linie das Kästchen ‚E-Mail‚; dort 1x klicken. Bei der nächsten
Seite das LOGIN Wort und das PASSWORT eingeben. Im E-MailAccount auf der linken Seite bitte auf *Draft* (rot) 1x klicken. Im
Draft ist eine Mail mit Header „Documents‚ gespeichert; darauf
klicken und Sie finden meine Meldung.
Ein Treffen kann nur in Deutschland stattfinden; entweder mit
Dr. Pius Schlachter oder, wenn Sie es wünschen, mit dem
Erbprinzen Alois. Es tut mir ausserordentlich Leid, dass Sie mit
hinein gezogen werde. Ich hatte keine andere Wahl.
Sehr geehrter Fürst und Erbprinz, ich weiss, unberechtigterweise
verlange ich von Ihnen die Schutz-ID. Aber es ist zum Schutz
IHRER Daten. Auch dass ich Sie zu einer Kommunikation bitte,
die Ihnen nicht würdig ist; aber auf Grund der speziellen
Umstände gibt es keine andere Lösung. Ich will nicht zum
Mörder werden. Liechtenstein hat eine letzte Möglichkeit, die
Inkompetenz und Selbstherrlichkeit gewisser Staatsanwälte und
Richter ein und für allemal zu korrigieren. Im Grunde bin ich mir
aber auch bewusst, dass Sie und Ihre Berater, im Gegenteil,
192
höchstwahrscheinlich alles daran setzten werden, mich zu
vernichten. Mit meiner Abreise aus Liechtenstein gibt es für mich
keinen Weg zurück. Sie selber können erkennen, dass ich durch
meinen jetzigen Aufenthalt in Deutschland alles riskiere: die
LGT, Liechtenstein, mich selber. Ich verstecke mich nicht einfach
irgendwo und warte gemütlich bis was geschieht – NEIN!
Da der Staat mit seiner Staatsanwaltschaft nicht Handeln wollte,
habe ich selber den Startknopf für das ‚letzte Kapitel‚ gedrückt.
Entschuldigen Sie meine Fehler und vergeben Sie mir, dass ich
solche Methoden anwende. Hochachtungsvoll H.K.
Anm.: Mir war klar, dass es psychologisch hoch riskant war, ausgerechnet in
Hans-Adams persönlicher Schatzkammer den Hinweis für das Passwort für die
vorher eingerichtete Internetkommunikation zu hinterlassen. Dieser Rundturm
(vom Dorf unten aus gesehen, der dicke, runde linke Teil der Schlossmauer)
wurde in den 90er Jahren mit Tonnen von Beton ausgegossen und beinhaltet
mehrere Stockwerke, in der seine monströse Kunstsammlung fachgerecht und
absolut sicher verwahrt wird. Ich wählte dieses eher abnorme Art einen Hinweis
anzubringen aus, weil dies der einzige für mich logische Weg war, wo ich mit
absoluter Sicherheit vorauserahnen konnte, der Hans-Adam selber nachsehen
würde. Dies alleine schon deshalb, weil es für ihn einen Schreckschuss sein
würde, dass „ ein Fremder“ ausgerechnet in jenem Bunker, wo seine kostbarsten
Bilder hängen, etwas gemacht hatte.
Auch der ausgewählte Platz, wo ich den Kleber anbrachte, nämlich im eigenen
Blickwinkel des Selbstbildnisse des Malers Gerard DOU, hatte für die ganze
Sache eine ausdrückliche Bedeutung. Aber eben, in der Hektik des Dramas ist
meine Metamorphose Zweideutung dem Hans-Adam und all jenen, die mit ihm
später im Raum vor dem Bild standen, nicht aufgefallen. Dieser Hinweis in der
„Schatztruhe“ Hans-Adams soll nach meiner Rückkehr noch zu wilden
Diskussionen führen. Der Brief an Hans-Adam ist hier zu Ende.
So, das war also DER BRIEF, der eine ungesunde Kettenreaktion und
äusserst stürmische Zeiten für Hans-Adam, Liechtenstein und mich 2003
bringen sollte. Natürlich schäme ich mich (auch als Liechtensteiner)
heute noch, ein DLT-Tape geklaut zu haben auch wenn es nur eine
„Kopie‚ der Kundendaten darstellt. Auch schäme ich mich obigen Brief
an Hans-Adam geschrieben zu haben.
193
Was ich aber im berühmten Brief an Hans-Adam vom 07. Januar 2003
nicht geschrieben hatte und auch später im 2003 weder ihm, der LGT
noch "dem Professor" und ‚den Bankdirektor‚ (Dr. Thomas Müller & Dr.
Pius Schlachter - mehr über die Beiden in den folgenden Kapiteln),
verraten hatte, war der Zeitpunkt, jener genaue Tag wann ich mir das
Back-Up-Tape angeeignet hatte. Der Hauptgrund dafür, es nicht
mitzuteilen, war – damals wie heute - rein strategischer Natur. Wüssten
sie das genaue Datum, dann könnten sie exakt feststellen, welche
Daten/Dokumente nicht auf dem Band sind. Exklusive kann ich erstmal
in dieser "Tragödie ohne Ende" hier, im Buch aufklären, dass ich das
Back-Up-Tape zeitlich NACH meiner Kündigung (vom 29. August 2002)
entwendet hatte. Wobei ich aber zugeben muss, dass ich die reine
Möglichkeit ein Tages-Back-Up-Tape zu entwenden, schon einige Zeit
vor diesem Datum entdeckt hatte. Ich konnte auch feststellen, dass es
eine ständige wiederkehrende Chance war. Wie ich vermutete hatte,
wurde der Diebstahl von der LGT Treuhand nicht bemerkt.
Ich möchte hier und heute die Gelegenheit auch nutzten und folgendes
klarstellen: Alle im Brief an Hans-Adam genannten Zahlen, sei es
bezüglich der Briefkastenfirmen (Stiftungen, Anstalten, etc.), der
Aufteilung der Begünstigten (Erst- oder Zweitbegünstigte), in Bezug auf
verwaltete Geldsummen und so weiter, egal ob als Totalzahl oder pro
erwähntem Land, sind die faktischen, richtigen Zahlen! Ich erwähne dies
deshalb, da man seit Februar 2008 nun unzählige Varianten dieser
Zahlen in den Medien nachlesen kann. Die ausländischen staatlichen
Behörden wollen u.a. aus taktischen Gründen die genaue Zahl nicht
bekannt geben. Das Hans-Adam und seine LGT natürlich vehement
versuchen vor allem die Zahl betroffener Kunden (insbesondere der
Deutschen) „kleinzureden‚, liegt in der Natur ihres versuchten,
kläglichen „Desaster Management‚.
Oh, wie passte es Liechtenstein schön ins Bild. Was konnten sie nicht
alles den Medien seit Februar 2008 „erzählen‚? Der hochintelligente,
böse und kriminelle Kieber hat die Daten gestohlen, sei mal aus
Liechtenstein „abgehauen‚, mal „untergetaucht‚, mal „aufgetaucht‚,
mal „quergetaucht‚, hätte angeblich mal die LGT Bank, mal die LGT
Treuhand, mal den Gärtner, mal den Teufel, mal den Hans-Adam
erpresst und hätte von Hans-Adam zwei Pässe für die „Flucht‚ verlangt,
194
hat ihm lange Briefe geschrieben, u.s.w.. Der wahre Inhalt dieses Briefes
und die ganze Vorgeschichte dazu wurden auf Befehl von Hans-Adam
im Februar 2008 von Seiten Liechtensteins bewusst vollständig
unterdrückt. Selbst der leitende Staatsanwalt Dr. Robert Wallner durfte
nur genau die Worte wiedergeben, die zuvor unter allen betroffenen in
nächtlichen Krisensitzungen in Vaduz abgestimmt wurden.
Einige Journalisten, die der Sache etwas tiefer nachgingen, erschien die
ganze Geschichte unlogisch: Wäre der Kieber kriminell wie die hohen
Finanz-Herren aus Liechtenstein behaupteten, dann hätte er doch den
Hans-Adam, die Regierung oder zumindest die LGT um massenhafte
Millionen erpresst. Und er wäre samt der Pässe für die angebliche
„Flucht‚ untergetaucht. Das Datenmaterial in seinen Händen war ja im
Januar 2003 viel aktueller und brisanter, als es sich dann über fünf (!)
Jahre später, im Februar 2008, explosiv uns allen offenbarte.
In der Tat habe ich nie weder Hans-Adam, die Regierung noch die LGT
erpresst. Ich habe nie Geld oder andere Vorteile (Fluchthilfe etc.)
erpresst, verlangt oder erhalten. Dass diese meine Aussage 100% der
Wahrheit entspricht, wird auch klar von denen in Vaduz bestaetigt:
nie wurde solches behauptet. Was nicht heisst, dass sie es evt. eines
Tages behaupten werden, je nach dem wie es ihnen in ihrem Krieg gegen
mich passt.
Meine Leser können nun die Fortsetzung der wahren Geschichte weiter
schwarz auf weiss lesen. Meine Beweggründe (die Daten zu entwenden,
den Brief an Hans-Adam zu schreiben und dann nach Deutschland zu
reisen) waren genau so, wie ich sie in den bisherigen Kapiteln im Buch
Wort für Wort niedergeschrieben habe. Ich habe weder von Hans-Adam
noch von anderen je Geld, „Fluchthilfe‚ oder ähnliches verlangt.
Definitiv habe ich verschiedene Gesetze mit meinem Handeln
gebrochen. Ich will mein Verhalten nicht schönreden. Die Reaktion auf
meinen Brief von Hans-Adam und der von ihm befehligten Regierung
und der von ihm indirekt kontrollierten Justiz und Polizei kann ich Euch
Lesern in den nun folgenden Kapiteln in messerscharfem Detail
berichten.
195
KAPITEL 8 Wenn Herr Kieber eine Reise tut.
In diesem Kapitel bis und mit Kapitel 16 schildere ich unter den drei
abwechselnden Zwischentiteln BERLIN / VADUZ / AMSTERDAM die
turbulenten, oft gefahrvollen und sehr stressigen Zeiten während meiner
Reise quer durch Deutschland, Holland und zurück ins Rheintal.
Unter BERLIN und AMSTERDAM könnt ihr nachlesen was meine
eigenen Aktivitäten waren und was ich während den vielen heimlichen
und komplizierten Treffen mit den zwei Gesandten von Hans-Adam
erlebt hatte. Auch Angaben zu all dem was ich im Ausland (also
Deutschland & Holland) über die zeitgleichen Aktivitäten deren in Vaduz
in Erfahrung bringen konnte (entweder durch den Professor/den
Bankdirektor oder durch meine eigenen Nachforschungen).
Unter VADUZ ist umschreiben was weit weg in Vaduz Hans-Adam und
sein Liechtenstein an legalen und insbesondere illegalen Anstrengungen
an den Tag gelegt hatten, beim Versuch die sich anbahnende
Katastrophe abzuwenden. Diese Details hatte ich nach meiner Heimkehr
nach Liechtenstein direkt oder auf Umwegen erfahren können. Aus
verschiedenen Quellen: Z.B. von Hans-Adam selber, als er mir eine
Privataudienz auf Schloss Vaduz gewährte und wir intensive über die
Affäre diskutiert hatten. Und wiederum vom Bankdirektor Dr.
Schlachter oder dem Professor Dr. Thomas Müller. Oder aus
Gerichtsakten und auch aus mir anonym zugespielten* internen, geheim
geführten Aktenvermerke der von den Hohen-Finanz-Herren im Januar
2003 eingerichteten „Kriegs-Kommando-Zentrale‚, die KKZ.
* = es gab immer wieder mutige, kleine Beamte oder Leute in
verschiedenen Stellen bei der Landesverwaltung oder Justiz, die über die
Jahre hinweg meinen Kampf mit ansehen mussten und die anhaltende
Ungerechtigkeit nicht auch mit unterstützen wollten. Daher hatte ich das
Glück, tröpfchenweise ab und zu einen richtigen Tipp und Originale
oder Kopien von Dokumenten zu bekommen.
Alle Episoden sind für den besten Überblick chronologisch
niedergeschrieben. Dort wo es mir für meine LeserInnen hilfreich
erscheint, habe ich bei wiederum erklärende Anmerkungen angebracht,
diese sind kursive geschrieben und fangen wie immer mit „Anm.:“ an.
196
Um auf idealer Weise nebst der geographischen auch die innerliche
Distanz und fundamentale Diskrepanz zwischen mir und denen in
Vaduz hervorzuheben, habe ich alles unter dem
Titel BERLIN und Amsterdam wie bisher in der Ersten Person und alles
unter dem
Titel VADUZ in der Dritten Person geschrieben (mit Ausnahme von
etwaigen Anmerkungen).
Man kann sich gar nicht vorstellen wie hochgradig und hektisch die
Aktivitäten von Hans-Adam und seiner Truppe in Vaduz und meine
eigenen, erst in Deutschland dann in Holland waren. Was es so
aufklärend spannend macht, ist die einmalige Situation, wo ich euch vor
allem diese Episoden nicht nur im Rückblick sondern auch mit äusserst
vielen Detailangaben schildern kann.
Rückblickend war es nicht nur für mich sehr interessant und allgemein
aufschlussreich zu erkennen, wie der offenbar deutliche automatische
Trieb von den Hohen-Finanz-Herren aus Liechtenstein in Aktion
getreten war, sobald sie merkten, dass ihre geheiligten Kühe wirklich in
Gefahr gekommen waren. Und sie dann, um die für sie so wichtigen
Geldgeschäfte zu schützen, Handlungen vorgenommen hatten, die nicht
nur viele Gesetzte aus Liechtenstein schwer verletzten, sondern auch
zahlreiche Deutsche, Holländische & Internationale Gesetzte und
Vereinbarungen.
Viel Spass beim Lesen !
BERLIN
7. Januar 2003
Ankunft im Hauptbahnhof Berlin. Es war kalt und die Menschen dort
waren nicht gerade Gesprächsfreudig. Ich war schon einmal hier – 1987.
Diese Mal hatte ich aber keine grossen Erinnerungen an die Stadt.
Nunmehr war es das Berlin im Jahr 13 nach der Wiedervereinigung. Ich
nahm mir ein Taxi zu meiner neuen Unterkunft in Berlin Mitte. Das
kleine möblierte Zimmer in Berlin hatte ich schon im Dezember 2002 via
dem Internet gefunden. Meine Vermieterin war die Daniela. Ich nannte
mich nicht mehr Heinrich. Dieser Name war ab jetzt tabu. Na ja, meine
197
diversen Ausweise (Pass, ID-Karte und Führerschein) - alles was
natürlich auf Heinrich Kieber lautete – hatte ich für die Reise von
Feldkirch nach Berlin umsichtig tief in meinen Taschen vergraben.
Am späteren Nachmittag war ich also dann bei Daniela mit Sack und
Pack eingezogen. Sie wohnte in einer klassischen Altbauwohnung an der
Ansbacherstrasse (um die Hausnummer 60/62/64 rum), Ecke
Geisbergstrasse, im 2. oder 3. Stock. In einem alten, aber gut erhaltenem
typischem Berliner Mehrfamilienhaus mit kleinen Balkonen nach vorne,
sowie noch kleineren nach hinten raus und einem grünen, etwas
verwildertem Innenhof. Vom Wittenbergplatz, in der Nähe des
berühmten KaDeWe Kaufhaus, her kommend war das Haus auf der
rechten Strassenseite.
Daniela war eine etwas verrückte Henne, wie sich rasch herausstellte. Ich
hatte ja schon einmal davon gehört, wie sich Langzeitarbeitslose in
Deutschland den Lebensinhalt speziell danach ausgerichtet hatten. Sie
war schon fast 10 Jahre in dieser Endlosschleife. Sie war eine derjenigen
Glücklichen in Berlin, die eine relative günstige Mietwohnung ihr
"eigen" nennen konnte. Jeweils in den Wintermonaten, wenn es bitter
kalt in Berlin wird und die Kosten wegen der Heizung steigen,
vermietete sie das zweite, kleinere Schlafzimmer.
In all den Jahren „auf Arbeitssuche‚ hatte sie sich aus Kostengründen
eine extreme Art von Knauserigkeit angeeignet. So zählte sie wahrhaftig
die Cornflakes fürs Frühstück ab. Oder sie wog den offenen Tee aufs
Gramm genau ab. Mein Zimmer war sehr sauber und kostete mich 300
Euro pro Monat. Was ich auch gleich am 1. Tag, wie abgemacht, bar
bezahlt hatte. Wir hatten ja zuvor nur 2, 3 Mal per Email und mittels
eines einzigen Telefonanruf Kontakt. Sie stellte viele Fragen über die
Schweiz, woher ich komme, was ich tue, warum Berlin, warum im
Winter? Berlin, das schöne Berlin. Nun gut, es hiess, es sei sehr schön
dort im Sommer. Im Winter, vor allem in diesem Winter war Berlin
grausig anzusehen. Nervös über alles was jetzt passieren würde, schlief
ich in meiner ersten Nacht in Berlin in einem grossen Bett mit fein
duftender Wäsche ein. Es war eine bedeutende Nacht: meine erste Nacht
seit 5 Jahren und 261 Tagen ausserhalb Liechtensteins.
198
VADUZ
7. Januar 2003
Kiebers dicker Brief war auf Schloss Vaduz am Nachmittag
angekommen. Eine der zwei Sekretärinnen von Hans-Adam öffnete den
Brief und konnte sich keinen Reim daraus machen. Hans-Adam,
zusammen mit seinem Erstgeborenen, Alois war nicht nur sehr stark mit
dem Endkampf der im März 2003 bevorstehenden Volksabstimmung um
die neue Verfassung beschäftigt, sondern auch mit den Vorbereitungen
für die in den nächsten Tagen alljährlichen stattfindenden Empfang des
ausländischen Diplomatischen Korps auf Schloss Vaduz. Da der Brief
ausgiebige Schriftstücke enthielt, waren dies für Hans-Adam und seinen
Sohn mehr verwirrend als aufklärend. Sie beiden kannten Kieber ja
persönlich und wussten daher wer der Absender war. Dass er ihnen
einen wilden Brandbrief schreiben würde, erschien als total undenkbar.
Die ganze Nacht hindurch wurde über dem Brief gebrütet und sie
versuchten sich einzureden, dass dies alles entweder ein Dummer
Streich oder ein Irrtum von Kieber sein musste.
VADUZ
8. Januar 2003
Wie von Kieber beauftragt, fuhr das Taxiunternehmen Gabor mit dem
rissen Paket um 11:35 beim Schlosstor vor. Der Diener nahm das Paket
an und übergab es Hans-Adam: obwohl dieser lesen konnte, dass das 3D-Modell für das Gericht hergestellt worden war, riss er die angeklebte
Schuhschachtel voll mit Gerichtspapieren weg und lies das 3-D-Modell
ohne Hemmungen im Schlossabfall-Container entsorgen. Für die
nächsten 24 Stunden wurde das Kuriosum „Heinrich Kieber‚ wiederum
unter den ranghöchsten Mitgliedern des Hauses Liechtenstein im Schloss
diskutiert. Da im Brief erwähnt war, dass nun nur zwei Personen, HansAdam und Kieber von der Sache wussten, entschied sich der Schlossherr
vorerst niemanden ausserhalb der Familie zu informieren.
VADUZ
9. Januar 2003
Mangels steigender Unklarheit was Kieber mit all dem meinte und da
Hans-Adam als Staatsoberhaupt ja immer auf seine eigene Polizei
zurückgreifen konnte, entschloss er sich doch die Landespolizei zu
199
rufen. Um 11:30 rief Frau Schädler vom Schloss dort an. Bevor aber die
von Kieber dem Hans-Adam zugesandten Schriftstücke der Polizei
übergeben wurden, veranlasste der Schlossherr die Unterlagen zu
zensieren: Alle jene Seiten, die im Detail über die schmutzigen Geschäfte
und Leichen (u.a. Punkte V. + VI.) der LGT Treuhand berichteten,
wurden bei ihm streng unter Verschluss zurückbehalten. Der Rest des
Originalbriefes samt Beilagen (ohne das Kerkermodell, dass im
Abfallcontainer des Schloss auf das Ende in der ca. 1000 Grad heissen
Flamme des Müllverbrennungsanlage im schweizerischen Buchs/SG
über dem Rhein wartete) wurden dann von der Polizei abgeholt und ein
Register angelegt. Auf Befehl von Hans-Adams wurden danach von
ausgewählten Einzelstücken Kopien angefertigt. Davon überbrachte die
Polizei persönlich jeweils ein Set Kopien auf Papier der STA, dem
Gericht und dem Schloss (damit Hans-Adam den Überblick behielt, wer
welche Dokumente erhalten hatte), sowie auf seinen ausdrücklichen
Wunsch hin eine auf CD gebrannte Kopie dem Generaldirektor der LGT
Gruppe, Hr. Piske.
Bei einem Treffen um 18 Uhr im Schloss zwischen Hans-Adam, seinem
Bruder Philipp (CEO der LGT Gruppe), seinem Erstgeborenem Alois, die
Herren Piske und Dr. Schlachter von der LGT Bank und dem Chef der
Treuhand Nicola Feuerstein (der Exboss von Kieber), zeigte der
Hausherr allen anwesenden die vollen Unterlagen von Kieber. Alle vier
Herren bestätigten ihm, dass es sich bei den von Kieber beschriebenen
Vorgängen und exakt aufgelisteten Mandatsdetails tatsächlich um LGT
Treuhand- oder -Bankgeschäfte handelt.
Feuerstein versuchte die anwesenden damit zu beruhigen, indem er
behauptete, dass niemand die Daten der Treuhand mitnehmen kann und
Kieber ja keinen Beweis (z.B. als Beilage im Brief) dafür geliefert hat,
dass er also die eigentlichen Daten wirklich hatte. Worauf hin HansAdam heftig unterbrach und fragte, wie den Kieber an solch massive
Detailkenntnis gelangen könnte, ohne die Daten zu haben. Feuerstein
erwiderte, dass Kieber lange genug bei der Treuhand gearbeitet hatte,
nicht dumm sei und bekanntlich ein Elefantengedächtnis besitze.
Es war nicht nur die Ungewissheit darüber, ob nun Kieber die Daten
hatte oder nicht hatte und wenn überhaupt, in welchem Umfang. Schon
alleine die Vorstellung, dass Kieber – mit seinen offenbar tiefen
Kenntnissen aller Daten und Leichen im Keller – angeblich in
Deutschland herum irre, führte zur allmählich Dämmerung bei den
Herren, dass sich grosses Unheil über sie zusammenbraute.
200
Wegen der akuten Brisanz der Lage wurde am selben Abend, um 20:30
die Regierung in einer Sondersitzung im Regierungsgebäude informiert.
Diese Sitzung verlief sehr chaotisch. Angeblich soll sich die STA Alma
Willi sehr betroffen gezeigt haben. Sie machte sich angeblich Sorgen um
Kieber. Anm.: Was immer das heissen mag.
Es wurde dort sofort eine Kriegskommandozentrale, kurz die „KKZ‚
installiert und mit allen nur erdenklichen Mitteln und Vollmachten von
Seiten Hans-Adam ausgestattet.
Im KKZ hatten federführend Hans-Adam und Erbprinz Alois das
Oberkommando. Regierungschef Herr Otmar Hasler, die Aussen- und
Justizministerin Frau Rita Kieber-Beck (Anm.: Nicht mit mir verwandt), der
Kripochef Herr Jules Hoch, die Truppe der STA (Dr. Robert Wallner,
Haun und Willi) sowie die Führung der LGT Bank und der LGT
Treuhand, sowie später dann „der Professor‚ (Dr. Thomas Müller aus
Wien) waren der weitere Personenkreis im KKZ. Als allererste
Vorsichtsmassnahme hatte Hans-Adam beschlossen, die öffentliche
Dienstpflicht der mit staatlichen Aufgaben betreuten Teilnehmer
(Regierungschef, Justiz- und Aussenministerin, STA und Polizei) zu
beschneiden. Unter dem Vorwand der Sicherheit für seine LGT Gruppe,
für ihn als Staatsoberhaupt und für das ganze Land, hatte er ihnen
untersagt, jegliche unter dem Schirm der KKZ möglicherweise
gewonnene Erkenntnis über die Geschäfte seiner LGT Gruppe im Sinne
der rechtsstaatlichen Aufgaben zu verwenden. Gegen eine solche
einschneidende, im Prinzip rechtswidrige und beispiellose Massnahme
hatten die Betroffenen nichts einzuwenden, da allein Kiebers
Andeutung, Kundendaten aus Liechtenstein mit ins Ausland genommen
zu haben, einer Kriegserklärung gegenüber dem "ganzen" Land
Liechtenstein gleich kam.
VADUZ 10. Januar 2003
Die KKS, unter dem Vorsitz von Hans-Adam, in Anwesenheit vom
Erbprinz Alois, dem Regierungschef Hasler und weiteren Teilnehmern
(Anm.: Namen mir nicht bekannt, ich vermute aber Piske, Schlachter und
Feuerstein) hatte entschlossen, einen TOP Psychologen hinzuzuziehen –
Den besten Psychologen Europas . Dieser sollte sich einen Reim aus der
Schriftenflut von Kieber machen und hauptsächlich die KKZ beraten,
201
wie am Besten an Kieber und vor allem an die Daten gekommen werden
kann.
Dieser „Professor‚ wurde sofort im Ausland kontaktiert und man hatte
Glück, er konnte den Auftrag annehmen. Er versprach, am nächsten Tag
nach Vaduz zu reisen. Er schlug Hans-Adams Angebot dankend aus,
sich per Privatflugzeug nach Altenrhein in die Schweiz fliegen zu lassen
und dort von einem Fahrer der Regierung am Flughafen abgeholt und
sofort auf Schloss Vaduz chauffiert zu werden. Er wollte lieber mit dem
eigenen Auto anreisen.
Die KKZ hatte keine Zeit und Lust auf die im Gesetzt vorgeschriebenen
Richterbeschlüsse zu warten und es wurde von oberster Stelle befohlen,
die Mobiltelefonanschlüsse von Kieber und seiner Stiefmutter sofort
abhören zu lassen, das Postfach in Mauren, wo seine Post seit Anfang
Januar ’03 umgeleitet wurde, zu leeren und dann zu überwachen. Es
wurde auch eine zeitlich unbefristete Rund-um-die-Uhr
Objektüberwachung seines Elternhauses im Mauren ab 16 Uhr
angeordnet. Es wurde vermutet, Kieber würde sich dort im Haus
versteckten. Man glaubte ihm nicht, dass er wirklich nach Deutschland
abgereist war.
Anm.: Alle drei Massnahmen brachten nichts, da ich mein Mobiltelefon nach
meinem letzten Anruf (am 7.1.03 um 10:06 an meine Hausärztin) abgeschaltet
hatte und die SIM-Karte vernichtet hatte, zudem nicht in Mauren, sondern in
Berlin war und meine Stiefmutter für mehrere Wochen nach Asien abgereist
war.
Des Weiteren hatten die Handlanger von Hans-Adams in Erfahrung
bringen können, dass Kieber eine Art Freundin hatte. In deren
paranoiden Besessenheit herauszufinden, wo er sich versteckt hielt,
ordnete Hans-Adam an, die besagte Dame überwachen zu lassen. Da
gab es aber ein grosses Problem. Eine juristische Hürde sozusagen, da sie
in Zürich wohnte und auch noch Schweizerin war. Dies war dem HansAdam egal! Es wurden zwei Liechtensteiner Polizeibeamten, plus eine
weitere, dritte Person ruckzuck mit einem unmarkierten Liechtensteiner
Polizeiwagen (VW Bora) ins 110 Km entfernte Zürich geschickt und die
Strasse/Wohnung wo die besagte Dame wohnte, bis Montag Mittag, den
13.1.03 - im Grunde illegal – überwacht. Illegal daher, da eine solche
verdeckte Polizeioperation der Liechtensteiner in Zürich sicher nicht
durch den Polizeikooperationsvertrag vom 9. Juli 2001 zwischen der
202
Schweiz und Liechtenstein gedeckt war. Die Schweiz mag es auch gar
nicht gerne, wenn ausländische Polizei ihre Bürger in der Schweiz
überwacht.
Anm.: Herkunft und Funktion der „dritten Person“ wurde mir nie ganz
verraten. Aber es hat mit der Tatsache zu tun, dass, falls ich dort anzutreffen
gewesen wäre, die zwei Vaduzer Polizisten aus juristischen Gründen NICHT
hätten auf mich zugehen können, daher eine dritte, „neutrale“ Person
vermutlich versucht hätte mich bis zum Eintreffen der vermutlich
herbeizurufenden Schweizer Polizei irgendwie „festzuhalten".
Zwischen 16 und 18 Uhr wurde unter Mithilfe des Leiters der ITAbteilung ein Inspektion des alten Arbeitsplatz von Kieber bei der LTV
durchgeführt. Fazit und Kommentare der IT-Spezialisten: Kein Material
von Kieber gefunden. Kieber hatte lediglich im DOCUWARE (e-Doc)
Projekt gearbeitet. Er hatte aber Zugang zu allen Daten, elektronisch wie
auf Papier. Kieber hätte kein Fachwissen.
Anm.: Wie man sich später täuschen würde.
VADUZ 11. Januar 2003
Der Professor Dr. Thomas Müller erreichte Vaduz schon in aller Frühe.
Nachdem er von Hans-Adam auf Schloss Vaduz empfangen wurde und
mehr oder weniger aufgeklärt wurde, war ein Termin mit dem
Regierungschef Hasler unten im Regierungsgebäude der nächste Stopp.
Der Professor erkannte sofort, dass Hans-Adam als auch die Regierung
äusserst angespannt waren und nicht aufhören wollten, zu jammern; als
würde die Welt untergehen können. Ihm wurde insbesondere
eingehämmert, nichts und niemanden je etwas zu sagen. Die Sache wäre
höchst delikat, da man unter den normalen Kunden auch sehr viele
exponierte habe. Wer diese waren, wurde dem Professor natürlich nicht
gesagt: das liebe Bankengeheimnis. Er verstand und versprach sein Beste
zu tun. Dann wurde er buchstäblich in eine Art Abstellkammer gesetzt,
wo er alle Unterlagen über und von Kieber (zensierter Brief, alle
Beilagen, den 101er & 140er Akt) praktisch ohne Unterbruch für die
nächsten 48 Stunden studierte.
Hans-Adam und sein Erstgeborener fühlten sich nun etwas entlastet, da
sie überzeugt waren, die Besten der Besten zum Lösung des Problems
verpflichten konnten. Unten im Dorf war aber das Gefühl einer
203
Erleichterung bei der Regierung noch nicht angekommen. Hans-Adam
hatte hauptsächlich Angst um seine sprudelnde Geldquelle, seinem
goldenen Esel, die LGT Gruppe. Die Regierung dagegen war in Panik,
weil sie wussten, dass es mit dem „guten Ruf‚ Liechtensteins vorbei sei
werde, da Kieber den Deutschen aufzeigen und beweisen könnte, wie
man in Liechtenstein wirklich die heissen Finanzgeschäfte abwickelte.
Zwischen 18:15 und 20:30 wurde wiederum eine KKZ Sitzung bezüglich
der Daten einberufen. Anwesend war Herr Feuerstein und der Leiter der
IT-Abteilung der LGT Treuhand. Fazit, Kommentare & Vermutungen
am Ende der Sitzung: Es fehle der Datumskleber auf dem fotografierten
DTL-Band (Tape). Kieber habe wohl leeres Band mitgenommen. Kieber
habe gar keinen DVD-Brenner. Das Herauslassen der privaten Stiftungen
der Mitglieder der Familie von Hans-Adam auf den Extra-DatenSpeicher sei gar nicht möglich.
Anm.: Der IT-Abteilung war es äusserst peinlich, dass offenbar ein Tages-BackUp-Tape (das Datensicherungsband) ihnen irgendwann im 2002 „abhanden“
gekommen war und sie all die Monate nichts davon gemerkt hatten. HansAdam und die Regierung mussten sich auf die Aussagen seitens der ITAbteilung irgendwie verlassen können. Ich hatte ja KEINEN Beweis, wie zum
Beispiel eine Kopie der Daten, im Brief an Hans-Adam beigelegt, da ich der
Überzeugung war, dass dies nicht notwendig wäre. Meine Angaben im Brief
waren ja deutlich genug. Die IT-Abteilung, blind davon „Kalt erwischt“
worden zu sein, driftete eher zur Meinung, dass ich die Daten nicht hätte. Sie
versuchten fälschlicherweise mein Computerwissen klein zu reden und auch
sonst unlogische Kommentare abzugeben: wie die mit dem DVD-Brenner. Sie
konnten doch gar nicht wissen, ob ich einen habe oder nicht. Zudem war es in
der Tat kein Problem einzelne Mandate für eine Kopie des DLT-Tapes
wegzulassen. All dieses Verhalten seitens der IT-Abteilung (was ich menschlich
nachvollziehen kann) würde aber folgenschwere Konsequenzen für alle an
diesem nun sich entfaltenden Drama haben: Das Vertrauen von Hans-Adam
und der Regierung in die IT-Abteilung der LGT Treuhand wurde in der Folge
sehr stark strapaziert. Hans-Adam und seine Regierung mussten sich ja auf die
den Aussagen der IT-Leute zu 100 % verlassen können.
BERLIN 8. - 12. Januar 2003
Die Kälte und Berlin. Brrrrrr. Berlin, Berlin ! Ich weiss jetzt nicht mehr ob
der Spruch des regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit „Berlin ist
204
pleite, aber sexy‚ schon damals galt. Dass die Deutsche Hauptstadt
pleite war, konnte ich an allen Ecken sehen. Überall musste gespart
werden. Die Stadtbusse sehen aus, als wären sie gerade von Hindukusch
her angereist, so dreckig waren sie. Um gegen den Stress anzukämpfen
wollte ich einmal schwimmen gehen; von der Handvoll öffentlicher
Hallenschwimmbäder waren mehr als die Hälfte aus Kostengründen
oder mangels Unterhalt geschlossen, der Rest hatte irreale
Öffnungszeiten von 1-2 Stunden am Morgen und evt. 2 Stunden am
Nachmittag. Und der Hundekot! Meine lieben Berliner, ich kenne keine
Stadt der Welt, die – zumindest im Winter – soviel Hundekot auf den
Bürgersteigen liegen hat wie Berlin. Da sind die Schweizer
Hundebesitzer erstklassig.
Die Berliner Leute selber, die sind wirklich nett. Der Berliner
Menschenschlag ist sehr erfrischend. Ich habe mich im kleinen Zimmer
eingerichtet und versuchte so wenig wie möglich mit der Daniela zu
kommunizieren. Dies muss ihr wohl etwas suspekt vorgekommen sein.
Als hätte ich nicht schon genug Action im Leben konnte sie mich
überreden, mit ihr im nahen Park des Zoologischen Gartens spazieren zu
gehen. Sie würde mir gerne die Sehenswürdigkeiten Berlins zeigen,
sagte sie mir.
Warm verpackt waren wir um die die Mittagszeit aufgebrochen. Daniela
fragte mich „dicke‚ aus und naturgemäss konnte ich ihr nichts von
meinem wirklichen Leben erzählen. Was immer ich ihr erzählt hatte, sie
glaubte mir. So hatte ich jedenfalls gedacht. Sie hatte ursprünglich keine
Skepsis mehr. Aber plötzlich, und da wurde ich hellhörig, erklärte sie
mir, dass sie halt ein paar eher private Fragen stellen müsse. Sie hätte vor
2 Jahren einen Libanesen als Untermieter wie ich gehabt und sie schöpfte
den Verdacht, dass er ihr über sein Leben eine Lügengeschichte
auftische. Sie war sich sicher, dass er etwas mit Terrorismus zu tun hatte.
Ich hörte ihr geduldig zu und hackte nach: Ja, und was dann? Sie
schilderte mir, dass sie mit dem Berliner Verfassungsschutz in Kontakt
getreten war und diese ihr zuerst nicht glaubten. Konnte ich
nachvollziehen: etwas paranoid erschien sie mir ja auch.
Auf jeden Fall hatte sie die Beamten solange bearbeitet, bis zwei davon
zu ihr nach Hause kamen und den Libanesen besuchten, wobei sie sich
als Mitarbeiter der Ausländerbehörde ausgegeben hatten. Der Libanese
war kein Terrorist. Gut für ihn, dachte ich. Mist für mich! Was würde
sein wenn die Daniela irgendwas über mich zusammen spinnt und das
letzte was mir jetzt noch fehlen würde, war ein Besuch vom
205
Verfassungsschutz! Je länger wir da in der Kälte spazierten, umso heisser
wurde es mir; sodass ich sogar schwitze.
Wie bei meinen Erkundungsausflügen kreuz und quer durch Berlin in
den letzten Tagen, hatte ich auch jetzt meine elektronischen
Datenspeicher auf mir, in den Taschen. Die kiloweise Papierdaten waren
aber im blauen Handkoffer im Schrank im Zimmer verschlossen. All die
Daten bei ihr zu Hause. Scheisse und Merde zusammen. Als wir dann
nach Hause zurückgekommen waren, bat sie mich mit ihr ein Stockwerk
tiefer zu gehen, wo wir Tee bei einem langjährigen Nachbar (wenn ich
mich nicht täusche, war es ein Lehrer oder ein Pädagoge) trinken
würden. Es stellte sich heraus, dass sie ihn vorher beauftragt hatte, mich
beim Besuch zu begutachten, um herauszufinden, ob ich eventuell eine
Gefahr für sie und/oder Deutschland sei. Ich erfuhr dies, weil er mich in
der Küche an die Seite genommen hatte und mir es erzählte und zum
Schluss bemerkte, dass die Daniela ab und zu spinnt. Er bescheinigte ihr,
dass ich OK sei. Mich beruhigte dies ganz und gar nicht; nun hatte ich
ein weiteres Problem. Mein Plan war, zumindest 4-6 Wochen bei dieser
Adresse zu bleiben. Nun wusste ich, dass ich mich jetzt schon auf eine
Suche nach einer anderen Unterkunft machen musste und auch einen
guten Grund finden musste, um meinen raschen „Abschied‚ vor ihr
nicht verdächtig erschienen zu lassen.
Vorher musste ich aber ein anderes, akuteres Problem lösen: Da ich ja
meinen Laptop, das DLT-Tape, die Kopien davon sowie die 2 kleinen
Externen Harddisk nicht ständig auf mir tragen konnte und auch nicht
mehr im Zimmer aufbewahren wollte, musste ich eine passende Bank
mit passendem Tresorfach dafür suchen.
Am Freitag war ich in aller Früh schon losgefahren um bei diversen
Banken nachzufragen, ob sie freie Tresorfächer zu vermieten hätten.
Ideal wäre die Filiale der Berliner Volksbank AG an der Budapester
Strasse gewesen, in der Nähe des Eingangs des Zoos. Nicht weit weg
von Danielas Wohnung. Leider war deren Tresorraum eine der neueren
Bauweise: d.h. die Kundenfächer selber wurden von der Bankseite aus
elektronisch geöffnet und nur von Kundenseite aus mit einem
Schlüssel. Ein Test ergab, dass ich meinen ganzen Laptop etwas quer
gestellt hinein schieben könnte, und noch Platz für den Rest da wäre.
Aber die elektronische Verriegelung und damit die elektromagnetische
Strahlung machten mir Sorgen: ich habe gehört, das solche Strahlung
206
den Daten auf dem DLT-Tape, den CDs oder auf den externen
Harddisks eventuell schaden könnten. Diese Bank kam also nicht in
Frage. Meine Erhebungen ergaben, dass die Berliner Sparkasse noch
ältere Filialen hatte, wo noch altehrwürdige Tresorräume verwendet
würden. Bei der 7. Filiale wurde ich fündig. Die 6. gefundene Filiale
wäre auch ideal gewesen, aber um ein Konto zu eröffnen, musste ich
meine Liechtensteiner Identitätskarte vorlegen, worin meine alte Adresse
aus Liechtenstein notiert stand. Ich hatte keine Angst, den Namen
Heinrich Kieber zu verwenden. Die Berliner Sparkasse hätte ja keinen
Grund gehabt, ausgerechnet mich bei den irgendwelchen Behörden, z.B.
der Polizei „zu melden‚. Ein Rest von Bankgeheimnis war doch wohl in
Deutschland noch vorhanden. Oder? Die Bank aber forderte von mir
eine Wohnsitzbestätigung aus Berlin, da ich denen ja geschildert hatte,
dass ich gerade aus der Schweiz hierher gezogen wäre. Vorher könne
man mir kein Konto und Schliessfach anbieten, sagten sie mir. Ich
verabschiedete mich mit der Lüge, dass ich mir eine solche
Wohnsitzbestätigung holen würde und morgen wieder kommen würde.
Freundlich begleitete man mich bis zur Türe. Ich musste unbedingt eine
Lösung für eine Berliner Adresse finden.
Eine Internetsuche ergab, dass es eine kleine Firma in Berlin Wedding
gab, die eine Art ‚Postfächer‚ an Private vermietete. Ich fuhr per Taxi an
die angegebene Adresse. Ein älteres Ehepaar führte das Geschäft in
einem kleinen, ehemaligen Quartierladen. Sie hatten ca. 50
Postschliessfächer, die man von Aussen her Tag und Nacht erreichen
konnte. Ich mietet mir ein Fach und bezahlte die Gebühr bis Ende März
'03 im Voraus in Bar. Eine halbe Stunde später stand ich vor der
ausgewählten Filiale Nr. 7. Dieses Mal klappte es mit meinem Reisepass.
Im Gegensatz zum Deutschen Pass, stand im Liechtensteinischen Pass
KEINE Wohnadresse. Ich erklärte dies dem braven Bankangestellten und
gab die Geschäftsadresse der privaten Postfachfirma als meine
Wohnhausadresse und die zweistellige Zahl meines neuen Postfachs als
meine Wohnungsnummer aus. Es bedurfte geschickter
Überredungskunst um ihn von meiner neuen, unechten Wohnadresse zu
überzeugen. Ich konnte ja schlecht die Adresse von Daniela verwenden.
Da ich ja nur ein einfaches Sparkonto, von wo nur die Miete für das
Tresorfach abgebucht würde, also keine Karte für die Geldautomaten
oder ähnlichem haben wollte, klappte es mit dem Kontoeröffnung.
Zudem wusste ich, dass diese Art von Konto keinen Postversand
generierte. D.h. zumindest nicht bis Jahresende. Und mein Plan sah nicht
207
vor, dass ich dann noch in Berlin wäre. Ich zahlte ca. 250 Euro auf das
Konto ein.
Ich bekam zwei Schlüssel. Einen legte ich wie immer in solchen Fällen
direkt in das Tresorfach hinein (nicht empfehlenswert, denn wenn man
den 2. Schlüssel verliert, dann muss man der Bank ein neues Schloss
bezahlen). Ich wickelte den Laptop in ein Küchenhandtuch und
verstaute es zusammen mit den anderen Datenträgern (mit Ausnahme
einer der zwei externen Harddisks), zusammen mit allen meinen
persönlichen Papieren, wo Heinrich Kieber drauf stand (mit Ausnahme
des Passes) im Tresorfach. Den Pass brauchte ich ja um mich beim
nächsten Bankbesuch ausweisen zu können. Erleichtert legte ich die
lange Strecke von der Bank zurück zur Wohnung von Daniela zu Fuss
ab. Jetzt war ich sicher, dass mir zumindest keine „elektronische
Datenpanne‚ bei der Daniela passieren könne. Die paar Kilos an
Treuhand- und Bankdaten, die ich mitgenommen habe, waren im
Handkoffer mit einem kleinen Bügelschloss abgesichert.
Am Wochenende unternahm ich eine Monstertour kreuz und quer durch
Berlin. Ich notierte mir wichtige Punkte, wie die genaue Adresse der USBotschaft oder des Deutschen Finanzministerium; denn schnellsten Weg
dorthin via Ringbahn, U-Bahn oder Linienbus, ja nach dem, von wo ich
aus starten müsste. Im Notfall auch per Taxi. Ich kaufte mir eine
Monatsfahrkarte (evt. war es eine Wochenfahrkarte, ich weiss es nicht
mehr genau). In meiner Situation war es besser immer einen gültigen
Fahrschein zu haben. Nicht auszudenken: ich gerate in eine Kontrolle
mit keinem oder ungültigen Fahrschein und würde mangels Ausweis bei
der Polizei landen. Ungern entschloss ich mich deshalb, auch für
unterwegs immer einen Ausweis, meinen Reisepass auf mir zu tragen.
Besser irgendein Ausweis, als keiner. Ich suchte das Gebäude wo die
LGT in Berlin eingemietet war auf, um sicherzugehen, dass ich während
deren Öffnungszeiten immer Meilenweit davon weg war. Um nicht evt.
von irgendjemand vom Hauptsitz aus Vaduz auf Besuch in Berlin
erkannt zu werden. Man wusste ja nie. Daniela liess mich zum Glück
alleine, obwohl sie – dank ihrer vielen freien Zeit – ständig Vorschläge
für den Besuch von Berliner Sehenswürdigkeiten machte.
Ich war sehr müde, als ich Sonntagabend heimkehrte. Von den vielen
hektischen Fussmärschen durch Berlin hatte ich mir rund um die
Fussfessel, dort wo die Winterstiefel sich oben an der Haut schürften,
einen ringformähnlichen Ausschlag geholt. Daniela empfahl mir in einer
der massenhaften vorhandenen Apotheken (kein Land hat so viele wie
208
Deutschland; sicher mehr als Kirchen, vermutlich schon bald mehr als
Gläubige) Essigsaure Tonerde in Flüssigform zu kaufen und die roten
Schrammen damit einzureiben. Hastig ging ich also raus aus der
Wohnung, rein in die nächstgelegene Apotheke. Zurück daheim, als ich
mich spontan entschied ein heisses Bad zu nehmen, rief Daniela mir aus
der Diele zu, dass sie nur schnell Tabak und Zigarettenpapier (kam
günstiger) kaufen gehe und fragte, ob sie auch Kondome mitbringen soll.
Mann oh Mann, auch das noch. „Nein Danke‚, schrie ich höflich zurück,
„Es ginge mir nicht so gut‚.
Jetzt war es wirklich Zeit für mich eine andere Unterkunft zu finden,
sagte ich zu meinem Spiegelbild. Der Warmwasserboiler im Badezimmer
wurde vermutlich noch zu Hitler’s Zeiten gebaut. Nicht das das Wasser
daraus zu kalt war, nööö – es war so kochend heiss, dass man die
Badewanne zu 4/5 mit eiskaltem Wasser füllen musste, um nicht
verbrüht zu werden. Sicher ist sicher, dachte ich mir, schwang ein
Badetuch um meine Hüfte und holte noch schnell meinen blauen
Handkoffer aus dem Zimmer und schleppte ihn mit ins Badezimmer.
Man weiss ja nie. Frisch gewaschen und durchweicht, schlüpfte ich in
mein Pyjama und Daniela hatte mir eine Tasse Tee angeboten. Wir
schauten gemeinsam noch etwas TV und dann ging ich zu Bett. Die
kommende Woche würde ja streng werden.
VADUZ 12. Januar 2003
Der Professor kam nach 2 Tagen Studium am Sonntag mit schwerem
Kopf für eine kurze Mittagspause aus der Kammer gekrochen; raus aus
dem Raum, wo das KKZ alle relevanten Unterlagen zu Thema „Heinrich
Kieber‚ aufgeschichtet hatte. Natürlich hatte ihm niemand weder einen
Einblick in die echten Treuhand/Bank-Daten (diese Daten hatte die
Regierung logischerweise selber auch nicht), noch eine Kopie von deren
Schilderungen, wie Kieber sie beschrieben habe, gewährt. Ebenso würde
er später auch NIE auch nur ein einziges Mandat je zu Gesicht
bekommen. Jene „schmutzigen‚ Mandate, die sein eigenes Land
(Österreich) betrafen, hätten ihn schon brennend interessiert. Aber Hallo,
wo kämmen die da hin, wenn Liechtenstein einem ausländischem und
auswärtigen Professor auch noch den Beweis von Kiebers
Anschuldigungen in Bezug Geldwäscherei, Korruption etc. unter die
Nase reiben würde.
209
Hans-Adam rief mehr als 4 Mal in der Kammer an, um von Professor zu
erfahren, ob er sich schon einen Bild machen konnte, Schlussfolgerungen
ziehen konnte und jetzt Empfehlungen abgeben könnte. Der Professor
erwiderte, dass das Problem sehr tief liegen würde. Der Vorteil für
Kieber war, dass er sich seit Monaten für dieses Bühnenstück vorbereiten
konnte, erklärte er Hans-Adam am Telefon. Den „Fahrplan‚, wie es in
den nächsten Tagen und Wochen weitergehen sollte, wurde von Kieber
sehr präzises im seinem Schreiben festgehalten. Der Professor empfahl,
zum Schein auf Kiebers Angebot einzugehen und zwei neue Pässe
herzustellen und in einem Umschlag am Montag zur LGT in Frankfurt
zu bringen. Auf Anordnung von Hans-Adams wurde das KKZ
beauftragt, zwei Pässe mit den gewünschten falschen Namen und mit 2
der 4 Passfotos von Kieber, die er dem Brief beigelegt hatte, herstellen zu
lassen. Da es Sonntag war, versuchte man es zuerst mit eigenem,
eingeweihtem Personal aus dem KKZ. Dies misslang auf Grund
technischer Unkenntnis in Bezug auf Bedienung der Passmaschine. Man
holte eine Passamtperson um 10 Uhr aus der verdienten Sonntagsruhe
und bewerkstelligte die Herstellung der zwei Pässe rasch und
problemlos. Als Fahrer soll die rechte Hand von Hans-Adam, Herr
Gilbert Kaiser fungieren. Ein Bankdirektor der LGT Vaduz soll mit ihm
am 13.01.03 nach Frankfurt fahren. Beide wurden über die ganze
Angelegenheit ausführlich informiert.
Anm.: Ich lag richtig in meiner Planung, nur ganz wenige Tage zwischen der
Briefankunft auf dem Schloss (7.1.) und dem „1. Termin“ (14.1.) zuzulassen.
Somit hatten sie keine Zeit viel nachzudenken, ob sie die Pässe überhaupt
erstellen sollen. Aus reinem - nachvollziehbarem - Selbstschutz wird von HansAdam und Liechtenstein seit Feb. 2008 inkorrekt behauptet, dass sie angeblich
keine Pässe ausgestellt hatten.
BERLIN 13. Januar 2003 (vormittags)
Wieder hatte ich eine Nacht in Berlin überlebt. Ohne Frühstück, aber
immerhin nach einem selbst gemachten Tee, verabschiedete ich mich bei
Daniela mit der Bemerkung, ich würde eines der vielen Museen
besuchen gehen. Stattdessen begab ich mich auf schnellstem Weg zu
einem Internetcafé, wo ich fieberhaft im Netz nach Angebote für ein
möbliertes Zimmer suchte. Ich musste eine Unterkunft für spätestens
210
Morgen Abend finden. Ich tippte in die Suchmaschine ein: „Untermieter
gesucht‚, „Zimmer zu vermieten‚ oder „Mitwohnzentrale‚ etc.
Ich fand ein Angebot, wo ab sofort ein kleines möbliertes Zimmer
offeriert wurde. Ich notierte die Nummer und rief auch gleich von einer
Telefonzelle aus an. Eine nette junge Stimme nahm den Hörer ab. Petra
suchte eigentlich eine Untermieterin, also eine Frau, kein Mann. Ihre
bisherige Mitbewohnerin habe sich letzte Woche klammheimlich aus
dem Staub gemacht und sei ihr aber noch 2 Wochen Miete schuldig. Ich
erzählte ihr, ich sei auf Besuch aus der Schweiz hier und Berlin sooo
schön finde, dass ich gerne noch 4-8 Wochen hier bleiben möchte und
daher ein Zimmer suche. Es sei ja billiger als im Hotel zu wohnen,
rechnete ich ihr vor. Ich würde meine Miete pro Monat im Voraus
bezahlen. Dies gefiel ihr. Und da sie viele charmante Schweizer kenne,
offerierte sie mir, das Zimmer doch morgen, Dienstag in der Früh
anschauen zu kommen. Heute ging es ihr nicht mehr, da sie gleich zur
Arbeit müsse und erst sehr spät abends heimkehren würde. Auch sie
musste Untervermieten, sodass sie ihre eigenen Mietkosten reduzieren
konnte. Die Monatsmiete für mein Zimmer war 380 Euros. Sie wohne in
der Nähe der Kirche zum Heiligen Kreuz. Ich notierte mir die Strasse
und entschied für mich, jetzt schon mal die Strasse aufzusuchen, sodass
ich am nächsten Tag keine Zeit verlieren würde. In ca. 40 Minuten war
ich dort angelangt. Etwas Schnee lag auf dem Fussweg, im Garten und
auf der Strasse. Es war eine ruhiges Quartier und das Mehrfamilienhaus
am Ende, in der Ecke. Gemäss Klingel musste es die Wohnung im
Erdgeschoss, Treppe runter und Rechts sein. Es hatte grosse Fenster und
alte Bäume im Garten - sehr schön.
Ich nahm den Bus zurück ins Zentrum von Berlin und setzte mich in ein
Café, von wo ich die Berliner Welt zwischen 10 Uhr und 12 Uhr vor
meinen Augen vorbeiziehen lies. Es war schon komisch, das ganze. Ich
versuchte mir vorzustellen, was die in Vaduz jetzt wohl alles machen.
Aus heiterem Himmel entschloss ich mich einfach mal beim Schloss
Vaduz auf die Zentrale anzurufen. Da ich solches im Brief nicht
angekündigt hatte, dachte ich mir, dass der Überraschungseffekt mir
dienlich sein könnte. Etwas Mut dazu brauchte ich schon. Ich begriff, ein
Anruf kann nicht Schaden und bis jetzt gab es ja noch keine Tote in
diesem Drama. Ich wusste, dass Hans-Adam, wenn er im Schloss war,
ungefähr immer zur selben Zeit das Mittagessen von der Küche bestellt.
211
Er legt grossen Wert darauf, dies mit seiner Grossfamilie pünktlich und
gemeinsam einzunehmen. Ich rief also vor dem Mittagessen an, nannte
meinen Namen und fragte, ob ich mit Hans-Adam sprechen konnte. Ich
hörte, wie die Sekretärin auffallend perplex über meinen Anruf war.
Nach kurzer Wartezeit stellte sie mich zu Hans-Adam durch. Er war
erstaunlicher Weise nicht all zu böse; d.h. er war sehr besorgt über die
Geschichte. Ich sagte ihm schnell, dass ich nicht allzu lange telefonieren
möchte, da ich nicht wusste, ob vielleicht eine Fangschaltung installiert
wurde. Ich erwähnte, dass ich in Deutschland war. Darauf hin konnte
ich nur ein starkes Seufzen hören. Er sagte mir, dass keine Fangschaltung
da sei und wir aber vorsichtig sein müssten, was wir am Telefon hier
besprechen: Man wisse ja nie, wer mithöre. Ich war eher erstaunt, solches
von ihm zu hören. Er sagte mir, dass ich gemäss den Angaben in meinem
Brief vorgehen sollte und er die Pässe ausgestellt hatte.
Er fragte mich 3 mal ob ich die Daten gut versteckt hätte, was ich
postwendend 3 mal bejahte. Er sagte auch, dass ich nicht mehr aufs
Schloss anrufen solle. Mir würde später eine andere Möglichkeit zum
Telefonieren mitgeteilt werden. Dann könne ich mit ihm sicher reden. Ich
solle aber vorsichtig sein und nicht über die Daten reden, vielleicht
würde ja jemand mithören. Er sagte weiters, dass letztmöglich jemand
mithören würde; eine Person, die ich im Brief erwähnt hätte. Man kann
sich heute nicht auf alle Verlassen, sagte er zum Schluss. Ich begriff diese
Gerede über „Mithören‚ nicht ganz; aber eben: Ich war froh, dass er
überhaupt mit mir sprach und ich glaubte, dies sei der Anfang einer
Lösung und nicht der Anfang vom Ende. Das ganze Gespräch dauerte
nur 2-3 Minuten. Ich fuhr auf Umwegen mit Bus und Bahn wieder nach
Hause. Daniela war nicht da, was mir sehr gelegen kam. Ich packte
meine sieben Sachen zusammen, um schneller bereit zu sein, sollte ich
am nächsten Tag ausziehen.
Ungeduldig stampfte ich zwischen den Telefonkabinen auf dem
Wittenbergerplatz hin und her, um die Zeit bis 14 Uhr totzuschlagen.
Dann würde ich nämlich die LGT in Frankfurt anrufen, um zu erfahren,
ob ein Kuvert für mich da wäre. Wenn ja, dann würde ich den Auftrag
geben, das Kuvert an meine neue, private Postfachadresse in Berlin zu
senden. Sollte dies klappen, würde ich zuerst das Gebäude, wo mein
Berliner Postfach im Erdgeschoss liegt, für ein paar Tage ausgiebig
beobachten und dann zu einer Zeit, wo ich sicher sein könnte, dass
eigentlich niemand unterwegs war, also zwischen 3 und 4 Uhr in der
Nacht, mein Fach leeren kommen.
212
VADUZ 13. Januar 2003 (vormittags)
In aller Herrgottsfrühe fuhren Hr. Kaiser und der Bankdirektor von
Vaduz aus mit dem Diplomatenstaatswagen des Hans-Adams (dunkler
Audi A8 mit Wechselkennzeichen FL 6333, bei Staatsanlässen wird das
anderen Kennzeichen, FL 1 angebracht) Richtung Frankfurt los. Mit
dabei hatten sie ein dickes Kuvert mit Handschriftlichem Schreiben von
Hans-Adam für Kieber und den zwei Pässen. Noch viel früher in der
Nacht, um 03 Uhr morgens erst, war der Professor mit dem
Aktenstudium endlich fertig. Ausgiebigen Schlaf konnte er aber nicht
erleben. Um 07 Uhr war er schon wieder in der KKZ, wo er zusammen
mit dem eintrudelnden Regierungschef Hasler die erste von vielen
Tassen Kaffee oder Tee tranken. Der Bankdirektor und die rechte Hand
Hans-Adams trafen in Frankfurt ein und nahmen sich zwei Zimmer im
Hotel Palmenhof in der Bockenheimer Landstrasse. Um auf alle Seiten
abgedeckt zu sein, orderte das KKZ das Landgericht Vaduz an, einen
neuen Akt gegen Kieber anzulegen. Die Untersuchungsrichterin, Frau
Netzer wurde beauftragt, „pro forma‚ einen Internationalen Haftbefehl
zu beschliessen. Der Haftbefehl sollte aber noch nicht im Polizeisystem
aktiviert werden. Die Grundlage für einen Haftbefehl wäre eben die
versuchte Datenunterdrückung & der Datendiebstahl, die Nötigung des
Staatsoberhauptes Hans-Adams und – was aus Liechtensteiner Sicht am
Schlimmsten war - das Verbrechen der Auskundschaftung eines
Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zu Gunsten des Auslandes. Es wäre
A) die Fluchtgefahr gegeben, da Kieber die Wohnung im FL aufgelöst
hatte. B) eine Verdunkelungsgefahr gegeben, die damit zu erklären sei,
dass er – auf freiem Fuss gelassen – die Ermittlung der Wahrheit
erschweren werde (Anm.: Welch Ironie dieses Gesetzeswortlauts: Im
Gegenteil, ich war auf einer Mission ins Ausland gegangen, um die Wahrheit
der „schmutzigen Geld-Geschäfte“ in Liechtenstein zu offenbaren.) und C)
insbesondere die Ausführungsgefahr, da er dies detailliert im Brief an
Hans-Adam angedroht hatte.
Anm.: Wie die UR richtigerweise festgestellt hatte, war mein Brief eine
versuchte Nötigung und KEINE Erpressung! Eine Erpressung wäre es dann,
wenn ich z.B. Geld im Austausch für die Daten verlangt hätte. Das Gesetzt
macht da ganz klar einen Unterschied. Ich wurde in der Folge später auch nie
wegen Erpressung angeklagt und logischerweise auch nie dafür verurteilt.
213
Das Liechtenstein (über die KKZ) immer dann alle gesetzlichen Richtlinien und
Vorschriften einfach zum Fenster raus schmeisst, wenn es ums eigene Geld
(Bank- oder Treuhanddaten) geht, zeigte sich auch in diesem Fall wieder. Der
Vorwurf des Datendiebstahls hätte gar nicht als Grundlage für den Haftbefehl
herhalten dürfen, da der Diebstahl von Daten in Liechtenstein kein
Offizialdelikt sondern ein Antragsdelikt ist und das bedeutet, nur wenn die
Bank oder die Treuhand es selber wollen und sie einen Datendiebstahl bei der
Polizei anzeigen, dann die Behörden aktive werden können. Der Hintergrund
des Gesetzgebers, einen Datendiebstahl nur als Antragsdelikt zu klassifizieren,
lag darin, da man es der Bank oder Treuhand überlassen wollte, sich mit dem
Dieb einigen zu können und somit ein Aufsehen mit einem Strafprozess und
auch Schädigung des Rufes verhindern zu können. Das hat oft gut geklappt.
Es ist in Liechtenstein kein Geheimnis, dass in den Jahren 1994 bis 2004 (die
Batliner CDs und meine LGT Daten ausgenommen) es 4 weitere, wenn auch
kleinere Fälle von Datendiebstahl gegeben hatte, wo es nie zu einer Anzeige
kam, da die betroffenen Firmen (3 Treuhandfirmen und 1 ausländische Bank)
mit „Zahlungen“ die Sache selber, offenbar erfolgreich, bereinigen konnten. Eine
Datendiebstahlanzeige in meinem Fall lag aber nicht vor.
Im KKZ wurde weiters folgendes entschieden: Um der Person des
Kieber aufzuspüren, der sich höchstwahrscheinlich im Ausland aufhielt,
wurde angeregt, diverse Handynummern sowie zwei Festnetzanschlüsse
von Personen zu überwachen, auf die er vielleicht anrufen würde.
Zudem wurde beschlossen, dass man sich für eine oder mehrere Razzien
in Liechtenstein allzeit bereithalten sollte. Nur für den Fall, dass die
Bewohner der Gebäude anwesend wären, instruierte das KKZ das
Landgericht ein paar Hausdurchsuchungsbeschlüsse, auch „pro forma‚
anzufertigen. Die Razzien sollten aber - wenn möglich - so ausgeführt
werden, dass niemand davon etwas erfährt und keine nötigen
Gerichtsbeschlüsse gezeigt werden müssen.
BERLIN 13. Januar 2003 (nachmittags bis in die Nacht)
Endlich, die Uhr zeigte Punkt 14 Uhr. Ich rief die Nummer der LGT
Frankfurt an. Ich sagte meinen Namen und fragte, ob ein Kuvert für
mich da sei. Die Angestellte dort sagte mir, dass jemand hier sei, der
mich sprechen möchte. Der Bankdirektor Schlachter nahm den Hörer in
die Hand. Er habe einen Umschlag von Hans-Adam für mich dabei. Ich
214
müsse ihn aber selber abholen. Ich erklärte ihm, dass ich nicht in
Frankfurt war, sondern in Berlin! Er glaubte mir es nicht. Er sagte, dass
er vom Hans-Adam persönlich beauftragt worden sei, das Kuvert mir
persönlich zu übergeben.
Zu meinem Erstaunen erläuterte er mir, dass er angeblich absolut KEINE
Ahnung habe, um was es sich handle. Ich war schon etwas sehr verwirrt
über diese Aussage. Nein, nein – versicherte er mir. Er wüsste nicht um
was es gehe. Er sei am Sonntag aufs Schloss gerufen worden und ihm sei
aufgetragen worden, einen Gefallen für den Hans-Adam zu tun. Das sei
alles gewesen, was man ihn gesagt hätte. Mir kam dies sehr suspekt vor.
Ich musste ihm aber diesbezüglich glauben. Ich fragte ihn, ob er wüsste
was in dem Kuvert sei. Er erwiderte, NEIN, er wüsste es nicht und
möchte und musste es nicht wissen.
Er wiederholte zudem mehrmals, dass wir am Telefon sehr vorsichtig
sein müssten, da ich ja von einer öffentlichen Telefonzelle anrief (was er
als erstes von mir erfahren hatte). Wir dürften keine Details oder Worte
wie „LGT‚, oder „Daten‚ u.s.w. erwähnen. Ich sagte ihm, ja das wäre
logisch, aber dass es auch keinen Sinn machen würde, mit ihm weiter zu
telefoniere, wenn er ja nicht im Bilde war. Ich äusserte den Wunsch,
Hans-Adam am Abend selber anrufen zu können. Ich schlug dem
Bankdirektor auch vor, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen. Er
verlangte den Beweis, dass ich wirklich in Berlin sei.
Ich dachte nur: Mist, wieder einmal haben sie es nicht fertig gebracht,
meine Schreiben, in diesem Fall den Brief vom 7.1.03, vollständig und
richtig zu lesen. Da stand kein Wort darin, das ich in Frankfurt sein
würde! Ich fragte den Bankdirektor, ob er den keine Telefonnummer auf
dem Display sehe würde; er verneinte dies. Ich regte mich auf, dass man
hier wohl alles selber machen musste. Da hatte ich eine Idee, wie ich
beweisen konnte, dass ich in Berlin war. Etwas riskant, aber in diesem
Stadium des ganzen Dramas war für mich die Gefahr, sprich von HansAdam schnell „geschnappt‚ zu werden, kalkulierbar, sprich nicht akut.
Ich sagte, ich würde in 10 Minuten wieder anrufen.
Ich rannte so schnell es ging zur neuen Niederlassung der LGT in Berlin
am Kurfürstendamm Nr. 36. Noch nach Luft ringend, erzählte ich der
Empfangsdame, dass ich einen Telefontermin mit einem hohen
Bankdirektor der LGT Vaduz, der jetzt in der LGT Frankfurt sei, hätte.
Die Dame dachte, ich sei wohl ein etwas wirrer Kunde und rief die LGT
Frankfurt an. Ich wurde dann mit dem Bankdirektor verbunden und
damit gab es dann absolut keinen Zweifel mehr: ich war in Berlin!
215
Der Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Hans-Adam in der
Zwischenzeit telefoniert hätte und dieser ihm nun aufgetragen hatte, mir
zu sagen, dass ich ihn, den Bankdirektor über den Sinn und Zweck
seiner Reise aufklären sollte. Ich lehnte dies ab, da es utopisch war, ihm
in einem Ferngespräch gerade heraus über das Drama zu berichten. Mir
wurde gesagt, dass Hans-Adam mich sprechen möchte und ich ihn aufs
Schloss anrufen sollte. In derselben Minute widerrief der Bankdirektor
die Aussicht, dass ich aufs Schloss anrufen könnte.
Ich lag mit einer meiner Vermutungen wieder richtig: Hans-Adam hatte
seine „Soldaten‚ nie ganz aufklärt und niemand gesagt, dass ich ihn
gestern aufs Schloss angerufen hatte: typisch Hans-Adam – immerzu
bestrebt, einen strategischen Vorteil zu behalten, erinnerte ich mich. Ich
hatte nochmals vorgeschlagen, sich am nächsten Tag in Berlin zu treffen.
In einem späteren Telefonat wurde mir gesagt, dass nun Hans-Adam
mich persönlich sehen möchte und wir alle uns am Abend noch in
Hannover treffen sollten. Ich konnte diesem Plan nicht zustimmen, da
meine abgeschätzte Ankunft in Hannover erst spät in der Nacht erfolgen
würde und ich mich dort sowieso nicht sicher fühlen würde. Wer
garantierte mir, dass es keine Falle sei, fragte ich. Der Bankdirektor
schwieg dazu und hatte stattdessen vorgeschlagen, mir aus Frankfurt
entgegenzufahren; er hätte ja auch das Kuvert, mit dem von mir
gewünschten Inhalt. Ich erwiderte: Wenn Hans-Adam mit mir sprechen
wollte, so könnte er doch die LGT in Berlin anrufen. Der Bankdirektor
sagte mir dann, dies würde nicht gehen, da die Leitung dorthin nicht
gesichert war, sprich nicht abhörsicher war und die Gefahr bestand, dass
der Feinde, die Deutschen mithören könnten.
Je mehr ich mit dem Bankdirektor kommuniziert hatte, um so weniger
erschienen mir seine Verschläge einleuchtend. Ich hatte um Bedenkzeit
gebeten und sowieso musste ich das Telefonat oft unterbrechen und die
Nummer neu anwählen, da ich Telefonkarten mit einem Wert von 5 oder
10 Euros gekauft hatte, die schnell verbraucht waren. Die angebliche
Unkenntnis seitens des Bankdirektors darüber, was wirklich los war,
machte mir schon zu schaffen.
Ich suchte ein Internetcafé auf und schickte von meinem alten
Emailkonto aus dem Hans-Adam und seinem Sohn Alois eine Email aufs
Schloss Vaduz. Ich hatte darin mein Unverständnis darüber dargelegt,
dass er offenbar frustriert war, dass ich nicht in Frankfurt war und
entschuldigte mich für die "Missverständnisse". Ich schlug vor und bat
ihn auch, dass man sich in Berlin treffe würde. Das Email hatte ich 3 Mal
216
an die öffentlich bekannten Emailadressen (a.liechtenstein@sfl.li,
office@fuerstenhaus.li, sfl@sfl.li, post@sfl.li oder mail@sfl.li) gesandt. Dies trotz
der Gefahr, dass über die IP-Adresse meiner versandet Email der
Standort des Internetcomputers herausgefunden werden könnte. Aber
ich wusste, dass wenn jemand die wirklich Strassenadresse ausforschen
würde, ich schon lange wieder weg über alle Berge sei.
Danach rief ich wieder den Bankdirektor an und erzählte ihm vom
Email. Er sagte mir, dass er in der Zwischenzeit wieder mit Hans-Adam
gesprochen hatte und dieser ihn nun über die Lage informiert hätte. So,
so, dachte ich mir. Des Weiteren wurde mir erklärt, dass Hans-Adam
grossen Wert darauf lege, dass ich mich mit dem Bankdirektor noch
heute treffen würde. Bis spät in die Nacht hatte ich mehrere Anrufe an
die LGT Frankfurt gemacht und mit dem Bankdirektor gesprochen.
Dabei wechselte ich immer den Standort und rannte dafür wie ein
geköpfter Hahn kreuz und quer im Zentrum von Berlin herum, auf der
Suche nach neuen, „frischen‚ Telefonzelle. Dies um zu verhindern, dass
sie mich elektronisch lokalisieren konnten. Er wiederum, so wie er mir
erläuterte, muss jeweils telefonische Rücksprache mit Hans-Adam
führen und sich sein „OK‚ zu holen. Ein paar Mal wurde heiss diskutiert
und der Frust von Seiten des Bankdirektors war nicht zu überhören:
„Enttäuschung‚ in Vaduz darüber, dass ich nicht in Frankfurt war, wie
ich es geschrieben hätte.
Mir wurde auch eine Liechtensteiner Handynummer mitgeteilt, die ich
mir notierte. Es war die Nummer eines Handys worauf ich Hans-Adam
persönlich anrufen könnte. Ich war erleichtert, dass offenbar Hans-Adam
den Bankdirektor aufgeklärt hatte. Ich sollte nun den Zug um 19:56 von
Berlin nach Köln nehmen: dort würde er, der Bankdirektor auf mich
warten und ich würde nur so mit dem Hans-Adam telefonieren können.
Dies von der LGT Köln aus über eine abhörsichere Leitung.
Ob ich die Unterlagen auf mir oder mit mir hätte, hatte der Bankdirektor
mich höflich gefragt. Na klar, lachte ich laut: Ich würde sicherlich
kiloweise Unterlagen und Datenträger jetzt mit mir in Berlin
herumschleppen, auch noch zu dieser dunklen Stunde. Natürlich nicht!
Sie wären gut versorgt, erwiderte ich. Es wäre ein komplexes Thema, die
Datensicherung hier in Berlin, erklärte ich ihm. Ich sagte ihm auch, dass
ich es ihm persönlich unter vier Augen in Berlin erklären könnte. Der
Bankdirektor versuchte mehrmals auf verschiedene Art und Weise in
Erfahrung zu bringen, wo ich die Unterlagen aufbewahrt hatte. Er
217
schilderte mir, dass Hans-Adam in den Telefonaten mit ihm sehr besorgt
über die Daten geäussert hatte.
Um meiner ausgefeilten Sicherheit in Bezug auf die Daten etwas mehr
Betonung zu geben, hatte ich dem Bankdirektor in Erinnerung gerufen,
dass seine LGT den Verlust des DLT-Bandes sowie der
Originaldokumente ja nicht einmal gemerkt hatten. Als ich dann weiters
erwähnte, dass sie sicher in einem Schliessfach waren, dass in der Nacht
nicht zugänglich sei, versuchte er mir weiszumachen, dass Hans-Adam
die Pässe heute Nacht übergeben würde und im Gegenzug heute Nacht
gerne die Daten zurück hätte. So einen Blödsinn dachte ich mir. Da ich
die offensichtliche Dummheit dieser Idee dem Bankdirektor nicht
schnurgerade ins Gesicht schleudern konnte, fragte ich ihn künstlich
erstaunt, aber höflich, wie dies den geschehen sollte? Es sei jetzt
Montagabend, alle Geschäfte sind zu, sagte ich.
Obwohl ich nie erwähnt hatte, dass es sich um ein Schliessfach bei einer
Bank handeln würde, nahm der Bankdirektor dies als gesicherte
Information an und behauptete weiters, dass wenn Hans-Adam wisse
würde, um welche Bank es sich handelte, er die Mittel und Wege hätte,
die Filiale noch heute Abend öffnen zu lassen. Ich konnte mein Gelächter
nicht mehr unterdrücken. Ich entgegnete, es ist jetzt fast 20 Uhr und es
ist mir durchaus ganz klar, dass Hans-Adam Macht und Milliarden hat,
aber bitte – dass er die Autorität hat – rein hypothetisch - einen
Vorstandsvorsitzenden eines Deutschen Bankkonzerns aus dem Bett zu
holen und zum Öffnen einer seiner Filialen zu bewegen, damit dort
Mitten in der Nacht ein Safe geleert werden konnte - ist absolut
unmöglich und reine Phantasie. Zudem fragte ich den Bankdirektor ob
er und die in Vaduz wohl verrückt geworden seien: a) wie sollte –
wiederum rein hypothetisch – eine solche Aktion über die Bühne gehen,
ohne das von Deutscher Seite (Bankvorsitzender, Filialleiter Mitarbeiter,
Sicherheitspersonal etc.) irgendjemand die Sache sehr höchst suspekt
vorkommen würde. Oder b) sie allen Ernsten wünschten, dass ich das
Fach leeren sollte und mit all den Daten und Papieren quer durch
Deutschland per Zug zu ihm reisen musste. Sowieso würde eine
Datenübergabe für mich gar nicht zu Frage stehen.
Man hatte ja noch gar nichts in Sachen Argentinienfall gemacht. Wie
kommt ihr da auf die Idee, ich würde euch die Daten jetzt schon
zurückgeben, fragte ich den Bankdirektor. Er stammelte nur ständig,
dass er die Daten zurück haben muss, muss, muss.... Was ich nicht
wusste war, dass er nur darum ständig nach den Daten fragte, weil er
218
herausfinden wollte, ob ich sie überhaupt hatte. Um dem Unsinn ein
Ende zu machen, erklärte ich ihm, dass es kein Banktresorfach sei und
ich unmöglich heute Nacht an die Daten kommen könnte. Ende. Punkt.
Amen. Schluss. Aus. Ich sagte auch, dass ich hundskaputt war und keine
Reise mehr irgendwohin machen würde. Ich bat ihn, Hans-Adam
mitzuteilen, dass ich am Ende meines Lateins sei, mich aber für seine
Geduld und angebotene Lösungshilfen bedanken würde, was immer das
war.
Der Bankdirektor bat mich, ihn in 20 bis 25 Minuten wieder anzurufen.
Was ich dann auch tat. Er sagte mir, dass Hans-Adam mir für meine
Loyalität gegenüber seiner Familie, der LGT und Liechtenstein bedankt
hätte und nun keine nächtliche Reise von mir irgendwohin verlangen
würde. Ich musste das Gespräch kurz halten, da ich nur noch wenig
Guthaben auf der Telefonkarte hatte. Ich hatte den Bankdirektor
gewarnt, dass ich unter Umständen nicht mehr anrufen könnte, da ich
nicht wüsste, wo ich zu dieser späten Stunde noch Telefonkarten kaufen
könnte. Dann ein Klick, Null Euro Guthaben und die Verbindung war
tot. Ich suchte verzweifelt nach einem Kiosk, der noch um diese Zeit
geöffnet hatte. Es war nichts zu finden. Halt. Weit weg brannte noch
Licht in einem Geschäft. Zum Glück hatte ein Internetcafé noch offen: ich
konnte günstige Telefonkarten kaufen. Ich hatte eine neue Telefonzelle
erspäht und wählte die Nummer in Frankfurt. Es war jetzt 20.35 Uhr.
Ich erklärte nochmals, dass ich jetzt NICHT an das Schliessfach konnte.
Einen Tag später könnte ich aber an die Daten kommen. Ich schlug
nochmals vor, dass er am nächsten Tag nach Berlin kommen sollte. Wir
könnten uns um 10 oder 11 Uhr treffen. Er sagte, dass er dies nicht
alleine entscheiden könne, er sei auf Anordnungen von Hans-Adam
angewiesen. Nur sein Wort gelte für ihn. Der Bankdirektor fragte mich
ob ich ihm nicht mehr über die ganzen Umstände, die zu diesem Drama
geführt hatten, erzählen könne. Ich dachte zuerst, ich hatte mich verhört.
Jetzt, nach zehn oder mehr Telefonaten, so spät, wo alle müde und
gleichzeitig angespannt waren, jetzt wollte er, dass ich ihm am Telefon in
20 bis 30 Minuten wohl als Schlecht-Nacht-Geschichte die Ereignisse der
letzten sechs Jahre erzählte. Ich wollte nun auflegen, aber der
Bankdirektor bat mich nochmals in einem Augenblick anzurufen. Er
müsste wieder Meldung nach Vaduz machen. Ich wartete. Dann
erkannte ich, dass ich nun nicht genau wusste wo ich war und wie weit
die nächste U-Bahn- oder Bussstation entfernt war. Auch das noch,
donnerte ich – ein langer Fussweg nach Hause stand mir bevor.
219
Ich telefonierte, diesmal von derselben öffentlichen Telefonkabine aus,
zum letzten Mal mit dem Bankdirektor in Frankfurt. Der Ton hatte sich
beachtlich verschlechtert. Der Bankdirektor schimpfte mit mir. Er sagte,
dass es in Vaduz heftig zuginge. Man glaubte mir nicht (ohne mir zu
sagen, was man mir den nicht glaubte), man sei erbost, dass ich nicht in
Frankfurt sei, man sei mir böse, dass ich angeblich nicht jetzt an die
Daten kommen könnte u.s.w. Ich solle einen Beweis liefern, dass ich ein
Schliessfach hatte. Ich fasste es nicht. Fuck! Das war wieder so ein Trick,
um mich auf die Palme zu treiben. Warum wollten die einen Beweis,
dass ich ein Schliessfach hatte? Ich mag zwar ab und zu verrückt sein,
aber nicht genug, um deren Psychospiele nicht zu durchschauen. Ich
erklärte nun, dass ich sicher war, dass sie eine Falle planten. Sie wollten,
dass ich mit dem Schliessfachschlüssel sofort nach Frankfurt, Hannover
oder Köln komme.
Ich war mit den Nerven am Ende und wiederholte meine Bitte, er solle
einfach nach Berlin kommen. Ich müsse jetzt auflegen, da die
Telefonkarte nur noch zehn Sekunden Gesprächsguthaben anzeigen
würde, sagte ich mit immer schwächer werdender Stimme. Für „Gute
Nacht‚ reichte die Zeit noch aus und ich ersuchte ihn auch bis 10 Uhr
morgens eine Nachricht bei der LGT in Berlin für mich zu hinterlassen.
Klack – die Linie war tot. Ich rannte nochmals zum Internetcafé und
kaufte eine weitere Telefonkarte für den nächsten Tag. Eine UBahnstation war auch schnell gefunden der Zug war aber schon weg. So
blieb nur ein Fussmarsch um nach Hause zu kommen. Nach zehn
Minuten war ich an einer einsamen Telefonzelle vorbei gekommen. Nun
gut, dachte ich, besser den Bankdirektor nochmals anrufen. Er war noch
wach und in der Frankfurter Niederlassung. Die Uhr zeigte 22.15 Uhr.
Ich herrschte ihn an nach Berlin zu kommen. Er sagte, er würde es
versuchen. Könnte aber nichts garantieren. Höflich hatten wir uns dann
verabschiedet. Man vereinbarte, dass ich ihn am nächsten Tag um 07.30
Uhr in der Früh wieder telefonisch kontaktieren würde.
„Gute Nacht Herr Bankdirektor.‚ „Gute Nacht Herr Kieber.‚
220
VADUZ 13. Januar 2003 (nachmittags bis spät abends)
Seit dem Mittagessen rief der Bankdirektor mehrmals Hans-Adam und
die KKZ an, um über den aktuellen Stand der Dinge zu berichten und
weitere Befehle vom Fürst zu erhalten. Der Professor sagte ihm, dass sie
alle auf Zeit spielen sollten. Die Lage sei jetzt anders und komplizierter,
da man nicht erwartet hatte, dass Kieber wahrhaftig in Deutschland und
zudem auch schon in Berlin war. Dort, wo alle Behörden und die USBotschaft waren. Sie glaubten dem Schreiben von Kieber ja nicht.
Hans-Adam erhielt ein Handy der Polizei, deren Liechtensteiner
Nummer Kieber heute mitgeteilt werden sollte. Ausserdem sollte ihm
gesagt werden, dass es die Nummer war, auf der er Hans-Adam
persönlich anrufen könne. Die Liechtensteiner Telekom erhielt von der
KKZ den Befehl, alle Anrufe auf diesem Handy aufzuzeichnen. Es
wurde sehr fieberhaft zwischen dem Schloss, der Regierung und den
anderen Mitgliedern des KKZ kommuniziert. Hans-Adam hatte den
Auftrag gegeben, herauszufinden, wie Kieber sich bei der LGT in Berlin
verhalten hatte und was er dort den Mitarbeitern sonst noch gesagt
hatte. Er sagte dem KKZ, man solle Kieber mitteilen, dass er ihn direkt
im Schloss anrufen könne, da der Fürs die Sache mit ihm besprechen
müsse. Hans-Adam wurde aber von Seite des KKZ empfohlen, sich
vorerst keine Anrufe von Kieber auf sein Schloss durchstellen zu lassen,
falls dieser es versuchen sollte. Die Sache war sehr delikat. Denn alleine
die Tatsache, dass ein ehemaliger Mitarbeiter der LGT, der weit
reichende Kenntnissen über das Geschäft „im Kopf‚ gespeichert hatte, in
der Hauptstadt des „Feindesland" herumirrte, war in den Augen von
Hans-Adam Sprengkraft genug, um eine eigene Reise nach Deutschland
ins Auge zu fassen. Ihm wurde aber im Verlauf des Abends gesagt, dass
Kieber nicht nach Hannover kommen könne oder wolle. Er erhielt dann
von seiner Sekretärin auch das Email von Kieber aus Berlin.
Hans-Adam erklärte, dass er persönlich grossen Wert auf ein
Zustandekommen eines Treffens zwischen dem Bankdirektor und
Kieber legte. Dann würde er mit dem Kieber reden und zwar nur über
eine gesicherte Leitung nach Vaduz. Das KKZ hielt fest, dass das Ziel
nun war, den Bankdirektor mit dem Kieber zusammenzubringen, um
den Wünschen und der Autorität des Hans-Adams entsprechen zu
können. Er hätte dem Bankdirektor auch gesagt, dass er nicht über das
221
Telefon über die Daten sprechen möchte, da dies Hans-Adam offenbar
nicht wollte.
Hans-Adam sagte dem KKZ, dass er abwarten wollte, ob Kieber nicht
doch noch nach Frankfurt, Hannover oder Köln reisen würde und er,
Hans-Adam dann weitere Anweisungen, wie und was nun geschehen
soll, geben würde. Der Liechtensteiner Fürst wurde sehr ungeduldig.
Der Bankdirektor meldete zurück, dass Kieber ihm gesagt hätte, dass die
Daten sicher in einem Schliessfach versorgt wären. Hans-Adam regte an,
dem Kieber zu fragen, bei welcher Bank dies wäre. Er, Hans-Adam hätte
dann die Macht den Vorsitzenden jener deutschen Bank anzurufen und
zu arrangieren, dass sein Bankdirektor mit Kieber später das Fach
gemeinsam leeren sollte.
Hans-Adam wurde noch ungeduldiger. Es solle dem Kieber gesagt
werden, dass der Bankdirektor ein dickes A4 Kuvert mit dem von ihm
gewünschten Inhalt und einem handschriftlichem Vermerk des HansAdam für ihn hätte. Hans-Adam wollte wissen, warum ein Treffen nicht
möglich war und wo die verdammten Daten waren. Nach Beratung gab
Hans-Adam die Order, dass der Bankdirektor sich für eine Reise nach
Berlin am nächsten Tag vorbereiten sollte. Hans-Adam wurde
informiert, dass Kieber dankbar für seine Unterstützung sei und er
nichts Böses wolle. Kieber hätte gesagt, dass er sich nicht vorstellen
könnte, dass Hans-Adam in Deutschland nun mit den vorgeschlagenen
Treffen oder dem Mitten-In-Der-Nacht-Tresor-Öffnen Aufsehen erregen
wollte. Er wäre Hundskaputt und müsste nun ins Heim ins Bett.
Das KZZ entschied sich, für heute kein Treffen mehr zu verlangen. Man
kam zu dem Schluss, dass Kieber eben Kieber sei, verrückt aber hoch
intelligent. Man konnte davon ausgehen, dass er die Daten gut und vor
allem sicher versteckt hatte, falls er sie denn hätte. Es wurde darüber
gegrübelt, ob die Daten evt. in einem Postfach oder in einem Schliessfach
bei einem Bahnhof oder Flughafen versteckt waren. Sicherheitshalber
wurde entschlossen, eine Vollmacht zu Gunsten des Bankdirektors in
Vaduz erstellen zu lassen und ihm per Fax ins Hotel Palmenhof zu
senden.
Anm.: Um was für welche Art von Vollmacht es sich dabei handelte, konnte ich
leider nie ganz in Erfahrung bringen. Wohl eine Art gefälschte GeneralVollmacht von mir für den Bankdirektor für alle Schliessfächer in Deutschland.
Wäre ich nach Frankfurt, Hannover oder Köln gereist und sie hätten mich dort
in Empfang genommen und irgendwie festgehalten, hätten sie versucht, mithilfe
der Vollmacht, an das Schliessfach zu kommen.
222
Der Bankdirektor wurde gefragt, ob er im Hintergrund vielleicht
Zuggeräusche oder Flughafengeräusche gehört hatte. Er verneint dies.
Der Bankdirektor bestätigte, dass es ein weiteres Telefonat zwischen
20.35 Uhr und 20.50 Uhr mit Kieber gab. Darin habe ihm Kieber zuerst
offeriert, morgen mit den Daten nach Köln zu kommen, dann aber
korrigiert und gesagt, nein besser sei es, wenn man zu ihm nach Berlin
komme. Kieber verstehe die Aufregung von Hans-Adam nicht, weil er
nicht in Frankfurt sei. Kieber fordere, dass man seinen Brief vom 7.1.2003
nochmals genau lesen solle. Darin stehe nichts davon, dass er am
13.01.03 in Frankfurt sein würde. Es müsse alles ein Missverständnis
sein. Er habe nie vorgehabt, nach Frankfurt zu kommen, sondern sich die
Schutz-Identität irgendwo in Deutschland nachsenden zu lassen. Dass er
irgendwelche Daten im Austausch gegen die Schutzidentität
aushändigen würde, habe er nie zugesagt oder geplant. Es ginge ja auch
nicht um Millionen (für ihn), es ginge um was ganz anderes. Er brauche
ja die Schutz-ID nicht um unterzutauchen, im Gegenteil, er würde sogar
so lange in Deutschland bleiben, bis Gerechtigkeit geschehen sei.
Nach erneuter Beratung zur späten Stunde, entschloss man sich im KKZ
Druck auf Kieber zu machen. Der Bankdirektor sollte ihm sagen, dass
der Hans-Adam enttäuscht war, dass Kieber die Daten nicht in der
Nacht holen konnte, dass Kieber nicht in Frankfurt war, dass Kieber in
Berlin war u.s.w. Nach erfülltem Auftrag meldete sich der Bankdirektor
wieder beim Hans-Adam. Zum persönlichen Eindruck über Kieber
befragt, sagte der Bankdirektor, dass Kieber wohl weinend in Berlin
stehen würde, er sicherlich Angst hätte und verzweifelt sei. Kieber sei
sich auch nicht sicher, ob er dem Bankdirektor vertrauen könne.
Der Professor empfahl Hans-Adam Kieber weiterhin Hilfe anzubieten.
Alle waren nun der Überzeugung, dass es das Schliessfach wirklich gab.
Man war sich nur nicht ganz im Klaren, was darin aufbewahrt wurde.
Später erteilte Hans-Adam den Auftrag, sich mit Kieber in Berlin zu
treffen. Aber nicht so, wie Kieber sich das vorstellte. Der Bankdirektor
würde am Dienstagmorgen einen Flug von Frankfurt zurück nach
Zürich nehmen und nach Hause kommen. Das A4 Kuvert würde bei
Herrn Gilbert Kaiser im Diplomatenwagen bleiben. Dieser würde von
Frankfurt nach Berlin fahren. Der persönliche Fahrer von Hans-Adam,
Herr B. würde am Dienstag früh um 07.25 Uhr das Flugzeug von Zürich
nach Berlin nehmen und den Wagen von Kaiser übernehmen. Kaiser
müsste dann per Flugzeug von Berlin nach Zürich heim fliegen. Dem
223
Kieber sollte dieses erst am nächsten Tag in der Früh mitgeteilt werden.
Würde Kieber diese Variante nicht annehmen, müsste er mit dem HansAdam verhandeln.
BERLIN 14. Januar 2003 (in aller Herrgottsfrüh)
Schon vor sechs Uhr war ich aus dem Bett raus. Daniela war leider auch
schon aufgestanden. Während eines schnellen Frühstücks hatte sie mich
wieder darüber ausgefragt, was ich den in den letzten Tagen in Berlin so
gemacht hätte. Und was ich heute vorhätte. Ich hatte nicht viel Zeit und
sagte, dass ich leider evt. heute schon wieder heim in die Schweiz fahren
müsste – „dringende Geschäfte‚. Ich hatte gleich nachgeschoben, dass
sie die nicht voll genutzte, schon bezahlte Monatsmiete natürlich
behalten könne.
Pünktlich um 07.30 Uhr rief ich, wie zuletzt abgemacht, den
Bankdirektor an. Die Nachricht, dass er von Hans-Adam zurückbeordert
worden war, beunruhigte mich sehr. Ich entschuldigte mich für all die
Hektik vom Vortag. Der Bankdirektor erzählte, dass sich Hans-Adam
die ganze Sache mehrmals überlegt hätte und mir anbieten würde, dass
sein eigener Chauffeur mit dem dunklen Audi A8 heute in Berlin um 12
Uhr oder 12.15 Uhr vor der LGT am Kurfürstendamm auf mich warten
würde und ich einsteigen solle, mit den Daten natürlich. Der
Diplomatenwagen werde dann auf schnellstem Weg nach Vaduz fahren,
wo mich Hans-Adam auf seinem Schloss empfangen werde und das
weitere Vorgehen besprochen und Lösungen gefunden werden könnten.
Was sollte das ganze nun wieder, dachte ich mir. Warum um Himmels
Willen glaubte Vaduz, dass ich JETZT wieder nach Hause fahren würde.
Irrsinnig! Und unter welchem Namen sollte ich die hunderte von
Kilometer im Wagen mitreisen, fragte ich ihn. Und wer garantiere mir,
dass ich in Vaduz nicht im Gefängnis landen würde? Alles sei geregelt,
versuchte er mich zu beruhigen. Die Schutzidentität (die 2 Pässe) würde
der Fahrer ja dann haben. Es wäre zudem ein Diplomatenwagen, eine
Kontrolle unmöglich. Und es wäre keine Falle. Er instruierte mich auch,
ihn ab jetzt auf seiner Handynummer anzurufen. Ich notierte sie. Ich
sagte ihm, dass es wohl dass Beste wäre, wenn er wie befohlen nach
Hause zurückkehrte. Offenbar wäre dies der Wunsch Hans-Adams.
Um Zeit zu gewinnen, behauptete ich, dass ich mindestens zweieinhalb
Stunden brauchte, bis ich alle Daten und Papiere eingesammelt hatte, da
224
sie sich in drei separaten Schliessfächern befänden. Was der
Bankdirektor nicht wusste war, dass ich unter enormem Zeitdruck stand,
da ich noch vor 10 Uhr bei der neuen Vermieterin Petra aufkreuzten
musste.
Ich musste schnell nachdenken. Ich unterbrach den Bankdirektor in
seiner langen Rede und sagte, dass ich in zehn Minuten wieder anrufen
würde. Als ich ihn wieder in der Leitung hatte, erzählte er mir, dass er
inzwischen wieder mit dem Hans-Adam telefoniert hätte und ich HansAdam um 10 Uhr oder 10.15 Uhr anrufen sollte. Zum Schluss flehte mich
der Bankdirektor nachdrücklich an, in den fürstlichen Wagen
einzusteigen. Ich könne diesbezüglich nichts versprechen, erwiderte ich.
Ich würde aber dort sein, beteuerte ich. Er bat mich ihn um 09:00 Uhr
wieder anzurufen. Was ich nicht tat. Weil keine Zeit dazu vorhanden
war.
Ich ging zur Wohnung von Petra. Sie war eine sehr hübsche Frau, so um
die Mitte Zwanzig. Sie zeigte mir das Zimmer und ich tat so, als ob ich
alles genau inspizieren würde, obwohl es für mich sowieso schon vor
Eintritt klar war, dass ich es nehmen würde, ja nehmen musste. Sie gab
mir auch schon gleich die Schlüssel, nachdem ich die Miete für 4 Wochen
bezahlt hatte.
Sie arbeitete als Innendekorateurin beim französischen Edelkaufhaus
Lafayette in der Friedrichstrasse. Mein Zimmer war klein im Ausmass,
aber mit hoher Decke. Eine nackte Matratze ohne Bettgestell lag auf dem
Boden. Daneben eine Kommode und einen Stuhl. Frische Bettwäsche
hatte Petra säuberlich gefaltet aufs Bett gelegt. Badezimmer und Küche
würden gemeinsam benutzt werden. Sie erwähnte aber noch, dass ihr
Freund, ein Elsässer (der irgendwo anders in Deutschland lebte und an
einer Uni studierte) sehr eifersüchtig sein könne. Sie habe ihm nicht
gesagt, dass sie evt. einen Mann als Untermieter nehmen würde. Es
könnte also sein, dass ihr Freund dies gar nicht mochte. Ist schon OK,
erwiderte ich ihr, erst mal einziehen und dann werden wir schon sehen.
Sie solle ihn täuschen und einfach behaupten, dass ich wäre eine Frau,
scherzte ich. Dann hätte ihr Freund sicherlich keine Bedenken mehr. Sie
verabschiedete sich und ich war wie ein Wirbelwind zurück in die
Ansbacherstrasse gedüst, die paar Stockwerke in Riesenschritten hinauf
gesprungen.
Daniela war zu Hause. Ich hatte etwas von „Flugzeug geht in 90
Minuten‚ gemurmelt, mir meine zwei Koffer geschnappt, ihr die
Wohnungsschlüssel in die Hand gedrückt, sie auf die Wange geküsst
225
und ihr Alles Gute gewünscht. Ich habe sie nie wieder gesehen. Mit dem
Taxi war ich zurück in Petras leere Wohnung gefahren. Die Koffer hatte
ich in das Zimmer geschleudert, die Türe zugeknallt und war mit
demselben Taxi wieder zurück nach Berlin-Mitte gehetzt.
Es war jetzt schon nach 09:30 Uhr. Ich musste mich auf den Anruf an
Hans-Adam geistig vorbereiten. Für alle Fälle setzte ich ein Schreiben in
einem Internetcafé ein Schreiben am Computer auf, in dem ich die
Ereignisse der letzten 48 Stunden aufgeschrieben hatte und kundtat was
ich davon hielt. Das Resultat druckte ich mir aus und steckte es in ein
neues Kuvert. Ich suchte eine noch nie von mir verwendete Telefonzelle
gegenüber einer Kneipe. An der Theke wartete ich und beobachtete die
Telefonzelle.
VADUZ 14. Januar 2003 (vormittags)
Der persönliche Fahrer von Hans-Adam, Herr B. flog mit dem 07.25 Uhr
Flug von Zürich nach Berlin. Der Bankdirektor und Herr Kaiser checkten
aus dem Hotel in Frankfurt aus und der Bankdirektor lies sich bei der
LGT Frankfurt absetzten. Seine Rückreise nach Zürich per Flugzeug und
Vaduz per Limousine hatte er sich für den Nachmittag organisiert.
Kaiser fuhr mit dem Audi nach Berlin. Der Bankdirektor meldete sich
um 7.50 Uhr beim KKZ und berichtete, dass Kieber ihn um 07.30 Uhr
angerufen hatte.
Er sei enttäuscht, dass der Bankdirektor nun nach Hause beordert
worden sei. Kieber habe bewiesen, dass ihm der Schutz der Daten
wichtig sei und daher auch die Schutz-Identität dringend notwendig sei.
Es täte im Leid, dass er nicht in Frankfurt sei, er sei halt in Berlin, weil
sich dort alle Ministerien und auch die US-Botschaft befinden. Er hätte
dies ja alles im Brief geschrieben. Eine Reise mit öffentlichen
Verkehrsmitteln von Berlin nach Frankfurt sei Kieber einfach zu riskant,
ganz abgesehen davon, dass er denke, dass ihn in Frankfurt eine Falle
erwarte. Man muss Kieber zugute halten, dass er Loyalität wahre, mit
Diskretion agiere und die Daten schützen kann und dies auch tut. Im
KKZ wurde beraten, wie weiter vorzugehen sei. Es müsste auf Teufel
komm raus versucht werden, Kieber nach Vaduz zu bringen. Die Daten
sollten dann vom Bankdirektor, der dann schon wieder nach Vaduz
zurückgekehrt sein würde, geprüft werden.
226
Der Bankdirektor wurde unterwiesen, beim nächsten Anruf von Kieber
ganz klar zu machen, dass es das letzte Angebot von Hans-Adam sei,
seinen Chauffeur samt eigenem Wagen nach Berlin zu schicken. HansAdam müsse gegenüber Kieber auf ein „hohes Podest‚ gehoben werden.
Es müsse eindringlich stärker an die Loyalität, Sicherheit und Diskretion
von Kieber appelliert werden. Der Bankdirektor verdeutlichte, dass er in
diesem Sinne schon mit Kieber gesprochen habe. Er würde es ihm aber
nochmals mitteilen. Nach reiflicher Überlegung entschloss man sich,
dass es das Beste wäre, wenn Kieber mit Hans-Adam direkt reden
könnte.
Von Experten liess sich Hans-Adam nur ungern instruieren. Er war
schon immer sehr „Beratungs-Resistent‚. Man teilte ihm mit, dass es
taktisch gelungen sei, Kieber klar zu machen, dass dies die letzte
Möglichkeit sei. Hans-Adam wurde empfohlen, sich auf keinen Fall auf
längere Diskussionen mit Kieber einzulassen. Er sollte klar zum
Ausdruck bringen, dass dieser am sichersten im Diplomatenwagen sei
und der Chauffeur ihn wohlbehalten nach Vaduz bringen würde.
Einwände von Kieber sollten übergangen werden. Kieber müsste den
Eindruck erhalten, dass es sich um einen „wichtigen Auftrag‚ von HansAdam handele. Aus psychologischen Beweggründen könnte HansAdam auch erwägen, Kieber zu sagen, dass er es nicht nötig habe mit
ihm zu diskutieren. Es wurde ihm auch empfohlen, das Telefon nicht
gleich abzunehmen und Kieber ein zweites Mal anrufen zu lassen,
sodass „psychologisch‚ Zeit gewonnen werden könne. Inzwischen hatte
sich der Bankdirektor wieder bei Hans-Adam gemeldet und berichtet,
dass Kieber ihn nicht mehr angerufen hatte. Der Bankdirektor versuchte
Hans-Adam zu beruhigen, indem er berichtete, dass er ganz sicher wäre,
dass Kieber die Daten sicherlich aus den Schliessfächern in Berlin
rausholen und auch Hans-Adam anrufen würde.
BERLIN 14. Januar 2003 (vormittags)
Ich schlürfte sicher mindestens fünf Kaffeetassen leer und hielt die
Telefonzelle immer unter Beobachtung. Ich war nervös und auf einmal
dachte ich, was ist, wenn das Telefon nicht funktioniert. Besser war es,
das Telefon zu testen. Gesagt, getan. Das Telefon war OK, die Karten
227
auch. Gerade als 10 Uhr immer näher rückte, tauchte ein Passant auf und
nahm Kurs auf die Kabine. Scheisse, dachte ich, wer weiss wie lange der
Telefonieren will. Ich rannte auf ihn zu, schrie, fluchte und schob ihn
einfach weg, wie ein Bauer das Schwein. Verärgert ging dieser seiner
Wege. Ich beruhigte mich wieder und kehrte zurück zu meiner nächsten
Kaffeetasse.
Die Uhr über der Theke zeigte 09.58 Uhr: Zeit zu gehen. Ohne Hektik
ging ich auf die Telefonzelle zu. Mit zitternden Fingern wählte ich die
Liechtensteiner Handynummer. Es klingelte. Niemand nahm ab. Was
nun wieder, schimpfte ich. Hatte ich die richtige Nummer? Ich wartete
und versuchte den Herzschlag runter zu bringen. Ich wählte ein zweites
Mal. Diesmal klappte es. Ich erkannte seine Stimme sofort. Wiederum
kann ich meinen Lesern hier ein Originaldokument vorlegen. Das KKZ
hat dieses Gespräch aufzeichnen lassen und eine Abschrift angefertigt.
Protokoll des Gespräches zwischen S.D. Fürst Hans-Adam von
und zu Liechtenstein (LF) mit Heinrich KIEBER (K) am Dienstag
den 14. Januar 2003, 10:22:29 bis 10:33:22 Uhr:
Begrüssung.
KIEBER entschuldigt sich, dass alles schief gelaufen ist. Es tue
ihm sehr leid. Es tue ihm leid. Er habe nicht erwartet, dass
jemand nach Frankfurt komme. Es tue ihm leid. Er habe nicht
verstanden, dass (keine Fortsetzung dieses Satzes)
Es wurde dann immer länger und (kein Fortsetzung dieses
Satzes)
K: Ich habe nicht verstanden, dass Dr. S. nicht informiert wurde.
LF: Das war mir zu heikel. Ich wollte nicht.
K: Ja, das verstehe ich schon. Der Nachteil war halt, dass er bös
war, weil ich nicht da war und ich verstehe das schon. Es tut mir
wirklich leid. Ich habe ja geschrieben, dass ich ihn entweder
anrufe oder selber hole. Aber Sie müssen mich verstehen. Ich
habe natürlich Angst gehabt, dass da .... Darum bin ich nicht
selber hingegangen und habe angerufen. Leider verspätet, und
dann war Dr. S. da. Ich habe das nicht verstanden. Später hiess es
dann, ich solle einen Beweis bringen und so
Ich dachte mir, das kann doch nicht im Interesse von unseren
Landesfürsten sein, dass ich mitten in der Nacht einen Safe
228
öffnen soll. Ich hab‘ das nicht begriffen, Ich habe auch nicht
begriffen, Durchlaucht, dass, äh, äh .... (keine Fortsetzung des
Satzes).
Ich solle den Dr. S. aufklären, ich, ich, kann doch nicht ‚ äh über
das Telefon, das kann ich mir nicht vorstellen. Und das wurde
dann fallengelassen. Das ist ein Drama, das ist ein Drama.
LF: Also wir haben jetzt, wie Sie wissen umgestellt.
K: Ja, ich weiss, Ja, ich weiss.
LF: Sie müssen sich ganz genau an die Instruktionen halten. Das
ist die einzige Möglichkeit. Sie wissen, dass das eine sehr heikle
Sache ist.
K: Ich weiss, ja, ja, ich weiss.
LF: Man weiss nie, wer da alles mithört. Gut, der Fahrer steht
bereit.
K: Ja, ich werde auf jeden Fall dort sein, Ich weiss aber nicht, ob
ich einsteigen kann. Sie wissen ja, Warum soll man mich
verschonen? Wenn Sie sich jetzt, nur rein hypothetisch in meine
Lage versetzen. Was ich alles gemacht habe. Warum soll ich
zurückkommen? Das verstehe ich nicht.
LF: Das ist die einzige Möglichkeit, dass wir das lösen. Das sage
ich ihnen.
K: Ja, ja. Er hat es ja aber bei sich gehabt. Ich verstehe nun nicht,
weshalb es wegen der 500 km gescheitert hat. Ich habe Ihnen
doch geschrieben, ich .... kann doch nicht mit meiner Person
meiner ID in der Nacht durch Deutschland fahren. Darum habe
ich nicht begriffen, darum habe ich (keine Fortsetzung des Satzes)
LF: Darum habe ich auch das Auto geschickt, mein Auto mit
meinem Fahrer. Damit wir dieses Problem gelöst haben. Das
kann ich Ihnen jetzt nicht genauer erklären. Es gibt keine andere
Möglichkeit. Ich kann es Ihnen im Einzelnen nicht erklären. Ich
habe mir Ihre Unterlagen durchgelesen. Das ist ja wirklich ein
grosser Aktenstoss, den Sie mir da geschickt haben.
K: Ja, ja, das tut mir leid.
LF: Ich habe das genau studiert. Es gibt keine andere Möglichkeit.
Sie können Ihr Ziel nur erreichen, wenn Sie sich in das Auto
setzen und hier her kommen. Der Chauffeur ist auch nicht
instruiert. Er hat die Instruktion, Sie sicher hierher nach
Liechtenstein zu bringen. Das sollte problemlos passieren.
K: Ja, sicher. Über die österreichische Grenze. Kein Problem.
229
LF: Ja, kein Problem.
K: Ja, kein Problem. Ich bin auch über die österreichische Grenze
hierher gefahren.
LF: Sie können nur so ihr Ziel erreichen. Sie kommen zu mir her.
Er fährt Sie zu mir aufs Schloss und dann besprechen wir im
Einzelnen die nächsten Schritte.
K: Ja, ja. Was wird mich erwarten. Warum, warum,... warum
sollten Sie mit mir Gnade walten lassen. Warum... Sie haben ja
keinen Grund Sie wissen ja ganz genau, warum sollten Sie
warum Sie wissen ja warum sollten Sie?
LF: Schauen Sie. Ich möchte und Sie möchten es auch, dass Ihnen
in Ihrer Sache Gerechtigkeit widerfährt. Sie haben da vieles
mitgemacht und jetzt müssen wir schauen, dass alles gerecht
abläuft. Ich habe mich im Rahmen des Möglichen und der
Beschränkungen hier erkundigt und was für Möglichkeiten es
hier gibt. In Ihrem eigenen Interesse, im Interesse des Landes,
natürlich auch in meinem eigenen Interesse. Wir haben jetzt im
Rahmen des Möglichen, auch im Rahmen der von Ihnen
gestreckten Grenzen... haben wir versucht, uns daran zu halten,
um auch Sie nicht zu exponieren und um mich nicht zu
exponieren.
K: Haben Sie das E-Mail gelesen? Das wo ich Ihnen geschickt
habe. Ich habe ja unverbindlich geschrieben. Ich wusste nicht, ich
wusste nicht, er war ein Vertrauensmann, er war informiert - er
war nicht informiert. Es war verwirrend.
LF: Das E-Mail konnte ich noch nicht (Satz nicht beendet) Es ist
nicht mein Büro. Ich konnte noch nicht — Sie kennen die
Probleme.
K: Ja, ja. Ich kenne die Probleme.
LF: Schauen Sie, es gibt wirklich nur eine Möglichkeit. Setzen Sie
sich dort ins Auto und kommen Sie zu mir. Das ist wirklich der
einzig sichere Ort, wo Sie sich sicher fühlen können.
K: Ja, ja ich weiss. Hier ist nur eine relative Sicherheit. Darum
habe ich mich ja in die Höhle des Löwen begeben. Ich weiss nicht,
ob ich es schaffe, dort ins Auto zu steigen. Ich werde sicherlich
dort sein, wenn er kommt. Was ist es für ein Auto?
LF: Ja, wissen Sie, es ist der schwarze Audi. (Kurzes Gespräch
über die Farbe). Wissen Sie, es ist das Auto, welches ich immer
nehme für eine offizielle Sache. Sonst habe ich immer den roten
230
Pkw, den kleinen. Jetzt haben wir diesen Audi gekauft und nicht
mit FL 1 sondern mit der Nummer FL 6333. Bequem und hat alles
was Sie haben wollen.
K: Was wird mich erwarten? Was wird mich erwarten? Das ist
die Frage.
LF: Ein Gespräch mit mir. Dann werden wir die Einzelheiten
auch von der juristischen Seite ganz genau Punkt für Punkt
durchgehen, wie man das macht.
K: Ja, man hat 6 Jahre gemacht. Man hat 6 Jahre lang nichts
gemacht. Wenn es um kompetente Leute... wenn‘s ums Geld geht
ist man schnell und wenn‘s ums Blut geht, dann hilft man
keinem. Drum kommst so weit.
LF: Ich gebe ihnen Recht, das ist ein Problem. Es gibt auch andere
Fälle, wo man einfach geschaut hat, wo die Sachen hier liegen.
Wir haben nicht genügend Leute hier.
K: Ja, zumindest nicht genügend fähige. Ja, ich hab geschrieben
und geschrieben und Arbeit gehabt. Ich hab ein Modell gebaut
und ausser Paul MEIER und mein Anwalt.... es hat keinen Sinn,
was soll ich Sie belästigen<(weitere undeutliche und hektische
Wort, nicht verständlich).
LF: Schauen Sie, Sie kommen jetzt zu mir her und besprechen das
im Einzelnen.
K: Ich habe mir auch Gedanken gemacht, wie das weitergehen
soll in Liechtenstein. Ich habe keinen Ausweg gefunden, wie ...
Ich bin mir bewusst, dass ich wieder grösste Scheisse gebaut
habe, ich weiss wir können nicht Wochen miteinander sprechen,
wir können Stunden miteinander sprechen. Was ist dann? Und
was ist dann? Was ist dann? Ich kann ja nicht nach Hause. Ich
habe ja nichts mehr (Kieber weint und spricht noch einige nicht
verständliche Worte).
LF: Schauen Sie, das regle ich für Sie. Das ist kein Problem. Sie
setzen sich ins Auto und kommen zu mir hier aufs Schloss und
regeln dass. Wir werden schauen, wie wir das beschleunigen. Da
werde ich auch schauen, dass Sie eine gute Unterkunft haben.
Das ist alles kein Problem.
K: Ja, ich werde abgeführt. Warum sollte ich nicht abgeführt
werden. Warum sollte ich nicht abgeführt werden. (KIEBER
weint erneut). Geben Sie mir einen Grund, weshalb ich nicht
abgeführt werden sollte.
231
LF: Es ist ja kein Haftbefehl gegen Sie da.
K: Ich habe ja immerhin gegen Sie, habe ja immerhin gegen Sie
Sie wissen ja, was ich gemacht habe.
LF: Das ist dann ein Problem, das können wir dann auch im
Einzelnen besprechen. Sie müssen ja erkennen, dass das für Sie
selber der beste Weg ist. Ich möchte jetzt nicht auf Einzelheiten
eingehen. Sie wissen, was für Probleme Sie jetzt haben.
K: Ja, ich bin in Zugzwang. Ich habe die ganze Nacht nicht
geschlafen. Aber da können Sie nichts dafür, Ich bin in
Zugzwang. Ich bin nicht sicher hier will ja keine 30 Millionen. Ich
will ja keinen Euro. Ich will nur Gerechtigkeit.
LF: Richtig. Sie sollen Sie ja auch bekommen. Setzen Sie sich ins
Auto, entspannen Sie sich und ... (Unterbrechung des
Gespräches, da die Wertkarte des KIEBER aufgebraucht ist)
Fortsetzung des Gespräches:
K: Entschuldigen Sie, die Karte ist so schnell fertig. Sehen Sie die
Nummer auf dem Display, 886 Nein, nein? Ich werde auf jeden
Fall dort sein, wenn der Wagen dort ist. Ich entschuldige mich für
die Umstände.
LF: Ich sage Ihnen, das ist die einzige Möglichkeit die Sie haben.
Vertrauen Sie mir, kommen Sie her. Hier können wir die
Probleme lösen. Dann haben Sie ja immer noch die Möglichkeit
sich zu entscheiden. Kommen Sie her, dann können wir das
durch besprechen. Dann kann ich Ihnen auch das Drumherum
erklären. Dann können wir wirklich das in Ruhe überlegen. Dann
haben wir Zeit. Sie haben ja sonst keinen Ausweg. Sonst können
Sie ja nichts erreichen. Ich kann jetzt nicht mehr. Steigen Sie jetzt
ein-. Ich gebe Ihnen den Befehl, Instruktion
K: Ich danke Ihnen 1OOO-maI.
Anmerkung:
KIEBER war während des gesamten Telefongesprächs sehr
nervös, hektisch und emotional bzw. psychisch sehr angespannt.
Auf Grund dieses Zustandes sprach er undeutlich und vollendete
oftmals nicht seine angefangenen Sätze. Er wiederholte sich
fortwährend und fand nur schwer zu einem Gesprächskonzept.
Anm.: Die obige Anmerkung stammt von der KKZ, die das abgehörte Gespräch
niedergeschrieben hat.
232
Also GUT! Das zweite Telefonat mit Hans-Adam war überstanden. Ich
stand sicher noch 20 Minuten in der Telefonzelle und wusste weder ein
noch aus. Wie konnten die in Vaduz nur glauben, dass ich, nachdem was
ich alles in den letzten fünf Jahren durchgemacht und erlebt hatte,
wieder nach Hause zurückkehren würde? Vor allem, nachdem ich einen
solchen Brief an Hans-Adam geschickt hatte. Offenbar hatten sie den
vollen Ernst der Lage nicht begriffen. Oder doch? Oder nicht? Ich werde
nicht, ich KANN nicht, ich darf nicht, NEIN, NEIN, NEIN. Wenn ich
jetzt nach Hause gehen würde, dann hätte sich nichts geändert. Und
niemand gab mir eine Garantie, dass mir nichts angetan werden würde.
Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass alles was sie mir gesagt hatten,
nicht wahr sein könnte und sie nur mit mir „freundlich‚ reden mussten,
damit sie mich nach Hause locken konnten.
Offenbar hatte Hans-Adam erkannt, dass es keine Sinn hatte, mir mit
Drohungen zu kommen. Obwohl, der Ausdruck von Hans-Adam am
Telefon „Ich befehle Ihnen, in den Wagen zu steigen‚ hatte schon ein
seltsames Gefühl in mir hinterlassen. So hatte ich Hans-Adam noch nie
reden hören. Er „befiehlt‚ mir nach Hause zu kommen? So oder so, ich
kam zu dem Schluss, dass Hans-Adam und der Bankdirektor mich nicht
verstanden hatten oder verstehen wollten.
Hans-Adam hatte ja am Telefon bestätigt, dass ich in der Sache
(Argentinien) Gerechtigkeit bekommen würde. Gerechtigkeit im Fall
Argentinien. Ich war erleichtert. Er hatte sich also der Sache
angenommen und erkannt, dass da vieles falsch gelaufen war in
Liechtenstein.
Anm.: Man darf nicht vergessen, dass ich nichts über ein KKZ und deren
Aktivitäten wusste. Ich dachte, dass zu diesem Zeitpunkt nur Hans-Adam in
vollem Umfang und der Bankdirektor im limitierten Umfang im Bilde waren.
Mit schnellen Schritten machte ich mich auf und davon. Für die nächsten
30 Minuten lief ich ziellos in Berlin-Mitte herum und versuchte mir einen
Reim auf das Gespräch mit Hans-Adam zu machen. Ich war wie
gespalten: Einerseits dachte ich, gut, steige ich in den Wagen, dann
wieder: Nein – niemals. Nur ein Dummkopf würde jetzt zurück nach
Hause fahren. Solange ich nicht heimkehren würde, solange würden sie
mit mir reden müssen. Sie hatten keine andere Wahl. Oder? Mal sehen.
233
VADUZ 14. Januar 2003 (nach dem Telefongespräch mit Hans-Adam)
Hans-Adam war sich nach dem Telefongespräch mit Kieber sicher, dass
in wenigen Stunden der ganze Spuk vorbei sein würde. Kieber würde in
den Wagen steigen und mit den Daten nach Hause kommen. Die
Experten im KKZ zeichneten nun ein Bild von Kieber, worin sie zum
Schluss kamen, dass er leicht zu knacken sei. Er wäre emotional am
Ende. Nicht nur wegen dem Erlittenem in Argentinien, nein –
insbesondere darum, weil er Gutes von Bösem unterscheiden konnte
und schon jetzt starke Symptome von Reue, über das was er dem HansAdam angetan hatte, zeigte.
Es wurde im KKZ beschlossen, dem Hans-Adam zu empfehlen, keinen
Anruf mehr auf dem Handy entgegenzunehmen und für Kieber nicht
mehr erreichbar zu sein. Aber Hans-Adam war damit nicht
einverstanden. Warum sollte er die „gut funktionierende‚
Kontaktmöglichkeit zwischen ihm und Kieber unterbinden? Dann kam
ihm in den Sinn, dass er ja ein fest eingebautes, abhörsicheres Telefon im
Staatswagen hatte. Wenn Kieber im Wagen sei, solle man ihm die
Chance geben, mit diesem Telefon nochmals Hans-Adam anzurufen.
Diesbezüglich gab es dann vor allem aber Bedenken von Seiten der
Regierung. Es wäre besser keinen „offiziellen‚ Kontakt mehr zwischen
dem Dienstwagen auf deutschem Gebiet und Vaduz herzustellen,
nachdem Kieber in den Wagen eingestiegen sei, und der Fahrer Richtung
Vaduz abgefahren sei. Nur wenn Kieber die Rückreise nicht antreten
würde, sollte der Fahrer sich telefonisch in Vaduz melden.
Der Audi A8 kam in Berlin an. Kaiser parkte den Wagen vor dem
Ankunftsterminal am Flughafen. Hr. B. war schon mit einer Maschine
aus Zürich gelandet und wartete auf ihn. Die beiden tauschten kurz ein
paar Worte aus und Kaiser übergab ihm das dicke Kuvert und die
Wagenschlüssel. Kaiser buchte sich einen Flug nach Zürich. Hr. B. fuhr
mit dem Wagen in die Stadt und rief über das Autotelefon auf dem
Schloss an. Er wurde nochmals instruiert, sich gegenüber Kieber nur auf
den Auftrag des Hans-Adam zu beziehen und ansonsten sich auf keine
Gespräche mit ihm einzulassen. Er sollte insbesondere auf den Inhalt des
Kuverts achten und müsste verhindern - wie besprochen - dass Kieber
direkten Zugriff darauf hatte. Er sollte sich uninteressiert zeigen und
sehr diskret verhalten. Er soll pünktlich laut Auftrag abfahren. Herr B.
erreichte das Zentrum Berlins und parkte den Wagen genau vor der LGT
234
Niederlassung am Kurfürstendamm. Er ging den ihm aufgetragenen
Plan nochmals im Kopf durch und wartete darauf, was jetzt geschehen
soll.
BERLIN 14. Januar 2003 (11:30 – 13:00 Uhr)
Ich fuhr in meine neue Unterkunft, wo ich die externe Harddisk mit all
den Daten der ganzen Treuhand aus dem Koffer holte und in meiner
Manteltasche verstaute. Ich setzte meine eigenen Schutzmassnahmen in
Gang. Also die im dicken Brief vom 7.1. an Hans-Adam geschilderte
Massnahme unter Punkt IX. Es ist immer besser, früher als abgemacht
aufzukreuzen. Ich schlich mich an jenen Strassenabschnitt des
Kurfürstendamm heran, wo die LGT das Büro hatte. Schon von Weitem
konnte ich den Audi A8 mit Liechtensteiner Kennzeichen erkennen. Es
sass jemand im Wagen. Aha, es ist Herr B. Ich kannte ihn persönlich, da
er oft nach der Arbeit im Schloss runter ins Vaduzer Städtle kam und ein
Feierabenddrink im Geschäft meines Onkels Guntram (der Hermann
meiner Tante) zu sich nahm. Herr B. ist ein feiner (Jung-)Geselle, der mit
seiner lieben Mutter im Vorarlberg lebt.
Anm.: Die meisten Angestellten auf dem Schloss sind Ausländer. Viele aus
Österreich, einige aus der Schweiz und sogar aus Brasilien. Aus zwei Gründen:
Hans-Adam ist sehr, na sagen wir es mal so: „kostenbewusst“. Ausländisches
Personal kommt ihn nur halb so teuer wie Einheimisches. Dies ist aber nicht der
Hauptgrund. Im Gegensatz zu seinen Eltern, ist dem Hans-Adam in Bezug auf
Diskretion das einheimisches Personal immer etwas suspekt geblieben. Er ist
noch misstrauischer als ich. Auch die Aussen- und Innenrenovation des
Schlosses hat er zu 90 Prozent an ausländische Firmen gegeben. Das ist dem
einheimischen Baugewerbe sehr sauer aufgestossen – obwohl sich öffentlich
niemand traut, es zu beklagen.
Aber halt, einen Moment mal, sagte ich zu mir. Wenn Hr. B. im Wagen
sitzt, wo ist dann der Herr Kaiser? Ich wusste von den vielen Telefonaten
mit dem Bankdirektor, dass Kaiser mit ihm in Frankfurt war. Es wurde
mir nicht gesagt, dass Kaiser nicht der Fahrer sein würde. Vielleicht
versteckte sich Kaiser im Wagen oder in den Büros der LGT.
Ich schritt mehrmals im grossen Rechteck um den Audi herum, um
heraus zu finden, ob es eine Falle sein könnte. Irgendwelche Berliner
235
Polizei? Oder gar Privatschnüffler? Andere Autos mit ausländischem
Kennzeichen? Ich vermutete, dass ein mobiles Überwachungsteam sich
so positionieren würde, dass es freie Sicht auf den Audi hätte. Alle
parkierten Wagen, die diese Bedingung erfüllten, waren aber
menschenleer. Dann blieben nur die Wohnungen und Büros auf beiden
Seiten des Kurfürstendamm. Da hatte ich keine Chance herauszufinden,
ob man mich beobachtete. Ich lief auf der gegenüberliegenden
Strassenseite zwischen den Schaukästen und Bäumen in Richtung LGT.
Blieb stehen und sah, dass Hr. B. am Telefon war. Er beendete das
Gespräch. Ich wartete weiter ab. Er bewegte den Kopf nicht und starrte
nur nach vorne. Mein Puls stieg und trotz der Kälte begann ich zu
schwitzen. Ich sagte zu mir, OK – ich riskiere es. Wenn sie zuschlagen,
dann jetzt. In meiner linken Manteltasche hielt ich die externe Harddisk
mit meiner Hand fest umklammert. Ich setzte zum Sprint an und blieb
hinter dem Audi abrupt stehen, schaute rechts und links, dann nach
oben, zur Türe und den Fenstern des Treppenhauses des Gebäudes wo
die LGT drin war, keine Seele war zu sehen. Nichts bewegte sich, kein
Mensch weit und breit. Selbst auf dem Gehsteig niemand. Der Motor
des Audi war im Leerlauf. Ich ging zur Beifahrertür und klopfte an die
Scheibe. Ohne auf die Einladung von Hr. B. zu warten, riss ich die Türe
auf und sprang auf den Sitz. Ich knallte die Türe sogleich zu und bat ihn
sofort die Zentralverriegelung zu betätigen, damit alle Türen
abgeschlossen sind. Er war etwas erstaunt und drückte aber ohne
Diskussion die entsprechende Taste. Er erkannte mich sofort. Ich
bedankte mich, dass er gekommen war. Aber wo ist Kaiser, fragte ich. Er
sagte, dieser sei mit dem Flugzeug nach Zürich zurückgeflogen. Und wo
ist der Bankdirektor? Von einem Bankdirektor wüsste er nichts. Wie ein
Marktschreier röhrte ich mehrfach schnell nacheinander, dass ich meine
Schutzvorkehrungen aktiviert hatte und daher keine Überraschungen
haben möchte. Totenstille im Wagen. Herr B. war sehr erschrocken und
mehr als etwas verlegen. Ich fragte ihn, ob er genau wisse, warum ich
hier sei. Er erwiderte überzeugend er habe „Keine Ahnung‚. HansAdam habe ihn gestern spät am Abend beauftragt, heute früh mit dem
Flugzeug nach Berlin zu fliegen und einen Kunden der LGT per Auto
wieder nach Vaduz zu fahren. So, so einen Kunden murmelte ich,
während ich die Aussenwelt beäugte. Aha, ein LGT Kunde, wiederholte
ich. Dafür hätte die LGT ihre eigene Wagenflotte und Fahrer, bemerkte
ich. Blödes Gespräch, fuhr es mir gleich durch den Kopf. Er was aber
eher nicht erstaunt, dass er keinen Kunden vor sich hatte.
236
Ich erkannte sofort, dass Hr. B. keine Gefahr für mich darstellte. Er sagte
dann zu mir, dass er den Auftrag habe, mir etwas zu zeigen. Ich aber
dafür aus dem Wagen steigen müsste und bitte vorne rum um den
Wagen vor die Fahrertüre kommen soll. Dies erschien mir dann etwas
suspekt. Er drückte wieder die Zentralverrieglungstaste und ich stieg
aus und nahm den Weg hinten, um das Heck des Wagens herum, da mir
fix der Gedanke kam, er könnte mich auf Befehl seines Herrn mit Vollgas
vor dem Wagen überfahren und es dann als „Unfall‚ verkaufen. Der
starke V8 Motor lief ja ständig.
Der Gedanke an solche Pläne von Hans-Adam mag nur auf den ersten
Blick weltfremd sein. Aber hier ging es um ein Milliardengeschäft, da
kann auch ein Hans-Adam ganz neue Wege gehen (wie sich fünf Jahre
später zeigen sollte). Ich stieg aus und hörte ein „Klack‚ und alle Türen
waren verschlossen. Dann hörte ich das Geräusch eines automatischen
Fensters. Zuerst dachte ich mir nichts dabei, da ich selber vor wenigen
Minuten verlangt hatte, dass die Türen geschlossen wurden. Trotzdem,
Hallo! Ich war ja nicht mehr im Wagen. Spinnt er jetzt? Scheisse, dachte
ich mir, es war eine Falle. Er hatte sich eingeschlossen, sodass ich ihn aus
Zorn keine runterknallen könnte, wenn Hans-Adams Schläger
zuschlagen. Nein, kein Ansturm weit und breit. Kommen die Bullen
etwa? Ruhe, nichts.
Herr B. hielt etwas in der Hand und presste es an die Scheibe. Sofort
konnte ich erkennen, dass es ein Liechtensteiner Reisepass war. Mit
einem Foto von mir. Der Pass lautete auf den Namen Ulrich Meier,
geboren am 18.06.1963. Ich konnte noch die letzten drei Zahlen der
Passnummer erkennen: 212. Herr B. lies das Fenster noch ein Stück
runter und sagte, dass er von Hans-Adam beauftragt worden sei, mir
diesen Pass „auszuleihen‚. Allerdings nur, wenn ich mit ihm im Wagen
zurück nach Hause fahre. Mit dem Pass sei ich Herr Ulrich Meier aus
Liechtenstein und sollte keine Angst haben, falls wir auf der langen
Strecke von Berlin bis an die Grenze Österreich / Liechtenstein
aufgehalten, bzw. kontrolliert würden. Die ca. 750 Kilometer würden wir
leicht in sechseinhalb Stunden abspulen.
Da war er! Der Pass, die Schutz-ID. Ich wusste, sie würden es tun. Ich
wusste es, sie würden den Pass wegen den Daten ausstellen. Sie hatten
damit Zeit und Sicherheit erzielt, Zeit um die wahren Probleme zu lösen.
Herr B. sagte aber gleich, dass ich den Pass nicht in die Hand nehmen
dürfte. Er würde den Pass während der Fahrt in einem abschliessbaren
Koffer verwahren. Dort hinein müsste er auch alle Unterlagen und
237
Datenträger, die ich von der LGT mitgenommen habe, legen. Ohne
Unterlagen keinen Pass, so die Order von Hans-Adam. Ohne Pass keine
Heimreise.
Ich schüttelte nur den Kopf.
Aha, Herr B. wusste also mehr als er zugeben wollte. Herr B. fragte mich
dann besorgt, ob ich denn die Daten nicht mitgebracht hätte? Ich deutete
ihm an, dass ich wieder in den Wagen steigen möchte. Er nickte mit dem
Kopf und machte ein Handzeichen, ich solle vorne um den Wagen zur
Beifahrerseite kommen. Der Motor war noch an. Ich lief natürlich hinten
rum. Im Wagen sagte ich zu ihm, dass die Daten sicher seien, ich einen
Brief für Hans-Adam geschrieben habe und leider NICHT mitkommen
könne.
Herr B. war konsterniert und meinte nur, ob ich sicher nicht mitkommen
wollte. Ich drückte ihm den Brief in die Hand und bat ihn diesen HansAdam persönlich zu übergeben, sobald er in Vaduz angekommen sei.
Ich rannte wie vom Teufel verfolgt davon, in die erste Seitenstrasse die
ich finden konnte. Dann immer gerade aus. Immer nur gerade aus. Erst
nach zwei, drei Kilometern musste ich atemlos anhalten. Wo gab es eine
Telefonzelle? Dort war eine!
Ich rief den Bankdirektor auf seinem Handy an. Es klingelte, also war er
entweder schon gelandet oder noch gar nicht abgeflogen, dachte ich mir.
Ich schilderte ihm kurz was geschah und schimpfte mit ihm, dass er
nicht in Berlin war und vor allem darüber, dass mir die Schutz-ID nicht
ausgehändigt wurde, sondern nur für eine Heimreise unter ihrer
Beaufsichtigung ausgestellt wurde. Ich liess ihn fast gar nicht zu Wort
kommen.
Ich schrie ihn an, dass alles gemäss den Anordnungen von Hans-Adam
geschehen sei. Er erwiderte, es gebe keine weitere Gelegenheit und ich
würde den guten Willen von Hans-Adam sehr strapazieren. Worauf ich
noch wütender wurde und schrie: Welch guter Wille? Mir gegenüber?
Scheiss guter Wille! Alles was ihr macht ist nur deswegen, damit
Deutschland, die USA und all die anderen Länder Eure schmutzigen
Geschäfte nicht erfahren.‚ Du kennst die Leichen im Keller, tobte ich am
Hörer. Nachdem ich mich wieder besonnen hatte, entschuldigte ich mich
sogleich für den Ausraster und sagte, dass ich an einer Lösung arbeiten
würde und ich mich bei Hans-Adam und allen bedankte. Ich
verabschiedete mich mit dem Versprechen, ihn bald wieder anzurufen.
Ich müsste zuerst wieder nachdenken.
238
VADUZ 14. Januar 2003 (11:30 – 14:00 Uhr)
Alle Mitglieder der KKZ trafen sich im Regierungsgebäude und waren
nervös. Man erhoffte sich endlich ein Ende des Dramas. Niemand ausser
Hans-Adam mochte laut aussprechen, was mit Kieber geschehen sollte,
sobald dieser heimischen, Liechtensteiner Boden unter seien Füssen
hätte. Vertreter der LGT verlangten aber das Kieber sofort nach
Grenzübertritt von einem Polizeikommando überwältigt werden sollte,
ihm alles abgenommen werden und er in das Gefängnis nach Vaduz
überstellt werden sollte.
Der Professor meinte aber, dass dafür später noch Zeit sei. Man sollte
Kieber seinen Mut und die Entscheidung nach Hause zurückzukehren,
hoch anrechnen. Zudem warnte der Professor, dass Kieber sehr, sehr
misstrauisch sei und bewiesen habe, dass er zu hoch komplizierten
Sicherheitsvorkehrungen in Bezug auf die Daten fähig war. Sollte er die
Daten den haben !
Eines sei ganz sicher, führte der Professor weiter aus. Wenn Kieber sich
dazu entscheiden sollte, in den Wagen einzusteigen, um sich nach Hause
chauffieren zu lassen, dann würde er auch jede nur erdenkliche
Möglichkeit, die wir auf unsere Seite im Kampf gegen ihn besitzen,
antizipiert und ergründet haben. Auch die Möglichkeit, dass wir ihn ins
Gefängnis werfen könnten.
Falls im Falle einer Falle Kieber keine sofortigen Reaktionen/Aktionen
geplant haben sollte, hiesse dies noch lange nicht, dass er nicht später
noch Aktionen umsetzten würde. Wir könnten ihn ja nicht auf ewig
hinter Gitter sperren. Mit dem Hinweis, dass in diesem Fall Kiebers
Rache das Vorstellungsvermögen der KKZ übersteigen würde, schloss
der Professor seinen Ausführungen. Die Vertreter der LGT beeindruckte
dies nicht gross, da sie eher der Meinung waren, dass Kieber die Daten
gar nicht hatte.
Aufruhr in der KKZ! Herr B. hatte gerade via Autotelefon mitgeteilt,
dass Kieber zwar gekommen sei, kurz mit ihm gesprochen und ein
Schreiben für Hans-Adam abgegeben hatte. Und er hatte gesagt, dass er
nicht mitfahren wolle oder könne. Herr B. hatte ihm den Pass durch die
Scheibe gezeigt. Herr B. würde Kieber jetzt nicht mehr sehen. Er werde
um 12.15 Uhr abfahren.
Um 12.10 Uhr rief der Bankdirektor in Vaduz an. Kieber habe ihn gerade
angerufen und gesagt, er verstehe nicht, warum er nicht in Berlin sei,
239
warum ihm die gezeigte Schutz-ID nicht ausgehändigt wurde. Was sollte
das alles, fragte sich der Bankdirektor. Wie konnten sie nur glauben,
dass Kieber jetzt nach Hause kommen würde.
Herr B. fuhr um 12.22 Uhr von Berlin ohne Kieber und vor allem ohne
Daten Richtung Vaduz ab. Enttäuschung machte sich breit. Vielleicht um
ihr eigenes Versagen zu schmälern, warfen die Vertreter der LGT die
Schlussfolgerung in die Runde, dass Kieber darum nicht in den Wagen
gestiegen sei, weil er in Wahrheit die Daten gar nicht hatte!
Aha, interessante Hypothese, bemerkte der Professor.
Hans-Adam jedoch war sehr fuchsteufelswild, dass ihm bis heute
niemand mit Sicherheit sagen konnte, ob nun Kieber die Daten hat oder
nicht. Selten hatte man ihn so fluchen hören. Offen wurde über
unorthodoxe Massnahmen diskutiert. Weniger von Seiten der Justiz und
der Polizei. Entschlossen aber von Seiten Hans-Adams, seiner
Marionettenregierung und der LGT, insbesondere der Treuhand.
Es sollte doch möglich sein, Kieber in Berlin aufzuspüren und
überwachen zu lassen. Sobald er zu den Daten gehen würde, oder man
in Erfahrung gebracht hätte, wo sie sich befinden finden, könnte man ihn
samt den Daten „nach Hause befördern‚.
Der Professor hakte nach: Wie denn? Mit Hilfe der Deutschen? Ein
Amts- oder Rechtshilfegesuch? Interpol? Nein, nein – natürlich nicht,
erwiderten alle anderen im Raum. Deutschland darf nichts, rein gar nichts
erfahren, verdeutlichte Regierungschef Hasler. Kein Staat darf etwas
davon erfahren. Nichts offizielles. Es gibt ja schliesslich private Firmen,
die dann aushelfen, wenn der Staat nicht kann. Es müsste doch sicher
etwas in dieser Richtung in Berlin geben. Der Professor, die Justiz und
die Polizei rieten von solchen Massnahmen dringend ab. Nicht
vorzustellen, wenn dies dann an die Öffentlichkeit gelangen würde. Der
Liechtensteiner Staat lässt einen eigenen Bürger in Berlin kidnappen und
illegal „nach Hause bringen‚.
Es zeigten sich die ersten Risse in der durchs Schicksal
zusammengewürfelten Gruppe in der KKZ. Der Professor, die Justiz und
die Polizei lehnten jede Gewaltanwendung kategorisch ab. Hans-Adam,
die LGT und die Regierung konnten dies zwar nachvollziehen,
jammerten aber, dass es hier um die Grundexistenz gehe. Nicht nur sie
sondern auch viele tausend Kunden würden Probleme bekommen.
Wenn die Daten und die Art und Weise, wie wir hier Geschäfte tätigen
ausländischen Behörden im Detail bekannt gemacht würden, dann
müssten wir hier dicht machen! Die Zukunft des Landes stehe auf dem
240
Spiel, waren sich alle einig. Man beschloss sich von nun an jeden Tag
mindestens einmal zu treffen. Zudem wurde auch entschieden, aus den
früheren Fehlern zu lernen und eine Liste anzufertigen, mit all jenen
Personen, die von der Angelegenheit wussten. Die Führungspersonen
jeder Einheit der Justiz, Polizei, Regierung, LGT (das Schloss
ausgenommen) sollten unter Androhung schwerer Konsequenzen (z.B.
sofortige Kündigung) die mitwissenden Angestellten zu äusserster
Verschwiegenheit verpflichten.
BERLIN 14. Januar 2003 (nach Abfahrt des Diplomatenwagens)
Was nun? Ich wusste es nicht. Am besten ginge ich schlafen, dachte ich
mir, heim in Petras Wohnung. Dort angelangt, nahm ich eine heisse
Dusche und legte mich flach. Obwohl ich todmüde war, konnte ich nicht
einschlafen. Jetzt kam mir in den Sinn, welche Person Hans-Adam
gemeint hatte, als er mich im Telefongespräch am Montag kurz vor
Mittag warnte, es könnte sein, dass eine Person, die ich im Brief erwähnt
hatte, mithören würde. Klar, da die Gespräche über das Handy von den
Bullen abgehört würden und dies Hans-Adam im voraus wusste, musste
er einen deutschen Staatsbürger gemeint haben, der dort als Experte für
die FL-Polizei arbeite. Hans-Adam konnte sich nur von den eigenen –
wenn auch nicht von allen - Staatsbürgern 100 Prozent Loyalität
erwarten. Selten von den Ausländischen. Zudem wären die Daten für
Deutschland ja hochinteressant. Hans-Adam befürchtete anscheinend,
dass dieser Deutsche, der auch noch Polizist war, geneigt sein könnte, an
die Daten ran zu kommen.
VADUZ 14. Januar 2003 (nachmittags)
Die Polizei verfasste einen weiteren schriftlichen Bericht über die
ausgedehnten Überwachungs- oder Nachforschungsmassnahmen für
Hans-Adam. Es wurde bei der Landesbibliothek Vaduz in Erfahrung
gebracht, dass Kieber einen Mitgliederausweis besass und 1999 zwei
Bücher, nämlich das Strafgesetzbuch(!) und die Strafprozessordnung(!)
ausgeliehen und erst nach langer Zeit wieder zurückgebracht hatte.
Auch wurde fieberhaft versucht, alle Internetseiten, die er in der
Bibliothek angeschaut hatte, herauszufinden, was aus technischen
241
Gründen nicht gelang. Auch wurden all seine alten Bankkonten bis ins
kleinste Detail auf Jahre zurück ausgeforscht und dokumentiert.
Anm.: Dazu kann ich nur sagen: hätte die Liechtensteiner Justiz nur halb soviel
Energie für die Entdeckung der Bankdaten von schlimmen Kunden verwendet
wie für die „Ausgrabung“ meiner wenigen Bankunterlagen, dann müsste sie
seit 2008 nicht hilflos zusehen, wie Woche um Woche, rund um den Globus
diese Art Kunden entlarvt werden.
Damit die Angelegenheit im Ländle selber nicht so bekannt wurde,
beschloss das KKZ weiter, die am 13.01.03 befehligte Razzia von zwei
Wohnungen und dem Haus von Kiebers Stiefmutter erst gegen Ende
Januar oder Anfang Februar 2003 durchzuführen.
Anm.: Unglaublich aber wahr: Das KKZ ordnete die Durchsuchung von zwei
bewohnten Wohnungen in Balzers an, obwohl ich nie dort gewohnt habe und es
überhaupt keinen Zusammenhang zwischen den Wohnungen oder der LGT gab.
Die später dann erfolgte illegale Durchsuchung wurde sogar so orchestriert,
dass die Bewohner nichts davon merkten, weil sie nicht anwesend waren.
Natürlich war die Durchsuchung ohne brauchbares Ergebnis.
Gegen späten Abend traf der Chauffeur Herr B. mit dem Audi auf
Schloss Vaduz ein. Hans-Adam wurde sofort aufgesucht. Er erhielt den
Brief von Kieber. Hans-Adam war nach der Lektüre erleichtert, da er
erkannte, dass eine von Kiebers Prioritäten vorerst die Sicherheit der
Daten und damit die der Liechtensteiner Finanzwelt war. Dann war er
wieder besorgt, da Kieber ihm weiter schrieb, dass er unter Zugzwang
stehe. Kieber könne nicht einfach sagen: „Schwamm drüber – hat halt
nicht geklappt‚. Nein, Kieber müsse etwas machen, nur was, das wusste
Kieber selbst noch nicht.
BERLIN 15. Januar 2003
Immer noch müde stand ich trotzdem schon um 06.00 Uhr morgens auf.
So konnte es nicht weiter gehen. Der Wagen war weg und nichts hatte
sich geändert. Nach reiflicher Überlegung kam ich zum Schluss, dass es
besser war, Abstand zu nehmen und Zeit zu gewinnen. Eine Woche
sollte reichen. Dafür musste ich die nächste Stufe der vorbereiteten
Kommunikationsmöglichkeit aktivieren. Die Art von Verbindung wie
ich es im Brief vom 07.01.03 unter Punkt "X." beschrieben hatte. Obwohl
242
ich es darin präzise geschilderte hatte, hatte ich bedenken, ob die in
Vaduz diesen Punkt auch richtig lesen und interpretieren könnten.
Mit dem Thema „Frankfurt‚ hatte es ja nun gar nicht geklappt. Der
Grund warum ich ein „codiertes‚ Kennwort ausgerechnet im sichersten
Raum im Schloss Vaduz angebracht hatte, war ja, dass ich unbedingt
erreichen wollte, dass sich Hans-Adam persönlich mit dem Fall befasste.
Obwohl ich den direkten Kontakt nicht scheute, absolut nicht, fand ich,
dass es besser sei, wenn auf schriftlichen Weg kommuniziert würde und
zwar so lange bis wieder ohne Drohungen und Schimpfen miteinander
geredet werden konnte.
Selbst bei der Auswahl des Internetproviders für das gemeinsam zu
benutzende Emailkonto hatte ich mir vor der Abreise aus Liechtenstein
den Kopf zerbrochen. Die drei Säulen von Hans-Adam bestehen aus
Geld, Macht & Kirche (Glaube). Die ersten zwei Säulen hatte ich ja schon
in starke Vibrationen gesetzt. Für die letzte Säule erschien mir die
Webseite einer katholischen Organisation mit Sitz und Server in den
USA als ideal. Das Konto hatte ich schon im Dezember 2002 eingerichtet.
Instruktionen wie das Konto von mir und Hans-Adam verwendet
werden sollte, hatte ich in einer ersten Email im Ordner „Entwurf‚
gespeichert. Da ja beide Seiten dasselbe Emailkonto verwenden würden,
würde kein Email versandt werden, sondern nur jeweils der neue Text
im Ordner „Entwurf‚ abgespeichert werden. Auf die Idee kam ich, weil
meine Recherchen ergeben hatten, dass es ohne den klassischen
Emailversand praktisch unmöglich oder zumindest sehr, sehr schwierig
sein würde, die IP-Adresse (und damit den genauen Computerstandort)
herauszufinden. Mit der Auswahl von „www.catholic.org‚ wollte ich
auch im Unterbewusstsein an das starke Dogma von Hans-Adam
appellieren.
Klare Hinweise auf das LOGIN-Wort und damit auf das Passwort hatte
ich ja schon im Brief vom 07.01.03 geschrieben. Es war nicht einfach, eine
Wortkombination zu finden, die praktisch jedes Missverständnis
ausschliessen würde. Ich musste ihm nur noch den Namen der Webseite
mitteilen.
Bevor ich dies aber tun konnte, formulierte ich eine neue Nachricht für
ihn und speicherte sie im Entwurf-Ordner. Mit einem Trick deponierte
ich den fertigen Text mit Datum 15.01.03, obwohl er am 14.01.03
geschrieben wurde. Dies aus taktischen Gründen. Im Text wiederholte
ich die Begebenheiten der letzten 48 Stunden und meine Gründe, warum
243
ich nicht in den Wagen eingestiegen war. Ich erklärte, dass ich ab
nächsten Dienstag, den 21.01.03 ein Mal pro Tag bei der LGT in Berlin
anrufen würde, um in Erfahrung zu bringen, ob ein Umschlag für mich
angekommen sei.
Um jede Unklarheit auszuschliessen, schrieb ich ganz deutlich, dass ich,
falls Post da sein würde, diese nicht selber abholen würde, sondern eine
andere Lösung (z.B. Kurier oder Weiterversand) im Sinne hätte. Sollte es
nur die kleinste Andeutung einer Falle geben, so würde ich mich
zurückziehen. Ausserdem schrieb ich, dass ich akzeptiere würde, wenn
Hans-Adam nun die Schutz-ID nicht mehr hergeben will. Dann sollte er
im Gegenzug aber auch akzeptieren, dass ich andere Wege gehen
müsste. Um nicht ewig hier in Berlin herumhängen zu müssen, musste
ich ein Datum festlegen. Ich schrieb, dass ich nur bis Ende Januar, also
Freitag, den 31.01.03 warten könnte. Sollte bis dahin nichts gehen, so
würde ich mich simultan an die Deutschen und die Amerikaner wenden.
So weit – so gut. Ich schloss das gemeinsam zu nutzende Emailkonto
und loggte mich in mein eigenes, altes ein. Von diesem Emailkonto
schrieb ich an die drei bekannten Emailadressen von Hans-Adam eine
höfliche Mail mit einem Einzeiler, worin ich den Namen der gesuchten
Homepage (Webseite) preisgab: www.catholic.org.
VADUZ 15. Januar 2003
Die KKZ kam zusammen und diskutierte das weitere Vorgehen. Der
Professor distanzierte sich nochmals von jeglicher Anwendung von
Gewalt. Er als Psychologe war naturgemäss dagegen. Die LGT Treuhand
konnte immer noch keine felsenfesten Beweise vorlegen, ob nun Kieber
die Daten hatte oder nicht. Da die KKZ ja genügend Anhaltspunkte über
den Aufenthalt von Kieber besass, wurde beschlossen, eine private
Firma, die sich auf das Aufspüren von Personen und Güter spezialisiert
hatte, anzuheuern.
Der Auftrag sollte aber sehr vorsichtig erteilt werden, man dürfte der
Spezialfirma auf keinen Fall mitteilen, dass Kieber Liechtensteiner sei, er
bei der LGT gearbeitet hatte und er eventuell alle Daten der LGT
Treuhand hatte. Es soll nur gefordert werden, dass man Kieber ausfindig
machen sollte, ihn beschatten müsste und ein Verhaltens- und
Bewegungsmuster erstellt werden sollte. Auf keinen Fall dürfe er
angesprochen werden. Nach erfolgreicher Identifikation sollte die Firma
244
sofort Rückmeldung an den Auftraggeber machen. Damit keine
Rückschlüsse möglich waren, dass Liechtenstein der Auftraggeber war,
wäre es zweckdienlich, wenn die LGT über einen Firmenanwalt aus
Belgien, genauer aus Brüssel den Auftrag erteilen würde. Auch sollten
dafür keine Anrufe oder Emails aus Liechtenstein gesendet werden.
Kontakt mit den Zwischenmännern wäre nur über das Schweizer
Telefon- oder Emailnetz erlaubt. Da keine Massnahmen mit
Gewaltanwendung erteilt worden waren, war der Professor mit diesem
Plan einverstanden.
Die Email Kieber's mit dem Namen der Webseite kam drei Mal auf
Schloss Vaduz an. Weder die Sekretärin von Hans-Adam noch Alois
selber nahmen sie vorerst ernst. Kieber könnte unmöglich im sichersten
und wertvollsten Raum des Schlosses ein Hinweis angebracht haben,
dachten sie sich. Deswegen hatte Hans-Adam auch nicht nachgeschaut,
als er davon im Brief vom 07.01.03 zum ersten Mal gelesen hatte. Das
Sekretariat des Schlosses sendete um 14.32 Uhr eine Kopie der Email zur
Polizei und eine an das KKZ.
VADUZ 16. Januar 2003
Im Protokollzimmer der KKZ wurde die Email ausgedruckt und fein
säuberlich protokolliert. Die Kernmitglieder der KKZ, ohne Hans-Adam
und seinen Sohn, kamen zu einer weiteren Sitzung zusammen. Man
erinnerte sich an irgendwelches Zeug, dass Kieber in diesem
Zusammenhang im Schreiben vom 07.01.03 erwähnt hatte. Es wurde
gerätselt ob Kieber vielleicht doch in den Bilderbunker gelangt war und
ob er etwas hinterlassen oder platziert haben könnte. Und ob es
gefährlich sein könnte.
Das KKZ rief Hans-Adam auf dem Schloss an und bat ihn doch
nachschauen zu gehen. Er und sein Sohn Alois wollten aber nicht alleine
in ihren eigenen Bilderbunker gehen. Hans-Adam telefonierte mit dem
Regierungschef Hasler und dem Kripochef Hoch. Er bat sie sofort aufs
Schloss zu kommen. Der Kripochef nahm sich einen bewaffneten
Beamten mit und holte dann Hasler mit einem unmarkiertem
Polizeiwagen wieder vom Regierungssitz ab. Gemeinsam fuhren sie zum
Schloss. Herr Kaiser öffnete die schwere Türe zur betonierten
245
Schatzkammer im Rundturm im Beisein von Hans-Adam, Alois, Hasler,
Hoch und dem Beamten. Zuerst inspizierten sie die elektrische Anlage
gleich rechts neben dem Eingang. Alles schien normal zu sein. Gemäss
den Angaben von Kieber sollte sich im Blickwinkel eines ideellen
Selbstbildnisses des Malers Gerard DOU ein Hinweis verstecken, woraus
Hans-Adam das LOGIN-Wort und auch das Passwort erraten könnte.
Das Bild wurde schnell gefunden. Der Metallrahmen Nr. 49/50 auch.
Hans-Adam und Alois waren schockiert: ein 4 cm x 1 cm langer Kleber
war dort angebracht, worauf „Mexico 67‚ stand. Hans-Adam, brachte
kein Wort mehr heraus.
So war es sein Sohn Alois, dem sofort das Wort „Hochzeitsreise‚ einfiel.
Ja genau, erwiderte Hans-Adam, im Jahre 1967 waren er und seine Frau
Marie auf ihrer Hochzeitsreise in Mexiko. Somit hatten sie nun das
LOGIN-Wort „mexico67‚ und das Passwort „hochzeitsreise‚.
Langsam begriffen alle im Raum, dass Kieber sehr wohl alles äusserst
penibel geplant haben musste.
Anm.: Auch der Hinweis auf den Maler Gerard DOU war speziell von mir
ausgesucht worden. Die Verbindung zwischen dem Leben des Maler Gerard
Dou, diesem Bild und des sich abspielenden Dramas erkannten weder HansAdam noch seine Truppe nicht. Sicherlich, es war nicht von soooo grosser
Bedeutung. Dou gilt als Begründer der Leidenden Feinmalerei – Leiden mussten
hier in dem aktuellen Drama alle. Aber das besondere für mich im Bild von Dou
im Besitzt von Hans-Adam war, dass Dou sich selber als Musiker zeichnete und
damit seinen wahren Beruf (Maler) verschleierte. Diese Kunst der
“Verschleierung, der „Täuschung“ gefiel mir sehr als Metamorphose.
Sie alle liefen die Treppe hoch ins Freie und runter zum kleinen
„Bürokomplex‚, die an die Schlossaussenmauer grenzenden
Räumlichkeiten, die Hans-Adam als seine Geschäftszimmer benutzt. Die
Sekretärin loggte sich auf www.catholic.org ein. Mit Hilfe des Punkt "X."
aus dem Brief von Kieber fanden sie seine erste Mitteilung, gespeichert
im Entwurf-Ordner. Die im Raum nicht anwesenden Mitglieder des KKZ
wurden später über den Stand der Dinge informiert. Grundsätzlich
waren alle etwas erleichtert, da sie jetzt schon mal eine Woche Zeit
gewinnen konnten und der Professor kam auch zu dem analytischen
Schluss, dass Kieber vor Ende Januar 2003 nichts unternehmen würde.
246
BERLIN 16. – 20. Januar 2003
Ich hatte mir eine Verschnaufpause gegönnt, die ich dringend benötigte.
Obwohl ich eigentlich im totalen Stresszustand war, fühlte ich mich
sicherer hier in Berlin als in Liechtenstein. Was mich antrieb war der
„beruhigende‚ Gedanke, dass im Unterschied zu den vorhergegangenen
sechs Jahren Liechtenstein nun gezwungen war, etwas zu tun. Diese
Tatsache alleine war schon eine Tröstung für mich. Obwohl ich wusste,
dass sie mir auch Böses antun konnten, war dies mir „scheiss egal‚.
Hauptsache war - sie machten irgendwas.
Meine Vermieterin Petra war sehr angenehm. Ich stellte sehr schnell fest,
dass meine Sachen bei ihr nicht in Gefahr waren. Jeweils fürs
Wochenende fuhr sie ins Elsass zu ihrem Freund und ich hatte die ganze
Wohnung für mich allein. Ich durfte sie sogar einmal bei ihrer Arbeit im
Luxuskaufhaus Lafayette besuchen. Meine Situation war schon paradox.
Ich war, wie immer, freundlich und lächelnd. Niemand hätte im Traum
erraten, dass sich fürchterliches mit mir, um mich und wegen mir
abspielte.
Ich vermied in die Nähe der LGT Berlin oder in die Ansbacherstrasse zu
gehen. Man wusste ja nie, ob die von der LGT oder andere Ausschau
nach mir hielten. Und meiner früheren Vermieterin Daniela wollte ich
auch nicht wieder über den Weg laufen. Mit dem Bus, der Bahn oder zu
Fuss entdeckte ich andere schöne Teile der Grossstadt.
Mit der Zeit lernte ich die Berliner Strassen und Besonderheiten gut
kennen. Den Kiez, die grossen geschichtsträchtigen Plätze, die Museen,
das Brandenburger Tor, der Berliner Schlag. Ab und zu besuchte ich ein
Internetcafé, um mich abzulenken. Ich durchforschte die Schweizer
Medienlandschaft, um zu beobachten, ob irgendwas bis zur Presse
durchgesickert war.
Nur ein Mal die Woche besuchte ich meine Bank. Dort wo ich die Daten
im Safe hatte. Ich notierte mir den ausgewählten Weg dorthin jedes Mal
genau, um später denselben Weg nie mehr zu nehmen. Um eventuelle
Verfolger zu verwirren, begab ich mich täglich in eine andere
Bank(Filiale) irgendwo in Berlin, wartete in der Schlange vor dem
Schalter bis ich an der Reihe war, stellte dann triviale Fragen und
versuchte nachher, wann immer es die Räumlichkeiten erlaubten, mich
in eine Ecke zu stellen, die man von aussen nicht einsehen konnte. So
247
würden eventuelle Beobachter denken, ich sei in den Tresorraum der
Bank gegangen. Verwirrung war, ist und bleibt immer Trumpf.
Ich war stets übervorsichtig und beobachtete was um mich herum
geschah. Ich beobachtete vor allem die parkierten oder langsam
fahrenden Wagen. Nie war etwas Besonderes zu bemerken. Dann aber
löste ein Auto einen Blitzgedanken bei mir aus. Ein alter VW LT
Transporter in orange-gelber Farbe. Viele Schweizer Dörfer und
Gemeinden fuhren genau so einen als Kommunalwagen
(Werkshofwagen). Der Wagen hatte ein Berliner Kennzeichen. Was mich
nun sehr stutzig machte, war die Tatsache, dass ich genau diesen
Wagentyp mit der ungewöhnlichen Farbe schon früher am selben Tag
gesehen und anscheinend im Unterbewusststein registriert hatte. Und
zwar in Wedding. Nun befand ich mich aber in Dahlem. Nicht das ich
behaupte übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen oder „James Bond‚ zu
sein, definitiv nicht. Aber der Zufall, dass in der Millionenstadt Berlin
innerhalb von wenigen Stunden derselbe auffällige Wagen genau dort
war, wo ich mich befand, kann keiner sein.
Dahlem und Wedding sind ein gutes Stück voneinander entfernt. Ich
liess mir nichts anmerken und anstelle in die nächste zufällig
ausgewählte Bank zu gehen, begab ich mich auf die andere Strassenseite.
Der VW war in einer Seitenstrasse geparkt. Niemand war im Wagen.
Sofern ich dies erkennen konnte. Ich stellte mich vor einen Laden und
drehte mein Gesicht zum Schaufenster. In der Glasspiegelung konnte ich
einen fetten Mann sehen, der die Beifahrertüre öffnete, einstieg und
dann in meine Richtung schaute.
Unerwartet rannte ein kreuzdumm gekleideter Jogger sehr nahe an
meinem Körper vorbei. Er drehte sich um und schaute mich an. Ich
dachte, was für ein Idiot, bei bald Minustemperaturen hier mitten in
Berlin so gekleidet joggen zu gehen. Als der Jogger nicht aufhören
wollte, mich anzugucken und ich halt „zurückstarrte‚, wusste ich, dass
hier etwas faul war. Spontan, ohne gross vorher nachzudenken, rannte
ich einfach los, auf ihn zu. Er erschrak und blieb wie versteinert stehen.
Ich fragte ihn, ob er wisse wie spät es sei und er erwiderte, dass er keine
Uhr habe. OK, sagte ich. Schönen Tag noch. Der Jogger lief schnurgerade
auf den VW Transporter zu und stieg hinten ein.
Dem Dialekt nach zu beurteilen, war es ein Berliner. Mit weit geöffnetem
Mund beobachtete ich dann wie ein weiterer, etwas älterer Mann aus
einem Hauseingang trat und auch im Wagen verschwand. Verdammt
noch mal – fluchte ich. Hans-Adam lässt mich beschatten und man hatte
248
mich gefunden. Die Tatsache, dass sie mich gefunden hatten, verwirrte
mich nicht so sehr. Es war ja ein Kampf zwischen meiner Wenigkeit und
der geballten Geldmacht aus Liechtenstein. Da konnte ich nur den
Kürzeren ziehen. Aber was wussten sie? Wo ich wohnte, wo die Daten
waren?
Ich rekapitulierte meine Aktivitäten der letzten Tage und versuchte
fieberhaft mich zu erinnern, ob ich den Wagen schon mal anderswo
früher gesehen hatte – erfolglos. Ich konnte mich natürlich nicht
erinnern. Mir wurde schlecht und ich brach alle geplanten Aktivitäten
für diesen Tag ab. Ich fuhr mit der Ringbahn sicher mindestens
eineinhalb Stunden im Kreis herum. Stets mit erneuertem Fahrschein,
wo nötig. Ich traute mich erst im Dunkeln wieder nach Hause. Keiner
war mir gefolgt. Gott sei Dank. Ich entschloss mich, vorerst meinem
Feind in Vaduz nichts darüber zu berichten, dass ich die Verfolger
entdeckt hatte.
VADUZ 17. – 21. Januar 2003
Das KKZ beschloss, die engsten Freunde von Kieber in Liechtenstein
sorgfältig anzugehen und unter Anwendung von Tricks aus der
Psychologiekiste herauszufinden, ob sie etwas wussten, oder ob sie gar
mit ihm im Januar Kontakt hatten. Einer der Tricks war, es wurde
verbreitet, dass Kieber in Gefahr sei und man ihn dringend warnen
müsste. Dazu bräuchte man aber seine Adresse oder Kontaktnummer im
Ausland.
Eine meiner besten Freundinnen wurde von der Polizei zur Seite
genommen und ausgefragt. Erstaunlicherweise wurde ihr mehr oder
weniger reiner Wein eingeschenkt, sozusagen einen ‚Vaduzer Riesling‚.
Man hatte ihr zwar nicht gesagt, dass Kieber behaupten würde, dass er
die Daten hätte, es wurde ihr aber gesagt, dass Kieber Hans-Adam einen
bösen Brief geschrieben hatte. Sie wurde aufgefordert, sich bei der
Polizei sofort zu melden, falls Kieber sie kontaktieren würde. Aus all den
Observationen und weiteren Befragungen (auch von anderen Personen)
waren dann schlussendlich keine brauchbaren Ergebnisse zu vermelden.
Gute Nachricht aus Deutschland: die KKZ meldete Hans-Adam, dass die
beauftragte Schnüfflerfirma aus Belgien Erfolg hatte. Sie konnten Kieber
auf Grund der ihnen per Email zugesandten Fotos identifizieren. Die
249
grossen (finanziellen) Auslagen, um an 23 Internetcafés rund um das
Zentrum von Berlin strategisch nach Kieber Ausschau zu halten, hatten
sich gelohnt.
Schon am dritten Tag war man erfolgreich. Wie so oft in dieser Affäre,
versicherte Hans-Adam, dass er von den Kosten nichts hören wollte, da
Geld absolut keine Rolle spielte. Leider musste die KKZ des Weiteren
berichten, dass man noch nicht herausgefunden habe, wo Kieber die
Daten aufbewahren und wo er wohnen würde. Es hätte auch einen
Zwischenfall gegeben, bei dem Kieber einer der Verfolger persönlich
angesprochen und nach der Uhrzeit gefragt hatte. Die beauftragte
belgische Firma bestätigte, dass deren Deutsche Partner aber ausgesagt
hatten, dass Kieber nichts gemerkt hätte. Auf Grund des
„Feindkontakts‚ musste sich die Verfolgertruppe zurückziehen und
hatte deshalb Kieber aus den Augen verloren. Man sei sich aber ganz
sicher, ihn wiederzufinden.
Hans-Adam war mit diesem Zwischenbericht sehr zufrieden und wollte
nochmals versichert haben, dass weder die Belgier noch deren Deutsche
Partner wissen, um was es in Wirklichkeit ginge. Diese Zusicherung
wurde ihm vom Regierungschef Hasler erteilt. Die Stimmung innerhalb
des KKZ stieg merklich. Alle dachten nun, dass sie einen grossen
taktischen Vorteil hatten. Was so beruhigend in den Hinterköpfen der
meisten Mitglieder des KKZ war, war die Vorstellung, dass wenn alles
Verhandeln mit Kieber schief gehen würde, man ihn auch mit harten
Methoden habhaft werden könnte. Dank der Verfolger.
Je länger der Professor mit den anderen aus der KKZ über diesen Fall
diskutiere und sich beriet, um so mehr wurde er stutzig und erkannte als
Psychologe, dass vor allem der Exboss von Kieber, Dr. Feuerstein, und
die anderen Herren der LGT, sich mit moralischer Unterstützung von
der Regierung, auf einen gefährlichen Weg einschwenkten.
In den vergangenen Tagen musste Feuerstein mehrfach zur
Besonnenheit aufgerufen werden, als er lautstark nach, wörtlich,
„Anwendung von Stasimethoden verlangte‚, um Kieber in Deutschland
mit Hilfe von Privatfirmen festzuhalten und nach Liechtenstein zu
verschleppen.
In der Hitze der Debatte fielen auch symbolische Worte wie: „Wir
müssen Kieber umlegen‚, „Er muss Mundtod gemacht werden‚. HansAdam, als „Oberkommandierender‚ hatte Mühe seine Truppe auf eine
250
Linie zu bringen. Er begriff, dass Kieber gute Gründe hatte, als dieser ihn
im Brief gebeten hatte, auf keinen Fall seinen Exboss als Mediator oder
Schlichter für dieses Drama zu ernennen.
Hans-Adam entschied, dass neue Ideen für eine Lösung nur vom
Professor als Spezialisten kommen sollten. Der Professor wurde
beauftragt, einen Text vorzubereiten, der dann als Mitteilung am
nächsten Tag, den 21.01.03 in das Emailkonto gestellt werden sollte.
251
KAPITEL 9 Chaos-Tage ohne Ende
BERLIN 21. Januar 2003
Dienstag! Ein Tag der Wahrheit, dachte ich mir schon die ganze Nacht
hindurch. Ich war schon um fünf Uhr auf den Beinen und im
winterlichen Berlin unterwegs. Zum Glück gab es einige Bäcker, die
schon früh ihre Ware an die Kundschaft verkauften. Bevor ich die LGT
am späteren Nachmittag anrufen würde, kam mir ein altes Sprichwort in
den Sinn: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Ich war neugierig, was sich in Liechtenstein so zutragen würde. Ich
konnte der Sache nur auf den Grund gehen, indem ich zufällig ein paar
Bekannte und Freunde dort anrief.
Himmel und Hölle noch mal. Nicht zu fassen! Schon beim zweiten Anruf
brach die schöne Scheinwelt zusammen (siehe auch „Vaduz 22. Januar
2003‚). Mir lief es kalt den Rücken runter. Diese Mistkerle, dachten wohl,
sie könnten mich übertölpeln. Nicht nur, dass sie in Berlin Verfolger auf
mich angesetzt hatten, Nein, sie mussten auch noch das halbe
Liechtenstein umgraben, um herauszufinden, wer dort wo, was, warum
und eventuell etwas wusste.
Wartet nur, fluchte ich schon wieder. Es wurde mir noch kälter als es
sowieso schon war. Das bedeutete, dass ich auf keinen Fall in die Nähe
der LGT, ja nicht einmal ins Zentrum von Berlin gehen durfte, es war
eine Falle!
Was nun, grübelte ich. Wenn ich etwas in den letzten fünf Jahren gelernt
hatte, dann dass man in einer solchen Situation zuerst immer den Kopf
klar bekommen muss und nicht gleich gegen die nächste Wand rennen
darf. Ein Anruf bei der LGT Berlin kam also nicht mehr in Frage. Ich fuhr
mit der Bahn an die südliche Stadtgrenze von Berlin und suchte ein
Internetcafé auf. Ich öffnete das gemeinsame Emailkonto und fand
nachstehende Nachricht für mich im Entwurfs-Ordner:
Ich wurde beauftragt, mit Ihnen eine Transaktion durchzuführen,
welche von gegenseitigem Interesse getragen ist. In diesem
Zusammenhang wurde ich sowohl über die Hintergründe als
auch über die bisherigen Versuche informiert, diese Transaktion
abzuwickeln. Diesbezüglich enthalte ich mich jeglichen
Kommentars. Mein Auftrag besteht lediglich darin, die von Ihnen
252
gewünschte Transaktion vorzubereiten und in beiderseitigem
Interesse sauber durchzuführen. An weiteren
Hintergrundinformationen (Namen, Details, Schuldzuweisungen
etc.) habe ich kein Interesse, sind nicht Teil meines Auftrages und
deshalb unerheblich. Geben Sie mir die weitere Vorgehensweise
für die Transaktion bekannt.
Anm.: Ich wusste natürlich zu jenem Zeitpunkt nicht, dass dies vom Professor
Dr. Thomas Müller geschrieben wurde. Ich wusste ja auch nicht, dass
überhaupt ein Professor angeheuert wurde.
Aha, verspottete ich sie: Sie spielten auf Kooperation. „Wir helfen dir‚,
„Wir suchen eine gemeinsame Lösung‚ u.s.w. – alles Quatsch und fauler
Käse. Schnell loggte ich mich wieder aus dem Emailkonto aus. Noch
schneller verliess ich das Internetcafé. Ich verschwand in der Masse von
Fussgängern in Richtung Bahnhaltestelle. Dies alles ergab keinen Sinn.
Im Gegensatz zum Gegner hatte ich nur mich selber. Meine Hirnmasse
gegen alle anderen, die da offenbar Böses erwogen. Na ja, ehrlich gesagt,
mein eigenes Drehbuch war ja auch nicht gerade des Himmels würdig.
Ich überlegte lange, was die Vor- und die Nachteile wären, wenn ich
denen in Liechtenstein mitteilen würde, dass ich die Verfolger erkannt
hatte und auch wusste, was im Ländle so vor sich ging. Ich entschloss
mich, dem Hans-Adam eine diesbezügliche Nachricht im Emailkonto zu
hinterlassen.
Diesmal ging ich dafür in einen Buchladen. Ich versuchte mich ins
Emailkonto einzuloggen. Klappte nicht. Ich zweifelte an meinem
Geisteszustand. Warum konnte ich nicht ins Emailkonto rein? Das
LOGIN und das Passwort stimmten. War ich nun wahnsinnig geworden,
fragte ich mich. Fast drei Stunden lang versuchte ich es. Die Angestellten
vom Buchladen wunderten sich schon, da ich immer nervöser wurde.
Aus Höflichkeit kaufte ich am Ende ein Kochbuch (ich habe es heute
noch).
Aber, aber – die Superschlaumeier in Vaduz! Auf einmal wusste ich, was
der Grund für das Problem sein könnte. Garantiert hatte Hans-Adam
angeordnet, im gemeinsamen Emailkonto ständig eingeloggt zu bleiben,
um die Kontrolle zu haben. Klar, das musste es sein. Ich wusste, dass es
wenige Emailprovider gibt, die technisch so ausgerüstet waren, dass
gleichzeitig von zwei verschiedenen Terminals aus dasselbe Emailkonto
benutzt werden konnte. Die Katholiken von www.catholic.org gehörten
253
nicht dazu. Um 14.37 Uhr schickte ich deshalb, wiederum von meinem
eigenen, alten Emailkonto aus zwei Mal die folgende Meldung an HansAdam eigene Büro-Emailadresse.
Durchlaucht
Ich habe die Nachricht im anderen E-mailaccount heute Morgen
gelesen. Seit ca. 4 Stunden versuche ich eine neue Mitteilung
einzugeben. Ich kann zwar das E-mailaccount aufrufen, aber die
Anzeige bleibt BLANK: d.h. die Ordner sehe ich nicht. Am
Terminal liegt es nicht, da ich schon an 4 verschiedenen es
versucht habe. Kann es sein, dass Sie oder der andere Herr das Emailaccount ständig offen haben? Bitte jeweils immer ausloggen,
ansonsten kann ich nichts hineinschreiben. Vielen Dank und mfg
h.k.
Offenbar hatte man in Vaduz diese Email gleich begriffen, denn ab 16
Uhr war das Login von meiner Seite aus wieder erfolgreich. Es war kein
neuer Text für mich gespeichert. So sah ich es für angebracht, klares
Wasser einzuschenken und dem Hans-Adam ein paar Dinge zu
erzählen, von denen er fest glaubte, dass ich nichts davon wusste. Erst
spät in der Nacht hatte ich den formulierten Text fertig und stelle ihn in
den Entwurfsordner. Mit der erhofften Sicherheit, dass mir niemand bis
zur Wohnung gefolgt war, konnte ich den Tag endlich vergessen und
war froh, als Petra mich zu einem gemeinsamen gekochten Nachtessen
einlud.
VADUZ
22. Januar 2003
Das KKZ war pünktlich ab 07.30 Uhr wieder aktiv. Um 07.48 Uhr wurde
sich schon in das Emailkonto eingeloggt und ein drei Seiten langer Text
von Kieber vom Vortag gefunden. Darin schrieb Kieber, wie immer
höflich aber bestimmt, dass er sich zuerst für die Nachricht bedankte,
dann über zwei Vorkommnisse reden möchte, die ihn offenbar sehr
beunruhigten. Kieber schrieb, dass er wisse, dass Privatdetektive in
Berlin auf ihn angesetzt worden waren. Er hatte sie erkannt. Er warnte
sie, sollte er wieder Verfolger sehen, würde er eine Konfrontation mit
katastrophalen Folgen provozieren. Er verlangte, dass man diese
Schnüffler sofort abziehen sollte.
254
Obwohl er im Brief vom 07.01.03 ausdrücklich darum gebeten hatte – im
Interesse von allen wenigen Beteiligten und Informierten - alles zu
unterlassen, was einer Bekanntmachung des sich anbahnenden Dramas
gleich kommen würde, habe er in Erfahrung bringen könnten, dass das
Gegenteil geschehen war.
Er wisse nun, dass es mehrere Krisensitzungen der Regierung mit HansAdam und Co. gegeben hatte, dass die Polizei mehrfach diskret aber
abnötigend bei Bekannten und Verwandten nach ihm geforscht hatten,
dass dabei ständig nach seiner Adresse im Ausland gefragt würde.
Kieber wisse auch, dass es offenbar zu einer Anzeige gekommen sei und
eine Art Krieg gegen ihn geführt würde. Er schrieb sogar, dass dies ihn
nicht überraschte, da ja jeder seine eigenen Ziele verfolgen würde.
Trotzdem sei er zu triefst geschockt. Kieber bat auch um ein Treffen am
Freitag, den 24.01.03.
Rund um blasse Gesichter im der KKZ. Niemand traute sich vor und
wollte derjenige oder diejenige sein, die die Bad News dem Hans-Adam
überbringen würde. Jemand musste es aber tun. Der Professor war da
wohl am Besten geeignet. Hans-Adam wurde aufgeklärt und er bekam
einen seiner seltenen öffentlichen Wutanfälle. Er fragte, was für eine
Tölpelfirma man da in Berlin angeheuert hätte, wenn Kieber schon beim
ersten und offenbar einzigen Kontakt deren Mission entdeckt hatte. Er
schrie, wie konnte Kieber, der "1000 Km" weit weg in Berlin war,
herausfinden, was wir hier in Vaduz unternommen hatten. Er ging sogar
soweit, dass er die Anwesenden beschuldigte, einer von ihnen sei ein
Maulwurf.
Grrrrrrrrr. Harte Worte. Dann Stille wie auf einer Beerdigung. Er befahl
diejenigen in Liechtenstein zu finden, die mit Kieber Kontakt hatten.
Man fand die Personen nicht. Alle meine Freunde hielten dicht. Der
Professor war beauftragt worden, die Situation neu zu beurteilen. Dieser
kam zum Ergebnis, dass Kieber nun noch misstrauischer geworden wäre
und es schwieriger sein würde, ihm ihre Position glaubhaft verkaufen zu
können. Aber Zuckerbrot und Peitsche wären erstklassig in der jetzigen
Situation.
Zuerst sollte man Kieber etwas Angst einjagen, indem man ihm androht,
dass Liechtenstein ihn an die Deutschen „verraten‚ würde, ja verkaufen
würde, wenn er nicht das tue, was verlangt wird. Damit sich Kieber
dann wieder beruhigen würde und als Zeichen, dass man es „gut‚ mit
ihm meine, sollte man ihm die Hand ausstrecken und nochmals eine
letzte Chance geben. Hans-Adam entschloss sich daher, seinen
255
Chauffeur mit dem Staatswagen am nächsten Tag in der Früh schon
wieder nach Berlin zu schicken. Dem Kieber sollte man aber nichts
davon im Netz schreiben, sondern nur eine kurze Botschaft hinterlassen.
Um 18.10 Uhr ersetzte man Kiebers Drei-Seitentext mit einem Einzeiler
von Hans-Adam.
BERLIN 22. Januar 2003
Seit meinem Erlebnis mit den "Schnüfflern" war ich noch achtsamer
geworden und wählte meine Wege von und zu Petras Wohnung immer
neu aus. Während meiner Wanderschaften durch Berlin fand ich mehr
und mehr ausgezeichnete Internetstationen, die von aussen nicht als
solche zu Erkennen waren. Meist handelte es sich dabei um von
Immigranten geführte Call-Center in einem alten Berliner Laden oder
Schuppen. Sobald ich ein solches Geschäft fand, notierte ich mir die
Adresse in einem kleinen Buch, um es später wieder finden zu können.
Um 16.55 Uhr schaute ich wieder ins Emailkonto. Mein Text vom Vortag
war immer noch da, keine Reaktion oder Antwort von Hans-Adam. Um
17.01 Uhr ergänzte ich meinen alten Text mit folgender Mitteilung:
22.01.03 17 Uhr 01 - - wie ich sehe, haben sie meinen obigen text
noch nicht gelesen, bzw. mir eine antwort gegeben. ich bitte sie,
ein treffen für kommenden freitag, 24.01. hier vorzumerken. ich
danke für baldige antwort. ich werde morgen - um 10 uhr wieder hier hinein schauen. danke H.K. Zur Info: bitte markieren
und drucken Sie jeweils meine texte und behalten sie sie auf - um
keine missverständnisse aufkommen zu lassen.
VADUZ 23. Januar 2003 (A)
Es war noch dunkel und die meisten schliefen noch, als der Herr Kaiser
den Staatswagen in Bewegung setzte. Er hatte das Kuvert mit dem
„falschen‚ Pass bei sich und auch sonst war alles so wie sein Boss es
gewünscht hatte. Kaiser hatte den Auftrag um ca. 18 Uhr vor der LGT in
Berlin zu parken, auf Kieber zu warten und ähnlich wie es der andere
Fahrer, Herr B. gemacht hatte, ihn mit einem Pass zu einer Heimreise zu
ködern. Kaiser soll aber Kieber nur dann mitnehmen, wenn dieser ihm
256
zumindest ansatzweise die Daten zeigen würde. Der Audi A8 kam gut
voran. Wenn alles klappte, dann würde Kaiser am Nachmittag in Berlin
eintreffen.
BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 1)
Ich hatte verschlafen und war erst um 09.30 Uhr aufgestanden. Ich fuhr
direkt zu einem der Internetanbieter von meiner langen Liste und loggte
mich um 10.15 Uhr ins Emailkonto ein. Meine Mitteilung war noch
gestern Abend gelöscht und mit folgendem Einzeiler ersetzt worden:
F. erwartet ihren Anruf unter 00423 xxx xxx, Donnerstag,
23.01.2003, 09:00 Uhr.
Anm.: F. steht für Fürst. Man beachte den von Hans-Adam geforderten
Zeitpunkt, wann ich ihn Anrufen sollte: 09.00 Uhr. Dies obwohl ich in meiner
Mitteilung vor seiner Nachricht im Emailkonto klar geschrieben hatte, dass ich
erst um 10.00 Uhr wieder reinschauen würde. Wie so oft in der Vergangenheit
und in den kommenden Monaten, brachten sie es nicht fertig, Geschriebenes
wirklich zu lesen!
Oh mein Gott, dachte ich mir, der Hans-Adam wird ja fuchsteufelwild,
wenn man seine Termine nicht einhält. Aber, es war ja nicht meine
Schuld, wenn er nicht lesen konnte. Ich schrieb ihm zurück:
Sorry, ich bin erst jetzt ins internet gekommen, es ist jetzt 10:25.
ich schrieb doch gestern, dass ich erst ca. nach 10 uhr wieder hier
hinein sehen kann. ich rufe jetzt trotzdem an. wenn es nicht
klappt, bitte schreiben sie, ob sie grundsätzlich kommen oder
nicht, danke 23.01.03 10:25
Ich war froh, dass Hans-Adam wieder mit mir reden wollte. Dies war ein
gutes Zeichen. Ich rannte aus dem Internetladen raus und kaufte mir für
40 Euro genug Telefonkarten, sodass ich lange mit ihm reden konnte,
sofern dies notwendig und erwünscht war.
Insgesamt telefonierte ich drei Mal mit ihm an diesem Tag: um 10.36
Uhr, 14.00 Uhr und 14.12 Uhr. Nervös wählte ich jeweils die Nummer.
257
Es war ja dieselbe Nummer, die ich schon am 14.01.03 angerufen hatte
und daher nahm ich mir vor, darauf zu achten, dass ich weder
Liechtenstein, Bank, Treuhand oder andere "verräterische" Worte im
Gespräche nennen würde, so wie es Hans-Adam wollte.
Jeden einzelnen Anruf nahm er schon nach dem ersten Klingeln ab. Er
war merklich künstlich angestrengt höflich. Er sagte, dass er
nachvollziehen könnte, dass ich letzte Woche nicht in seinen Wagen
eingestiegen war. Er palaverte etwas darüber, warum es die Anzeige
gab. Es sei eben nicht gerade förderlich von mir gewesen, die STA und
andere der Inkompetenz und Lüge zu bezichtigen. Er könne mich aber
verstehen. Er versicherte mir aber, dass es keinen Haftbefehl gegen mich
gäbe.
In Regierungs-, Banken- und Treuhandkreisen wäre man sehr besorgt
über die ‚Daten‚ und mich natürlich auch. Die Staatsanwaltschaft wäre
sehr verärgert. Ich erwiderte, dass mich dies nicht im Geringsten
verwundern würde. Hans-Adam sagte, dass die Zeit für eine gute
Lösung ablaufen würde. Hans-Adam verdeutlichte mir, dass es nur zwei
Varianten gäbe. Entweder ich würde mit den ‚Unterlagen‚ heute Abend
um 18:00 in den Wagen einsteigen oder er und die Liechtensteiner
Regierung müssten den Deutschen sagen, wo ich sei.
Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört. Leider aber nicht! Hans-Adam
wiederholte seine zwei Varianten. Und die Daten, fragte ich. Ist es Euch
egal, wenn sie in die Hände der Deutschen und Amis kommen? Uppps,
ich vergass, dass ich keine solchen Wörter in den Mund nehmen sollte.
Merkwürdigerweise ging Hans-Adam darauf gar nicht ein. Er bemerkte
hochmütig, dass er selber, als Multimilliardär eine solche Katastrophe
locker überstehen würde und seine Familie schon ganz andere Krisen
überlebt hätte. Er behauptete auch zu wissen, dass weder die Deutschen
noch die Amis oder ein anderes Land Interesse an den Daten hätten. Er
meinte abschliessend, dass es besser für mich wäre, wenn ich die Daten
jetzt vernichten würde. Denn sollte nach einer Verhaftung durch die
Deutschen seine reiche Kundschaft massiven Ärger bekommen, würde
er höchstpersönlich dafür sorgen, dass ich auch nach Absitzen einer
jahrelangen Haftstrafe in Deutschland, oder wo auch immer, auch noch
in Vaduz für lange Zeit ins Gefängnis müsste. Mann oh Mann, dachte ich
mir – der Hans drehte jetzt völlig durch.
Er erklärte mir nochmals, dass es nur die zwei Varianten gäbe. Ich
versuchte ihm nicht zu versprechen, dass ich beim Auto sein würde,
indem ich sagte, dass ich mehr Zeit für das Sammeln der Unterlagen
258
bräuchte. Er ging auch darauf nicht ein. Ich merkte, dass Hans-Adam
offenbar von irgendjemand angeleitet worden war. Es klang gar nicht
nach ihm. Vor allem wie er es ausdrückte, kam mir komisch vor.
OK, dachte ich mir, vielleicht redete er so, weil es ja auch eine rundweg
neue Lage für ihn war. Bis anhin war sein Imperium nie in eine solche
Situation geraten. Als ich merkte, dass weder er noch ich im Gespräch
weiterkamen, verabschiedete ich mich und sagte noch, dass ich mich via
Internet in wenigen Minuten melden würde.
VADUZ 23. Januar 2003 (B)
Das KKZ wurde über den Inhalt der drei Telefonate von Hans-Adam
selber informiert. Obwohl die Gespräche zwar aufgezeichnet worden
waren, war der Inhalt erst einige Stunden nach dem eigentlichen Anruf
fürs KKZ abspielbar. Der Professor bekräftigte seine Analyse, dass
Kieber nun gebrochen sei, die Drohung hätte gewirkt. Alle waren mit
ihm einverstanden. Natürlich war allen in Vaduz klar, dass auf keinen
Fall irgendjemand irgendetwas den Deutschen sagen würde. Sonst
könne man sich ja gleich selber erschiessen, scherzten sie. Der Fahrer
Kaiser meldete sich über das Autotelefon. Er würde gut vorankommen
und würde sich wieder melden, wenn er in Berlin angekommen sei.
Nach dem letzten Telefonat lies Hans-Adam um 14.40 Uhr folgenden
Text ins Emailkonto schreiben:
Vorgaben des F. sind klar: Erscheinen bis 18.00 Uhr mit
Unterlagen am vereinbarten Ort. Fahrzeug und Fahrer stehen
bereit. Bei Nichtbefolgen tritt unverzüglich die zweite Option in
Kraft.
BERLIN 23. Januar 2003 (Teil 2)
Ich fand die Mitteilung von Hans-Adam und schrieb um 16.22 Uhr
zurück:
ich habe ihre mitteilung gelesen. alle unterlagen bringe ich bis
zum vereinbarten zeitpunkt nicht zusammen. bitte warten sie
wenigstens bis morgen nachmittag. danke für das verständnis
259
bitte informieren sie die dame ihres büros (LGT) hier. ich werde
morgen 13 uhr (dreizehn uhr) hier wieder mich melden. danke
Worauf er mit folgender Mitteilung um 16.41 Uhr antwortete:
Vorgabe des F. bleibt bestehen: Treffpunkt 18.00 Uhr, notfalls nur
mit Teilunterlagen! Rufen sie F. unverzüglich an!
Mir war von Anfang an klar, dass ich auch jetzt auf keinen Fall in den
Wagen steigen würde. Ich hatte die dunkle Befürchtung, obwohl HansAdam das Gegenteil behauptete, dass ein Haftbefehl auf mich zu Hause
wartete. Ich hatte Angst. Mir war das Risiko zu gross, um 18 Uhr zur
LGT in Berlin zu gehen. Ich überlegte lange, was ich machen sollte.
Unter Druck konnte ich erstaunlicher Weise gut funktionieren. Ich
entschloss ihn nicht mehr anzurufen. Trotzdem wollte ich mit eigenen
Augen sehen, ob überhaupt Hans-Adams Staatskarosse wieder in Berlin
aufkreuzte.
Ich studierte den Busfahrplan von Berlin und stieg in jenen Linienbus
ein, der schnurgerade vor der LGT vorbeifuhr. Wahrhaftig, der dunkle
Audi A8 war fast an derselben Stelle wie letzte Woche parkiert.
Niemand war im Wagen. Ich duckte mich fest in den Bussitz und stieg
erst an der allerletzten Haltestelle aus. Ich schlich mich nach Hause und
setzte mich im Dunkeln ins Zimmer. Was nun, dachte ich.
VADUZ 23. Januar 2003 (C)
Spät am Nachmittag erreichte Hans-Adam auf Schloss Vaduz ein
wichtiger Anruf der LGT Bank. Gerade hätte die IT-Abteilung von der
Treuhand berichtet, dass sie den in den letzten Tagen geäusserten
Verdacht als Tatsache bestätigen könnte: Kieber hätte die Daten NICHT!
Kieber konnte sie nicht haben. Hans-Adam war ausser sich vor Freude
und Hass zugleich.
Ja, Ja nickten sie alle in der KKZ. Kieber hatte ja auch kein einziges
Dokument als Beweis geliefert, wie es sonst so üblich ist, meinten alle.
Jetzt zeigen wir dem Kieber mal so richtig, wer hier der Herr im Ländle
ist, schwelgten sie im süssen Sieg. Sofort wurden die Regierung und die
Justiz auf den neusten Stand gebracht. Alle Beteiligten ausser dem
Professor waren in einem Rausch nach Rache. Ihre Brummschädel waren
260
verschwunden. Es wurde beschlossen, den Kieber zum Abschuss
freizugeben. Auge und Auge, Zahn um Zahn.
Und hier, liebe Leserinnen und Leser wird es wieder sehr interessant!
Hans-Adam ordnete das Interpolbüro in Vaduz, dass in die
Liechtensteiner Polizei integriert ist, an, eine Meldung an Interpol
Wiesbaden und Madrid zu senden. Um 19.55 Uhr kam in Wiesbaden
(BKA) und in Madrid eine offizielle Meldung / Warnung aus Vaduz an.
Im Schreiben (in Englisch) wurden zuerst die allgemeinen
Personendaten von Kieber genannt, dann folgende Punkte (mit allen
Ausrufezeichen und Unterstreichungen) aufgelistet:
SEHR DRINGEND !
° Warnung: Kieber könnte bewaffnet sein! Er könnte
geistesgestört sein!
° Kieber hat schon einen Haftbefehl im SchengenSystem.
° Interpol Vaduz hat Hinweise, dass er sich in Berlin
aufhalte. Sein genauer Aufenthaltsort ist nicht
bekannt. Er kommuniziere über öffentliche Telefonzellen
und Internetcafés.
° Gemäss Information ist ein hohe Gewaltbereitschaft
vorhanden.
° Kieber ist vermutlich bewaffnet!
° Kieber kann Flugzeuge und Helikopter fliegen.
° Foto von Kieber liegt bei. Fingerabdrücke folgen.
Im Falle einer Verhaftung von Kieber, bitte Interpol Vaduz sofort
verständigen. Vielen Dank für Ihre Kooperation.
Anm.: Als ich das Original und andere damit zusammenhängende Dokumente
ab dem Spätsommer 2003 zum ersten Mal lesen konnte oder als Kopie inoffiziell
erhalten hatte, traf mich der berühmte Schlag. Was für ein Scheiss, dachte ich
mir. Nie im Leben besass ich eine wirkliche Waffe. Geistesgestört war ich auch
nicht. Und Gewalt ist nun wirklich nicht mein Ding.
Richtig gemeldet war, dass ich einen Berufspilotenschein für Flugzeuge und
einen Schein für Helikopter besass. Man bedachte, dass Vaduz sehr bewusst
vermied, irgendeinen Zusammenhang mit Bankdaten oder der LGT zu
erwähnen. Aber erst Jahre später, als ich diese Meldung diversen Polizei- und
Justizbehörden im Ausland zeigen konnte, wurde mir klar, warum Liechtenstein
261
schwarz auf weiss gelogen hatte. Die ausländischen Experten fanden den
Hintergedanken für solche massive Falschinformationen (bewaffnet,
geistesgestört und gewaltbereit), kombiniert mit dem Hinweis, dass ich fliegen
kann, sehr schnell: Mit den Worten „bewaffnet, geistesgestört, hohe
Gewaltbereitschaft“ sollte der Eindruck beim BKA und in Madrid erweckt
werden, dass es sich hier um einen sehr gefährlichen Mann, ja fast um einen
„Terroristen“ („kann Flugzeuge fliegen“) handeln würde.
Man bestätigte mir, dass dieses offizielle Schreiben von Interpol Vaduz sehr
unprofessionell und entgegen den Vorschriften war. Für die Profis war schnell
ersichtlich, dass man sich in Liechtenstein offenbar erhoffte, dass man quasi
Kieber zuerst an- oder besser erschiessen würde und erst dann Fragen stellen
würde. Auch wurde deutlich, dass Hans-Adam und seine Regierung das
Interpolbüro in Vaduz für ihre individuellen, privaten Zwecke missbrauchten.
Hans-Adam beschloss zusammen mit der Regierung, dass man sich die
günstige Gelegenheit nicht nehmen lassen wollte, den Deutschen etwas
mehr „unter die Arme‚ zu greifen. Man rief Kaiser, der irgendwo im
Grossraum Berlin im Auto sitzend auf weitere Instruktionen wartete, auf
dem Autotelefon an. Die Lage hätte sich drastisch verändert. Er sollte
sich kundig machen, wie die Telefonnummer einer dem LGT Büro nahe
liegenden Polizeistelle ist. Dann sollte er wie geplant um ca. 17.30 Uhr
den Wagen vor der LGT Berlin parken und kurz vor 18.00 Uhr
aussteigen, aber die Türen nicht abschliessen. Er sollte sich in ein
Restaurant oder Café setzen von wo aus er den Wagen und die
unmittelbare Umgebung gut beobachten könnte. Sollte er Kieber
kommen sehen, so müsste er die Berliner Polizei unverzüglich anrufen
und mitteilen, wo genau am Kurfürstendamm sich die international
gesuchte Person mit Namen Kieber Heinrich aufhalte.
Kaiser rief dann zehn Minuten später in Vaduz zurück und meldete,
dass er die nächstgelegene Polizeidienststelle gefunden hätte, sie wäre
sogar in derselben Strasse. Am Kurfürstendamm Nr. 142. Also dann, er
solle die Augen offen halten, wurde ihm zum Abschied gesagt. Aber
Kieber war dann weit und breit nicht zu sehen. Kaiser wartete noch bis
ca. 18.45 Uhr, immer den Wagen beobachtend und die Nummer der
Polizei griffbereit.
Um 19.00 Uhr rief er via Autotelefon auf dem Schloss an und vermeldete
das Misslingen dieser Massnahme. Er durfte sich ein Hotel in Berlin
suchen und sollte am nächsten Morgen in der Früh wieder nach Hause
fahren.
262
VADUZ 24. Januar 2003 (vormittags)
Um 08.40 Uhr schreibt Hans-Adam die ultimativen Worte:
Die gesetzte Frist ist abgelaufen. Variante zwei läuft.
BERLIN 24. Januar 2003
Im Hinterkopf störte mich irgendetwas am Gespräch mit Hans-Adam.
Ich hatte so ein komisches Gefühl. Es war nicht einfach für mich, einen
klaren Kopf zu behalten. Tief durchatmen, tief durchatmen. Es war ein
besondere Satz von ihm: „Die Daten, die sie glauben zu haben‚.
Was meinte er wohl damit? Oh – NEIN, jetzt dämmerte es mir:
„Die Daten die sie glauben zu haben‚.
Die in Vaduz glaubten mir also nicht! Natürlich, dass musste es sein.
Sonst würden sie doch nicht so cool daherreden. Oh mein Gott. Ein
Desaster. Darum lief die 2. Variante nun?! Ich befürchtete, die Berliner
Bullen würden gleich vor meiner Haustür stehen.
Um 12.40 Uhr schrieb ich Hans-Adam folgenden Text:
Sehr geehrte Damen und Herren
Obwohl ich gestern um die Frist bis heute Nachmittag bat —
haben sie die 2. Variante aktiviert. dann kann man jetzt nichts
mehr machen. ich möchte zum Schluss noch folgendes sagen: ich
bin mir sicher, dass beim gestrigen Telefongespräch mit mir in
diesem detail und Klarheit geredet wurde, um sich später
abzusichern, sicherlich wurde das Gespräch aufgezeichnet und
dient für evt. spätere Erklärungen. ich wurde vorverurteilt wie
ich es schon kannte. wie ich jetzt sehe‚ ist mit einer Hilfe aus
meinem Heimatland nicht mehr zu rechnen. Im Gegenteil. ich
war dumm dies zu glauben — aber eben unser F... war meine
letzte Hoffnung diese stirbt zuletzt. das ich das Tape zu mir
genommen habe — war ein Fehler. der F. sagte im gestrigen
Gespräch (sinngemäss) "die Daten, die ich angeblich habe", sollte
ich besser vernichten; damit es‚ wenn es zu Verhaftung kommt,
keine weiteren Probleme für mich gibt. dazu möchte ich wie folgt
sagen: A) wenn auch nur der kleinste Zweifel vorhanden war,
dass ich die Daten vom Tape lesbar machen konnte, dann hätten
263
sie mir aus der bandbreite der Mandats-Nummern (wie ich sie im
Brief beschreiben habe) 1, 5 10 ‚ 20 oder 30 willkürlich
ausgewählte MAN-Nummern nennen können und ich hätte
ihnen die dazugehörigen Daten der MAN auf CD gebrannt und
zukommen lassen. soweit zu den Daten. ich besitze genau die
Daten darüber, die ich im Brief geschildert habe. B) wieso soll ich
die Daten jetzt vernichten, da wo mein eigenes land mich bei den
Behörden hier preisgibt??? Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht
im kopf hatte, die Daten zu verwerten, ich glaubte —
fälschlicherweise — dass mir mein F. helfen kann. nun bin ich
aber soweit: gehe ich unter — geht teilweise Liechtenstein mit
mir. alles kann man überleben — so wie es der F. gestern sagte.
ich glaube ihm aber nicht (vermutlich haben ihn seine Berater
dazu bewogen sich so zu äussern), dass er wirklich es so meinte,
als er sagte, dass die Bekanntgabe der Daten der tausender von
Kunden ihm nichts aus macht. er ist sich wie ich und alle
Mitwisser des Flächenbrands voll bewusst. ich bin nur ein kleiner
fisch mit einem dicken „Datenbuch‚. ich bin kein Mörder...
vermutlich haben auch seine Berater ihm geraten mir einzureden,
dass weder das eine noch das andere land wirklich Interesse an
den Daten haben könnte. diese Auffassung entspricht nicht der
Wirklichkeit. ich bin aus Berlin jetzt raus und werde meinen weg
suchen‚ um das schlimmste zu verhindern. ich werde nicht mehr
mit ihnen kommunizieren, da sie sich ja gegen mich entschieden
haben. falls sie ein Schlusswort eingeben möchten, steht dies
ihnen frei. ich werde in den nächsten tagen noch 1 mal hier
hineinschauen. ich danke denen‚ die mir glaubten und
verwünsche jene, die gegen mich waren.
Natürlich war ich aus Berlin noch nicht raus. Wohin sollte ich auch
gehen. Ich kam mir sehr verlassen vor und meine letzte Hoffnung war,
dass die in Vaduz endlich den Durchblick erlangen würden und sich
wieder melden würden. Dass die Behauptung von Hans-Adam, kein
Land hätte Interesse an den Daten, ein schwachköpfiger Witz war,
musste sowohl mir als auch ihm von Anfang an klar sein. Langsam aber
sicher begriff ich, dass es wohl besser wäre, wenn ich aus Berlin
wegginge.
264
VADUZ 24. Januar 2003 (nachmittags)
Das KKZ war den ganzen Tag berauscht anlässlich des Siegs über
Kieber. Einige Stimmen wurden zwar laut, da sie befürchteten, dass
Kieber in den Händen der Deutschen dennoch Schaden anrichten
könnte, da er zu viel wusste – auch ohne das Datenmaterial zu besitzen.
Hans-Adam äusserte sich dazu später am Tag, wobei er versicherte, dass
er und auch die ganze heimische Bankenwelt dies schon überleben
würden.
So viel konnte Kieber gar nicht wissen, beruhigte man sich gegenseitig.
Und ohne Material, wer sollte da dem Kieber ein einziges Wort glauben.
Die Freude war unmessbar. Die Daten sind sicher, jubelten sie. Niemand
knackt unsere Tresore. Die Truppe war lediglich enttäuscht darüber,
dass man Kieber am Vortag den Deutschen nicht bei der ersten
Gelegenheit auf dem Tablett hatte servieren können.
Man loggte sich zwar noch einmal ins Emailkonto ein, druckte die
Mitteilung von Kieber von 12.40 Uhr auf Papier und löschte den Text
ohne eine Antwort zu hinterlassen. Nach kurzer Beratung mit dem
Professor entschloss man sich, Hans-Adam, das grosse Staatsoberhaupt,
nicht mehr mit der Causa Kieber zu belästigen und ihm daher das letzte
Schreiben vorerst nicht vorzulegen. Bei der STA, speziell in Hauns Büro,
rieb man sich schon mal die Hände und hoffte, dass Kieber bald in Berlin
oder sonst wo gefasst würde.
Mehr als das! „Wenn schon – denn schon‚, sagte mach sich im KKZ und
befand, dass es wieder einmal an der Zeit wäre, für die „armen
Verbrecher" Helmut Roegele, seine Frau Hidalgo und seinen Schwager
Karl-Heinrich K. sowie den Spanier Mariano M.-V. etwas zu tun.
Interpol Vaduz wurde um 15.15 Uhr und 16.00 Uhr befohlen, nochmals
eine dringende Meldung nach Wiesbaden und Madrid zu senden. Darin
bat Liechtenstein die zwei Länder,
OZA- doch bitte die Roegele’s & Co. zu warnen, denn es könnte sein,
dass Kieber auf dem Weg zu ihnen sei und ihnen schlimmes antun
würde. Er sei sehr gefährlich. Er habe zwar bis heute noch nie jemanden
bedroht und auch sonst nie Gewalt angewendet, aber Interpol Vaduz
gehe davon aus, dass er es tut -OZE.
265
Gewisse Mitglieder des KKZ, im Delirium vom hohen Ross nicht mehr
runterzukriegen, verschärften den Ton und schwadronierten darüber,
dass sie doch einen Versuch unternehmen sollten, Kieber selber dingfest
zu machen. Sie hätten doch alles Recht der Erde dafür.
So wie man Kieber kenne, hätte der wieder unbegreifliches Glück und
könnte auf nimmer Wiedersehen abtauchen. Vertreter der Polizei, der
Justiz und der Professor distanzierten sich sofort von solchen Gedanken.
Der Professor, als Topfachmann und einzige Psychologe, versicherte den
Anwesenden, dass Kieber sicher nicht untertauchen würde. Er könnte
nun allerdings nicht ausschliessen, dass Kieber, von dem Handeln des
KKZ in die Enge gedrängt, eine Kurzschlusshandlung beschliesst und
sich den Amis oder Deutschen anvertraut.
Daten oder keine Daten – das spielte keine Rolle.
BERLIN 25. – 30. Januar 2003
Am Samstag wachte ich schweissgebadet und mit Kopfweh auf, als hätte
Godzilla mir eine runtergeknallt. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Ich
war sicher, dass meine sehr präzisen Angaben bezüglich der Daten im
Brief vom 07.01. an Hans-Adam reichen würden. Nie kam mir in den
Sinn, eine Kopie der Daten als Beweis dem Hans aufs Schloss zu
schicken. Warum auch?
Wenn er Zweifel an meinen Angaben gehabt hätte, dann könnte er ja
runter ins Tal gehen und selber nachschauen; es war ja seine eigene
Firma, die LGT Treuhand. Und wenn er wirklich Skepsis gehabt hätte,
warum hatte er mich dann am Telefon nicht direkt gefragt? Vielleicht
war dies wieder so ein Psychospiel von denen in Vaduz, mutmasste ich.
Sie mussten doch wissen, dass ich die Daten hatte. Eventuell wollten sie
mich nur unter Druck setzten, sodass ich Angst bekam und schnell nach
Hause kommen würde. Ein hochriskantes Manöver, meiner Meinung
nach.
Angst? Ich? Jetzt? Mein Begriff „von wirklich Angst haben‚ war im März
und April 1997 neu definiert worden. Aber dennoch, vermutlich hatte
Hans-Adam so gute Berater, dass man schon in den zwei Wochen, seit
ich Liechtenstein verlassen hatte, entdeckt hatte, dass ich den drastischen
Schritt, die Daten auszuhändigen, einfach NICHT machen konnte. Der
Grund: Ich war ja selber ein Bürger Liechtensteins, mit Heimatgefühlen,
266
ein Monarchist durch und durch, konnte Gutes von Bösem auseinander
halten. Nach dem Frühstück änderte sich meine Meinung schlagartig:
nicht aus Berlin raus, nein weglaufen bringt nichts. Wenn sie mit dem
Feuer spielen wollten, Bitte Schön!
Ich setzte mich an meine kleine Kommode im Zimmer und bereitete
einen vier Seiten langen, handgeschriebenen Brief auf Englisch vor.
Darin schilderte ich dem US-Botschafter in Berlin, Hr. D.R. Coasts und
seinem Vize T.R. Suell meine Lage und bat um Hilfe.
Ich verabschiedete mich von Petra, die sich gerade aufmachte, ihren
Freund besuchen zu gehen. Ich nahm die externe Harddisk, packte sie
zusammen mit meinem Pass in die Manteltasche und fuhr mit den
öffentlichen Verkehrsmitteln so nahe wie möglich an die US-Botschaft in
die Neustädtische Kirchstrasse Nr. 4-5.
War schwer Bewacht die Bude. „9/11‚ war ja noch sehr frisch in den
Köpfen. Ich schlenderte an der Botschaft vorbei und versuchte so gut es
geht keine Aufmerksamkeit bei den Polizisten zu erwecken. Auf einmal
war ich mir meiner Mission nicht mehr sicher. Würden die Amis ohne
vorherigen Kontakt (Telefon, Emails), meine Geschichte verstehen,
verstehen wollen? Hätten sie genügend Zeit für mich? I didn’t know!
Ich könnte ja später wieder kommen. Ich notierte mir die Öffnungszeiten
für Besucher/Antragsteller und nahm den Bus zum Zoologischen Garten.
Dann kam mir in den Sinn, dass ich den nahe liegenden Wittenberg Platz
ja vermeiden musste, wegen meiner früheren Vermieterin Daniela. Ich
spazierte den ganzen Tag herum. Auf einmal stand ich in der Strasse, in
der auch das Finanzministerium ist, in der Wilhelmstrasse. Ob dies ein
Zeichen war, fragte ich mich. Es musste etwas her, was mich ablenken
würde. Sport war immer gut dafür. Ein Schwimmbad hatte offen und ich
schwamm mindestens 60 Minuten und konnte meine Gedanken dabei
wieder reinwaschen und ordnen. Hungrig wie ein Bär nach dem
Winterschlaf würgte ich nach dem Schwimmen einen feinen Kebab
runter. Da neben der Fastfoodbude praktischerweise ein türkischer
Coiffeur & Barbier war, machte ich mich 35 Minuten später frisch
geschnitten und sauber rasiert auf den Heimweg.
Der Sonntag war einer der einsamsten, den ich je erlebt hatte. Was mir
etwas Tröstung gab, war die Gewissheit, dass einige in Vaduz derzeit
267
auch kein leichtes Leben hatten. Nach langem Grübeln entschloss ich
mich am Montag, einen Beweis nach Vaduz zu liefern.
Der 27. Januar kam und ich stand schon als erster Kunde vor der Berliner
Sparkassenfiliale, wo ich meinen Laptop im Safe verstaut hatte. Ich
entnahm ihn und fuhr mit dem Taxi in Richtung Wohnung, wobei ich
mich ca. 800m Meter davon entfernt absetzten liess. Sicher ist Sicher.
Für eine gute Weile musste ich die Software für die Entschlüsselung
laufen lassen. Erst dann konnte ich die Daten lesen. Die Frage war nun,
wie viel von den hunderttausende Dokumenten ich als Beweis auf
externe Datenträger, die ich irgendwie nach Vaduz befördern musste,
brennen sollte. Ich hätte nach Mandatsnummer oder dem Alter des
Mandats gehen können, oder nach der Grösse der Vermögen, oder nach
einer eigenen Liste der dicksten Leichen im Keller oder PEPs (Politisch
exponierte Persönlichkeiten oder Parteien).
Da ich reichlich Zeit hatte, fand ich es genüge, wenn ich ca. 10 Prozent
der Gesamtmenge aller Kundendaten auf die CDs brannte. Das sollte
genügen, um die in Vaduz zu überzeugen. Ich schloss die externe
Master-Harddisk, eine eins zu eins Kopie des DLT-Tapes, an den Laptop
an. Dann wählte ich Daten aus fast allen Kundendossiers aus und
brannte diese unverschlüsselt und unkomprimiert auf vier neue CDs mit
jeweils 700 MB Speicherplatz.
Ich inkludierte alle PEP-Mandate sowie auch ca. 25 Prozent aller Leichen
(Mandate mit erkennbarem kriminellen Hintergrund, mit oder ohne
Mitwirkung der LGT Gruppe). Darin waren auch alle jene Mandate (von
US- und Deutschen Kunden), die ich im Brief vom 7.1.03 an Hans-Adam
unter Punkt V. + VI. geschildert hatte.
Anm.: Mit Absicht hatte ich keine der massenhaften INTERNEN, nicht
mandatspezifischen Dokumente auf die CDs kopiert, da ich nicht preisgeben
wollte, an welchem Datum ich 2002 das Back-Up-Tape entwendet hatte und sie
anhand solcher Dokumente den Tag sehr genau hätten errechnen können.
Bis heute weiss niemand in Vaduz, welche und wie viel interne Dokumente in
meinem und nun im Besitz der ausländischen Strafverfolgungsbehörden sind.
Was den Letzteren immer noch zum strategischen Vorteil dient.
268
Das Total der Daten auf den vier CDs erreichte dann genau 1,590
Gigabyte. Ich hätte diese vier CDs auch aus Sicherheitsgründen
verschlüsseln können, entschied mich aber dagegen, da ich vermeiden
wollte, dass noch mehr Zeit verloren ging und unvorhergesehene
Störungen erst gar nicht aufkommen konnten.
Nicht, dass ich an der Fähigkeit der IT-Abteilung der LGT gezweifelt
hätte, verschlüsselte Daten mittels mitgelieferter
Entschlüsselungssoftware lesbar zu machen. Aber die Tatsache, dass sie
meine Entwendung des DLT-Tapes und somit den Besitz der Daten
offenbar kategorisch abgelehnt hatten, musste ich in meinem Denken
und Handeln berücksichtigen. Zudem hatte ich ja vor, die Daten auf den
CDs zusammen mit Instruktionen Hans-Adam zukommen zu lassen,
sodass er mittels einem seiner Computer im Schloss die Dateien ohne
Probleme öffnen könnte.
Das grösste Problem für mich war, die CDs sicher bei Hans-Adam
abzuliefern, ohne die Daten und natürlich mich selbst in Gefahr zu
bringen. Am Besten wäre es, wenn ich von meinem Plan überhaupt
nichts im Voraus erzählte. Viele Möglichkeiten hatte ich ja nicht. Nach
Vaduz zu reisen? Logischerweise NIE. Jemand von dort nach Berlin zu
beordern? Keine gesunde Idee. Hatte sich ja gezeigt. Per Einschreiben die
Ware versenden? Zu grosses Risiko, da das Paket verloren gehen könnte.
Zudem würde eine solche Sendung über den Schweizer Zoll gehen, was
auch nicht wünschenswert war.
Schliesslich fand ich eine Lösung. Das kleine Liechtenstein hatte ja eine
eigene Botschaft in Berlin. Und zwar eingegliedert in eine
Rechtsanwaltskanzlei oder ähnlichem. In der Mohrenstrasse 42, in Berlin
– 10117. Ich war mir ganz sicher, dass die von der Botschaft nichts von
dem Drama der vergangenen 14 Tage wussten. Ich erinnerte mich, wer
der nicht residierende Botschafter von Liechtenstein in Deutschland war.
Er wohnte noch im Ländle. Erst viele Monate später, als Liechtenstein
eine Villa in bester Lage in Berlin kaufte, siedelte er um. Ich rief die
Botschaft an und meldete mich unter dem Namen Sebastian. Eine Frau
Namens Frenkel gab mir die Öffnungszeiten bekannt und ich bedankte
mich brav. Bevor ich dort aufkreuzen wollte, musste ich die Umgebung
genau inspizieren. Es war ein nicht gerade schönes Bürogebäude,
obwohl relative neu. Eine kleine Tafel informierte die Passanten, dass
hier die Botschaft Liechtensteins angesiedelt war. Ich fuhr mit dem Lift
269
in die angegebene Etage und schaute mich um. Alles OK. Ich entschloss
mich, die CDs spätestens am Mittwoch, den 29.01. ohne Ankündigung
bei der Botschaft abzugeben.
Am Dienstag, den 28.01. fertigte ich zwei Briefe an, einen von Hand,
einen brannte ich auf CD.
H. Kieber, 28.01.2003 - An die Liechtensteinische Botschaft z. Hd.
Frau Frenkel, Mohrenstrasse 42 - 10117 Berlin - Sehr geehrte Frau
Frenkel. In der Beilage erhalten Sie einen Umschlag, der für
unseren Fürsten, S.D. Hans-Adam der II. bestimmt ist. Es sind
Datenträger im Umschlag. Ich bitte Sie, das Schloss in Vaduz
oder die persönliche Handynummer S.D. 00423 xxx xx xx gleich
anzurufen und mitzuteilen, dass ein Umschlag mit Daten S.D.
abgegeben worden ist. Ich bitte Sie, die Weiterleitung an S.D.
gemäss seinen Wünschen auszuführen. Wenn S.D. eine
Abholung per Gesandten nicht wünscht, bitte ich auf jeden Fall
den Umschlag mit Diplomatenpost nach EL zu versenden, da die
Daten unverschlüsselt sind. Ich danke viel Ihnen vielmals und
verbleibe mit freundlichen Grüssen H.K.
Anschliessend brachte ich den Laptop zurück in den Banksafe.
Am Mittwochmorgen packte ich die CDs in ein Kuvert und schrieb mit
dickem Filzstift drauf: Bitte Aushändigen - Persönlich/Vertraulich. An
S.D. Fürst Hans-Adam, Schloss Vaduz, 9490 Vaduz, F. Liechtenstein. Auf
der Rückseite: H.Kieber. Dieses Kuvert verklebte ich mit breitem
Paketklebeband und steckte es in ein grösseres Kuvert. Darauf notierte
ich: FL-Botschaft, Frau Frenkel, Mohrenstr. 42, 10117 Berlin.
Ich begab mich zu dieser Adresse und fuhr mit dem Lift hoch. Ich betrat
das Büro und fragte nach Frau Frenkel. Sie kam und ich sagte ihr in
wenigen Worten, dass ich den Auftrag hätte, dieses Paket hier
abzugeben und sie zu bitten, das Fürstenhaus gleich anzurufen. Die
würden auf ihren Anruf warten, täuschte ich vor. Vielen Dank und auf
Wiedersehen. Sie wollte noch was fragen, aber ich war schon auf dem
Sprung hinaus. Rauf, rein, runter, raus - alles innerhalb von 2 Minuten.
Ich entfernte mich so schnell es ging von der Botschaft. Um ganz sicher
zu gehen, dass Hans-Adam die Ware bekommen würde, ging ich in ein
Internetcafé und schrieb von meinem eigenen Emailkonto aus aufs
Schloss. Keine vielen Sätze. Ich vermerkte lediglich, dass gerade
270
Datenmaterial für Hans-Adam bei der FL-Botschaft in Berlin abgegeben
worden war.
Bitte, er solle sich gleich darum kümmern, da die Daten unverschlüsselt
wären. Es hatte natürlich einen Grund, warum ich für diese Mitteilung
nicht das gemeinsame Emailkonto auf catholic.org verwendet hatte. Ich
wollte dieses mal Hans-Adam die technische Möglichkeit geben,
nachzuprüfen, ob meine Email wirklich aus Berlin kam.
Dank der IP-Adresse könnte er dies herausfinden. Mit der Zuversicht,
dass der Ball wieder bei Hans-Adam lag, begab ich mich erleichtert auf
den Heimweg.
Unangenehme Nachrichten gab es aber dann bei Ankunft. Petra hatte
ihrem eifersüchtigen Schatz erzählt, dass ich bei ihr in Untermiete war.
Er sei sehr beunruhigt darüber und Petra bat mich darum, etwas anderes
zu suchen. Was konnte ich da noch erwidern? Ich erreichte, dass ich
noch bis zum Montag, den 03. Februar bleiben konnte. Ich war mir
sicher, dass ich etwas anderes finden würde.
VADUZ 25. – 30. Januar 2003
Mit einer Mischung aus Angespanntheit und Verdrängung ging man in
Vaduz mangels neuer Nachrichten in der Causa Kieber dem gewohnten
Gang der Dinge nach. The Show must go on! Hans-Adam und seine
Familie waren in der Endphase des erbitterten Abstimmungskampfs
über die neue Verfassung für Liechtenstein. Die Abstimmung war für
März 2003 geplant. Eine neue Verfassung, die einseitig von ihm
erwünscht wurde und von seinen eigenen Experten formuliert wurde,
würde dem Hans-Adam noch nie da gewesene Macht verleihen.
Insbesondere in Sachen Richterernennung, und -bestätigung, der
Auflösung des Parlaments, dem Notrecht und anderen grundstaatlichen
Pfeiler wurde heftig im Land gestritten.
Hans-Adam hatte mehrfach damit gedroht, dass – falls er nicht die
Mehrheit der Stimmen bekommen würde, er OZA- mit Sack und Pack
(Familie und Bilder) nach Wien auswandern würde -OZE. Er sagte auch,
OZA- dass sich das Ländle seiner Meinung nach, dann Microsoft nennen
könnte -OZE. Den Namen „Liechtenstein‚ nehme er ja mit (nach Wien).
271
Die Befürworter und Gegner waren in ungefähr zwei gleichgrosse Lager
geteilt. Trotzdem erlebte die Mehrheit der Liechtensteiner wie
anmassend und verletzend Hans-Adam mit einigen Bürgern und
demokratisch gewählten Politikern umging. Insbesondere die, die sich
offen gegen die neue Verfassung stellten, erlebten blanken Horror.
Hans-Adam hatte immer schon eine hinterlistige, sehr perfektionierte
Strategie, um seine (politischen) Gegner mit Worten zu verletzen.
Wirkliche Gegner waren es aus seiner Sicht ja eh nicht. Hans-Adam
kalkulierte sehr clever. Er wusste, solange er die Fiktion der
aufziehenden, bösen Wolken am Himmel über Liechtenstein, die wie ein
Hurrikan über die Menschen herabstürzen würden sobald das Blaue
Blut abzieht, in den Köpfen vor allem der älteren Bevölkerung frisch
hielt, solange konnte er sich einem Sieg sicher sein. Ich selber war ja ein
Monarchist. Ich verbinde vor allem wunderschöne und persönliche
Erinnerungen mit den 1989 verstorbenen Eltern von Hans-Adam, Fürst
Franz-Josef und Fürstin Gina. Beide waren ein ganz anderer
Menschenschlag.
Am Montag, den 27.01. exekutierte man eine Razzia in zwei Wohnungen
in Balzers. Man wartete, bis die Bewohner nicht anwesend waren. Es
wurde nichts gefunden. Dann aber am Mittwoch, den 29.01., keine zehn
Minuten nachdem auf Schloss Vaduz eine neue Email von Kieber
geöffnet und gelesen wurde, rief der Liechtensteiner Botschafter aus
Berlin an. Er fragte, ob Hans-Adam anwesend sei. Man verneinte dies. Er
habe ein versiegeltes Kuvert für Hans-Adam in den Händen. Auf der
Rückseite stehe „H.Kieber‚. Und dazu einen handgeschriebener Brief.
Man bat ihn diesen am Telefon vorzulesen, die Leitung sei relativ sicher.
Er las ihn vor. Auf Grund der ihr bekannten Sachlage, stellte die
Sekretärin im Schloss den Anruf zum Bürotisch von Erbprinz Alois
durch. Dieser fragte den Botschafter, ob er Kieber gesehen hätte, was
dieser verneinte. Man kenne die Person, die den Umschlag abgegeben
habe, nicht. Gemäss Frau Frenkel soll es sich um einen "Kurier"
gehandelt haben. Alois ordnete an, den Umschlag NICHT zu öffnen und
bat den Botschafter so schnell wie möglich die Ware persönlich nach
Vaduz zubringen. Um eine mögliche Kontrolle zu vermeiden, solle der
Botschafter den Diplomatenkoffer als Transportmittel für die Daten
verwenden. Ein Diplomatenkoffer kann von Deutscher Seite aus nicht
inspiziert werden.
272
Bei nächster Gelegenheit wurde Hans-Adam von seinem Sohn
informiert, anschliessend die Mitglieder des KKZ. Es wurde eine Sitzung
des KKZ für Donnerstagmittag, 13 Uhr anberaumt. Bis dahin sollte der
Botschafter angekommen sein. Nach Ankunft in Zürich am Donnerstag,
den 30.01. wurde der Botschafter von Chauffeur Kaiser abgeholt und
direkt aufs Schloss gefahren. Er wunderte sich etwas über die grosse
Aufmerksamkeit, die er da erleben durfte. Er wurde weder von HansAdam noch vom KKZ je aufgeklärt. Als gebildeter Mann konnte er sich
schon einiges nahe der Wahrheit selber vorstellen. Die CDs wurden im
Schloss vom Botschafter abgegeben und vom Sekretariat bis auf den
nächsten Tag in einem Safe eingeschlossen, weil Hans-Adam selber beim
Öffnen der Datei anwesend sein wollte.
Einige Mitglieder des KKZ gerieten kurzzeitig in Panik, da sie in der
Hektik etwas missverstanden hatten. Irgendjemand hatte gesagt, dass
Kieber angeblich CDs mit LGT-Kundendaten der US-Botschaft gegeben
hätte und die Amis sich nun gemeldet hätte. Weiterhin wurde gesagt,
dass man davon ausgehen müsste, dass die Daten echt seien. Es folgten
ein paar klärende Telefonate zwischen dem KKZ, dem Büro des
Regierungschefs und dem Schloss. Erleichtert, dass es sich um die eigene
Botschaft und nicht die der Amis handelte, warteten alle gespannt auf
den nächsten Tag und was ihnen Hans-Adam berichten würde.
273
KAPITEL 10 Heinrich! Mir graut’s vor Dir.
VADUZ 31. Januar 2003
Zu ungewöhnlich früher Stunde waren Hans-Adam und sein Sohn in
ihren Büros schon sehr aktiv. Der Bankdirektor konnte nicht anwesend
sein, da er ausser Lande war. Im Hinterkopf der Hochwohlgeborenen
muss es wohl immer noch das Hirngespinst gegeben haben, Kieber habe
die Daten nicht. Hans-Adam kam auf die übergeschnappte Idee, dass
Kieber ihm anstelle der behaupteten Daten einen Computervirus, oder
noch schlimmer, eine Briefbombe geschickt haben könnte.
Da weder er noch sonst jemand aus seiner Familie sich die Finger
verbrennen wollten, rief man die Kriminalpolizei zu sich. Diese brachte
das Paket in ihre Spezialabteilung unten im Polizeigebäude. Während
eines Telefongesprächs mit dem Schloss öffnete man unter strengen
Sicherheitsvorkehrungen das kleine braune Paket. Nein, kein Sprengstoff
drin, nur vier brandneue CDs. Ein Virencheck wurde durchgeführt: alles
clean. Kein Virus.
Hans-Adam verlangte dann sofort, dass man die CDs aufs Schloss
bringen sollte. Er untersagte er seiner Polizei, sich die Dokumente auf
der CD anzusehen. Er wollte von den Original-CDs eine Kopie erstellen
und diese der LGT zur Prüfung geben.
Doch es gab ein Missverständnis zwischen der Sekretärin vom Schloss
und dem ranghohen Beamten. Er verstand es so, dass er eine
originalgetreue Kopie der CDs brennen und diese zum Schloss bringen
sollte. Die Originale würde er dann (ungesehen) bei der Kripo im Safe
lassen. Er stelle also die Kopien her und fuhr sie hoch zum Schloss.
Anm.: Hans-Adam wusste bis zum Spätsommer 2003 nicht einmal, dass seine
Polizei Ende Januar 2003 irrtümlicherweise die Original-CDs behielt und diese
seit damals in ihrem Safe aufbewahrte und er nur eine Kopie erhalten hatte. Ich
erfuhr davon per Zufall, als ich im Spätsommer 2003 einen diesbezüglichen
kleinen Vermerk der Polizei in einer anderen Aufzeichnung gefunden hatte. Ich
kopierte diesen Vermerk und schickte es mit einer Kurznotiz Anfang September
2003 Hans-Adam zur Kenntnisnahme ins Schloss.
Oben im Schloss hatte niemand bemerkt, dass die gelieferten CDs gerade
erst frisch von der Kripo gebrannt worden waren. Es wurde die erste CD
in das Laufwerk gelegt. Mit jedem Klick, mit jedem Öffnen einer Datei
274
wurden die Gesichter länger, die Augen grösser, der Druck im Kopf
stärker. Die genauen ersten Worte sind nicht überliefert, aber HansAdam wünschte sich in die Zeiten Napoleons zurück (übrigens erst dank
diesem Kaiser ging es mit den „von Liechtensteins‚ steil bergauf), wo
Blaublut machen konnte, was es wollte. Besonders mit Leuten wie
Kieber.
ER HATTE DIE DATEN! ER HATTE DIE DATEN!
Der Mistkerl hatte die Scheissdaten! TONNENWEISE! Augenblicklich
wurde Hans-Adam bewusst, dass er von seinen Untergebenen im Land
und der Führung der LGT komplett falsch informiert worden war.
Die Magensäure musste sich hoch gefressen haben, als ihm und seinem
Sohn klar wurde, dass sie seit sie Kieber in Deutschland via Interpol
„zum Abschuss‚ freigegeben hatten, an ihrem Grabstein meisselten. Es
muss eine sehr absurde Situation für sie gewesen sein.
Es dauerte einige Stunden, bis man sich auf dem Schloss wieder beruhigt
hatte. Der Professor war der Erste, den Hans-Adam zu sich rief.
Psychologischer Beistand war jetzt gefragt. Der Professor, der die Daten
selber nie einsehen durfte (und auch in dieser Situation nicht zu Gesicht
bekam), konnte sein Kopfschütteln nicht verbergen. Es war aber kein
Schütteln, weil Kieber die Daten hatte, nein, er wagte zu bemerken, dass
er sie doch gewarnt hatte, nichts in Sachen inoffizielle oder offizielle Jagd
und Hetzte auf Kieber zu unternehmen, solange man mit ihm reden
könnte und solange man nicht zu 100 Prozent sicher war, dass er keine
Daten habe.
Von diesem Zeitpunkt an hörte Hans-Adam ein wenig mehr auf den
Professor. Die anderen Mitglieder des KKZ wollten nicht glauben, dass
Kieber die Daten hatte. Sie baten einen Blick darauf werfen zu dürfen.
Insbesondere die LGT musste natürlich mit eignen Augen sehen, was
ihnen abhanden gekommen war. Man schlug dem Hans-Adam vor, die
vier CDs gemeinsam bei der LGT Bank, nicht bei der LGT Treuhand,
anzuschauen. Hans-Adam war zuerst dagegen. Drei Stunden später
beschloss er, nur eine auf dem Schloss neuerstellte Kopie der CDs auf
einem Computer des KKZ öffnen zu lassen, da er Angst hatte, die LGT
sei nicht in der Lage, die Daten ohne grosses Aufsehen auf ihren eigenen
PCs zu laden. Nicht unbedingt ganz nachvollziehbar, jedoch hatte er,
wie immer, das letzte Wort. Aber nur eine Person aus dem KKZ, die
dorthin von der LGT gesandt worden war, durfte die CDs im Detail
inspizieren. Die anderen Anwesenden durften aus gutem Grund nur
275
flüchtig einen Blick auf die heisse Ware werfen. Die LGT Person
errechnete das Total der gesamten gespeicherten Datenmenge auf 1,287
Gigabyte.
Anm.: Achtung! Man rechne: In Berlin abgegeben: 1,590 GB, beim KKZ
angelangt: 1,287 GB. Hoppla, da fehlen ja 0,303 GB, also über 300 MB. Wo
sind die denn hin? Dafür gibt es nur eine Erklärung: Hans-Adam muss
angeordnet haben, die seiner Meinung nach schlimmsten Mandate für die neue
Kopie wegzulassen.
Er wollte Verhindern, dass fremden Augen, namentlich die der Justiz, Polizei
und Regierung - obwohl auf jeden Fall alle auf seiner Seite waren - Dinge sehen,
die sie prinzipiell nichts angehen.
Er wusste ja nicht, dass die Polizei eine eigene Kopie im Safe schlummern hatte.
Ich kann auch berichten, dass einzelne Personen aus der Kripo später die Daten
in der Tat gemustert hatten. Warum sollten sie auch nicht?
Man kann ruhig sagen, dass allen Anwesenden kotzübel wurde, wobei
auf einer Skala unten die Polizei, in der Mitte die Justiz und an der
Spitze die Regierung zusammen mit der LGT einzugliedern waren. Man
holte sich die Verantwortlichen der IT-Abteilung. Diese waren verblüfft
und geschockt. Es machte keinen Sinn, übermässig auf die IT-Leute
einzudreschen.
Die KKZ beriet was man tun könnte, um zu verhindern, dass die
deutschen Behörden Kieber finden würden. Die Wahrscheinlichkeit das
Deutschland Kieber aktiv suchen würde, hatte Liechtenstein selber
massiv gesteigert, indem es Kieber als bewaffnet, geistesgestört und mit
hoher Gewaltbereitschaft gebrandmarkt hatten. Und darüber noch
nachschoben, dass deutsche Bürger (Helmut R. und sein Schwager)
angeblich in "Lebensgefahr" seien.
Man war sich in Vaduz sicher, dass die deutsche Polizei eine in deren
Augen sicher „seriöse‚ Meldung mit solchem Inhalt nicht einfach links
liegen lassen würde. Etliche Varianten wurden diskutiert. Z.B. könnte
man nach Deutschland eine neue Interpolmeldung senden, worin man
die erste und zweite Meldung korrigierte, indem man schreiben würde
dass Kieber nicht in Berlin sondern in Basel sei.
Die Hinweise, die Interpol Vaduz erhalten hatte, wären falsch gewesen.
Man hätte die Städte verwechselt. Oder ein anderer Vorschlag war, dass
man meldete, man hätte Kieber verhaften können und es daher keine
Anhaltspunkte mehr gäbe, ihn in Berlin zu vermuten oder gar zu
suchen. Am Ende wurde beschlossen, keine neue Meldung in Sachen
276
Kieber an Interpol Wiesbaden oder sonst jemanden in der EU zu senden.
Dies darum, weil man befürchtete, dass eine erneute Meldung nur die
Aufmerksamkeit auf den Fall lenken würde. Ein anderes, Hirn
verbrennendes Gefühl machte sich innerhalb des KKZ breit. Vor ein paar
Tagen noch wollten viele den Kopf von Kieber rollen sehen, nun war es
so, dass sie ihm „zu Hilfe‚ eilen mussten.
Man entschloss sich, wieder mit Kieber zu reden, ihm aber nichts über
Interpol u.s.w. zu sagen, damit er nicht noch aufgewühlter würde.
Langsam aber sicher sank die Erkenntnis in den Köpfen, selbst bei HansAdam, ein, dass Kieber mit seiner Argumentation zu Gunsten einer
Schutz-ID eigentlich Recht hatte.
Man kam zum Schluss, dass Kieber im Moment sicherlich sehr gut auf
sich selber aufpassen konnte und einem Zugriff der deutschen Behörden
zu entgehen wusste. Der Professor wurde beauftragt, eine Strategie zu
entwickeln, die der neuen Lage entsprach. Das ursprüngliche Ziel aber
bleibe weiterhin bestehen: die Daten und den Kieber sicher nach Vaduz
bringen, koste es was es wolle.
Nach einem sehr langen und harten Tag ordnete Hans-Adam an, den
folgenden Text um 20.04 Uhr in das Emailkonto zu stellen.
Material ist angekommen. Weitere Infos hier am Montag,
03.02.2003, ca. 11:30
BERLIN 31. Januar 2003
Den ganzen Tag zerbrach ich mir meinen Kopf darüber, was
Liechtenstein wohl alles mit der „Variante 2‚ ausgelöst hatte. Ich
vermutete, dass die Schnüffler nicht zurückgepfiffen worden waren,
sondern im Gegenteil, weiter im Solde Hans-Adams stehen würden, um
mich zu finden und mich dann den deutschen Behörden zu übergeben.
Alles abgewogen, entschloss ich, Berlin zu verlassen. Aber wohin nur,
mit all den Daten und Papierdokumenten?
Ich konnte keinen internationalen Flug buchen, da ich wusste, dass die
Wahrscheinlichkeit sehr hoch sein würde, dass ausgerechnet mein Pass
oder die ID am Flughafen durch das Lesegerät gezogen würden und
dann das Chrom der Handschellen blitzen würde. Ich ging die Liste der
Länder durch, die ich auf dem Landweg erreichen könnte: Österreich?
Nein, zu nah an Liechtenstein. Schweiz? Nein, Grenzüberschritt zu
277
riskant. Frankreich? Nein, nicht mein Favorit. Polen oder sonst wo in den
Osten? Nein, auch keine Alternative. Nordwärts, nach Schweden? Nein,
zu lange Fahrt (und mir war schon kalt genug in Berlin). Holland? Ja.
Holland. Warum nicht? In Amsterdam war ich noch nie.
Ich recherchierte im Internet nach den Transportmöglichkeiten dort hin.
Günstig und schnell könnte ich mit den Busgesellschaften fahren, die
regelmässige Touren von Berlin nach Amsterdam anboten. Leider war es
Vorschrift, dass alle Firmen vor der Abfahrt genaue Angaben zum
Passagier einsammeln und speichern mussten. Dazu zählten auch die
Nationalität und die Nummer des Reiseausweises.
Ich fand keinen Anbieter, der diese Regel nicht auf der Firmenwebseite
hatte. Eine Möglichkeit wäre, kurze Teilstrecken mit so genannten
Kaffeefahrten innerhalb Deutschlands zu buchen, am Ziel auszusteigen
und einfach die Rückfahrt nicht mehr anzutreten. Oder mit dem Zug bis
an die Grenze zu fahren und dann weiter schauen. Per Zufall stiess ich
auf Webseiten, wo private Kfz-Besitzer Mitfahrer für bestimme Strecken
und Tage suchten (Mitfahrzentrale oder Mitfahrgelegenheit). Das schien
mir die beste Lösung zu sein. Da keine aktuellen Angebote für eine Fahrt
von Berlin nach Amsterdam vorhanden waren, trug ich mich unter
einem Pseudonym als suchender, zahlender Mitfahrer ein. Gepäck: ein
grosser und ein kleiner Koffer. Für eine Fahrt von Berlin nach
Amsterdam ab der ersten Februarwoche 2003.
Eine eigens dafür neu eröffnete Emailadresse sollte als
Kontaktmöglichkeit zu mir dienen. Ich entschloss mich, heute am späten
Abend nochmals ein Internetcafé aufzusuchen und nachzuschauen, ob
ich Erfolg hatte.
Ich lud Petra zum Abendessen ein und wir gingen in ein vor ihr
gewähltes Restaurant. Ich sagte ihr, dass ich ein anderes Zimmer in
Süden Berlins gefunden hätte und am kommenden Montag ausziehen
würde. Sie freute sich für mich und fragte nach, ob es mir den soooo gut
in Berlin gefallen würde, jetzt im hässlichen Winter? Nach dem Essen
suchte ich eine Internetbude aus meiner Liste aus. Leider kein Angebot
für eine Mitfahrgelegenheit nach Holland. Haufenweise in andere
deutsche Städte, vor allem Münster. Aha, klar – ist ja eine grosse UniStadt. Ein kurzer Blick auf die Landkarte und Münster sollte es sein. Lag
nahe an der Grenze. Ich schrieb an drei Angebote und suchte dann nach
einer Wohngelegenheit im Netz. Schnell fand ich eine passende
Unterkunft.
278
Eine Iris aus Münster suchte jemanden, der ihr kleines möbliertes
Zimmer in einer WG für den ganzen Februar 2003 für 170 Euro mieten
möchte. Sie sei dann in München, bei ihrer Familie. Ich notierte mir ihre
Telefonnummer und rief gleich an. Sie war froh, dass sich jemand so
schnell meldete, da sie das Angebot erst vor ein paar Stunden ins Netz
gestellt hatte. Sie musste nach München gehen und in den harten Zeiten
einer Uni-Studentin, ist jeder Euro nicht ausgegeben, einer gespart.
Ich musste einen guten Eindruck bei ihr hinterlassen haben, da sie
sogleich zusagte aber erwähnte, dass sie morgen, Samstag schon
abreisen würde. Sie vertraue mir. Die 170 Euro müsste ich auf ihr Konto
bei einer Sparkasse in München einbezahlen. Bei Ankunft in Münster
sollte ich an der Haustüre klingeln und man würde mir die Schlüssel
geben. Super, sagte ich. Tausend Dank! Ein Problem weniger. Jetzt nur
noch die Fahrt dorthin.
Um ca. 23.00 Uhr las ich die Mitteilung von Hans-Adam. Mann, war ich
dann wieder erleichtert. Meine Hoffnung stieg, dass ich meinem Ziel, die
verdammten Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen, wieder
etwas näher gekommen war. Wenn auch nur in mikroskopischen
Schritten. Ich schrieb Hans-Adam nichts zurück, liess seinen Text stehen.
Ich hatte ja Zeit bis Montagmittag. Ich schlief beruhigter wenn auch zu
später Stunde ein.
BERLIN 1.- 3. Februar 2003
Moralisch gefestigt, dass ich das Richtige getan hatte, schaute ich schon
morgens früh am Samstag, den 01.02. im Internet nach, ob ich Erfolg mit
der Mitfahrgelegenheit hatte. Zwei der drei Kontaktierten hatten
geantwortet. Der Eine würde schon am Sonntagabend von Berlin
losfahren und der Andere am Montag um die Mittagszeit. Ich rief beide
an. Der Fahrkostenanteil war so um die 30-40 Euros. Der Erste wollte die
Kohle jetzt gleich, noch vor der Abfahrt haben, damit er sicher gehen
konnte, dass ich auch zum Treffpunkt kommen würde und er nicht
verarscht würde. Ich wandte ein, wie kann ich den sicher sein, dass er
zum Treffpunkt kommen würde, wenn er dann das Fahrgeld schon tags
zuvor erhalten hätte. Er hängte das Telefon einfach auf. Der Zweite war
sehr freundlich und sagte mir zu, mich am Montag pünktlich um 12 Uhr
vor dem Beate Uhse Sexladen, nähe Bahnhof Zoo abzuholen. Auf meine
279
Frage hin, ob sein Auto gross genug für meine 2 Koffer wäre, sagte er
„Null Problemo‚. Es würden nur er und ich im Wagen fahren.
Der Abschied von Berlin war nicht einfach. Gerne wäre ich hier
geblieben. Ich konnte mich mittlerweile gut in der Stadt bewegen und
dass die Amis und die deutsche Regierung hier waren, empfand ich stets
als eine Art Sicherheit. Nebst der geistigen Fitness, wollte ich auch
körperlich am Ball bleiben. Ich hatte irgendwo gelesen, dass heute die
Eröffnung eines neuen Fitnesstempel sein würde. An der Hasenheide am
Herrmannplatz. Ich suchte ihn auf und konnte für ca. 20 Euro eine
Tageskarte kaufen, und dann alles auf den zwei Stockwerken benutzten.
Da meine Abreise und die neue Bleibe geregelt waren, hatte ich wieder
Zeit, mich dem Thema Hans-Adam zuzuwenden. Um zu vermeiden,
dass er wieder vorschlägt, dass ich nach Vaduz kommen sollte, und auch
auf Grund der Möglichkeit, dass ich reisebedingt in den kommenden
Tagen nicht ins Netz kann, dachte ich, es wäre besser, ihm eine
Nachricht zu schreiben. Genau um 14.11 Uhr drückte ich die
Entwurfsspeichertaste im Emailkonto.
Sehr geehrte Herren, ich habe ihre Nachricht erhalten. auf Grund
der nun vorliegenden Lage möchte ich folgendes mitteilen: wir
haben 2 Möglichkeiten.
A) wir lassen die Situation wie sie jetzt ist:
° sie helfen aktiv mich zu fassen.
° ich versuche das - so lange es geht - zu verhindern.
° alle Beteiligten suchen nach dem besten Weg, um den Schaden
für sich selber so klein wie möglich zu halten. Wobei jeder seine
diesbezüglichen Möglichkeiten nutzt.
B) wir finden einen Weg aus dem Drama:
° das ich nicht zurückkehren kann - nachdem nun alles offiziell
und amtlich ist - verstehen sie sicher.
° ich bin nun in der Situation, wo ich - wie so oft in meinem
Leben - alleine grundsätzliche Entscheide fällen muss. nicht das
ich mich davon scheue - nein - nur die Zeit wird knapp.
° abgesehen von den unrechtmässig entwendeten Daten bin ich
als unschuldig anzusehen‚ solange bis das Gegenteil bewiesen ist.
280
° ich habe nichts mehr zu verlieren! es klingt zwar wie ein Spruch
aus einem billigen Film; aber - wenn ich meine Situation
anschaue - trifft dies genau zu.
° in diesen Tagen schwanke ich zwischen einer Art flucht nach
vorne (was nicht beinhaltet, nach Hause zu kommen) oder einer
Flucht nach hinten.
Bei Variante A) bitte ich Sie nichts mehr hier hineinzuschreiben;
nicht mal das Sie die „Variante A)‚ wählen oder wünschen.
Löschen sie dann bitte einfach diesen ganzen Text.
Bei Variante B) kommt es drauf an, was ihr und mein Ziel ist. Da
u.a. meine Anwesenheit in diesem Land (Deutschland) hier
offensichtlich IHR grösstes Problem darstellt, versuche ich samt
den Unterlagen (die Originaldokumente machen mir zu schaffen)
dies zu ändern.
Es kann also sein, dass ich mich erst in der 2. FebruarMonatshälfte hier wieder melden kann. meine Hoffnung ist es
zurzeit, dass man dann ein Treffen mit einem wirklich
Informierten organisieren kann, um unter 4 Augen zu sprechen.
natürlich bin ich mir bewusst, dass sie einen solchen Anlass als
Gelegenheit für das Ziel von Variante A) missbrauchen könnten.
aber ich möchte nicht mehr über das Telefon oder hier Tagelang
kommunizieren.
Ich hoffe Sie können dies alles nachvollziehen und ich verspreche
Ihnen, dass ich mit den Daten unter keinen Umständen (mit einer
Ausnahme) etwas unternehmen werde, bevor es zu einem 4Augengespräch gekommen ist. H. K.. N.B. bitte Text markieren
und für sie ausdrucken. Auch hoffe ich, dass nur ein sehr, sehr
begrenzter Kreis von Menschen dieses Emailaccount samt
Passwort kennen; oder?
Mit diesem Text, so glaubte ich, sollte für alle wieder grösstmögliche
Klarheit herrschen.
Am Sonntag, den 02.02. gab es noch das letzte gemeinsame Frühstück
mit Petra. Sie war an diesem Wochenende nicht weggefahren. Danach
281
suchte ich den Sexladen auf, sodass ich am Montag ohne Verzögerung
den Treffpunkt finden würde. Auch rief ich den Fahrer nochmals an, um
ganz sicher zu gehen, dass er morgen auch fährt. Alles beim Alten. Es
war der einzige Tag, an dem ich Berlin etwas entspannter geniessen
konnte. Man hätte mich von einem der wenigen Touristen, die um diese
Jahreszeit in Berlin herumspazierten, nicht unterscheiden können.
Am Montag, den 03.02. präzise als die Glastüre der Sparkasse sich für
Publikum öffnete, stand ich schon davor. Ich löste mein Konto auf, leerte
den Safe und gab die zwei Safeschlüssel zurück. Den Laptop und die
anderen Sachen verstaute ich in einen roten Baumwollsack einer
Bäckereikette aus Berlin.
Wieder zu Hause, Petra war schon arbeiten gegangen, verstaute ich alles
tief unten in den Taschen. Der Computer verschwand in einer
gepolsterten, schwarzen Laptoptasche aus Leder. Ich räumte mein
Zimmer auf, spülte das Geschirr in der Küche ab, schrieb ein
Abschiedsgruss an Petra und liess die Haustüre hinter mir zufallen. Ich
schleppte die Koffer um die Ecke zu einer kleinen Berliner Kneipe. Von
dort bestelle ich mir ein Taxi, das mich zum Treffpunkt bringen sollte.
Dort angekommen, musste ich nicht lange warten, bis mein Fahrer an
der Strassenseite vor dem Beate Uhse Laden anhielt. Er half mir beim
Einladen und ich bezahlte den gewünschten Anteil an den Fahrkosten in
bar.
Die Fahrt ging sehr zügig voran und mir lag nicht viel an tiefen
Gesprächen. Small Talk war OK. Er setzte mich in Münster vor dem
Haus mit der Adresse von Iris ab. Ich bedankte mich und er verschwand
im Verkehr. Vorbei an Mülltonnen zog ich mein Gepäck hinter mir her
zum Hauseingang. Klar, die Wohnung lag im dritten oder vierten Stock
und kein Lift.
Einer der Mitbewohner war zu Hause und fragte mich, ob ich „Gerhard‚
sei. Ich nickte und er zeigte mir das Zimmer von Iris. Sie hatte einen
Zettel mit der Bankverbindung und einen Wohnungs- sowie
Zimmerschlüssel für mich hinterlegt. Ich sah mich im Zimmer um. Das
Fenster war genau auf der Höhe der Bahnlinie, die hinter dem Haus, auf
der Dammhöhe verlegt war. Der Bahnhof war ca. 500 Meter entfernt. Ein
Bett, grösser als in Berlin aber wiederum ohne Beine, ein Tisch, ein
kleiner Fernseher sowie ein Bücherregal, das aus alten Holzteilen
282
zusammengehämmert war. Holz aus einer Kiste, die im früheren Leben
einer Explosion zum Opfer gefallen worden sein musste. Immerhin alles
schön sauber. Ich packte meine Kleider aus und versicherte mich, dass
alles LGT Datenmaterial gut verstaut war. Ich hatte Hunger. Das
Türschloss war eher primitiv. Dennoch, besser als gar kein Schloss. Ich
drehte den dazugehörenden, antiken Schlüssel zwei Mal um und
inspizierte das Bad (dreckig), die Küche (noch schlimmer) und schimpfte
über mich, dass ich in eine solche Lage geraten war.
Nicht dass mein üblicher Ärger, sprich die Auseinandersetzung mit
Hans-Adam, Anlass genug sein sollte, kräftig über mich selber zu
fluchen. Aber in solch Situationen sind es oft ganz triviale Dinge, die
einem anstrengender erscheinen. Ein Spaziergang durch die
Einkaufsmeile von Münster brachte etwas Erlösung. Aber nur
hinsichtlich meines grossen Hungers. Eine Pizza und Cola fühlte den
Magen schnell auf. Im Winter sehen alle deutschen Städte nicht sehr
einladend aus. Dank der hohen Konzentration junger Studenten in der
Stadt war die Anzahl von Internetmöglichkeiten blendend. Es war schon
nach 17 Uhr als ich dann diese Nachricht aus Vaduz lesen konnte:
Erwarte Anruf unter bekannter Nummer heute um 17:00 Uhr.
Nun gut.
Diesen Termin hatte ich verpasst, hätte aber sowieso nicht angerufen. Ich
hatte ja dem Hans-Adam berichtet, dass ich – reisebedingt - mich
eventuell erst in der zweiten Februarhälfte wieder melden würde.
283
KAPITEL 11 Die Polizei, dein Freund und Helfer
Diese schöne, geschichtsträchtige Stadt mit einer sehr alten Universität,
war für mich nur ein Streckenposten auf dem Weg nach Amsterdam und
eine kleine Oase der Ruhe, da ich hier sicher sein konnte, dass keine
Staatskarossen aus Vaduz auf mich lauerten. Da Münster eine kleine und
somit überschaubare Stadt war, wollte ich von hier aus keine Email
schreiben, vor allem aber keinen Anruf machen. Mein Plan war es ja, hier
in Münster keine Ferien zu machen. Keine Wurzeln zu schlagen. Dass es
trotzdem zehn lange Tage hier werden würden, hätte ich mir am ersten
Tag auch nicht erträumt.
Am nächsten Tag musste ich der Iris die Miete bezahlen. Sie hatte ein
Konto bei einer Sparkasse in München aufgeschrieben. Ich rief sie von
einer Telefonzelle an und sagte ihr, dass ich angekommen und alles OK
sei. Sie bedankte sich, dass ich mein Wort gehalten hatte und auch für
die Einzahlung der Miete. Ich fragte sie, ob ich nicht einfach die 170 Euro
ihrem Mitbewohner übergeben könnte. Bloss nicht, jammerte sie hurtig.
Sie kenne die anderen auch nicht so gut, da die Leute kommen und
gehen. Jeden Monat entdeckte sie auf dem Weg zum Bad oder in die
Küche neue Gesichter. Die einzige langjährige Mitbewohnerin sei auch
verreist.
Ich machte mich auf den Weg zur Sparkasse in Münster. Bis anhin waren
es für mich nur Gerüchte. Meine diesbezüglich eigenen Erfahrungen in
Berlin waren eigentlich gut. Horrorgeschichten, Schreckenszenarios die
offenbar jeder Deutsche zu erzählen wusste. Wie diffizil und
unfreundlich einige Banken in Deutschland seien. Es war dann auch eine
Mammutanstrengung die 170 Euro in Münster auf ein Konto der
Sparkasse in München einzuzahlen. Ich hatte ja kein Konto in Münster.
Sparkasse ist eben nicht gleich Sparkasse. Erst nach drei Anläufen in
derselben Bank gelang es mir, einen Schalterangestellten zu überzeugen,
dass ich das Geld unbedingt überweisen musste.
Ich musste zwei dicke Formulare ausfüllen und eine Gebühr von ca. 35
Euro bezahlen. Am Ende war die Kohle auf dem Weg nach München.
Und meine Miete war bis Ende Februar 2003 bezahlt. Anschliessend
spazierte ich in Richtung Uni. Dort auf dem Gelände gab es verschieden
Kantinen und Cafeterias. Ich kaufte mir einen Kaffee und ein Stück
Kuchen, setzte mich ins Foyer. Ich erinnere mich noch genau an den
feinen Kuchen, die Holztische und dunklen Stühle. Stundenlang
beobachtete ich die wenigen Studenten, die zu dieser Zeit offenbar eine
284
Pause hatten. Der Ausblick war auf den parkähnlichen Garten der Uni.
Für mich war dieser Augenblick doch wie Ferien. Ein schönes Gefühl.
Dann wurde ich wieder von den Gedanken eingeholt und ich stellte mir
vor, was sich in den Köpfen derjenigen in Vaduz abspielte, verdrängte es
aber gleich wieder.
Es war wie ein anderes Leben, das sich parallel zu meinem entfaltete. Da
ich in Münster sozusagen inkognito war, fühlte ich mich prächtig. Keine
Telefonate mit Hans-Adam, keine Staatskarre, die auf mich wartete.
Keine Fragen wo die Daten sind. Keine Befehle. Keine Appelle. Keine
Drohungen. Keine. Keine. Ich verbrachte auch viele Stunden im Bahnhof
Münster. Der Vorplatz war schön gestaltet. Eine Art kreisförmige
Zufahrtsstrasse mit ein paar Geschäften auf der Rechten Seite. In der
Mitte die Taxis. Ich musste mich sehr anstrengen, um abgelenkt zu
bleiben. Im Moment, wo mir dies nicht gelang, drängte sich sofort die
Realität wieder auf. Das Bedürfnis, zu erfahren ob man mir wieder eine
Nachricht im Emailkonto hinterlassen hatte, wurde immer stärker.
Zuerst wollte ich dies an einem Computer in Münster machen. Nur
Nachschauen. Nicht mehr, nicht weniger. Nachsehen, ohne etwas
hineinzuschreiben würde das mögliche Risiko ganz beseitigen, meinen
Standort preiszugeben. Was aber, wenn ich antworten oder gar
telefonieren musste? Die beste Lösung war, dass ich dafür von Münster
wegging.
Da ich nur gute Erfahrung damit gemachte hatte, suchte ich im Internet
nach einer Mitfahrgelegenheit in eine der grösseren oder kleineren
Städte im Umfeld von Münster (Ich kann mich noch so sehr anstrengen:
ich bin mir heute – im Rückblick - nicht mehr ganz sicher, ob es dann
Osnabrück, Hamm, Bielefeld oder gar eine andere Kleinstadt war, wo
ich einen Tag verbrachte. Ich tippe auf Osnabrück. Ohne Gewähr). Auf
jeden Fall war es in jener Stadt, wo eine grössere Polizeistelle, eine Art
Regionalkommando, evt. der Bundesgrenzschutz stationiert war.
Was hatte ich aber mit denen zu tun?
Ein Tag, dessen Anfang verrückter nicht hätte sein können. Ich fand
folgendes Angebot: Ein Mann offerierte eine Mitfahrgelegenheit für vier
bis fünf Mal pro Woche für die nächsten Monate. Abfahrt war jeweils
früh am Morgen und Rückfahrt am späten Nachmittag. Er erzählte mir,
dass er in Münster (oder im nahen Umland von Münster) lebte und
285
täglich zur Arbeit nach „Osnabrück‚ pendelte. Für ein paar Euro könnte
man mit ihm mitfahren. Super, sagte ich. Wann geht es los, fragte ich. Er
fuhr sehr, sehr früh jeweils von zu Hause ab. Ich gab ihm meine Adresse
und er sagte, dass er am nächsten Tag (es muss so um die 05.30 Uhr oder
06.00 Uhr gewesen sein) abholen würde. Ich ahnte ja nichts von dem was
kommen sollte.
Pünktlich wie eine Schweizer Uhr und eingekleidet wie für einen Trip
auf einen Schweizer Gletscher, stand ich in der Kälte am Strassenrand
gegenüber dem Haus wo ich wohnte. Er, ich erinnere mich nicht mehr
an seinen Namen, nennen wir ihn mal ‚Bruno‚, stoppte vor meiner
Nase. Ich war ja auch der einzige Mensch weit und breit, der an der
Strasse zu dieser ungemütlichen Zeit stand. Ich fragte ihn, ob er der
Bruno sei, er bejahte dies. Ich stieg in seinen Wagen ein. Ich glaube mich
zu erinnern, dass es ein deutsches Fabrikat war. Ein VW Passat Kombi
oder ein Opel Kombi. Dunkle Farbe, evt. Grau oder Blau. Die Fahrt muss
zwischen 30 und 50 Minuten gewesen sein. Wir plauderten so daher und
er fragte mich, woher aus der Schweiz ich komme. Ich erzählte von
Zürich und dass ich auf Besuch in Münster sei und mir die Stadt
Osnabrück anschauen möchte. Was er den so mache, fragte ich.
Er erzählte, dass er seit Jahren bei der Polizei arbeitete. Er habe einen
guten Rang erreichen können.
Polizei? Polizei! Flink hatte ich das Gefühl, als würden mich ein
Hirnschlag und ein Herzinfarkt gleichzeitig treffen. Zum Glück war es
drinnen so dunkel wie draussen. Sonst hätte er gesehen, wie mein Blut
das Gesicht verliess und tsunamihaft runter in die Beine entkam. Nicht
zu vergessen, die vielen Schweissperlen auf meiner Stirn.
Ehrlich, ich glaubte, dass ich voll in eine Falle gelaufen war. Ich weiss, es
mag für euch Leser absurd klingen, aber es war Krieg zwischen mir und
Hans-Adam. Ich wusste ja, dass er seine Variante 2 aktiviert hatte.
Vielleicht wussten sie, dass ich in Münster war. Tausend Gedanken
schossen durch mein fast blutleeres Hirn. Aber es war doch ich der
Bruno zuerst kontaktiert hatte, erinnerte ich mich blitzartig. Nicht
umgekehrt. Er konnte mich also nicht kennen.
Und er erzählte mir von seiner Familie, seinen Kindern und sogar seiner
Arbeit. Hatte etwas zu tun mit Grenzschutz, eventuell mobilem
Grenzschutz. Wir redeten über Verbrecher, Schmuggler, Drogen und die
kläglichen Löhne bei der Polizei. Mein lieber Vater, dachte ich mir, da
fährt der deutsche Polizist in seinem Wagen mit einem falschen
286
„Touristen‚ aus der Schweiz durch die Gegend, einer der in Wahrheit
heiss gesucht wurde, in Münster brisante Daten stapelte und plaudert
mit ihm über Vergleiche von deutschen und schweizerischen
Polizeitaktiken.
Es kam noch schlimmer: Als wir schon im Stadtpendlerverkehr von
Osnabrück steckten, offerierte er mir auf einmal einen Kaffee in seinem
Büro (!). Jetzt wurde mir ganz heiss. Es ist eine Falle, man wird mich
verhaften, dachte ich mir und mir wurde noch schlechter. Ich überlegte
mir schon, ob und wie ich aus dem nun langsamer rollenden Fahrzeug
springen sollte. Ich lehnte das Angebot ab, was ihn erstaunte.
Es war noch so früh, dass keine anderes Geschäft offen hatte. Daher
verwunderte es ihn schon, dass ich sein schönes Angebot ablehnte. Er
fragte nochmals und bemerkte zum wiederholten male, dass ich mit ihm
am späteren Nachmittag auch zurück nach Münster fahren könnte. Da
ich nicht unhöflich sein wollte und keinen Verdacht aufkommen lassen
wollte, sagte ich diesmal zu. Es war ein wenig heller draussen geworden.
Wir fuhren auf ein älteres mehrstöckiges Gebäude zu. An der
Aussenmauer waren einige Polizeitransportwagen parkiert. Er hielt vor
einem grossen Tor und nachdem es sich geöffnet hatte, sah ich eine Art
Innenhof, eng und verwinkelt wie bei einer Burg oder so ähnlich. Es war
definitiv kein neues, modernes Gebäude. Eher eine Verschachtelung von
verschiedenen Bauwerken. Es gab nicht viele Parkplätze hinter dem Tor.
Da er einen hatte, bedeutete dies für mich, dass er einen höheren
Rang/Funktion bei der Polizei ausüben musste. So wie er es gesagt hatte.
Ich glaube aber, er war kein Kommissar, evt. eine Stufe darunter. Sicher
aber ein Gruppenleiter.
Wir stiegen aus und ich lief ihm hinterher. Er schritt auf eine Treppe zu,
die entweder aus Beton oder Steinen geformt war und ein einfaches
Eisenstangendesign als Treppengeländer hatte. So genau konnte ich es
nicht sehen, da es noch nicht genug hell war. Ein Publikumseingang war
es nicht, das stand fest. Es kamen uns uniformierte Polizisten entgegen.
Er grüsste sie und erhielt den Gruss erwidert. Gleich nach Eintritt stand
ich in einem Gang. Ich musste dort warten und er holte mir einen Kaffee
vom Automaten. Ich bedankte mich und versuchte meine flatternde
Nervosität zu verbergen.
Als nächstes erwartete ich seine Einladung. „Nehmen sie doch bitte Platz
und nennen sie uns ihren Namen und Anschrift.‚ Aber Nein, wieder
einmal Glück gehabt. Er zeigte mir den Weg aus dem Labyrinth im
Innenhof und verabschiedete sich. Er wollte sogar die paar Euro, sein
287
Fahrgeld, nicht entgegennehmen. Touristen hilft man doch gerne in
Deutschland, sagte er zum Abschied.
Ich bestand aber darauf, dass er den Zehner erhält und drückte ihn fest
in die Hand. Er hatte keine Ahnung, wie ERFREUT ich war, dass ich
gehen durfte. Ich musste ihm versprechen, dass ich ihn im Büro anrufen
würde, sollte ich doch noch mit ihm nach Hause fahren wollen.
Wie neugeboren bummelte ich in Osnabrück durch die mir unbekannten
Strassen. Endlich fand ich ein geöffnetes Café. Mit einer Tasse heisser
Schokolade und einem belegten Brötchen war die Welt wieder in
Ordnung. Ich blieb noch eine Weile dort und beobachtete die
Kundschaft. Um die Mittagszeit fand ich eine Gelegenheit ins Internet zu
kommen. Ergebnis: Keine neue Nachricht. Auch gut. Ich rief Bruno, den
Polizisten, kurz nach Mittag in seinem Büro an und sagte, dass ich schon
jetzt nach Hause fahren würde und zwar mit der Regionalbahn. Er
wünschte mir noch eine schöne Zeit in Deutschland.
Zurück in Münster verbrachte ich die Tage mit dem neuen Thema:
Holland und die Reise dahin. Mit den Datenträgern und den
Dokumenten. Die Gelegenheit mit dem Zug via Enschede nach
Amsterdam zu fahren, kam für mich nicht in Frage. Ich wusste, dass
trotz der „offenen EU-Grenzen‚, die internationalen Züge von mobilen
Grenzbeamten kontrolliert werden. Zu viel Geld in Deutschland und zu
günstige Drogen in Holland. Die Möglichkeit mit der Regionalbahn bis
an die Grenze zu fahren, dann mit einem Linienbus rüber und auf der
anderen Seite mit dem holländischem Zug weiter, wäre machbar
gewesen. Aber das Restrisiko, auch hier kontrolliert zu werden, blieb
bestehen. Die einzige und letzte Lösung, war die mir schon bekannte Art
und Weise: die gute alte Mitfahrgelegenheit. Sie wurde von den
Deutschen rege genutzt und war praktisch immer billiger als mit dem
Bus oder dem Zug. Da fragte niemand nach Ausweisen oder wollte dein
Gepäckinhalt inspizieren. Von Deutschland aus wurden Fahrten bis nach
Madrid oder gar Moskau angeboten oder gesucht. Die Angebote für
Münster - Amsterdam waren aber sehr dünn gesät. Gleichwohl hatte ich
Erfolg. Ein Student aus Münster plante für Mitte Februar eine Reise nach
Amsterdam. Ich traf ihn an der Uni und um sicher zu gehen, dass er
mich mitnehmen würde, zahlte ich ihm die Hälfte des Fahrpreises schon
mal gleich. Er erschien mir vertrauenswürdig. Jetzt noch eine Unterkunft
in Amsterdam suchen, dann hätte mal wieder alles super geklappt, sagte
ich zu mir. Ich war noch nie in Amsterdam City und suchte im Internet
288
nach einem günstigen Bed & Breakfast, wo ich zwei bis drei Monate
bleiben könnte.
Nach Durchsicht von etlichen B&Bs, die entweder zu teuer oder mitten
in der Stadt waren, stiess ich auf eine schöne Webseite eines B&B in
Monnikendam. Das B&B hiess Flowergardens und war in der
Margrietstraat zu finden. Für Langzeitgäste nur 21 Euro pro Nacht, incl.
Frühstück. Das ist aber günstig. Ich reservierte das Zimmer für erstmals
2 Monate. Jane und ihr Mann erwarteten mich am 14. Februar 2003 in
Monnikendam (Wieder dieser 14.02.: Hans-Adams Geburtstag). In
Holland würde ich mich Claudio nennen. Ein attraktiver Name.
Donnerstag, der 13.02. Wie abgemacht, stand ich zuverlässig um 10 Uhr
am Bahnhof Münster, wartete auf den Fahrer. 10.30 Uhr, 10.45 Uhr, 11.10
Uhr. Immer noch kein Fahrer in Sicht. Mist noch mal. Wo blieb der nur,
beschwerte ich mich laut. Ich konnte nicht weggehen und ihn anrufen,
denn dann würde ich ja nicht auf dem abgemachten Platz stehen und er
würde mich nicht sehen und ohne mich wegfahren. Endlich, um 11.30
Uhr hielt ein alter, roter Ford Fiesta, mit schon zwei Leuten drin vor
meinen Füssen an. Er fragte mich, ob ich Claudio sei. Ich erwiderte die
Frage mit der Gegenfrage ob dies das Auto sei, mit dem wir nach
Amsterdam fahren würden.
Ja, Ja. Aber hat es da noch Platz für mein Gepäck, fragte ich. Sicher,
sicher – war seine Antwort. Seine Freundin und er fuhren nur fürs
verlängerte Wochenende weg. Nicht viel Gepäck dabei. Und so war’s
auch. Der Kofferraum war praktisch leer. Wir verstauten meinen grossen
Reisekoffer und den Rest packten wir hinten auf die Sitzbank. Ich durfte
vorne Platz nehmen. Beide waren ein sehr aufgestelltes Paar. Ihre
Musikauswahl während der Fahrt traf meinen Geschmack oft. Wir
stoppten 2, 3 Mal für Benzin und kleine Snacks. Die unsichtbare Grenze
war in der Mitte der Autobahn und niemand hat uns aufgehalten.
VADUZ Erste Monatshälfte Februar 2003
Das gemeinsam benutzte Emailkonto wurde jeweils am Wochenende,
wenn das Sekretariat oben im Schloss nicht besetzt war, von einer Person
unten in Vaduz, die für das KKZ arbeitete, vier bis fünf Mal pro Tag
kontrolliert. Am Sonntag (02.02.) fand man den längeren Text von
Kieber, den er am Tag zuvor abgespeichert hatte, druckte ihn aus und
289
lieferte ihn beim Portier im Schloss ab. Am Montag traf mach sich wieder
zu einer KKZ-Sitzung. Kiebers letzter Text wurde in seine Einzelteile
zerlegt, x-mal analysiert, verschiedene Mutmassungen darüber
angestellt und wieder verworfen.
Man war sich einig, dass die beschriebene Möglichkeit „A)‚ (siehe
‚Berlin 1-3.Februar 2003‚ ) niemand mehr hier als eine Lösung des
Problems betrachtete. Kieber hatte ja die Daten und wenn die in die
falschen Hände, sprich deutsche oder amerikanische, geraten, dann
Gnade uns Gott, resümierte der Regierungschef.
Hinsichtlich des restlichen Textes, unter „B)‚ (siehe wie oben), waren
sich alle Anwesenden nicht einig, wie man es zu deuten hatte. Kieber
wusste ja nichts von dem Missgeschick mit den Interpolmeldungen,
daher war man in Vaduz aber erleichtert, dass er offenbar von sich aus
entschied, das Land zu wechseln und sich auch sorgen wegen der
mitgeschleppten Dokumenten machte.
Besser als Kieber kann keiner auf die Daten aufpassen, hob Hans-Adam
hervor. Es wurden wilde Spekulationen darüber angestellt, wohin er
wohl reisen würde. Die einen tippten auf Spanien, weil dies das letzte
Land wäre, wo man in vermuten würden. Andere auf Skandinavien
oder auf ferne Länder wie Südafrika. Einige mutmassten, dass Kieber
mit dem Hinweis, dass er eventuell erst in der zweiten Februarhälfte
wieder Kontakt aufnehmen könnte, nur Zeit für sich gewinnen wollte,
um weit weg abzuhauen oder gar Gespräche mit den Deutschen oder
den Amis zu beginnen.
Der Professor schüttelte seinen Kopf. Ihm machten Kiebers Sätze „
…alleine grundsätzliche Entscheide zu fällen… die Zeit wird knapp‚ grosse
Sorgen. Er deutete dies als ein Zeichen für hohen Stress und eventueller
Selbstmordgefährdung. Quasi ein Selbstzerstörungsplan plus grossem
Knall. Welchen Knall, fragte Hans-Adam. Natürlich den Knall beim
Hochgehen der Datenbombe, bekam er als Antwort.
Teile des KKZ tauchten wieder in alte Ideen ab: Es müsse doch möglich
sein, dass wir uns den Kieber schnappen. Die Gelegenheit wäre doch
dann gegeben, wenn Kieber zu einem von ihm gewünschten Vier-Augen
Gespräch erscheinen würde. Bis dahin sei man ja sicher, wegen der
Daten, da er ja versprochen hatte, nichts mit den Daten zu machen, bis
ein solches stattgefunden hatte.
Am Ende der Sitzung berief sich der Professor auf seine jahrelange
Berufserfahrung und beruhigte damit die Anwesenden. Er würde für ein
solches Gespräch zur Verfügung stehen, sagte er. Und schloss mit der
290
Bemerkung ab - in Richtung LGT und Hans-Adam schauend – dies
natürlich nur nach einer Zusicherung von Seiten Hans-Adam, dass keine
Falle für Kieber geplant werde. Für solche Spiele sei er bei allem
bezahlten Geld nicht zu haben. Ja, Ja – rief man ihm aus dieser Ecke zu.
Lasst uns abwarten und schauen, ob Kieber um 17 Uhr anrufen würde,
verabschiedete man sich aus der Runde.
Kieber rief nicht an. Diese schlechte Nachricht wurde per Telefonkette
weitergemeldet. Wieder fingen die wilden Spekulationen an.
Hans-Adam fragte nach, ob man den letzten genauen Standort von
Kieber irgendwo stichhaltig festlegen könnte. Z.B. von wo genau aus er
die letzte Meldung geschrieben hatte. Das KKZ forschte nach und kam
mit der erstaunlichen Auskunft zurück, dass Kieber in Köln gewesen sein
muss. Köln, fragte Hans-Adam mehrmals. In Köln? Was macht Kieber in
Köln, wunderte man sich. Dies alles ergab keinen Sinn.
Anm.: Ich weiss schon, warum die in Vaduz damals auf Köln gestossen sind.
Um es an diesem konkretem Beispiel aufzuzeigen: Am 01.02.03 hatte ich in
Berlin an einem Computer eines Internetcafés eine Nachricht im gemeinsamem
Emailkonto geschrieben und wie immer nur im Entwurfsordner gespeichert.
Das KKZ versuchte den Standort des Computers via der am Entwurf
(manchmal) elektronisch angehängten IP-Adresse herauszufinden. Deren
Nachforschungen ergaben, dass die gespeicherte IP-Adresse eine Nummer eines
Computers hatte, der in der Stadt Köln stand. Man hatte mich daher am
01.02.03 in Klön vermutet. In einer Stadt, in der ich nie gewesen bin. Es war ja
meine Idee für die Kommunikation ein Emailkonto zu haben, dass wir
gemeinsam nutzten. Als Begründung gab ich im Brief an Hans-Adam an, dass
wir dadurch keine Emails versenden müssen, die evt. z.B. am falschen Ort
landen oder auf dem Weg zum Empfänger von unerwünschten Mitlesern
gesehen werden könnten. Was ich ihm nicht erzählte, war mein anderer
Hintergedanke: Ich wusste, dass bei einer Abspeicherung eines Textes im
Entwurfsordner NICHT - wenn überhaupt - die IP-Adresse des Terminals wo
der Text eingetippt wurde, abgespeichert wird, sondern die IP-Adresse wo der
nächstgelegene Server des Providers physisch stand. In diesem Fall in der Stadt
Köln.
Sicherlich hätte das KKZ die Mittel und Wege gehabt, mit Hilfe von
Internetspezialisten zumindest die richtige Stadt, von der von mir benutzte
Computerterminals stand, zu finden, aber – wie das KKZ in einem
Aktenvermerk richtig erkannte – wurde, während der Zeit wo ich in
Deutschland war,
291
OZA- in Absprache mit allen Beteiligen (Polizei, Justiz,
Regierung, LGT und Hans-Adam) nicht versucht, die genauen
Örtlichkeiten (von Kieber) zu ermitteln, da man ansonsten der
deutschen Polizei den Sachverhalt hätte mitteilen müssen -OZE.
Am 06.02., aufgrund der neuen Lage, ordnete das KKZ, nach Auftrag
von Hans-Adam, das Landgericht Vaduz an, dessen (inaktiven)
Haftbefehl vom 13.01.03 so abzuändern, dass er nur für Liechtenstein
und die Schweiz gelte. Man wolle nicht, dass andere Länder von einem
Liechtensteiner Haftbefehl erfahren würden. Nach den Ereignissen in
Vaduz am 31.01. wollte man keine Mitteilung über diese Änderung an
Deutschland oder Spanien machen, da dies nur wieder deren
Aufmerksamkeit erhöhen würde. Was absolut nicht erwünscht war.
Auftragsgemäss schrieb das Interpoliere Vaduz am 10.02. um 16.10 Uhr
an die Schweizer Polizei (RIPOL und Interpol Bern) folgenden
Ausschnitt:
Sachverhalt:
1. Kieber Heinrich steht im Verdacht, im Jahre 2002 in Vaduz, als
damaliger Angestellter Unterlagen seiner Arbeitgeberin, einer
juristischen Person liechtensteinischem Rechts mit Sitz in
Vaduz/FL, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu
verhindern, dass jene im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts,
eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
2. Weiters steht Kieber im Verdacht, im Januar 2003 vom Ausland
aus durch gefährliche Drohung, nämlich durch die Behauptung,
er werde die von ihm unter Ziffer 1 erlangten Unterlagen Dritten
übergeben, wodurch seine damalige Arbeitgeberin Kundengelder
verlieren werde, sohin durch Drohung mit der Vernichtung der
wirtschaftlichen Existenz, zu weiteren Handlungen zu nötigen
versuchte.
Zusatz Interpol Vaduz: Es kann nicht ausgeschlossen werden,
dass Kieber Heinrich b e w a f f n e t ist! Kieber ist bisher nicht
gewalttätig in Erscheinung getreten. Nach hier vorliegenden
Erkenntnissen muss jedoch aufgrund seiner aktuellen
psychischen Verfassung von einer hohen Gewaltbereitschaft
ausgegangen werden.
292
Wiederum konnte Vaduz der Versuchung nicht widerstehen, gefälschte
Angaben zu machen („bewaffnet, hohe Gewaltbereitschaft‚ und auch
den kleinen „Terroristenhinweis‚: „kann Flugzeuge fliegen‚), wohl als
Ermutigung an die Schweizer zum Abschuss von Kieber.
Anm.: Einigen Lesern ist sicherlich aufgefallen, dass im Gegenteil zu der
Interpolmeldung nach Wiesbaden und nach Madrid (vom 23.01.), wo nichts
über den Sachverhalt geschildert wurde, die Liechtensteiner den Schweizern
sehr offen über den Tatbestand schreiben. Dies aus zwei Gründen:
1. Logischerweise musste man bei der Meldung vom 23.01.2003 verhindern,
dass deutsche oder spanische Behörden erfahren, dass jemand Bankdaten über
deutsche und spanische Kunden in Liechtenstein gestohlen hatte und damit (in
Deutschland) herumirrte.
2. Konnte Vaduz gegenüber der Schweiz etwas freimütigerer sein, da man in
dieser Branche ja im gleichen Boot sass. Es war jedem Schweizer Polizisten klar,
dass mit den Angaben über den Sachverhalt eine Bank oder Treuhandfirma
gemeint war. Man konnte sich in Vaduz auf die Verschwiegenheit der Schweizer
verlassen, sollten sie Kieber samt Daten festhalten können. Auch wäre eine
Überstellung von Kieber als Gefangener von der Schweiz nach Liechtenstein
eine reine Formsache.
Wie immer hatte das letzte Wort der Hans-Adam. Als er über den
neusten Stand der Dinge unterrichtet wurde, bemerkte er, dass die
Ausschreibung (zur Verhaftung) im Schweizer Polizeisystem (RIPOL)
absolut nicht ideal für seine Sache wäre. Hans-Adam befürchtete, dass
u.a. die Schweizer Behörden aus politischen Gründen Interesse an
gewissen Daten von Kunden aus Drittländern haben könnten.
Um eine bessere Kontrolle zu haben, ordnete Hans-Adam die
Landespolizei an, den Schweizer Behörden mitzuteilen, dass Vaduz nur
die passive Ausschreibung in der Schweiz wünschte. Was am 11.02. dann
auch geschah. Bei dieser Art der Ausschreibung würden die Schweizer,
sofern sie über Kieber stolpern sollten, nur dessen Aufenthaltsort nach
Vaduz melden, ihn aber nicht verhaften. Dies aber auch nur, sofern die
Schweizer nicht erkennen würden, dass Kieber auch im SchengenSystem vermerkt war, was genau Vaduz sich insgeheim erhoffte und mit
dieser „Zurückstufung‚ auch erzielen wollte.
293
Auch am 06.02. stellte die LGT Treuhand ohne Konsultation mit HansAdam den Antrag an das LG Vaduz auf die strafrechtliche Verfolgung
Kiebers wegen Datendiebstahls. Am 10.02. (oder am 18.02 –
verschiedenen Dokumente nennen beide Tage) informierte das
Landgericht das Schloss Vaduz darüber und unterbrach den oben
genannten Antrag vorläufig, da Hans-Adam mit der Anzeige von Dr.
Feuerstein „im Namen‚ der LGT Treuhand gar nicht einverstanden war,
mit dem Resultat, dass später, am 02.07.03 die Anzeige zurückgezogen
wurde. Eine Verurteilung in Sachen Datendiebstahl war also nicht
erwünscht.
Der Professor und der von einer längeren Auslandsreise heimkehrende
Bankdirektor trafen sich in mehreren Sitzungen, da der Professor noch
mehr über das Wesen von Kieber erfahren wollte und der Bankdirektor
diesen ja persönlich kannte. Dem Bankdirektor wurde von beiden Seiten
eine besondere Rolle zugeteilt. Von Seiten Hans-Adam, da er ihm
vertrauen konnte und von Seiten Kiebers, da dieser ihn im Brief vom
07.01.03 als einen der zwei möglichen Gesprächspartner namentlich
genannt hatte und daher Kieber ihm offenbar traute.
Je mehr der Professor über Kieber erfuhr, umso mehr empfand er es als
eine Herausforderung, der Sache auf den Grund zu gehen. Er musste ihn
kennen lernen. Er erkannte, dass es nicht einfach sein würde, die Psyche
von Kieber richtig zu verstehen. Der Professor und der Bankdirektor
stellten sich auf komplizierte und lange Diskussionen mit Kieber ein, um
an das gewünschte Ziel von Hans-Adam zu kommen.
Inzwischen war es in den Justizkreisen von Vaduz kein Geheimnis mehr,
dass sich seit Anfang Januar offenbar Dramatisches zwischen Kieber,
Hans-Adam und seiner Regierung abspielte. In dieser
spannungsgeladenen Zeit wagte niemand offen Partei zugunsten Kieber
zu ergreifen. Natürlich war die grosse Mehrheit, vor allem diejenigen,
die keine Detailkenntnisse hatten, auf der Seite des „armen‚ HansAdam.
Ein weiteres wichtiges Ereignis in der Saga Kieber passierte am 14.02.03
beim Oberbersten Gerichtshof in Vaduz. Da entschied das Gericht im
Zivilstreit um die in Österreich blockierten Gelder in einer nicht294
öffentlichen Sitzung, dem Revisionsantrag von Kieber nicht Folge zu
leisten und das Urteil der unteren Instanz zu bestätigen.
Anm.: Obwohl mein Anwalt exzellente Gründe in der Revision darlegte, waren
meine Chancen dafür auf Null geschrumpft, nachdem ich seit Januar 2003 das
Land in den Schwitzkasten genommen hatte. Meine berechtigten Vorwürfe auch
gegen die Justiz im Brief und auf der Tonkassette (07.01.03) sind logischerweise
bei den Betroffenen nicht gut angekommen. Diesen Beschluss vom 14.02.03
reichte der RA von Helmut Roegele sofort beim Bezirksgericht Feldkirch ein.
Dieses Gericht fällte dann am 26.02.03 einen Vollstreckbarkeitsbeschluss.
Am gleichen Tag entschloss man sich, die am ursprünglich am 13.01.
geplante Razzia des Elternhauses von Kieber durchzuführen. Es ging
nicht darum, Kieber selbst dort zu finden. Man erhoffte sich die Daten
oder den Computer von Kieber dort vorzufinden. Die Suche ergab nicht
das erwünschte Resultat. Alle im KKZ waren über die neuen, erledigten
Aktivitäten von Polizei und Justiz voll zufrieden. Man musste nur
sicherstellen, dass Kieber nichts davon erfahren würde. Um dies
sicherzustellen, wurde nochmals allen Beteiligten mehr oder weniger
freundlich eingehämmert, dass es als (Landes-)Verrat angesehen würde,
wenn jemand Kieber etwas davon erzählen würde.
295
KAPITEL 12 Holländischer Käse
AMSTERDAM
Hurra, hurra - Holland ich war da.
Ich war sehr erleichtert. Bei so vielen Kilometer zwischen mir und
Liechtenstein fühlte ich mich besser. Warum genau wusste ich nicht. Ich
war ja nicht auf einer Flucht. Ich glaubte auch, dass ich mich in
Amsterdam unauffälliger in der Menschenmenge bewegen könnte, als in
Berlin. Man liess mich beim Hauptbahnhof aussteigen. Ich wollte das
bunte Leben von Amsterdam rund um den Bahnhof auf mich einwirken
lassen. Hier müsste es sich eine Weile aushalten lassen, da war ich mir
sicher. Ich stieg in eines der vielen wartenden Taxis ein und liess mich
nach Monnikendam fahren. Nach 20 Minuten stieg ich aus dem Taxi und
stand vor einem der typischen holländischen Reihenhäuschen. Ein Schild
an der Wand bestätigte mir, dass ich vor dem Flowergarden B&B stand.
Alles niedlich und sauber, wenn auch sehr klein.
Ich klingelte und eine schlanke Dame öffnete die Türe. Claudio? Jane?, Ja
– Ja. Herzlich Willkommen, Haaartelijk welkom en Holland,
willkommen in Monnikendam, willkommen im Flowergarden. Sie führte
mich eine schmale Treppe hoch in den ersten Stock des Hauses.
Ich bekam das Zimmer Nr. 3, mit dem grossen Einzelbett, einem
Schminktisch, der später als Bürotisch dienen sollte, einem Stuhl,
Spiegel, einem Ventilator einem eingebautem Wandschrank. Rechts
neben mir waren die Gästezimmer Nr. 1 und 2, eines mit zwei
Einzelbetten und das andere mit einem grossen Ehebett, beide mit etwas
mehr Platz. Auf dem Gang befand sich eine Dusche mit WC. Alles trotz
des Alters sehr gut im Schuss. Schriftliche Instruktionen klebten an den
Wänden: bezüglich Benutzung der Dusche und allgemeine
Pflegehinweise. Ein Blick von meinem Zimmer aus in den Garten
erklärte den Namen des B&B: ein paradiesischer Garten, eher die
englische Art. Es blühten schon ein paar Blumen. Im Sommer würde dies
aber ein Meer an Farben geben, sagte ich zu mir.
Ich konnte meine Sachen auspacken, bevor ich wieder runter ging, um
die Formalitäten zu erledigen. Na ja, da war nicht viel Formelles zu tun.
Bezahlen würde ich immer in bar einen Monat im Voraus. Ausweise
wollte hier niemand sehen. Unten, da waren die Diele, die Küche und
296
die Stube mit Blick zur Strasse hinaus. Am anderen Ende der Stube stand
ein grosser, runder Tisch mit schweren Stühlen. Dort dürfte ich das
Frühstück einnehmen, sagte Jane. In meiner Zimmermiete war das
Frühstück auch inbegriffen. Zwischen 07.30 Uhr und 08.30 Uhr wurde es
serviert: Englisch Breakfast Tea oder ab und zu mal heisse Schokolade,
Toastscheiben, dazu Butter und Konfitüre, ein paar Scheiben
holländischer Käse und dünnen Wurstaufschnitt. Sieben Mal die Woche.
Ich war froh, auf Anhieb eine gute Unterkunft gefunden zu haben.
Monnikendam ist ein reizendes Dorf, mit einem Hafen, einer kleinen, auf
Touristen ausgerichteten Geschäftsmeile und endlosen Kanälen. Es war
ruhig und Amsterdam trotzdem gut erreichbar. Nur 13 Kilometer weit
weg. Ich konnte zwischen dem Linienbus, der von frühmorgens bis spät
in die Nacht regelmässig verkehrte, oder dem Fahrrad wählen. Sobald
das Wetter besser und ich mich in der Gegend mehr auskennen würde,
könnte ich von einem Bekannten von Jane, der auch in Monnikendam
wohnte, für eine kleine Gebühr einen holländischen Drahtesel mieten.
In der ersten Woche versuchte ich, eine Bank für eine Schliessfachmiete
zu finden. Leider war es in Holland gar nicht einfach ein Bankkonto zu
eröffnen, das die Voraussetzung für eine Safemiete war. Als nicht EUBürger und ohne Aufenthaltsbewilligung in Holland war es mir
unmöglich, ein Konto zu eröffnen.
Egal, dachte ich mir. Ich war zuversichtlich, dass wenn ich den Laptop,
das DLT-Tape, die anderen Datenspeicher und Papierdokumente gut im
kleineren Koffer verstaute und abschliesse, niemand an sie ran könnte.
Den Koffer verstaute ich ganz hinten im eingebauten Kleiderschrank im
Zimmer. Obwohl Jane täglich mein Bett machte, hatte ich nichts zu
befürchten. Sie war immer diskret und höflich. Aber wenn sie etwas
störte, dann hielt sie auch nicht hinter dem Berg zurück.
Ich erzählte ihr, dass ich etwas länger als üblich hier bleiben wollte, da
ich von hier aus diverse Tagesausflüge in alle Ecken von ihrem schönen
Land machten wollte.
Amsterdam war so anders als Berlin. Zuerst einmal die Horden von
Touristen, schon im Februar. Dann die Häuser und das Leben am und
auf dem Kanal. Ich hatte noch nie so schöne Innenstadtgebäude gesehen.
Einige der mehrstöckigen Bauwerke waren vor ein, zwei oder gar drei
Jahrhunderten gebaut worden und standen immer noch prachtvoll da.
297
Die alte Aktienbörse ist sogar noch älter, sie ist aus dem Jahr 1611. Und
dann die vielen Grachten mit den Hausbooten.
Ich absolvierte alle erdenklichen Touren, die man als Tourist machen
konnte. Die Kanalfahrten, Besuch des Seefahrermuseums, das
Rijksmuseum, das Museum der holländischen Maler. Die Mischung von
Kulturen aus allen Ecken der Erde drückte sich auch in der immensen
Auswahl von verschiedenen Restaurants aus. Stundenlang konnte ich in
den Strassen umherlaufen, immer mit dem Stadtplan in den Händen. In
Amsterdam gab es mindestens so viele Internetmöglichkeiten wie es
Apotheken in Berlin gab. Mit der Zeit liebte ich diese phantastische Stadt
immer mehr. Sobald man sich nämlich von den städtischen
Hauptwanderrouten der Touristen entfernte, entdeckte man schnell die
ruhigen, oft entvölkerten Strassen und Parks.
AMSTERDAM 17. Februar 2003
Nach einem schönen Wochenende voller Sehenswürdigkeiten, war
wieder die Zeit gekommen, wo ich mich bei Hans-Adam melden sollte.
Montags war immer ein guter Tag für einen Neuanfang. Ich schrieb ihm
eine kurze Nachricht ins Emailkonto. Ich wünschte ihm nachträglich
alles Gute zum Geburtstag und bat um Entschuldigung, dass ich Anfang
Februar nicht angerufen hatte. Ich erwähnte mit keinem Wort, wohin ich
verreist war. Ich fragte aber nach der Schutz-ID. Ich wiederholte meine
Gründe warum ich glaubte, eine Schutz-ID für die Zeit bis zu meiner
Rückkehr sei dringend notwendig. Ich war überzeugt, dass schon am
gleichen Tag eine Antwort aus Vaduz kommen würde.
Leider war dem nicht so.
VADUZ 18. Februar 2003
In der KKZ machte mach sich Sorgen, weil Kieber sich noch nicht wieder
gemeldet hatte. Taktisch wurde so vorgegangen, dass, sobald er sich
melden würde, man einen Tag mit der Antwort warten würde. Um
Kieber nicht offenbaren zu müssen, dass Hans-Adam und die Regierung
wie auf Nägeln sitzend auf Nachricht warteten.
Hans-Adam hatte nochmals rigoros festgelegt, dass unter keinen
Umständen die gedruckten Pässe Kieber überlassen werden sollten. Er,
298
wie auch die Hälfte des KKZ, befürchtete, dass Kieber heimlich
Verhandlungen mit dem Feind aufgenommen hatte und den Pass gegen
sie verwenden könnte: als Beweis, dass man in Vaduz auch zu allen
Mitteln greife, um wieder an die Daten kommen.
AMSTERDAM 18. Februar 2003
Mein neues Zuhause behagte mir sehr. Es war die ideale
Rückzugsmöglichkeit. Während des Tages schwirrte ich in der quirligen
Stadt herum und abends genoss ich die Friedhofsruhe in Monnikendam.
Alles, was man zum Leben brauchte, konnte man dort finden.
Gemüseladen, Bäckerei, Spazierwege, Kirche und auch ein Autohaus.
Auto? Ja warum nicht, dachte ich mir und besuchten den Händler. Ich
könnte mir einen alten Volvo kaufen. Damit wäre ich etwas flexibler.
Müsste nur aufpassen, nicht in eine Kontrolle zu geraten. Leider hatte
die Holländische Regierung ein Gesetz erlassen, dass praktisch nur im
Lande wohnhafte Personen ein Auto mit Holländischem Kennzeichen
kaufen und fahren dürfen (Ausgenommen Mietwagen natürlich).
In der Vergangenheit, als dies noch keine Vorschrift war, wurde offenbar
diese Gesetzeslücke von zu vielen zweifelhaften Gestalten missbraucht
und nun fahren zigtausend Kisten mit holländischen Kennzeichen in
ganz Europa herum, ohne Steuern oder Abgaben zu bezahlen. Somit war
das Thema Automobile auch gleich wieder gestorben.
Am Nachmittag suchte ich eine Internetstation auf. Aus dem Osten war
nichts Neues zu lesen. Erst kurz vor 19:30 konnte ich folgende Nachricht
lesen:
In der ID-Frage gibt es wie kommuniziert keinen Spielraum.
Erwarten Anweisungen für das von ihnen vorgeschlagene VierAugen-Gespräch.
Aha, dachte ich mir, sie sind immer noch stur in Sachen ID. Wollten die
Schutz-ID nur für eine „begleitete‚ Heimreise zu Verfügung stellen.
Wirklich ein enger Spielraum. Was mich auch verwunderte, war, dass sie
nicht nachgefragt hatten, wohin ich den nun verreist sei. Ich war zu
müde um zu überlegen, was ich jetzt wieder schreiben sollte. Besser war
es, wenn ich nach Hause ginge und mir über Nacht Gedanken machte.
299
VADUZ 19. Februar 2003 (1)
Man fand die neuste Nachricht von Kieber, die er am morgen um 08.16
Uhr abgespeichert hatte. Kieber bedanke sich für die letzte Nachricht
und war allgemein verärgert, dass die Schutz-ID ihm nicht für eine Zeit
ausgeliehen würde. Er wäre frustriert und beklagte sich darüber, dass
wenn man nur einen Bruchteil der Energie und Arbeitsstunden, die man
jetzt in die Lösung des aktuellen Problems steckte, in seinen 101er und
140er Gerichtsfall investiert hätte, wäre es nie so weit gekommen.
Er befände sich nun ist einer Situation, in der er nicht viele Optionen
hätte. Er habe keine andere Wahl als sich um andere Papiere zu
bemühen. Er wüsste zwar nicht wie und wo, aber er würde solange
suchen, bis er sie finden würde. Es dauerte ihm alles zu lange. Er könnte
ja unmöglich als H.K. hier auf eine Lösung warten.
Er vermutete auch, dass Hans-Adam dies wohl so wollte. Damit er
kriechend nach Hause zurückkehren würde. Kieber wäre sich im Klaren
darüber, dass die in Vaduz den längeren Atmen hätten. Da er weiters
vermutete, dass man nur Zeit gewinnen wollte, setze er eine Frist bis
Ende Februar 2003, den 28.02.03. Sollte bis dann keine Lösung in Bezug
auf eine temporäre Schutz-ID gefunden werden, dann gäbe es keinen
Sinn weiterhin zu kommunizieren. Am Schluss seines Schreibens
entschuldigte er sich dafür, dass er keine besseren Nachrichten
übermitteln konnte.
Man rätselte wie nach jeder Botschaft von Kieber, was er nun wieder
damit meinte. Die im Raum Anwesenden blickten hoffnungsvoll in die
Augen vom Professor. Wie üblich, wurde jeder einzelne nach dessen
Mutmassungen gefragt. Kieber sei sicher noch in Berlin, sonst hätte er
uns doch geschrieben, wenn er Deutschland verlassen hätte. Oder,
Kieber sei schon in Verhandlungen mit den Amis und schreibe nur um
selber Zeit zu gewinnen und um keinen Verdacht zu schöpfen. Oder,
Kieber redet schon mit den Deutschen über die Daten.
Hans-Adam beauftragte wiederum die KKZ herauszufinden, von wo aus
Kieber diesmal die abgespeicherte Nachricht geschrieben hatte. Nach ca.
35 Minuten kam die Antwort zurück: Frankreich. Wo in Frankreich,
fragte der Schlossherr. Leider wäre dies nicht zu ermitteln, wurde ihm
gesagt.
300
Frankreich? Aha, in Frankreich, machte die Feststellung die Runde. Oh
Gott, Frankreich! Dabei dachte Feuerstein laut über den sehr grossen
Treuhandkunden aus Frankreich nach, der seit Jahren fast eine halbe
Milliarde Euro in verschiedenen Stiftungen und anderen Gesellschaften
gebunkert hatte. Ja, ja – meinte Hasler, wir haben keine Zeit um jetzt an
einzelne Kunden zu denken. Wir müssen handeln, beendete er laut seine
Gedanken. Der Professor regte an, dass man den Bankdirektor auf ein
Treffen mit Kieber vorbereiten sollte. Nach Einholen des
Einverständnisses von Hans-Adam, informierte man Kieber:
Zwecks Lösungsfindung kontaktieren Sie heute um 1700 die
Ihnen bekannte Kontaktperson unter der Nr. OT Entfernt
AMSTERDAM 19. Februar 2003 (a)
Ich verbrachte die meiste Zeit dieses Tages im Foyer des Hotels Victoria
am Damrak, gegenüber dem Hauptbahnhof. Dort konnte ich mich in
einem Klubsessel an ein grosses Fenster setzen und die vorbeiziehende
Welt draussen beobachten. Oder in der Brasserie des Hotels, wo ich
näher am Geschehen sitzen konnte. Knipsende Urlauber, andere
Fussgänger wie Immigranten aus allen Herren Länder, Bettler,
Drogenabhängige und die Taschendiebe. Alle zwei Stunden ging ich
nachsehen, ob Vaduz endlich mit positiven Meldungen aufwartete. Je
mehr ich versuchte, mich in deren Lage hineinzudenken, desto mehr
kamen mir die Zweifel, ob es überhaupt Hans-Adam sei, mit dem ich im
Netz „plauderte‚.
Angriffslustig nachfragen, ja das wäre am Einfachsten, sagte ich zu mir.
Es war mir natürlich klar, dass ich keine ehrliche Antwort erwarten
konnte. Aber immerhin, besser als keine Antwort. Ich fand es auch
zweckmässig, wenn ich Hans-Adam mit diversen Fragen beschäftigt
halte.
Beim dritten Internetbesuch entdeckte ich die jüngste Nachricht aus
Vaduz. Sie wollten, dass ich den Bankdirektor direkt auf seinem Handy
anrufe. Er war derjenige, den ich in meinem Schreiben als
Vertrauensperson erwähnt hatte. Na endlich, schoss es mir durch den
Kopf. Dieser Kurs war der einzige Richtige. Bei der Auswahl einer
301
Vertrauensperson war ich sehr vorsichtig vorgegangen. Nebst dem
Bankdirektor hatte ich den Erstgeborenen, Alois, angeführt.
Obwohl ich stark vermutete, dass Hans-Adam seinen Alois nicht zu
Diskussionen mit mir senden würde. Dazu sind sie zu schreckhaft. Aber
ganz genau wusste man ja nie. Hans-Adam lässt die Drecksarbeit lieber
von der „Dienerschaft‚ oder über Mittelsmänner erledigen, um es mal
salopp auszudrücken. Das hatte den Vorteil, nebst vielen anderen, dass
er und seine Familie nie direkt überführt werden können. Den
Bankdirektor hatte ich mir als mögliche Diskussionsperson ausgewählt,
da er – obwohl Banker – eine hohe emotionale Intelligenz hatte und ich
ihn aus meiner Anfangszeit bei der LGT Treuhand persönlich kannte.
Ein ausserordentlicher Mensch. Ich formulierte die nachstehende
Antwort:
Danke für die Nachricht, die Nummer habe ich noch von Früher.
Zuerst mochte ich fragen, ob hier in diesem Emailaccount mit mir
aus einem Haus im Gewerbeweg (neben Passamt) in der
Herrengasse (Anm.: das wäre dann das Polizeigebäude gewesen), im
Städtle (Anm.: LGT) oder in der Fürst-Franz-Josef-Strasse (Anm.:
Schloss) kommuniziert wird? Danke für eine Antwort. Ich bin
froh, dass jene Person, mit der ich schon im anderen Land so oft
telefoniert hatte nun wieder da ist. Ich kann aber ihn nicht
anrufen: bitte verstehen sie, dass durch einen Anruf sie den
Anruf eventuell zurückverfolgen können. Ich nehme an, dass er
mir am Telefon vermutlich auch erklären will und muss, warum
eine Schutz-ID nicht möglich ist. Ich weiss, dass es unter
normalen Umständen nicht möglich ist - wenn man aber wollte,
dann ginge es schon. Über die anderen möglichen
Lösungsvorschläge, die sie haben, kann man auch hier im
Emailkonto schreiben.
Durchlaucht, Ende Februar sind es 6 Wochen und 4 Tage seit
dem 13.01.2003. Wir alle hatten sehr viel Zeit, um über alles
nachzudenken etc. Darf ich was fragen? Haben / konnten sie
wirklich sich die Zeit nehmen und die Unterlagen zum Fall 10 Vr
101/97 lesen? Konnten sie das?
Ich glaube auch, dass sie von den zuständigen Behörden (STA
etc.) nicht im ganz informiert worden sind - alles belastende über
mich hat man ihnen wohl voll erzählt - die Fehler der Behörden
in Akt 101er u. 140er wurden sicher verschwiegen. Vielleicht
302
wäre es gut, wenn sie meinen langen Brief, den sie mit dem 1.
Paket erhalten haben - jetzt nochmals lesen könnten - vielleicht
sehen sie es nun in einem anderem Licht.
Mehr kann ich leider nicht schreiben - ich habe auch kein Rezept
für eine Lösung. Ich habe / hatte auch keinen PLAN ‚X‚ wenn
dies oder jenes geschieht. Alles ist schief gelaufen und ich
empfinde irgendwie auch das Ende nahen. Es kommt wohl der
Punkt, wo sie das tun müssen, was sie entscheiden werden und
ich dasselbe. Vielen Dank für ihre Zeit und es tut mir wirklich
leid, dass Ausgerechnet ich - ein grosser Fan ihrer Familie - dies
tue. Ich schaue heute (19.02.03) nochmals um ca. 18 30 nochmals
rein: ansonsten morgen um ca. 11 Uhr
VADUZ 19. Februar 2003 (2)
Jede Zeile wurde aufmerksam gelesen und interpretiert. Der Professor
merkte an, dass Kieber offenbar sehr deutlich mit sich selber kämpfte.
Und auch Anzeichen grosser Reue zeigte. Diese Indizien müssten für die
Ziele von Hans-Adam ausgenützt werden können. Man musste ihm
unbedingt die Angst vor einer Falle nehmen.
Hans-Adam wollte, dass keine Lösungsvorschläge mehr übers Telefon
oder das Netz mitgeteilt würden. Wo bleibt da sonst die Diskretion, die
Verschwiegenheit und die Vorsicht, ermahnte er sie alle. Nach kurzer
Diskussion einigte man sich auf folgende Antwort an Kieber:
Telefonat dient lediglich der Vorbereitung des von ihnen
gewünschten Vier-Augen-Gesprächs mit Vertrauensperson.
Mögliche Lösungsvorschläge werden aus verständlichen
Gründen nicht am Telefon oder im Netz diskutiert. Zusicherung,
dass bei Organisation und Durchführung des Treffens mit
Vertrauensperson keine Fallen gestellt werden. Vorschlag für
Organisation des Vier-Augen-Gespräch bis morgen
Donnerstagmittag.
AMSTERDAM 19. Februar 2003 (b)
Meine Antwort kam dann prompt:
303
Danke für die Nachricht. Es wurden zwar keine meiner Fragen
beantwortet. Ich bin mir jetzt nicht mehr sicher, ob ein Gespräch
die Lösung bringen würde. Ich kann mir auch mit der grössten
Mühe nicht vorstellen, was sie vorschlagen könnten: Die
Verbrecher von Argentinien werden wohl nie durch ein Gericht
meiner Heimat verfolgt werden. Die Schutz-ID ist also nicht
machbar. Gegen mich läuft alles... Ein Treffen, ohne dass eine
Schutz-ID gegeben wird - macht keinen Sinn für mich. Danke für
die Zusicherung: logischerweise würden sie mir aber auch nie
sagen, wenn sie ein Falle organisieren. Ich bitte sie mir
wenigstens in Andeutungen hier hinzuschreiben, was für welche
Lösungsansätze es wären. Ich melde mich wieder morgen um ca.
11 Uhr
VADUZ 20. Februar 2003
Die letzte Meldung von Kieber lag schon frisch ausgedruckt auf dem
Tisch im Sitzungszimmer des KKZ. Nun gut, dachte man sich in Vaduz.
Bis zu einer Antwort hätten sie ja noch über zweieinhalb Stunden Zeit.
Es müsste nur eine neue Nachricht vor 11 Uhr eingegeben werden,
sodass Kieber nicht denken würde, die in Vaduz hätten ihn
abgeschrieben.
Die morgendliche Sitzung des KKZ wurde dazu genutzt, eine offene
Diskussionsrunde zu starten. Sehr zum Frust des Professors, der Polizei
und der Justiz, stimmten einige von der LGT und der Regierung wieder
ein tot geglaubtes Lied an: Man sollte Kieber so schnell wie möglich
dingfest machen. Ohne auf „fremdstaatliche Hilfe‚ angewiesen zu sein.
Ohne Zweifel stand fest, dass Liechtenstein aufgrund internationaler
Vereinbarungen und Mitgliedschaften schon lange hätte Genaueres dem
Ausland mitteilen müssen.
Mit dem Resultat, dass Kieber nicht in Vaduz sondern in Spanien
gelandet wäre, was - verständlicherweise - das Staatsoberhaupt HansAdam ausdrücklich nicht wünschte. So waren die Gegner solcher Ideen
schon etwas Sprachlos, als die Befürworter ein fertiges Konzept auf den
Tisch legten. Schliesslich standen die höchsten Staatsinteressen auf dem
Spiel. Man könnte doch Kieber mit der Zusage einer Aushändigung der
304
Schutz-ID ködern und ihn für ein Gespräch nahe an die französischschweizerische Grenze einladen. Z.B. nach Strassburg oder besser noch
nach Mulhouse.
Psychologisch müsste ihm dies aber so verkauft werden, dass er glaubt,
es sei seine Idee gewesen, dorthin zu kommen. In Strassburg müsste der
Bankdirektor Kiebers Vertrauen in ihn festigen und herausfinden, ob er
die Sicherheitsmassnahmen, wie er sie im Brief vom 7.1.03 beschrieben
hatte, wieder in die Wege gleitet hatte. Vielleicht hätte er gar keine
solcher Massnahmen aktiviert. Möglicherweise blufft er nur. Ja, sicher,
sicher, erwiderte der Professor, wurden wir nicht gerade selber
überrumpelt, als sich herausstellte, dass er die angeblich nicht
entwendbaren Daten in der Tat hatte? Er konnte als Experte nicht ganz
ausschliessen, dass Kieber nur aus schlauen Überlegungen so explizit auf
seine eigenen Schutzvorkehrungen hingewiesen hatte. Ihn würde es aber
ganz und gar nicht verwundern, wenn er im Gegenteil, grössere und
bessere Vorkehrungen organisiert hat, als er uns mitgeteilt hatte. Er
würde dies lieber nicht testen wollen.
Die Befürworter radikaler Massnahmen hatten einiges an Arbeit in das
Manuskript gesteckt und wollten es darum fertig diskutieren. Für die
Ausführung hatte man verschwiegene Dritte zur Hand. Nein, keine
Schnüffler. Man könnte auf gewisse Kreise zurückgreifen, die aus
innerlicher Überzeugung mithelfen würden. Natürlich gegen
entsprechend fettes Geld, wegen dem allgemeinen hohen „Risiko‚. Der
Plan sah Folgendes vor: Sobald der Bankdirektor überzeugt war, dass
Kieber ihm voll vertrauen würde und dieser keine Massnahmen
getroffen hätte und er wisse, wo Kieber die Daten aufbewahre, dann, erst
dann soll er Kieber in die Tiefgarage seines Hotels führen, um ihm die
angeblich dort im Mietwagen verstaute Schutz-ID aushändigen zu
können.
Bevor Kieber merken würde, was los ist, wäre er schon von einer Gruppe
starker Männer überwältigt und ruhig gestellt worden. Ein Abtransport
über einen nicht bewachten, nicht besetzten Grenzübergang mit einem
Auto mit Schweizer Kennzeichen sei absolut kein Hindernis und man
hätte dann freie Fahrt für die drei bis vier Stunden bis nach
Liechtenstein. Sollte Kieber, aus welchen Gründen auch immer, nicht mit
in die Garage kommen wollen, so könne man auch ohne Probleme die
305
Festnahme im Hotelzimmer vom Bankdirektor organisieren, indem man
dort auf die beiden wartete. Man sei sich zu 1000 Prozent sicher, dass
Kieber, zurück in Vaduz, voll kooperativ wäre und sofort mitteilen
würde, ob er noch evt. Kopien, z.B. in Berlin gelassen hätte oder schon
mit fremden Staaten gesprochen hätte. Sollte sich Kieber immer noch
unbelehrbar zeigen, so könnte man ihn mit der Auslieferung nach
Spanien drohen. Egal, das Spanien dies nie verlangt hatte.
Da das ganze Konzept ohne die Mitarbeit und ohne Absprache mit dem
Bankdirektor erstellt worden war, lehnte dieser es kategorisch ab,
Komplize einer solch illegalen Aktion zu werden, wäre sie auch noch so
gerechtfertigt. Hans-Adam und Alois gefielen diese Zukunftspläne auch
nicht.
Der Skandal wäre unvorstellbar, erinnerten sie die Anwesenden, wenn
es später an die Öffentlichkeit kommen würde. Sie schimpften auch mit
den Erfindern des Konzepts: Was wäre, wenn Kieber sich vehement
gegen einen gewaltsamen Zugriffsversuch wehren würde? Wollte man
ihn halb totschlagen? Nein, auf keinen Fall. Auch daran hätten sie
gedacht, sagte Feuerstein. Es gäbe hochwirksame Beruhigungsmittel in
Spritzenform, die innerhalb von Sekunden ihre volle Wirkung entfalten
würden. Kieber hätte gar keine Chance, da er keine eigene Kraft mehr
hätte, sich zu wehren. Die Dosierung könnte so abgestimmt werden,
dass er erst wieder nach zwei, drei oder vier Stunden zu sich kommen
würde. Die Methode sei medizinisch abgesichert und Kieber würde
keine bleibenden Schäden davontragen. Spuren der Droge würden zwar
im Blut noch lange nachweisbar sein, aber der Plan sehe ja nicht vor,
dass Kieber die Gelegenheit für eine „Beschwerde‚ oder Arztvisite habe.
Dem Professor wurde es zu viel. Er verabschiedete sich von der Runde
und sagte, dass er frische Luft atmen gehen müsste. Wenn sie Glück
hätten, dann käme er vielleicht wieder zurück.
Dem Bankdirektor wurde auch ganz bange. Da fiel ihm etwas ein, was
einem Banker normalerweise beim Aufstehen immer als erstes in den
Sinn kommt: das liebe Geld. Moment mal, sagte er, warum das Geld
nicht dem Kieber anbieten, anstelle es dubiosen Gestalten (‚die Gruppe
starker Männer‚) nachzuwerfen.
Geld gegen Daten, das könnte die Lösung sein. Man wäre ja heilfroh,
wenn dem so wäre, erwiderte Hans-Adam. Aber darum geht es Kieber
306
doch gar nicht. Er hat nie ein Wort davon gesagt. Hier haben wir es
leider nicht mit einem klassischen Fall zu tun, fasste Hasler, fast schon
wehmütig, zusammen.
Der Liechtensteiner Weg, wo Geld alle Wunden heilt, funktioniert eben
nicht immer, erwiderte der Bankdirektor. Trotzdem, lasst es uns
versuchen, ermunterte das Staatsoberhaupt. Von einem chaotischen Tag
blieben dann nur noch folgende kurze Zeilen für Kieber übrig:
Die in ihrem gestrigen Mail von 10:33 angedeuteten alternativen
Lösungsvarianten werden nur in persönlichem Treffen mit
Vertrauensperson besprochen. FL-ID-Variante definitiv nicht
möglich. Manchmal kann aber Geld Probleme lösen.
Besprechung dieser Variante mit Vertrauensperson persönlich
und nicht über Internet und Telefon.
AMSTERDAM 20. Februar 2003
Ich wusste es. Ich wusste es! Früher oder später – wie immer bei solchen
Leuten – bildeten sie sich ein, mit Geld alle Probleme lösen zu können.
Tja, in meinem Fall hatten sie falsch gedacht. Sie begriffen es immer noch
nicht. Ich war eher erbost, dass sie mir Geld offerierten, anstatt ihre
eigenen (Justiz-)Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Dann wieder
konnte ich sehen, dass es eben der einfachste Weg für sie war.
Ich wollte aber kein Geld. Nie und nimmer. Ich war auf das Ziel fixiert,
die Verbrecher Roegele & Co. hinter Gitter zu bringen. Koste was es
wolle. Ich blieb in meiner Antwort ehrlich und versuchte meine gefühlte
Wut nicht zum Ausdruck zu bringen. Was mir gegen Ende nicht so gut
gelang. Mit der unbehaglichen Gewissheit, dass meine Zeilen ein paar
neue Wutanfälle in der Heimat auslösen würden, schrieb ich folgendes
und drückte dann die Speichertaste:
Tja - da bin ich aber überrascht worden! Wenn man all meine
Unterlagen gelesen hat, dann weiss man, dass ich NIE um GELD
gebeten habe. Ist dies ein Versuch mich in einen Gelderpresser zu
wandeln? Damit es später besser in die ‚Geschichte‚ passt: sollte
die Katastrophe eintreten?!?
Ich bin kein Erpresser.
307
Die Verurteilung der Folterer wäre meine Erlösung. Sicherlich Geld macht das leben leichter, ich gebe auch zu‚ dass ich auch mit
dem Gedanken gespielt habe, Ersatz für den finanziellen
Schaden, den ich durch das Urteil im 2002 in der Zivilsache
gegen den Hauptverbrecher aus Argentinien erlitt, nämlich die
über eine Million CHF (blockiertem Geld, Anwaltskosten von 5 ½
Jahren etc.) zurückzufordern.
Aber wie sie ja wissen, habe ich nie ein Wort davon erwähnt. Ich
habe mit meinem Handeln auf die unrechtmässige Behandlung
meinerseits durch die Justiz hingewiesen. Meine Ziele habe ich
leider nicht erreicht! Ich hatte so gehofft (selbst wenn sie es nicht
glauben), dass der Fürst etwas bewegen kann: natürlich habe ich
in den letzten Wochen auch erkennen müssen, dass er es nicht
einfach hat und wohl so handeln muss, wie er es sieht.
Ich verstehe ihre Seite ganz und gar - wie sie ja wissen, bin ich
nicht dumm (um es so auszudrücken). Ich kann mich sehr gut in
ihre Lage versetzten (was man allgemein mit analytischem
Denkvermögen betitelt). Ich nehme an, dass auch sie sich mehr
oder weniger in meine Lage versetzten können und auf Grund
der Vorkommnisse der letzten 6 Wochen verstehen und
nachvollziehen können, dass ich übervorsichtig und extrem
misstrauisch geworden bin... Ich sehe die Teamsitzungen der
involvierten Behörden vor mir, wo die vorherrschende Meinung
gilt, dass sie mich schon kriegen werden - dies sind die Ihnen,
Durchlaucht doch schuldig - oder?
Apropos Meinungen: sollte die Meinung vorherrschen, dass ich
nie und nimmer die Daten verraten könnte, da ich sonst ja nichts
mehr in der Hand hätte, dann irren jene Leute, die dies
proklamieren: abgesehen davon, dass ich nur ein paar Tage
hintereinander mich mittels meiner immer noch frischen
Erinnerungen und den Unterlagen aus dem 101er die erlittene
Folter in Argentinien vor Augen halten muss - um in eine solche
Wut zu geraten, dass ich keine Probleme habe den involvierten
Staaten ein DVD zu senden, hat ja der Besitz aller Daten für mich
auch keinen ‚nutzten‚ gebracht, da ich ja nichts damit erreicht
habe: mir sind die Ideen ausgegangen.
Aber solange wir noch miteinander kommunizieren, muss es eine
Lösung geben. Wenn ich nur zu 100 % sicher wäre, dass ein 4Augen-Gespräch keine Falle ist.
308
VADUZ 21. Februar 2003
Mist, den Plan Kieber Geld zu offerieren war ihm in den falschen Hals
geraten, lästerte man im KKZ schon zu früher Stunde. Und die Drohung
am Ende, was sollte das wieder heissen? Man war wieder am Anfang
des Problems. Jede Debatte unter den Mitgliedern des KKZ, die hin und
her Schreiberei mit dem Kieber, alles für nichts und wieder nichts.
Kieber erschien ihnen abermals wie ein Buch mit sieben Siegeln,
schlimmer noch, eines mit 7000. Alle sahen ein, dass nur ein Gespräch
mit Kieber sie aus der verfahrenen Situation führen konnte. Hans-Adam
befahl, alle Pläne und Konzepte einzufrieren und abzuwarten, was das
Meeting mit Kieber an neuen Erkenntnissen bringen würde.
Der Professor war derselben Meinung. Die KKZ stellte folgende
Mitteilung ins Netz:
Sie haben Recht. Kommunikation ist die Voraussetzung einer
Lösung. Ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch dient zur
Lösungsfindung. Es gibt keine Fallen, sie bestimmen Ort, Zeit
und Vorgehensweise für dieses Gespräch mit der
Vertrauensperson.
AMSTERDAM 22. Februar 2003
Nach langem hin und her, konnte ich meine Befürchtungen etwas
dezimieren und entschloss mich das Experiment „Treffen‚
durchzuziehen. Schlussendlich war mir klar, dass ich ohne Diskussionen
meine Ziele nicht erreichen konnte. Um Hans-Adam und seine, meiner
Vermutung nach gross angeschwollene Beratertruppe, so lange wie
möglich im Bezug auf Holland zu täuschen, setzte ich wieder auf die
Verwirrungstaktik, indem ich ein Treffen im hohen Norden andeutete.
Ich konnte es mir nicht verkneifen, einen Hinweis in Sachen
Sicherheitsvorkehrung mitzuliefern. Folgender Text war das Resultat
meiner Gedanken:
Also, einen Versuch will ich wagen .... obwohl alles dagegen
spricht. Könnte sich Dr. S. MO + DI, den 3. + 4. März 03 oder DI +
MI, den 4. + 5. März freihalten? Es ist für mich erst zu jenen
Tagen möglich, weil ich noch einiges vorbereiten muss, was sie
309
sicher verstehen. Das Treffen findet in einem der
Skandinavischen Länder statt. Welches Land es ist, kann ich erst
später mitteilen.
Ich bitte aber um folgendes: Dr. S. soll eine Schriftkopie meiner
Tonbandaussage bei der Kripo vom 11.04.1997 über die
Ereignisse in Argentinien erhalten, sowie eine Kopie des
gerichtsmedizinischen Gutachten. Er möge beides intensiv lesen.
Ich möchte nämlich nicht, dass er ohne meine Motive zu kennen,
mir gegenüber steht. Falle: ich bin mir bewusst, dass sie durchaus
eine (erfolgreiche) Falle vorbereiten könnten. Daher bleibt mir
auch nichts anderes übrig, einen automatischen Mechanismus
vorzubereiten, wo sichergestellt ist, dass ein paar Länder und 3
Medien alle Daten auf einmal erhalten, sollte ich nicht frei
bleiben. Ich nehme an, dass sie dies verstehen. Ich melde mich
wieder anfangs nächster Woche.
AMSTERDAM 23. - 27. Februar 2003
Die Tage vergingen wie im Flug. Komisch, ich fand keine Reaktion auf
meine letzte Nachricht. War wohl zu deftig, dachte ich mir. Aber besser
Klartext reden, als die Gegenseite an falsche Sicherheit glauben zu
lassen. Dass würde nur die Geburt von Radikallösungen, die mir sicher
nicht gut bekommen würden, fördern. Da war ich mir sicher. Oder der
Bankdirektor kann nicht Anfang März reisen. Oder „Skandinavien‚
passt ihnen nicht. Oder Hans-Adam hatte andere Probleme. Ich wusste
es nicht. Egal, er wird sich sicher wieder melden, sagte ich zu mir. Es
war ja noch Zeit bis Anfang März.
Am Mittwoch, 26.02. stellte ich denselben Text wie vom 22.02. nochmals
in Netz und fügte einen Satz vorneweg, wo ich Hans-Adam fragte, ob er
meine Nachricht vom Samstag, den 22.02.03 gelesen habe.
Am nächsten Tag, um die Mittagszeit hoffte ich schon eine Antwort zu
bekommen. Wieder war nichts. Oje, ich befürchtete, dass etwas schief
gelaufen sei muss. Ich konnte es nicht verstehen, dass die in Vaduz
offenbar nicht begriffen hatten, dass jeder Unterbruch in der
Kommunikation nur zu wilden Spekulationen führen würde. Das galt
für beide Seiten. Ich schrieb an Hans-Adam:
310
Bitte löschen sie jeweils den Text nach dem sie ihn gelesen haben.
Auch wenn sie nichts antworten; damit sehe ich (und umgekehrt
auch sie), dass man die Nachricht bekommen hat. Da sie meinen
letzten langen Text über Tage stehen haben lassen, nehme ich an,
dass sie noch nicht hier in der Emailbox waren. Danke.
Diese Tage ohne ihre Nachricht brachten mich auch auf den
Gedanken, dass sie eventuell die Meinung bezüglich eines
Treffens geändert haben. Dies ist nicht weit hergeholt, da auch
ich, wie sie auch, den Umständen entsprechend mehrere ‚Wege
aus dem Wald planen‚ muss.
Wenn es dem Dr. S. am MO + DI ‚ 3. + 4.03.03 zeitlich gehen
würde, dann werde ich ihm am Sonntagabend auf seinem Handy
anrufen und die Route durchgehen. Ist dies OK für sie? Hat er die
Unterlagen lesen können? Es ist zwar eine idiotische Frage, aber
ich stelle sie bewusst trotzdem: sind sie sicher, dass es keine Falle
wird? Ich bitte sie, den Dr. S. über die offenen Akten (101er,
140er, neuer etc.) zu informieren und ihm zu erlauben, dass er
mich informiert. Auch möchte ich bei dem Treffen erfahren
können, was mich zu hause erwarten würde, wenn ich im März
03 samt allen Unterlagen freiwillig nach hause kommen würde?
Vielen dank für ihre Mühe und wirklichem Vorhaben, ein Treffen
ohne Überraschung zu wollen.
VADUZ 22. - 27. Februar 2003
Rasch sprach sich in den involvierten Kreisen herum, dass Kieber nicht
wie vermutet in Frankreich war, sondern irgendwo in Skandinavien
oder zumindest auf dem Weg dorthin wäre. Man versuchte den
Aufenthaltsort von Kieber zu eruieren. Der Befund sagte, dass die
vorletzte E-Mail aus Rotterdam, Holland kam und die Letzte wieder
irgendwo aus Frankreich. Dies brachte auch kein Licht in die vernebelte
Angelegenheit. Beim Wort Skandinavien zogen nicht nur die LGT und
die Regierung die Mundwinkel nach unten. Clever ausgesucht, sagten
sie.
Kieber wusste offenbar, dass die skandinavischen Länder sehr strenge
Steuergesetzte haben und er dort sicher auf offene Türen stossen würde,
sollte er sich an die Behörden wenden (müssen). Die LGT Treuhand
311
bestätigte, dass mehrere hundert Bürger aus dieser Ländergruppe ihre
Kunden waren. Man war verärgert, da man eine Lösung des Problems
im „Strassbourg‚-Stil in Skandinavien nicht so einfach durchziehen
könnte. Man müsste wieder zuerst die Möglichkeiten eruieren. Die Kluft
zwischen den KKZ-Mitgliedern wurde immer grösser. Auf der einen
Seite hatten die Vertreter der LGT und die Regierung immer weniger
Geduld in der Sache.
Hans-Adam und seine Familie hatten als Zerstreuung, wenn dies auch
keine herrliche Vergnügungstour war, die laufende, heisse Enddebatte
um die neue Verfassung zur Verfügung. Die Abstimmung war auf den
16. März angesetzt. Hans-Adam war auch mehr und mehr frustriert,
dass es überhaupt soweit kommen konnte. Das er und seine LGT wegen
brutalen Fehlern der eigenen Justiz nun so leiden mussten.
In den vergangenen Tagen gab es mehrere längere und private
Beratungen zwischen dem Professor und Hans-Adam. Der Professor
warnte vor einer Katastrophe, sollte man einem Konzept im Stil
„Strassburg‚ zustimmen. Als gebildeter Mann war natürlich auch HansAdam klar, dass man sich auf sehr dünnes Eis begeben würde, sollte
man Kieber mit kriminellen Methoden schnappen. Aber die Zeit, die Zeit
läuft mir davon, jammerte er zu Recht.
Erst nach grosser Überzeugungskunst von Seiten des Professors, fällte er
als Staatsoberhaupt einen wichtigen Entscheid. Er befahl, dass sich die
Regierung, die Justiz und die Polizei aus der ganzen Angelegenheit
zurückziehen mussten und er bis auf Widerruf keine Vorschläge und
Randbemerkungen von denen mehr hören wollte. Er erklärte weiters,
dass er die dem KKZ mündlich erteilten speziellen Vollmachten
annulliert habe und sich der Sache nur noch direkt annehmen würde.
Es wäre eine grosse Untertreibung zu behaupten, dass gewisse Kreise in
Vaduz nicht hocherfreut über diese Dekret vom Staatsoberhaupt waren.
Die Polizei vermerkte am 28.02.03 in einem Protokoll, dass man sich
absprachegemäss aus dem Kontakt mit Kieber zurückgezogen hatte und
war sichtlich erleichtert. Die Justiz hatte auch genug andere Fälle und
wurschtelte wie üblich weiter als wäre nichts geschehen. Andererseits
deuteten die Befürworter radikaler Massnahmen, namentlich die LGT
und die Regierung, diese Änderung im Kurs gegenüber Kieber als
Zeichen von Hans-Adam, dass er doch noch geneigt wäre, ihre Ideen zur
312
Lösung des Falls in die Tat umzusetzen. Denn die Justiz sowie die
Polizei hatten ihn ja in diese Lage gebracht, durch ihre bewiesene
Inkompetenz und offensichtlichen Fehlurteile in Sachen Argentinien und
das „Interpoldebakel‚. Als aktuelle Mitteilung liess Hans-Adam am
27.02., am früheren Abend folgenden Text eintippen:
Dr. S. wartet ihren Anruf am Sonntagabend. Er hat ihren Fall
studiert. Es ist keine Falle.
Anm.: Dies war dann auch die allerletzte Mitteilung, die von Seiten HansAdams über dieses System gemacht wurde.
AMSTERDAM 28. Februar 2003
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich die Nachricht las, dass der
Bankdirektor meinen Fall studiert hatte. Nichts hasste ich mehr in den
vergangenen Jahren als mit Leuten zu reden, die vorgaben, den
Sachverhalt zu kennen, wenn das in Wahrheit nicht der Fall war.
Obwohl meine früher gesetzte Frist „Ende Februar 2003‚ abgelaufen
war, ohne dass ich die Schutz-ID erhalten hatte, freute ich mich
irgendwie auf das Treffen mit dem Bankdirektor. Es waren über sieben
Wochen vergangen, seit ich auf meiner Mission gestartet bin. Um
überleben zu können, wusste ich, dass ich äusserst flexibel sein musste.
Und das war ich immer schon in meinem Leben. Anpassungsfähig wo es
nötig und richtig erschien. Als meine letzte Meldung nach Vaduz schrieb
ich:
Vielen Dank für ihre Nachricht. Ich werde ihn am Sonntagabend
sicher anrufen. Ich bitte ihn für die Reise auch eine Badehose
(nicht das er verkabelt kommt) und gutes Schuhwerk
mitzubringen, sowie sein Handyladegerät. Ich werde am
Sonntag um die Mittagszeit nochmals hier hinein schauen. Vielen
Dank für ihre Mühe.
Ich hatte mich noch nicht festgelegt, wo und unter welchen Umständen
ich ihn treffen wollte. Den Hinweis mit der Badehose formulierte ich
deswegen, weil ich verhindern wollte, dass die in Vaduz auf die Idee
kamen, den Bankdirektor zu verkabeln, um das Gespräch zwischen uns
313
aufzunehmen oder einen so genannten Lokalisierungssender an seinem
Körper zu verstecken.
Ich ging davon aus, dass solche technischen Spielereien batteriebetrieben
und voll mit elektronischen Komponenten sein würden. Da gab es nur
eines, was diesen Geräten den Saft abdrehte: eintauchen in viel, viel
Wasser. Im Schwimmbad oder in einer heissen türkischen Sauna.
Heisser Dampf bekommt solchem Schnickschnack sicher auch nicht gut.
Natürlich hätte man den Bankdirektor auch mit wasserdichtem Material
ausrüsten können. Aber nur mit Badehose bekleidet oder gar
splitternackt, da müsste er es schon sehr gut verstecken. Mit dem
Hinweis gutes Schuhwerk mitzubringen, wollte ich auf die Möglichkeit
einer Wanderschaft zu einem Treffpunkt hinweisen, vielleicht an einem
abgelegenen, schwer erreichbaren Ort.
VADUZ Ende Februar / Anfang März 2003
Als hätten die in Vaduz nicht schon genug Probleme (Kieber) und Ärger
(der Abstimmungskampf um die Neue Verfassung), tat sich ein neues
Grab in Vaduz auf. Ein ehemaliger, langjähriger Angestellter der
Liechtensteiner Landesbank (LLB), Herr Roland Lampert, kündigte im
Februar aus heiterem Himmel seine Stelle und begab sich auf eine
folgenschwere Erpressertour. Nachdem die LLB den wahren Grund für
seinen Abschied erkannt hatte und ihn wegen Kontoungereimtheiten
sprechen wollte, informierte er im Gegenzug die LLB, dass er im
Übrigen über 2300 Datenausdrucke mit einer Vermögensübersicht von
über 1300 verschiedenen deutschen Kunden der LLB besitzen würde.
Zuerst glaubte man ihm nicht. Bis er den Beweis dafür lieferte. Da die
LLB mehrheitlich in Staatsbesitz(!) war (und heute noch ist), wurde –
entgegen den aktuellen Beteuerungen aus Liechtenstein - natürlich die
Regierung und somit Hans-Adam sofort im Februar 2003 informiert.
Nicht schon wieder, man konnte es nicht fassen. War „der Tag des
jüngsten Gerichts‚ in Liechtenstein angebrochen, fragte man sich nun in
Vaduz. Nachforschungen der LLB ergaben, dass Lampert zwischen
August 2000 und Ende Februar 2003 klammheimlich die Daten
gesammelt hatte.
314
Da ja der Diebstahl von Daten ein Antragsdelikt war, wurden vorerst
Polizei und Justiz nicht informiert. Die nicht kleine Unterschlagung von
(Kunden-)Geldern wurde zwar auch rasch bemerkt, jedoch weder der
Polizei noch der Justiz gemeldet. Die LLB versuchte am Anfang mit der
Billigung von Regierung und Hans-Adam alleine, dann mit der geballten
Macht der Liechtensteiner Justiz und am Schluss mit Privatdetektiven
und millionenschweren Eurozahlungen, die Sache zu bereinigen. Mit
einem katastrophalen Endergebnis aus Liechtensteiner Sicht.
Anm.: Über diesen Fall, den LLB-Fall, wurde in den deutschen Medien seit
2008 ausgiebig berichtet. Eigentlich nur deswegen, weil jene Gruppe von
Kriminellen, die nach der geheimen Verurteilung von Lampert in Liechtenstein
an die betroffenen Daten gelangten, selber nun in Rostock vor Gericht stehen.
Ich rege meine Leser an, im Internet die Einzelheiten nachzulesen.
Einiges macht aber den LLB-Fall in Bezug auf meine Sache sehr interessant.
Erst mal die Tatsache, dass es sich zeitlich praktisch parallel zu meinem Fall
abspielte und ich daher aufzeigen kann, wie heuchlerisch die Regierung und
Hans-Adam agierten. Zudem – was der Öffentlichkeit nicht bekannt ist - wurde
versucht, mich mit dem LLB-Fall zu ködern und zu manipulieren (nachzulesen
in den kommenden Kapiteln).
Da praktischerweise der Professor Dr. Thomas Müller in Vaduz schon
seine Zelte aufgeschlagen hatte, fragte die Regierung ihn, ob er ihnen
auch im LLB-Fall helfen könnte. Er erkannte die aussergewöhnliche
Herausforderung und sagte zu.
Hans-Adam bestand darauf, acht zu geben, dass man die zwei Fälle
nicht vermischen würde. Von diesem Zeitpunkt an arbeitete der
Professor im behördlichen Auftrag der Justiz am LLB-Fall und nur noch
im Privatauftrag von Hans-Adam am LGT-Fall.
Der Bankdirektor Dr. Pius Schlachter wurde am letzten Samstag im
Februar von Hans-Adam und Alois aufs Schloss eingeladen und dort auf
seine Mission vorbereitet. Es wurde beschlossen vorerst keine Falle für
Kieber vorzubereiten. Erstens fehlten für den Entscheid zugunsten einer
Falle die wichtigen Informationen, wie welches Land in Skandinavien?
Hatte man Verbindungen dorthin? Hatte man Verbündete dort? Wie
lauten die Gesetze dort? Gibt es Spielraum in diesen Gesetzen? Und
Zweitens hatte der Bankdirektor seinen persönlichen Wunsch klar zum
315
Ausdruck gebracht, kein Komplize einer solchen Sache werden zu
wollen.
Hans-Adam akzeptierte dies. Er meinte zwar, ein bisschen
Einschüchterung, wenn es die Situation bei einem Meeting mit Kieber
erlauben würde, wäre schon abgebracht. Nicht zuletzt, um ihm zu
zeigen, wie schwer er die in Vaduz beleidigt und verletzt hatte. Wer hier
der Herr im Hause ist ! Mal sehen, erwiderte der Bankdirektor.
Ihm wurde weiterhin eingetrichtert, dass es das oberste Ziel sei, die
Daten zu bekommen und Kieber zu überreden, nach Hause zu kommen.
Der Bankdirektor wollte die Gelegenheit dieser privaten Audienz mit
Hans-Adam & Erbprinz Alois für eine Debatte über ein bisher nicht
angesprochenes Thema nutzten: Sollte man nicht die Kunden warnen?
Wie aus einer Pistole geschossen, riefen Hans-Adam und sein Sohn
gleichzeitig, NEIN, auf keinen Fall. Warum auch? Es gab keinen Grund.
Kieber habe zu keiner Sekunde jemals etwas gesagt oder geschrieben,
dass er direkt auf die Kunden zugehen würde. Und mit den
ausländischen Behörden hatte Kieber hoffentlich noch nicht geredet.
Wenn dem aber so wäre, dann wäre es sowieso zu spät, die Kunden zu
warnen.
Wie sich der Bankdirektor dies vorstellen würde, fragten sie ihn. Da
Kieber ja die komplette Datenbank hatte, müsste man ja extra 50 neue
Leute einstellen, um die tausende aktuellen und die hunderte ehemalige
Kunden entweder telefonisch oder per Brief warnen. Bitte, Herr
Bankdirektor, Sie müssten es doch besser wissen, die Medien würden
schon nach dem zehnten Kunden sicher irgendwie Wind davon
bekommen.
Unser Bankengeheimnis, die Säule unseres Geschäfts, würde
implodieren, redete Hans-Adam auf ihn ein. Da half auch nicht der
Hinweis des Bankdirektors, welche Konsequenz es für die Kundschaft
von Dr.Dr. Batliner hatte, als dieser sie nicht warnte, als eine CD-Rom
mit deren Daten gestohlen wurde. Eine CD-Rom die erst lange Zeit
später bei den deutschen Behörden landete. Hans-Adam und Alois
beharrten auf ihre Auffassung, dass eine Warnung ihrer Kunden zu viel
Schaden für ihr gesamtes Geschäft bringen würde. Sollte die Katastrophe
eintreten, „wovor Gott uns bewahren soll‚.
316
Man versicherte dem Bankdirektor auch, dass, sollte ein Wunder
geschehen, und Kieber schon nach dem ersten Treffen nach Hause
kommen wollen, ein Anruf von ihm genügen würde und Hans-Adam
sein Auto samt Fahrer und Schutzvorkehrungen für Kieber schicken
würde. Der Bankdirektor hatte schon vom Sekretariat die Informationen
zu allen möglichen Flugkursen von Zürich nach Schweden, Norwegen
und Finnland erhalten.
317
KAPITEL 13 Ein Essen für Sechs Euros
Also gut, dachte ich mir. Wie würde ich dieses Treffen überleben? Ich
verbrachte die Tage damit, einen dafür geeigneten Platz in der Stadt
Amsterdam zu finden. Meine ursprüngliche Idee, das Treffen weit ins
freie, flache Land hinaus zu verlegen, verwarf ich wieder, da dies nur die
Möglichkeit von „Überraschungen‚ seitens der Gegner erhöhen würde.
Die Anonymität der Menschenmenge von Amsterdam war mir da lieber.
Zudem hoffte ich, dass mir niemand mitten in der Stadt am helllichten
Tag etwas antun würde. Bevor es überhaupt zu einem direkten
Wortwechsel zwischen mir und dem Bankdirektor kommen konnte,
stand für mich fest, dass ich derjenige sein müsste, der ihn vorher für eine
Zeitspanne von mindestens 30 Minuten im Auge behalten und
beobachten musste und nicht umgekehrt.
Dafür wollte ich ihn irgendwie ständig in Bewegung halten und dies
auch noch mit einer anderen Fortbewegungsart als die meine. Ihn in
einen Bus oder Taxi einsteigen und irgendwohin hinfahren zu lassen,
kam daher nicht in Frage. Weil ich dann auch auf ein ähnliches
Transportmittel hätte zugreifen müssen, um Schritt halten zu können.
Ein Blick auf die Wasserkanäle vor meiner Nase brachte mich auf eine
knifflige, aber machbare Lösung. Das war’s! Eine Kanalfahrt. Ich
studierte die Grachtenrundfahrten mit dem Kanalbus sehr genau. Ab
dem Hauptbahnhof, dem Central Station East fuhren in regelmässigen
Abständen verschiedenen Rundfahrten ab. Ich kaufte mir ein Tagesticket
und fuhr jede einzelne Strecke ab. Mit der roten Linie kam man nach ca.
60 Minuten an der Endstation „Van Gogh Museum‚ an. Davor waren ein
paar Haltestellen. Die Vorletzte hiess Leidseplain. Ich fuhr mit dem Boot
zurück an den Ausgangspunkt. Dem nächsten Boot zum Van Gogh
Museum folgte ich auf dem Landweg zu Fuss und stoppte die Zeit bis
zur Station Leidseplain: knapp 50 Minuten. Ideal!
Könnte klappen, rechnete ich mir aus. Der Fussweg führte über Strassen
und Brücken. Oft in einer Richtung, was ein Fahrverbot für Autos
bedeutete, weil es entweder eine Einbahnstrasse oder die Brücke zu
schmal war. Und sowieso wäre man mit dem Auto schnell verloren, da
man aufgrund der Verkehrsführung in der Stadt schon nach fünf
Minuten das Boot und somit mich als begleitenden Fussgänger aus den
Augen verlieren würde. Es gäbe für eventuelle Schattenmänner nur zwei
318
Chancen uns zu verfolgen. Entweder man stieg mit dem Bankdirektor in
dasselbe Boot ein, oder man würde es zu Fuss verfolgen.
Die Strecke zu Fuss führt so stark im Zick-Zack Kurs durch die Stadt,
dass es mir sofort auffallen würde, wenn jemand wie ich das Boot zu
Fuss verfolgen würde. Zudem hatte ich ja nicht vor, mich dem
Bankdirektor vor seiner Kanalfahrt zu zeigen. Er würde nicht erfahren,
wo ich bin. Zugegeben, ich hatte ja die möglichen Schattenmänner oder
Kameraden vom Bankdirektor nie gesehen und würde sie daher auch
nicht erkennen können, falls sie mit ihm ins Boot einsteigen würden.
Dagegen gab es auch ein einfaches Mittel. Sollte ich den Verdacht haben,
dass Begleiter im Boot anwesend waren, so könnte ich den Bankdirektor
zum Aussteigen an einer Zwischenstation auffordern und ihn dort auf
den nächsten Kurs für die Weiterfahrt warten lassen. Sollte(n) dann die
Verdachtsperson(en) auch mit aussteigen und in der Nähe von ihm
bleiben und dumm aus der Wäsche gucken, wüsste ich was die Stunde
geschlagen hätte.
Ich fand es besser, nur kurz mit dem Bankdirektor am Telefon zu reden,
sobald er in Holland war. Das Gespräch sollte sich nur auf folgende Bitte
beschränken: Er sollte sich am Montag in die Eingangshalle der grossen
St. Nicholas Kirche gegenüber dem Hauptbahnhof, an der Prins
Hendrickkade begeben, das Prospektregal aufsuchen und dort ganz
oben rechts, hinter dem Stapel des Rundschreibens der Kirchgemeinde,
würde er weitere Instruktionen von mir finden. Ich hatte die
Öffnungszeiten der Kirche kontrolliert und musste nur noch die
Instruktionen zu Papier bringen. Ich setzte mich in ein Internetcafé und
formulierte:
Hallo Herr Direktor. Bitte gehen Sie aus der Kirche wieder raus.
Ein Kreuzschlag vorher wäre vielleicht nicht schlecht. Schräg
gegenüber der Kirche sehen Sie am Kanal ein kleines Häuschen,
dass Tickets für Kanalrundfahrten, den Canalbus verkauft.
Kaufen Sie sich bitte einen Tagespass für die Rote Linie bis zur
Endstation. Nehmen Sie den nächst verfügbarem Kurs und
setzten Sie sich bitte auf einen unüberdachten Sitz, so weit hinten
im Boot wie möglich. Wie ich Sie gebeten hatte, rufen Sie
niemanden an und lassen alle Handy ausgeschaltet. Im Verlauf
der Kanalfahrt werde ich Ihnen weitere Instruktionen zukommen
lassen. Falls ich aber irgend etwas faules sehen oder spüren sollte,
319
ist unser Treffen damit zu Ende und ich wünsche keine weiteren
Kontakt mit Ihnen oder dem Schlossherrn zu Hause.
Entschuldigen Sie die Umstände. 03. März 2003.
Bewusst nannte ich keine Namen. Ich druckte diese Zeilen aus und
kopierte sie sechs Mal. Ich knickte jedes einzelnes Blatt genau so wie der
Rundbrief in der Kirche gefaltet war. Sodass man dachte, dass es Teil des
Zirkulars wäre. Ich begab mich am Samstag, den 1.3. zur Kirche und
steckte fünf der sechs Schreiben fein säuberlich hinter den vorhandenen
Stapel.
In einem anderen Internetcafé, nachdem ich ganz sicher war, dass mir
keiner über die Schulter schauen konnte, passte ich meine elektronische
Sicherheitsvorkehrung an die geänderte Situation an. Obwohl ich ja
datenmässig nichts mehr in Berlin hatte, wollte ich die ursprünglichen
Empfänger von dort aus der Liste nicht auswechseln. Ich änderte nur
den Text in Bezug auf meinen neuen Wohnort und die Adresse in
Monnikendam, schilderte wo die Daten aufbewahrt waren und fügte
einen neuen Adressenten dazu: die Polizei der Niederlande, genauer die
Politie Centrum. Das sollte reichen.
Ich wusste, sobald ich am Sonntagabend auf dem Handy vom
Bankdirektor anrufen würde, er zumindest das Land herausfinden
könnte, wo ich mich befand. Dies sah ich als kein Problem an. Entweder
möchte ich das Treffen oder ich lasse es ganz bleiben.
Ich wollte aber nicht preisgeben, dass ich in Amsterdam war. Ich fuhr
deswegen am Sonntag mit dem Zug 20 Minuten nach Haarlem an die
Nordseeküste. Schönes Städtchen. Dort setzte ich mich in ein
Touristencafé und ging im Kopf den Plan für die nächsten zwei Tage
nochmals durch.
Ich kaufte mir eine Telefonkarte und wählte die Handynummer vom
Bankdirektor. Er nahm gleich ab und war hörbar froh, dass ich mich
gemeldete hatte. Ich bedankte mich für seine Geduld und entschuldigte
mich nochmals für die Umstände. Ich fragte ihn, wie es den so im Ländle
zu und her und wie es dem Hans-Adam ginge. Ob sich alles etwas
beruhigt hatte?
Er antwortete: alles sei soweit ruhig. Hans-Adam sei sehr nervös wegen
den Daten und der Abstimmungskampf sei immer noch voll im Gange.
320
Ich erzählte ihm, dass ich etwas davon im Internet gelesen hatte. Er
fragte mich, wohin die Reise nun gehen sollte.
Ich fragte ihn, was er denn vermuten würde. Er sagte, er hätte die kleine
Vermutung, dass es nicht in den Norden ginge. Ich lachte und sagte, ja
nix mit Skandinavien. Er solle sich bitte heute Abend den letzten Kurs
oder für morgen früh den Ersten nach Amsterdam buchen. Ich würde
von einer anderen Stadt nach Amsterdam kommen. Er solle bitte
spätestens um die Mittagszeit in der Stadt sein. Ich würde ihn anrufen
und dann sagen, wo wir uns treffen würden.
Amsterdam? Amsterdam! rief er aus. Da wäre er zum letzten Mal auf
seiner Hochzeitsreise gewesen. Nicht wahr? bemerkte ich. Na dann ist es
doch wieder Zeit diese schöne Stadt zu besuchen. Ob er die Badehose
eingepackt hätte und ob er alleine komme, fragte ich in schnell. Und ob
es sicher sei, dass es keine Falle wäre, schob ich hinten nach. Ja, Ja, Ja,
antwortete er zurück. Obwohl mir die letzten zwei Fragen auch sinnlos
vorkamen. Hätten sie eine Falle geplant, dann wäre ich der letzte auf
Erden, der davon im Voraus erfahren würde. Aber, ich sagte ihm, ich
stelle die Frage nur, damit nachher nicht behauptet wird, ich hätte euch
nicht gewarnt. Ich erwähnte auch das Inkrafttreten meiner
Schutzmassnahmen. Ab jetzt, betonte ich. Er bedankte sich.
Bis Morgen Herr Kieber. Bis Morgen Herr Bankdirektor.
Montag! Ich fuhr schon mit dem ersten Linienbus von Monnikendam
nach Amsterdam. Bei mir hatte ich eine der externen Harddisk mit den
elektronisch gespeicherten Daten. Ich wollte überprüfen, ob die Kirche
auch wirklich offen war. Gut, die Kirche war offen. Gar nicht gut war,
dass meine fünf Blätter weg waren. Ich schaute mich schnell um, weil
mich ein Gefühl überkam, als ob mich jemand beobachtete. Aber es war
niemand am Eingang. Nur ein paar ältere Damen und zwei
Frühaufsteher-Touristen waren in der Kirche. Die Einen beteten, die
Anderen staunten.
So ein Mist, dachte ich mir, da musste wohl ein übereifriger
Kirchenpfleger meine Zettel gefunden und gleich festgestellt haben, dass
es nix mit Religion zu tun hatte und weg waren sie.
Kein Problem: was war noch mal mein Plan B? Ohh, ja hatte gar keinen.
Ich musste mir was einfallen lassen, da ich dem Bankdirektor nicht am
321
Telefon erklären wollte, wohin er gehen sollte. Dies würde dem Gegner
einen zeitlichen Vorsprung geben, falls sie am Telefon mithören würden.
Ich könnte den letzten Zettel nochmals in der Kirche deponieren. Was
aber wenn wieder einer aufräumen kommt?
Besser wäre es, eine andere Hinterlegungsmöglichkeit zu finden. Aber
wo? Ein Hotel?
HOTEL !! Das Hotel Victoria gleich unter dem Hauptbahnhof, wo ich
schon ausgedehnte Ruhezeiten im Sessel verbracht hatte, wäre ideal
dafür. Ich lief die kurze Strecke dorthin und fragte beim Concierge nach,
ob ich eine Nachricht für einen Bekannten abgeben könnte. Man fragte
mich, ob dieser denn Gast bei ihnen wäre. Ich behauptete, nein, aber er
würde heute einziehen und in ein paar Stunden kommen. Im Zettel für
den Bankdirektor strich ich die Worte Kirche durch und schrieb Hotel
Victoria darüber. Anstelle schräg gegenüber, schrieb ich Central Station
East. Er würde schon raus finden können, wo dies war. Man gab mir ein
leeres Kuvert, ich legte den Zettel rein, verklebte die Rückseite und
notierte den Namen des Bankdirektors vorne rauf. Zusammen mit fünf
Euro händigte ich den Umschlag dem Angestellten aus.
Bis zur Mittagszeit waren es noch gute drei Stunden. Ich war schon
hungrig und wählte für das heutige Mahl eines der asiatischen
Minirestaurants aus. In den letzten Tagen hatte sich ein Restaurant als
meinen Favoriten entwickelt. Es gab viele von ihnen, aber in diesem
waren die Köche spitze. Es hatte nur um die zehn kleinen Tische mit
jeweils vier Stühlen. Die Kundschaft war immer dieselbe: ein paar
Touristen, viele Immigranten und oft auch jämmerlich aussehende, vom
täglichen Drogenkampf gezeichnete Gestalten oder aufgedonnerte
Huren, die vom nahen Rotlichtbezirk hoch kamen. Man konnte aus einer
Vielzahl verschiedener Gerichte auswählen. Ich bestellte mir heute eine
frisch zubereitete, schmackhafte Runde mit Reis und Huhn. Dazu eine
Cola Light.
Ein feines Essen für unglaubliche 6 Euro.
Mahlzeit.
322
KAPITEL 14 Weisswein und Rotes Blut
Nach dem Essen hatte ich noch Zeit, einen Tee im Hotel Viktoria zu
geniessen und eine englischsprachige Zeitung zu lesen. Die Stunde der
Wahrheit rückte immer näher. Für den Anruf auf das Handy vom
Bankdirektor wählte ich eine etwas versteckte Telefonzelle in einer der
schmalen Gassen hinter der Kirche. Hallo, Hallo? Ja?
Endlich, sagte ich zu ihm, endlich können wir uns unter vier Augen
aussprechen. Ja, sagt er, er sei auch erleichtert. Ich fragte ihn wo er jetzt
wäre. Er sagte in einem Hotel in der Stadt. Welches? Er wollte es mir
nicht sagen. Auch gut! Ich bat ihn in das Hotel Victoria zu gehen und
dort wäre eine Nachricht für ihn beim Concierge hinterlegt. Gut, und
dann wollte er zur nächsten Frage ansetzten.
Bitte keine Fragen mehr, es sei alles in der Nachricht vermerkt,
unterbrach ich ihn. Ohne dass ich ihn danach gefragte hatte, sagte er
noch schnell, dass er alleine hier sei und es keine Falle sei. Dann ist ja
gut, erwiderte ich und bat ihn sein Handy jetzt auszuschalten. Ich
wartete nicht auf seine Antwort und legte den Hörer auf.
Mein Puls stieg wieder in ungesunde Höhen. Ich lief rasch zu meinem
ersten Streckenposten, von wo aus ich den Bankdirektor gut beobachten
konnte, wenn er sich in Richtung Canalbus bewegen würde. Es erschien
mir wie eine Ewigkeit, bis ich ihn sehen konnte.
Er war elegant gekleidet und hatte einen beigefarbenen langen, dünnen
Businessmantel an. Er hielt klar ersichtlich einen weissen Zettel in der
Hand. Er näherte sich der Ticketverkaufsstelle und schaute sich um. Ich
duckte mich in eine Ecke und musterte die Umgebung, vor allem die
Strassen hinter dem Bankdirektor. Niemand folgte ihm. Ich sah, wie er
sich ein Ticket kaufte und etwas gelangweilt wirkte, als er auf die
Abfahrt wartete. Es war noch kein Boot da. Als sein Kurs angelegt hatte,
bestiegen nur fünf weitere Personen das Boot. Eine Familie mit Kind und
ein Ehepaar.
Er nahm weit weg von den anderen Bootsgästen Platz, so wie ich es
gewünscht hatte. Ich observierte abwechselnd ihn und die Umgebung.
Vor allem war ich scharf darauf sehen, ob er mit jemanden telefonieren
323
würde. Das Boot legte ab. Es war ein schöner Tag. Kein Regen, nur ein
leichter Wind.
Mein zweiter Streckenposten war ein kleines, burgturmähnliches
Gebäude am Kanal mit einem kleinen Café drin. Ich lief im Eiltempo
dort hin. Dieser Posten war der einzige, an dem ich zeitlich vor Schiff
ankommen würde. Bei allen anderen würde ich immer schräg hinter
dem Boot mitlaufen. Ich drückte mich an die kalte Mauer des Turms.
Das Boot schaukelte an mir vorbei und ich konnte ihn gut sehen. Er
starrte die meiste Zeit nur nach vorn. Ich konnte niemanden sehen, der
mir folgen würde. Von jetzt an lief ich mit einem guten Abstand dem
Boot hinterher. Um mich zu sehen, hätte der Bankdirektor mindestens
seinen Kopf um 150 Grad drehen müssen. Er hatte seine Hände auf die
Lehne des Stuhl vor ihm platziert. Nach ca. 20 Minuten merkte ich, dass
er etwas nervös wurde und sich gelegentlich ganz umdrehte. Er
entdeckte mich aber nicht. Auch wechselte er ein paar Worte mit der
Crew. Ich nahm an, er fragte nach der Uhrzeit oder wie lange die Fahrt
bis zur Endstation dauern würde.
Nach 40 Minuten war es an der Zeit, ihm ein Zeichen zu geben, dass ich
noch da war. Ich rannte weg vom Kanal, durch ein paar Seitenstrassen
hindurch, bis zu einer Brücke. Das Boot näherte sich. Der Bankdirektor
konnte mich auf der Brücke nicht sehen, da seine Sicht wegen des
Schiffsaufbaus verdeckt war. Zudem stand ich auf der anderen
Brückenseite.
Als das Boot unten durch kam, rief ich ihn beim Namen. Er drehte sich
etwas um und freute sich, mich zu sehen. Ich rief ihm zu, bei der
nächsten Haltestelle auszusteigen. Er nickte. Ich entschied mich für die
vorletzte Haltestelle, sodass mögliche Kameraden vom Bankdirektor
vergebens auf uns an der letzten Haltestelle warten würden.
Ich verschwand wieder aus seinem Blickwinkel. Ich nahm eine
Abkürzung und war schon fünf Minuten vor seiner Ankunft am
Leidseplein. Sein Boot legte an und er stieg aus. Natürlich hätte er jetzt
telefonieren können. Aber er wusste ja nicht, dass ich ihn für sieben bis
acht Minuten aus den Augen verloren hatte. Die anderen Gäste blieben
sitzen. Ich stand gut 150 Meter weit weg. Am Sockel einer grösseren
Brücke. Ich winkte ihm zu und deutete an, dass er mir bitte folgen sollte.
Ihm war dies alles merklich unangenehm.
324
Nach ca. 400 Meter wagte ich mich, an ihn heranzutreten und schüttelte
heftig seine Hand zur Begrüssung. Er erwiderte den Gruss und bedankte
sich, dass ich mich mit ihm treffen wollte. Er übermittelte auch die
Grüsse von Hans-Adam. Ich fragte ihn, ob er mir sein Handy geben
könnte. Ohne Widerrede streckte er mir sein Telefon entgegen. Es war
ausgeschaltete. Ich nahm die Batterie aus der Rückseite raus und bat ihn
beides getrennt in seiner Manteltasche aufzubewahren. Ich fragte ihn, ob
er ein anderes Handy habe, ob er verkabelt sei und ob er wirklich alleine
sei und ich warnte ihn, dass ich eine der externen Harddisks bei mir
tragen würde.
Nein, nein, ja, verstehe, entgegnete er flott. Da zeigte sich wieder, dass er
ein Schnelldenker war, wie ich. Man verstand sich darum besser. Ich
wollte mich auf keinen Fall irgendwo hinsetzten, um mit ihm zu reden.
Behutsam schob ich ihn daher in den nahe gelegenen grossen Park und
wir spazierten dort fast zwei Stunden. Er fragte, ob ich eine gute
Unterkunft gefunden hätte. Ich sagte ihm, dass ich angeblich in
Rotterdam ein Zimmer hätte.
Er erzählte mir, dass alle in Vaduz extrem bestürzt über meine
Geschichte, die Verletzungen und Erlebnisse wären und natürlich auch
entsetzt über die Fehler der Behörden wären. Er habe meinen Akt gut
studiert. Er konnte auch nicht verstehen, warum die Justiz nicht schon
lange Anklage gegen die Verbrecher erhoben hatte. Ich fragte, wo jetzt
die Unterlagen und das 3D-Modell waren, die ich Hans-Adam
zugesendet hatte. Er sagte, er wüsste es nicht. Aber, er denke, dass sie
noch auf dem Schloss sind. Gut, erwiderte ich.
Natürlich sei Hans-Adam am Anfang sehr erbost gewesen und hätte
auch die LGT böse zusammen geschissen. Ich fragte, ob Köpfe rollen
mussten. Er sagte nein, vorerst nicht. Ich war erleichtert darüber. Ich
wollte ja nicht, dass irgendjemand von meinen ehemaligen Mitarbeitern
deswegen den Job verliert.
Der Bankdirektor bemerkte aber, dass Hans-Adam fundamentale
Veränderungen in der Datensicherheit verlangt hätte. Während wir so
redeten, drehte ich mich pausenlos nervös um die eigene Achse und
auch um den Bankdirektor, um Ausschau zu halten, ob nicht doch noch
ein Rollkommando andonnerte. Er fragte mich, ob die Daten gut
325
versorgt seien. Frech antwortete ich, dass ich auf die Daten besser
aufpassen kann, als die in Vaduz.
Ja, klagte er, man habe in Vaduz weder den Verlust des DLT-Tapes noch
das Fehlen von irgendwelchen Originalpapieren bemerkt. Ich fragte
nach, warum man offenbar sofort zu den Bullen gerannt sei. Ich hätte
doch darum gebeten, alles zu vermeiden, was dazu führen würde, dass
die Öffentlichkeit davon erfährt.
Ja eben, sagte er, Hans-Adam war halt der Meinung, das heisst, er wurde
im Glauben gelassen, dass ich die Daten nicht hätte und nur bluffen
würde. Ich schlug meine Hände über dem Kopf zusammen. Warum,
warum um Himmels Willen hätte ich Hans-Adam einen solch
gewaltigen Brief zusenden sollen, wenn ich nur alles vortäuschen
würde?
Ich sagte auch, dass man in Vaduz froh sein sollte, dass, nachdem es mir
niemand direkt sagen wollte oder konnte, ich selber es gemerkte hätte.
Aber auch nur, weil mir der Satz von Hans-Adam „die Daten, die Sie
glauben zu haben‚ im Hinterkopf hängen geblieben war. Sonst wäre heute
vielleicht alles ganz anders, betonte ich. Ich fragte ihn, warum es mir
niemand einfach ins Gesicht sagen konnte.
Er hatte eine plausible Erklärung dafür. Da man nach einigem Hin und
Her davon überzeugt war, dass ich die Daten NICHT hatte, nicht haben
konnte und die logische Konsequenz daraus war, dass ich selber dies
wusste, war es überflüssig und sinnlos bei mir nach den Daten zu fragen.
Einleuchtend, sagte ich und ergänzte, na dann wollen wir mal HansAdam loben, dass er einen Kommentar dazu am Telefon abgegeben
hatte, sonst wäre ich nie darauf gekommen.
Der Bankdirektor wollte über die vier CD-ROMs reden. Kein Problem,
sagte ich. Er wunderte sich, dass ich soviel Aufwand wegen einer
Neuerstellung des Datenaufbaus (die Art und Weise wie ich die
Mandate auf den neuen Datenträgern strukturiert hatte) betrieben hatte.
Er wüsste doch, dass ich sehr gründlich arbeite, erwiderte ich.
Er fragte, ob er Recht in der Annahme hätte, dass ich mehr Daten als die
auf die vier CD-ROMs gebrannten Informationen hätte. Ich zuckte nur
mit den Schultern, weil mir die Frage zu dumm war. Was für andere
Daten ich denn hätte, wolle Hans-Adam wissen. Den Rest vom BackupTape, sagte ich wahrheitsgemäss.
326
Welcher Tag, fragte er mich. Ich habe den genauen Tag vergessen, sagte
ich. Wir beide wussten, dass dies eine fette Lüge war. Ich ergänzte, dass
man sich in Vaduz nicht den Kopf zerbrechen soll, welches Tagestape ich
besitze. Da ja unser aller Ziel eine friedliche Lösung wäre, spiele dies
keine wirkliche Rolle.
Ich wechselte das Thema und wollte wissen, warum man mir in Berlin
Privatdetektive oder Schnüffler auf den Hals gehetzt hatte. Dies sei eine
äusserst dumme Idee gewesen, klärte ich ihn auf. Ja, meinte er, im
Rückblick sicher. Er wäre dagegen gewesen. Aber sein Wort, dazu als
Ausländer (er ist Österreicher), hätte nicht viel an Gewicht in Vaduz.
Da würden ganz andere Kreise bestimmen, was gemacht wird. HansAdam wäre wohl etwas falsch beraten worden, entschuldigte sich der
Bankdirektor. Er erklärte mir, dass es Privatdetektive gewesen wäre, die
primär ‚zu meinem Schutz‚ da gewesen seien. Verdutzt schaute ich ihn
an. Zu meinem Schutz, fragte ich ihn ungläubig. Er antwortete, man
hatte Angst, dass mir was in Berlin passieren könnte. Der Schutz hätte
aber diskret erfolgen sollen. Aber da ich sie bemerkt hätte, zog man sich
zurück, erklärte er mir. Diskreter Schutz, wiederholte ich seine Worte
und klopfte ihm auf den Rücken. Na klar doch, sagte ich betont
überzeugend. Logisch !!!!!!!!!
Woran ich die „Beschützer‚ erkannt hätte, fragte er mich. Hätte HansAdam die Leute anständig bezahlt, dann könnten sie sich auch ein
richtiges Auto leisten und nicht mit einer alten Kiste herumfahren, die so
ins Auge sticht, wie ein Schweizer Jodler im Trachtenkostüm auf dem
Kurfürstendamm. Nun zuckte er mit den Schultern.
Ich erzählte ihm dann von Daniela in Berlin und dem Polizisten in
Münster. Wie knapp wir da einer Katastrophe entkommen konnten. Er
kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Ich fragte auch nach der SchutzID. Ob er sie dabei hätte. Ich sei sehr verärgert gewesen über die
ständige Zurschaustellung des Passes. Nein, leider nicht. Falls ich mich
aber dazu entschliessen würde, mit ihm nach Hause zu fahren, dann
läge sie dafür bereit.
Ich lachte nur. Ihr habt eine gedruckt, aber sie mir übergeben wollt ihr
nicht. Nur wenn es euch passt und es euch dienlich ist, dann würde sie
benutzt werden. Unfassbar und typisch Vaduz. Ich teilte ihm mit, dass
ich die Schutz-ID vielleicht gar nicht mehr brauchen würde. Warum
327
auch, ich war quer durch Europa ohne sie gereist und hatte bisher Glück
und wurde nie kontrolliert. Und überhaupt, nach Hause
zurückzukehren, ohne dass man eine unabhängige
Untersuchungsperson für den Argentinienfall benannt hätte, wäre kein
Thema für mich. Ich ergänzte, dass ich solange ausharren würde, bis
meine Forderung danach erfüllt sei. Ich konnte sehen, wie der
Bankdirektor die Augen verdrehte.
Die Lage in Vaduz sei schwieriger als ich denke, eröffnete er seine lange
Rede. Der Abstimmungskampf in der Verfassungsfrage hätte den
Höhepunkt erreicht und der Landesführer könne im Moment nicht so
herumkommandieren. Er wolle nicht, dass seine politischen Gegner
sehen würden oder erfahren könnten, dass er als Staatsoberhaupt wieder
in die auf dem Papier unabhängige Judikative eingriff.
Zudem wüssten mittlerweile Richter und Staatsanwaltschaft, dass ich sie
bei Hans-Adam der Inkompetenz und der Lüge bezichtigt hatte und
daher sei von dieser Seite keine grosse Hilfe für mich zu erwarten.
Zudem, und dass wüsste ich, betonte er, hatte ich mir mit der Drohung,
dem Ausland die Daten zu übergeben, viele hasserfüllte Feinde in Vaduz
gemacht. Alles schlechte Voraussetzungen, um hier Forderungen zu
stellen. Darum sei auch in den letzten Wochen so vieles schief gelaufen.
Ich war schon etwas beleidigt, aber im Grunde sprach der Bankdirektor
die Wahrheit. Besser so, als wenn er mir was vormachen würde, sagte
ich zu ihm. Ich fragte ihn, ob man die Anzeige wegen des Briefs nicht
wieder zurücknehmen könnte. Hans-Adam hätte gemäss Verfassung das
Recht dazu, klärte ich ihn auf. Ein Recht, dass er in der Vergangenheit
schon oft in Anspruch genommen hatte.
Der Bankdirektor sagte dazu nur, dass versuchte Nötigung nicht so
einfach ausradiert werden kann. Welche versuchte Nötigung, fragte ich.
Eben der Brief in dem ich von Hans-Adam seine Intervention in die
Angelegenheiten des Gerichts fordere. Wie bitte, fragte ich. Wir wissen
alle, dass Hans-Adam in der Vergangenheit oft interveniert hat. Wenn
auch nur meistens dann, wenn es entweder um seinen politischen oder
ökonomischen Vorteil ging.
328
Ich beharrte auf dem Standpunkt, dass in diesem Fall es um
Gerechtigkeit gehen würde. Ich würde ja nicht verlangen, dass HansAdam irgendjemand in den Kerker wirft oder Urteile zu meinen
Gunsten abändern sollte. Natürlich sei mir bewusst, dass meine
Vorgehensweise nicht die feine Art sei.
Die Dinge seien nun aber so wie sie sind, hielt ich fest. Warum, fragte
ich, warum wollte man mir jetzt nicht helfen, aber bei jedem illegalen
Geschäft der Banken und Treuhänder in Liechtenstein, da werden alle
Augen zugedrückt.
Bei diesem Thema kannte der Bankdirektor kein Pardon. Ich müsse mein
Schicksal strickt von den Personen, die Kunden bei der LGT oder in
Liechtenstein sind, trennen. Die Gesetze wären im Ländle halt anders als
im Ausland. Was dort illegal sei, sei halt im Ländle legal, versuchte er
meine steigende Wut zu besänftigen. Er musste mich auch bitten, mit der
Lautstärke herunter zu kommen, sonst würden uns doch alle hören.
Ich wechselte um auf den Flüsterton um und fand es an der Zeit ihn an
die vielen Mandaten zu erinnern, von denen die LGT wusste, dass
kriminelle Geschäfte im Spiel waren und auch jetzt vermutlich in diesen
Minuten immer noch gemacht werden. Und zudem auch der dümmste
Aussenstehende eine aktive und passive Mittäterschaft der LGT
(„mitgegangen ist mitgefangen‚) erkennen würde.
Ich sagte ihm, man solle mir hier bitte keine Lektion in guter Moral und
ehrlichem Business erteilen. Die nächsten 15 Minuten sagte er nichts
mehr. Wie weiter, fragte er dann. Ich weiss es auch nicht, antwortetet ich
resignierend. Ich hätte auch keine Lösung zur Hand.
Ich entschuldigte mich bei ihm, dass ich so rasend geworden war. Auch
dafür, dass für mich feststehe, dass ich nicht nach Hause kommen
würde, solange niemand mir beweisen könnte, dass am 101er Fall und
am 140er Fall ein frischer, unabhängiger Staatsanwalt arbeitete.
Der Bankdirektor könne mir glauben, dass mir schon bewusst wäre, dass
ich viele schlaflose Nächte in Vaduz verursacht hatte. Aber eben, dass
ich heute mit ihm hier in einem Park in Amsterdam stehe, sei die
Wirkung einer Ursache. Die Ursache war ganz klar die behördliche
Inkompetenz und Lügerei. Und auch der Amtsmissbrauch.
Amtsmissbrauch? fragte er. Ja, Amtsmissbrauch. Ein pensionierter
Richter in Liechtenstein, der meinen Fall gut kannte, hatte einmal zu mir
329
gesagt: "Nicht-Handeln ist auch eine Art von Amtsmissbrauch", klärte
ich den Bankdirektor auf.
Bei dieser Gelegenheit fragte ich ihn, ob er wüsste, was der Stand der
Dinge in Sachen Zivilprozess sei. Er verneinte dies. Und stellte die
Gegenfrage, ob ich denn nicht mit meinem Rechtsanwalt Kontakt hätte.
Nein, sicher nicht, erwiderte ich. Ich hätte mit niemand Kontakt dort und
der Rechtsanwalt Dr. Hirn wüsste von nichts.
Wie weiter, fragte er mich zum wiederholten Male. Er versuchte an mein
gutes Herz zu appellieren, indem er mir vorrechnete, wie viele der
Kunden in grosse Schwierigkeiten geraten würden. Nicht nur finanziell,
nein auch emotional, psychologisch. Und zwei, drei politische Skandale,
zum Beispiel in Deutschland, Frankreich und anderswo würde es auch
geben. Von den Wirtschaftsskandalen gar nicht zu reden. Es müsste mir
doch klar sein, dass einige Kunden im Gefängnis landen würden.
Vermutlich würden sich auch ein paar umbringen. Ob es das wäre, was
ich wolle, fragte er mit dem Hintergedanken, dass das Thema
Selbstmord mir sehr sensibel war. Was wäre mit der Witwen und den
Waisenkindern, wenn sich ein Kunde umbringen würde? Und zu Hause,
in Liechtenstein, würde man mich als den grössten Verräter aller Zeiten
ansehen. Ob ich das alles bedacht hätte?
Ja, ja – klar sehe ich die Probleme, erwiderte ich. Ob ich diese massiven
Schwierigkeiten für die Kunden von Hans-Adam wollte, fragt er fast wie
ein Pfarrer. Nein, nein, nein – natürlich nicht. Ich fühlte mich in eine
Ecke gedrängt. Leiden sollte niemand wegen mir. Das wollte ich nicht.
Ich erklärte ihm, er würde nur seine Zeit vergeuden, falls er mir künftig
wieder mit der Mitleidstour kommen sollte.
Er antwortete nicht und rieb nur den rechten Daumen über die vier
anderen Finger kreisförmig vor und zurück. Aha, jetzt kam es mir
wieder in den Sinn. Das geliebte Pulver, das geliebte Geld. Hans-Adam
verdiente ja Millionen mit seiner LGT.
Apropos Geld, fragte ich ihn. Wer kam auf die Schiessidee mir zu
schreiben, ob Geld das Problem lösen könnte? Der Bankdirektor lief rot
an und sagte, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man dies nicht im
Text geschrieben. Sondern, fragte ich.
Er als Banker würde einen solchen Lösungsvorschlag nur diskret und in
einem Gespräch andeuten. Man würde mir auch nochmals anbieten,
330
mich mit Geld sicher nach Südamerika zu bringen. Für ewig sicher, fügte
er an. Aha, "für ewig sicher" wiederholte ich seine Worte. Vermutlich
vergraben auf der mexikanischen Halbinsel, erwiderte ich. Diskretion bis
zum Ende, dachte ich. Ich muss euch leider enttäuschen, sagte ich ihm,
bei mir gibt es nichts ‚diskret anzudeuten‚. Geld interessiert mich nicht.
Er hätte auch kein Angebot in der Tasche, entgegnete er schnell. Ja dann
ist ja gut, beendete ich dieses Thema.
Er fragte mich, wo ich den wohnen würde, worauf er nur ein Grinsen
von mir erhielt. Er fragte sachte nach, ob er mich zum Abendessen
einladen könnte. Wir könnten in ein feines Restaurant gehen. Ich hätte
doch sicher schon lange nicht gut gegessen. Absolut nicht, ich esse sehr
gut, erwiderte ich. Ob ich Geld zum Leben brauche, er hätte von HansAdam ein Budget erhalten, um Spesen und andere Kosten zu bezahlen.
Nein, ich habe meine eigenen Euros. Aber Danke.
Ich hatte das Gefühl, dass der Bankdirektor noch mehr mit mir reden
wollte oder musste. Einem feinen Essen war ich nie abgeneigt. Ich sagte,
nur wenn ich das Lokal aussuchen könnte. OK, sagte er, ich solle ruhig
ein teures auswählen, egal was es kosten würde. Ich fragte ihn, ob ihm
Asiatische Küche schmecken würde. Ja klar, sagte er. Ich verabschiedete
mich mit dem Hinweis, dass ich ihn um 18 Uhr auf sein Handy anrufen
würde. Er sollte bitte aber erst 15 Minuten nach mir aus dem Park gehen,
sagte ich ihm auch.
Bis dann Herr Kieber. Bis dann Herr Bankdirektor.
Mann war ich froh, dass nichts passiert war. Ich lief so schnell ich konnte
in Richtung Bahnhof. Ich setzte mich in eines der vielen kleinen Cafés.
Erstmal Luft holen. So, so fein essen gehen wollte man mit mir. Keine
schlechte Taktik, dachte ich mir. Egal, riskieren könnte ich es ja.
Ich war auch überaus erleichtert darüber, dass man in Vaduz offenbar
nicht allzu brutal nach meinem Kopf schreien würde. Gemäss den
Schilderungen vom Bankdirektor würde man jetzt in Vaduz auf meine
Heimreise hoffen und nicht allzu böse sein, wenn am Schluss niemand
zu Schaden gekommen wäre. Ich fragte bei der Touristeninformation
nach, welches das teuerste asiatische Restaurant der Stadt war. Es wurde
mir ein malaysisches oder indonesisches Restaurant empfohlen. Ich
notierte mir die Adresse und ging gleich auf einen Besichtigungstrip.
331
Das Wirtshaus war in einer überschaubaren Ecke der Stadt. D. h. Es gab
gute Ecken in der Umgebung sodass ich das Restaurant vor eintreffen
des Bankdirektor eine Weile beobachten könnte.
Es war 17.15 Uhr. Ich entschied, dass es am Besten wäre, wenn ich hier,
schräg gegenüber dem Lokal auf den Bankdirektor wartete. Dadurch
konnte die Umgebung beobachten. Man wusste ja nie. Um 18 Uhr rief
ich ihn an und gab die Adresse durch. Es war kühl geworden und wenn
ich mich richtig erinnere, rieselte der Regen ein wenig.
Der Bankdirektor kam zu Fuss. Der Eingang versprach nicht so viel, aber
im oberen Stock eröffnete sich ein prächtig dekoriertes Gastlokal. Es
waren ausser uns nur zwei, drei andere Gäste anwesend. Wir setzten uns
an einen Tisch am Fenster. Weit weg von den Anderen. Es war die erste
Gelegenheit, bei der ich etwas gelöster mit dem Bankdirektor reden
konnte. Er erschien mir auch etwas entlasteter.
Auf einmal fragte er mich, ob ich die Sicherheitsvorkehrungen immer
aktiviert halte. Ich sagte, ja natürlich. Warum er dies wissen wollte,
fragte ich zurück. Er sagte, man befürchtet in Vaduz, dass ein Unfall
passieren könnte und die Feinde wegen eines Systemfehlers oder so die
Daten bekommen könnten. Aber nein, versicherte ich ihm, wenn einer
hier Fehler manchen würde, dann SIE.
Der Bankdirektor erzählte mir auch von den Geschäften zu Hause. Ich
bin mir nicht mehr ganz sicher, aber er erwähnte entweder dass die LGT
Gruppe den Kauf der altehrwürdigen Schweizer Treuhand Gesellschaft
(die "STG", mit Sitz in Basel) schon gemacht hat oder in Kürze
abschliessen würde. Der Preis war um die 200 MIO. CHF. Man sei in
Vaduz sehr stolz, dieses Schweizer Haus kaufen zu können. Na ja,
erwiderte ich - wenn es sein muss.
Nach der Vorspeise und zwei Gläsern feinem Wein, wurde seine Zunge
etwas lockerer. Ich fühlte mich wohl und nicht bedroht. Ich hatte ein
Gefühl, dass nun alles gut gehen würde. Bis er sich entschloss, quasi als
einen Wink mit dem Zaunpfahl, mehr noch, als Zeichen der
Überlegenheit, mir mitzuteilen, dass Hans-Adam und seine Gehilfen
jederzeit die Macht und die Mittel dazu hätten, mich nach Liechtenstein
bringen zu lassen.
332
Ich schluckte erstmal leer und fragte aufsässig: Wie denn? Nichts leichter
als das, fuhr er fort, eine angeheuerte Truppe könnte mich in nullkomma-nichts überwältigen, in den Kofferraum eines Diplomatenwagen
stecken und in zehn Stunden wäre ich auf dem kalten Betonboden des
Gefängnisses in Vaduz zu finden.
Mir wurde kotzübel. Ich dachte, hoffentlich sind meine eigenen
Sicherheitsvorkehrungen stabil genug. Er merkte, dass ich nervös wurde
und beruhigte mich schnell, indem er sagte, dass diese Lösung angeblich
nie ernsthaft diskutiert worden wäre und angeblich niemand dies wollte.
Im Gegenteil, alle hofften, dass man mit „mir reden kann‚ und ich
freiwillig nach Hause zurück kehre. Ich war immer noch erzürnt und
murmelte etwas im Sinne: „Ja, ja versucht’s nur mal mich mit Gewalt in
einen Wagen zu packen. Vorher wehre ich mich bis zum letzten Tropfen
Blut.‚
Der Bankdirektor hörte mir gar nicht mehr zu, da er schon wieder mit
seinem anderen Tropfen, dem Weisswein, beschäftigt war. Morgen sei
auch noch ein Tag, kam es aus seinem Mund. Ja, morgen, da sollten wir
uns wieder treffen, oder? Ich wollte dies nicht. Er war enttäuscht
darüber. Ich sagte, es sei besser wenn er morgen nach Hause fliegen
würde und denen dort versichere, dass ich die Daten sicher aufbewahrt
hatte. Und das ich nicht nach Hause kommen würde, solange keine
wirklichen Anstrengungen unternommen würden, die Fehler von Justiz
und STA zu untersuchen.
Ich sagte es ihm ungern, aber ich wiederholte, dass ich felsenfest davon
überzeugt sei, dass mir Deutschland oder die USA helfen würden. Er
schüttelte nur den Kopf. Ist mir egal, was ihr über diese meine Gedanken
denkt, es mag zwar sein, dass weder die USA noch Deutschland helfen
könnten, sagte ich. Aber eben dieses herauszufinden wäre der einzige
richtige Schritt für mich. Entweder räumt Liechtenstein seinen Saustall
auf oder eben nicht. Er wollte eine Zusicherung von mir, dass ich mich
wieder mit ihm treffen würde, wenn er zurückkehren würde. Klar,
natürlich werde ich, sagte ich.
Wann er dann wieder kommen wolle. In einer Woche. Gut OK. Passt mir
auch. Wir vereinbarten, dass ich ihn am kommenden Freitag oder
Samstag auf seinem Handy anrufen werde. Er erklärte mir, dass sein
333
Handy nicht abgehört wird. Er schwöre es. Die Behörden seien ja auf
Geheiss von Hans-Adam aus dem Spiel draussen. Ich erwiderte kühl, ja,
ja – wer’s glaubt wird selig. Er fragte mich, ob ich noch zur so später
Stunde eine Heimfahrt nach Rotterdam finden würde. Ja, sagte ich. Die
Züge fahren bis spät in die Nacht. Also bis nächste Woche dann. Ja, bis
dann. Er bestellte die Rechnung. Er bezahlte und ich bedankte mich für
das feine Essen. Mein Abendbrot kostete sechzig Euro.
Guten Flug Herr Bankdirektor. Gute Heimfahrt Herr Kieber.
334
KAPITEL 15
Heinrich‘s Tod in Utrecht
VADUZ März 2003 (1)
Hans-Adam und Alois warteten ungeduldig auf die Rückkehr vom
Bankdirektor. Dieser landete am frühen Nachmittag des 04.03. aus
Amsterdam kommend in Zürich. Dieses Mal wurde er vom
Firmenwagen der LGT Gruppe abgeholt und gleich hoch zum Schloss
gefahren.
Er berichtete über das Treffen mit Kieber. Ob er die Datenträger gesehen
hätte, fragte der Schlossherr.
Nein, aber er wäre sich ganz sicher, dass Kieber auf sie aufpassen würde.
Und die Papierdokumente, wo sind diese? Er wisse es nicht, erwiderte
der Bankdirektor. Und die Schutz-ID, hat Kieber sie wieder verlangt? Ja,
aber nur zu Beginn. Kieber hätte die Meinung geändert, schilderte der
Bankdirektor, er würde sich überlegen, ob er auch ohne sie leben könnte.
Solange er sich an gewisse Grundregeln im Bezug auf Reisetätigkeiten
halten würde, würde er es sicher überleben.
Kieber würde aber ausrichten lassen, dass, sollte seine Identität im
Ausland erkannt werden, und die Aufdeckung der Daten eine
Konsequenz daraus wäre, dieses Risiko alleine Hans-Adam und die
Finanzbuden in Liechtenstein übernehmen und akzeptieren müssten.
Der Bankdirektor sagte auch, dass er denke, selbst wenn man Kieber nun
die Schutz-ID anbieten würde, er sie nicht mehr annehmen wolle. Der
Bankdirektor hätte im Gespräch mit Kieber den Eindruck erhalten, als
würde er es einfach darauf ankommen lassen, ob nun seine Identität
entdeckt würde oder nicht. Dass es dem Kieber bald wurscht sein
würde, ob ihm nun Vaduz bei diesem Punkt helfen würde oder eben
nicht.
Hans-Adam bat den Bankdirektor über diese Wahrnehmungen mit dem
Professor zu reden, um so ein genaues, momentanes Bild von Kiebers
Psyche erstellen und dementsprechend handeln zu können.
Nachdem die Polizei und Justiz von Hans-Adam aus dem KKZ
ausgeschlossen wurden, musste man nur noch den Regierungschef
Hasler und den Professor informieren. Der Professor analysierte die
neue Situation und kam zum Schluss, dass Kieber an eine friedliche
Lösung glaube, sehr gesprächsbereit wäre und man auf keinen Fall die
Kommunikation unterbrechen sollte, wollte man eine mögliche
Katastrophe abwenden.
335
Vermutlich würde es aber mehrere Gespräche und daher Reisen zu
Kieber bedürfen, bis dieser soweit bearbeitet wäre, nach Hause zu
kommen. Hans-Adam ordnete an, dass der Bankdirektor weitere Reisen
nach Holland in seinem Zeitplanung vorsehen sollte. Vor der nächsten
Reise solle er ihn oder seinen Sohn nochmals kontaktieren. Er würde
dann genaue Anweisungen erhalten.
Amsterdam März 2003 (a)
Ich genoss meine Freiheit in diesem schönen, grossen Land. Obwohl
Liechtenstein auch ein wunderschönes Landschaftsbild mit den Bergen,
dem Rhein und den Wiesen und Wäldern abgibt, war das neue Leben in
Holland für mich sehr attraktiv. Ich wollte und musste mein
Monnikendam vor Entdeckung durch Hans-Adam schützen. Deswegen
musste ich tief in die Trickkiste greifen, um nach dem Abendessen mit
dem Bankdirektor, den Weg nach Hause so gut es ging verschleiern. Fast
eineinhalb Stunden brauchte für den Heimweg, aufgeteilt ein Drittel
Taxi, ein Drittel Bus und der Rest zu Fuss.
Fest im Glauben, dass man in Vaduz das richtige tue, schlief ich beruhigt
ein. Ich mietete mir für die nächsten sieben Tage ein Fahrrad und
erkundete die nähere Umgebung. Am letzten Tag meiner Fahrradmiete
war ich in Amsterdam City zu Fuss unterwegs. In einer der kleinen
Seitengassen wurde ich von einem jungen, etwas traurig
dreinschauenden Mann auf einer Brücke auf Englisch ruppig aber leise
angesprochen. Das man angepöbelt wurde, kam des öfteren vor, vor
allem in dem Stadtteil, wo Drogen konsumiert oder verkauft werden. Zu
einer Plage wurde die Anmache aber nicht. Dieser Mann wollte weder
Drogen verkaufen noch welche kaufen. Er sah aber wie ein typischer
Drogenkonsument aus. Zu meinem Erstaunen fragte er mich, ob ich
dieses Hollandrad, das er mit einer Hand festhielt, kaufen möchte. Er
bräuchte unbedingt Geld. Es war ein schönes Modell. 3-Gang und
rabenschwarz. Sah nicht sehr alt oder gebraucht aus. Ob es ihm gehören
würde, fragte ich. Ja, sagte er. Wie viel? Fünf Euro. Wie viel? 50?, Nein!
Fünf Euro und es ist deins, sagte er. Nachdem ich ihn von oben bis unten
genauer gemustert hatte, um zu sehen ob er mir kräftemässig gewachsen
wäre, sagte ich zu ihm, dass er ein Dieb sei und dazu ein blöder. Ich
sagte ihm, dass jeder doch sofort merken würde, dass er das Velo
336
gestohlen haben muss, wenn er es für nur fünf Euro verkaufen würde.
Nein Danke, sagte ich. Ich hätte mein eigenes Velo. Verärgert ging er
weg und schob das Velo vor sich hin. Ich beobachtete, wie er schon die
nächste Person anquatschte und wahrhaftig, nach drei Minuten,
vermutlich für die fünf Euro, wechselte das Bike den Besitzer. Der neue,
stolze Eigentümer kam an mir vorbei und ich rufte ihm auf Englisch zu,
günstig gekauft, das geklaute Fahrrad, Yes? Er starrte mich mit
Entsetzten an und entfernte sich in aller Eile mit seinem neuem Besitz.
Das Wetter wurde immer schöner und ich mietete mir das Velo für einen
weiteren längeren Zeitraum. Oft radelte ich nach Volendam, eine andere
Stadt in der Provinz Noord-Holland, die am Ostufer des Markermeers
lag, dass wiederum ein Teil des Ijsselmeers war. Volendam liegt etwa 20
Kilometer nördlich von Amsterdam und war bekannt für feinen
(Edamer) Käse. Was für ein Unterschied, biken in Holland war ganz
ohne Qual. Alles flach und übersichtlich und viele Radwege überall hin.
Ich begann auch mit dem Fahrrad regelmässig nach Amsterdam zu
radeln. Auf der Rückseite des Hauptbahnhofs, an der nördlichen
Flussuferseite (Amsterdam Nord) konnte ich mein Velo am Ende des
langen Buikslotenweg an geeigneter Stelle stehen lassen und die GratisFähre rüber zum Hauptbahnhof nehmen. Manchmal genoss ich die
Überfahrt so sehr, dass ich einfach 30 Minuten lang auf dem Schiff
ausharrte und mit hin- und herfuhr. Einmal fuhr ich schon um fünf Uhr
in der Früh von zu Hause los und war dann einer der ersten am Pier. Ich
kettete mein Velo an eine lange Stahlröhre und nahm die Fähre rüber.
Nach ein paar Stunden in der City kehrte ich zum Fahrrad zurück. Aber
welches war meines? In der Zwischenzeit waren sicher 200 andere Velos
auf dem Platz. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich meines erkannte; fast
alle Fahrräder in Holland sehen gleich aus. Auch wünschte ich mir, ich
hätte auf die Warnung meines Velovermieters gehört, als dieser sagte,
ich solle die Pumpe vom Velo wegnehmen, wenn ich das Velo irgendwo
abstellen würde. "Seinen Rat ich nicht befolgte, drum ich auch keine
Pumpe mehr vorfinden sollte".
Ich plante, den Bankdirektor am Freitag anzurufen. Dieses Mal wieder
aus einer anderen Stadt. Leiden, südwestlich von Amsterdam, sollte es
sein. Ich war erstaunt, wie billig Zug fahren in Holland war. Wirklich! In
35 Minuten war ich schon dort angelangt. Ich rief ihn um die Mittagszeit
an und er schlug vor, da er ja glaubte ich würde in Rotterdam wohnen,
dass wir und doch auf halbem Weg treffen könnten, in Utrecht. OK,
337
sagte ich. Er hätte sich für drei Tage und zwei Nächte Zeit genommen. Er
müsse mir wichtiges sagen. Gut, erwiderte ich und bestätigte ihm, dass
ich ihn am kommenden Montagnachmittag auf seinem Handy anrufen
würde. Keine Überraschungen, ermahnte ich ihn. Natürlich, keine
einzige, meinte er.
Am Sonntag sah ich mir Utrecht an. Hauptstadt der Provinz Utrecht.
Auch nur 30 Minuten mit dem Zug von Amsterdam Ceentral. Eine Stadt
mit vielen historischen Bauten. Vor allem der berühmte gotische Dom
mit seinem Kreuzgang und dem freistehenden Turm währen da zu
erwähnen. Ich spazierte durch die Strassen und Gassen. Nicht viele
Touristen unterwegs. Als Treffpunkt geeignet, erkannte ich. Ich notierte
mir die Zugverbindungen und rechnete die benötigte Anreisezeit für
Montag aus. In einem Internetcafé aktivierte ich meine
„Lebensversicherung‚.
Wieder zu Hause abgekommen, prüfte ich mein ganzes Gepäck und
verstaute alle Unterlagen und Datenträger behutsam im Handkoffer. Es
war noch Zeit für einen kleinen Schwatz mit Jane in ihrem Garten. Mehr
und mehr Blumen blühten und sie strahlte deswegen sehr. Meistens war
ich der einzige Gast im Haus.
Meine Wäsche konnte ich nicht bei ihr Waschen. Im Dorf gab es aber
eine Kundenwäscherei, die den Auftrag jeweils zu meiner grössten
Zufriedenheit ausgeführt hatte. Für fast alle Handwerksbetriebe in
Monnikendam waren dies ruhige Zeiten. Erst im Sommer, wenn die
Besucher kommen, dann sollte es hektisch zu und her gehen und die
Umsätze steigen.
Am Montag, den 10.03. gab es dann die zweite Zusammenkunft mit dem
Bankdirektor. Als Treffpunkt hatte ich ihm den Dom vorgeschlagen. Er
soll dort bitte pünktlich um 14 Uhr auf mich warten. Von einer
verdeckten Stelle aus konnte ich den Platz gut beobachten.
Er kam alleine. Ich liess ihn bewusst 15 Minuten einsam dort stehen. Er
nahm mehrmals das Handy aus der Manteltasche und blickte auf das
Display. Diese Mal hatte ich ihn nicht aufgefordert, sein Handy
auszuschalten. Ich lief auf ihn zu und wir begrüssten uns
freundschaftlich. Er wollte wissen, ob ich meine
Sicherheitsvorkehrungen eingeschaltet hätte. Ich bejahte es und bat ihn
sein Handy jetzt auszuschalten.
338
Ich unterwies ihn, bitte in Zukunft mich deswegen nicht mehr zu fragen,
er solle dies als gegeben annehmen. Für jedes Treffen.
Da wir nun schon mal da waren, wollten wir was für die Bildung tun
und besuchten den Dom. Wie lasen uns durch die vielen Hinweistafeln
durch und waren besonders von den in den Boden eingelassenen
Schrifttafeln beeindruckt. Der Dom wurde zwischen dem 13. und 16
Jahrhundert gebaut. Wir konnten lernen, dass Kaiser Heinrich der V.
(Heiliges Römisches Reich, Schwiegersohn von Heinrich I. von England)
im Jahr 1125 in Utrecht starb. Na dann wollen wir mal hoffen, dass ein
anderes Geschlecht, welches das Heilige Römische Reich überleben
konnte (die „‚von Liechtenstein‚), nicht dafür sorgen würde, das im
Jahre 2003 ein anderer Heinrich – nämlich der Heinrich Kieber - hier in
Utrecht seinen Tod finden sollte, betete ich laut vor.
Wir lachten beiden darüber.
Nun aber zum Business, sagte der Bankdirektor. Als Zeichen des Guten
Willens mir gegenüber, so wurde mir erklärt, hätte sich Hans-Adam
diskret an vertrauenswürdige Staatsrechtler ausserhalb von
Liechtenstein gewandt. Diese sollen prüfen, wie man in dem
festgefahrenen Strafverfahren gegen Helmut Roegele & Co. am Besten
vorgehen sollte.
Hans-Adam würde die Kosten dafür persönlich übernehmen. Er konnte
mir die Freude buchstäblich von den Augen ablesen. Ohne die mir
unbekannten Akademiker (die erwähnten Staatsrechtler) düpieren zu
wollen, sagte ich, wäre es doch am Einfachsten, wenn die STA den Fall
wieder öffnen und dann die Anklage erstellen würde. Dazu bräuchte
Hans-Adam nur ein paar Telefonate zu führen. Und er müsste wegen
mir nicht einmal irgendein Gesetz brechen oder erwürgen.
Die Liechtensteiner Strafprozessordnung sieht eine solche Möglichkeit
explizit für das Staatsoberhaupt vor. Deswegen hatte ich ihm ja, nebst
der Tatsache, dass er der Besitzer der LGT war, Anfang Januar 2003 den
Brief geschrieben. Schon mit diesen wenigen Schritten, wäre ich HansAdam auf immer und ewig dankbar, versicherte ich. Die Untersuchung
war seit langem fertig, jeder halbwegs zum Denken fähige STA sollte es
zustande bringen, binnen kürzester Zeit eine Anklageschrift beim
Kriminalgericht in Vaduz einzureichen, betonte ich.
339
Ich sagte auch, dass sobald die Anklage für rechtsgültig erklärt würde,
ich am nächsten Tag wieder in Vaduz auf der Matte stehen würde. Mit
den Daten und allem was dazugehört. Mehr könnte und würde ich nicht
verlangen. Ohne der Zukunft vorauszueilen, hob ich weiters hervor,
würde nach erfolgter Anklage der Oberste Gerichtshof in Vaduz den zu
erwartenden, letztinstanzlichen Entscheid in der Zivilsache ums
blockierte Geld aussetzen, um das Urteil im Fall 101er abzuwarten. Der
Bankdirektor nickte zustimmend.
Ich würde auch Hans-Adam die Kosten ersetzten, versprach ich. Sofern
es mir finanziell möglich sein sollte, musste ich nachschieben.
Der Bankdirektor holte tief Luft und sagte: Als Zeichen des guten Willen
gegenüber Hans-Adam erbitte dieser, dass ich anfangen würde, die
Extrakopien, also eine der elektronischen externen Harddisks oder DVDs
zu vernichten. Stück für Stück. Ich hatte nicht viel Zeit erstaunt zu sein,
denn der Vortrag war noch nicht zu Ende. Auch würde Hans-Adam
gerne vom Bankdirektor bestätigt bekommen, dass ich die über 2000
Stück Originalpapierdokumente ebenfalls anfange zu zerreissen. Man
könnte mir einen Dokumentenvernichter zur Verfügung stellen oder das
Geld zum Kauf dafür geben.
Wie bitte, fragte ich ihn entsetzt. Das ich eine kleine Harddisk zerstöre,
leuchtet mir ein. Aber ihr wünscht euch, dass Originaldokumente, mit
Originalunterschriften der Kunden vernichtet werden? Ihr wollt dies
wirklich, erkundigte ich mich. Muss wohl ein Witz sein, sagte ich. Nein,
verdeutlichte er. Die Kunden wissen ja nicht, dass ihre Originalpapiere,
die ja keine Wertpapiere waren, fast 1000 Kilometer entfernt von dort wo
sie sein sollten, waren. Zudem hätte man ja jedes Dokument auch im
elektronischen Speicher bei der LGT. Das stimmte. Ich weiss nicht
warum, aber mir gefiel der Gedanke überhaupt nicht.
Nicht das ich Mühe damit hätte, die über 2000 Seiten in den
Papierfresser zu stopfen, aber ich vertrat die Meinung, das die
Dokumente dem Kunden gehörten und sie wieder dorthin zurück
gelangen sollten, wo sie hergekommen sind. Offenbar hatte sich der
Bankdirektor keine solchen Gedanken gemacht. Er runzelte die Stirn und
fragte wie die Papiere denn transportiert werden sollen.
Es bedarf einiger Überredungskunst, um ihn zu überzeugen, dass er
doch die Papiere in Etappen wieder mit nach Hause nehmen könnte. Ich
könnte ihm morgen schon einige Stapeln bringen. Kopien jener
Dokumente hätte ich ja auch auf meinen elektronischen Datenträgern.
Mir wäre es sogar lieber, wenn ich die Papiere loswerden könnte. Immer
340
diese Schlepperei, sagte ich. Was aber, wenn er an der Grenze
kontrolliert würde und man in seiner Tasche tausende Bank- oder
Treuhandpapiere aus Liechtenstein finden würde.
Mein Gott, sagte ich zu ihm, er sei doch der weitgereiste Bankdirektor.
Wie viel Gepäck er sich für diese Reise mitgebracht hätte, fragte ich ihn.
Eine Mappe und ein Handrollkoffer. Das ist doch schon ein guter
Anfang, rief ich aus. Er soll seinen Pyjama und die Zahnbürste in die
Mappe quetschen und die Papiere in den Rollkoffer. Diesen soll er am
Flughafen Schiphol als Gepäckstück aufgeben und nur mit der Mappe
als Handgepäck reisen.
Soweit ich wusste, wurde in Amsterdam bei aufgegebenem Handgepäck
noch keine Extrakontrolle durchgeführt. Der Abflug war also kein
Problem. Bei Ankunft in Zürich sei er ja schon fast auf heimischem
Boden. Die Schweizer Zöllner würden bei einer Kontrolle keine Fragen
zu solchen Papieren stellen.
Dem Bankdirektor gefiel die Idee noch nicht so ganz. Mir kam nicht in
den Sinn, warum er Angst davor hatte. Er müsse mit Hans-Adam
Rücksprache halten. Kein Problem, sagte ich. Wenn er möchte, so könnte
er alles schon morgen haben, offerierte ich ihm. Falls alles in seinen
Koffer passte, fügte ich hinzu.
Er entfernte sich von mir und machte ein Telefongespräch. Nach 20
Minuten kam er zurück und strahlte über das ganze Gesicht. HansAdam sei begeistert von der Idee. Und er schätze meine Fürsorge um die
Daten. Bitte, gern geschehen, erwiderte ich. Also gut, ich würde ihm als
Zeichen des guten Willens Teile der Daten morgen übergeben. Wo,
fragte er. Ich antwortete, lass uns doch in Amsterdam treffen. Von
"Rotterdam" wäre es nur eine Stunde mit dem Zug. Der Bankdirektor
war damit einverstanden. Ob ich schon eine elektronische Kopie bis
Morgen vernichten würde, fragte er höflich. Nur nicht so übereifrig,
sagte ich. Eines nach dem Anderem. Morgen gibt es die Dokumente und
dann sehen wir weiter.
Ich erklärte ihm auch, dass ich es gar nicht eilig hätte. Und ich zum
Schluss gekommen sei, dass ich die Schutz-ID wirklich nicht mehr wolle.
Ich würde schon ohne sie durchkommen. Wenn die in Vaduz so stur
seien und den Vorteil für sie nicht sehen wollen, dann müssten sie eben
dieses Extrarisiko selbst tragen. Ich müsste jetzt wieder heim nach
Rotterdam fahren, sagte ich zu ihm. Er wollte mich noch zum
Abendessen einladen. Ich lehnte dankend ab. Wir verabredeten, uns am
nächsten morgen um 11 Uhr in der Lobby des Hotel Marriott, in der
341
Stadhouderskade zu treffen. Ich versprach mit den Dokumenten zu
kommen. Ich warnte ihn, es solle mir ja keiner folgen. Es sei zwecklos,
machte ich im vor, da die Papierdokumente nicht am selben Ort seien,
wo die elektronischen Datenträger aufbewahrt würden. Aber nein,
niemand würde mir folgen, er sei alleine da, versicherte er mir immer
wieder. Und was war dann das ganze Gerede beim ersten Treffen, über
gewaltsame Verschleppung und so? Ich solle dies vergessen, bat er mich.
Alle nur dummes Geschwätz. Na wollen wir mal hoffen, dass das
stimmt, sagte ich als Abschiedsgruss.
Auf Umwegen lief ich zum Bahnhof und nahm erst den dritten Zug nach
Amsterdam. Ich wechselte mindestens vier Mal den Platz. Keiner zeigte
Interesse an mir. Nach Ankunft im Hauptbahnhof in Amsterdam bestieg
ich die kleine Fähre rüber nach Amsterdam Nord. Mein Fahrrad hatte
niemand geklaut. Aber einen Platten hatte ich. Mist! Zum Glück gab es
ca. 300m nordwärts, am Buikslotenweg auf der linken Seite, ein
Fahrradgeschäft mit Reparaturstätte. Für ein paar Euro war die Sache
geregelt. Ich radelte mit Genuss Richtung geliebtes Heim in
Monnikendam. Das Fahrrad durfte ich immer neben dem Schuppen am
Ende des Gartens abstellen. Es brannten keine Lichter mehr im Hause.
Jane und ihr Mann mussten wohl ausgegangen oder schon zu Bett
gegangen sein. Ich verspürte den Drang wieder etwas für meine Fitness
zu tun. Monnikendam hatte ein Gemeindehallenschwimmbad. Ein
kleines Sportgebäude und leider war das Wasser im 25m Becken nur
hüfttief. Etwas ungewohnt, aber zur Muskelbewegung reichte es allemal.
Wieder zu Hause packte ich die Papierstapel aus und schaute sie mir
nochmals an. Da war Eines mit der Unterschrift von Klaus Zumwinkel.
Einer der deutschen PEPs. Wenn der wüsste, was hier vor sich ginge,
dachte ich. Ich nahm die Hälfte aller Dokumente aus dem Koffer und
legte sie für morgen früh bereit. Wie immer verschloss ich in der Nacht
meine Zimmertüre von innen.
Am Dienstag, den 11.03. war ich schon um 7 Uhr mit dem Velo
unterwegs Richtung Amsterdam City. Schwer bepackt mit einer
Plastiktüte, die ich von der Wäscherei in Monnikendam erhalten hatte.
Darin waren die Unterlagen nochmals in Einkaufstüten eingewickelt. Es
war irgendwie ein lustiges Gefühl, als ich mit Treuhandurkunden wie
etwa Verträgen oder internen Aktenvermerken und mit Bankbelegen in
Milliardenhöhe die frische Brise der kurzen Kanalüberfahrt zum
342
Hauptbahnhof genoss. Ich stellte mir vor, mit welcher Freude ich von
jedem Steuerfahnder und jedem Kriminalpolizisten in Holland
empfangen würde (auch ohne die elektronischen Datenträger, wo
1000fach mehr Datenmaterial zu finden war). Weihnachten schon im
März 2003! Ein Bankett für die Kämpfer gegen Geldwäscherei,
Kriminalität und Steuerhinterziehung. Aber offenbar war die Zeit noch
nicht reif dafür.
Ich nahm mir ein Taxi vom Hauptbahnhof zum Hotel Marriott. Ich war
25 Minuten zu früh da. Ich setzte mich in die Lobby und versuchte, nicht
all zu grosse Aufmerksamkeit mit dem langen, dicken Plastiksack zu
verursachen. Zu spät.
Ein Wachmann sah mich und kam auf mich zu. Er fragte, ob ich Gast
wäre, was ich verneinte. Ich sagte, dass ich auf einen Bekannten warten
würde. Der Bankdirektor bog gerade um die Ecke. Er musste durch den
anderen, kleineren Eingang auf der Vorderseite ins Hotel gelangt sein.
Der Wachmann nahm seinen Rundgang wieder auf.
Der Bankdirektor war mit seinem geleerten Rollkoffer gekommen. Da
ich ihm nicht einfach den Sack so zuwerfen wollte, suchten wir uns eine
ruhige Ecke und nahmen Platz. Zuerst drückte ich ihm zwei Bündel mit
ca. je 500 Blättern in die Hand und erklärte, dass dies nun die Hälfte der
Papiere wäre. So viele, so viele und so schwer, sagte er mit offenem
Mund. Er bedankte sich artig, überflog sie schnell und erinnerte sich laut
an den einen oder jenen vermerkten Kunden. Dabei machte er
Randbemerkungen im Sinne von „oh, nicht dieser‚ oder „was, von
dieser Kundschaft auch?‚.
Ich erinnerte mich, dass wir eigentlich bis anhin gar nicht gross über die
Originaldokumente gesprochen hatten. Selbst beim ersten Treffen wurde
ich niemals danach gefragt. Speziell nicht nach der Kategorie von
Dokumenten, die ich im Brief an Hans-Adam unter Punkt „III. C)‚
beschrieben hatte. Er berichtete, dass nachdem sie sich in Vaduz vom
Schock erholt hatten, spielten die Originaldokumente keine grosse Rolle
mehr. Jedes dieser Papierstücke wäre ja ohnehin auch auf dem
elektronischen Datenspeicher. Ja genau, erwiderte ich. Was für Papiere
sind diese denn, fragt er und zeigte mit dem Finger auf das letzte, kleine
Bündel. Ich hielt noch ein kleineres Bündel mit ca. 125 Blatt Papier mit
beiden Händen fest, solange bis es der Bankdirektor auch merkte. Er
fragte mich: „Und diese Akten?‚ Ich erwiderte scherzend, welche? Er
zeigte auf meine Hände.
343
Dies sind die Originaldokumente jener Mandate, deren Vermögen
politischen Parteien oder Körperschaften davon gehören, so wie ich sie
unter Punkt „VI‚. im Brief vom 7.1.03 beschrieben hatte, sagte ich.
Er kannte alle „politischen Mandate‚ und wusste auf Anhieb um welche
"Gruppe" es sich handelte.
Die Kundendatenspeichersysteme von Treuhand und Bank sind zwar
getrennt. Da er aber selber mehrere Jahre bei der Treuhand gearbeitet
hatte, wunderte es mich nicht, dass er die Kunden und die Hintergründe
zumindest der heiklen, politischen Mandate im Detail kannte.
Trotz der hohen Nummer von fast 4000 Mandaten. Ich übergab sie ihm
mit der Bitte, diese dem Hans-Adam persönlich zu geben. Er blätterte sie
durch und schüttelte mehrmals den Kopf. Er legte sie vorsichtig zu den
anderen Papieren im Koffer und zog den Reissverschluss zu.
Als würde er sich selber belehren wollen, meinte er, dass die LGT diese
Mandate gar nie hätten annehmen dürfen. Nicht auszudenken, wenn
diese Mandate der Öffentlichkeit bekannt würden.
Wir wunderten uns gemeinsam, was für Motive die Auftraggeber dieser
Mandate hatten, Konten in Liechtenstein zu eröffnen und so viele
Millionen zu horten. Aus Steuergründen sicher nicht. Besser keine
Fragen dazu stellen, schlossen wir das Thema ab.
Er müsse jetzt kurz nach Vaduz telefonieren, sagte er mir. OK, ich würde
im Terrace Café des Hotels auf ihn warten, erwiderte ich. Als er 15
Minuten später zu mir kam, war seine Freude über meine Lieferung fast
schon verflogen. Er richtete ein Dankeschön von Hans-Adam aus. Dieser
würde es hoch schätzen, dass ich mich Kooperative zeigen würde und
die Loyalität ihm gegenüber aufrechterhalten würde.
Hans-Adam würde fragen, wann er die andere Hälfte der
Originalpapiere bekommen könnte. Der Bankdirektor erzählte weiter,
dass der Landesführer gerne heute noch hören würde, dass ich einen der
Datenspeicher vernichtet hätte. Dies darum, weil er sich Sorgen machen
würde, falls mir etwas gestohlen würde. Zum hundertsten Male
versicherte ich dem Bankdirektor, dass nichts passieren könne. Die
Daten seien in einem Safe aufbewahrt, behauptete ich.
Er fragte mich, ob ich schon einen Heimreisetermin im Kopf hätte. Ich
sagte ihm, dass ich vieles im Kopf hätte, aber leider noch keinen solchen
Termin. Zuerst müssten wir doch abwarten, zu welchem Schluss die
Rechtsexperten in Sachen Anklage gegen Helmut Roegele & Co.
344
kommen würden. Oder hat Hans-Adam etwas von einer Frist gesagt,
fragte ich ihn. Nein, nein, er habe nichts in dieser Richtung erwähnt, aber
in Vaduz sei man natürlich der Meinung, je früher ich nach Hause
kommen würde, desto besser.
Da es schon fast Abendessenszeit war, schlug ich eine Einladung von
ihm nicht aus. Wir blieben in der Nähe des Hotels und ich wollte
während des Essens kein Wort mehr über die LGT oder Bankengeschäfte
im Allgemeinen verlieren.
Er erzählte mir von seiner lieben Frau, die ich nie kennen gelernt hatte.
Und von seinen gut erzogenen Kindern. Eines Tages, so hoffte ich,
würde ich auch Frau und Kinder haben. Das hatte ich aber auch schon
vor sechs Jahren gehofft, als ich angekettet in einem feuchten Kerker
sass.
Er würde noch eine Nacht in Holland bleiben, da er erst für den nächsten
Tag den Rückflug gebucht hatte. Ich bedankte mich für seine
Gastlichkeit und vor allem für sein Verständnis und die Geduld mit mir.
Ich fragte ihn, wann wir uns wieder sehen würden. Er überlegte kurz
und antwortete, dass er am Freitag, den 21.03. nach Amsterdam kommen
könnte. Gut, sagte ich. Das passt mir sehr. Nicht, dass ich viele andere
Termine hätte, scherzte ich. Also, abgemacht, sagte er zum Abschied. Ich
solle ihn nächste Woche am 18. oder 19. auf seinem Handy anrufen,
sodass wir die Details des nächsten Treffens absprechen könnten. Mach
ich doch. Auf Wiedersehen Herr Bankdirektor. Pass auf Dich auf, rief er
mir zu.
Überzeugt mit der Rückgabe das Richtige getan zu haben, machte ich
mich zufrieden auf den Heimweg. Dies nicht ohne die übliche
Verschleierungstaktik, was die Streckte anbelangte.
VADUZ März 2003 (2)
Während Kieber mit dem Bankdirektor lange Diskussionen über die
Daten, Gott und die Welt hatte, war man in Liechtenstein auch wieder
aktiv geworden. In einer nicht-öffentlichen Sitzung wurde am 10.03. der
Einspruch von Kieber vom 07.11.02 gegen die Anklage im Fall 140er vom
Gericht einstimmig abgelehnt. Gleichzeitig wurde beschlossen, das
(Verbrecher-)Ehepaar Helmut Roegele und Salud Hidalgo als Zeugen
der STA einzuladen.
345
Hans-Adam wurde wunschgemäss über diese Beschlüsse informiert und
er ordnete an, diese unter Verschluss zu halten, sodass weder Kiebers
RA, noch er selbst davon erfahren würden. Dies begründetet HansAdam in einer kurzen mündlichen Stellungsnahme damit, dass man
zum Wohle Liechtenstein nichts riskieren dürfte, was die komplizierten
Gespräche mit Kieber im Ausland stören könnten. Er befürchtete, dass
Kieber explodieren würde, sollte er insbesondere vom Umstand
erfahren, dass die STA Helmut Roegele & Co. eingeladen würde.
Da der Professor jetzt regelmässig zur Arbeit in Liechtenstein war,
mietete er sich ein Zimmer in Triesen. Seine Künste waren jetzt vor allem
an der anderen Front in Liechtenstein gefragt.
Der ehemalige LLB Banker Lampert verlängerte praktisch jede Woche
die Liste seiner Forderungen. Lampert forderte u.a. CHF 700'000.- in bar
und sofort. Die LLB war geschockt über seine Rücksichtslosigkeit. Die
Regierung Hasler hatte grosse Angst, dass die Medien davon erfahren
könnten. Vor solcher Art Publizität hatte man und hat man heute noch
eine derartige Angst, wie der Teufel vor dem Weihwasser. Einerseits
wollte man auch die begangenen Fehler im Fall LGT vermeiden,
andererseits war dieser Fall ganz anders.
Erstens war Lampert noch im Land und daher kontrollier- oder
überwachbar und zweitens, was aus Liechtensteiner Sicht kein Problem
darstellte, verlangte er Geld!
Ähnlich wie am Anfang bei Kieber, hatte Lampert noch keinen Beweis
geliefert, dass er die Daten hatte. Dies holte er in der zweiten Woche im
März nach. Mitte März händigte man ihm dann CHF 100'000.- in bar aus.
Was Lampert nicht wusste war, dass die LLB ihn ständig beschatten lies.
Trotzdem konnten sie nicht verhindern, dass er sie für die kommenden
acht Wochen mehr als einmal an der Nase herumführten konnte.
Hans-Adam interessierte dies alles im Moment nur am Rande.
Mitte März, am 16. war der Tag. Sein Tag, an dem er für sich und seine
Familie über die nächsten hundert Jahre das Sagen in Liechtenstein
durch die neuen Verfassung einzementieren lassen würde. Der
Abstimmungstag war gekommen. Die Bürger und Bürgerinnen
stimmten ab. 66 Prozent Zustimmung für den Hans-Adam. Viele
stimmten darum für die neue Verfassung, also für "ihn", weil sie Angst
davor hatten, dass sonst Hans-Adam samt Familie und Kunstbildern
nach Wien auswandern würde. Da hat man es, Liechtenstein wie in
346
Bayern: Alles ungewisse, jede Veränderung des Status Quo ist zu
vermeiden. Die Angst war und ist immer grösser. Nach dem
Abstimmungssieg fühlte sich Hans-Adam so stark wie ein Godzilla. Er
vergeudete nicht viel Zeit damit, sich bei den 66 Prozent zu bedanken.
Die politischen Gegner waren eingeschüchtert und sollten den Sieg von
Hans-Adam über sie seit jenem Tag ständig zu spüren bekommen.
Schon Tage vor seinem Triumph in der Abstimmungssache, hatte HansAdam anderen Grund zur Freude. Er und sein Sohn Alois kamen an
einem Nachmittag zu einem Sechs-Augengespräch mit dem
Bankdirektor auf Schloss Vaduz zusammen. Die Dokumente hätte er
dem Direktor Dr. Feuerstein am Morgen schon übergeben. Der
Bankdirektor übergab dann wunschgemäss das Bündel mit den 125 Blatt
Papier an Hans-Adam. Dieser dachte zuerst, es wäre ein neuer Brief von
Kieber. Ein dicker Brief. Er nahm die Papiere entgegen und las
aufmerksam die Kundennamen und andere Details. Warum er und nicht
die Treuhand die Papiere nun habe, fragte er.
Etwas verlegen erklärte der Gesandte, dass Kieber damit nur zeigen
wollte, dass Deutschland solche Mandate sehr heiss begehren würde.
Solle er dies als Drohung auffassen, wurde Hans-Adam laut. Nein,
absolut gar nicht. Kieber wollte nur einen Beweis abgeben. Weil HansAdam ihm ja am Telefon erklärt hatte, dass niemand in Deutschland
Interesse an den Daten hätte. Der Bankdirektor war sich auch ganz
sicher, dass Kieber nie vorhatte, unterzutauchen sondern er sich ganz
fest vorgenommen hätte, eine glückliche Lösung für alle Beteiligten zu
finden. Dies gefiel dem Landesführer.
Hans-Adam wollte daher abgeklärt haben, ob es jetzt nicht besser wäre,
Kieber einen der zwei gedruckten Pässe für die paar Wochen, bis er nach
Hause kommen würde, auszuhändigen. Wenn es unserer Sache dienlich
sein soll, dann müssen wir es in Betracht ziehen, resümierte er.
Der Bankdirektor wurde auch mit anderen Neuigkeiten überrascht.
Hans-Adam erwähnte im Gespräch, dass man auch in Zürich nicht
fündig geworden sei. In Zürich, fragte er nach. Alois deutete an, dass
man gewisse alte Ideen aus dem KKZ nichts ganz verwerfen wollte. Eine
davon war, herauszufinden, ob Kieber bei seiner Ex-Freundin in Zürich
eventuell Datenträger versteckt haben könnte. Es sei in der Zwischenzeit
gelungen, ohne Schweizer Teilnahme die Dreizimmerwohnung der
besagten Dame zu durchsuchen. Es wurde leider nichts gefunden.
347
Der Bankdirektor erkundigte sich, ob denn die betroffene Frau einer
Hausdurchsuchung ohne Schweizer Durchsuchungsbefehl zugestimmt
hätte. Wäre gar nicht notwendig gewesen, da man ihre Wohnung erst
dann betreten hatte, als feststand, dass sie zu Bekannten in die
Ostschweiz abgefahren war, erklärte ihm Alois.
Anm.: Als ich dann selber gegen Ende Oktober 2003 von dieser Aktion erfahren
hatte, war ich sehr empört. Ich schimpfte dann mit dem Professor Dr. T. Müller
darüber. Er wusste von der Sache nichts. Verwundern würde es ihn aber nicht.
Meine eigene Nachforschungen ergaben, dass meine Ex-Freundin wahrhaftig
zum angegebene Zeitpunkt nicht in ihrer Wohnung war. Sie sagte mir auch,
dass sie zu keiner Zeit von irgendjemand über mich befragt worden sei. Ich hatte
sie nie über das ganze Drama der LGT-Daten aufgeklärt.
Für mich steht fest, dass Hans-Adam sie beschatten lies. Ich gehe davon aus,
dass die üblichen Handlanger von Hans-Adam die Wohnung professionell
durchsucht hatten, ohne Spuren zu hinterlassen.
Der Bankdirektor rapportierte, dass ihn Kieber wieder am 18. oder 19.
anrufen würde. Wie abgemacht, hätte er sich einen Flug nach Holland
für den 21.3. schon fest gebucht. Er bat um Instruktionen, was er Kieber
am Telefon oder beim nächsten Besuch erzählen soll.
Amsterdam März 2003 (b)
Während ich mich schon auf den nächsten Besuch vom Bankdirektor in
knapp zehn Tagen freute, stieg meine Zuversicht Tag um Tag. Ich war
heilfroh, mit der Auswahl vom Bankdirektor richtig gelegen zu haben.
Mit ihm konnte man wirklich von Mensch zu Mensch reden.
Meine Vermieterin hatte keine Probleme mit mir und ich keine mit ihr.
Ich war ein ruhiger und kein lästiger Gast, die sie auch ab und zu mal
hatte. Ich war die meiste Zeit unterwegs und ging zeitig zu Bett, d.h.
selten war ich nach 20 Uhr zu Hause. In dem kleinen Haus konnte man
jedes Geräusch hören. Manchmal durfte ich mit ihr und ihrem Mann vor
dem grossen TV sitzen und gemeinsam schauten wir uns eine
holländische Abendsendung an. In meinem Zimmer konnte ich einen
Deutschen Sender empfangen. Ich schaute nie viel Fern, ich war immer
schon kein grosser Glotzengucker.
348
Am 19.03. vormittags und am 20.3. um 13 Uhr rief ich den Bankdirektor
an. Beim ersten Anruf entschuldigte ich mich, dass ich am 18. nicht
angerufen hatte, da ich die Aufgabe in meinem Kalender am falschen
Tag eingetragen hatte. Er hatte nicht viel Zeit und bat mich einen Tag
später anzurufen, was ich dann auch tat. Am 19.03. rief ich den
Bankdirektor an. Das Gespräch war schon nach 2 Minuten zu Ende. Er
war sehr kurzgebunden und sagte nur, er sei am Freitag um 10 Uhr im
Marriott. OK, sagte ich. Bis dann. Seltsam, sein Ton war auch ganz
anders, nicht mehr so freundlich. Hört sich gar nicht gut an, sagte ich zu
mir. Aber was soll’s, es hatte keinen Sinn sich darüber gross den Kopf zu
zerbrechen. Morgen würde ich ja sehen können, was nun wieder los war.
Am Freitag, den 21.03. wartete ich schon seit 9 Uhr auf ihn in der
Hotellobby. Er erschien auch pünktlich um 10 Uhr. Es gab eine kühle
Begrüssung. Er schien über etwas verärgert zu sein. Ich fragte, was los
wäre. Er kam mit einer Gegenfrage und wollte wissen, ob ich mit meiner
Ex-Freundin Kontakt hatte.
Nein, sagte ich, sollte ich? Und wer will das wissen? Nein, nichts
besonderes, erwiderte er. Einige würden in Vaduz denken, dass ich ihr
was gesagt oder erzählt haben könnte. Ich lachte nur und sagte, dass sie
doch endlich begreifen sollen, dass ich ein Einzelkämpfer bin und es
immer war. OK, wenn es ihnen besser gefallen würde, dann eben ein
Einzeltäter. Zudem würde ich nie andere in Gefahr bringen. Dies sei
mein Kampf und dies würde immer so bleiben, beendete ich dieses
Thema. Der Bankdirektor schien mit meiner Antwort zufrieden zu sein.
Er erzählte mir, dass er in Vaduz immer betont hätte, dass er überzeugt
wäre, dass ich eine One-Man-Show wäre.
Wir wechselten von der Lobby zum Terrace Café des Hotels. Ich wollte
von ihm wissen, ob man mir schon Neues zum Thema Anklage gegen
Roegele & Co. sagen könnte. Er schluckte sicher zwei Mal leer und
erzählte, dass er leider nichts Neues gehört habe. Wie soll ich dies
verstehen, fragte ich. Dies sei unter der Kontrolle von Hans-Adam und
dieser hätte ihm beim letzten Meeting nichts Frisches gesagt, was er mir
mitteilen könnte. Er erzählte weiter, dass man in Vaduz wieder
ungeduldiger geworden sei. Man würde dort nicht verstehen, warum ich
nicht nach Hause kommen würde, jetzt wo doch alles in die Wege
geleitete worden sei.
Ungeduldig fragte mich der Bankdirektor noch mehrmals während
dieses Besuchs, wie viele Reisen er noch machen müsse. Er als
Bankdirektor hätte auch andere Verpflichtungen. Das Geschäft blühe zu
349
Hause, man brauche ihn auch dort. Schliesslich hätte er auch eine
Mannschaft zu leiten und das ihm direkt unterstellte Führungsteam
würde sich schon wundern, warum er praktisch jede Woche ein, zwei
Tage verschwindet.
Auf Anordnung von Hans-Adam wisse niemand von der LGT ausser
seiner persönliche Sekretärin und Herr Piske, (vom Vorstand der Bank)
dass er auf heikler Mission wäre. Im elektronischen Kalender der LGT
wären seine Besuche als Kundentrips getarnt. Ob ich schon eine Ahnung
davon hätte, wann ich nach Hause kommen würde. Ich erwiderte, ich
kann jetzt nicht nach Hause kommen. Für mich habe sich nichts
geändert. Wo sei der Beweis, dass man wenigstens ein Teil meiner Bitten
erfüllt hätte? Ich bleibe lieber hier in Holland und wenn alles so läuft,
wie man mir durch ihn ausrichten lässt, dann sehe ich kein Problem, in
der nahen Zukunft nach Hause zu kommen. Hans-Adam lässt nach
nachfragen, ob ich schon einen der elektronischen Datenträger vernichtet
hätte, sagte er. Ich musste leider eine negative Auskunft geben. Aber ich
versprach ihm, bis zum nächsten Besuch eine solche Kopie der Daten zu
vernichten. Ob er den Beweis für die Zerstörung bräuchte, fragte ich ihn.
Er verneinte. Er wäre sinnlos einen Beweis nach Vaduz zu bringen, da es
ja technisch kein Probleme für mich wäre, vor der Zerstörung wieder
eine neue Kopie zu machen. Darum wäre es reine Zeitverschwendung
auf einen solchen Beweis zu beharren. Er argumentierte, dass ich doch
innerhalb einer Woche eine Entscheidung treffen könnte, ob ich nach
Hause zurückkehre. Er sei unter Druck von Hans-Adam. Wie gesagt,
würde dieser immer ungeduldiger. Dennoch, als weiteres Zeichen seines
Guten Willens könnte er mir folgendes offerieren. Wenn ich ihm, und
damit Hans-Adam, jetzt versprechen würde, dass ich spätestens bis
Ende April, also in ca. fünf Wochen, wieder in Liechtenstein sein würde,
dann käme er am 2. oder 3. April wieder nach Amsterdam und würde
mir einen der zwei Pässe als Schutz-ID für die Reise nach Hause
übergeben. Ich müsste mich aber auch verpflichten und dies hoch heilig
schwören, dass ich im April alle Datenträger vernichte und nichts mit
auf die Reise nach Hause nehmen würde.
So, so – was hat euch bewegt, mir auf einmal einen Schutz-Pass
auszuhändigen. Die Antwort darauf wüsste ich ja, erwiderte er. Und wie
würdet ihr verhindert, dass – wenn ich wollte, rein theoretisch – mit
dem Pass in eine „andere Richtung‚ reise. Auch dafür hätte man
350
vorgesorgt, sagt er. Ich war schon ganz gespannt, welche Lösung sie
dafür gefunden hatten. Er verdeutlichte. Um zu verhindern, dass ich den
Pass als neue Lebensgrundlage verwenden würde, würde man - falls ich
am 30.04.03 im Laufe des Tages nicht in Vaduz eintreffen würde, den
Pass am 01.05. polizeilich als gestohlen melden und die Passnummer in
ein internationales Register eintragen lassen. Keine schlechte Idee,
erwiderte ich. Und die Daten? Was ist, wenn ich – rein hypothetisch –
mit Daten und Pass auf Wanderschaft gehen würde?
Was er dann zur Antwort gab, erstaunte mich schon und bewies mir,
dass sie sich offenbar in die Materie, in die Gedankenwelt von mir
vertieft hatten. Er schilderte mir, dass man in Vaduz alle meine
möglichen Optionen studiert hätte. Davon hätte ich nur zwei:
A) ich finde eine friedliche Lösung mit Hans-Adam oder B) ich suche die
Hilfe bei den Deutschen oder Amis. Ein Abtauchen oder Untertauchen
als „Ulrich Meier‚ mit den Daten würde keinen Vorteil für mich
ergeben, beendete er deren Theorie. Der Bankdirektor sagte mir „im
Vertrauen‚ (was immer dies bedeutete), dass man sich in Vaduz sicher
sei, dass ich die oben genannte Variante A) auswählen würde.
Dies würde im Grossen und Ganzen ungefähr meinen Vorstellungen
entsprechen, offenbarte ich ihm, auch „im Vertrauen‚. Mit dem
Aushändigen des Passes wollte man mir den Stress der Heimreise
nehmen. Natürlich müsste ich im Tausch alle meine Ausweise, die auf
Heinrich Kieber lauteten, aushändigen.
Ich erbat mir Bedenkzeit von ein paar Tagen.
Der Bankdirektor hatte bei diesem Besuch nicht viel Zeit für mich. Er bat
mich ihn spätestens in einer Woche wieder anzurufen. Wir
verabschiedeten uns und ich entfernte mich mit dem üblichen
Verwirrspiel in Richtung Menschenmenge.
In den folgenden Tagen überlegte ich, ob ich das Angebot annehmen
sollte. Ich sagte zu mir, dass ich es dem Landesführer Hans-Adam hoch
anrechnen sollte, dass er mit mir - wenn auch nur durch seinen
Gesandten – überhaupt redet. Oder vielleicht das Angebot doch nicht
annehmen? Würde es nicht eher so sein, dass sie mir genau dass sagen,
was ich hören will, fragte ich mich auch ständig. Er war zum Verrückt
werden. Wenn ich nur nicht so misstrauisch wäre. Aber ich konnte ja mit
niemandem reden. Eine Minute lang dachte ich alles passiere so, wie
man es mir geschildert hatte. Die nächste Minute glaubte ich wieder kein
351
Wort von dem, was man mir gesagt hatte. Aber so konnte es auf ewig ja
nicht weitergehen.
Irgendwann musste ich klein beigeben oder sie klein beigeben, ich die
Bombe zünden oder sie Gewalt anwenden. Dies waren in Wahrheit die
Möglichkeiten. Ich konnte keinen definitiven, keinen klaren Entscheid
fällen.
Ich war sehr traurig, da zu jener Zeit meine Schwestern und meine
Mutter ihren Geburtstag feierten. Ich hätte keine Bedenken gehabt mit
ihnen zu telefonieren. Ich konnte es nicht, weil ich keine Kraft dazu
hatte. Ich fand auch keinen Gefallen mehr, die schönen Seiten von
Amsterdam zu erkunden und die Freiheit zu geniessen. Ich sperrte mich
für ein paar Tage im Zimmer ein und verliess es nur, um zu frühstücken
und wenn Jane das Zimmer machen wollte. Sie fühlte meine
Niedergeschlagenheit. Als Ausrede erzählte ich ihr von einer
unglücklichen Liebe. Sie zeigte Mitleid mit mir und das Thema war vom
Tisch.
Am 28.3. um 20 Uhr rief ich den Bankdirektor an. Er sagte mir, dass er
gerade zu Hause bei seiner Familie angekommen sei. Ich erzählte ihm
dass ich mehr durcheinander als klar im Kopf sei. Ich wollte keinem
Druck ausgesetzt werden und im Grunde hätte man mir nichts gezeigt,
was in die erforderliche Richtung einer Anklage der Verbrecher aus
Argentinien gehen würde.
Ich behauptete, dass ich an die Existenz eines Auftrages von Hans-Adam
an ein Rechtsexpertenteam absolut nicht glauben würde. Um meiner
Unsicherheit gleich noch eines drauf zu geben, erwähnte ich im selben
Atemzug, dass, sollte es dieser Auftrag wirklich geben, ich mich für die
Behauptung entschuldigen würde. Er fragte mich, ob er nun am 2. und 3.
April kommen soll oder nicht. Ich bat ihn zu kommen. Ich wäre aber
nicht sicher, ob es ein fruchtbares Treffen werden würde. Ich versprach
ihn am 1.04. wieder anzurufen. Er konsultierte seinen Kalender und bat
mich um 13 Uhr anzurufen. Einen friedlichen Geburtstag wünschte er
mir aus heiterem Himmel für den kommenden Sonntag.
Danke schön Herr Bankdirektor. Bitte, gern geschehen, Herr Kieber.
352
VADUZ April 2003 (1)
Jetzt waren es schon bald ganze drei Monate seit Kieber Liechtenstein
mit den Daten verlassen hatte. Und immer noch keine Heimreise von
ihm in Sicht. Die Restgruppe des KKZ, Hans-Adam, sein Sohn Alois,
Regierungschef Hasler, Piske, Feuerstein und der Bankdirektor waren
mit der Situation gar und gar nicht zufrieden. Guter Rat in Form einer
besten Lösung des Problems war einfach nicht zu finden.
Obwohl sich der Professor die allergrösste Mühe gab, die Restgruppe in
regelrechten Marathonsitzungen oder in einzelnen Gesprächen davon zu
überzeugen, dass man von der fixen Idee ein Problem lösen zu müssen,
wegkommen sollte. Natürlich war es aus Sicht Liechtenstein ein
massives Problem. Der Professor erklärte ihnen aber, dass es vorerst eine
Bedrohung sei und es erst dann ein massives Problem werden würde,
wenn Kieber die Datenbombe zünden würde. Man müsse daran arbeiten
und darauf aufbauen, was einem mit Kieber verbinden würde und nicht
was sie trennen würde. Kieber sei noch immer extrem misstrauisch. Der
Professor sagte, dass es zwar gegenseitigen Sympathie und Vertrauen
zwischen Kieber und dem Bankdirektor gebe, dass Kieber schlussendlich
aber eher dazu neigen würde, die (angeblichen) guten Handlungen, die
in Vaduz für ihn gestartet worden seien, nicht zu glauben. Besser wäre
es, wenn eine völlig neutrale Person, d.h. neutral aus der Sicht von
Kieber, mit ihm reden würde. Er hatte dabei an sich selbst gedacht.
Hasler und Feuerstein konnten erst nach intensiven Gesprächen mit dem
Professor endgültig von der Idee, Gewalt anzuwenden, Abschied
nehmen. Ziel sei es Kieber nach Vaduz zu bringen und dann hätte man
ja immer noch die Gelegenheit ihm ein schönes Dankeschön
auszudrücken.
Der Professor hatte wiederum mehrfach darauf hingewiesen, dass man
dem Kieber nichts Versprechen soll, was man von vornherein nicht
einhalten würde. Wie so oft in Liechtenstein, spürte auch dieser
ausländische Experte, dass sich die Herrschenden im Ländle nicht gerne
vorschreiben lassen, wie man auf heimischen Boden zu agieren gedenke.
Unbestritten, man brauchte den Professor um Kieber und die Daten nach
Liechtenstein zu bringen. Einmal zu Hause angekommen, würden die
Ideen und Ratschläge vom Professor allenfalls zur Kenntnis genommen.
In diesem Punkt sah man bei Hans-Adam, Alois, Hasler und Feuerstein
keinen Spielraum. Nach jeweiligen solchen offenen Gedankenspiele war
der Professor beunruhigt. Trotz seiner guten Entlohnung stellte er mehr
353
als einmal die Frage, ob den Worten auch die Taten folgen würden. Ob
Hans-Adam die Strafverfolgung der Täter aus Argentinien und die
daraus folgenden Konsequenzen wirklich im Sinne habe. Aber
natürlich, erwiderte Hans-Adam. Man wäre es Kieber irgendwie
schuldig, sollte dieser die Bombe nicht zünden und nach Hause
zurückkehren, ergänzte Hans-Adam.
Mit dieser Aussage von Hans-Adam war der Professor zufrieden. Er
machte aber, mit Blick zu Hasler und der LGT, auch klar, dass er nicht
dazu missbraucht werden könnte, dem Kieber Hoffnungen zu
vermitteln, die Liechtenstein nie zu erfüllen gedenke.
Bei einem weiteren Treffen mit Hans-Adam eröffnete der Professor ihm
seine neue Strategie. Es hatte ja nichts mehr gebracht wieder an Kiebers
Loyalität, Diskretion und Autoritätsgläubigkeit zu appellieren. Auch
nicht viel weiter war man gekommen, als man ihn an seine guten Seiten
erinnerte oder sein Schuldgefühl gezielt bearbeitete. Eine dritte Chance
Kieber zur raschen Heimreise zu bewegen, sah er darin, Kieber um Hilfe
zu bitten. Hilfe? Von Kieber? Der Landesführer wurde hellhörig. Der
Professor erklärte, dass er in seiner Arbeit am aktuellen LLB-Fall
(Lampert) begriffen hatte, dass man Kieber, völlig realistisch, um Hilfe in
diesem Fall bitten könnte. Kiebers Denkvorgänge seien nicht zu
unterschätzen und könnten zur Problemlösung mit Lampert angewendet
werden. Man müsste ja dem Kieber nicht alle Details erzählen. Aber er
hätte schon ein paar Fragen an Kieber, die nur dieser – zwar mit
unterschiedlichen Motiven, aber dennoch eben auch als Täter –
beantworten könnte.
Zudem hätte dies den positiven Seiteneffekt, dass Kieber fühlen würde,
dass man ihn als Mensch braucht, als jemand, dessen Meinung gefragt
ist. Wenn Kieber etwas in den letzten fünf Jahren mit den Liechtensteiner
Behörden erleben musste, so war die eine endlose Abneigung und
gigantische Ignoranz. Und da der LLB-Fall in der Tat existiere, müsste
man ihn für Kieber nicht neu erfinden.
Hans-Adam rief den Bankdirektor zu sich und ordnete ihn an, diese
Chance mit dem Professor zu diskutieren.
354
Amsterdam April 2003 (a)
Ein neuer Monat, ein neuer Anfang, dachte ich mir. Wie versprochen rief
ich am 1.4. pünktlich um 13 Uhr den Bankdirektor an. Er bestätigte seine
Ankunft für den nächsten Tag und fragte, ob er den Schutzpass
mitbringen sollte. Ende April schien mir einfach zu früh. In ein, zwei
oder drei Monaten könnte nicht so viel geändert oder in Bewegung
gesetzt worden sein, selbst wenn Hans-Adam am Drücker sei. Doch ich
wollte ihn nicht enttäuschen und sagte nichts am Telefon, da mir ganz
klar war, dass ich noch nicht nach Hause fahren würde. Ich sagte daher
dem Bankdirektor, er könne die Schutz-ID mitbringen. Er freute sich
über meine „Einsicht in die Notwendigkeit".
Nach dem Anruf kam ich an einem Coiffeurladen vorbei und sah mich
im Spiegel. Oh, die Haare waren aber wieder gewachsen, sagte ich zu
mir. 20 Minuten später verliess ich den Laden mit einem Haarschnitt wie
nach dem Einrücken ins Militär. Nicht dass ich selber irgendwelche
Erfahrungen im Militär hätte, das Ländle hat ja keine Armee, aber eine
kolossale Kaserne; für die Horde der Internationalen Steuerhinterzieher.
Dienstag, der 2.4. Der Bankdirektor hatte schon an einem Fenster im
Terrace Café Platz genommen, als ich von der gegenüberliegenden
Strassenseite auf das Hotel zuging. Ich sah ihn mir zuwinken. Er fragte
mich, ob ich froh sei, dass das Drama mit den Daten bald zu Ende sei.
Ich lächelte gezwungen. Ich versuchte das Thema zu wechseln und
fragte ihn, was er denn seiner Frau sagen würde, wenn er fast jede
Woche nach Holland fliegen würde. Er sagte, dass er sie beschränkt
informieren konnte, über das was vor sich ging.
Ich war nervöser als sonst, weil ich gleich den Bankdirektor enttäuschen
würde. Er war voller Zuversicht und schlug vor, dass wir im nahen Park
spazieren gehen. Das Wetter war ja sehr einladend. Er fragte mich, ob ich
angefangen hätte, die Datenträger zu vernichten. Ich sagte, dass ich ja
noch Zeit dafür hätte. Ich erwähnte dann, dass ich meinen Mietvertrag
um zwei Monate verlängert hätte. Zwei Monate, fragte er erstaunt. Ja, bis
Ende Mai. Dies darum, weil ich nicht mehr sicher sei, ob ich schon Ende
April nach Hause kommen könnte.
Er schlug die Hände über seinem Kopf zusammen. Er habe extra den
Pass mitgebracht. Ich hätte doch darum gebeten. Ich erwiderte, dass ich
355
es gestern noch nicht genau wusste. Heute aber sei ich mir sicher, dass
ich Ende April nicht nach Hause kommen werde. Wo, bitte schön, wäre
der versprochene Beweis dafür, dass man die Täter von Argentinien
anklagen würde? Ich müsse ihm glauben, obwohl er sich auch nur auf
die Angaben von Hans-Adam berufen könnte, versuchte er die Situation
zu retten.
Ich verlangte, selbst mit Hans-Adam zu sprechen. Dies sollte ja kein
Problem sein, da er selbst erlebt hatte, dass man mit mir am Telefon
eigentlich normal reden könnte, bemerkte ich. Er sagte, dies sei
kompliziert, dafür wäre er ja da. Aber, wenn ich ihm nicht glauben
würde, was er schade finden würde, dann hätte man da jemand zur
Hand, der mir bei meiner Entscheidungsfindung helfen könnte.
Der Bankdirektor erzählte mir, dass man in Vaduz langsam aber sicher
die Geduld mit mir verlieren würde. Das wäre nichts Neues für mich,
konterte ich. Man würde aber nachvollziehen können, dass ich, in
meiner jetzigen Lage, sehr skeptisch gegenüber Vertretern des
Establishments sei. Trotzdem sei ich manchmal hartnäckiger als ein alter
Esel, fügte er hinzu. Das er auch erkannt habe, dass ich unter massivem
psychologischem Druck stehe und es ihn nicht verwundern würde,
wenn ich früher oder später ganz durchdrehe. Wenn ich damit
einverstanden wäre, könnte ein Psychologe nach Holland kommen und
mit mir reden, offerierte er mir. Einen Psychofreak also, rief ich aus. Und
wer soll dies den sein, fragte ich. Es dürfe mir den Namen nicht nennen.
Aha, griff ich ihn an, wohl wieder so ein Trick, um mich zu benebeln
und Zeit für einen Angriff zu gewinnen. Warum kann man mir den
Namen nicht nennen? Ich treffe mich mit niemandem, über den ich nicht
vorher Bescheid wisse. Er sagte, ich solle mich nicht so aufführen. Es
wäre ja kindisch. Der „Psycho‚ wäre eine grosse Hilfe für alle. Er sei
wegen einer ganz anderen Geschichte, die sich momentan in Vaduz
abspielte, angeheuert worden. Ein anderes schweres Drama, wobei
meine Hilfe möglicherweise gebraucht werden könnte.
Anderes Drama? Jetzt? Meine Hilfe? Röhrte ich kopfschüttelnd und legte
eine Gang beim Laufen zu, um weg von solchen übergeschnappten
Ideen zu kommen. Ich sagte ihm auch, er müsse wohl geisteskrank
geworden sein. Ich bat ihn, es nicht auf die Spitze zu treiben. Es wäre mir
klar, dass die in Vaduz auch unter Zeitdruck stehen und daher auf
absurde Geschichten kommen würden, nur um mich nach Hause zu
356
locken. Aber nein, aber nein, sagte er mir. Ich müsse ihm versprechen,
dass ich niemandem absolut gar nichts davon erzählen würde. Die Sache
sei auch unter strenger Geheimhaltung in Vaduz. Ob ich einen Roland
Lampert aus Vaduz kenne. Nein, vielleicht, wenn ich ihn sehe, dann
eventuell, erwiderte ich. Dieser wäre ein Ex-Mitarbeiter von der LLB und
hätte dort Daten von deutschen Kunden gestohlen und würde jetzt seit
Februar/März die LLB erpressen.
Wie bitte? Für einen Moment genoss ich die absurde Situation. Da war
ich selber mitten in einem länderübergreifenden Krimi, hatte also genug
eigene Probleme am Hals, und da kommt man mir mit einer Story, in der
ich angeblich ähnliches ZUR GLEICHEN ZEIT IN VADUZ abspielen
sollte. Ich hatte absolut keine Zweifel, dass überhaupt jemand Daten von
der LLB gestohlen haben könnte. Dies kam in der Vergangenheit vor
und wird immer passieren. Dass aber eine Erpressung ausgerechnet jetzt
stattfinden würde, wollte ich nicht glauben. Blitzschnell kam mir laut
der Gedanke, dass dies eine Taktik sein könnte, wobei man den LGT
Fall, also meinen Fall, als zweitrangig herabstufen würde, um mir das
Gefühl zu geben, dass man keine Zeit und Ressourcen für mich hätte.
Gleich verwarf ich diese Gedanken. Ich vergrub mein Gesicht in den
Händen. Nicht zu fassen. Die „Konkurrenz‚ schläft wohl nie, witzelte
ich. Zuerst ein Psychofreak, dann die LLB, was kommt als nächstes,
fragte ich. Die Abdankung des Landesführers?
Ganz und gar nicht, erwiderte er. Würde ich im LLB-Fall helfen, dann
könnte ich mein ramponiertes Image bei der Justiz und der STA in
Vaduz sicherlich verbessern. Geld sei an Lampert schon geflossen, aber
man sei sich in Vaduz nicht sicher, ob er all die Daten hat, die er
behauptete zu haben.
Je mehr der Bankdirektor im Detail darüber erzählte, desto glaubhafter
wurde er für mich und umso ernster wurde mein Gesicht. Ich fragte ihn
postwendend, ob der Lampert auf der Flucht sei. Nein, der sitze
gemütlich zu Hause. Ich war ob dieser Antwort sehr erstaunt. Komisch,
sagte ich, der Lampert muss wohl sehr starke Nerven haben oder etwas
geisteskrank sein. Die grösste Knacknuss im LLB-Fall wäre, meiner
Meinung nach, herauszufinden, ob und wie viele Kopien der Daten er
habe. Genau dies sei das Kernproblem, erwiderte der Bankdirektor. Ich
fragte ihn, was dies alles mit mir zu tun habe, die LLB wäre ja das
Problem der Regierung, der Aktienmehrheitsbesitzerin der LLB und
nicht das Problem von Hans-Adam oder seiner LGT.
357
Der Bankdirektor versuchte mir eine Heimreise schmackhaft zu machen,
indem er sagte, dass, wenn ich nach Hause kommen würde, man mich
bitten würde, mit dem Lampert zu reden. Ich sollte versuchen, ihm die
Erpressung auszureden und herausfinden, wie viele Daten, vor allem
wie viele Kopien er davon er habe und wo er sie versteckt haben könnte.
Warum gerade ich, fragte ich. Schickt doch euren Top-Psycho hin. Der
kann dies sicher tausendmal besser. Der Bankdirektor sagte, dass der
Psychologe, intern "der Professor" gerufen, noch nicht persönlich mit
dem Lampert gesprochen hätte.
Warum nicht, war die logische Frage von mir. Weil man noch abwarten
wollte. Einem Professor würde der Lampert nichts erzählen wollen, mir
schon eher, sagte der Bankdirektor. Warum das, fragte ich und fuhr fort:
Soll ich den einfach zu Lampert gehen und ihm sagen: „Hallo ich bin der
Heinrich Kieber aus Mauren, ich habe auch tonnenweise Daten von einer
„Bank‚ gestohlen, komme gerade von einer „Tour de Daten‚ in Berlin
und Amsterdam zurück, habe die Sinnlosigkeit der Handlung erkannt
und bin jetzt hier um dich vor einem grossen Fehler zu bewahren.‚ Ja
ungefähr so, erwiderte der Bankdirektor. Einen Versuch wäre es Wert,
meinte er.
Aha, sagte ich, obwohl mir dies alles keinen Sinn mehr ergab. Sowieso,
ich hätte genug andere Probleme, ich hatte keine Zeit oder Energie um
der LLB zu helfen, sagte ich. Es wäre ja primär keine Hilfe für die LLB,
sondern fürs ganze Land. Die LLB sei ja de facto eine Staatsbank, meinte
der Bankdirektor. Was ich ja wusste. Hans-Adam würde auch froh sein,
wenn ich meinen Anteil an der Lösung des LLB-Falls beitragen könnte.
Mann oh Mann, dachte ich mir, sollten wir nicht zuerst unseren Fall
lösen?
Ich willigte ein, mich zuerst einmal mit dem Professor zu treffen. Dieser
könnte also kommen, wenn er wollte. Ich bat den Bankdirektor aber mir
vor einem solchen Treffen etwas mehr Hintergrundinformationen über
die Persönlichkeit dieses Professors zu geben. Den Namen könnte er für
sich behalten. Aber Angaben über die fachliche Kompetenz, das
Herkunftsland und die Beziehung zur LGT und Hans-Adam würde ich
schon gerne erhalten.
Nach dem Spaziergang gingen wir zurück zu seinem Hotel und er lud
mich zum Abendessen ein. Vorher musste er mir aber noch eine andere
Bitte von Hans-Adam vortragen. Dieser habe ihn beauftragt, von mir
eine schriftliche Erklärung zu bekommen, worin ich bestätige, dass ich
358
alle Datenträger vernichtet hätte. Der Bankdirektor würde gerne ein
solches Schreiben morgen mit nach Hause nehmen. Ohlala, entfiel es mir
da. Ich hätte aber mit der Zerstörung noch nicht begonnen, sagte ich
wahrheitsgetreu. Das sei schon OK, erwiderte der Bankdirektor. Solange
ich es vor meiner der Heimreise erledigen würde, sei dies kein Problem.
Hans-Adam wolle einfach etwas in den Händen haben. Wenn ich dann
die Datenträger vernichtet hätte, dann könnte ich eine neue persönliche
Erklärung darüber für Hans-Adam ausfertigen und er würde dies ihm
dann auch überreichen. Hans-Adam würde ja auch aktiv an
Lösungswege arbeiten, sodass am Ende die Verbrecher vor ein Gericht
gestellt werden können. Fair für Hans-Adam, sagte ich. Das Mindeste
was ich momentan in dieser Situation für ihn tun könnte. Ich versprach
ihm, ein solches Schreiben mit ihm morgen aufzusetzen.
Nach dem Essen kam wieder eine neue Idee vom Bankdirektor. Um eine
bessere Kontaktmöglichkeit zu haben, sodass die in Vaduz nicht immer
auf meine Anrufe angewiesen waren, schlug der Bankdirektor vor, ich
sollte mir doch eine holländische SIM-Karte für ein Handy kaufen.
Dadurch könnte er mich telefonisch erreichen und mich auf dem
laufenden Halten.
Zuerst schüttelte ich vehement den Kopf. Auf gar keinen Fall. Ihr wollt
dies nur, um mich lokalisieren zu können, johlte ich ihn an. Komm mir ja
nicht mit dieser Tour, tobte ich. Manchmal könnte ich sehr fanatisch sein,
brüllte er. Nachdem wir uns wieder beruhigt hatten, willigte ich ein, ein
holländisches Handy samt Nummer zu kaufen. Allerdings würde ich es
nur für einen kurzen Anruf von ihm zu exakt abgemachter Zeit
einschalten. Er war damit einverstanden und offerierte, mir ein neues
Handy samt SIM-Karte und Guthaben zu berappen. Wir suchten ein
Geschäft auf und nach 15 Minuten war ich Besitzer eines neuen Telefons
mit Prepaid-Nummer und einem 100 Euro Guthaben.
Ich wollte nun nach Hause, nach „Rotterdam‚ gehen und versprach ihm,
am nächsten Morgen um 11 Uhr wieder beim Hotel zu sein. Er bedankte
sich für meine Einsicht und wünschte mir eine gute Nacht. Ich
verschwand in den schwach beleuchteten Gassen von Amsterdam.
Vorher schaltete ich mein neues Handy aus und entnahm die SIM-Karte
sowie die Batterie.
Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich wusste, dass ich morgen
in eine furchtbare Situation kommen würde, sollte ich die gewünschte
359
Erklärung für Hans-Adam abgeben. Selbst wenn ich in der Nacht alle
Datenträger noch vernichten hätte, eine Masterkopie bliebe immer
vorhanden. Erstmals kann ich meinen Lesern ein weiteres meiner
Geheimnisse verraten. Bisher weiss niemand davon. Jeder der mich
kennt, kann bestätigen, dass ich mit der Zeit, speziell ab 1997 sehr
Vorsichtig geworden bin. Ich sichere mich immer mehrfach auf allen
Seiten ab. Natürlich konnte ich die Reaktion von Hans-Adam und den
hohen Finanz-Herren aus Vaduz nicht zu 100 Prozent voraussagen. Mein
Plan im 2002 sah vor, dass ich das Original DLT-Band, die DVDs und
externe Harddisks mit nach Berlin nehmen würde. Für den Fall, dass
Hans-Adam mir im Verlauf der Konfrontation mit Gewalt die
Datenträger abnehmen könnte oder für den Fall, dass ich sie verlieren
würde oder sie sonst wie unlesbar geworden wären, erstellte ich Ende
Dezember 2002 eine so genannte Masterkopie des Back-Up-Tape auf
einer neuen, stabilen 100 GB Harddisk.
Es verstand sich von selber, dass ich dies gegenüber Hans-Adam nicht
erwähnt hatte oder je erwähnen wollte. Diese Kopie zusammen mit
verschiedenen anderen Dokumenten bewahrte ich in einem neuen
ausschliesslich dafür angemietetes Banksafe in der Westschweiz auf.
Ich eröffnete ein Bankkonto mit genügend finanziellen Mittel, um die
jährlich automatisch abgezogene Mietgebühr bis Ende 2008 bezahlen zu
können. Ich wählte auch bewusst eine Bank in der französischen
Schweiz aus. Denn sollte irgendetwas mit mir auf den Reisen 2003
passieren und mein Namen in den Medien in Liechtenstein, Deutschland
oder Österreich genannt werden, so wäre die Wahrscheinlichkeit, dass
man deutschsprachige Zeitungen oder News in der
französischsprachigen Schweiz lesen würde, sehr gering. Beide Schlüssel
durfte ich, eigentlich entgegen den normalen Gepflogenheiten, bei der
Bank selber deponieren. Ich entschied mich auch für eine kleinere Bank
und keine Filiale einer Schweizer Grossbank. Dies deswegen, weil die
Grossbanken eine zentral geführte Kundendatenbank führten. Und
praktisch alle diese Grossbanken ihren Firmenhauptsitz in der
deutschsprachigen Schweiz hatten.
Zurück nach Amsterdam. Also selbst wenn ich alle Datenträger in
Holland hätte vernichten wollen, eine Kopie würde ja immer noch in der
Schweiz bestehen bleiben. So schnell der Gedanke gekommen war, so
schnell ging er wieder weg. Für einen Moment dachte ich nach, ob ich
dem Bankdirektor beim Gespräch morgen davon erzählen sollte. Aber
360
dann befürchtete ich, dass man mir nicht glauben würde, dass dies DIE
letzte Kopie sein würde. Und jetzt in die Schweiz zu reisen, würde völlig
unmöglich sein.
Wie vereinbart traf ich um 11 Uhr im Hotel Marriott ein. Der
Bankdirektor erzählte mir, dass er mit Vaduz telefoniert habe und mir
weiteres Positives mitteilen könnte. Ich solle mit ihm aufs Zimmer
kommen. Ich wollte lieber nicht in einen Raum, wo er und ich alleine
waren, sagte ich. Was ist, wenn ich überrumpelt würde, fragte ich. Er
versicherte mir, dass nichts geschehen würde. Und - wie immer –
erwiderte ich, klar, wenn ihr die Anwendung von Gewalt plant, dann
würde man mir es ja nicht auch noch vorher ankündigen. Nach etwas
Gerede, fuhren wir gemeinsam mit dem Lift hoch. Im Zimmer half mir
der Bankdirektor die Erklärung für Hans-Adam anzufertigen und zeigte
mir eine neutrale Vollmacht. Hans-Adam hatte ihm diese mitgegeben.
Eine Vollmacht für Hans-Adam, fragte ich. Die hatte er ja schon,
ergänzte ich. Ich habe ihm schon eine in meinem Schreiben vom 7.1.03
beigelegt, falls er eine brauche, um meine vollständigen Gerichtsakten
lesen zu können. Nein, die Vollmacht wäre nicht für Hans-Adam, sagte
der Bankdirektor. Um meine Interessen im Argentinienfall bestmöglich
zu wahren, sollte man einen Rechtsanwalt damit beauftragen. Einen
neuen Rechtsanwalt? Ich hatte ja schon einen seit Jahren, sagte ich.
Besser wäre es einen wirklichen Profi damit zu betreuen. Hans-Adam
übernehme die Kosten, sagte der Bankdirektor. Wie heisst der neue
Anwalt denn, fragte ich. Er wisse es noch nicht, sagte er. Man suche nach
einem geeigneten Anwalt, der auch internationale Verbindungen hatte
weil die Täter aus Argentinien ja in verschiedenen Ländern leben
würden und verschiedene Nationalitäten hatten. Leuchtete mir ein.
Na dann, vielen Dank erstmal, war alles was ich darauf erwidern konnte.
Ich unterschrieb die blanko Vollmacht. Nachdem der Bankdirektor das
Schreiben in seinem Koffer verstaut hatte, dachte ich mir, die
Gelegenheit wäre günstig, ihn zu fragen, ob ich den Pass mal in die
Hände nehmen könnte. Er wusste, dass ich ihn in Berlin leider nur durch
die Fensterscheiben des Diplomatenwagen von Hans-Adam hatte sehen
können. Er konnte dies nicht erlauben, Hans-Adam hätte ihm
ausdrücklich verboten, mir den Pass zu zeigen, geschweige denn zu
geben, falls ich nicht hoch und heilig versprechen würde, spätestens am
31.04.03 wieder in Vaduz zu sein.
361
Ich stichelte den Bankdirektor und sagte, dass ich jetzt versprechen
würde, am 31.04.03 zu Hause zu sein. Netter Versuch, sagte er nur. Er
wüsste jetzt ganz genau, dass es noch eine Weile dauern würde, bis ich
nach Hause kehren würde.
Er war mit dem Erreichten zufrieden und wollte nochmals von mir
bestätigt haben, dass ich mit der Datenträgervernichtung anfangen
würde. Wann er die andere Hälfte der Papierdaten mitnehmen wolle,
fragte ich ihn zum Abschluss. Dies hätte Zeit, erwiderte er. Diesmal
könne er sie nicht mitnehmen, da er nach Ankunft in der Schweiz ein
paar Sitzungen habe, wo er die Daten auf keinen Fall bei sich tragen
wolle. Ich schlug vor, die Papiere doch bei der LGT in Zürich zu
deponieren, bis er dann nach Vaduz fahren würde. Geht gar nicht, sagte
er. Da niemand von der LGT Schweiz etwas wüsste und man alles
geheim halten würde. Auf Grund geschäftlicher Verpflichtungen würde
er mit mir die nächsten zwei Wochen nicht telefonieren können. Er sei
aber wieder am 24. und 25. April für mich da. Er hätte schon ein Zimmer
im Luxushotel „Karl V.‚ in Utrecht, am Geertebolwerk 1 gebucht. Ich
müsste dann nicht so weit von Rotterdam anreisen, bemerkte er. Zudem
würden die nächsten zwei Wochen in Vaduz genutzt werden, um den
Professor auf den Besuch einzustimmen und die angefangenen Arbeiten
in Sachen Anklage gegen Roegele & Co. weiterzuführen.
Ich war mit dem Ergebnis dieses Treffens auch sehr zufrieden.
Insbesondere war ich froh, dass man in Vaduz einige der eigenen Fehler
erkannt und zugegeben hatte und mir nun helfen würde. Obwohl ich
zuerst mit der Datenbombe hatte drohen müssen. Während dieser Tage
in Amsterdam war ich eigentlich in Hochstimmung. Nicht weil ich in der
Lage war, Drohungen auszusprechen oder sonst wie Druck auszuüben.
Nein, mich überkam ein unbeschreibliches Glücksgefühl, weil man mir
sagte, dass man mir helfen würde.
Die Tatsache, dass ich nichts vom meiner Masterkopie in der Schweiz
erzählt hatte, verdrängte ich. Es störte mich auch nicht gross. Ich könnte
diese Datenbombe ganz einfach auslöschen, indem ich sie einfach später
vernichtete. Irgendwann sollte ich ja wieder in die Schweiz reisen
können.
362
VADUZ April 2003 (2)
Nachdem der Bankdirektor die Adligen von Liechtenstein, den Professor
und den Regierungschef Hasler über die letzte Reise nach Holland
aufgeklärt hatte, machte sich das Gefühl breit, wenigstens an einer der
zwei Fronten erfolgreich zu sein.
An der LLB-Front brodelte es sehr. Lampert war überrascht, dass ihm
ohne grosses Trallala gleich mal CHF 100'000.- in bar übergeben und
zusätzlich andere Versprechungen gemacht wurden. Wie z.B. die
Annullierung oder Teilannullierung seiner Hypothek bei der LLB,
weitere monatliche Zahlungen und ein Beratervertrag. Auch sollten die
restlichen 600'000.- CHF seiner Erstforderung bald fliessen. Spätestes bei
dem Angebot als Berater in Teilzeit weiterhin für die LLB zu arbeiten,
hätte ihm ein Licht aufgehen sollen. Lampert erkannte den Wert seiner
Sammlung offenbar erst im April. Er forderte frech und ohne Umwege,
die kleine Summe von 18 Millionen CHF. Ein Klacks für die LLB, dachte
er sich wohl. Ohne erst auf eine Reaktion von Seiten der LLB auf die
18 MIO. Forderung zu warten, machte er einen weiteren seiner vielen
Fehler.
Er schickte einem Dutzend Kunden eine Kopie ihrer
Vermögenszusammenstellung bei der LLB per Post (aus der Schweiz,
wenn ich mich richtig erinnere). Er wusste, dass die Kunden aus
Deutschland sofort irgendwie die LLB anrufen würden. Die LLB wandte
sich dann Hilfe suchend an Polizei und Justiz in Vaduz. Alles aber unter
strengster Geheimhaltung.
Der Professor wurde abwechselnd von der Polizei für den LLB-Fall und
von Hans-Adam für den LGT-Fall für Ratschläge angegangen. Der
Landesführer hämmerte dem Professor immer wieder ein, dass es
gelingen musste, Kieber so schnell wie möglich nach Hause zu bringen.
Er befürchtete, wenn der LLB-Fall zu einer Katastrophe führen sollte und
die Daten in Deutschland landeten, Kieber davon erfahren könnte und
sich im Zuge der nachfolgenden Medienschlacht dazu ermutigt fühlen
könnte, sich den Deutschen anzuvertrauen.
Oder der Rummel um einen LLB-Skandal könnte zu einem
Informationsleck in Liechtenstein führen, wobei irgendjemand den LGTFall den Medien verraten würde und Kieber sich gezwungen sähe, an
die deutsche oder die US-Regierung zu gelangen. Der Professor sah
diese Gefahr nicht und versprach, alles zu tun, was in seiner Autorität
363
stehen würde. Zuerst einmal sollte man das nächste Treffen zwischen
dem Bankdirektor und Kieber abwarten.
Amsterdam April 2003 (b)
Die knapp zwei Wochen bis zum nächsten Besuch aus der Heimat waren
wie Ferien für mich. Ich war überzeugt, dass mir Hans-Adam, dank
seiner Macht und seinen Verbindungen helfen würde. Gewiss, ab und zu
glaubte ich trotz allem dunkle Wolken am blauen Himmel zu sehen.
Würde es nicht doch eine Falle sein? Würde man mir keinen Bären
aufbinden? Dennoch, das Positive dominierte das Negative bei weitem.
Ich vernichtete der Reihe nach jede der vier DVDs. Ich zerstückelte sie in
unzählige Einzelteile und warf alle vermischten Bruchstücke, verteilt in
acht kleine Abfallsäcke, an verschiedenen Orten rum um Monnikendam
und Volendam in den Müll.
Als nächstes war eine der externen Harddisk dran. Ich borgte mir einen
Hammer von Janes Mann und fuhr mit dem Velo zum Hafen von
Monnikendam. Dort spazierte ich am Ufer entlang und sobald ich weit
genug weg von den Häusern war, breitete ich ein altes T-Shirt von mir
auf der Kanalmauer aus, legte die unschuldige Harddisk in die Mitte
und hämmerte wie wild auf sie ein. Ich schlug so fest, dass sogar Teile
der Mauer darunter zerbröckelten.
Sicher ist sicher, dachte ich und sammelte alle zerquetschen Elektroteile
ein. Verpackt in altes Zeitungspapier und Essensreste, verteilt auf drei
kleine Abfallsäcke, warf ich sie in Amsterdam City in drei verschiedene
Müllcontainer. Nur ein Wunder würde diese Harddisk wieder zum
Leben erwecken. Und Wunder gibt es ja bekanntlich keine.
Nun hatte ich nur noch die zweite externe Harddisk und das original
DLT-Back-Up-Tape. Beides lagerte nun schon seit zwei Monaten in
meinem Koffer bei Jane. Die externe Harddisk würde ich erst vor
Abreise vernichten. Das DLT-Tape zusammen mit dem Bankdirektor, so
hatte ich es mir vorgenommen.
Am Donnerstag, den 24.4. fuhr ich mit der Bahn und dem DLT-Tape
nach Utrecht. Um 17.30 Uhr betrat ich die kleine Lobby des Hotels Karl
V. An der Rezeption erkundigte ich mich nach der Zimmernummer des
Bankdirektors und rief ihn dann von der Lobby aus an.
364
Er kam im Freizeitlook runter. Lass uns die Stadt etwas ansehen gehen,
schlug er vor. Wir bestellten uns ein Taxi und liessen uns ins Zentrum,
das eh nicht weit weg war, chauffieren. Ich erzählte, dass ich die vier
DVDs und die externe Harddisk schon zerstört hatte. Dies gefiel ihm
sehr. Als ich ihm ohne Vorwarnung das DLT-Tape unter die Nase hielt,
erschrak er heftig. Nur ruhig Blut, sagte ich. Niemand ausser uns zweien
weiss, was das ist. Ich sah ein paar Schweissperlen auf seiner Stirn.
Warum ich das Band mitgebracht hätte, wollte er wissen. Um es
gemeinsam zu zerstören. Oder wenn er es wollte, dann könnte er es
gleich mitnehmen, offerierte ich ihm und strecke es ihm entgegen. Dann
würde er zwar in Erfahrung bringen können, von welchem Tag im
Herbst 2002 das Band stammte, dies war mir nun aber egal. Es waren ja
andere Zeiten angebrochen. Friedenszeiten, mit Aussicht auf einen „100jährigen Frieden‚, wenn es nach mir ginge.
Der Bankdirektor lehnte aber dankend ab. Er könne das Band nicht
mitnehmen. Dies sei zu gefährlich. Sollte ihm auf der Heimreise etwas
zustossen, wäre das Desaster perfekt und, wenn er sich nicht irre, seien
ja die Daten auf dem Band nicht verschlüsselt, erklärte er mir. Er
vertraue da lieber auf meine Fürsorge um die Daten. Zudem hätte ich,
wenn er richtig gerechnet hatte, ja noch eine externe Harddisk irgendwo
versteckt, sagte er. Jawohl, salutierte ich ihm. Das die Daten auf dem
BackUp-Tape nicht verschlüsselt waren, sei nicht meine Schuld.
Ja, erwiderte er, seit dem Februar seien sie in der LGT neuerdings
verschlüsselt. Garantiert! Ich versprach ihm, das DLT-Tape noch im
April zu vernichten. Ob er die Überreste davon dann haben möchte,
fragte ich ihn. Nein, um Gottes Willen nicht, was soll er damit anfangen,
fragte er mich. Man könnte es dem Hans bringen, schlug ich vor. Nein,
nein – der will sicher keinen Abfall sehen.
Mir wurde dann gesagt, dass der Professor sich freuen würde, mich zu
treffen. Ich fragte nochmals nach, was die Aufgabe des Professors sein
würde. Der Bankdirektor antwortete, dass dieser mir von neutraler Seite
erklären würde, wie, was und wo nach meiner Rückkehr geschehen
würde. Ich war etwas überrascht und fragte nach, ob denn der Professor
den Argentinienfall so gut kennen würde. Ich dachte er wäre primär mit
dem LLB-Fall beschäftigt, sagte ich. Nicht nur, sagte er. Der Professor
würde eben deswegen kommen, sodass ich von einer neutralen Person 1.
bestätigt bekommen würde, was man in Liechtenstein im 101er in die
Wege geleitet hatte und 2. eine Lösung für ein gemeinsames Ziel
365
aufgezeigt bekommen würde. Also, wenn es der Sache dienlich sein
würde, dann bin ich damit einverstanden. Aber ich müsse mehr über
diesen Professor erfahren, sagte ich.
Später erzählte er mir, dass die LGT grossen Erfolg mit Neukunden habe
und die Eröffnung der einzelnen Büros in Deutschland gemäss Plan
stattfinde. Glücklicherweise hätte niemand von der LGT Frankfurt und
Berlin etwas von unserer Tragödie gemerkt, fügte er an. Ich war sehr
froh darüber. Der Bankdirektor erwähnte nochmals, dass ich in einer
ausserordentlichen Lage sei. Würde ich nach Hause zurückkehren ohne
dass jemand zu Schaden kommt, und würde ich einige der Bedingungen
von Hans-Adam erfüllen, dann könne ich mein Leben neu beginnen.
Bedingungen? Welche Bedingungen, fragte ich. Es wären da noch ein
paar mehr Bedingungen, die ich aber besser vom Professor erklärt haben
sollte. Der Professor, so, so. Es würden hoffentlich keine unerfüllbaren
Bedingungen sein, fragte ich. Nein, nein. Solange ich mich benehme und
dem Hans-Adam und Liechtenstein helfen würde, dass so etwas nicht
nochmals passieren könnte, müsste ich nichts befürchten. Mir war jetzt
gar nicht klar, was ich davon halten soll. Mir blieb aber nichts anderes
übrig, als den Besuch vom Professor abzuwarten. Dieser sollte ja ein
Genie sein.
Ich wusste was den Bankdirektor seit seinem ersten Besuch auf den
Nägeln brennt. Damals und bei jedem späteren Besuch fragte er mir
Löcher in den Bauch, wie es mir gelang, a) eine Back-Up-Tape zu
entwenden und b) dies so durchzuziehen, ohne dass die EDV-Abteilung
den Verlust bemerkt hatte. Ich hatte ihm schon beim ersten Besuch
gesagt, dass ich mit den Details erst rausrücken würde, wenn dieses
Drama ein glückliches Ende genommen hätte. Es hätte keinen Sinn, Zeit
für Detailfragen zu verschwenden. Ein paar Geheimnisse müsste ich
vorerst schon noch behalten, sagte ich zu ihm. Er konterte immer wieder
mit derselben Aussage, dass es wichtig sei, jetzt zu Erfahren wo offenbar
die Sicherheitslücke sei.
Ich hatte darauf auch immer wieder dieselbe Antwort. Ich gehe davon
aus, dass man seit Februar 2003 a) die Daten auf dem Back-Up-Tape
verschlüsselt und b) sicherlich jedes Back-Up-Tape keine Sekunde aus
den „Augen lässt‚. Um ihn zu beruhigen, versprach ich ihm bald die
Details offen zu legen. Da es schon spät war, offerierte er mir ein Zimmer
im Hotel Karl V. Ich lehnte ab und sagte, ich könne ihn am nächsten Tag,
um 11 Uhr wieder besuchen kommen. Ja, das wäre Prima, erwiderte er.
366
Am nächsten Morgen, in der Früh begann ich mit der Zerstörung des
DLT-Bandes. Dies war schwieriger als ich dachte. Ich öffnete das
Gehäuse und fing an, das fette Band abzuspulen. Erstaunlich, wie lang
so ein Band sein konnte. Hunderte von Metern, mindestens. Alle paar
Minuten schnitt ich das Band in der Mitte durch und steckte den
Abschnitt in ein C5 Kuvert. Am Ende hatte ich 18 fette solcher Kuverts.
Mit meinem Velo fuhr ich in Richtung Amsterdam. An einem Kanal
stoppte ich ausserhalb der Sichtweite der wenigen Hausboote. Ich
entnahm die 18 Kuverts aus meiner Tragetasche und schichtete sie am
Wegrand aufeinander. Ich zündete die unterste Lage an und lies sie
brennen. Dicker Rauch stieg empor und das Feuerchen stank sehr. Mit
einem Holzstecken mischte ich die brennenden Umschläge auf, sodass
jeder Einzelne Feuer fing. Nach ca. fünf Minuten sah ich zwei
Velofahrer, die aus Richtung Süden kamen. Noch waren sie weit weg.
Schnell stampfte ich heftig auf das Lagerfeuer und löschte es. Dann
sammelte ich die verschmolzene Ware ein und packte sie in einen
Plastiksack. Auf einem der grösseren Plätze in der City schmiss ich den
Sack in einen Abfallcontainer. Vorher warf ich noch einen Blick in den
Sack. Nein, dachte ich, niemals würde irgendjemand daraus
irgendwelche Daten lesen können. Wieder ein Problem weniger. Und
mein Gepäck „leichter‚.
Für den Bankdirektor war der Glanzpunkt des nächsten Tags meine
Meldung über die erfolgreiche Einäscherung des DLT-Tapes. Er bestellte
sich ein Taxi und ich wartete mit ihm auf der Treppe vom Hoteleingang.
Wir vereinbarten, dass ich mein neues Handy am 30.04. zwischen 12 und
14 Uhr eingeschaltet lassen würde. Sein Besuch mit dem Professor
würde am 12. und 13. Mai in Amsterdam erfolgen, sagte er zum
Abschied.
Gute Heimreise Herr Bankdirektor. Es wird alles Gut Herr Kieber.
Ich blieb noch eine Stunde in Utrecht und wanderte durch die Stadt,
bevor ich mit dem Zug zurück nach Amsterdam fuhr. Ich war mir nicht
sicher, ab man mir die Wahrheit gesagt hatte und mir nicht
nachspioniert wurde. Ich blieb sehr wachsam. So gut es ging, versuchte
ich meine Bewegungsmuster nicht zu wiederholen.
Da ich jetzt ein Handy hatte, wäre es denen in Vaduz – Hans-Adam
hatte immer die feste Überzeugung, dass mit Geld für ihn alles
367
erreichbar war – möglich geworden, mich mit Hilfe der SIM-Karte
geographisch zu lokalisieren. Ich musste also aufpassen, dass ich
innerhalb Amsterdams immer mein Handy ein- und ausschalten würde,
um meinen Standort in Monnikendam nicht preiszugeben. Ratsam war
es auch, die SIM-Karte und die Batterie aus dem Gehäuse zu entfernen.
Technisch ist es möglich, trotz ausgeschaltetem Handy den Standort zu
identifizieren. Man kann bei den hohen Finanz-Herren aus Vaduz nie
vorsichtig genug sein. Auch musste ich für jeden angekündigten Anruf
einen anderen, neuen Standort innerhalb Amsterdams suchen. Nur
dadurch konnte ich vermeiden, dass ab dem zweiten Anruf eine
Leibwache von Hans-Adam auf mich wartete. Ich protokollierte ab jetzt
jeden „verbrauchten‚ Standort in meinem Taschenkalender (ein früheres
Geschenk der LGT an Angestellte).
Am nächsten Tag, dem 30.04., war viel los in der Stadt. Massenhaft
Menschen unterwegs. Es war der Geburtstag der Königin Beatrix. Wenn
ich mich nicht irre, hatte es aus Kübeln geregnet. Ich stand unter einer
Markise eines Cafés in der Haarlemstraat und setzte mein Handy um
genau 12 Uhr in Betrieb.
Rein theoretisch hätte der Bankdirektor auch um 13:59 anrufen können
und hätte somit eine Stunde und 58 Minuten Zeit gehabt, mit Hilfe von
bezahlten Spezialisten meine Position in Amsterdam auf ein paar Meter
genau zu finden. Dies war mir klar. Aber ich hatte keine Probleme
damit, da ich nur mein Zimmer in Monnikendam vor einem Zugriff
schützen wollte.
Ich musste aber nicht lange warten. Schon nach zehn Minuten rief er an.
Er sagte, er würde mit dem Professor nächste Woche, am 12. Mai um 10
Uhr auf mich warten. Ich sollte so nett sein und die restlichen
Papierdokumente mitbringen, sofern ich dies ohne Gefährdung machen
könnte.
Ich fragte nach Details zum Professor. Er sagte, dass er mir den Namen
am Telefon aus Sicherheitsgründen nicht nennen könnte.
Sicherheitsgründe? Ist der Mann in Gefahr, fragte ich erstaunt. Nein,
erwiderte er, aber Hans-Adam will nicht, dass die ganze Welt erfährt,
dass der Professor in seinen Diensten steht. Aha, OK, sagte ich. Es
folgten ein paar Details: ungefähres Alter, er komme aus dem
deutschsprachigen Raum und sei in jenem oder diesem Feld ein Experte.
Mir genügten die paar Hinweise. Wenn die Angaben stimmen sollten,
dann müsste ich in der Lage sein, den Professor zu identifizieren.
368
Zum Abschluss ermahnte ich den Bankdirektor nur alleine mit dem
Professor zu kommen. Und nicht, dass sich der Professor als weisser
südafrikanischer Söldner entpuppt. Er schwöre es, hörte ich von ihm.
Wir vereinbarten, dass ich das Handy am 7., 8. + 9. Mai jeweils zwischen
12 – 14 Uhr eingeschaltet halte. Er würde nicht unbedingt anrufen, aber
wenn etwas in Sachen Reise sich ändern sollte, dann könnte er mir es
sagen. Ich war damit einverstanden.
369
KAPITEL 16
Vier mal 9 mm
Amsterdam Mai 2003
Noch 12 Tage bis zum wohl wichtigsten Treffen. Ich packte die LGTDokumente schon mal um, so dass ich sie bei Bedarf schnell griffbereit
und reisefertig hatte. Meine Gastgeberin wunderte sich schon darüber,
dass ich immer noch bei ihr logierte. Nie hatten sie so lange einen Gast.
Sie freute sich, dass es mir offenbar gut bei ihr und in Holland gefallen
würde.
Ich weiss nicht mehr warum, aber auf einmal gefiel mir die Sache ganz
und gar nicht mehr. Ich änderte den Plan und anstatt auf seinen Anruf
zu warten, rief ich ihn den Bankdirektor an. Er war überrascht. Ich
machte im etwas vor und sagte, dass ich nur das Handy nochmals testen
wollte. Er hätte nichts Neues für mich und ich hatte nichts Neues für ihn.
Ich sagte, dass ich aber gerne das Anruffenster um eine Stunde
reduzieren möchte. Demnach würde ich von 13 – 14 Uhr mein Handy
eingeschaltet haben.
OK, sagte er. Also dann bis morgen, verabschiedete ich mich schnell.
Am nächsten Tag, den 8.5. schien die Sonne prächtig. Ich begab mich in
den berühmten Amsterdamer Zoo. Ich durchstreifte sicher drei Stunden
die weitläufige Anlage, bewunderte ein Gehege nach dem Anderen. Zur
Mittagszeit setzte ich mich draussen ins Openair-Café. Ich wartete an
einem der kleineren Tische, weit weg von den anderen Gästen, auf den
Anruf vom Bankdirektor.
Als es dann klingelte war ich leider nicht mehr in guter Stimmung. Ich
hatte wieder Zweifel daran, dass man in Vaduz wirklich an einer guten
Lösung arbeitete. Es wäre mir zwar viel erzählt und berichtet worden,
was alles angeblich in Vaduz schon in die Wege geleitet worden wäre.
Aber einen Beweis dafür sei man mir immer noch schuldig geblieben.
Ich fasste für den Bankdirektor am Telefon zusammen, dass ich
praktisch alles was von mir verlangt worden war, erfüllt oder in die
Wege geleitet hatte. Er redete wie ein Trainer auf mich ein und am Ende
des 38 Minuten langen Gesprächs war wieder Frieden zwischen uns.
24 Stunden später stand ich im Historischen Museum in der City.
Wieder notierte ich mir den Standort in der Liste der Plätze an denen ich
mein Handy eingeschaltet hatte. Der Bankdirektor rief zur vollen Stunde
370
an. Alle in Vaduz seien zuversichtlich und er würde am Montagmorgen
mit dem Professor abfliegen. Nach dem Anruf suchte ich ein Internetcafé
auf und suchte nach dem Professor. Es gab nicht viele, auf die die Details
passten. Am Ende hatte ich drei Psychologen auf meiner Liste. Einer von
ihnen müsste es sein. Keiner hatte eine eigene Webseite, aber aufgrund
ihrer Fähigkeiten und Erfolge konnte man einiges im Netz nachlesen.
Alle waren Europäer. Halt, hier! Der, der müsste es meiner Meinung
nach sein.
12. Mai. Heute war der grosse Tag des Kennenlernens, sagte ich zu mir.
Um nicht verschwitzt zur Verabredung zu kommen, nahm ich den
Linienbus nach Amsterdam und nicht wie sonst üblich das Velo. Zuerst
aktivierte ich meine eignen Sicherheitsvorkehrungen und schlich mich
dann in die Nähe des Hotel Marriott. Gegenüber dem Terrace Café nahm
ich auf der Kanalmauer, hinter einem Baum Platz und beobachtete das
Hotel. Es war 9.55 Uhr. Ich fand es besser, wenn ich diesmal nicht
pünktlich erscheinen würde. Ich wollte sehen, was der Bankdirektor und
sein Begleiter machen würden, wenn ich bis 10.30 Uhr noch nicht
aufgekreuzt wäre. Da ich für Pünktlichkeit bekannt war, wollte ich nun
mein Handeln in diesem Punkt etwas weniger voraussehbar machen.
Nach zehn Minuten wurde es mir aber selbst zu bunt und ich war
neugierig auf den Professor. Ich rannte aus der Deckung durch den
mehrspurigen Verkehr gerade wegs auf die grosse Glasscheibe des
Terrace Café zu. Ich sah den Bankdirektor, der an einem kleinen Tisch
sass. Mit dem Gesicht zu mir gewandt. Ihm gegenüber sass ein etwas
grösserer Mann mit dem Rücken zu mir. Ich ging auf sie zu und sobald
der Bankdirektor mich erblickte, lächelte er und sein Gast stand auf.
Ich streckte meinen Arm aus und die Hand in die des Bankdirektors.
Bevor er etwas sagen konnte, drehte ich mich zum Professor runter und
nannte seinen Name: Dr. Thomas Müller. Er lächelte und war gleichzeitig
überrascht. Ich wusste damit, dass ich den richtigen Psycho erraten
hatte. Herr Kieber! Endlich treffe ich sie, sagte er und stand auf. Ich
bedankte mich für sein Kommen. Er war immer noch etwas verdutzt
über die Tatsache, dass ich seinen Namen erraten hatte. Der
Bankdirektor sagte schnell zum Professor, dass er mir - wie abgemacht seinen Namen nicht genannt hatte, aber – wie bekannt – einige Details
preisgeben musste.
Ich setzte mich zu ihnen an den Tisch und bestellte eine Cola. Da war er
also, der berühmte Professor. Wir redeten zuerst über belangloses Zeug
371
wie das Wetter, die Kirche, die Stadt, die Menschheit, seine Heimat und
dann meine Heimat. Ich wollte nicht zu lange am selben Ort bleiben und
schlug vor, dass wir alle spazieren gehen könnten. Der Bankdirektor
bezahlte wie üblich die Zeche und wir bummelten über den Kanal rüber
und dann immer Nordwärts.
Der Professor trug eine offenbar schwerere Tüte mit sich herum. Ich
wollte ihn provozieren und fragte nach, ob er eine Waffe darin hätte.
Nein lachte er, aber ein Geschenk von Hans-Adam. Ein Geschenk von
Hans Adam? Ich wunderte mich. Er griff in die Tüte und entnahm eine
Holzschachtel, so gross wie ein DIN A4-Blatt und fünf oder sechs
Zentimeter hoch. Er drückte mir die Schachtel in die Hand und sagte, so
wird alles enden. Ich verzog meine Lippen und schaute nach dem
Bankdirektor. Dieser zuckte die Schultern und gab an, von nichts zu
wissen. Ich öffnete die Schachtel und zu meinem Glück lagen keine vier
9 mm Schusspatronen drin.
Es waren keine Patronen eines Schiesseisens drin, sondern eine original
Sachertorte aus Wien. Die Echte. Die Beste. Ich musste laut lachen, weil
ich erkannte, dass jemand in Vaduz auffallend gut die Hausaufgaben
gemacht hatte. Mit nichts besserem hätte man das Eis brechen können,
als mit einer so schönen, süssen Geste. Ich bedankte mich artig und fügte
gleich an, dass ich leider mit niemandem die Torte teilen könnte. Es seien
ja harte Zeiten momentan. Der Bankdirektor war mit der Vorstellung des
Professors zufrieden und er verabschiedete sich, da er uns beiden Zeit
für ein Vieraugengespräch lassen wollte.
Der Professor war sehr geduldig mit mir. Ich redete sicher die ersten
eineinhalb Stunden alleine. Er nickte nur ab und zu oder brummte ein Ja
oder ein Nein. Ich gab ihm eine extreme Kurzfassung meiner letzten acht
Jahre. Als ich fertig war, holte er tief Luft und schilderte mir seinen
Lebenslauf. Nicht schlecht, dachte ich. Ich war überrascht, dass er sich
um meinen Fall kümmerte. Normalerweise, so hatte ich es nachforschen
können, arbeitete er eher mit „Toter Materie‚ (Leblose Opfer von
Gewaltverbrechen). Das letzte Mal als ich bei mir nach schaute, stand
aber fest, dass ich noch Lebe, scherzte ich.
Er bestätigte mir, dass er im direkten Auftrag des Landesführers handle
und ihm auch persönlich rapportieren müsste. Also auf der Lohnliste
von Hans-Adam, sagte ich. Ja, aber dies sollte kein Problem für mich
372
sein, sagte er. Er würde auf keiner Seite stehen, sondern immer
versuchen beide Seiten an einen Tisch zu bringen. Ich fragte nach dem
LLB-Fall und ob es stimmen würde, dass er von der Regierung für
diesen Fall angeheuert wurde. Er bestätigte mir dies und verlangte von
mir, dass ich meine Kenntnisse über diesen Fall für mich behalten
müsste. Ich schaute mich um, mit einem Blick als hätte ich einen
Kirchenchor hinter mir, dem ich alles gleich verpetzen würde und sagte
ihm: Logisch, wem sollte ich auch etwas verraten.
Dann schilderte er im Detail den LLB-Fall. Brand aktuell sei die
Verhaftung von Lampert in der vergangenen Woche gewesen. Der
Lampert wurde verhaftet? Wo wurde er verhaftet? In Liechtenstein, am
8.5., sagte der Professor. Bei einer fingierten Geldübergabe nähe
Triesenberg, ergänzte er. Er hätte 18 MIO. CHF verlangt. Wie viel?
Achtzehn Millionen Schweizer Franken, wiederholte ich langsam die
Worte vom Professor. Wow! Dieser Lampert muss Nerven haben, sagte
ich. Gemütlich von zu Hause aus Forderungen stellen. Und welch
schwachköpfigen Ansprüche. Der Professor versuchte mir mehr oder
weniger überzeugend einzureden, dass ich denen in Vaduz helfen
könnte, herauszufinden, was Lampert über die „schwierigen‚ Geschäfte
der LLB, also die Leichen im Keller wisse und was er sonst geplant
haben könnte. Ich könnte ja so denken wie Lampert.
Vielen Dank für die dornigen Blumen, sagte ich. Wäre das nicht gerade
seine Domäne, fragte ich den Professor. Im Prinzip schon, antwortete er.
Aber man glaube, dass ich schneller als er auf die richtige Antwort der
vielen Fragen an Lampert kommen würde.
Ich bin nicht Lampert, stellte ich als erstes fest. Wenn dieser 18 MIO.
CHF verlangt hat, dann ist er nicht nur ein Idiot sondern auch hoch
kriminell. Der Professor sagte, dass Lampert sehr geschockt über die
Verhaftung gewesen wäre, da ihm ein solches mögliches Ende in seiner
Planung sichtbar nicht in den Sinn kam. Ja, sonst wäre er nicht in seinem
Haus und im Ländle geblieben, sagte ich kopfnickend. Im Gefängnis
würde Lampert wie ein wilder Stier wüten.
Warum er den nicht mit ihm rede, fragte ich den Professor. Der Lampert
wolle mit niemanden ausser Hans-Adam oder seinem Sohn reden,
bekam ich als Antwort und ich dachte wie klein die Welt war: alle
wollen nur mit dem blauen Blut reden. Ständig würde Lampert die
Drohung aussprechen, dass er die Daten den ausländischen Behörden
verraten würde. Hat er die Daten wirklich, fragte ich. Ja, man hätte ein
373
vollständiges Set bei ihm zu Hause gefunden. Man wisse aber nicht ganz
sicher ob dies all die Originalkopien wären, die er aus der LLB
mitgenommen hatte. Und ob er andere Daten als diejenigen, die man
gefunden hat, besitze. Man befürchtete bei der LLB und der Regierung,
dass Lampert nur mit den Daten der deutschen Kunden gewedelt hatte,
um seine Geldforderung erfüllt zu bekommen, er aber weiteres,
brisanteres Material, vor allem Daten von grossen russischen Kunden
mitgenommen hatte. Ich antwortete dem Professor, dass ich den
Lampert zwar nicht kenne, ginge aber davon aus, dass er, wenn er nur
halbwegs Grips hätte, eine Kopie ausserhalb einer Zugriffsmöglichkeit
durch die Liechtensteiner versteckt halten würde.
Ganz anders wäre es natürlich in meinem Fall, ich selber hatte ja
Liechtenstein mit allen Daten verlassen, fügte ich sehr schnell an. Ich
hoffte, dass der Professor meine Antwort nicht allzu sehr analysierte. Ich
dachte nämlich dabei an meinen geheim gehaltenen Banksafe in der
Schweiz. Nach meiner Meinung gefragt, sagte ich dem Professor, dass,
wenn Lampert die Daten wie beschrieben habe, dann würde ich
persönlich allen empfehlen, ihn mit Samthandschuhen anzufassen,
solange man nicht sicher sein konnte, ob er weiteres Material hatte. Ich
fragte nach, ob man denke, dass Lampert eine eigene
Sicherheitsmassnahme geplant hätte. Falls es mit seinem Plan nicht
klappt. Und was wäre mit eventuellen Komplizen? Nein, keines von
beiden, sonst hätte man ihn sicher nicht ins Gefängnis geworfen, meinte
der Professor.
Nach wochenlanger Analyse der Situation kam man zum Schluss, dass
Lampert alleine agiere. Es hätte lange Diskussionen gegeben, ob man ihn
verhaften sollte. Ein Restrisiko würde immer da sein. Am Schluss musste
man ihn verhaften. Er hätte einfach keine Einsicht gezeigt. Da hätte ich
aber „Glück‚ gehabt, oder, fragte ich.
Mein Fall liege ganz anders, erklärte der Professor. Hans-Adam würde
meine Motive anerkennen. Er, der Professor, hätte auch in diesem Sinne
auf Hans-Adam eingeredet. Wie bitte, fragte ich. Es wäre mir unbekannt,
dass man auf Hans-Adam einreden könnte. Dieser sei doch massiv
beratungsresistent. Nein, meinte er. Ich hätte zwar Hans-Adam schon in
eine Ecke gedrängt wie noch keiner vor mir. Aber jede Wirkung hat ihre
Ursache. Aha, sagte ich. Alles Klar. Oder nicht. Egal, sagte ich, wie geht
es nun weiter?
374
Der Professor bestätigte mir, dass Hans-Adam an einer Lösung meiner
Anliegen arbeitete. Nach Prüfung der Sachlage würde man eine Anklage
gegen Helmut Roegele & Co. befürworten und unterstützen. Aber alles
müsse der Reihe nach erfolgen. Ich erinnerte ihn daran, dass es Fristen
einzuhalten gäbe. Ich wüsste, dass ich mit meiner langen Abstinenz
vielleicht die eine oder andere gesetzliche Frist verpasst hätte. Aber ich
kenne die StPO und eine Wiederaufnahme einer Strafuntersuchung kann
jederzeit erfolgen, solange die Verjährungsfrist, wie in meinem Fall
(101er), nicht abgelaufen wäre.
Der Professor konnte dazu nichts sagen. Und was wäre mit der Anzeige
wegen der Daten, fragte ich. Diese würde zurückgezogen oder für
nichtig erklärt, sollte ich nach Hause kommen und kein Kunde einen
Schaden erlitten haben. Und die falsche Anzeige von Roegele gegen
mich, fragte ich. Da weder Spanien noch der angebliche geschädigte
Roegele einen Antrag auf Strafverfolgung an oder in Liechtenstein
gestellt hatten, könnte Hans-Adam dieses Verfahren einstellen lassen,
berichtete der Professor.
Vielen Dank, sagte ich. Vielen Dank.
Und was ist mit dem blockierten Geld in Österreich? Er habe vom
Regierungschef Hasler gehört, dass die Justiz in Liechtenstein
angewiesen würde, solange mit einem endgültigem Urteil zu warten, bis
eine Kriminalgericht in der Sache Argentinien letztinstanzlich ein Urteil
gefällt hätte.
Ich bedankte mich tausendmal und konnte mein Glück nicht fassen.
Zuerst dachte ich laut nach, ob der Professor mich anlügen würde. Oder
ob er von Seiten der hohen Finanz-Herren bewusst angelogen wurde,
um mich nach Hause zu bringen. Aber vorläufig glaubte ich ihm jedes
Wort. Ich wollte es glauben. Er verstand meine Bedenken und konnte
dazu nur sagen, dass ich an das Gute im Menschen glauben sollte, so wie
die in Vaduz an mein Gutes glauben würden. Leuchtete mir ein. Wo sei
der Haken an der ganzen Sache, fragte ich.
Er zählte mir die Bedingungen von Hans-Adam auf. Ich spitze dafür
meine Ohren. Hans-Adam wünschte: Die Vernichtung aller Daten. Die
Abgabe einer diesbezüglichen Erklärung. Die Rückkehr nach
Liechtenstein. Kein Kunde darf zu Schaden kommen. Volle Kooperation
in Liechtenstein. Eine Denkschrift von mir, worin ich beschreiben soll,
wie man in Zukunft bei der LGT Gruppe einen Datendiebstahl
verhindern kann und, im Falle von notwendigen Verhandlungen (bei
375
zukünftigen Datendiebstählen), Liechtenstein eine mögliche Katastrophe
abwenden kann.
Hans-Adam biete mir als Unterstützung für die kommenden Wochen
und Monate folgendes an: Sichere Überfahrt von Holland nach
Liechtenstein. Bestellung und Bezahlung eines Rechtsanwaltes.
Anmietung und Bezahlung einer möblierten Unterkunft in Vaduz.
Bestellung und Bezahlung eines Psychologen.
Der Professor erwähnte extra, dass Hans-Adam ihm aufgetragen hatte,
mir ausdrücklich zu sagen, dass er, Hans-Adam, meine Sicherheit und
Unverletztheit garantieren würde. Niemand würde mir ein Haar
krümmen. Vielen Dank. Ich würde Hans-Adam nicht enttäuschen. Der
Bankdirektor war wieder zu uns gestossen und sagte zu mir: „Siehst Du,
ich hatte Dich nicht angelogen.‚
Ich bedankte mich bei ihm. Der Professor fragte, ob ich die restlichen
Papierdokumente bringen könnte. Ich fragte nach der Zeit und sagte ja.
In zweieinhalb Stunden sollte dies machbar sein. Sie dachten ja ich
würde in Rotterdam leben. Wir verabredeten uns um 16 Uhr am Hotel.
Ich lief in Richtung Kanal weg. Die Sachertorte in der Holzschachtel in
den Händen. Da kam mir etwas in den Sinn. Ich drehte mich auf den
Absätzen um und rannte zu den Beiden. Ich erkundigte mich, ob die
Batterie des Peilsenders in der Sachertorte noch genug Saft hätte, um
auch noch in Rotterdam Signale senden zu können. Oder müsste ich eine
neue Batterie für euch kaufen? Wir alle lachten uns krumm.
Ich nahm mir vom Hotel Marriott aus ein Taxi zum Hauptbahnhof von
Amsterdam. Dann inspizierte ich die Sachertorte ganz genau. Nicht das
da doch was mit "eingebacken" wurde. Als ich sicher war, dass mir
keiner gefolgt war, schlich ich mit hinten aus dem Bahnhof wieder raus,
rauf auf die Fähre und mit dem nächsten Linienbus in Richtung
Monnikendam. Auf halber Strecke musste ich nur auf einen anderen Bus
umsteigen. Zu Hause legte ich mich zuerst mal aufs Bett. Ich hatte ja
genug Zeit.
Wieder in Amsterdam angekommen hatte ich erstmal wieder grossen
Hunger. Eine Kebab löste dieses Problem. Ich kam an einem Käseladen
vorbei und kaufte den beiden spontan ein dickes Stück Edamer Käse für
ihren Heimweg.
Pünktlich um 16 Uhr stand ich wieder vor dem Marriott. Ich überreichte
wie in einer Zeremonie dem Bankdirektor unter den wachsamen Augen
des Professors die Dokumente. Beide fragten mich, wann ich den letzten
376
Datenträger vernichten würde. Wenn ihr wollt, heute Nacht schon, war
meine Antwort. Prima, sagte der Professor, dann könnte ich auch schon
morgen eine neue, letzte diesbezügliche Erklärung für Hans-Adam
unterschreiben. Dies News würde dem Landesführer sehr gefallen. Ich
fragte den Professor, ob er in Anwesenheit des Bankdirektors nochmals
die Punkte aufzählen würde. Was alles in Vaduz passiert wäre und
passieren würde. Sowie was man von mir verlangte.
Er hatte damit keine Probleme und erfüllte meinen Wunsch. Der
Bankdirektor nickte nur ständig und meinte zum Schluss, dass wir alle
froh sein können, dass es nicht wie beim Lampert geendet hätte. Ich
wurde zu einem Nachtessen eingeladen und um 22 Uhr war Schluss mit
den Aussprachen. Ich erreichte mein kleines Heim gegen Mitternacht.
Fix und fertig warf ich mich ins Bett. In Gedanken ging ich den heutigen
Tag durch und ich war seelenfroh, dass Hans-Adam diesen Professor
ausgewählt hatte. Ich sinnierte lange wegen der Vernichtung der letzten
externen Harddisk.
Ich kam zum Schluss, dass ich ihnen leider etwas vormachen müsste.
Nein, sie anzulügen behagte mir jetzt nicht. Ich würde ihnen sagen, dass
ich diese Harddisk am Tage vor meiner Abreise zerstören würde und
hoffte, dass sie dies verstehen können. In dieser Nacht konnte ich sehr
tief schlafen.
Dienstag, den 13.5.
Schon vor 10 Uhr war ich wieder in der Nähe des Hotels. Als ich über
die kleine Brücke schräg gegenüber vom Marriott lief, sah ich den
Professor und den Bankdirektor gerade in den vorderen Eingang des
Hotels gehen. Ich rief ihnen zu und winkte. Sie drehten sich um und der
Professor winkte zurück. Ohne zu schauen rannte ich quer über die
grosse Strassenkreuzung und fast hätte es mich erwischt. Ein kleiner
Lieferwagen, der von links kam, musste wegen mir eine Vollbremsung
einleiten und massiv nach rechts, in seinen Gegenverkehr steuern.
Ich entschuldigte mich indem ich beide Handflächen in die Höhe hob.
Auf der anderen Seite angelangt, scherzte der Bankdirektor, dass es jetzt
schon OK wäre, wenn ich den Tod im Strassenverkehr finden würde. Ich
hätte ja alle Datenträger vernichtet. Sicher, es würde in Liechtenstein ein
paar Fragen aufwerfen, wenn Kieber ausgerechnet am dem ersten Tag
nach Vernichtung aller Daten zu Tode gekommen wäre. Halt, Halt, nicht
so voreilig. Ich hätte die letzte externe Harddisk noch nicht vernichtet,
vernichten können, sagte ich.
377
Oh, der Lieferwagen wäre also nicht unsere Lösung gewesen,
kombinierte der Professor grinsend. Wir alle begaben uns in ein
Hotelzimmer. Ich hatte den Eindruck, dass das Zimmer von keinem der
beiden benutzte wurde. Vielleicht hatten sie sich nur ein Tageszimmer
für unser Treffen heute gemietet. Ich erzählte ihnen von meinem Plan,
den letzten Datenträger erst kurz vor der Abreise zu vernichten. Sie
waren damit einverstanden. Sie sagten, dass sie meinen Worten
glaubten. Der Professor fügte hinzu, dass es ihn aus psychologischer
Sicht nicht verwundern würde, wenn ich als Garantie den letzten
Datenträger nicht vernichten würde. Dies wäre eine Hypothese, die man
erforschen könnte, erwiderte ich. Trotzdem wäre es von Vorteil, meinte
der Bankdirektor, wenn ich noch einmal einige persönliche Zeilen an
Hans-Adam richten würde. Was ich dann auch tat. Ich bedankte mich
bei ihm für die Hilfe und versprach ihm, alle Bedingungen zu erfüllen.
Ich drückte meine Hoffnung aus, dass ich mich bald dazu entschliessen
könnte, nach Hause zu kommen und das mir bei Ankunft nichts
passieren würde. Sobald ich diesen Brief fertig hatte, zauberte der
Bankdirektor wieder eine Vollmacht hervor. Diese hatte einen Briefkopf
einer Rechtsanwaltskanzlei. Man hätte einen sehr guten Rechtsanwalt,
Dr. Wolfgang Müller von der Kanzlei Müller & Partner in Schaan/FL
angeheuert. Diese Kanzlei hatte Internationale Verbindungen auch nach
Spanien und Deutschland, dort wo ja einige der Täter aus Argentinien
wohnen würden, wurde mir weiters erklärt.
Den kenne ich, sagte ich. Der ist gut und vertritt ja prominent den
Treuhänder Dr. Dr. Batliner im Prozess bei die Schadensersatzforderungen von Dr. Paul Schockemöhle aus Deutschland. Ohne mich
zu fragen, ob ich mit diesem RA einverstanden wäre, sagte der
Bankdirektor, dass dies nun mein RA wäre. Sie bezahlen ja die
Rechnung. Mir war dieses Angebot etwas schwammig. Nicht, dass ich
die Kanzlei Müller für nicht gut genug gehalten hätte. Lieber hätte ich
die Rechnung selber bezahlt, auch wenn mir das Geld dafür sicher schon
sehr schnell ausgegangen wäre. Aber ich hätte mich sicher auf einen
Abzahlungsplan mit einem RA geeinigt. Wenn ich selber bezahlen
könnte, dann hätte ich den optimalen Einfluss auf einen RA. Dieser
Punkt war besonderes wichtig, da ich dann zumindest eine stärkere
Mitsprache im Argentinien-Fall haben würde. Schlussendlich
unterschrieb ich trotzdem die Vollmacht und fragte nach der anderen,
378
die ich früher unterschrieben hatte. Die wolle man für später
aufbewahren, doppelt hält besser, war die Antwort vom Bankdirektor.
Ich fragte, wer alles wüsste, dass ich in Holland sei und wer in
Liechtenstein auch von meiner baldigen Heimreise Kenntnis hatte. Nur
ganze fünf Personen, sagte der Bankdirektor. Zwei davon wären jetzt im
Raum. Die anderen wären Hans-Adam und Alois, Regierungschef
Hasler und Justizministerin Rita Kieber-Beck. Man hätte dies so
vereinbart, um eine mögliche Sabotage der Operation „Rückführung von
Kieber‚ zu verhindern. Sabotage? Wer würde eine Sabotage wollen,
fragte ich. Er gäbe Leute in Vaduz, die es lieber hätten, wenn ich in
Spanien anstatt in Liechtenstein landen würde. Ich schluckte leer und
blieb still sitzen. Die Anzahl derer hätte sich aber in der letzten Woche
verkleinert, angesichts was Lampert gemacht hätte. Dies bedeutet, dass
es Personen aus dem kleinen Kreis derjenigen sein mussten, die von dem
LGT- und dem LLB-Fall wussten. Genau, sagten beide. Sobald fest stehen
würde, wann ich konkret heimreisen wollte, würden Hans-Adam oder
Alois schon sicherstellen, dass niemand auf die Idee kommen würde,
effektiv dazwischenzufunken. Dann bin ich aber beruhigt, sagte ich.
Um auf Lampert zurückzukommen fragte ich ob der Professor denn
denke, dass man mich in Vaduz überhaupt zum Lampert ins Gefängnis
gehen lasse. Wenn er es empfehle und Hans-Adam es anordne, dann
würde dem nichts im Wege stehen. Einen Versuch würde er auf jeden
Fall befürworten und anregen, sagte er.
Ich wollte auch wissen, wie die sich eine Reise von Holland nach Vaduz
vorstellen würden. Der Professor wollte sich, ich weiss nicht warum, aus
dieser Diskussion heraushalten und verliess den Raum. Er sagte, dass er
Sandwich für uns kaufen ginge. Dies sei eine heikle Sache, erwiderte der
Bankdirektor. Natürlich hätte man verschiedene Optionen geprüft. Eine
von Hans-Adam favorisierte Lösung wäre ein Flug von einem kleinen
Flughafen in Holland nach Zürich oder Altenrhein (auch in der
Schweiz). Man könnte dafür eine im EU-Raum registrierte Maschine
buchen.
Ich weiss nicht, sagte ich. Eine andere Variante wäre mit einem
Privatauto in die Nähe der französisch-schweizerischen Grenze zu
fahren, dort den Wagen zu wechseln und bei einem der unbemannten
Grenzübergänge mit einem Fahrzeug mit Schweizer Nummernschild in
379
die Schweiz zu fahren. Gefällt mir nicht, lehnte ich ab. Ich würde es
Hans-Adam und der Liechtensteiner Regierung aber auch nicht leicht
machen, beklagte sich der Bankdirektor. Sorry, sagte ich, mir wäre es
auch lieber, wenn es keine Probleme für alle geben würde.
Am kommenden Freitag würde er sich mit dem Hans-Adam treffen. Wir
hätten ja noch Zeit, um eine definitive Lösung zu erarbeiten. Zudem
würde ich nicht als „H.K.‚ reisen, sagte er. Das wäre ja klar, beruhigte
mich der Bankdirektor. Der Professor kam zurück. Sie müssten bald zum
Flughafen aufbrechen und wir vereinbarten die weiteren Termine. Ich
begann, mich mit dem Gedanken anzufreunden, bald wieder in Vaduz
zu sein.
Sie verabschiedeten sich und ich wünschte ihnen eine gute Heimreise.
"Halt die Ohren steif, achte auf Lieferwagen und Tschau Herr Kieber".
Auf baldiges Wiedersehen, Herr Professor und Herr Bankdirektor.
In den kommenden Tagen hatte ich 3 Anrufe vom Bankdirektor und 2 x
war der Professor mit an der Strippe. Die Telefonate fanden am 15. um
13:30, am 21. um 13:05 und 17:30 und am 26. um 13 Uhr statt.
Ich wurde darüber informiert, dass es am 16.5. ein längeres Treffen mit
Hans-Adam gegeben hatte und eine Arbeitssitzung zwischen dem
Bankdirektor und dem Professor am 20.5. In der Folge wurde der
Regierungschef Hasler in der 3. und 4. Maiwoche persönlich konsultiert
und unterrichtet.
VADUZ Mai 2003
Alle Beteiligten bewerteten des Professors Reise als Erfolg. Der Professor
konnte nicht definitive sagen, wann Kieber zurück nach Vaduz kommen
würde. Aber er versicherte Hans-Adam, dass Kieber kommen würde.
Die restlichen ca. rund 1000 Originaldokumente wurden dem Chef der
Treuhand, Feuerstein übergeben. Dieser bat zwei eingeweihte Mitglieder
aus dem Verwaltungsrat der Treuhand ihm behilflich zu sein, sie in die
jeweiligen Akten im begehbaren Tresor im dritten Stock einzuordnen.
Man konnte keinen Kundenberater oder gar eine Sachbearbeiterin damit
beauftragen, da sonst in der Belegschaft bekannt geworden wäre, dass
380
irgendetwas faul war oder dass Daten entwendet worden waren. Bis
anhin wusste niemand von der Belegschaft darüber.
Lampert bekam einen Anfall im Untersuchungsgefängnis in Vaduz und
musste ärztlich betreut werden. Er hatte nicht aufgehört zu toben und zu
schreien. Die LLB und die Regierung waren beruhigt, weil nach der
Verhaftung von Lampert am 8. Mai keine Zeichen von irgendwelchen
Katastrophen in Deutschland erkennbar waren. Weder riefen Kunden
aus Russland noch Kunden aus Deutschland an. Auch meldete sich
niemand sonst bei der LLB direkt. Also keine Komplizen, schlussfolgerte
man. Der kleine Kreis, der sich mit der Planung der Rückkehr von
Kieber befasste, steckte in einer Sackgasse. Am 16.5. trafen sich der
Bankdirektor und Hans-Adam zu einer Krisensitzung. Der Gesandte
berichtete, dass Kieber nicht einfach einzuschätzen wäre. Kieber hätte
ständige Wechselbäder in Bezug auf was er denen in Vaduz glauben soll
oder nicht. Hans-Adam ordnete an, dass verstärkt auf Kieber einzureden
wäre, aber ohne ihm zu drohen, da sonst er wieder in ein
psychologisches Loch fallen würde und die in Vaduz noch an
Weihnachten ins ferne Holland reisen müssten.
Hans-Adam wollte wissen, ob Kieber etwas von grobschlächtigen
Taktiken, die man am Anfang des Dramas angewendet hatte, wüsste.
Der Bankdirektor war sich sicher, dass Kieber nur limitiert über die
geplanten, teilweise ausgeführten, mehrheitlich abgeblasenen
Handlungen und Hintergründe, wie z.B. über die Schnüffler in Berlin,
Bescheid wüsste. Am 20.5. kamen der Professor und der Bankdirektor zu
einem Brainstorming zusammen.
Amsterdam Juni 2003
Während einer Velotour machte ich mir Gedanken über die Zukunft.
Wie würde wohl mein Leben nach einer Rückkehr nach Liechtenstein
sein? Da der Gerichtsprozess gegen Roegele & Co. sicherlich lange
dauern würde, würde ich mich auf Jahre hinaus in Liechtenstein
einrichten, hoffentlich einen guten Job finden, und – wer weiss –
vielleicht auch bald eine eigene Familie haben. Da ich äusserst
anpassungsfähig bin, hätte ich keine Mühe damit, nach der Rückkehr
erstmal klein anzufangen. Eines stand aber schon jetzt für mich fest.
Sollte ich das greifbare Glück haben und alles ohne „Blutvergiessen‚
381
und ohne die Rache von Hans-Adam oder der hohen Finanz-Herren
überstehen, dann müsste ich für alle in Stein meisseln:
„Wirklich Schwein gehabt.‚
Ich wüsste nicht, wieso es nicht so kommen sollte. Wenn ich nach Hause
komme, dann würde dies bedeuten, dass niemand zu Schaden
gekommen war. Das heisst, nach Liechtensteiner Redensart: Kein Kunde
ist belästigt worden, keine Kundengelder sind verloren gegangen,
keinen Einnahmeverlust für Hans-Adam.
Was übrig bleiben würde, wäre eine Geschichte einer BeinaheKatastrophe, mit einem beleidigtem, aber verzeihendem Landesführer,
ein paar gekränkten Staatsanwälten, einem verstummten Treuhandchef,
einem beruhigten Bankdirektor, einem wieder heiteren Regierungschef,
einem erfolgreichen Professor, meine Folterer für Jahre hinter Gittern
und zu guter Letzt, ein wieder lebensfroher Kieber.
Na, dann wollen wir mal sehen.
Ich hielt mich fit indem ich fast jeden Tag ins Freibad, dass auf der
Velostrecke nach Amsterdam war, schwimmen ging. Ab und zu setzte
ich mich in eines der Hotels der Stadt und beobachtete Tee schlürfend
was sich vor mir abspielte. Selber schuld, als mir Mitte Juni ein Stück
Kuchen fast im Hals stecken blieb. Ich sass im La Terrasse des Hotels De
L’Europe beim Muntplein und las eine ältere Ausgabe des
Nachrichtenmagazins Der SPIEGEL. Auf einmal wanderte meine
Konzentration, vorab unbewusst zu einer Konversation zwischen zwei
Herren, die ein paar Meter weg von mir sassen und mit tiefer Stimme
aufeinander einredeten. Aha, Schweizer dachte ich zuerst. Oho,
Rheintaler Dialekt stellte ich dann fest. Mist, Liechtensteiner Mundart,
fluchte ich leise. Ich spitzte meine Ohren, einer der Zwei war definitiv
aus Liechtenstein. Ich drehte mich um und schaute nach ihnen.
Himmel Donnerwetter noch mal, das sass ein Treuhänder von der LLB
eigenen Treuhandbude. Ich erkannte ihn. Ich hatte ihn schon mehrmals
in Vaduz gesehen und mit ihm übers Geschäft im Allgemeinen
geplaudert. Vermutlich war der Andere ein Kunde. Oft wurden solche
Treffen im Ausland abgehalten, wenn der Kunde sich scheute nach
Liechtenstein zu kommen. Wie hiess er noch mal, strengte ich mein Hirn
an. Egal wie er heisst, dachte ich mir, gefährlicher ist, dass er wissen
könnte, wer ich bin. Langsam packte ich den Spiegel in meine Tasche
und entfernte mich wie ein geschlagener Hund in Richtung Concierge,
wo ich darauf bestehen musste, dass ich dort meine Konsumation
382
bezahlen konnte. Noch mal gut gegangen. Ich war mir zwar sicher, dass
er nichts von meinem Drama wusste, aber besser war es auf jeden Fall,
wenn er mich nicht sehen würde.
Das letzte Telefongespräch am 26. Mai brachte den erhofften
Durchbruch leider noch nicht. Jedes Mal wenn sie wieder weg waren,
der Professor und der Bankdirektor, bekam ich wieder Zweifel, ob alles
so geschehen würde, wie man mir es gesagt hätte. Über den Monat Juni
verteilt hatte ich mehrmaligen telefonischen Kontakt mit dem
Bankdirektor, dem Professor oder beiden zusammen. So 25’(Minuten)
am 2. Juni um 13:30, 4’ am 4. um 12:30, 13’ am 10. um 12:20, 10’ am 18.
um 13:38 und die letzten 22’ am 26. um 13:30.
Es gab immer noch einige Meinungsverschiedenheiten, aber im Grossen
und Ganzen wurde man sich einig, dass ich am 01. Juli 2003 die
Heimreise unter Begleitung antreten würde. Genau 175 Tage nachdem
ich Liechtenstein verlassen hatte. Fast ein halbes Jahr lang war ich im
Ausland. Wer hätte das gedacht.
Da nun feststand, dass ich wieder nach Hause reisen würde, entschloss
ich mich auch die in meinen eigenen Laptop eingebaute Harddisk und
den Arbeitsspeicher (RAM) ganz zu entfernen und endgültig zu
zerstören. Ich hatte zwar nie Daten von der LGT in meinem Laptop
direkt gespeichert gehabt. Vor der Entnahme kopierte ich ein paar
persönlich Dateien auf eine CD-ROM und zerstörte die ausgebauten
Teile. In einem Computerladen kaufte ich eine neue Harddisk plus RAM
und ein Fachmann baute sie ein.
Anm.: Hier endet die im Kapitel 8 angefangene Aufteilung in der Erzählung
zwischen mir im Ausland und den Anderen in Liechtenstein, sowie der Ersten
& Dritten Person. In den folgenden Kapiteln, nicht weniger spannend, schreibe
ich wieder im alten Stil.
383
KAPITEL 17 Explosives Gutachten und Freies Geleit
Die in Vaduz Eingeweihten brüteten lange über einer Lösung nach, wie
man mich sicher nach Liechtenstein zurückbringen könnte.
Dabei ging es überhaupt nicht um die Frage, ob ich den Zusicherungen
von Seiten Liechtenstein glauben würde. Alle, der Professor, der
Bankdirektor und Hans-Adam, hatten mir ja mehrmals zugesichert, dass
ich nicht im Kerker verschwinden würde, sobald ich heimischen Boden
betreten würde. Ich glaubte ihnen zu 75 Prozent. Da ich die Reise mit
dem Flugzeug kategorisch ausgeschlossen hatte – wer weiss, vielleicht
wäre der Pilot auch in Barcelona gelandet - blieb nur der Weg über Land.
Wobei ich auf die schnellste und kürzeste Strecke pochte ohne Begleitung
einer offiziellen Liechtensteiner Aufsicht. Auf keinen Fall wollte ich die
Reise mit einer unbekannten Person durchführen. Tief in mir war immer
die Angst da, dass es eine Falle sein könnte. Man darf in dieser ganzen
Geschichte nie vergessen, dass es hier um ein Milliardengeschäft geht. Es
waren gewaltige Interessen damit verbunden. Menschen sind schon
wegen viel „weniger‚ spurlos verschwunden. Da ich mich aber
freiwillige zur Rückkehr entschlossen hatte, musste ich diese Ängste
irgendwie unterdrücken.
Jetzt ging es um Juristische und Rechtsstaatliche Fragen!
Das Problem für Liechtenstein war, wie dies alles geschehen sollte, ohne
dass es politische oder juristische Komplikationen mit Deutschland (und
im gerigeren Masse mit Holland) geben würde, wenn das offizielle
Liechtenstein mich von Amsterdam aus quer durch Deutschland zum
Bodensee nach Österreich transportieren würde. Würden wir in eine
(mobile) Zoll- oder Strassenkontrolle kommen, und ich mich als „H.K.‚
ausweisen, würde Deutschland aufgrund des Eintrags im
Schengencomputersystem den spanischen Haftbefehl entdecken und
eine Weiterreise fuer mich unmöglich machen.
Die grösste Sorge für Hans-Adam, die Regierung und die LGT war
natürlich die Gefahr, dass ich mich dann den Deutschen „datenmässig
offenbaren‚ würde. Da sind darauf hoffen konnten, dass ich alle Daten
und Kopien vor einer Abreise vernichten wuerde, war ihnen bewusst,
dass es einen endgültigen Beweis dafür nie geben würde und zudem
meine insider Geschäftskenntnisse auch ohne das Datenmaterial
gefährlich werden könnten.
384
Regierungschef Hasler und Hans-Adam wollten von diskreten Experten
in einer Art Gutachten mehr zum Problem „Transport H.K. von Holland
nach Liechtenstein via Deutschland und Österreich‚ erfahren. Anfang
Juni 2003 wurde es in Auftrag gegeben. In einer Sitzung vom 10.6.03
wurde die Expertenmeinung behandelt. Aufgrund der Brisanz der
Schlussfolgerungen wurde es sofort als Geheimsache abgestempelt und
unter Verschluss gehalten.
Darin wurde zuerst daran erinnert, dass sollte ich nicht nach Hause
kommen, dann würde schlussendlich Deutschland bestimmt die Daten
von mir erhalten und dies wäre ein Desaster für Liechtenstein, HansAdam und die LGT.
Anm.: Zum Zeitpunkt des Gutachtens hatte Vaduz ja noch nicht von mir
"mitgeteilt bekommen", dass ich alle Datenträger "vernichtet" haette.
Weiters wurde festgehalten, dass ohne die Verletzung von national und
internationalen Vereinbarungen und Bestimmungen es unmöglich sein
würde, mich von Holland via Deutschland und Österreich nach
Liechtenstein zu bringen, ohne das Land Liechtenstein in Gefahr zu
bringen und mich als Person samt meinem spezifischem Fachwissen zu
exponieren. Liechtenstein könne ja Deutschland nicht um Hilfe für den
Transport bitten. Das offizielle Deutschland (sowie Österreich &
Holland) müsse um jeden Preis raus gehalten werden. Es wurde der
Regierung empfohlen, nur nach Lösungen zu suchen, die eine 100 %
Gefahrlosigkeit fuer Hans-Adam, Liechtenstein und dessen Regierung
gewährleisten würden. Wie immer wussten sich Hans-Adam und die
Hohen Finanzherren aus Liechtenstein zu helfen.
Anm.: Das ich über die Existenz dieses Gutachten weiss liegt wie folgt:
Einige Wochen nach meiner Rückkehr nach Liechtenstein im Juli 2003, war mir
beim Aktenstudium ein kleiner schriftlicher Aktenvermerk aufgefallen: eine
kleine Randnotiz über das oben erwähnten Gutachten. Am 13.08.03 bat ich bei
Landgericht schriftlich um eine Kopie dieses Gutachtens. Nichts regte sich.
Sechs Wochen später, am 23.09. 03 schrieb ich nochmals an das Gericht.
Erstaunlicherweise erhielt ich nicht vom Gericht eine Reaktion. Eine Dame aus
der Regierungskanzlei rief mich an und teilte mir mit, dass es leider keine Kopie
für mich gäbe. Ich erwiderte, dass ich aber gerne eine hätte. Eine Woche später
kam wieder ein Anruf und es wurde behauptet, dass das Gutachten aus dem
Archiv verschwunden sei. Es müsse doch eine Kopie davon irgendwo an einer
385
anderen Stelle geben, sagte ich. Elf Tage später wurde mir dann ausgerichtet,
dass es nie ein Gutachten gegeben hätte.
Damit sei das Thema beendet, wurde mir erklärt. Ich wollte nicht locker lassen
und schrieb am 13.10.03 abermals ans Gericht mit der Bitte, mir eine Kopie des
Gutachtens zuzusenden. Es kam nie eine Antwort. Ich hatte aber Glück.
Einen knappen Monat später, im November '03 erhielt ich dank eines
Bekannten aus dem Staatsapparat die Möglichkeit eine Originalkopie des
Gutachtens zu lesen. Der Name des Verfassers war dunkelblau übermalt
worden. Jetzt begriff ich, warum ich keine Kopie des Gutachtens erhalten hatte.
Zurück zum Juni 2003
In der Zwischenzeit hatte sich „mein‚ neuer Rechtsanwalt, Dr. Wolfgang
Müller, gemäss Auskunft vom Bankdirektor, in die Materie eingelesen.
Mit der Vollmacht von mir hatte er zumindest alle Gerichtsakten
einsehen können. Er konnte nicht mit mir kommunizieren, denn er
wusste nicht wo ich war. Ihm wurde gesagt, dass ich bald nach Hause
kommen würde. Wann und wie, darüber durfte er keine Fragen stellen.
Auch sonst wurde er vorläufig eher im Dunkeln darüber gelassen, was
man mit mir vorhatte. Obwohl er von meinen, sozusagen nun alten (wie
ich dachte) Gegnern bezahlt wurde. Man würde ihn nach meiner
Ankunft kontaktieren und "aufklären".
Als schlauer Rechtsanwalt bemerkte er rasch, dass hier ein Problem für
seinen Mandanten entstehen könnte. Da mein Einspruch gegen die
Anklage im 140er am 10.3.03 vom Gericht abgewiesen wurde (was mir
niemand im Ausland sagte) und da eine mögliche Anklage wegen des
Datendiebstahls drohte (was mir auch niemand im Ausland sagte!),
befürchtete er, dass ich nach meiner Ankunft eventuell in U-Haft
genommen werden könnte. Dies war umso wahrscheinlicher, da ich ja
seit bald einem halben Jahr unterwegs im Ausland war.
Er wusste nichts von den Zusicherungen seitens Hans-Adams. Als Profi
stellte er in meinem Namen einen Antrag auf freies Geleit. Freies Geleit
ist ein Instrument der Strafprozessordung, das Beschuldigten von Seiten
der Justiz bestätigt, dass diese nicht verhaftet werden, sondern bis zum
Ende eines allfälligen Prozesses auf freiem Fuss bleiben können.
386
Der Antrag wurde am 04.06.03 gestellt und vom Obergericht in Vaduz
formell in einer nicht-öffentlichen Sitzung am 16.06.03 genehmigt. Gültig
nur in Liechtenstein. Das Gericht kam zum Schluss, dass ich sicher nicht
nach Hause kommen würde, wenn kein freies Geleit gewährt würde.
Eine brillante Schlussfolgerung! Eine Aufhebung des Liechtensteiner
Haftbefehls alleine genüge gewiss nicht, wurde bei Gericht erkannt.
Die am Entscheid beteiligen Behörden wussten aber nicht, dass ich in
Holland war. Sie mussten es nicht wissen. Sie wussten nur, dass ich
irgendwo im Ausland war. Die STA, die wie immer auch ihren Senf
dazu sagen konnte, hatte (wen wundert’s) keine Einwände gegen ein
freies Geleit. Obwohl die STA es lieber gesehen hätte, wenn ich in
Spanien gelandet wäre.
Ich erfuhr vom Freien Geleit erst nach meiner Rückkehr nach
Liechtenstein. Wobei mir der Sinn und Zweck dieser Übung (Freies
Geleit) nie ganz durchsichtig erschien.
Notabene war im Obergerichtsentscheid zum Freien Geleit protokolliert,
dass es eine verbindliche Zusage der LGT gebe, dass sie auf eine
Bestrafung von mir verzichten würden, wenn ich nach Hause kommen
sollte.
387
KAPITEL 18 Ach wie gut, dass niemand weiss...
...dass ich Kieber Heinrich heiss.
In den sieben Telefonaten im Monat Juni zwischen mir und dem
Bankdirektor und/oder dem Professor wurde mir erklärt, dass man in
Vaduz eine Lösung für eine reibungslose Reise zurück nach
Liechtenstein gefunden hätte. Ich bestand auf eine schriftliche Garantie
von Hans-Adam, bei Ankunft nicht doch noch ins Gefängnis geworfen
zu werden.
Auch dafür hätte man gesorgt. Ich würde vor Abreise eine
handschriftliche Note von Hans-Adam erhalten, auf seinem Briefpapier
mit Stempel und so. Darin würde er mir als Staatsoberhaupt garantieren,
dass ich weder Haft noch sonstige psychische oder physische Nachteile
zu erleiden hätte. Ich war mit dem Text zufrieden, wies aber darauf hin,
dass ich die Unterschrift von Hans-Adam kennen würde und daher man
nicht versuchen sollte, mir eine Fälschung unter die Nase zu reiben.
Nach einigen Feinabstimmungen wurde mir vom Bankdirektor die
gefundene Transportlösung mitgeteilt.
Ich solle meine sieben Sachen packen und am 30. Juni, spätestens um 18
Uhr zum Hotel Marriott, genauer in das Terrace Café kommen. Der
Professor würde dort auf mich warten. Er würde im Hotel zwei Zimmer
mieten. Eines für ihn und eines für mich. Am nächsten Tag, dem 01. Juli
2003 würden er und ich zusammen in einem Mietwagen mit
holländischem Kennzeichen frühmorgens Amsterdam verlassen und auf
direktem Weg die ca. 880 Kilometer bis zur Grenze ÖsterreichLiechtenstein fahren.
Auf meine Frage hin, was ist, wenn wir irgendwo kontrolliert werden,
sagte er mir, dass ich mir keine Sorgen darum machen sollte. Ich
protestierte und sagte, wenn ich nicht genau wüsste, wie alles abläuft,
steige ich in keinen Wagen ein. Er begriff, dass ich unter keinen
Umständen mich auf ein vernebeltes Abenteuer in Sachen Heimreise
einlassen werde. Mit dem Hinweis, dass Hans-Adam ihm eigentlich
strengstens aufgetragen hatte, mir nicht allzu viele Details der Lösung zu
verraten, lies ich mich beruhigen, als er mir den Plan erklärte.
Ich müsste alle meine Ausweise (Pass, ID-Karte, Führerschein), einfach
alles, wo Heinrich Kieber drauf steht, vor der Abreise in ein weisses
Kuvert einpacken, zukleben und ihnen vor der Abfahrt aushändigen.
388
Sollten der Professor und ich in eine Kontrolle in Holland, Deutschland
oder Österreich geraten, dann würde man „H.K.‚ nicht entdecken.
Bevor er den logischen zweiten Teil des Plans weiter erklären konnte,
konterte ich schon der Frage, als wer ich mich denn bei einer möglichen
Kontrolle ausgeben sollte. Und was würde mit meinen Papieren
geschehen, wenn diese zwar nicht bei mir aber mit uns im Mietwagen
gefunden wurden? Ihr würdet nicht alleine sein, sagte der Bankdirektor.
Ein Zweitwagen mit zwei Passagieren würde unserem Auto ab dem
Hotel in Amsterdam folgen. Meine Papiere würden versiegelt und sicher
in einem Diplomatenkoffer verstaut transportiert. Eine eventuelle
Polizei- oder Zollkontrolle des Koffers sei nicht möglich. Er könne mir
aber nicht sagen, wer die Personen im anderen Wagen seien. Klar sei
aber, dass es (diplomatisch) befugte Personen seien.
Ich fragte, ob es Diplomaten aus dem Liechtensteiner Corps seinen. Er
sagte, er glaube dies nicht. So wie er es mitbekommen habe, seien es
Personen aus jenem Kreis, die seit Jahren von Hans-Adam mit
Liechtensteiner Diplomaten-Pässen ausgestattet werden. Geplant sei,
dass der Professor die Anderen einmal kurz vorher in Zürich oder
Vaduz treffen würde, damit er sie dann in Amsterdam wieder erkennen
könnte. Nun gut, soweit schien mir die Lösung als OK.
Der Bankdirektor wusste schon, was jetzt meine nächste Frage sein
würde und sagte, dass ich mir keine Sorgen um meine "Identität‚
während der Transitfahrt machen müsste. Der Liechtensteiner Pass, den
der Fahrer von Hans-Adam mir am 14.01.03 in Berlin vor der LGT
Niederlassung durch das Wagenfenster gezeigt hatte, sei der geniale
Schlüssel. Hans-Adam und die Regierung in Vaduz haben aber darauf
bestanden, dass mir der Pass mit Namen „Ulrich Meier‚ nicht persönlich
für die Rückreise ausgehändigt werden dürfe. Um mich zu beruhigen,
soll mir der Pass aber vor Abfahrt gezeigt werden. Sonst würde ich es
wieder nicht glauben. Der Pass soll jedoch in den Händen der Insassen
des Zweitwagens, der uns immer mit Abstand und in Sichtweite
nachfahren würde, bleiben. Sollten der Professor und ich durch
ausländische Beamte aufgehalten werden, dann würde unsere Schatten
dies sofort mitbekommen und hinter uns aufschliessen. Ich solle dann
sagen, dass ich meinen Pass im anderen Wagen hinter uns eingepackt
hätte. Dann könnte ich ihn holen und zeigen. Eine clevere Lösung, sagte
ich. Und wir beide erkannten, wie schon oft in den letzten Wochen, wie
viel Wahrheit im Spruch „Geld regiert die Welt‚ liegt.
389
Wenn es um die heiligste Kuh aller Kühe in Liechtenstein geht, dann
sind Hans-Adam und seine Regierung sofort bereit, ihre eigene sowie
internationale Gesetzte zu brechen. Was nicht verwunderlich ist, wenn
man sich jetzt - im Rückblick - die gefundene Lösung für den LLB-Fall
anschaut. Dort hat die LLB über Jahre hinweg Erpressern ca. 9 Mio. Euro
ausbezahlt, Mittels- und Strohmänner angeheuert, Spitzel auf die
Erpresser angesetzt und so weiter. Da die Mehrheitsaktionärin der LLB
das Land Liechtenstein ist und diese Beteiligung durch die Regierung (!)
kontrolliert wird, konnte dies alles NICHT ohne die Zustimmung von
Hasler und Hans-Adam geschehen. Selbstverständlich kam mir die von
Liechtenstein orchestrierte Lösung für meinen sicheren Transport von
Holland via Deutschland nach Hause auch ganz gelegen. Wobei ich
nochmals betonen möchte, dass ich freiwillig nach Hause zurückkehren
wollte. Nach monatelangen Diskussionen mit den Gesandten von HansAdam war es allen Beteiligten klar, dass ich unter Zwang niemals
heimkehren würde.
Trotz aller Ehrenworte seitens des Professors und des Bankdirektors war
ich mir nicht ganz sicher, ob es nicht dennoch eine Kurzschlusshandlung
auf deren Seite geben würde. Ich machte mir eine Liste der Pro und
Contra. Ich hatte dem Duo Professor und Bankdirektor versprechen
müssen, dass ich die letzte externe Harddisk mit den Daten vor der
Abreise vernichten würde. Nach reiflicher Überlegungen kam ich zum
Schluss, dass es Liechtenstein nicht riskieren würde, mich auf dem
Heimweg in Deutschland zu „verkaufen‚. Ich wusste zu viel und das
war meine Versicherung. Zudem waren fast sechs Monate vergangen,
seit ich Liechtenstein verlassen hatte. Lange Monate in denen alle Seiten
sich beruhigen konnten und die Sache mit der nötigen Distanz
betrachten konnten. Ich vernichtete den letzten Datenspeicher im Juni
auf dieselbe Art wie sein Zwillingsbruder. Hart hämmernd, aber
schmerzlos.
Die Idee, die Nacht zum 1.7. im selben Hotel wie der Professor zu
verbringen, gefiel mir nicht so gut. Es wäre das erste Mal, dass sie
wissen würden, wo ich übernachtete. Ich wollte aber den steigenden
Enthusiasmus vom Professor nicht unnötig eindämmen und sagte dem
Treffen im Terrace Café zu. Meine gepackten sieben Sachen liess ich aber
bei Jane in ihrem B&B in Monnikendam. Ich hatte ja bis Ende Juni 2003
das Zimmer dort bezahlt und konnte ohne weiteres eine extra Nacht
bleiben.
390
Am 30.06. fuhr ich frühmorgens mit dem Linienbus Richtung
Amsterdam City und war schon um 09.30 Uhr beim Marriott. Ich war
den ganzen Tag sehr nervös und bereute es, schon so früh in der City zu
sein. Ich verliess das Hotel wieder und schlenderte das letzte Mal in der
schönen Stadt herum. Plötzlich stand ich vor einem alten Barbiershop.
Ich ging hinein und liess mir den kürzesten Haarschnitt den es gibt
machen. Ich nannte ihn den Prison-Cut, den Gefängnisschnitt. Nach
einem letzten feinen Essen in meinem Lieblingslokal lief ich zurück ins
Hotel und wartete auf den Professor.
Er erschien erst nach 18.00 Uhr. Wir waren beide sehr aufgeregt und
gleichzeitig froh, dass es bald zu Ende war. Er gab mir meinen
Zimmerschlüssel. Sein Zimmer sei in einem anderen Stockwerk. Er lud
mich zu einem späten Abendessen ein, wie immer von Hans-Adam
spendiert. Er übergab mir ein zugeklebtes Kuvert. Ich erkannte sofort,
dass es vom Schloss Vaduz war, da es auf der Rückseite die Krone
aufgedruckt hatte. Ich sagte, dass ich es erst später öffnen würde und
steckte es behutsam ein.
Wir gingen nochmals die wichtigsten Punkte durch. Er bestätigte mir,
dass die vom anderen Wagen auch schon in Amsterdam seien und er sie
schon getroffen hätte. Ich sagte, dass ich noch die letzte Nacht alleine in
der Stadt verbringen möchte und wenn er nichts mehr von mir auf
seinem Handy hören würde, ich um 07.00 Uhr am nächsten Morgen in
der Hotellobby auf ihn warten würde. Ich bestellte noch eine Cola, mit
dem Hintergedanken, länger als er im Café bleiben zu können. Endlich
war er so müde, dass er sich verabschiedete. Ich versicherte mich, dass
er, wie angekündigt, den Lift hoch zu den Zimmern nahm. Er war ausser
Sichtweite.
Ich rannte hoch in mein Zimmer. Ich riss die Bettdecke hoch, schmiss ein
paar Handtücher im Badezimmer auf den Boden, benutzte die Seife,
öffnete eine Packung Chips und goss Wasser in ein Glas ein. Meine
Absicht war ganz und gar nicht, hier zu übernachten. Ich konnte die zu
Recht vorhandenen Ängste (siehe ihre Aktivitäten in Berlin!), dass sie
mich evt. mit Gewalt irgendwo hinschleppen würden, einfach nicht aus
meinem Kopf löschen. Auch darum nicht, weil dies die erste und letzte
Möglichkeit wäre, mich ohne Zeugen zu erwischen.
Ich war mir ganz sicher, dass sie einen Zweitschlüssel für mein Zimmer
hatten, da sie ja die Zimmer reserviert und bezahlt hatten. Bis anhin
hatte ich bei fast allen Treffen beharrlich darauf geachtet, dass sie in der
Öffentlichkeit stattfanden.
391
D.h. von anderen Menschen umgeben zu sein, oder zumindest eine
geprüfte Fluchtmöglichkeit zu kennen. Ich machte mich auf den Weg
zurück nach Monnikendam. Erst dort öffnete ich den Umschlag.
Darin befand sich die postkartengrosse Notiz, mit aufgedruckter
Adelskrone und aus weissem Büttenpapier vermutlich. Auf jeden Fall
super teure Papierqualität. Unter dem Logo vom Schloss Vaduz war von
Hans-Adam handschriftlich genau das vermerkt, was man mir
angekündigt hatte. Unten stand noch zusätzlich: Angenehme Reise.
Daneben die schnelle Unterschriftsvariante von ihm.
Nach viereinhalb Monaten als Gast verabschiedete ich mich von meinen
Gastgebern am Abend, weil ich am nächsten Morgen schon um 5 Uhr in
der Früh von einem Taxi abgeholt werden würde. Jane und ihr Mann
bedankten sich sehr für meine Treue und wünschten mir alles Gute. Ich
schlief nicht so gut. Eigentlich gar nicht. Pünktlich um 05.00 Uhr hielt
das Taxi in der kleinen Strasse vor dem B&B und 25 Minuten später liess
es mich in einer Seitenstrasse in der Nähe des Hotels Marriott wieder
raus.
Es war ein wunderschöner Sommermorgen. Ich liess meine Koffer unten
an der Rezeption stehen und nahm den Lift hoch zum Zimmer. Dort, in
einem Anfall von „die letzten guten Tage sind vorüber‚, sammelte ich
den ganzen Inhalt des Kühlschranks (mit Ausnahme der alkoholischen
Getränke) inklusive allem Essbaren (Schokoriegel, Chips, Käsesnacks)
ein und packte es in eine Tasche. Noch schnell eine kalte Dusche und das
war’s. Amsterdam Ade.
Wieder unten, wartete ich in der Lobby auf den Professor. Er kam frisch
rasiert und parfümiert zur abgemachten Zeit runter und wir stopften
unser Gepäck in den praktisch brandneuen Mietwagen der Marke
Renault, Modell Twingo. Zurück an der Rezeption kam die übliche
Frage: Minibar? Verlegen fragte ich ihn, ob Hans-Adam was dagegen
hätte, dass ich praktisch alles ausser Alkohol aus der Minibar abgeräumt
hatte. Gleichzeitig zeigte ich ihm die gefüllte Plastiktasche. Der Professor
lachte und bezahlte beide Zimmer und die ca. 50 Euro für meine
Minibarsammlung.
Er sagte mir, dass er beauftragt worden sei, mich nun nach einem
weissen Kuvert zu fragen. Ich übergab es ihm. Ich fragte ihn, ob er wisse,
was da drin ist. Er verneinte es. Er wolle und müsse es nicht wissen. Er
bat mich in der Lobby zu warten und er verschwand mit meinem
Umschlag. Nach 20 Minuten kam er wieder. Ohne Kuvert. Er bat mich,
392
nach draussen zu kommen. Ich dachte mir nichts dabei. Er bat mich die
kurvige Einfahrt entlang zu laufen. Auf halben Weg dorthin stand ein
Mann, den ich noch nie vorher gesehen hatte. Als er mich mit Herr
Ulrich Meier begrüsste, fiel auch mir der Groschen runter. Er öffnete eine
blaue Dokumentenmappe, grösser als ein DIN A4-Format und zeigte mir
den Pass mit meinem Foto drin. Den allezeit beliebten Schutz-Pass, die
Schutz-ID. Ich bedankte mich und er nickte nur. Dann verstaute er den
Pass wieder in der Mappe und ging in Richtung Vorderseite des Hotels.
Der Herr Professor und der Herr Ulrich Meier stiegen in den Mietwagen
ein. Vorher musste ich noch mein Handy samt SIM-Karte abgeben. Ich
hatte keine Probleme damit, es war ja ihr Eigentum. Der Professor selber
hatte zwei eigene Handys bei sich, die abwechselnd während der ganzen
Fahrt mindestens alle 30 Minuten klingelten oder vibrierten. Wir hatten
eine Europastrassenkarte mit uns und der Weg sollte uns ungefähr via
Köln, Frankfurt, Karlsruhe und Stuttgart führen.
Nach einer Stunde Fahrt, rief Hans-Adam an und fragte, ob alles gemäss
Plan abgelaufen sei. Zu meiner Verblüffung, wollte Hans-Adam mit mir
reden. Er fragte mich, wie es mir gehe und dass ich mir keine Sorgen
wegen der Deutschen machen soll. Er fragte auch, ob ich ja nichts in
Holland vergessen hätte. Ich versicherte ihm, nein, nichts vergessen. Nur
noch alles in meinem Kopf! Er gab zurück: „Ja, das wissen wir alle.‚ Er
beteuerte nochmals, dass ich ihn sobald als möglich persönlich sehen
könne und auf mich ein schönes, kleines, neu möbliertes Zimmer in
Vaduz warten würde. Ich erwiderte, hoffentlich nicht in der
Aeulestrasse/Gewerbeweg (dort wo das Gefängnis ist). Er lachte und
rief< nein, nein, nein.
Die Fahrt war angenehm. Dank meines grossen Vorrats an Süssem aus
dem Hotelzimmer musste ich auch nicht hungern. Ganz offen schaute
ich ständig nach unserem Schatten. Der Professor hatte nichts dagegen.
Ich erblickte den richtigen Wagen schon als wir noch auf dem
Stadtgebiet Amsterdam fuhren. Es war ein dunkler BMW der 5er Reihe,
kein holländisches Kennzeichen. Das konnte ich sehen. Der Wagen blieb
immer vier bis fünf Autos hinter uns. Später konnte ich erkennen, dass
es ein österreichisches Kennzeichen hatte. Sofort rief ich zum Professor:
„Aha, es sind sicher Hans-Adams Verwandte aus Österreich, die mit den
Diplomatenpässen, gell?‚
393
Er sagte, er wisse es nicht und blickte nur stur nach vorne. Auf halber
Strecke entschieden wir zu tanken und kalte Getränke einzukaufen. Der
BMW hielt auch. Im Laden der Autobahnraststätte kauften wir uns
Essen und bezahlten das Benzin. Ich sah zwei Männer neben dem BMW
stehen, einer tankte den Wagen, der andere lief weg um mit dem Handy
zu telefonieren. Es war der Mann, der mir in Amsterdam den SchutzPass gezeigt hatte. Um nicht in einer Radarkontrolle gestoppt zu werden,
fuhren wir strikt nach Vorschrift.
Die Stunden vergingen und wir machten Witze übers Bücherschreiben.
Ich könne doch ein Buch schreiben, nachdem was ich alleine und wir
zusammen erlebt hatten, sagte der Professor. Und über Argentinien.
Natürlich könnte ich die Dinge nicht beim Namen nennen. Das ginge
nicht, sagte er. Dann würde man ja erkennen können, dass Liechtenstein
knapp einer Katastrophe entkommen war und dass Hans-Adam ganz
anders war, als die meisten Menschen dachten und dass die
Datensicherheit in Liechtenstein löchrig wie ein Schweizer Käse war. Wir
erfanden Pseudonamen für ein imaginäres Buch: aus STA Haun wurde
STA Schaum, aus Hans-Adam wurde Duke of Full-Pockets, aus LGT
wurde Banque de la Liberté, aus Liechtenstein wurde Monaco. Ich
erinnere mich noch ganz gut daran, dass ich dem Professor sagte, dass es
unmöglich sein würde, ein Buch zu schreiben, ohne die Dinge beim
richtigen Namen zu nennen.
Hätte man mir damals gesagt, dass ich über 5 Jahren später, in 2008/2009
wirklich dieses Buch mit der wahren Geschichte schreiben würde, ich
hätte alle für verrückt erklärt.
Während der Professor uns unaufhaltsam Liechtenstein näherten, spielte
sich in Vaduz anderes ab. Der Kreis der Informierten war ja sehr klein.
Polizei und Justiz wussten ja nicht, dass ich jetzt unterwegs war. Da
Hans-Adam telefonisch vom Professor über den Fortschritt der
Heimführung auf dem Laufenden gehalten wurde, ordnete er die
Vaduzer Polizei an, eine dringende Interpolmeldung nach Deutschland
(BKA, Wiesbaden) zu senden, in der man alle vorhergegangenen
Meldungen und Sachverhalte widerrufen sollte. Gemäss Aktennotiz
wurde dies (am 1.7.) dann um 15:58 erledigt.
Die deutsch-österreichische Grenze kam näher. Erstaunlicherweise
atmete ich nicht schwerer sondern leichter. Vielleicht weil ich mich
sichere fühlte. Österreich grenzt ja an Liechtenstein. Der Bodensee war
394
so schön an diesem Tag. Die Sonne hoch und stark, praktisch windstill.
Nur die Musik aus dem Radiosender störte etwas. Wir überquerten die
unsichtbare Grenze der zwei EU-Staaten und dann waren es nur noch
ein paar Minuten bis nach Feldkirch. Ich erinnerte mich, wie ich vor fünf
Monaten und 24 Tagen hier den Zug nach München genommen hatte.
Niemals hätte ich gedacht, dass ich unter diesen Umständen wieder
durch Feldkirch fahren würde. Ich behielt den BMW im Seitenspiegel
streng im Auge.
Auf der Höhe, wo es rechts ein Thai- oder Chinarestaurant gab, genau in
der Anhaltebucht der Stadtbusse, bevor es wieder den Hügel runter
geht, Richtung Grenzposten, hielt der BWM an und wurde im Spiegel
immer kleiner und kleiner. Wir waren nur noch ca. 1,5 Kilometer von
liechtensteinischem Boden entfernt. Da brauchte man den „Schutz‚ jener
aus dem BWM wohl nicht mehr, sagte ich.
Der Grenzübergang Schaanwald war schon in Sichtweite. Ich kramte die
handschriftliche Botschaft von Hans-Adam aus meiner Computertasche
und hielt sie fest, wie ein Kleinkind sein liebstes Spielzeug. Dies sollte
mich vor jedem Ärger schützen, dachte ich. An der Grenze, die von
Schweizer Zöllnern auf liechtensteinischem Boden kontrolliert und
bewacht wird, verlief alles sehr schnell. Man winkte uns wie Touristen
durch. Gleichzeitig stiessen wir beide einen erlösenden Seufzer aus.
Endlich am Ziel!
JETZT war ich wieder voll in den Händen und unter Gnaden von HansAdam. Etwas zu wild für den Professor schaute ich mit langem Hals
ständig nach vorne, nach hinten, rechts und links. Er beruhigte mich. Es
sei keine Falle. Er fahre mich nach Vaduz zu der gemieteten
Einzimmerwohnung. Sofort klingelte sein Handy wieder: Das Schloss
wusste schon, dass alles gut gegangen war.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, wieder in meiner Heimat zu sein.
Wie als wären die letzten sechs Monate gar nicht passiert, so ruhig war
alles. Fast jedes Haus an dem wir vorbeifuhren, jede Strasse die wir
benutzten, alle kannte ich sie auswendig. Es war ja mein Hinterhof.
Der Bankdirektor rief den Professor an. Man fragte mich, ob es OK wäre,
wenn wir zuerst zur LGT BANK in der Herrengasse fahren würden.
Kein Problem, sagte ich. Wir fuhren in die Tiefgarage, vorbei am Portier
und der Sicherheitskanzel und parkten den Wagen.
395
Zuerst musste ich mich mal richtig strecken. Der Bankdirektor kam aus
dem Personalausgang auf uns zu und begrüsste uns freundlich. Ob es
mir wieder daheim gefallen würde, fragte er. Ja, alles beim alten,
erwiderte ich. Zu meinem Erstaunen, hatte er den weissen Umschlag in
seinen Händen, mit meinen Ausweispapieren drin. Er gab ihn mir. Er
gab uns die Wohnungsschlüssel und nannte uns die Adresse:
Buchenweg 1, Vaduz.
Ich kannte den Weg und dirigierte den Professor dort hin. Er habe ein
Zimmer in Triesen, erwähnte er noch. Es war so gegen 17 Uhr als wir auf
dem Parkplatz vor dem Haus ankamen. Ich hatte ja nicht viel Gepäck
und nach zehn Minuten war ich schon eingezogen. Es war eine kleine
eineinhalb Zimmerwohnung. Es roch noch frisch gestrichen. Die Möbel
waren brandneu, ebenso Bettwäsche und Handtücher. Es gab einen
Esstisch mit vier Stühlen, ein Bett mit Nachtisch, ein Ledersofa mit
Glastischchen, einen Kleiderschrank und eine Stehlampe. Alles gediegen
und farblich abgestimmt. Die Einbauküche war relativ gross und das
Badezimmer auch. Es hatte einen kleinen Balkon, der direkt über dem
Hauseingang war. Links, weg vom Balkon konnte man auf die Wiese vor
der Wohnung meines Nachbarn laufen und runter zum Parkplatz.
Der Professor verabschiedete sich mit der Bemerkung, dass ich mich
erstmals einrichten und ein paar Tage erholen soll. Am Freitag, den 4.7.
hätte ich um 10 Uhr einen Termin beim RA Dr. Wolfgang Müller. Der
Bankdirektor und eventuell er selber würden auch dort sein. Zudem
solle ich mich auch auf ein Vier-Augen-Treffen mit Hans-Adam für
nächste Woche Mittwoch, den 9.7. vorbereiten. Wenn es mir genehm
wäre. Es wäre, erwiderte ich und bedankte mich bei ihm für alles was er
getan hatte. Er bat mich, ihm die persönliche Notiz von Hans-Adam
zurückzugeben. Jetzt wäre es ja klar, dass mir nichts passieren würde.
Dieser Meinung war ich auch. Ich wollte die Notiz aber als Andenken
behalten. Ging leider nicht.
Der grösste Teil am Erfolg dieser Etappe war dem Professor
zuzuschreiben. Der Rest dem Bankdirektor. Natürlich darüber
schwebend immer der Hans-Adam. Obwohl der Professor auf der
Lohnliste von ihm stand (nebenbei noch bis weit ins letzte Jahr, 2008
hinein), war sein Teil der Aufgabe der schwierigste. Nämlich mich zu
überzeugen und mir neue Wege aufzuzeigen. Dies erledigte er so gut
wie nur möglich. Er war wie ein Ventil zwischen Hans-Adam und mir.
396
Während der vielen Debatten in den vergangenen Monaten hatte ich, oft
direkt, überwiegend zwischen den Sätzen horchend, mitbekommen, dass
Hans-Adam mehrfach eine ganze andere, bestialische Sprache
verwendete, wenn er mit seiner Regierung, dem Bankdirektor und dem
Professor über mich sprach. Dies galt auch für den umgekehrten Weg.
Teil der Aufgabe des Professors war es, deren und meine Worte so
umzuformulieren, dass eine Lösung schlussendlich zustande kommen
konnte. Ich habe meine Meinung über den Professor auch dann nicht
geändert, als ich später, nach meiner Rückkehr erfuhr, dass der einzige
Auftrag von Hans-Adam an ihn lautete: OZA- „Bring mir die Daten
zurück! Koste es was es wolle! Mit Kieber oder ohne Kieber, ist mir
scheiss egal‚ -OZE.
Ich hoffte nun, dass, ganz nach dem Spruch „Zeit heilt Wunden‚, die fast
sechs Monate meiner Abwesenheit reichen würden, sodass sich auch die
zornigsten Gemüter wieder beruhigt hatten. Es sah ganz danach aus.
397
KAPITEL 19
Dickes Kissen und dünne Aktenmappe
Ich packte meine sieben Sachen aus und richtete mich gemütlich in
meinem neuen Heim ein. Im Badezimmerspiegel starrte ich mich an.
"Hast es mal wieder geschafft, Herr Kieber". Fast sechs Monate lang
unzählige Menschen unzählige Nerven gekostet. Ich schämte mich
meiner Taten. Es war nicht der richtige weg. Ich will nicht sagen, dass
ich keine andere Wahl hatte. Wenn man wählen kann, dann muss es ja
mindestens zwei verschiedene Wege geben. Was soll’s? Ich hatte eine
Entscheidung getroffen. Ich fühlte auch, dass – egal was ich in den 6
Monaten zuvor angestellt hatte – sich ein grosses Gefühl der Erlösung
bei den Machthabern breit gemacht hatte. Nicht so sehr, weil ich wieder
daheim war. Nein, sondern weil keine Daten verraten wurden und es
somit keine geschädigten Kunden gab, und was für Liechtenstein viel
wichtiger war, das Land wurde von einem politischen Tsunami mit
vielen furchtbaren Konsequenzen verschont.
Ich inspizierte die ganze Wohnung. Keine versteckten Kameras?
Mikrofone? Wer weiss. Ich wusste, es würde immer diejenigen geben,
die mir nicht ganz vertrauen würden. Genau so wie ich ihnen nie zu 100
Prozent trauen konnte. Der Abend war schwül. Die Sonne heizte den
Raum trotz heruntergelassenen Rollos heftig ein. Der Jahrhundertsommer 2003 war ja voll im gang. Von der langen Fahrt müde, war
schon um 19 Uhr Bettzeit. Ein besseres Kopfkissen müsste ich noch
kaufen, war das letzte, was ich vor dem Tiefschlaf dachte.
Am nächsten Morgen sah die Welt auch wieder gut aus. Es war schön,
wieder zu Hause zu sein. Ich lief über Nebenstrassen bis zum Denner
(Einkaufsladen) nach Triesen. Die nette Verkäuferin (er)kannte mich
zum Glück nicht. Ich kaufte Milch, Brot und Müsli ein. Und ein frisches
heisses Leberkäs-Brötchen. Himmel auf Erden: ein Liechtensteiner
Leberkäse. So fein. Wieder zurück in der Wohnung wurde es mir schnell
langweilig. Es war ein ungewohntes Gefühl. Kein Versteckspiel mehr,
keine Sicherheitsvorkehrungen, kein ständiges Handyein- und
ausschalten. Aber vor allem keine Diskussionen mehr und keine
schwedischen Gardinen.
Da ich ja kein Auto hatte, auch kein Velo mehr, machte ich mich zu Fuss
in Richtung Hauptstrasse, zur Bushaltestelle. Die Haltestelle ist auf der
Höhe des Gebäudekomplex, wo sich die Polizei, das Passamt und das
Gefängnis befanden. Ich dachte an Lampert, der dort in einer Zelle sitzen
würde. War ich froh, dass ich meine Drohungen nicht in die Tat
398
umgesetzt hatte, sonst wäre ich auch dort. Ich war frei. Vogelfrei. Dank
Hans-Adams persönlicher, schriftlicher Notiz. Ich wusste zu diesem
Zeitpunkt nicht, dass auch etwas ganz anderes sein Gültigkeit hatte: das
freie Geleit. Ich hätte auch die Hauptstrasse entlang die paar Kilometer
ins Dorfzentrum laufen können. Aber das halbe Land fährt zu dieser Zeit
diese Strasse entlang zur Arbeit. Und ich wollte nicht gesehen und
erkannt werden. Die Möglichkeit, dass es einen Knall gab, war meines
Erachtens schon da. Was, wenn jemand von der Justiz, der Polizei oder
der Führungsetage der LGT mich sehen würde und vor lauter Schreck
einen Karambolage auslösen würde?
Ich setzte mich auf die Bank im Wartehäuschen, wartete auf den Bus und
beobachtete die vorbeifahrenden Autos. Ich erkannte die eine oder
andere Person. Niemand sah zu mir rüber. Im Zentrum angekommen
wollte ich bei der Post eine Monatsbusfahrkarte kaufen. Der Erste, der
mir über den Weg lief, war mein Onkel Guntram (der Ex-Mann meiner
Tante). Ja Heinrich, ja Heinrich – wo warst du dann, rief er voller Freude.
Ich merkte sofort, dass er etwas wusste. Wenn etwas los war in Vaduz, er
wusste es immer. Ohne auf meine Antwort zu warten, sagte er, dass
hoffentlich alles gut gegangen sei. Er wusste, dass ich im Januar dem
Hans-Adam einen Brief geschrieben hatte. Er erzählte mir davon. Mehr
Details wusste er aber dieses Mal offenbar nicht. Ich hatte ihn und seine
Freundin Marina immer sehr gemocht. Ich versprach, sie bald besuchen
zu kommen. Grüsse von hier aus an die Beiden.
Vaduz ist wie ein Dorf in den Bergen. (Fast) jeder kennt jeden persönlich
oder man weiss zumindest wohin mit dem Gesicht. Bist ein Kieber, gell?
Es war für mich ein Einfaches zu erkennen, wer, egal wie viel, etwas von
dem Drama wusste oder nicht. Diejenigen, die gar nichts wussten,
grüssten mich ganz anders und erinnerten sich oftmals erst dann, dass es
lange her war, seit sie mich das letzte Mal gesehen hatten. Ja, ich war halt
im Ausland unterwegs. Von den Anderen traute sich die Hälfte gar nicht
mich anzusprechen. Der Rest wusste nicht ob sie mich verteufeln oder
loben sollten. So oder so, das Volk, das etwas wusste, war erkennbar
froh, dass ich wieder da war und dass augenscheinlich keine
Katastrophe eingetreten war, sonst hätten sie es ja in den Medien gelesen
und ich würde am Galgen hängen.
Ich erblickte die Bäckerei Amman. Da musste ich hin. Endlich wieder
heimische Backwaren. Ich kaufte mir einen Nussgipfel und trank eine
heisse Ovomaltine. Beim Kiosk Schreiber sah ich Jumbo (sein Spitzname)
399
,er wusste nichts. Ich erwarb ich eine Telefonkarte. Erst als ich mich
umdrehte, erinnerte ich mich, dass schnurgerade gegenüber die LGT
Treuhand war. Mist, nichts wie weg. Ich wollte nicht, dass mich jemand
von dort sieht.
Ich rief meine Stiefmutter, meine Schwester und ein paar Freunde aus
einer Telefonzelle bei der Post Vaduz an. Alle konnten es nicht glauben,
dass ich wieder zu Hause war. Ich entschuldigte mich dafür, dass ich
mich nicht gemeldet hatte und auch für alle Belästigungen, die sie
eventuell wegen mir hatten. Niemand schimpfte mit mir. Das war schon
mal positiv.
Was sollte ich als nächstes tun, fragte ich mich. Ein Besuch beim
gescheitesten Mann in der Justiz. Ohne Termin? Wie immer! Ich
versuche es einfach. Ich lief rüber zum Gerichtsgebäude. Die Treppe
hoch und klopfte bei seiner lieben Sekretärin an. Die war überrascht.
Herr Kieber, aber Hallo! Gut, Sie wieder zu sehen. Kann ich mit dem
Landrichter Dr. Paul Meier reden? Ja sicher. Von 11:30 bis 12:25 durfte
ich mit ihm plaudern.
Er war, wie seine zwei Damen im Vorzimmer, sehr geschockt, als sie im
Januar von meinem Brief an Hans-Adam hörten. Sorry, konnte ich da
nur sagen. Ich fragte natürlich sofort, ob es im 101er vorwärts gegangen
sei. Nein, der Akt sei immer noch beim Obergericht, im Büro vom
Richter Dr. G. Mislik (übrigens derselbe Richter, der das freie Geleit
beschlossen hatte). Dieser würde in Kürze über meinen Antrag (vom
22.11.02) auf Fortsetzung der Strafuntersuchung gegen Roegele & Co.
entscheiden, erinnerte mich UR Dr. Meier.
Komisch, sagte ich. Hätte sich den nicht der RA Dr. Wolfgang Müller bei
ihm gemeldet, als mein neuer RA in dieser Sache? Nein, nichts
dergleichen. Ich sagte, dies könne nichts stimmen. Er bestätigte aber,
dass es seit meiner Abreise im Januar zu keinem Wechsel des
Rechtsanwalts gekommen sei. Ob mich Dr. Hirn nicht mehr vertreten
würde, fragte er. Nein, seit ca. sechs bis acht Wochen sollte es der neue
RA Müller aus Schaan sein. Er sei immer noch der UR in diesem Fall und
er würde schwören, dass er mich nicht an der Nase herumführe, sagte er.
Seltsam, seltsam, sagte ich zu ihm. Noch dachte ich mir nichts dabei. Ich
bat ihn jetzt und hier den RA-Wechsel offiziell zu protokollieren. Im
Moment ginge es zeitlich gerade nicht, sagte er. Am nächsten Dienstag,
den 8.7. hätte er Zeit. Ich bedankte mich bei ihm. Also dann bis nächsten
Dienstag.
400
In der Zwischenzeit gingen ein paar Gerüchte wie ein Lauffeuer in
Vaduz umher. Eines, ein Falsches, erreichte schliesslich die Polizei. Diese
war etwas irritiert, als sie hörte, dass ich heute, am 2.7. nach Vaduz
zurückkehren würde. Die Polizei war ja gestern beauftragt worden,
schnellst möglich den Deutschen eine Meldung zukommen lassen. Die
Polizei kontaktierte die STA per Email und fragte nach, ob die etwas
wüssten und formulierte ihre Bedenken, sollte ich von irgendeiner
Richtung aus schon heute zurückkommen.
Sie sorgten sich um mich, da ich noch passiv im Schweizer System
(RIPOL) ausgeschrieben war. Es folgten mehrere hektische Anrufe und
Faxe zwischen der Polizei und der STA. Die STA wusste auch nichts
Genaueres, wünschte aber, dass die Polizei schleunigst die Grenzstelle in
Schaanwald anrufen sollte, um als Vorsichtsmassnahme anzuordnen,
mich nicht aufzuhalten, sollte ich die Grenze dort überschreiten. Gleich
als nächstes sollte die Polizei die Ausschreibung im RIPOL von den
Schweizern löschen lassen. Wie sich später herausstellte, war dieses
Gerücht gezielt gestreut worden, um mögliche Saboteure im Glauben zu
lassen, dass ich erst am 2.7. einreisen würde.
Die LGT Treuhand schickte am 2.7. dem Landgericht einen Brief, worin
sie den Rückzug ihrer Privatanklage in Sachen Datendiebstahl erklärten
und den Antrag stellten, das Gericht möge daher das Verfahren gegen
mich einstellen.
Nachdem ich das Büro des UR Dr. Meier verlassen hatte, überlegte ich,
wo ich ein Kissen kaufen könnte. Hunger hatte ich auch wieder. Und ich
wollte mein Mittagessen nicht in einem Restaurant in Vaduz einnehmen.
Im Einkaufszentrum Buchs, auf der Schweizer Rheinseite gab es
genügend Auswahl. Buchs ist zwar Ausland, aber weder der Professor
noch der Bankdirektor hatte mir untersagt in die Schweiz zu gehen. Ich
nahm den Bus dorthin. Es dauerte nicht lange, bis ich die erste von
mehreren peinlichen Situationen der kommenden Zeit erlebte.
Ich spazierte vom Bahnhof Buchs auf der linken Seite der Einkaufsmeile
Richtung Werdenberg. Auf der Höhe des COOP Ladens hörte ich zuerst
lautes, unverständliches Gefasel und dann die Klänge von
weggestossenen Stühlen. Ich schaute auf und drehte meinen Kopf zum
rechten Bürgersteig. Dort sah ich einen Mann, der fluchtartig die Tische
eines kleinen Cafés verlies. An der Hand hielt er eine junge Frau. Erst
dann erkannte ich ihn. Es war der Chef der IT-Abteilung der LGT
Treuhand.
401
Er musste mich zuerst gesehen haben und war wohl geschockt. Ich
erinnerte mich, dass er immer mehrmals in der Woche zum Mittagessen
nach Buchs zu seiner Freundin fuhr. Beide waren Schweizer. Er wollte
wohl eine Konfrontation mit mir vermeiden. Besser so. Ich wüsste auch
nicht, was ich ihm hätte sagen sollen. Ich bog in die nächste Abzweigung
nach links und dann zum Migroseinkaufszentrum. Ich kaufte mir ein
Kissen und einen dazu passenden Bezug. Auf dem Weg zur
Bushaltestelle beim Bahnhof Buchs kam ich an einem TV-Geschäft
vorbei. Es gab da ein Superangebot für ein kleines Kombigerät, TV und
Videorecorder in einem. CHF 300.- kostete es. Fünf Minuten später war
ich CHF 300.- ärmer und um einen Fernseher reicher. Das TV-Gerät
würde man mir am Wochenende ausnahmsweise nach Vaduz bringen
können, da ein Mitarbeiter der Firma in der Nähe von mir wohnen
würde. Super. Wieder etwas Positives erlebt. Mit dem Kissen unter dem
Arm fuhr ich mit dem Linienbus gleich wieder nach Vaduz.
Den Donnerstag hatte ich mit meiner alten Liebe abgemacht. Zuerst
wollte ich aber mit dem Bus in meine Heimatgemeinde fahren und das
Grab vom Vater besuchen. Dort angekommen, redete ich mit ihm und
erinnerte mich, als ich das letzte Mal dort war, hätte ich nie geglaubt,
dass ich ihn überhaupt und wenn doch auch noch so schnell wieder
besuchen kommen konnte. Ich betrat auch die wunderschöne renovierte
Kirche in Mauren. Weisser Marmor überall. Mit dem Bus erreichte ich
wieder Buchs und traf mich mit meinem Schatz. Wir verbrachten den
Tag am kleinen Werdenbergersee. Sie hatte von nichts eine Ahnung und
ich entschied, dass es besser war, es so zu belassen.
Am Freitag, den 4.7., gerade als ich mich auf den Weg zum neuen RA
Dr. W. Müller machte, bog der Bankdirektor mit seinem Wagen in meine
Strasse ein. Er sagte mir, dass er vergessen hätte, mir mitteilen zu lassen,
dass er mich abholen würde. Im Auto gab er mir ein Geschenk. Es war
das Nokiatelefon aus Holland. Da das Handy ja keinen SIM-Lock hatte,
hatte er mir eine neue SIM-Karte mit Rufnummer von der Telekom
Liechtenstein kaufen und aktivieren können. Sie war auf meinen Namen
registriert. So, sagte ich, wie konnte er denn die Nummer auf meinen
Namen einlösen, ohne dass ich dabei war? Man musste sich nämlich
dafür ausweisen. Er wich aus und sagte nur, schönes Wetter heute.
Er drückte mir auch eine Kopie des Rückzuges der Privatanklage der
LGT Treuhand in die Hand. Ich bedankte mich dafür.
402
Um 09.50 Uhr waren wir schon im grossen Sitzungszimmer der Kanzlei.
Der Professor konnte leider nicht kommen, da er wieder nach Hause,
nach Österreich gefahren war. Er brauchte auch seine Ruhetage. Seine
Hauptaufgabe hatte er ja soweit erfüllt. Zehn Minuten später begrüsste
uns Dr. Wolfgang Müller und legte eine Aktenmappe auf den Tisch. Dies
ist aber sehr mager, dachte ich gleich. Ich bedankte mich für sein Zeit
und die Annahme des Mandats. Die erste halbe Stunde sprach er
ausschliesslich mit dem Bankdirektor und widmete mir keine Minute.
Zu meinem Schrecken erkannte ich bald, dass er sich, wenn überhaupt,
extrem minimal in meine Geschichte eingelesen hatte. Nicht nur stellte er
Fragen, deren Antworten er eigentlich wissen müsste, hätte er die Akten
studiert. Er kam auf Schlussfolgerungen, die fern der Realität waren.
Kein Wunder, dass seine Mappe über mich so dünn war. Nach bald 35
Minuten wandte er sich direkt an mich. Man kann sagen, die Beziehung
startete auf dem linken Fuss. Sehr zum Erstaunen des Bankdirektors,
und wohl ganz im Sinne des wirklichen Auftraggebers (Hans-Adam),
tadelte Müller mich und meinte, dass sich mein Vater im Grab
umdrehen würde, wüsste er was ich dem Blaublut angetan habe. Ich war
absolut nicht auf so etwas vorbereitet und anstatt ihm zu antworten,
starrte ich den Bankdirektor an.
Dieser konnte meine verschiedenen Gesichtsausdrücke ja schon im
Schlaf richtig deuten. Ich stand auf und lief die Treppe hinunter zum
Ausgang. Draussen sass ich auf der steinernen Treppe und beobachtete
den Verkehr auf der Schaaner Hauptstrasse. Nach fünf Minuten kam der
Bankdirektor raus und bat mich wieder herein. Müller sagte, dass er es
nicht so gemeint hätte. Er schilderte was in den letzten 4 Wochen alles
passiert sei und als er dann anfing von einem erfolgreichen freien Geleit
zu erzählen, erlaubte ich mir ihn zu unterbrechen.
Er durchblätterte die wenigen Seiten im Akt und zeigte mir den
Beschluss. Er hätte dies in weiser Voraussicht Anfang Juni beantragt. Ich
kam aus dem Staunen nicht raus und rechnete die Tage, Wochen zurück.
Warum stand da, ich würde bis zu einer erstinstanzlichen Verurteilung
auf freiem Fuss bleiben? Der Bankdirektor schaute verlegen aus dem
Fenster. Müller fragte mich, ob Hans-Adam noch nicht mit mir
gesprochen hätte. Nein, erst nächste Woche, erwiderte ich. Man hätte die
Anzeige wegen der Nötigung noch nicht zurückgezogen, erklärte er mir
dann. Dies sei jedoch alles nur eine Formsache. Ich sollte mir weiters
keine Gedanken machen. Aha, OK, konnte ich da zuerst nur stammeln.
403
Aber seine Antwort genügte mir nicht. Ich fragte den Bankdirektor für
was dann die persönliche Notiz von Hans-Adam gewesen sein soll,
wenn da steht, dass ich sowieso freies Geleit hätte. Und warum hier im
Beschluss suggeriert wird, dass ich unter Umständen im Gefängnis
landen könnte? Sonst hätte ja RA Müller kein freies Geleit beantragen
müssen. Der Bankdirektor rechtfertigte, dass die Notiz eine Geste von
Hans-Adam gewesen, sonst wäre ich doch nie mit dem Professor im
Wagen nach Hause gefahren.
Ja gilt die Notiz denn nicht mehr, fragte ich entsetzt. Natürlich, doch,
immer, war die Antwort. Und warum musste ich sie dann zurückgeben?
Hans-Adam wollte solch ein Schriftstück nicht im Umlauf haben, war
die banale Auskunft darauf. Und das mit dem „bis zum Urteil auf freiem
Fuss bleiben‚ soll ich nicht wortwörtlich nehmen, alles nur rein
juristische Formsache. Der Bankdirektor wurde wieder etwas
griesgrämiger.
Ich wandte mich deshalb an Dr. Müller mit der Frage, warum er sich
beim UR Dr. P. Meier noch nicht als mein neuer RA im 101er gemeldet
hätte. Und was war mit dem Zivilverfahren? Er war ehrlich sehr
überrascht: Von einem 101er oder dem Zivilverfahren hätte er zwar am
Rande gehört. Sein Mandat beschränke sich aber auf die juristischen
Konsequenzen meines Briefes vom 7.1. an Hans-Adam. Innerlich wurde
ich schon wieder wütend: „Am Rande gehört?‚ Beide Fälle sind im
Detail als Beilage meines Schreibens an Hans-Adam geschildert, sagte
ich. Ich war völlig perplex. Der Bankdirektor entschärfte die Lage, indem
er sagte, dass sich alles aufklären würde. Eines nach dem Anderen.
Müller sagte, dass er es im Gespräch mit Hans-Adam so verstanden
hätte, dass dieser Gnade vor Rache walten liesse. Wie bitte? Gnade vor
was? Rache? Das höre ich zum ersten Mal, stöhnte ich.
Was soll das wieder bedeuten, fragte ich.
Mir wurde schlecht und ich musste die Toilette aufsuchen. Als ich
zurückkam weinte ich und wollte gehen. Man überredete mich aber zu
bleiben. Nichts würde mir geschehen. Hans-Adam hätte dies auch dem
RA am Telefon versichert. Ich fragte den RA ob er sicher meine Interessen
vertreten würde, da er ja schlussendlich aus der Kasse von Hans-Adams
bezahlt würde. Er erklärte, dass es sich hier um einen sehr
aussergewöhnlichen Fall handeln würde und die Interessen aller
berücksichtigt werden müssten. Aber, prinzipiell sei er natürlich für mich
da. Ich bedankte mich artig beim ihm. Zum Abschied drückte er mir fest
404
die Hand und beglückwünschte mich zu meinem klugen Entscheid,
freiwillig nach Hause zurückzukehren.
Nach diesem eher bemerkenswerten Meeting fuhr mich der
Bankdirektor nach Vaduz, zur Arbeitslosenversicherung (ALV),
Stempelgeld beantragen. Ich wollte nicht, dass die LGT mir auch noch
Brot und Butter bezahlt. Die Übernahme der Mietkosten (ca. CHF 750.pro Monat) war schon grosszügig genug. Er war immer noch
angespannt. Wir verloren daher keine Worte mehr über juristische und
andere Kämpfe. Bei der ALV wurde mir mitgeteilt, dass ich ab sofort
bezugsberechtigt wäre. Mein Arbeitslosengeld würde ca. 70 Prozent des
Durchschnittslohns der letzten fünf Jahre betragen. Ich hätte Anspruch
auf 250 bezahlte Wochenarbeitstage, also ein gutes Jahr lang.
Als Beweis für meine Bemühungen einen neuen Job zu finden, müsste
ich meinem zugeteilten Sachbearbeiter fünf Bewerbungen pro Monat
vorlegen. Kein Problem, sagte ich. Mein kalkulierter Durchschnittslohn
war CHF 3'840.- und damit sehr hoch. Ich hatte also mehr als genug für
meinen bescheidenen Lebensunterhalt. Ich sagte zum Bankdirektor, dass
ich die Miete selber bezahlen wolle. Dieser lehnte dankend ab. Die LGT
habe ja die Möbel gekauft und der Mietvertrag läuft auf ihren Namen.
Wenn ich dann eines nicht allzu fernen Tages ausziehen würde, könnte
die Firma die Wohnung für anderes Personal benutzen. Nochmals
tausend Dank dafür, sagte ich. Er fuhr mich nach Hause und
verabschiedete sich ins Wochenende.
Die Polizei war immer noch nicht voll im Bilde und offenbar hatte mich
weder sie noch jemand von der STA schon gesichtet. Am 4.7. verfasste
die Polizei eine Randbemerkung. Angeblich soll ich wieder nach
Liechtenstein eingereist sein. Daher bat sie um ein Treffen mit der STA
und der Justiz, um zu besprechen, wie in dieser Sache weitergefahren
werden soll.
Am Wochenende kamen mir die ersten Zweifel auf, ob sich alles so
abspielen würde, wie man es mir im Ausland bunt ausgemalt hatte.
Schlimmer noch, ob sich in Vaduz in den letzten paar Monaten alles so
abgespielt hatte, wie man es mir im Ausland erzählt hatte. Ich merkte,
wie mein analytisches Denkvermögen wieder überdrehte.
Nein, es konnte nicht sein, dass sich nach so vielen monatelangen
Diskussionen mit dem Bankdirektor und dem Professor alles in Luft
auflösen sollte. Nein, undenkbar. Und ich war keiner, der jedes zweite
405
oder dritte Wort falsch verstanden hatte. Im Gegenteil, ich ging jede
Aussage, jedem Versprechen von Seiten des Bankdirektors und HansAdam gründlich auf den Grund. Natürlich hatten wir selten dieselbe
Meinung, aber in Bezug auf die Lösungswege stellte ich sicher, dass wie
alle dasselbe darunter verstehen. Wahrscheinlich, so kam im zum Schluss,
war ich nur deswegen verwirrt, da ich erst seit vier Tagen wieder
daheim war und den vollständigen Überblick noch nicht hatte.
Ich war mir sicher, dass die Audienz bei Hans-Adam mir den nötigen
Durchblick bringen würde. Zum Glück wurde mir am
Samstagnachmittag der Fernseher geliefert. Dies brachte etwas
Ablenkung.
Für Montag, den 7.7., hatte sich niemand angemeldet und ich hatte auch
keine Termine. Ich überlegte lange, ob ich in den sauren Apfel beissen
und STA Haun direkt anrufen sollte. Nachfragen, wann man die
Anklage im 101er erheben würde. Je mehr ich darüber nachdachte, umso
weniger gefiel mir die Ausführung. Wenn überhaupt, wäre es besser
zuerst einen Brief zu schreiben und die Reaktion abzuwarten. Eine
schöne Abwechslung würde mir ein Ausflug in die Berge geben. Also ab
ging es mit dem Bus nach Malbun, dem Liechtensteiner „St. Anton‚. Ich
wanderte eine Runde im Kreis, dann runter nach Steg und durch einen
kleinen Tunnel auf die Westseite des Höhenzugs. Die Aussicht war
atemberaubend. Das ganze Rheintal lag einem zu Füssen. Welch
Kontrast zur holländischen Landschaft. Ich durchquerte Wiesen und
etliche Wald- und Feldwege bis ich in Triesenberg angelangte. Von dort
ging es mit dem Bus wieder heim. Nach einem langen Tag war ich froh,
die Beine hoch legen zu können.
Wie abgemacht stand ich am Dienstag, den 8.7., pünktlich um 11 Uhr
beim UR Dr. Meier auf der Matte. Der Zufall wollte es, dass der Neffe
vom RA Wolfgang Müller, Dr. Roland Müller (Partner/Rechtsanwalt in
der Kanzlei Müller) wegen einer anderen Sache gerade beim UR im Büro
war. Trifft sich gut, sagte ich. Ich bat ihn doch für das kurze Gespräch
mit dem UR zu bleiben. Gerne willigte er ein.
Der UR erläuterte ihm schnell die Sachlage im 101er Gerichtsfall. Als UR
im 101er wäre er überaus zuversichtlich, dass das Obergericht sehr bald
meinem Antrag zur Fortsetzung der Strafuntersuchung befürworten
würde. Das wäre zu begrüssen, erwiderte ich. Aber, fuhr ich fort, schon
vorher würde die STA ihn informieren, dass sie die Strafuntersuchung
406
gegen die Verbrecher Helmut Roegele & Co. wieder aufgenommen habe
und eine Anklage einreichen würde. Dann müsste ich ja nicht selber als
Subsidiarankläger fungieren. Das würde viele erleichtern, antworteten
beide Juristen. Noch hätte der UR aber nichts in diese Richtung von der
STA gehört. Wird schon noch kommen, versicherte ich beiden.
Der Dr. Roland Müller versprach mir, seinen Onkel zu bitten, rasch seine
Rechtsvertretung von mir in diesem Fall formell abzuschliessen.
Am Nachmittag rief der Bankdirektor auf meinem Handy an und teilte
mit, dass ich morgen um 9 Uhr ins Schloss kommen kann. Er sagte auch,
dass ich nie vergessen soll, was Hans-Adam für mich getan hätte und
keine Angst haben soll. Und wenn es geht, soll ich wegen allfälligen
Meinungsverschiedenheiten nicht gleich aufbrausen. Warum? Warum
sollte ich Missverständnisse mit ihm haben, fragte ich. Dies wäre nur ein
guter Tipp von ihm. Er müsse jetzt gehen und beendete das Telefonat.
407
KAPITEL 20 Hochheilige Audienz bei Hans-Adam
Der wohl wichtigste und schwierigste Tag meiner letzten sechs Jahre
war gekommen. DAS Vier-Augen-Gespräch mit Hans-Adam dem II.,
dem Staatsoberhaupt und Landesführer. Am Abend zuvor hatte ich mir
bei meiner Nachbarin ein Bügeleisen ausgeliehen. Frisch geduscht und
rasiert, mit weissem Hemd und blauer Jeans bekleidet, war ich
marschbereit.
Der schnellste Weg hinauf zum Hans wäre die Abkürzung durch den
Wald unterhalb vom Schloss, vorbei an der Rückseite des
Regierungssitzes und dem Restaurant Real. Dann würde ich aber
verschwitzt ankommen, erkannte ich. Und das ging nicht. Besser den
Bus ins Zentrum nehmen und meinen Onkel Guntram bitten, mich zum
Schloss zu fahren. Er war immer eine hilfsbereit Seele . Beim grossen
Eisentor des Schlosses angekommen, drehte er seinen Wagen um und
wünschte mir viel Glück.
Es war jetzt 15 Minuten vor 9 Uhr. Ich klopfte ans Fenster des kleinen
Portierhäuschen. Man erwartete mich schon, wurde mir gesagt. Zum
meiner Verwirrung kam die rechte Hand von Hans-Adam, Gilbert
Kaiser den Kieselweg auf der anderen Seite des eisernen Tors hoch
gelaufen. Das schwere Portal öffnete elektronisch und ich schritt ihm
entgegen. Ich war nicht zum ersten Mal auf Besuch im Schloss. In meiner
Kindheit und Jugend hatte ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu
Hans-Adams Mutter, Fürstin Gina. Oft backte ich ihr meinen köstlichen
Apfelstrudel und lief zu Fuss, im Sommer wie im Winter, den langen
Fürstenweg von Schaan nach Vaduz durch den Wald, zu ihrem Schloss.
Bis zu ihrem Tod 1989 hatte ich schriftlichen Kontakt und besuchte sie ab
und zu. Der heutige Besuch war natürlich anders. Normalerweise wird
ein Besucher alleine durch das Tor und dann runter zu alten Holzbrücke
gelassen. Von dort sind es nur ein paar Schritte, vorbei an den Kanonen,
die Richtung Tal ausgerichtet sind, bis zu den Büroräumen oder rechts
um die Kurve in den Innenhof der Burg. Je nach dem, was für einen
Termin man mit dem Blaublut hatte.
Man wollte wohl bei mir von nun an auf Nummer sicher gehen. Ich
kannte Kaiser seit einigen Jahren persönlich. Er hatte auch seit Jahren
Kenntnis von meinem Argentinienfall. Er und seine nette Frau, die ab
408
und zu mit im Schloss arbeitete, gehören zum treuesten Mitarbeiterstab
der von Liechtenstein. Endlich, endlich bist du wieder da, rief er mir zu.
Ich murmelte etwas verlegen und fragte ihn, ob Hans-Adam gut gelaunt
wäre. Jetzt wieder, freute ich mich zu hören. Er beschwerte sich, dass ich
ab dem 7.1. reichlich Hektik hier in den Haushalt gebracht hätte.
Man wäre sehr besorgt um die Reputation der Familie und der LGT
gewesen, nicht zu vergessen die Gefahr für die Kunden. Ich weiss, ich
weiss, erwiderte ich. Dann wurde er ernst und sagte, dass man es mir
sehr übel genommen hätte, dass ich so viele Monate schlaflose Nächte
hier im Schloss produziert hatte. Es sei ja alles noch mal gut gegangen,
war das wenige, dass ich zu meiner Verteidigung sagen konnte. Er
wurde noch deutlicher und sagte wortwörtlich, wenn ich die Daten
verraten hätte, hätte ich diese Übeltat nicht überlebt. Diesen Satz
untermauerte er bildlich indem er langsam mit dem Daumen seiner
rechten Hand von ganz links bis ganz rechts entlang seiner Kehle fuhr.
Mir wurde sofort klar, dass es kein Witz war.
Auf dem Weg zum Büro erzählte er mir, dass mich die Blaublüter bis
zum bitteren Ende gejagt hätten. Keiner pisst ungestraft denen ans Bein
(Kaisers Worte). Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich weiter laufen oder
umkehren und raus rennen sollte. Aber, ich hatte in Wirklichkeit keine
Wahl. Mir war bewusst, dass Hans-Adam mich die ersten 30 Minuten
definitiv beschimpfen wird. Da musste ich durch und damit Basta.
Kaiser begleitete mich bis ins Vorzimmer, wo die zwei Sekretärinnen am
Computer sassen. Mir wurde gesagt, dass ich noch ein paar Minuten
warten müsste. Dann wäre Durchlaucht empfangsbereit.
Ich stülpte meine Hemdsärmel wieder runter und knöpfte sie zu, strich
Hemd und Hose glatt und versuchte meine Nervosität zu unterdrücken.
Die dunkle Holztüre öffnete sich und auf seine charakteristische Art &
Weise kam Hans-Adam zwei Schritte auf mich zu und drückte meine
Hand. Ich begrüsste ihn stürmisch und bedankte mich 10'000 Mal für die
Audienz. Er drehte sich um und ich folgte ihm. Da erst erkannte ich,
dass er gleich gekleidet war wie ich: weisses Hemd und eine blaue,
jeans-artige Hose. Blau, die Farbe der Adeligen. Die Aussprache fand im
jenem Raum statt, in dem er auch die ausländischen Gäste und ab und
zu die Medien zu Gesprächen empfängt. Wir nahmen, jeder auf einem
der Sofas, im 90° Winkel zueinander Platz. Die Möbel waren noch aus
Zeiten seines Vaters, Franz Josef II.
409
Er wirkte nicht nur gelöst, er war es auch. Ich, sonst immer eine grosse
Klappe, war ganz still und wartete ab, was als nächstes passieren würde.
Er war auch nicht gerade ein Gesprächsschnellstarter. Stille. Keine
Schimpftiraden. Die Torte, kam es mir in den Sinn. Die feine Torte. Ich
bedankte mich für die Sachertorte. Gern geschehen, erwiderte er. Ich sah,
dass er vor sich auf dem Salontisch eine Mappe liegen hatte, die mit
Heinrich Kieber markiert war. Sie war dicker als diejenige beim RA
Müller. Ich dachte es wäre immer eine gute Idee, nach dem
Wohlbefinden seiner Frau, seiner Kindern und den Enkelkindern zu
fragen. Allen gehe es gut, sagte er. Der Gesundheitsstand seiner
Schwiegertochter gab Anlass zur Sorge in letzter Zeit.
Ich bedankte mich für die Notiz. Keine Ursache. Es wäre auch für ihn ein
Novum gewesen. Er hätte schon vieles in seinem Leben gemacht, aber
eine solche Notiz hätte er noch nie ausfertigen lassen und unterschrieben
müssen. Der Professor hatte ihm dies empfohlen, sagte er.
Mit dem Stichwort Professor gewann unsere Unterredung an Fahrt. Wir
redeten über die Richter, die STA, die Justiz im Gesamten, seinen Erfolg
bei der Abstimmung im März, die LGT, die Daten, die Kunden, seine
Beteiligung an der Firma Ricetec, über den ehemaligen CEO der LGT
Gruppe, den Hans-Adam vor vielen Jahren wegen (ABB-) Insidertrading
(illegaler Handel mit ABB Aktien) schassen musste und über seinen
Bunker wo die kostbaren Bilder aufbewahrt werden.
Hans-Adam war überrascht, dass ich so viele Detailkenntnisse über seine
Belange hatte. Die meisten Liechtensteiner wüsste nur ein Zehntel
davon, sagte er. Ich erwiderte, dass ich immer mit offenen Augen und
Ohren durch die Gegend ziehe, sehr viel lese und mich die Familie
Liechtenstein immer schon fasziniert hatte. Er lachte freimütig – dies war
für mich ein gutes Zeichen – und sagte, ja, mit offenen Augen und
Ohren, sonst hätte ich die Gelegenheit, das Datenband zu entnehmen
wohl nie erspäht.
Er wollte mehr über die näheren Umstände des Diebstahls erfahren. Ihm
sei gesagt worden, dass ich den Kniff noch nicht im Detail verraten hätte.
Aber zuerst wolle er wissen, wie und warum ich ausgerechnet einen
Hinweis in seiner Bilderkammer hinterlegt hatte.
Ich erzählte ihm die Vorgeschichte dazu und dass ich unbedingt einen
Mechanismus finden musste, bei dem ich sicher war, dass er selbst
agieren musste und nicht wie immer einfach alles ohne es zu lesen
410
weiterdelegiere. Er sagte mir, dass er schon herausgefunden hatte, wie
ich mir ohne Gewalt Zugang zum Bunker verschafft hatte. Diese Lücke
sei jetzt geschlossen, sagte er und hob den Zeigefinger.
Aber natürlich erwiderte ich, nie im Leben würde ich irgendwo
einbrechen oder so. In Bezug zum DLT-Band, sagte ich, dass es kein
grosser Trick war; eher eine günstige Verkettung von Unachtsamkeiten
seitens der LGT Treuhand. Ich erzählte ihm die Details. Unbewusst
nannte ich das genaue Datum nicht. Erst später fiel mir auf, dass er auch
nicht danach gefragt hatte.
Er beschrieb mir, dass er strengere Sicherheitsvorkehrungen angeordnet
hatte. Zusammen, mit meiner noch abzuliefernden Analyse, wie in
Zukunft so etwas verhindert werden könnte, würde das die LGT wieder
an die Spitze in Sachen Datensicherheit katapultieren. Er erzählte mir
auch, dass die Datenträger, die ich für ihn in Berlin abgegeben hatte,
unter Aufsicht vollständig zerstört worden waren.
Ich hätte ja vom aktuellen Drama bei der LLB gehört, sagte er. Ja!
Inwiefern man denken würde, dass ich da eine Hilfe sein könnte, fragte
ich ihn. Nun ja, antwortete er, er denke, dass es mir gelingen würde, die
richtigen Fragen an Lampert zu stellen oder zumindest für die Polizei zu
formulieren. Ich bat ihn meinen Beitrag nicht zu überschätzen. Nein,
nein, sagte er, mein Input wäre wichtig und Teil meiner eigenen
Rehabilitation. Er erwarte in Bezug auf seine LGT schon eine gut
formulierte Denkschrift (Analyse) von mir. Wann er diese haben möchte,
fragte ich ihn. So schnell es ginge, antwortete er mir. Ich würde schon
morgen damit beginnen, versprach ich ihm.
Warum ich keinen Beweis als Beilage in meinem Brief vom 7.1. geliefert
hätte, fragte er mich als nächstes. Ich hätte halt gedacht, dass mein langer
Brief, mit den vielen Details ausreichen würde.
Er erzählte davon, wie es zu Missverständnissen innerhalb der LGT
gekommen wäre. Einmal hiess es, Kieber hätte die Daten nicht, dann
hiess es er hätte sie doch und so weiter, sagte er mit Unterstützung
seiner Arme. Ich entschuldigte mich für die Ungenauigkeit meines
Schreibens. Ich fragte ihn, ob es wirklich keine personellen
Konsequenzen für meine ehemaligen Mitarbeiter gab. Hoffentlich sei
niemand entlassen worden. Er bestätigte, dass niemand zur
Rechenschaft gezogen worden sei. Er würde aber lügen, hätte er nicht
411
mit dem Gedanken gespielt. Insbesondere dachte er an Dr. Feuerstein,
teile er mir mit.
Jetzt, da nichts passiert sei, müsse man aber wieder in die Zukunft
blicken. Das Geschäft laufe ausgezeichnet, sagte er wortwörtlich. Er
bedankte sich ausdrücklich dafür, dass ich dem Bankdirektor gegenüber
so beharrlich war und er deshalb die Papieroriginale wieder mit nach
Hause genommen hat. Anstelle man sie in den Reisswolf stopfte.
Ob ich mich versichert hätte, dass alle Datenträger unwiderruflich
zerstört sind. Nicht dass sie jemand finden würde und die Daten
rekonstruiert, sagte er. Ja, ja die Daten, sagte ich, Gott sei Dank wäre ich
die los.
Er fragte mich, ob die Daten der Mandate seiner grossen Familie, sei es
als Begünstigte oder z.B. im Stiftungsrat, je in Gefahr gewesen waren.
Nein, sagte ich. Es wäre so gewesen, wie ich es in meinem Brief an ihn
vom 7.1. geschildert hatte. All diese Mandate wären nicht auf den zwei
externen Harddisks und den vier DVDs gespeichert gewesen, aber auf
dem DLT-Band natürlich vorhanden waren. Er konterte mit der
Diagnose der IT-Abteilung der LGT Treuhand, die ihm gesagt hätte, eine
Trennung solcher Mandate von der Masse sei nicht möglich. Ich war
sehr erstaunt darüber und erklärte ihm, nichts sei einfacher als das.
Wenn man eine Kopie von einem Datenstamm herstellt und man
diverse Dateien nicht in dieser Kopie (auf neuem Datenträger) haben
möchte, dann kopiert man sie einfach nicht rüber. Was nie rüberkopiert
worden war, kann auch nie dort gefunden werden.
Er war mit meiner Antwort merklich zufrieden.
Warum ich in Berlin nicht in seinen Wagen eingestiegen bin, fragte er
weiter. Ich konnte nicht. Ich wäre mir sicher gewesen, dass eine so frühe
Rückkehr ein anderes Resultat gebracht hätte, als wir es jetzt erlebt
hatten und erleben würden. Warum ich ausgerechnet nach Holland
weitergefahren bin, fragte er mich. In Berlin konnte ich nicht mehr
bleiben, erwiderte ich. Nachdem ihre berühmte Option 2 oder Variante 2
in Kraft getreten war, sagte ich. Hätte man mir die Schutz-ID in Berlin
überlassen, wäre alles viel leichter für mich gewesen. Das Risiko war
enorm, mit den Originalpapieren und den Datenträgern kreuz und quer
durch Europa zu reisen. Ich hätte ihn aber per Emailkommunikation
darauf hingewiesen, dass er und die LGT dieses zusätzliche Risiko
tragen müssten, erlaubte ich mir zu erwähnen.
412
Ja, sagte Hans-Adam, im Rückblick hätte er mir den Schutz-Pass in
Berlin übergeben sollen. Nie im Leben würde ich ihm deswegen
Vorwürfe machen, sagte ich ihm. Uns allen hier in Vaduz kam die
Vorstellung, wie ich mit den Angaben zu knapp 4000
Treuhandgesellschaften mit einem kombiniertem Bankvermögen von
mehr als 7 Milliarden CHF in Berlin herumrenne, wie der Beginn des
letzten Abendmahls vor, formulierte er es bildhaft.
Ich fragte vorsichtig, ob ich diesbezüglich ein paar Anekdoten erzählen
dürfte. Gerne, er habe heute für alles ein offenes Ohr. Ich berichtete ihm
über meine Vermieterin Daniela in Berlin, ihre Ängste ich könnte ein
Terrorist sein. Und über den Polizisten aus Münster/Osnabrück.. Da
Hans-Adam sein Glück fast nicht fassen konnte, legte ich noch eines
drauf und illustrierte ihm mein Aufeinandertreffen mit den
angeheuerten Schnüfflern in Berlin.
Nachdem er tief Luft geholt hatte, sagte er mit grosser Erleichterung,
dass wir alle nochmals mit einem dicken veilchenblauen Auge
davongekommen waren. Ich nickte beipflichtend. Und der Zwischenfall
in Berlin mit den Privatdetektiven wäre nicht seine Idee gewesen. Ich
konnte ihn verstehen. Ich hätte an seiner Stelle vermutlich dasselbe
getan, sagte ich etwas gedrückt. Ich fragte ihn, ob es stimme, dass man
sich mit dem Gedanken befasst hatte, mich mit Gewalt nach Hause zu
holen. Oder mich ganz zu beseitigen. Sofort nachdem ich diese Fragen
artikuliert hatte, bereute ich sie gestellt zu haben. Ich war mir sicher,
dass er mir darauf keine ehrliche Antwort geben würde, geben könnte.
Der Bankdirektor und sein Gilbert Kaiser hätten sich diesbezüglich klar
geäussert, fügte ich fix dazu, um nicht den Eindruck zu hinterlassen,
dass ich ihm offen und direkt solche gangstermässigen Pläne
unterstellen würde. Er hielt inne und dachte nur kurz nach. Offenbar
fühlte er sich sehr (selbst-) sicher und es war ihm auch bewusst, dass,
was immer er jetzt dazu sagen würde, er es einmal und nie wieder in
Worte fassen würde und es unter uns bleiben würde. Man sah es ihm
geradezu im Gesicht an, dass er als Landesführer, als Mensch, wohl noch
nie in eine solche Lage geraten war, die in soweit bringen würde,
überhaupt auf solche Fragen eine Antwort zu formulieren.
Trotzdem war seine Antwort glasklar: Obwohl er als Katholik
Gewalttaten wie Kidnapping oder ähnliches ablehnen würde, hätte ich
ihm mit meinem Handeln nur zwei Optionen offen gelassen. Nie würde
er es zulassen, dass sein Geschäftsimperium einen Schaden erleiden
413
würde. Natürlich sei es klar, fuhr er fort, dass wenn der Schaden gross
wäre, die davon am schwersten Betroffenen ihr Recht, den Schuldigen
aus der Welt zu schaffen, in die eigenen Hände nehmen würden. Dies sei
eine rein theoretische Frage, erwiderte er, da ja keine Daten verraten
worden waren. Aber wären die Daten wirklich verraten worden, dann
wäre eine solche drastische Massnahme – von wem auch immer durchaus evident, schloss er seinen Vortrag dazu. Wobei er sich keine
Mühe gab zu verbergen, wen er mit den Schwerstbetroffenen meinte.
Seine Sippe.
Das Dümmste was ich dazu sagen konnte, hörte er dann auch von mir:
Aha, ich verstehe ganz – kann ich zu 100 Prozent nachvollziehen, sagte
ich. Wie blöd von mir, stellte ich in Gedanken fest. Als würde ich eine
solche Massnahme auch noch selber befürworten. Besser in dieser
Richtung nicht tiefer bohren, dachte ich.
Da ich spürte, dass man mit ihm wirklich Klartext reden konnte und ich
das Gespräch von meinem Handeln wegleiten wollte, wagte ich mich vor
und erwähnte seine Leichen im Keller. Schliesslich waren wir zwei
alleine im Raum. Ich schilderte, wie erstaunt ich gewesen war, bei der
LGT nicht nur Leichen gefunden zu haben, sondern auch aktive Mandate
identifizieren konnte, die im starken Kontrast stand zu dem gängigen
Bild was die (Finanz-) Welt von der LGT hatte und die LGT selber
pflegen würde. Dass nicht nur ich, auch andere Mitarbeiter des Projekts
e-Doc aus allen Wolken gefallen wären,als wir die vielen Mandate mit
kriminellem Hintergrund gefunden hätten.
Er äusserte sich dahingehend, dass ich schon verstehen müsse, dass er
selber nie alle Mandate persönlich kennen könnte. Sein Bruder aber
schon, meinte ich frech. Ich sagte auch, dass ich weder ihn noch die LGT
kritisieren wolle.
Ich fragte ihn, ob man mittlerweile so klug gewesen wäre und sich jener
Mandate entledigt hatte. Nein, war die kurze Antwort. Hans-Adam
erklärte dazu, dass was im Ausland als kriminell gelten würde, nicht
automatisch bei uns so sei. Na, wenn dem so sei, dann lasst uns nur
hoffen, dass die Daten nie den ausländische Behörden in die Hände
fallen, erwiderte ich.
Um das Gespräch weg von solchen Horrorszenarien zu bringen, bat ich
ihn, mir das 3-D-Modell des Kerkers in Argentinien zurückzugeben. Der
414
UR Dr. Meier hätte mir gestern gesagt, dass es nicht zum Gericht
gebracht wurde. Ach ja, die grosse Schachtel, sagte Hans-Adam, die habe
er entsorgen lassen. Man wusste nicht wohin damit im Schloss. Ich
dachte zuerst es wäre ein blöder Scherz von ihm. Aber nein, leider nicht,
sagte er.
Mich traf es sehr. Er war dann auch über den Schock, den seine Antwort
im mir auslöste, sehr betroffen. Es tue im Leid, aber in der Anfangsphase
wäre man sehr wütend auf mich gewesen. Das Modell wäre ein
wichtiges Beweisstück, sagte ich, für den Gerichtsprozess. Wie konnte er
es da wegwerfen? Warum man es nicht runter zum Gericht habe bringen
können, fragte ich. Er wisse es nicht mehr. Mir kamen die Tränen und er
wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Er bestellte
Papiertaschentücher bei seiner Sekretärin.
Um die Stimmung wieder zu heben, erzählte er mir, dass er den 101er
und der 140er selber studiert hätte. Grausam was mir dort angetan
worden war. Er kenne Südamerika gut. Abscheuliche Dinge passieren da
immer wieder. Von diesem Spanier Ventosa und dem Deutschem,
Roegele heisst er, nicht wahr? Ich würde ihm Leid tun, sagte er wieder.
Wenige Menschen hätten solchen Terror ohne einen psychischen
Schaden überlebt. Ich wusste nicht genau, wie ich diese wortwörtliche
Aussage von ihm deuten sollte. Meinte er damit, ich hätte einen
Dachschaden davongetragen, oder meinte er ich hätte keinen.
Egal, Böse hatte er sicher nicht gemeint, dachte ich.
Ich fragte ihn vorsichtig, warum der neue RA Müller noch nicht beim
Gericht in diesen zwei Fällen vorstellig geworden sei. Er selber sei leider
kein Jurist, antwortete er. Oft hätte er sich dies in der Vergangenheit aber
gewünscht, sagte er in Anspielung auf die verbittert geführte
Auseinandersetzung im Abstimmungskampf um die neue Verfassung.
Er führte weiters aus, dass ihm seine Experten auch bescheinigt hätten,
dass mir Unrecht geschehen war. Die STA hätte ohne Schwierigkeit
Anklage erheben können. Ob das Kriminalgericht in der Folge die Täter
verurteilt hätte, stünde in einem anderem Buch, sagte er. Ich stimmte
vollkommen mit ihm überein. Ich sagte, dass die STA die ganzen Jahre
hindurch stets eine andere Ausrede gesucht und gefunden haben muss,
um im 101er nicht vorwärts zu kommen.
415
Auf einmal piepste es aufdringlich aus Richtung des alten Schrank oder
der Kommode nahe dem Kasten.. Ich erschrak. Er stand auf,
entschuldigte sich und verliess den Raum. Ich sass da und dachte über
das bisher gesprochenen nach. Dann kam mir der Gedanke, dass er
womöglich das Gespräch heimlich aufzeichnen lässt. Darum der
Piepston. Die Tonbandkassette voll oder das Digitalaufnahmegerät hatte
keinen Saft mehr.
Es vergingen zwei oder drei Minuten, dann kam er wieder rein und
setzte sich auf seinen Platz. Er würde gerne jetzt über meine Zukunft
reden, sagte er. Das wäre wünschenswert, erwiderte ich. Er erzählte mir,
dass er folgenden Plan habe. Ihm sei es angeblich nicht gelungen, die
Justiz davon zu überzeugen, dass man den 140er Gerichtsfall und die
Strafuntersuchung im Zusammenhang mit meinem Brief an ihn einstellt.
Noch bis Anfang dieser Woche hätte er Gespräche deswegen geführt.
Als er merkte, dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall
ansetzen wollte, unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn
bitte ausreden zu lassen. Wegen der ganzen Angelegenheit hätte sich bei
der Justiz und der STA ein gewisser Level an Ressentiments (Groll,
Hass) mir gegenüber aufgebaut. Diese Hass sei zwar keine ideale,
professionelle Berufsauffassung, dennoch führe kein Weg daran vorbei,
die Affäre ein für alle mal, hier und jetzt in Vaduz zu beenden.
Er müsse den involvierten Parteien, der Justiz eine gewisse Lösung
anbieten, wobei sie ihr Gesicht nicht verlieren. Ein Ablassventil
sozusagen, um der angestauten dicken Luft die Gelegenheit zu geben,
kontrolliert entweichen zu können, erklärte er mir buchstäblich. Unter
kontrolliert würde er mit „minimalem Schaden für mich‚ meinen,
ergänzte er. Ich hatte eher das Gefühl, dass er das Ventil braucht, um
seine angestaut Pressluft loszuwerden. Er war noch nicht fertig mit der
Ausführung seines Plans.
Da die Anklage im 140er rechtskräftig wäre, würde man die neu dazu
gekommenen Straftaten, wie die versuchte Nötigung seiner Person mit
dem 140er zusammenlegen und alles in einem raschen Verfahren
gerichtlich abschliessen. Ich müsste es von der positiven Seite sehen.
Ich konnte nicht mehr ruhig sitzen bleiben und bombardierte ihn mit
Fragen. Seit wann wäre die Anklage im 140er rechtskräftig? Warum
wurde mir nichts davon gesagt? Warum wurde mir von seinen zwei
Gesandten etwas ganz anderes in Holland aufgetischt? Als er merkte,
dass ich wieder zu einem fast nie endenden Redeschwall ansetzte,
416
unterbrach er mich gleich zu Beginn und bat mich, ihn bitte ausreden zu
lassen.
Zudem würde ich nicht verstehen, warum er sagt, dass er die Justiz von
einer Einstellung der Verfahren nicht überzeugen konnte, wenn er doch
Kraft der Verfassung jedes Gerichtsverfahren in Liechtenstein eröffnen,
wiedereröffnen oder einstellen kann.
Er wisse dies alles, erwiderte er zu meinem erstaunen. Aber, a-b-e-r, das
Endresultat wäre dasselbe. Warum, fragte ich. Sie wollen doch das alles
rasch hinter sich bringen, nicht wahr, fragte er mich und fuhr fort, ohne
auf meine Antwort zu warten. Meine eigene Position in der Verfolgung
der Täter von Argentinien würde immens an Stärke gewinnen, wenn
vorher alle anderen Fälle juristisch abgeschlossen waren, sagte er und
fügte folgende Argumentation an: Wir hätten hier zwei Optionen. Wir
könnten die Spanier nochmals anfragen, ob die den bei Gericht in
Barcelona hängigen Fall an uns abtreten würden, oder wir könnten die
in Spanien vorgeworfene Tat bei unserem Gericht selber behandeln (dem
140er) und das Resultat an die Spanier übermitteln.
Aufgrund der Vereinbarung mit der spanischen Justiz würde das
Gericht in Barcelona unser Urteil anerkennen und somit den Fall dort
schliessen. Was bedeuten würde, dass endlich, nach so vielen Jahren,
auch der spanische Haftbefehl gegen mich aufgehoben würde. Dies
leuchtete mir ein. Er habe das Gericht und die STA angewiesen, diesem
Fall nun die höchste Priorität zu geben, sodass alles am Ende dieses
Jahres erledigt sein würde. Ende des Jahres, sagte ich entsetzt und
schüttelte den Kopf hin und her. Unmöglich! Und sowieso, welches
Resultat würde er sehen, fragte ich ihn. Da ich mich vehement gegen die
Beschuldigungen im 140er wehren würde, würde sich dieser Fall über
Jahre durch alle Instanzen ziehen. Insbesondere weil die
verurteilungssüchtige STA mit einem möglichen Freispruch nicht
zufrieden sein wird.
Er hätte dies mit seinen Experten auch bedacht. Ich befände mich in
einer aussergewöhnlich optimalen Lage, sagte er. Da der Plan vorsah,
den 140er mit den neuen Vorwürfen zusammenzulegen, könne ich ein
mildes Urteil erwarten. Mein Vorstrafenregister beim Gericht sei ja leer.
Tatsache wäre auch, dass ich keinen Schaden für ihn und Liechtenstein
verursacht hätte, freiwillig nach Hause gekommen war und Reue gezeigt
417
hätte. Dies alles würde das Gericht berücksichtigen müssen. Sollte dies
nicht der Fall sein, würde er sofort vorstellig werden. Ich war, was selten
vorkam, sprachlos.
Natürlich, so empfahlen es ihm angeblich seine Experten, könne dies
alles nur reibungslos und in einer überschaubaren Frist passieren, wenn
ich mich bei der Gerichtsverhandlung nicht gross äussern würde. Am
Besten sei es, wenn ich mich zu allem schuldig bekenne, sagte er. Ich
musste zehn Mal leer schlucken. Wie bitte? Ich musste erst die Worte
verdauen. Weiss mein neuer RA davon, fragte ich ihn. Ja, sagte er. Alles
sei mit ihm so diskutiert worden.
Das ich mich im Bezug auf die neuen Vorwürfe (resultierend aus dem
Brief an ihn vom 7.1.) schuldig bekenne, könnte ich mir wage vorstellen.
Es komme aber darauf an, was mir konkret im Gericht dazu dann
vorgeworfen würde, sagte ich. Ein undurchdachtes „sich schuldig
bekennen‚ könnte schwere Konsequenzen für mich haben, stellte ich
fest. Aber unter keinen Umständen, auf keinen Fall würde ich mich im
140er schuldig bekennen. Ob hier alle verrückt geworden wären, fragte
ich ihn und entschuldigte mich sofort für diese Frage. Das ergibt doch
alles keinen Sinn! Nach über sechs Jahren Widerstand gegen die falschen
Behauptungen, soll ich aus heiterem Himmel eine 180°-Drehung machen
und mich ohne Kommentar einfach schuldig bekennen? Wer das von
mir verlangen würde, hätte nichts von dem verstanden, was ich
anprangert hatte. Es wäre mir bewusst, dass meine Karten im Moment
nicht gut sind, sagte ich. Der Grund dafür waren die Fehlurteile der
Justiz hier.
Recht haben und vor Gericht Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe,
belehrte er mich. Und manchmal mache es doch keinen Sinn, auf die
ultimative Wahrheit zu pochen. Und wie man sich die Anklage im 101er
vorstellen würde, fragte ich ihn dann. Es wäre doch absurd, wenn ich
mich im 140er ohne weiteren Kommentar für schuldig bekennen würde
und im nächsten Atemzug eine Anklage gegen die Verbrecher Helmut
Roegele & Co. vorgelegt würde. Der Anwalt von Helmut würde sich
doch kaputtlachen und die Anklage in der Luft zerreissen. Hans-Adam
hatte auch darauf eine Antwort. Seine Rechtsexperten wären der
Meinung, dass ein Schuldbekenntnis im 140er absolut keinen Einfluss
auf eine Anklage im 101er hätte. Beide Fälle wären juristisch getrennt
behandelbar. Ich widersprach scharf.
418
Und was ist mit dem blockierten Geld, fragte ich. Würde ich mich im
140er schuldig bekennen, bedeute dies automatisch, dass meine Folterer
das Geld bekommen. Nein, noch schlimmer Helmut würde alles
bekommen. Dank dem Urteil vom Gericht in Vaduz könnte er einen
doppelten Sieg feiern, über mich und über seinen Komplizen Mariano
M.-V. R, mit dem er die Beute nicht mehr teilen müsste.
Auch dazu hatte er sich eine rechtliche Meinung einholen lassen, sagte
er. Er versprach mir dass er sofort nach Abschluss einer erfolgreichen
Strafverfolgung auch helfen würde, die Gelder durch ein Zivilverfahren
am Wohnort von Helmut wieder zurückzuholen. Koste es was es wolle.
Weiters fragte ich ihn, wie dies alles praktisch ablaufen sollte. Was
würde passieren, wenn mich das Gericht, nach einem sensationellen
Schuldbekenntnis ins Gefängnis wirft? In der Sekunde, in der ich diese
Frage beendet hatte, begriff ich die Bedeutung des Satzes im Beschluss
zum Freien Geleit: „Der Antragsteller kann bis zu einer erstinstanzlichen
Verurteilung auf freiem Fuss bleiben.‚
Ich schilderte Hans-Adam meine Befürchtung, dass man mich ins
Gefängnis werfen würde und ich nie die Zeit, Kraft und Chance hätte,
die wichtige Anklage gegen die Verbrecher mitzuerleben. Jetzt wäre mir
auch klar, warum der neue RA Müller nicht für die Fälle 140 und 101
nominiert worden war, fügte ich konsterniert bei.
Hans-Adam wurde etwas ungeduldig. Er sehe nicht, warum mich ein
Gericht zu einer Haftstrafe verurteilen sollte. Zudem hätte er Mittel und
Wege zur Hand, dies zu verhindern. Es würde keinen Zweck haben, jetzt
auf Paragraphenreiterei zu pochen. Es wäre doch das Beste, wenn ich
endlich über die Kombination Argentinien und Liechtenstein hinweg
kommen würde. Ich sah ihn mit ganz offenen Augen an und fragte, was
er damit meine. Er offenbarte mir, dass nicht nur er aufgrund meines
gestörten Verhältnisses zur STA und der Justiz eine ganz kleine
Erfolgsaussicht sehen würde, die Verbrecher ihre verdiente Strafe hier in
unserem Land erhalten würden.
Ich erkannte sofort, worauf er hinaus wollte. Diese Worte waren zu viel
für mich. Ich entschuldigte mich höflich, stand auf und lief zur Türe. Auf
dem kurzen Weg dorthin bedankte ich mich nochmals für seine Mühe,
Gnade und sein Verständnis. Ich sagte ihm, dass ich es ihm nicht übel
nehme, dass er mich mit Versprechen nach Hause gelockt hat, die er jetzt
offenbar nicht einhalten konnte oder wollte.
419
Herr Kieber, Herr Kieber, b-l-e-i-b-e-n sie hier, rief er. Mir war die ganze
Situation peinlich. Er konnte ja wirklich nichts dafür, was 1996 in
Spanien und 1997 in Argentinien passiert war. Selbst im Hinblick auf
seine LGT, die absolut keine saubere Weste hatte, wer war ich, ihm
etwas vorzuwerfen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, dem vertraut wurde, der
dann Daten mitgenommen hatte. Ich stand für ein paar Sekunden still
und dachte blitzschnell nach. Sollte ich jetzt rausgehen oder sollte ich
bleiben. Besser ich bleibe, dachte ich. Ich setzte mich wieder.
Hans-Adam sagte, dass er selbstverständlich seine Zusagen und
Versprechungen halten würde. Sonst würde er sie erst gar nicht
aussprechen und überbringen lassen. Ich sollte ihn einfach mal fertig
ausreden lassen, was den Plan betreffen würde. Er habe nach sorgfältiger
Prüfung festgestellt, dass das Einsetzten oder Bestellen eines
Sonderstaatsanwaltes sowie die Benennung eines ausserordentlichen
Richtergremiums in LIECHTENSTEIN kein Vorteil (für mich) bringen
würde. Warum, stellte er gleich selber die Frage. Weil wir da auf zu
starke Widerstände treffen würden, sagte er.
Ich begriff nichts mehr. Seine Experten kamen zum Schluss, dass das
angestrebte Ziel, die Verbrecher von einem Kriminalgericht erfolgreich
verurteilen zu lassen, viel besser in den Wohnsitzländern der Täter
erreicht werden könnte. Das waren Deutschland, Spanien und
Argentinien. Die Straftaten seien Offizialdelikte und sehr gut
dokumentiert, die Beweislage exzellent. Mit der Verpflichtung der besten
Rechtsanwaltskanzleien vor Ort wären die Täter schon mit einem Bein
im Gefängnis. Der genaue Aufenthaltsort der Täter könnte
gegebenenfalls mit Hilfe von privaten Ermittlern ausfindig gemacht
werden.
Hans-Adam sagte, er würde auch anerkennen, dass die Mühlen der
Justiz in Argentinien sehr langsam mahlen würden. Für Spanien und vor
allem Deutschland sehe er keine solchen Probleme. Die meiste Zeit
wurde ja bei der Liechtensteiner Justiz vergeudet. Seit der Anzeige sind
über sechs Jahre vergangen, rechnete er mir laut vor. Das würde doch
zeigen, dass unser System nicht das schnellste wäre. Ich konnte ihm da
nur leise und kopfnickend zustimmen. Natürlich wäre dies alles mit
enormem finanziellem Aufwand verbunden, zitierte er die Worte der
Experten.
Die Sekretärin klopfte an die Türe und meldete einen Anrufer für HansAdam. Dieser stand auf und ging raus. Vorher sagte er noch, dass ich
420
mir die Angelegenheit doch ein paar Minuten durch den Kopf gehen
lassen soll. Langsam verstand ich die Erläuterungen von Hans-Adam.
Denkbar, dass er Recht hatte. Er hat sicher nur Topakademiker um Rat
gefragt, sagte ich zu mir selber. Als er zurückkam, erzählte ich ihm, dass
im 101er ja noch der Entscheid des Obergerichts ausstehen würde. Ja, er
wisse dies, sagte er und erklärte mir: Selbst wenn meinem Antrag auf
Fortführung der Strafuntersuchung stattgegeben würde, oder – was von
Anfang an der Fall hätte sein sollen – die STA in Vaduz die Anklage
erhoben hätte - würde dies nicht bedeuten, dass die Täter freiwillig vor
dem Kriminalgericht erscheinen würden.
Haftbefehle für die Täter wären dann der nächste logische Schritt. Ob
das Ausland die Täter nach Liechtenstein ausliefern würden, stehe in
den Sternen. Wenn ich es wünschte, könnte er der Justiz den Auftrag
geben den 101er Gerichtsfall an die Justiz der betroffenen Länder
abzutreten. Nein, nein, rief ich. Das dauert sicher wieder zu lange. Besser
wäre es doch zumindest parallel dazu, eine Anzeige bei den
Bezirksgerichten des Wohnorts jedes einzelnen Täters einzureichen.
Oder, fragte ich.
Ja, das meine er ja gerade, jubelte er. Natürlich wäre es mir freigestellt,
diesem Plan zuzustimmen. Was er als sehr wünschenswert empfinden
würde. So wie die Lage sich heute zeige, sagte er. Der Plan wäre
durchführbar.
Wer garantiere mir, sagte ich zu ihm, wer garantiere mir, dass wenn ich
alle weiteren Forderungen von ihm erfüllen würde, wie zum Beispiel ein
Pauschal-Schuldbekenntnis der zusammengelegten Vorwürfe, und wenn
ich mich zudem so verhalte, wie es von ihm gewünscht wird, wer
versichere mir, dass man nachher immer noch zu mir stehe würde und
der Gerechtigkeit ihren Erfolg bringen würde? Von dem blockiertem
Geld in Österreich kann ich mich endgültig verabschieden, sollte ich im
140er ein Schuldbekenntnis abliefern, sagte ich. Meine restlichen eigenen
Mittel würden nie und nimmer ausreichen, um gleichzeitig in mehreren
Ländern Topanwaltskanzleien zu bezahlen. Oder würde das Land
Liechtenstein die Kosten übernehmen, fragte ich idiotisch.
Er holte tief Luft und lieferte die bedeutendste Antwort, die ich je von
ihm gehört hatte: Er, Johann Adam II. garantiere es mir. Er erkenne an,
dass ich alle bisherigen Forderungen erfüllt hatte. Ich sei zwar länger als
421
ertragbar im Ausland geblieben, aber ich hätte mein Versprechen
gehalten und niemanden verraten. Es habe ihn auch stark beeindruckt,
dass ich kein Erpresser wurde, ganz im Gegensatz zu Lampert. Er
versichere mir, dass er alles was in seiner Macht stehe unternehmen
werde, um eine Strafanzeige gegen die Verbrecher in meinem Sinne
voranzubringen. Er habe sehr gute Regierungskontakte nach Spanien
und Deutschland. Als Dank für meine Loyalität übernehme er auch ohne
zeitliches oder betragsmässiges Limit alle Kosten die in diesem
Zusammenhang anfallen würden.
OZA-
Er gebe mir sein Wort dafür. Er gebe mir sein WORT
-OZE
Ich war wie gelähmt. Unser Staatsoberhaupt, mein Staatsoberhaupt gab
mir sein Wort. Gab mir sein Wort. Mir sein Wort. Sein Wort. W-O-R-T.
Es war kein Ehrenwort, nein. Ein Ehrenwort kommt von einem
Ehrenmann. Und Hans-Adam war keiner. Er war mehr. Seine Institution
war höher, die höchste Instanz im Lande, für mein Leben sowieso. Nicht
dass ich dachte, er wäre wirklich an dritter Stelle: zuerst Gott, dann der
Papst und gleich danach er. Mir reichte es, wenn er dies glaubte.
Um es für meine deutschen Leser und Leserinnen symbolisch
aufzuzeigen. Das Wort von Hans-Adam hat soviel Bedeutung für uns
Untertanen, wie – auf Deutschland umgelegt – das Wort von
Bundeskanzlerin Frau Angela Merkel und Bundespräsident Herr Horst
Köhler zusammen. Ohne, dass ich die zwei ausserordentlichen Politiker
und Menschen mit dem Charakter eines Hans-Adam vergleichen will.
Ob ich dies schriftlich haben könnte, witzelte ich ohne eine Antwort zu
erwarten. Er forderte mich auf, niemandem von unserem Gespräch
etwas mitzuteilen. Er würde es sehr ungern sehen, wenn
Aussenstehende wie die Justiz oder die STA von unserem
Gesprächsinhalt erfahren würden. Er bat mich auch, keine Details zu den
Mandaten der LGT preiszugeben. Ich wunderte mich über diesen
Wunsch und sagte, wer sollte mich dazu befragen.
422
Der erste Schritt in diesem Plan wäre meine Einvernahme morgen beim
Untersuchungsrichter, antwortete er. Untersuchungsrichter? Morgen?
Ich wüsste von nichts, sagte ich. Hans-Adam meinte, dass ich morgen
um 9 Uhr einen Termin beim Untersuchungsrichter habe. Aha, sagte ich
und zuckte mit den Schultern. Ich erzählte ihm, dass ich Gerüchte gehört
hatte, dass ausgerechnet der STA Haun für die Strafuntersuchung der
neuen Vorwürfe eingesetzt wurde. Hans-Adam sagte, er wisse dies nicht
genau, würde aber aufgrund der Vorgeschichte mit mir übereinstimmen,
dass dies mir gegenüber nicht fair wäre. Er betonte aber, dass ich den
Haun ignorieren solle, dieser hätte nichts zu sagen und stelle kein
Hindernis für mich dar.
Er schaute auf seine grosse Armbanduhr und mit einem Seufzer sagte er,
dass das Gespräch länger gedauert hatte, als ursprünglich geplant war.
Er müsse sich leider verabschieden, wichtige Geschäfte warteten auf ihn.
Er erwähnte noch, dass ich ihn jederzeit anrufen könne, wenn mich
etwas bedrücken sollte. Ansonsten wäre ja der Professor auch noch für
mich da.
Er bat mich ihn auf dem Laufenden zu halten. Und er wünschte mir für
die Arbeitssuche alles Gute. Mit einem Schmunzeln sagte er, dass er
davon ausgehe, dass ich mich bei keiner Bank oder Treuhand bewerben
würde. Nun, ich fange morgen bei der LLB an, scherzte ich. Dort sei ja
eine Stelle frei. Er musste auch lachen. Als wir beide aufstanden, merkte
ich, dass er und ich sehr verschwitzt waren. Hans-Adam sah wohl, dass
ich etwas wacklig auf den Beinen war und bot mir an, von Kaiser nach
Hause gefahren zu werden. Ich lehnte dankend ab und wollte lieber an
der frischen Luft runter ins Dorf laufen.
Ich durfte den Weg zum Tor alleine hoch laufen. Wieder ausserhalb der
Schlossmauern, bog ich links ab und nahm den Weg runter durch den
Wald ins Städtle nach Vaduz. Auf halber Strecke des Fusswegs setzte ich
mich auf den Rand eines Brunnen. Ich wollte, ich musste nachdenken.
In der ganzen Diskussion von 1 Stunde und 50 Minuten hatte ich ihm
gegenüber immer die Wahrheit gesagt. Mir einer einzigen Ausnahme.
Als er mich fragte, ob nun alle Datenkopien vernichtet seien und ich
keine mehr hätte, musste ich ja sagen. Er glaubte es mir. Natürlich
konnte (und kann) ich nicht in seinen Kopf hineinschauen.
423
Aber selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt noch den kleinsten, logischen
Verdacht gehabt hätte, dass ich als eine Art Selbstschutz eine Kopie für
mich behalten hatte, dann muss sich diese Befürchtung innerhalb
weniger Wochen oder Monate in Luft aufgelöst haben, sonst hätte er sich
nicht so benommen, wie er es in den Monaten und Jahren die folgten,
gezeigt hatte.
Zu Hause angekommen, rief ich den Bankdirektor auf dem Handy an.
Er fragte wie es gegangen sei. Super sagte ich. Er war froh, dass die
ganze Familie wieder an einem Tisch sass. Eigentlich wollte ich den
Professor auch anrufen. Aber seine echte Nummer hatte ich ja nicht. Ich
weiss nicht warum, aber diese Nummer wurde mir nie mitgeteilt.
Vielleicht wollte der Professor dies nicht.
Der Kontakt war ausschliesslich über den Bankdirektor möglich. So bat
ich diesen, dem Professor meine Grüsse auszurichten. Er kündigte an,
dass er, ebenso wie der Professor im August/September in die Ferien
verreisen würde. Schön für sie, sagte ich. Am Abend notierte ich, wie so
vieles in den letzten 10 Jahren, die Details vom heutigen Gespräch mit
Hans-Adam in meinem Taschenbuch.
424
KAPITEL 21 Blutspur auf den Rheindamm
Am nächsten Tag, den 10.7., sass ich pünktlich um 9 Uhr bei einer
Untersuchungsrichterin im dritten Stock des Gerichts, Zimmer 23. Ich
kannte sie von meiner Jugend in Schaan. Eine schöne Frau. Ich wusste
nicht, dass sie eine Untersuchungsrichterin geworden war. Daher
gratulierte ich ihr erstmals. Ich hatte mich nicht auf die Befragung
vorbereitet. Warum auch? Gemäss Hans-Adam wäre ja alles nur eine
Formsache. Auf die Hälfte der Fragen gab ich dem Wunsch von HansAdam und der LGT entsprechend keine Antworten. Weil es Fragen nach
den (technischen) Details zum Datendiebstahl oder grob zum Inhalt der
Daten selber waren.
Irgendetwas musste der jungen UR aufgefallen sein, da sie mich fragte,
ob die ihr vorliegende Kopie meines Briefs vom 7.1. so vollständig sei.
Sie zeigte mir die Kopie. Ich erkannte sofort, dass mehrere Seiten fehlten.
Da die Justiz diese Kopie vom Schloss erhalten hatte, war mir gleich klar,
dass Hans-Adam hinter der Schrumpfung des Umfangs stecken musste.
Also sagte ich zu ihr, dass dies alles war, was ich nebst der besprochenen
Kassette, dem 3-D-Modell und der dicken Schachtel mit den Kopien von
Gerichtsunterlagen zum Argentinienfall dem Hans-Adam Anfang
Januar hatte habe zukommen lassen.
Nach Abschluss der Einvernahme wollte die UR mir über ihre Sicht der
Dinge erzählen. Zuerst dachte ich, dass meine Abenteuer in Berlin und
Holland die schrillsten waren. Als sie aber anfing aus dem Nähkästchen
zu plaudern, traute ich meinen Ohren nicht. Wirklich filmreif, was sich
da in Vaduz zugetragen hatte. Sie konnte von aberwitzig wechselnden
Haftbefehlen, von einer Krisen- oder Kriegkommandozelle und von
Abhörmassnahmen zu berichten.
Wie so oft in den folgenden Monaten, waren die Zungen meiner
ehemaligen Gegenseite locker. Weil alle so erleichtert waren, dass die
Katastrophe nicht eingetreten war. Es war das Gefühl einer Befreiung
für sie. Auch hatte ich Glück und konnte fast immer die richtigen Fragen
stellen, sobald ich einen Verdacht schöpfte oder mich etwas stutzig
machte.
Am Freitag, den 11.7., entschloss ich mich, beim Polizeichef Jules Hoch
vorbei zu gehen. Liechtenstein ist ein kleines Land. Spontanbesuche sind
oft kein Problem. Ich lief die paar Hundert Meter von meiner Wohnung
rüber zum Polizeigebäude. Am Empfang fragte ich den Schalterbeamten,
ob Herr Hoch da wäre und eventuell Zeit für mich hätte für ein kurzes
425
Gespräch. Man telefonierte herum und liess mich dann durch die
doppelte Sicherheitstüre hindurch.
Herr Kieber, mein lieber Kieber, sagte Hoch, als er mir auf der Treppe
herunter entgegen kam. Er bat mich mit in sein Büro zu kommen. Er
habe gehört, dass ich wieder im Land sei. In einem freundlichen Ton
schilderte er mir das Chaos, das ich nach meiner Abreise verursacht
hätte. Ich sagte zu ihm, dass ich deswegen heute persönlich gekommen
wäre. Ich möchte mich bei ihm und seinem Team für den Stress
entschuldigen. Ich erzählte ihm, dass ich am Mittwoch eine Audienz mit
Hans-Adam auf dem Schloss hatte und ich mich dort auch entschuldigt
hatte. Hoch bedankte sich und fragte wie es mir ginge. Blendend,
erwiderte ich. Er erzählte mir, dass es eine surreale Situation, wie aus
einem Horrorfilm gewesen sei, als sie alle im Schloss vor dem
Kunstgemäldebunker standen. Niemand wusste, was sie dort erwarten
würde. Hans-Adam hatte Angst gehabt, ich hätte ihm seine kostbarsten
Bilder verätzt, übermalt oder zerschnitten. Als man den Hinweis
gefunden hatte, war Hans-Adam zuerst sprachlos und dann sehr
erzürnt, dass ich a) überhaupt einen Hinweis anbringen konnte und b) es
niemand gemerkt hatte. Darum war es sein Erstgeborener, der Zeit hatte,
nachzudenken, was wohl seinem Papa als erstes zur Wort- und
Zahlkombination einfallen würde. Hochzeitsreise, war dann das richtige
Resultat. Langweilig wurde es denen hier mit meinem Treiben nicht,
sagte Hoch zum Schluss. Ich war froh, auch hier wieder auf eine
allgemeine Erleichterung zu stossen. Ich fragte ihn ob er etwas über
Haftbefehle wüsste, einem Kriegsstab oder so etwas. Er verneinte. Für
mich nicht ganz überzeugend. Ich bedankte mich und versprach mich in
Zukunft zu benehmen. Das Gespräch dauerte exakt von 11:00 bis 11:55.
Anm.: Hoch erzählte mir natürlich nichts von den diversen Handlungen, zu
denen er vom KKZ beauftragt worden war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich
ausser den Kurzkommentaren der UR auch nicht mehr über das KKZ.
Zu Hause angekommen, schrieb ich meinem RA Müller einen Brief. Ich
schilderte ihm meine Einvernahme bei der UR. Ich äusserte mich auch
zum möglichen Interessenkonflikt, da ich immer noch Bedenken hatte,
ob er wirklich zu 100 Prozent meine Interessen vertreten würde, wenn er
quasi von meinem Gegner nicht nur bezahlt sondern offenbar auch
instruiert wurde.
426
Am Wochenende konnte ich mein altes Fahrrad, das ich eigentlich einem
Bekannten geschenkt hatte, wieder abholen. Damit war ich wieder
mobil. Ich genoss es auf den Rheindamm rauf und runter zu radeln. Ab
und zu fuhr ich ins schweizerische Sargans oder sogar bis nach Chur
hoch.
Am Mittwoch, den 16.7., machte ich einen Veloausflug bis an die
österreichische Grenze. Gerade als ich umkehren wollte, erreichte mich
ein Anruf einer Bekannten auf meinem Handy. Ich würde in der Zeitung
stehen. Im Liechtensteiner Vaterland. WAS, schrie ich. Warum? Wieso,
fragte ich. Ich befürchtete, dass irgendjemand eine Story über die
vergangenen sechs Monate gedruckt hatte. Dann kam mir in den Sinn,
dass keine der zwei Liechtensteiner Zeitungen wirklich Interesse haben
könnte, ein solches Drama publik zu machen. Schliesslich überleben
beide Publikationen seit Jahrzehnten nur dank des dicken Zuschusses
aus der Staatskasse. Beide Zeitungen sind das Organ einer der zwei
Volksparteien. Es sei ein Edikt publiziert worden, sagte sie. Irgendetwas
von einer Exekutionssache mit einem gewissen Herrn Helmut Roegele.
Mein Blut begann zu kochen. Ich bedankte mich für ihren Anruf und
fuhr fuchsteufelswild mit dem Velo vom Rheindamm runter ins nächste
Dorf, nach Ruggell. Dort kaufte ich mir die Zeitung. Ich war so nervös,
dass ich mich erst wieder auf dem Rheindamm traute, die Zeitung zu
lesen. Folgendes war mit dem Titel EDIKT abgedruckt.
An Herrn Kieber Heinrich, zuletzt in Neue Churerstr. 27, FL9496 Balzers, sind in der Exekutionssache Roegele Helmut vd:
Heinrich Concin u. a. Rechtsanwälte in Bludenz gegen Kieber
Heinrich die Beschlüsse vom 26. 2. 2003, OT Entfernt,
zuzustellen, mit welchen die ausländischen Titel für
vollstreckbar erklärt wurden und die Exekution bewilligt
wurde. Da der Aufenthalt der oben genannten Person
unbekannt ist, wird Herr Rechtsanwalt Dr. Burkhard Hirn,
Gilmstr. 2, 6800 Feldkirch zum Kurator bestellt, der sie auf ihre
Gefahr und Kosten vertreten wird, bis sie selbst auftritt oder
einen Bevollmächtigten namhaft macht. Bezirksgericht
Feldkirch, Abt. 5, am 18. 6. 2003
427
Anm.: Da mein alter RA HIRN nicht mehr für mich beim Gericht in Feldkirch
tätig war, musste das Gericht diese Anzeige publizieren; da sie keine
rechtsgültige „“Adresse“ meinerseits mehr hatte.
Verdammt, verdammt, verdammt noch mal, ich konnte es nicht glauben.
Ich war kurz vorm Explodieren. Was für ein Urteil vom 23.2.2003? Wieso
exekutierbar? Das letzte Wort in der Zivilsache war doch noch nicht
gesprochen, schrie ich in den Himmel. Ich musste sofort nach Vaduz. Es
war schon nach 16 Uhr und ich wollte noch den Bankdirektor in seinem
Büro antreffen. Ich drückte die Pedale so schnell es ging. Ich fluchte die
ganze Zeit. Und, man glaubte es kaum, wen sah ich auf einer Bank beim
Rheindamm, auf Höhe des Schaaner Sportplatzes sitzen. Es sass der UR
Dr. Paul Meier dort, neben sich sein Velo.
Ich bremste so stark, dass es ein paar Meter schwarze Gummispuren
gab. Ich warf mein Velo auf den Boden und ging zu ihm. Er war über
meinen Zustand sehr erschrocken und fragte nach, was denn los sei. Ich
zeigte ihm den Artikel und fluchte über alle. Ich hätte alles gemacht, was
man von mir verlangt hätte. Erst vor einer Woche hätte ich Hans-Adam
alles Mögliche zugestanden, sodass er, seine Regierung, seine LGT und
ihr, die Justiz, dass alle ihr Gesicht nicht verlieren würden, schrie ich.
Man hätte hochkarätige Anwälte für meine Sache eingespannt. Und was
jetzt, sagte ich. Aus einem Zeitungsinserat muss ich erfahren, dass es in
Bezug auf das blockierte Geld schon zu spät sein könnte. Niemand hätte
mir davon etwas gesagt. Alles nur Lug und Trug.
Dann, zum ersten und letzten Mal, verplapperte ich mich ein wenig. In
meiner Wut konnte ich mich nicht mehr beherrschen, ballte meine Fäuste
und sagte etwas im Sinne: Ich wusste es! Ich wusste es! Euch kann ich es
auch noch zeigen, kreischte ich. Ich stolperte und fiel ungebremst auf die
geteerte Rheindammstrasse. Meine beiden Knie bluteten stark. Ich fing
an zu schluchzen.
Der arme UR, er musste wohl gedacht haben, ich sei verrückt geworden.
Zu Recht, den nie hatte er mich so gesehen. Und auch ich selber erkannte
mich nicht mehr. Ich hyperventilierte stark. Er war sehr bemüht mich zu
beruhigen. Was ihm dann gelang.
Ich bat ihn um Verzeihung. Ich war froh, dass ich ausgerechnet ihn
getroffen hatte. Wer weiss, was ich in der LGT Bank angestellt hätte. Ihm
vertraute ich immer ganz. Wir redeten über die Angelegenheit und da
wir nicht in seinem Büro waren, also das Gespräch nicht in einem
offiziellen Rahmen stattfand, konnte ich ihm mehr Details erzählen. Ich
428
schilderte ihm, wie das Gespräch mit Hans-Adam abgelaufen war, was
ich alles in Berlin und Amsterdam erlebt hatte.
Als das Thema wieder auf den Zeitungsartikel kam, fragte er mich auf
einmal folgendes: Ob die LGT oder Hans-Adam mir nicht angeboten
hätten, meinen finanziellen Schaden, den ich seit der
Barcelonageschichte erlitten hatte, irgendwann zu vergüten. Typische
Liechtensteiner Denken – mit Kohle jeden Ärger aus der Welt schaffen,
sagte ich. Wenn die Gelder in Österreich verloren sind, dann sind sie halt
verloren, sagte er.
Ich erzählte ihm, dass mir einmal eine Art Geld für eine organisierte
Flucht angeboten wurde; als ich im Ausland war. Ich war aber nicht
darauf eingegangen, da ich sicher war, dass es eine Falle wäre, um mich
nachher als Erpresser abzustempeln. Zudem hatte ich nie um Geld
gefragt und würde solches nie annehmen. Ja, erwiderte der UR, er wisse
dies. Warum auch, sagte ich. Das blockierte Geld ist meines. Es wäre
rechtlich unmöglich, dass es der Verbrecher Helmut es bekommen
könnte. Ich war felsenfest davon überzeugt.
Was ich damit gemeint hätte, als ich geschrien habe, euch könnte ich es
auch noch zeigen, fragte er mich. Nicht der Rede wert, sagte ich. Es
wurde Zeit für ihn nach Hause zu gehen. Da meine beiden Knie noch
sehr schmerzten, schoben wir beide unsere Velos neben uns her.
Aus heiterem Himmel erwähnte er beiläufig, dass er sich vorstellen
könnte, wo ich eine Kopie der Daten versteckt halte. Er grinste dabei.
Wie bitte, dachte ich. Die sind ja alle paranoid mit diesem Thema. Denn
schon letzte Woche wurde ich mehrfach gefragt: am Donnerstag die
Untersuchungsrichterin, am Freitag der Polizeichef. Wo denn, fragte ich
frech. „Im Internet, nicht wahr?‚ meinte er. Ich musste lachen. Erstens
habe ich keine Kopie mehr. Zweitens müsse ihm doch klar sein, dass
selbst wenn ich eine hätte, ich sagen müsste, dass ich keine habe. Also in
beiden Fällen wäre die Antwort dieselbe. Daher bitte ich euch alle, diese
Frage nicht mehr zu stellen, sagte ich. Drittens wäre das Internet der
letzte Ort wo ich eine Kopie herumfliegen lassen würde. Rein aus
Sicherheitsgründen.
Bei der nächsten Abzweigung verabschiedete er sich von mir und radelte
fort. Unter schwachen Schmerzen setzte auch ich mich aufs Radl und
fuhr gleich nach Hause. Es wurde eine frühe Nacht für mich. Ich plante
ganz früh am nächsten Morgen mit dem Bus zum RA Müller zu fahren
und ihn wegen des Edikts zu fragen.
429
Gesagt, getan. Ich war schon um 08.00 Uhr am Donnerstag, den 17.7., bei
der Post in Schaan. Ich wusste, dass der Bankdirektor auf seinem Weg
zur Arbeit durch Schaan fahren könnte. Daher rief ich ihn auf seinem
Handy an und bat ihn mich kurz bei der Post zu treffen. Zehn Minuten
später war er angekommen. Ich zeigte ihm das Edikt und fragte, ob dies
der Dank für mich wäre. Er war sichtlich geschockt und begleitete mich
zu Müller. RA Müller konnte sich aus der Affäre ziehen, indem er sagte,
dass er ja kein Mandat von Hans-Adam oder der LGT für die blockierten
Gelder bekommen hatte. Der Bankdirektor sah ein, dass dies ein
Versäumnis war. Er gab dem RA Müller die Order, der Sache
nachzugehen. Ich bedankte mich bei allen und wünschte einen schönen
Tag.
Am nächsten Tag, Freitag, den 18.7., rief die Sekretärin vom
Bankdirektor an und kündigte seinen Besuch bei mir zu Hause an. Er
müsse mit mir einiges besprechen. Ich nutzte die Zeit und begab mich
zum Landgericht, wo ich die bestellten Kopien vom 101er beim
Gerichtssekretariat abholte. Um die Mittagszeit rief die Bank noch
einmal an und verschob den Besuch auf 16:00. Kein Problem für mich,
bestätigte ich die neue Zeit. Ich schnappte mir die Badehose und fuhr
mit dem Velo zum Rhein. Dort tummelte sich auch ein alter Bekannter
von mir. Dieser hatte wiederum enge Freunde im Regierungsamt.
Offenbar hatte er Bruchstücke von einem Drama Anfangs Januar
erfahren. Ich liess mich auf keine Diskussion ein und verliess diesen
Rheinabschnitt.
Um 16.10 Uhr stand der Bankdirektor vor meiner Wohnungstüre und
klopfte. Ja aber Hallo, sagte ich und fragte, wie er durch die Haustüre
kommen konnte, ohne Schlüssel. Er zeigte auf den Schlüssel in seiner
Hand und meinte, dass ich doch wüsste, dass sie den Zweitschlüssel für
unten und oben haben. Nein, wüsste ich nicht, erwiderte ich. Da sie die
offiziellen Wohnungsmieter waren, erhielten sie die Zweitschlüssel. Für
den Notfall, sozusagen, klärte er mich auf.
Er fragte wie es mir gehe und ich sagte so lala. Man müsste halt
abwarten, was jetzt wirklich alles passieren würde, sagte ich. Ich erzählte
ihm, dass ich mit der Grundstruktur der gewünschten Denkschrift
angefangen habe. Ich hätte die Idee, darin keine Namen, Firmen oder
Zeitabschnitte zu benennen. Sollte die fertige Schrift in die falschen
Hände gelangen, würde nichts geschehen. Gute Idee, bestätigte er mir.
430
Er hätte noch ein anderes Anliegen. Man hatte ja den Dr. Feuerstein und
den Rest der Geschäftsleitung der LGT Treuhand nicht über seine Reisen
ins Ausland, den Professor und die getroffenen Abmachungen
eingeweiht. Hans-Adam wollte dies nicht. Auch wussten sie nichts von
meiner Heimkehr. Diverse Leute der Treuhand hätten mich aber
mehrmals mit dem Velo in der Umgebung der LGT Treuhand gesehen.
Er bat mich deshalb, nicht in die Nähe der Treuhand zu gehen.
Ausserdem, sollte ich irgendwo auf einen ehemaligen Arbeitskollegen
der Treuhand, insbesondere Dr. Feuerstein treffen, so wäre man froh,
wenn ich keine Diskussion anfangen würde, sondern einfach in eine
andere Richtung weglaufen würde. Ja, mein Kommandant, zu Befehl,
sagte ich. In Zukunft werde ich zu den Büroöffnungszeiten das Zentrum
von Vaduz meiden. Ausser wenn ich im Linienbus von hier z.B. nach
Buchs fahren würde, dann durchquere ich das Zentrum, steige aber nicht
aus dem Bus. Zum Abschied sagte er mir, dass alles gut werden würde.
Ich solle ihnen vertrauen und aufhören so misstrauisch zu sein.
Schönes Wochenende Herr Bankdirektor. Ihnen auch, Herr Kieber.
Die letzten zwei Wochen im Juli 2003 waren besuchsmässig sehr ruhig.
Niemand hatte sich bei mir angemeldet. Keiner bedrängte mich mit
Fragen. Den einzigen Termin, den ich hatte war der Pflichtbesuch beim
Sachbearbeiter der ALV. Ich konnte ihm die erforderlichen fünf
schriftlichen Bewerbungen vorlegen. Alle waren ohne Erfolg. Ehrlich
gesagt, hatte ich mich nicht gross angestrengt. So wie die Dinge langen,
wäre es durchaus möglich gewesen, dass ich bald keine Stelle mehr
antreten könnte. Höchstens in der Gefängnisküche. Um fit zu bleiben,
wurde ich wieder Mitglied beim OLO’s GYM in Triesen. Drei oder
viermal die Woche absolvierte ich ein Krafttraining dort.
Auch besuchte ich meine alten Nachbarn in Balzers. Auch das Ehepaar,
das meine alte Mietwohnung gekauft hatte, hatte sich gut eingelebt und
war sehr glücklich dort. Niemand aus diesem Hause hatte etwas
mitbekommen. Von meinen neuen Nachbarn in Vaduz lernte ich einige
besser kennen.
Meine einzige Waffe war das Schreiben. Ich verfasste einen Brief an den
Bankdirektor und einen an RA Müller. Im Brief an den Bankdirektor
drückte ich (im Vertrauen) mein Befremden über einiges, was sich seit
meiner Rückkehr abgespielt hatte aus, zum Beispiel dass ich einfach
nicht verstehe, warum man in der Angelegenheit der blockierten Gelder
431
noch nichts unternommen hatte. Es wäre ein wichtiger Bestandteil
meines Kampfes der letzten sechs Jahre. Ich würde nicht verstehen, wie
Hans-Adam auf einer Seite mir massiv helfen würde, die Verbrecher zur
gerechten Strafe zu bringen, aber es ihn auf der anderen Seite offenbar
nicht allzu gross stören würde, wenn einer der Verbrecher mit einem
Sack voll Kohle für seine Taten auch noch belohnt würde. Ich würde
langsam den Verstand verlieren. Dieses Thema schloss mit den Zeilen,
dass ich insofern wieder Hoffnung habe, da man jetzt den RA Müller für
die blockierten Gelder angeheuert hatte.
Ich schilderte im Brief weiters, dass ich verwundert wäre, wie der RA
Müller für mich im kommenden Prozess (140er) kämpfen wollte, wenn
er bis jetzt noch nicht einmal die Akte studiert hatte. Mit welchem
Kenntnisstand er mich verteidigen würde? Mit einer fliegenden
Durchsicht des dicken Aktes einen Tag vor dem Prozess, fragte ich.
Im Brief an RA Müller befasste ich mich vor allem mit den Fall 101er. Ich
war von der Argumentation von Hans-Adam noch nicht ganz
überzeugt. Ich bat den RA, sollte das Obergericht meinem Antrag auf
Fortsetzung der Strafuntersuchung zustimmen, was allgemein erwartet
wurde, dann wäre ich froh, wenn er mir als Subsidiarankläger bei der
Ausfertigung der Anklage helfen würde. Ich wäre der Meinung, dass
man es doch lieber zuerst einmal beim Liechtensteiner Gericht versuchen
sollte. Die STA würde ja sicher keinen Auftrag von Hans-Adam
bekommen. Beide Briefe lieferte ich persönlich am 31.7. bei den
Büroadressen der Herren ab.
Am gleichen Tag war auch die magere acht Seiten lange Anklageschrift
mit den Vorwürfen im Zusammenhang mit meinem Schreiben an HansAdam fertig. Zu unserer (Bankdirektor, RA Müller und ich)
Fassungslosigkeit wurde ich, ganz entgegen den Erwartungen und
Beteuerungen, wegen dem Verbrechen der Gewalt und gefährliche
Drohung gegen den Landesfürsten (§ 249 StGB), dem Verbrechen der
schweren Nötigung (§15, 105, 106), dem Verbrechen der
Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses
zugunsten des Auslands, insbesondere Deutschland und die USA (§124),
dem Vergehen der Datenbeschädigung (§126) und dem Vergehen der
Urkundenunterdrückung (§229) angeklagt. Ich sei deswegen zu
bestrafen. In Liechtenstein formuliert die STA in der Anklage keinen
Antrag auf die von ihr gewünschte Strafe.
432
Meinen aufmerksamen Lesern können sicher auch auf den richtigen
Namen des STA tippen, der dieses Anklage geschrieben hatte und sie
vor Gericht vertreten möchte. Ja, HAUN, wer den sonst. Nachdem was
ich alles wegen ihm seit Jahren ertragen musste! Noch schlimmer:
Nachdem was Hans-Adam, Liechtenstein und die LGT wegen ihm
durch mich seit Januar 2003 (unter der Berücksichtigung des
Datendiebstahls eigentlich schon sein 2002) mitmachen mussten!
Warum? Warum, fragte ich. Warum ausgerechnet ER? Man hatte andere
Staatsanwälte bei der Staatsanwaltschaft. Warum konnte man nicht
einfach einen "unvorbelasteten" Ankläger nehmen? Langsam begriff ich,
was Hans-Adam meinte, als er mir sagte, dass man der Justiz ein Ventil
geben müsste, sodass sie Luft ablassen könnte. Dies war wohl eines der
notwendigen Ventile. Dieser Umstand war äusserst unerträglich für
mich. Ich bin mir sicher, dass die allermeisten Menschen, wären sie an
meiner Stelle gewesen, es auch als sehr verletzend und demütigend
empfunden hätten. Mein Gott, warum mussten sie mich immer noch
quälen? Hatte ich mich nicht genug unterworfen? Was ich noch nicht
begriffen hatte, war die Tatsache, dass dahinter ein ganz fieser (Rache)Plan stand. Mit verschiedenen, abwechselnden Akteuren. Jeder wollte
zum Schuss kommen.
Mit meinem RA und dem Bankdirektor diskutierte ich ausgiebig die
Anklage. Der RA, als Jurist, beteuerte mir, dass ich keine Angst wegen
der vielen Einzelvorwürfen haben sollte. Dies sei so üblich. Was in einer
Anklage stehen würde, sei noch lange nicht dasselbe, was schlussendlich
zu einer möglich Verurteilung gelangen würde. Der Bankdirektor, der
immer schon eine feine Antenne für meine Gefühlslage hatte, machte
sich grosse Sorgen um mich. Speziell dann, als ich trotzig kundtat, dass
ich nie freiwillig zu der Verhandlung gehen würde, solange Haun dort
sei. Ende.
Zudem stellte ich die berechtigte Frage, wie das Gesamtbild noch
stimmen könnte, wenn Hans-Adam mich unverkennbar zum
Schlachthof führen lässt und mir gleichzeitig seine universelle Hilfe
anbietet, damit die Verbrecher vor ein Kriminalgericht kommen. Der
Professor wurde telefonisch über den sich verschlimmernden Zustand
von mir informiert. Er war entsetzt. Über die Anklagepunkte selber und
das ausgerechnet Haun diese vertreten soll. Aus psychologischer Sicht
ein total falscher Schritt, diagnostizierte er aus der Ferne. Er empfahl
433
dem Bankdirektor Hans-Adam zu bitten, dass dieser mich anrufen soll
und einiges klären soll. Bevor dieser aber mich anrief wurde mein
Zustand noch unerträglicher.
RA Müller meldete sich wieder. Seine Nachforschungen in Bezug auf die
Gelder in Österreich hätten ergeben, dass eine Frist verpasst worden
wäre. Die Gelder wären nun in Reichweite des Täters aus Argentinien,
Helmut Roegele. Nachvollziehbarerweise tobte ich wie ein Wildschwein.
Ich konnte es nicht fassen. Was für eine Frist, fragte ich. Es wäre eine 14Tage-Frist gewesen, die am 25.7.03 abgelaufen wäre. WAS, schrie ich.
Man hätte also fristgerecht einen Einspruch erwirken können, jammerte
ich.
Er entschuldigte sich und meinte nur, dass es zu spät sei. Zu spät? Zu
spät, schrie ich ihn am Telefon an und entschuldigte mich gleich für den
Ton. Es war wie eine zweite Folter für mich.
Nach über sechs Jahren konnte mein Folterer Helmut Roegele sein Glück
nicht fassen und seine erpresste, quasi ‚abgefolterte‚ Beute abkassieren.
Nicht nur konnte er sich auf fast 900'000.- CHF freuen, nein, er musste
auch keinen einzigen Franken mit einem seiner Komplizen teilen.
Natürlich schmerzte mich dieses Ende sehr. Ich weiss nicht, was in den
Köpfen derjenigen in Liechtenstein vorgegangen war, als sie davon
erfahren hatten. Sicher ist, dass es allen direkt oder indirekt Beteiligten
klar sein musste, dass es furchtbare emotionale und psychische
Konsequenzen für mich haben würde.
Die nächsten paar Tage verbarrikadierte mich in meiner Wohnung und
brütete darüber, was das alles bedeuteten soll und vor allem, wohin es
noch führen würde. Am frühen Abend bekam ich einen Anruf von
Hans-Adam. Er wusste von der Anklage, von Haun und der
abgelaufenen Frist. Er erzählte mir, dass ich die Anklage nicht als
fehlerfrei ansehen soll. Ich fragte ihn, warum ich überhaupt wegen
Drohung, Nötigung u.s.w. angeklagt werden soll, wenn mir schon in
Holland felsenfest versprochen wurde, dass ich überhaupt nicht belangt
würde, wenn ich all seine Forderungen erfüllen würde.
Er sagte zu mir, dass er mir dies mir beim Besuch auf dem Schloss
ausführlich erklärt hätte. Und warum Haun, fragte ich. Er wiederholte,
dass ich den Haun ignorieren sollte. Alles würde gut werden. Selbst
beim blockierten Geld sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da
434
wüsste er aber mehr als ich, sagte ich. Ich fragte ihn, ob er ganz sicher
wäre, dass ich bei der Justiz in Vaduz nie eine wirkliche Chance haben
würde, eine Anklage im 101er rechtsgültig vorlegen zu können.
Er bedauerte zu sagen, dass er davon überzeugt wäre. Ich weinte und
fragte, warum er nicht die ihm durch die Verfassung zustehenden
Rechte benützen würde, sodass zumindest eine Anklage angenommen
würde. Ich wies ihn nochmals darauf hin, dass eine Anklage ja kein
Urteil sei. Wenn er erlauben würde, dass das Gericht meine
Subsidiaranklage annehmen würde, dann hätte er doch dafür keine
Macht missbraucht. Ob das Kriminalgericht auf die Anklage mit
Strafurteilen folgen würde, kann niemand voraussagen, sagte ich.
Er bat mich, nicht allzu sehr darüber nachzudenken und mich
stattdessen auf den mit ihm vereinbarten Fahrplan zu konzentrieren. Ich
versprach ihm dies. Aber, so wollte ich ihn wissen lassen, ich könne
nicht garantieren, dass ich bei einer Verhandlung anwesend sein würde,
wenn es sich als wahrhaftig herausstellen sollte, dass Haun die Anklage
vertreten würde. Ignorieren, ignorieren, wiederholte ich Hans-Adams
Worte, aber das ist einfacher gesagt als getan. Bei allem Verständnis für
die Unabhängigkeit, besser gesagt wohl die Unantastbarkeit der STA,
kann es doch nicht der Wille von der Leitung der STA sein, den ganz
klar voreingenommenen Haun als Kläger zu bestimmen. Nach allem,
was schon passiert war. Klar kann eine STA nicht "neutral" sein,
schliesslich vertritt sie ja die Anklage. Dass man aber extra den Haun
dafür nominieren würde, wäre schon sehr niederträchtig, beendete ich
meinen Vortrag.
Er würde sich der Sache Haun nochmals annehmen, versprach mir
Hans-Adam und sagte auch, dass es besser wäre, sich mit der STA nicht
allzu sehr anzulegen. Ich bräuchte sie schliesslich noch wegen der
Spaniensache. Er habe mit dem Chef der STA, dem Oberstaatsanwalt Dr.
Robert Wallner mehrfach gesprochen. Dieser wäre von ihm beauftragt
worden, das kommende rechtsgültige Urteil persönlich den Spaniern zu
übermitteln, sodass jene das seit Jahren liegende Verfahren dort
einstellen und den Haftbefehl löschen können. Diesem Hinweis folgend
verfasste ich dann am 5.8. ein kurzes Schreiben an Dr. Wallner. Darin
"bedankte" ich mich im Voraus für seine Mühe.
Je mehr ich über die ganze Sache nachdachte, desto verwirrter war ich.
Hier musste ich Rücksicht nehmen, da sollte ich dankbarer sein, hier
musste ich beiden Augen zudrücken, da sollte ich kooperativer sein. Ich
435
verlor den Überblick. Auf einmal hatte ich grosse Angst, dass der
ausstehende Obergerichtsentscheid im 101er negativ ausfallen könnte.
Obwohl der UR und mein RA, beide juristische Experten, das Gegenteil
erwarteten. Eine nochmalige Demütigung würde ich nicht ertragen
können, das stand fest. So kam ich zum traurigen Schluss, dass es besser
wäre, wenn ich all dem ein Ende setzte. Am 08.08. verfasste ich eine
kurze Mitteilung an das Gericht. Ich stellte den Antrag auf Rücknahme
meines Antrags vom 22.11.02 in Sachen Fortsetzung der
Strafuntersuchung. Ausdruck meiner damaligen persönlichen
Verfassung zeigen deutlich die letzten elf Zeilen jener Mitteilung ans
Gericht.
Ich habe auf ganzer Linie versagt und resigniert. Ich habe einfach
keine Kraft und Energie mehr, eine mögliche weitere
Demütigung nach neuerlichem jahrelangem Kampf vor Gericht
zu bewältigen ohne dabei am Ende komplett durchzudrehen. Mit
diesem Schreiben bin wenigsten i-c-h selber derjenige, der den
„Deckel‚ auf diese Akt 10 Vr 101 / 97 – der mein ganzes Leben in
den letzten 6 1/ 2 Jahren bestimmt hat – zuschlägt. Insbesondere
möchte ich dem UR Dr. Paul MEIER für seine jahrelange Arbeit
und dem Oberrichter Dr. Gerhard MISLIK für seine Mühe und
Zeit, die er sich sicher genommen hätte - von ganzen Herzen
danken. Heinrich Kieber, ein zutiefst verbittertes, enttäuschtes
Opfer
Dies waren überhaupt meine allerletzten Zeilen, die ich dem Gericht
geschrieben hatte. Insbesondere die letzten vier Worte hätten beim
Gericht diverse Leute aufmerksam machen sollen. Aber eben, „hätten‚.
Wie fast immer in den letzten sechseinhalb Jahren, wurden meine
Notizen, Schreiben, Anträge, Analysen, Beweismappen, Antworten und
was ich sonst noch alles für den 101er, 140er und das Zivilverfahren
eingereicht hatte, überhaupt nicht, oder wenn dann nicht richtig oder
vollständig gelesen.
Ich muss dazu sagen, dass der UR Dr. Paul Meier fast eine Stunde lang
versucht hatte, mich von dem Einreichen des oben genannten finalen
Antrags abzubringen. Er redete wie ein Irrer auf mich ein, es nicht zu
tun. Wenn ich dies tun würde, dann könnten die Verbrecher wiederum
436
einen Sieg über mich verbuchen, sagte er. Er versuchte mich davon zu
überzeugen, dass nicht alle Richter so wie der LR Uwe Oehri wären.
Ich konterte mit der Tatsache, dass ausgerechnet dieser Oehri den
Vorsitz des Kriminalgerichts inne hat. Welche Chance hätte ich da, selbst
wenn das Obergericht mir den Status als Subsidiarankläger erlauben
würde? Dr. Meier versuchte es hartnäckig, es nutzte nichts. Er warnte
mich, sollte ich diesen Antrag stellen, ich nie wieder das Verfahren in
Liechtenstein eröffnen könne. Aktenmappe zu, bedeutet Fall
geschlossen. Das wäre mir klar, sagte ich. Es gäbe noch die Möglichkeit
eines Verfahrens im Wohnsitzland der Täter, so wie es mir Hans-Adam
versprochen hatte, erinnerte ich ihn. Ich reiche den Antrag hiermit ein,
war mein letztes Wort.
Er machte einen letzten Versuch und fragte mich, ob mein RA Müller
davon wüsste. Ich sagte nein. Meier meinte dann, dass er den Antrag
von Müller mitunterschrieben haben wollte. Netter Versuch, sagte ich.
Gemäss Gesetzt kann ich den Antrag auch ohne meinen RA einreichen.
Gerade als Privatbeteiligter am Prozess, wusste ich zu berichten.
Widerwillig nahm er meinen Antrag an.
Ich muss gestehen, dass ich ein Gefühl der Erleichterung hatte. Endlich
wusste ich wo ich stand. Keine Zeit- und Energieverschwendung mehr
mit der Justiz hier. Klar war mir auch, dass sobald der Antrag die Runde
gemacht hätte, nicht wenige bei der Justiz froh waren, endlich den 101er
losgeworden zu sein. Insbesondere die STA, deren Widerstand gegen
eine Kriminalverhandlung im 101er sich wie ein roter Faden durch die
ganzen letzten sechseinhalb Jahre zog. Nicht zu vergessen die
überraschten Gesichtern der Täter, zumindest von Helmut Roegele &
seiner Frau, die ja einen Anwalt in Vaduz hatten.
Die Täter dachten sicher, ich muss verrückt geworden sein. Aber eben,
sie wussten und wissen es bis heute nicht, was alles im Hintergrund,
leider oft nur zu ihren Gunsten, abgelaufen war. Was das war, dass
können mein Folterer Helmut und seine Kinder in diesem Buch
nachlesen. Ein fettes „Dankesschreiben‚ zusammen mit einem
"Spendenscheck" von Helmut & Co. an Hans-Adam und die LGT wären
jetzt sicher angebracht. Glaubst Du nicht auch, Helmut?
Nachdem mein RA Müller eine Kopie meines Antrages vom 8.8. erhalten
hatte, rief er mich sofort an und war entsetzt. Was nun wieder, sagte ich.
Zuerst reden alle auf mich ein, ich soll die Argentiniensache in
Liechtenstein vergessen. Jetzt, wo ich es radikal gemacht habe, ist man
437
entsetzt. Er hätte leider wieder schlechte Nachrichten für mich. Was
denn wieder? Ist Helmut Roegele gestorben, fragte ich sarkastisch. Nein,
er hätte gehört, dass der LR Uwe Oehri meinen Fall beim
Kriminalgericht verhandeln möchte. Wie bitte? Ich glaubte es nicht.
Hassen die mich so sehr, fragte ich ihn. Wie könnte Oehri den Fall
behandeln, wenn er als Richter im Zivilstreit amtete und mir dort einen
enormen Schaden zugefügt hatte und ich ihn in dem berühmten
Schreiben, dass ja Gegenstand der Kriminalverhandlung sein würde, zu
Recht der Inkompetenz und der Entwürdigung überführt hatte.
Müller war auch erstaunt. Er wäre seit mehreren Jahrzehnten Anwalt.
Nie hätte er ein solches Mass an Interessenkonflikt angetroffen. Für mich
war das Fass voll. Ich bedankte mich für den Anruf. Ich wählte sofort die
Nummer vom Schloss und bat beim Sekretariat mit Hans-Adam
verbunden zu werden. Er wäre nicht im Hause. Wenn es dringend wäre,
dann könnte er sicherlich innerhalb der nächsten Stunde zurückrufen.
Ich bat darum. Danke und Auf Wiederhören.
Ca. 40 Minuten später rief er an. Ich entschuldigte mich für die
Anspruchsnahme seiner kostbaren Zeit, aber er habe mir ja gesagt, dass
ich ihn jederzeit anrufen könnte, wenn mich etwas bedrücken würde. Ja,
das stimme, sagte er mir. Ich erzählte ihm vom Vorhaben des LR Oehri.
Hans-Adam war auch erstaunt, zumindest hinterliess er bei mir diesen
Eindruck. Er sagte, dass er auch keinen Sinn darin sehen würde, wenn
Oehri diesen Fall behandeln würde. Ich erzählte ihm, dass mich keine
100 Pferde in den Saal bringen würden, wenn Oehri und Haun mir
gegenüber stehen würden. Sollte ich mit Polizeigewalt in den Saal
gebracht werden, was durchaus möglich wäre, da ich als Angeklagter
anwesend sein muss, würde ich kein einziges Wort sagen. Bei aller
Liebe, sagte ich, und korrigierte mich gleich: Bei allem Bösen, mit der
Betonung auf Bösen, das habe ich nicht verdient. Hans-Adam sagte
gleich, niemand will mir Böses. Er würde sich dieser Sache auch
annehmen, versprach er. Tausend Dank.
Auf Wiederhören Landesführer. Auf Wiederhören Herr Kieber.
Hans-Adam hatte Recht, mit Freundlichkeit kommt man viel weiter im
Leben. Ich musste meine Verbitterung unter Kontrolle bringen. Und
immer nur das von Hans-Adam versprochene Fernziel, die Täter von
Argentinien vor ein Gericht zu bringen, nicht aus den Augen lassen. So
entschloss ich, dass es an der Zeit wäre, dem Regierungschef Hasler und
438
dem Liechtensteiner Botschafter in Berlin ein paar kurze Zeilen zu
schreiben. Darin entschuldigte ich mich für die turbulenten Zeiten, die
ich verursacht hatte. Am 18.8. lieferte ich beide Briefe bei der
Regierungskanzlei im Regierungshaus ab. Der Brief für den Botschafter
wurde aus Vorsicht nicht nach Berlin gesandt, sondern ihm bei der
nächsten Gelegenheit in Vaduz übergeben.
Ein paar Tage später rief mich RA Müller wieder an. Er fragte gleich, ob
ich mit Hans-Adam über den Oehri gesprochen hätte. Ja, sagte ich.
Warum, fragte ich. Er sei in dieser Sache aktiv geworden und wollte
gerade in meinem Namen einen Antrag auf Befangenheit des LR Oehri
stellen. Vor Einreichung des Antrags habe er vom Gericht erfahren, dass
Hans-Adam offenbar mit dem Präsidenten des Obergerichts, Hr. Max
Bizozzero telefoniert haben muss und seinen Unmut über die Einsetzung
von LR Oehri in diesen Fall kundtat. In der Folge wäre LR Oehri
aufgetragen worden, sich selber für befangen zu erklären. Somit wäre
der Weg frei für einen unvorbelasteten Richter in dieser Sache.
Ich bedankte mich für die News. Ein kleiner Erfolg. Ganz logisch
erschien mir diese Aktion jedoch nicht. Warum nahm sich der Oehri die
Mühe aktenkundig seine Befangenheit zu erklären? Er, als Präsident des
Kriminalgerichts hätte doch einfach von Anfang an „entscheiden‚
können, nichts mit der Verhandlung zu tun zu haben. Warum der
Aufwand, fragte ich mich.
Die Antwort dafür konnte ich in seiner Befangenheitserklärung vom
27.08. nachlesen. Auf zynische Art und Weise macht er meine
Befürchtungen lächerlich und erklärt sogar, dass er persönlich nicht im
Stande wäre, den Vorsitz zu übernehmen.
Nun wieder zurück zu etwas heiterem:
Eine weitere peinliche Situation erlebte ich ausgerechnet mit dem
Bankdirektor. Das genaue Datum hatte ich leider nicht festgehalten. Es
war aber im Juli oder August 2003. Er hatte mich zum feinen Essen
eingeladen. Damit wir nicht zusammen in Liechtenstein gesehen
wurden, wählte er das GECCO in Buchs/SG aus, ein Gourmetrestaurant.
Ausgerechnet an jenem Tag speisten zwei Tische schräg hinter uns der
Chef der IT-Abteilung der LGT Treuhand. Zusammen mit drei weiteren
Personen. Ich sass zum Glück mit dem Rücken zu ihm. Der Bankdirektor
konnte ihn diagonal über meine linke Schulter sehen. Das Lokal war
klein und jeder der das Lokal verlassen wollte oder auf die Toilette
musste, kam nicht um unseren Tisch herum. Ich wurde nervös, weil ich
439
doch dem IT-Chef, ein so guter Mensch, eine Menge Ärger bereitet hatte.
Der Bankdirektor beruhigte mich.
Dann kam, was kommen musste. Der IT-Chef stand auf und erkannte
den Bankdirektor. Er fing an mit ihm zu reden und erblickte mich. Ich
stand auf, begrüsste ihn und fragte, wie es ihm gehe. Gut, sagte er, lange
nicht gesehen. Und dir, fragte er mich. Nach ein wenig Plauderei merkte
ich, dass er offenbar dachte, ich würde nicht wissen, dass er es weiss. Er
bemühte sich sehr seinen verständlichen Frust auf mich zu unterdrücken
und seine Verwirrung darüber zu verbergen, den Bankdirektor mit mir
essen zu sehen.
Die letzten Tage im August 2003 waren ruhig. Die meisten waren in den
Ferien und Mitte August feierten wir den Staatsfeiertag. Natürlich liess
ich es mir nicht nehmen, auch zum Schloss zu pilgern. Zum
Gedenkgottesdienst auf der grossen Wiese unterhalb des Schlosses und
zur anschliessenden Verköstigung vom Volk und Touristen, spendiert
vom Haus Liechtenstein.
Diese Mal achtete ich darauf, nicht die Wege von Hans-Adam oder
seinem Erstgeborenen zu kreuzen. Nicht wie im August 2001. Im
Rückblick auf jenen Staatsfeiertag kann man heute wohl eine gewisse
Ironie erkennen. Das Schweizer Fernsehen hatte in der "10vor10" Sendung vom 15.08.2001 einige Minuten über den Staatsfeiertag
berichtet. Ausgerechnet, als ich hinter dem Rücken von Hans-Adam
auftauchte, lief die Kamera. Meine Wege kreuzten sich auch dieses Mal
mit denen des Blaubluts. Aber man beachtete sich einfach nicht gross.
Ich nutzte die Tage um viel Sport zu treiben und mit dem Velo hatte ich
schon über 1100 km abgeradelt. Oft fuhr ich hinter dem Gefängnis vorbei
auf eine geteerte Feldstrasse die zum Rhein führte. Ab und zu kam mir
der Lampert in den Sinn. Wie es ihm wohl gehen würde, fragte ich mich.
In seinem Fall kam man nicht voran. Meine Dienste wurden nicht
gebraucht (erst 2005 wurde es so heiss, dass man auch auf mich zukam).
Jetzt, 2003, stelle sich Lampert stur und wollte mit niemandem reden. Ich
hatte vom Gerichtspersonal gehört, dass seine Verhandlung im
November stattfinden soll. Ich hatte meine eigenen Probleme und
sowieso keine Zeit für Andere.
Ende August schrieb ich Hans-Adam einen Brief indem ich meine
Gedanken über meine Gerichtsverhandlung schilderte. Ich bat ihn um
ein Vier-Augen-Gespräch vor der Verhandlung, die irgendwann im
Oktober stattfinden sollte. Kurz darauf konnte ich in den Besitz einer
440
Notiz der Vaduzer Polizei gelangen. Darin war die Rede davon, dass sie
meine vier CD-ROMs von Berlin im Safe aufbewahrten. In einem kurzen
Schreiben teilte ich dies dem Hans-Adam mit. Der Grund dafür lag dran,
dass er mir ja während der Audienz gesagt hatte, dass er meine 4 CDs auf
dem Schloss komplett vernichtet hätte. Offenbar muss es da ein
Missverständnis geben, wenn jetzt in den Unterlagen stand, dass
die Polizei meine 4 CDs hatte.
Auch konnte ich wieder mit meiner alten Liebe, wenn auch nicht so
ausgeprägt wie vorher, anbandeln. Eine ganz andere Art von
Herzklopfen erlebte ich, als ich eines schönen Morgens, genauer am
Dienstag, den 9.9., nach einem Besuch beim Landgericht wieder nach
Hause kam und meinen Briefkasten öffnete. Darin lag ein gefalteter
Zettel mit einem Text in Computerschrift und in Grossbuchstaben. Es
waren exakt sieben Zeilen:
KIEBER! Lass Dich nicht klein kriegen! Pass auf den 10 Vr 140 97
auf! Du wirst reingelegt! Sag nicht zu allem Ja und Amen! Deine
Unterkunft wird abgehört! Dein Mobiltelefon auch!
Mir wurde schlecht. Ich rannte hoch in meine Wohnung und las den
Zettel nochmals. Mist, nie hat man Ruhe, fluchte ich. Nicht, dass ich
etwas zu befürchten oder zu verstecken hätte. Das einzige, was mir
Ärger bereiten würde, wäre wenn sie einen Hinweise auf meinen Safe
ich der Schweiz finden würden. Dies war aber unmöglich. Ich hatte
absolut nichts bei mir oder in meinen Sachen, was in diese Richtung
zeigte. Nur im Kopf. Und dieser war ja vor deren Zugriff geschützt. Ich
strengte mich sehr an, um herausfinden, wer mir diese Worte zugesteckt
haben könnte. Denn nur wenn ich wusste, wer dies war, konnte ich
analytisch die Motive erforschen und den wirklichen Grund dieser
Information herausfinden. Hatte es vielleicht mit dem Schreiben vom
13.08. zu tun, in dem ich das Gericht um eine Kopie des Gutachtens
gebeten hatte (siehe Kapitel 17)? Oder hatte ich zu viele Fragen gestellt?
Denn obwohl es auf den ersten Blick es so aussah, als ob die Person, die
den Zettel geschrieben hatte, auf meiner Seite stand, kam ich beim
zweiten Blick zum Schluss, dass eigentlich das Gegenteil der Fall war.
All die wenigen, die wirklich auf meiner Seite standen, würden mich
offen warnen und mir die Information ins Gesicht sagen. Und RA
Müller, der zwar für mich intervenierte, aber von Hans-Adam bezahlt
441
wurde, würde so etwas nie tun. Dazu war er zu seriös. In meiner
Gegnerschaft gab es Leute, die die angebotene Lösung von Hans-Adam
nur widerwillig akzeptierten. Ich schreibe hier bewusst von
Gegnerschaft. Aus meiner Sicht waren sie keine Gegner mehr, ich hatte ja
Frieden mit ihnen geschlossen und dieser Friede wurde mir auch
permanent von ihnen verbal bestätigt. Die isolierte Tatsache, dass ich
noch eine komplette elektronische Kopie von Kundendaten plus diverse
Geschäftsunterlagen in einem Safe in der Schweiz gebunkert hatte, war
für mich kein ideologisches Hindernis für einen dauernden Frieden. Sie
wussten ja nichts davon und ich konnte jetzt im Moment diese letzte
Kopie nicht vernichten. Dazu würde ich immer noch zu einem späteren
Zeitpunkt die Möglichkeit haben.
Ich hatte mittlerweile erkannt, dass einige hier in Vaduz nicht am selben
Strang zogen. Das bedeutete, dass es aus ihrer Sicht meine Gegner waren.
Lange überlegte ich, wie ich herausfinden könnte, ob mein Leben
abgehört wurde. War mein Handy nicht von der LGT gesponsert und
mit neuer SIM-Karte ausgestattet worden? Ich selber war ja kein grosser
Technik-Freak und konnte daher schwer, wenn überhaupt, mit
elektronischen Mitteln die Wahrheit herausfinden.
Ich versetzte mich in die Lage der Lauscher, falls es welche gab. Warum
ich überhaupt abgehört werden würde, war mir schnell klar. Es gab
sogar zwei Theorien. A) Sie wollten herausfinden, ob ich eine weitere
Datenkopie hatte. B) Sie suchten nach neuem Belastungsmaterial. Für A)
sprach, dass jeder halbwegs intelligente Gegner vermuten konnte, dass
ich eventuell eine Kopie zurückbehalten hatte und er/sie deswegen
herausfinden musste, wo ich sie versteckt haben könnte. Gegen A)
sprach, dass sich langsam aber sicher abzeichnende aggressivere
Verhalten mir gegenüber. Denn es ergab doch keinen Sinn, zu vermuten,
dass ich eine Datenkopie besass und sich gleichzeitig liessen sie ein
Versprechen nach dem anderen platzen. Ausserdem würden sie mich
dann nicht ständig demütigten und weiterhin auf mir herumhackten.
Was für B) sprach, war die teilweise krankhafte Kontrollsucht derer, die
mich keine Minute aus den Augen lassen wollten und alles über mein
Tun und Denken sammeln wollten, um einen Treffer zu landen.
Nach ein paar Brainstormings (‚Hirnzellenkochen‚) kam mir eine
einfache Idee, wie ich herausfinden könnte, ob man mich in der
Wohnung abhören würde. Ich plante einen Test in den nächsten Wochen
442
durchzuführen, einen Trick, sodass sie nicht merken würden, dass ich
von ihrer illegalen Operation wusste. Illegal darum, weil streng nach
dem Gesetzt ein solcher massiver Eingriff in meine Privatsphäre nur
während einer gerichtlichen Untersuchung erlaubt ist. Sonst hätte ich
mich ja gleich in die Mitte des Raums stellen können und schreien „ihr
könnt mich alle mal kreuzweise – ich grüsse die Lauscher‚.
Wegen dem Abhören des Handys redete ich am besten mit dem UR Paul
Meier, entschied ich.
Am 10.9. erhielt ich die Vorladung zum Prozess. Dieser würde am
22.10.03 um 08.30 Uhr im Saal 1 beginnen. Natürlich unter Ausschluss
der Öffentlichkeit, da die Regierung, Hans-Adam und die LGT die
Angelegenheit als zu sensibel für die Ohren der Allgemeinheit befanden.
Die „Sicherheit‚ des Landes würde riskiert werden. Da spielte es keine
Rolle, dass nach Buchstaben des entsprechenden Gesetz, nur die
eigentliche Verhandlung selber als nicht-öffentlich deklariert werden
kann. Im Prinzip wären die Anklageverlesung und die
Urteilsverkündung immer öffentlich. Natürlich hatte ich auch nichts
dagegen, das Publikum auszusperren. Ich wollte meine Wäsche auch
nicht für alle sichtbar geschrubbt haben.
Da ich ja viel freie Zeit hatte, organisierte ich mehrere Besuche zum
Aktienstudium beim LG. Es dauerte nicht lange, bis ich wieder auf
Belege gestossen war, die mich noch mehr zur Verzweiflung trieben.
Im 140er z.B. fand ich Quittungen von über CHF 35'000.- . STA Haun
hatte für diese horrende Summe Dokumente aus Spanien ins Deutsche
übersetzten lassen. Und wen wundert’s noch, es waren ausschliesslich
solche, die von Seiten der argentinischen Bande geliefert wurden. Der
RA von Helmut Roegele nutzte die alleine vom Liechtensteiner Staat
bezahlten teuren Übersetzungen im Zivilverfahren gegen mich.
Permanent hatte das Landgericht meinen Antrag (basierend auf die mir
gewährte Verfahrenshilfe) auf Übersetzung jener spanischen
Dokumente, die mich entlasteten, ohne Begründung abgewiesen. Da ich
dieser Fremdsprache selber mächtig war, hatte ich so gut es ging diverse
Unterlagen selbst übersetzt. Wieder passte dies dem LR Oehri (im
Zivilstreit) nicht. Eine weitere Arbeit für mich war das genauere
Studium der 140er Anklage.
Hans-Adam verlangte ja von mir, dass ich mich schuldig bekennen sollte
und vor dem Kriminalgericht so wenig wie möglich sagen sollte. Er hatte
und hat immer noch die absolute Kontrolle über jeden Richter. Dank der
443
neuen Verfassung konnte er jeden von ihnen, wenn es sein muss unter
fadenscheinigen Gründen, aus dem Amt entheben. Was er natürlich
nicht unter Kontrolle hatte, war die möglichen Fragen, die mir das
Richtergremium während der Verhandlung stellen konnte. Daher fand
er es besser, wenn ich mich sternenklar für schuldig bekennen würde
und somit die Anzahl der möglichen Fragen drastisch reduzieren würde.
Je mehr ich in der ausgefertigten Anklage las, desto grösser wurde meine
Abneigung gegenüber einem MEA CULPA.
Abgesehen davon, dass die vorgeworfene Tat (Wohnungskauf) nicht
zutraf, wäre es geradezu hirnverbrannt, wenn ich mich zu dieser
formulierten Anklage ohne massiven Protest für schuldig erklären
würde. Die Anklageschrift hätte genauso gut aus der Hand vom Täter
Helmut Roegele stammen können. STA Haun hatte praktisch Wort für
Wort die Lügen von ihm und seiner Frau in die Anklageschrift
übertragen. Eine völlig absurd aufgebaute Erzählung, die Grösstenteils
auch in der Abwehrstrategie von Helmut und seiner Komplizen für den
101er Fall und dem Zivilverfahren zu finden war.
Mit dem verlangten „ja, ich bekenne mich schuldig‚ würde ich selber,
man stelle sich das vor, die Dichtung von Helmut & Co. mit einem
Schlag als Gewissheit für immer und ewig einbetonieren.
Nein, nein, nein - ich konnte hierzu auf keinen Fall einfach JA sagen. Sie
können alles von mir verlangen, nur das nicht.
Wiederum musste ich unser Staatsoberhaupt mit einem Anruf
belästigen. Es war mir peinlich, ihn alle zehn oder 14 Tage anzurufen.
Aber nach jedem Anruf sagte er mir, dass ich ihn immer kontaktieren
dürfte. Er wäre ausser Landes, sagte man mir. Ob es dringend wäre,
fragte seine Sekretärin. Nein erwiderte ich.
Am Freitag, den 12.9., um exakt 10.30 Uhr rief er mich dann auf meinem
Handy an. Das Gespräch dauerte genau 24 Minuten und 31 Sekunden.
Ich erzählte ihm die Details von der 140er Anklage. Er hätte eine Kopie
davon in seiner Mappe, unterbrach er mich auf halber Strecke. Ich sagte,
dass ich unmöglich ohne mich wenigsten minimal verteidigen zu
können, einfach Ja sagen könnte. Ich könnte ja auch nicht sagen:
„Eigentlich bin ich nicht schuldig, bekenne mich aber schuldig.‚ Er
müsse dies bitte verstehen.
Er konnte meinen Bedenken folgen. Ich wies ihn auf die gefährliche
Konsequenz hin, dass die Täter von Argentinien mein Schuldbekenntnis
garantiert weiterverwenden würden. Ich würde doch vor jedem Gericht
auf dieser Welt, wo immer wir es schaffen würden Helmut Roegele und
444
seine Komplizen vor ein Kriminalgericht zu bringen, als geisteskrank
abgewiesen werden. Egal wie erdrückend unsere Beweise sind und,
dank seiner (Hans-Adams) finanziellen Supermacht, egal wie stark mein
Anwaltsteam wäre.
Hans-Adam meinte, ich würde wieder zu viel nachdenken. Alles würde
gut werden. Wiederum konnte er mich beruhigen. Ich glaubte ihm, dass
er den grösseren Überblick als ich hatte. Meine Wahrnehmung, im
Gegensatz zu seiner, war ja durch den jahrelangen Kampf geschwächt.
Zudem hatte ich auch Angst vor dem Resultat der kommenden
Verhandlung. Da war es immer besser, Hoffnung zu schöpfen. Am
nächsten Tag schrieb ich Hans-Adam wieder einen Brief und bedankte
mich für seine Worte. Ich informierte ihn, dass ich erfahren hatte, dass
ich zwei Personen mit zur Verhandlung nehmen könnte. Ich bat ihn um
sein Einverständnis, den Bankdirektor mitnehmen zu können. Den Brief
brachte ich persönlich am folgenden Dienstag, den 16.9., aufs Schloss
und gab ihn beim Portier ab. Den Zettel in meinem Briefkasten erwähnte
ich im Schreiben aber nicht.
Am 23.9. hatte ich einen Termin mit dem Neffen vom RA Müller.
Er beherrschte die spanische Sprache und hatte in Spanien via einer
Topanwaltskanzlei dort für mich interveniert. Es wurden den spanischen
Behörden mitgeteilt, dass die dort hängige Sache bald in Vaduz vor dem
Landgericht behandelt würde. Nach Abschluss würde man das Urteil
auf offiziellem Weg via Eurojust in Holland bekommen. Ähnlich wie bei
Interpol, funktioniert die Eurojust als Drehscheibe der verschiedenen
Gerichtsbarkeiten innerhalb Europas. Diese Nachricht erfreute mich
sehr.
Die Kanzlei Müller musste mir leider auch mitteilen, dass es Helmut
Roegele inzwischen gelungen sei, an die Gelder in Österreich zu
kommen. Wieder ein Tiefpunkt in meinem Leben. Als es vor mehr als
sechs Jahren blockiert wurde, waren es über CHF 825'000.-. Mit den
Zinsen müsste es heute weit über 920'000.- sein. Viel mehr als das, was
der Verbrecher Helmut Roegele von mir nun offiziell plündern durfte.
Ich fragte, warum mir das Gericht in Österreich die Differenz nicht
zurückgegeben hätte. Leider sei ihnen die Auskunft verwehrt worden,
wie viel am Ende auf dem Konto lag, erklärten die Müllers. Ich konnte
dazu nichts mehr sagen, ich wollte auch nichts mehr sagen. Man hätte
dies verhindern können. Die Kanzlei Müller, typisch Juristen, sahen auch
eine positive Seite. Wenn ich mich beim Gericht im 140er schuldig
445
bekennen würde, dann könne man dem Gericht auch mitteilen, dass die
„Schuld‚ gegenüber Helmut Roegele in der Zwischenzeit beglichen
wurde. Wenn sie meinten, war meine lapidare Antwort darauf.
Es dauerte nicht lange, bis meine mündlichen und schriftlichen
Beschwerden über Haun als Vertreter der Anklage auf seine Ohren
trafen. Dieser war so gekränkt und beleidigt, dass er es für korrekt hielt,
mich persönlich zu kontaktieren. Die Nummer muss er von meinem
Briefkopf aus dem Schreiben an seinen Chef vom 5.8. abgelesen haben.
Er fackelte nicht lange. Ich war so erschrocken, als er mich anrief, dass
ich zuerst seine giftige Drohung gar nicht fassen konnte. Seinen Namen
und seine Stimme zu hören, irritierte mich stark. Ich dachte nur, wie kam
der überhaupt auf die Idee mich anzurufen. Er erpresste mich. Ja,
Erpressung! Er wusste inzwischen, dass ich aufgefordert worden war,
mich zu 10000 Prozent schuldig zu bekennen. Er wusste ferner, dass ich
mich dazu weigerte und mich wegen seiner kommenden Präsenz in der
Verhandlung beschwert hatte. Er sagte ganz cool, dass ich, was seinen
Auftritt als Ankläger betreffe, gefälligst die Klappe halten soll. Und sollte
ich mich nicht schuldig bekennen, würde er das Ehepaar Helmut
Roegele & Salud H. zur Verhandlung am 21.10. höchstpersönlich
herkarren. Das wäre doch ein Spektakel, feixte er. Wenn ich dies nicht
wollte, dann müsste ich ein klares Schuldbekenntnis abliefern. Er brüllte
wie ein Pavian. Er erwarte bis spätestens zwei Wochen vor der
Verhandlung eine Nachricht von meinen Verteidiger, ob ich mich
schuldig bekenne. Zudem drohte er mir, falls ich ein Schuldbekenntnis
ankündigen würde und am 21. (10.) auf die schlaue Idee kommen würde
auf „nicht schuldig‚ zu plädieren, dann würde er beantragen, die
Verhandlung zu verschieben und dann Helmut Roegele & Co. vorladen.
Ansonsten er Helmut und das ganze spanische Pack zur Feier einladen
würde, wiederholte er schon wieder. Die würden sich hüten, hier her zu
kommen, schrie ich ihn ohne gross zu überlegen an. Nicht mehr, lachte
er gemein, da ich ja so schwachköpfig gewesen wäre, meinen Antrag auf
Fortsetzung der Strafuntersuchung zurückzuziehen. Diesem Antrag
hatte das Obergericht stattgegeben.
Ich drücke mit solcher Kraft und Repetition auf die Ausschalttaste
meines Handys, bis mein rechter Daumen schmerzte. Dieser Sauhund,
dachte ich mir. Das macht er nicht. Unmöglich. Er darf so etwas nicht
machen. Diese miese Kreatur erpresste mich. Der hat sich gar nicht
geändert, wurde mir klar. Von Einsicht in die eigenen Fehler absolut
keine Spur. Null. Nichts. Nada.
446
Je mehr ich darüber nachdachte, desto weniger verstand ich die
Situation. Ich begriff nicht, wie sich Haun so aufführen konnte, ohne
einen Rüffel von seinem Boss, Dr. Wallner oder der Justizministerin Rita
Kieber-Beck zu riskieren. Vielleicht wollte man es so. Um mir Angst
einzujagen. Wenn mein Handy abgehört wurde, dann wüsste Haun dies
sicher auch. Das heisst, er hatte sicher Rückendeckung für eine solche
Wortwahl mir gegenüber, leuchtete es mir ein.
Trotzdem verfasste ich sofort einen neuen Brief an Hans-Adam. Im
Schreiben gab ich im genauen Wortlaut den Anruf von Haun wieder
und teilte Hans-Adam mit, dass ich mich nicht erpressen lasse. Ich flehte
ihn an, diesem Haun eine auf die Rübe zu knallen. Ob den nun alle
durchgedreht wären, fragte ich offen. Noch nie war eines meiner
Schreiben so schnell beim Empfänger. Ich erwischte gerade noch den
Schlosspförtner bevor er Feierabend machte und bat ihn den Brief gleich
ins Schloss zu tragen.
Am nächsten Morgen rief mich nicht Hans-Adam, sondern der
Bankdirektor an. Er bat mich nochmals die genauen Worte von Haun zu
wiederholen. Ich tat es und teilte ihm unmissverständlich mit, dass ich
mir nicht drohen lasse. Schon gar nicht vom einem wie Haun. Natürlich
lassen wir uns nicht erpressen, pflichtete er mir bei. Dann sagte der
Bankdirektor etwas erstaunliches, was ich durchwegs als glaubhaft
schluckte. Haun habe vom Leben doch keine Ahnung und nachdem alles
über die Bühne gegangen wäre, hätte man für ihn in Liechtenstein keine
Aufgabe mehr. Aha, dachte ich mir, habe wieder ein Teilstück eines
anscheinend grösseren Plans erfahren. Ich musste dem Bankdirektor
versprechen, dass ich keine Dummheit begehe und beim Haun oder
sonst irgendjemanden bei der STA Radau machen würde. Versprochen?
Versprochen!
Am 3.10. hatten sich der Bankdirektor und der Professor für einen
Besuch bei mir zu Hause angemeldet. Unsere Unterredung dauerte von
11:00 bis 12:15.Zuerst musste ich ihnen von einer grausigen Nachricht
erzählen. Ich hatte in einem alltäglichen Gespräch unter Nachbarn
erfahren, dass meine Vormieterin, ein zutiefst traurige und vom Leben
geschundenen Italienerin sich in dieser Unterkunft kurze Zeit vor meiner
Ankunft das Leben genommen hatte. Es stelle sich heraus, dass es jede
Dame war, die 1997 meine kurzzeitige Nachbarin im Altersheim von
Eschen war. Ich war sehr betrübt über diese Geschichte. Ich fragte die
beiden Besucher, ob sie davon wussten. Nein, antworteten sie.
447
Hauptsächlich drehte sich die ganze Diskussion um die bevorstehende
Verhandlung. Es wurde mir ein Text vorgelegt, den ich nach der
Anklagevorlesung ablesen sollte.
Die Anklage war in zwei Teile gespalten.
Teil 1) betraf den Wohnungskaufs in Barcelona und
Teil 2) betraf die Daten und den Brief an Hans-Adam. Sobald ich das
Wort hätte, sollte ich zu beiden Teilen folgendes und nicht mehr sagen:
Zum Thema „Roegele‚ möchte ich wie folgt mich äussern: Die
Liechtensteiner Justiz hat in einem Zivilverfahren schlussendlich
rechtsgültig nicht meiner, sondern der Version des Klägers
glauben geschenkt. Dies muss ich akzeptieren. Aus h e u t i g e r
Sicht, sowie sich die Dinge für meine Zukunft präsentieren,
bekenne ich mich – aus verschiedenen, übergeordneten Gründen
- formell juristisch schuldig. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Zum Thema „Landesfürst‚ möchte ich wie folgt mich äussern:
Ich bekenne mich schuldig, den Brief vom 7. Januar dieses Jahres
aufgesetzt und geschrieben, eine Kassette besprochen und
zusammen mit verschiedenen Beilagen seiner DL nach Hause
geschickt zu haben. Ich bedauere es ausserordentlich, schäme
mich dafür sehr – insbesondere als bekennender Monarchie-Fan
- und bereue es aufs tiefste, das ich dadurch seine DL und
Andere unverschuldet in eine schwierige Lage gebracht habe. Ich
befand mich in einer äusserst destruktiven Situation und meine
Motive habe ich in besagten Unterlagen vollumfänglich und
vollständig dargelegt. Manche greifen zu Gewalt, ich griff Feder.
Kurz festhalten möchte ich nochmals, dass ich zum Zeitpunkt, als
ich die Unterlagen bzw. elektronischen Datenträger an mich
genommen habe, mir noch überhaupt keine Gedanken gemacht
habe, was ich damit anstellen werde. Hier möchte ich auch auf
meine Einvernahme bei der Untersuchungsrichterin am 10. Juli
dieses Jahres verweisen. Die juristische Beurteilung liegt
selbstverständlich nicht bei mir.
Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.
Es war eine bitte Pille, die ich da schlucken musste. Da noch zwei
Termine mit meinem RA Müller geplant waren, hätte ich noch genügend
Zeit, alles mit ihm zu besprechen, sagten sie. Was gäbe es da noch zu
448
besprechen, wenn der Text mir zwingend vorgegeben wird, fragte ich.
Wenn ich nichts zur Verteidigung sagen darf? Nachdem der
Bankdirektor gegangen war, schlug der Professor vor, dass wir in die
Schweiz fahren und dort Mittagessen gehen. Gute Idee, sagte ich.
Wir fuhren mit seinem Wagen über den Rhein nach Buchs, kauften uns
eine feine Schweizer Servalat (Bratwurst) und ein Bürli (Brötchen) und
setzten uns draussen vor den Fussballplatz des FC Buchs. Wir redeten
offen, mehr als üblich, über alle möglichen Themen. Aus seinen
Schilderungen wurde mir dann auch bewusster, dass es für Hans-Adam
auch nicht einfach war und ist. Ich erwähnte, dass ich über mich selber
verärgert wäre. Warum, fragte er. Weil es doch so aussieht, alles würde
alles anders rauskommen, als wir es in Holland besprochen hätten. Zum
Beispiel den 101er, zählte ich auf. Als ich in Berlin und Holland war,
hätte ich nie geglaubt, dass ich derjenige sein würde, der den Deckel
zumacht. Ihr habt mich dazu clever überredet, sagte ich zu ihm.
Er meinte, dass es sich schlussendlich als der richtige Weg herausstellen
wird. Es würde ja bald alles zu Ende sein. Ja, sagte ich, dann kann man
die zweite Etappe in Angriff nehmen. Endlich, endlich den Tätern aus
Argentinien an den Kragen gehen. Er fragte mich noch, wie weit ich mit
der Denkschrift wäre. Die sei bald fertig, erwiderte ich. Ob er eine Kopie
davon haben könnte. Für ihn als Psychologe wäre es sehr interessant,
meine Gedanken darüber zu lesen. Ich musste ihn aber enttäuschen, da
mir Hans-Adam bei der Audienz gesagt hatte, dass ich nur ihm die
fertige Arbeit übergeben sollte. Ich denke, dass Hans-Adam Angst hat,
ich könnte wieder von den Leichen schreiben oder über sonst etwas, was
ihn, sein Land oder die LGT diskreditieren würde. Obwohl ich dem
Hans mehrmals erklärt hatte, dass ich keine Namen oder Orte erwähnen
würde. Ich denke, er wird mit meiner Arbeit zufrieden sein.
Das hoffte ich zumindest und ich wäre mir sicher, dass er ihm dann eine
Kopie überlassen würde, sagte ich zum Schluss.
Der Professor konnte nicht versprechen, am Tag der
Gerichtsverhandlung zu kommen. Er würde aber sicher telefonieren. Ich
bedankte mich für seine Bemühungen und brachte auch meine Hoffnung
zum Ausdruck, noch vor dem Gerichtstermin mit Hans-Adam ein VierAugen-Gespräch halten zu können. Der Professor würde diesen Wunsch
auch unterstützen.
RA Müller versicherte mir mehrmals, dass ich keine Angst haben sollte.
Ich befürchtete auch, dass evt. der Haun als Überraschungseffekt
449
Helmut Roegele & Co. eingeladen hatte. RA Müller meinte dazu, dass er
diesbezüglich keine Hinweise bei Gericht gesehen habe. Gemäss
Gerichtssekretariat wären von Klägerseite nur Haun und Dr. Wallner
angemeldet. Dr. Wallner? Warum kommt die STA mit Doppelbesetzung,
fragte ich. Er wisse es nicht. Er habe aber gehört, dass Haun
Massnahmen getroffen habe, falls ihm etwas passieren sollte. Ihm etwas
passieren? Nichts würde ihn dran hindern, diesem Prozess
beizuwohnen. Selbst wenn er im Endstadium einer furchtbaren
Krankheit wäre, er würde dieses Spektakel nicht verpassen wollen. RA
Müller sagte mir auch, dass er ja auf Freispruch plädieren würde,
zumindest was den Brief von mir an Hans-Adam angehen würde.
Freispruch? fragte ich erstaunt. Ja, das wäre doch klar, meinte er. Das
hätte er schon zu Anfang gesagt. Muss mir wohl entgangen sein, sagte
ich ihm. Ich hatte immerzu nur schuldig, schuldig und nochmals
schuldig in den Ohren und vergass vollständig, dass mein RA trotzdem
noch einen Freispruch beantragen kann. Da man sich ja auf einen
Schuldbekenntnis geeinigt hatte, formulierte er es elegant, würde ich
nach seiner Berufserfahrung und unter den speziellen Umständen dieses
Falles mit einer Bewährungsstrafe davon kommen.
Aber dann wäre ich ja vorbestraft, sagte ich. Leider ja, sagte er, anders
ginge es nicht. Mehr konnte er nicht für mich herausholen. Was
herausholen, fragte ich. Müssten wir nicht zuerst die Verhandlung
abwarten, um über herausholen zu reden, fragte ich. Nein, sagte er. Bei
Gericht würde nicht viel geredet. Aber er sei doch mein Verteidiger, er
müsse reden wie ein Kirchenprediger zu Ostern, verlangte ich. Wenn ich
die Schnauze halten muss, gilt dies doch nicht für ihn, versuchte ich
klarzustellen. Nicht das noch was schief ginge. Alles unter Kontrolle,
erwiderte er. Ich solle endlich aufhören mir den Kopf zu zerbrechen.
Ich fragte Müller auch, ob er mir helfen kann, das geheime Gutachten
(siehe Kapitel 17) zu organisieren. Er wusste von keinem solchem
Gutachten. Ich zeigte ihm die Randbemerkung in der Aktennotiz. Ich
erwähnte, dass darin etwas mich entlastendes stehen könnte. Er würde
die Sache abklären. Er instruierte mich auch, nur das vorzulesen, besser
gesagt zu antworten, was mir eingetrichtert wurde. Ich sagte ihm, dass
ich den Text auf ein Blatt Papier ausgedruckt habe und mit ins Gericht
nehmen würde, für den Fall, dass ich zu nervös werde und den Text
vergesse. Ich zeigte ihm das Blatt. Er las es durch. Wenn die STA etwas
fragen würde und ich nicht antworten möchte, dann soll ich auf ihn
450
verweisen, dafür sei er ja da. Er erinnerte mich auch daran, dass ich nach
der Urteilsverkündung auf keinen Fall vergessen soll, mich für das Urteil
bei den Richtern zu bedanken. Warum das, fragte ich. Wegen des
„Ventils‚, meinte er nur. Als Wertschätzung gegenüber dem Hohen
Gericht und den Richtern.
Aha, sagte ich, das mit dem Ventil hat sich also auch schon
herumgesprochen. Solange ich dem Haun keinen Handkuss geben muss,
habe ich damit keine Probleme, bemerkte ich. Ich war froh, dass ich so
einen ruhigen, erfahrenen RA hatte.
Am 14.10. war ich noch einmal beim Landgericht, um kurz diverse
Akten einzusehen. Mein RA Müller hatte sich in der Zwischenzeit damit
abgefunden, dass ich, wie ich es immer in den letzten sechs Jahren
gemachte hatte (mit oder ohne RA), die Akten selber studierte.
Am 17.10. war meine Denkschrift fertig und eine Kopie brachte ich dem
Auftraggeber, Hans-Adam persönlich nach Hause. Das Wochenende vor
dem Prozess war ruhig. Am Montag vor der Verhandlung war ich ganz
nervös und hatte auf einmal 1000 Fragen an meinen RA. Er hatte Zeit für
mich und ich besuchte ihn. Morgen wird alles gut, beruhigte er mich. Ich
war nahe daran, ihm von dem Zettel oder den vielen Ungereimtheiten,
die sich langsam aber sicher herauskristallisierten, zu erzählen. Ich
vertraute mich aber Müller nicht an, da ich eines sicher wusste: Er war
1000-mal pflichtbewusster Hans-Adam gegenüber als mir. Was ja klar
war. Ich war auch schwer enttäuscht, dass Hans-Adam keine Zeit mehr
für ein kurzes Gespräch mit mir vor der Verhandlung hatte.
Bevor ich aber meinen Lesern die Geschichte über die
Gerichtsverhandlung erzähle, schiebe ich noch ein Kapitel dazwischen,
worin ich euch das Resultat meiner von Hans-Adam geforderten
Denkschrift zeige. Ich hatte mir für diese Forderung von ihm sehr viel
Mühe gegeben.
451
KAPITEL 22
Es muss sich was ändern, damit . . .
. . . es so bleibt, wie es ist.
Dieser Satz (geborgt aus dem Roman Der Leopard von Giuseppe Tomasi
di Lampedusa) war auch der Titel meiner Denkschrift, die ich vier Tage
vor dem Gerichtstermin im Oktober 2003 fertig verfasst hatte. Als
meinen Beitrag zur Versöhnung hatte ich mich so gut es ging bemüht,
ein kurzes Werk zu schreiben. Das Resultat waren meine Gedanken zum
Phänomen „Workplace Violence‚ (Verbrechen am Arbeitsplatz), mit
speziellem Blick auf die Banken- & Treuhandwelt in Liechtenstein.
Knapp drei Monate hatte ich daran gearbeitet. Vom Ergebnis druckte ich
zwei Kopien: eine für mich und eine für den Auftraggeber Hans-Adam.
Am Freitag, den 17.10. brachte ich seine Kopie hoch zum Schloss.
Anm.: Der Inhalt selber entspricht Wort für Wort dem Original. Unter dem
Hinweis auf einen "z. Zt. in Haft sitzenden XY" beziehe ich mich auf Hrn. R.
Lampert. Bei dem Hinweis auf das Massaker im Kantonsparlament Zug
(Schweiz) beziehe ich mich auf die mörderische Tat vom Hrn. F. Leibacher im
September 2001.
EINLEITUNG
Geschätzte Leserin, Geschätzter Leser,
Wahrlich stürmische Monate mit vielen bangen Momente,
abenteuerliche Szenarien und hektische Umstände sind diesem
Denkbericht vorausgegangen. Was ist geschehen?
Die Antwort lautet „ w o r k p l a c e v i o l e n c e “. Dieser
englische Überbegriff umschreibt die Gefahr, die jede Firma
treffen kann. Es ist nicht jene Gefährdung, die von aussen
kommt, sondern die von innen kommende. Wenn sich
Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus unterschiedlichsten
Gründen dazu Entscheiden, zum Schaden des Arbeitgebers aktiv
zu werden. Dieses Phänomen werden wir verstärkt in der
Zukunft erleben können. Es ist die ständig rasant sich
verändernde globale Welt, die mehr und mehr entseelt und
habgierig erscheint und durch übermässiges Regulieren des
privaten sowie öffentlichen Bereiches dem Mitbürger das Gefühl
der Ohnmacht verleiht und ihn versucht in ein Korsett des
„Normalen‚ zu zwängen. Aber eben, Normal hiess einst (und
452
heisst es heute noch oft) gerade nicht das Gewohnte, sondern das,
was der aktuellen (!) Norm entspricht, und dies ist ein Richtmass,
eine Vorschrift, ein Gebot. Die Wertvorstellungen und ethischen
Prinzipien vieler Menschen haben sich unter anderem dadurch
verändert. Zur Wirklichkeit gehört aber auch, dass viele
Menschen, die nur den Niedergang und Verfall erwarten,
denken, dass es, übertrieben gesagt, keine GerechtigkeitsDemokratie gibt. Es gibt nur einen Konkurrenzkampf beim
Stehlen. Der Kampf gegen die Ignoranz, Arroganz und den
Egoismus ist verloren, weil jeder hofft, mitmachen zu können.
Diejenigen, die die Situation kennen, wollen nicht kämpfen,
diejenigen, die kämpfen wollen, kennen die Situation nicht.
Diejenigen, die gebildet sind, wollen keine Opfer bringen,
diejenigen, die Opfer bringen wollen, sind stockdumm. (Bank)Überfälle sind in unserer Region ja praktisch ausgeschlossen
oder zumindest sehr selten; potentielle Ziele für eine destruktive
Absicht eines Mitarbeiters oder Mitarbeiterin sind die harten
Faktoren (Einrichtungen, Gebäude aber auch Arbeitskollegen
sowie Vorgesetze) und die weichen Faktoren (sensible Daten). Aus
aktuellem Anlass und quasi aus erster Hand, habe ich – der
Verfasser, als Laie - versucht in meinen Überlegungen und
meiner Analyse ein breites Spektrum von möglichen
Themenkreisen rund um die Datensicherheit bei Banken- und
Treuhandunternehmungen hier auf Papier zu bringen. Die
Aufteilung in Kapiteln habe ich wie folgt vorgenommen:
° Abkürzungen / Erläuterungen,
° Neuanstellung von Mitarbeitern
° Täterprofile / Tätervorgehensweise
° Verbesserte Sicherheit: Allgemein - E D V - Buchhaltung
° die 50 % Katastrophe
° Schlusswort.
Die vorliegende Niederschrift ist – nebst meinen mündlichen
Angaben zum Thema - als weiteren Teil meines Beitrages
anzusehen, die Angelegenheit optimal für alle Aufzuarbeiten.
Dies mit dem Ziel Veränderungen auszulösen und nicht nur
luftleere Interpretationen zu produzieren. Weitere Ausführungen
meinerseits erfolgen nicht. Es kann sein, dass einige meiner
453
„Problem-Lösungs-Gedanken‚ sich bereits in der
Umsetzungsphase befinden oder sogar schon verwirklicht
worden sind. In diesem „Bericht‚ – der keinen Anspruch auf
Vollständigkeit erhebt - werden Sie keine Namen, Orte oder
Dergleichen finden; dies ist vom Verfasser so gewollt. Die
Anonymität für Alle (!) ist eine gut gewählte Form und bietet
zudem Schutz. Es werden sich gewisse Beteiligte beim Lesen
leicht selber erkennen können. Es versteht sich von selbst und
wurde auch dem Verfasser ausdrücklich vom Auftraggeber
zugesichert, dass nichts aus der vorliegenden Denkschrift gegen
ihn oder andere in straf- oder zivilrechtlicher Form jemals
verwendet wird. Vielen Dank.
Abkürzungen / Erläuterungen
T–A
= Täter Typ A
T–B
= Täter Typ B
T– C
= Täter Typ C
EDV
= EDV–Abteilung,
KB
= KundenberaterIN
SB
= SachbearbeiterIN
MA
= MitarbeiterIN,
HR
= Personalabteilung
Workplace Violence
= existenzielle Gefahr für die Firma
Die 50%-Katastrophe
= die Daten oder Sabotageeinrichtung
sind in der Hand des Täters; seine
Drohung wurde aber noch nicht
umgesetzt
Die 100%-Katastrophe = die Daten wurden verraten oder
verwendet, bzw. die Sabotage wurde
ausgeführt
Neuanstellung von Mitarbeitern
Während sich der Fokus auf eine verbesserte, verfeinerte und
umweltschonende Technik rund um den gesunden und
modernen Arbeitsplatz, bedingt durch die ständig steigenden
Anforderungen insbesondere von Seiten möglicher neuer MA,
verlagert hat, sind vielleicht - trotz aller Anstrengungen – der
454
feinen Instinkt und Sensibilität für das Individuum selber etwas
zu kurz gekommen. Um schon potentielle Täter aller Couleur aus
dem Kreis möglicher Kandidaten für eine offene Stelle so gut wie
es geht herauszufiltern, bedarf es nebst dem aktuellen
Strafregisterauszug - das zudem von j e d e m Land vorgelegt
werden sollten, wo der Bewerber in den letzten 10 Jahren
gelebt(!) und/oder gearbeitet hat – und den üblichen
standardisierten Fragen (schriftlich in Formularen oder
protokollarisch(!) mündlich) weiterer Fragestellungen, die wie
folgt lauten könnten:
° Wurde je im In- oder Ausland ein oder mehrere Verfahren*
gegen Sie eröffnet? Wenn ja: Was waren die Vorwürfe an Sie?
Wie endete(n) das/die Verfahren? Durch Einstellung? Warum?
Durch Verurteilung? Wie lautete das/die Urteil(e)?
° Läuft gegenwärtig gegen Sie im In- oder Ausland ein oder
mehrere Verfahren*, die noch nicht rechtsgültig/ rechtskräftig
erledigt sind? Wenn ja: Was sind die Vorwürfe an Sie?
° Hatten Sie früher Verurteilungen, die auf den von Ihnen
vorgelegten Strafregisterauszügen nicht mehr erscheinen oder
vermerkt sind? Wenn ja: welcher Art waren diese Strafregistereinträge?
° Kamen Sie je in den Genuss einer Generalamnestie oder
Begnadigung? Wenn ja: Was waren es für Vorwürfe an Sie?
Wie lautete das ursprüngliche Urteil?
* = ausgenommen Verkehrsdelikte.
Ein Hinweis sollte im Fragebogen oder im persönlichen
mündlichen Gespräch nicht fehlen; ansonsten die speziellen
obigen Fragen nicht die gewünschte Wirkung haben: „Jegliche
Falschangabe k a n n zur sofortigen/fristlosen Kündigung
führen und unter Umständen zivil- oder strafrechtliche Folgen
nach sich ziehen‚. Zweifelt man an den Angaben des Bewerbers,
so besteht heute mit der Datenflut, die über jeden Mitbürger
gespeichert ist, die Möglichkeit, bei Behörden im In- und
Ausland, z.B. aus seiner (meistens öffentlich zugänglichen)
Steuererklärung, Gemeinderegister u.s.w. relativ leicht an
455
aussagekräftige Informationen zu kommen – vorausgesetzt man
kann sie richtig interpretieren.
Freiwillig wird wohl kaum ein neuer MA Angaben zu seinem –
falls vorhandenem – „belastetem Verhältnis‚ mit der Justiz
machen. Durch gezielte Fragen kann man aber einiges Erfahren.
Ein rechtschaffener Bewerber wird diese Vorsichtsmassnahme
verstehen und keine Einwände haben. Ein spezielles Thema ist
auch „umgekehrte Verhältnis‚; wenn ein neuer MA für einen
sensiblen Bereichen zu einem bestehenden Kreis von alten MA
(aller Abteilungen) stösst. Ein möglicher Täter (alter MA) – der
durchaus n i c h t in derselben Abteilung wie der neue MA
arbeiteten muss - kann sich diesen Umstand zu nutze machen, in
dem er zum Beispiel durch systematische Fragen oder Bitte um
Unterlagen den neuen MA für sich „instrumentalisiert‚.
Vermutlich verwendet er eine Redensart die so lauten kann: „….
das wurde mir immer mitgeteilt…“,.. die Unterlagen brauche ich
jeweils…“ u.s.w. Mit dem Resultat, dass der neue MA sensible
Fragen beantwortet oder gar Unterlagen (Original oder Kopien)
aushändigt. Da er denkt, der Fragende ist ja viel länger als ich im
Betrieb tätig und wird schon Recht mit seiner Argumentation
haben. Oder der neue MA – den organisatorischen Abläufen noch
nicht ganz vertraut - will dem Älteren nicht „widersprechen‚.
Daher ist es wichtig, dass man neuen MA, die in empfindlichen
Bereichen arbeiten werden, klar kommuniziert welche Rechte
andere MA haben, sich über ihre Arbeit im Detail zu
„informieren‚. Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen!
Weitere Angaben dazu können Sie auch unter dem Abschnitt „E D V“
im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* nachlesen.
Täterprofile / Tätervorgehensweise
Aus der Vielzahl von möglichen Täterprofilen habe ich drei
Typen ausgewählt, mit denen wir hier in unserer Gesellschaft
wohl am ehesten konfrontiert werden. Viele, aber nicht alle
Aspekte in Bezug auf Verhaltens- und Vorgehensweise haben die
drei Arten gemeinsam. Was sie unterscheidet ist das alles
antreibende MOTIV. Das MOTIV - ausschlaggebend für alles
Handeln seitens des Täters u n d auch der dann später
betroffenen Firma und evt. eingeschalteten Behörden! Das
456
MOTIV - ist eng mit der Psyche und der geistig-moralischen
Haltung des Täters verbunden. Vielleicht wäre es das Beste, an
das Innere des Täters mit speziellen psychoanalytischen
Methoden ran zu kommen. Denn,
° die wenigsten Täter haben wirklich böse Absichten (aus seiner
eigenen Sichtweise).
° die Täter auch oft Opfer ihres Umfeldes sind.
° jeder Täter wohl die Nähe zu seinem Thema braucht, oft auch
Zuneigung.
° die Täter evt. unter einer psychischen Verhornung leidet – eine
verminderte Fähigkeit oder Bereitschaft, (Gefühle zu
empfinden), Gutes von Böse zu unterscheiden.
Ohne die Täter zu beschönigen steht leider fest: Das Schlimme im
Leben ist, dass jeder seine eigenen Gründe hat. Und ob der
menschliche Geist (des Täters) sich selber verstehen kann – das ist
eine philosophische Frage<<
Leider kann im normalen Berufsleben die Psyche allfälliger
potentieller Täter mittels Früherkennungsprogramme (Annahme
prädikativer Symptome) präventiv nur schwer erkannt werden.
Es gibt aber auch solche Täter, die sich nicht gleich in eine der 3
Kategorien einteilen lassen; entweder weil er (!) es vorerst so will
o d e r weil er – evt. Beschränkt durch seiner eigene Intelligenz sich nicht klar ausdrücken kann. Dieses „Problem‚ löst sich aber
meistens von selber: Des Täters Persönlichkeit (was er wirklich
will) offenbart sich spätestens dann, wenn er an dem Punkt
gelangt ist, wo er Entscheidungen (z.B. Forderungen) treffen
muss. Die drei Typen sind:
° Typ A kurz T-A
° Typ B kurz T-B
° Typ C kurz T-C
Der Typ A (T-A):
Dieser Tätertyp ist rein auf einen wirtschaftlichen Vorteil, sprich
GELD fixiert. Auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit hat er
Zugriff auf mehr oder weniger sensible Daten (Kundendaten),
457
die er „zu verraten‚ droht, oder er kann durch seine
innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner
Sabotagedrohungen (z.B. in der EDV) erheblichen Schaden
anrichten. Da Geld sein Ziel ist, hat er dem möglichen
finanziellen sowie ideellen Schaden der Firma ein „Preisschild‚
verpasst und seine geldmässige Forderung dementsprechend
ausgerichtet. Die Gründe seiner Motivation können vielfältig
sein; Geld für aufwendigen Lebensstil, Geltungssucht, Schulden
aller Art, kommt nicht klar mit der Tatsache „<Kunden sind
reich, ich bleibe arm<‚ , u.s.w. . Ein Beispiel für diesen – kein
altruistischen - Tätertyp ist der z. Zt. in Haftsitzende XY. Wenn
man das Ziel des Täters, unberechtigterweise und kriminell an
viel Geld zu gelangen, nicht ausser Augen lässt, kann es
durchaus sein, dass der angegebene Grund – sollte das vom Täter
behauptete oder angedeutete Motiv angeblich aus einem
Konfliktthema z.B. m i t der Firma (falsche Behandlung,
Mobbing, übergangene Beförderung etc.) entstanden sein – nur
vorgeschoben ist, denn ein etwas cleverer Typ dieses Täters
könnte auch versuchen, seine wahren Motive durch solche zu
vertauschen, die in den moralischen Vorstellungen und
juristischen Realitäten der Gemeinschaft – im Vergleich zu seinen
echten Motiven - als weniger verwerflich angesehen werden.
Und dies im vollen Bewusstsein der Scheinheiligkeit seiner
Argumente! Es besteht auch durchaus die Gefahr bei diesem
Tätertyp, dass er Komplizen hat. Dies innerhalb oder ausserhalb
der Firma. Andere MA derselben Firma als wirkliche Gehilfen
sind im Vergleich zu Komplizen ausserhalb der Firma aber eher
unwahrscheinlicher, da eine „verbrecherische Verbindung‚ unter
beruflichen MA (auf diesem tieferem Niveau, in Chefetagen kann
dies schon anders aussehen) psychologisch eine höhere Hürde
darstellt als eine zwischen privaten Bekannten/ enge
Verwandten. Je nach der psychischen Verfassung und Intelligenz
des Täters kann entweder er selber oder sein Komplize die Idee
und das Konzept zur Tat erarbeitet sowie die Federführung
übernommen haben. Das aktuelle (aus präventiver Sicht)
bestehende soziale Umfeld verrät leider wenig über einen
potentiellen Täter dieses Typs aus; er kann sowohl in intakten als
auch gestörte soziale Netze leben. Es muss nicht ein
gesellschaftlicher Einzelgänger sein; er kann durchaus Frau und
458
sogar Kinder haben (Geldgierige Menschen lassen sich davon
nicht immer behindern). Einmal den Beschluss zur Tat
(Datendiebstahl, Sabotage, Drohung etc.) gefasst, lässt er sich
schwer vom falschen Weg abbringen; er handelt oft emotionslos
und ist aber daher in meinen Augen erstaunlicherweise eher
während seinen „Vorbereitungen‚ innerhalb der Firma
erkennbar / optisch fassbar als die anderen hier beschriebenen
Tätertypen ! Dies darum, weil er sich zu 100 % seiner Straftat
immer in allen zeitlichen Abläufen voll bewusst ist und eine
gewisse erhöhte Nervosität und – für einen geschultes „Auge‚ erkennbares verändertes (Arbeits-) Verhalten beim ihm
anzutreffen ist. Dieser Tätertyp arbeitet n i c h t unbedingt nach
dem Zufallsprinzip; d.h. er beschliesst höchstwahrscheinlich
zuerst den Plan und führt ihn konsequent aus. Dies ergibt sich
aus seinem hohen Grad an krimineller Energie. Es ist also
n i c h t so, dass er „per Zufall‚ auf irgendetwas in der Firma als
Droh- und Erpressungsmittel stösst und dann auf die Idee
kommt, damit liesse sich Geld machen. Was seinen „Abgang‚
(Austritt, Kündigung) aus der Firma betrifft, sind viele Varianten
möglich und diese stark von bestimmenden Faktoren anhängig.
Bei einem aktuellen Fall (XY) - nach meinem Wissensstand - war
der Täter wenige Wochen vor seinem „grossen Auftritt‚ aus der
Firma ausgeschieden. Es gibt aber auch Täter, die nicht kündigen,
sondern während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses,
sozusagen „aus heiterem Himmel‚, sich zur finalen
Erpressungsperiode entschliessen. Falls ihm der Datenklau oder
die Sabotageeinrichtung gelingt, ohne dass es von Dritten in der
Firma bemerkt wird, wird er nicht überstürzt kündigen, um
keinen Anlass zu Spekulationen zu bieten. Ist sich dieser Täter
nicht sicher, ob, wann und wie sein Datendiebstahl oder seine
Sabotageeinrichtung bemerkt wird, wird er – trotz Strategie und
Plan – die Firma ohne Kündigung verlassen. Wenn es im gelingt,
kann er unter einem Vorwand sofortige Ferien beantragen,
danach - um mehr Zeit zu gewinnen – sich Krank melden. Ist sich
der Täter sicher, dass in unmittelbarer Folge (Tage später) der
Datendiebstahl bemerkt wird, wird er - mit oder ohne Taktik und
Zielsetzung – die Firma rasch verlassen und schnellstmöglich die
Forderung/Drohung (oder beim T-B sein Hilferuf) mitteilen, um
sich einen gewissen Schutz vor Verfolgung zu erhoffen. Bei
459
einem normal ausscheidenden MA verkleinert sich ein möglicher
Verdacht, dass er Daten mitgehen lassen oder eine Sabotage
vorbereitet hat, massgeblich, wenn der scheidende MA wirklich
eine neue Stelle/Ausbildung antritt. Kleine Alarmglocken sollten
läuten, wenn ein MA spontan (ohne wirklich nachvollziehbarem
Motiv) kündigt und zudem im sensiblen Bereich gearbeitet hat.
Wurde ein Datendiebstahl bemerkt und es kämen mehrere (Ex-)
MA in Betracht, so sollte man - von der in Frage kommenden
Gruppe der Ausgeschiedenen - zuerst jene unter die Lupe
nehmen, die keine neue Stelle, Weiterbildung oder plausible
Gründe (z.B. Mutterschaft) vorweisen können. Aber wie gesagt,
sollte der Täter ein T-A oder T-B sein, wird er sich schon zu
erkennen geben. Zweifelsohne gilt die Variante auch, dass ihm
gekündigt wird. Da dies meistens für ihn voraussehbar war, wird
er sich die Daten vorher aneignen; insbesondere dann, wenn er
keine Kündigungsfrist (1,2 oder 3 Monate) dafür zur Verfügung
hat. Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch unter „ Der
Typ C “ sowie im Kapitel *Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %Katastrophe* nachlesen.
Der Typ B (T-B):
Einem Tätertyp dem ich entspreche. Was nicht heisst, dass alles
was hier jetzt geschrieben steht, auch auf meinen Fall übertragbar
ist. Auch hier kann ein Täter, der auf Grund seiner beruflichen
Tätigkeit Zugriff auf sehr sensible Daten (Kundendaten) hat, die
er „zu verraten‚ droht, oder durch seine innerbetrieblichen
Kenntnisse der Firma mit Umsetzung seiner Sabotagedrohungen
(z.B. in der EDV) beträchtlichen Schaden anrichten. Seine
Motivation ist eine Mischung aus letzter Hoffnung (für sein
Thema) und Rache; an jenen, von denen er glaubt, ihn in diese
Lage „getrieben‚ zu haben. Wobei er den betroffenen Personenoder Gesellschaftskreis nach eigenen Vorstellungen erweitert
oder definiert.
Je länger sich ein solcher Tätertyp damit befasst, umso weniger
kann er die konsequente Trennung vollziehen. Der Täter versteht
seine „Drohung‚ (die Daten oder ein anderes Instrument) als
Hinweis zu seinen Kalamitäten und als Mittel zum Zweck an, um
seiner Forderungen nach Behebung der ihm widerfahrenen
Ungerechtigkeit (z.B. emotionaler und/ oder finanzieller Natur)
460
Gewicht zu verleihen. Am Ende einer mehr oder weniger langen
Vorgeschichte, die sich ausserhalb oder innerhalb der Firma
abgespielt hat, kommt der Täter selber zu einem Wendepunkt,
wo er aus der Fallgrube der Verzweiflung nicht mehr entfliehen
kann. Er ist an jenem Punkt angelangt, wo er das folgende
Empfinden abgelegt hat: „Alles ablehnen und zu beklagen, dass
nichts geschieht, kann keine vernünftige Strategie mehr sein‚.
Das eigentliche Konfliktthema ist sehr massgeblich. Ist der
Arbeitgeber (wenn auch nur aus Sicht des Täters) und das
Konfliktthema (z.B. wegen Mobbing, ungerechter Behandlung,
keiner Beförderung u.s.w. ) identisch, so muss die Firma –
insbesondere bei MA, die rein theoretisch auf Grund ihres
Wissens massiven Schaden anrichten könnten – nichts
unversucht lassen, die Konfliktbewältigung positiv für alle Seiten
voranzutreiben und abzuschliessen.
Dabei könnte die Fähigkeit eines unabhängigen
Schlichters/Vermittlers - von extern oder durchaus intern beim
HR angesiedelt – oder andere Massnahmen (z.B. bei MA mit
ohne Eigenverschuldung entstandenen finanziellen Probleme
materielle, sprich monetäre Hilfe bieten) sehr hilfreich sein. Ist
die betroffene Firma überhaupt nicht in den vorangegangenen
Konflikt (wie in meinem Fall) involviert gewesen, ist es sehr
schwer aus Sicht des Unternehmens präventiv vorzubeugen.
Obwohl gerade diesem Tätertyp sein Gewissen sehr plagt, ist es
bedeutend erschwert ihn intuitiv „auf frischer Tat‚ zu ertappen.
Dies darum, weil er – im Vergleich zum Typ T-A - eine ganz
andere Grundlage für seine Motivation und damit seine Psyche
hat. Denn dieser Täter (T-B) füllt sein implizites
Erinnerungsvermögen in einer irrsinnigen Anhäufung oft nach
seinen Vorstellungen (die durchaus der Wahrheit entsprechen
können) und dies hat, nach S. Freud, massiven Einfluss auf seine
Psyche.
Seine Vorgehensweise in der Firma ist oft vom Zufall gesteuert:
abhängig von den gegebenen objektiven Möglichkeiten und
seiner subjektiven Vorstellungskraft erkennt und nützt er die
Gelegenheit, dies trotz des emotionalen Drucks (er ist sich des
Unrechts bewusst), da er im momentanen Glauben lebt, das für
ihn Richtige und Notwendige zu machen. In Hinblick auf seine
Vorbereitung zur Tat innerhalb der Firma ist der markante
461
Unterschied von ihm zu T-A, dass er (T-B) eigentlich e i n e
Möglichkeit s i e h t und der T-A hingegen e i n e Möglichkeit
s u c h t und f i n d e t.
Rein spekulativ ist ein Komplize auch bei diesem Tätertyp (T-B)
möglich. Ein Arbeitskollege als Komplize bei internem als auch
externem Konfliktthema ist eher unwahrscheinlich. Ein
aussenstehender Komplize ist sicherlich auch selten der Fall, da
es ein grosses Volumen an persönlicher Niedergeschlagenheit
und Frustration braucht, die nur der Täter selber aufbringen
kann, um eine solche massive rechtliche Grenzüberschreitung
(gemäss seinen Motiven) zu begehen. Trotzdem besteht die
Möglichkeit: wenn ein T-B so stark (psychisch) von einer
Drittperson abhängig geworden ist, dass jene Drittperson die
„Ermunterung‚ zur Tat auslöst und evt. später als paritätischer
Komplize fungiert. Das soziale Umfeld dieses Tätertyps kann der
präventiven Vorbeugung dienlich sein. Dies ist aber Abhängig
vom eigentlichen Konfliktthema: Bei internen Themen (also
zwischen dem Täter und der Firma) kann der Arbeitgeber mittels
einer Profilstruktur die theoretische Eventualität, ob ein MA zum
potentiellen Täter werde kann, evaluieren und
dementsprechende Massnahmen einleiten. Bei externen Themen
kann die betroffene Firma nur beschränkt vorbeugend aktiv
werden.
Das Spektrum eines möglichen externen „Kriegsschauplatz‚ ist ja
bekanntlich enorm. Auslösende Lebenskrisen, die einen MA zum
Täter dieses Typs verwandeln lassen können, sind z.B.
Gerichtsfälle, Scheidungen, Alkoholmissbrauch, Spielsucht
u.s.w.. Im Gegensatz zum Tätertyp T-A und T-C (falls dieser
überhaupt etwas), „hinterlässt‚ dieser Typ (T-B) in seinem
finalen Schreiben sofort erkennbar, dass es sich um einen
Hilfeschrei samt Wunsch auf Kommunikation handelt. Das
erlebte Unrecht wird oft akribisch durch unendliche Schreibwut
mitgeteilt. Was den „Abgang‚ (Austritt, Kündigung) dieses
Täter-Typs betrifft, so kann man generell sagen, dass die
Angaben zum T-A hier auch gelten. Weitere Angaben zu diesem
Tätertyp können Sie auch unter „ Der Typ C “ sowie im Kapitel
*Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen.
462
Der Typ C (T-C):
Dieser Typ ist der gefährlichste aller Typen. Dieser Typ ist aus
Sicht der betroffenen Firma die ultimative Katastrophe, da eine
Verhinderung praktisch unmöglich ist. Gleich wie beim T-A + TB hat dieser Typ auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit Zugriff
auf sehr sensible Daten (Kundendaten) oder durch seine
innerbetrieblichen Kenntnisse der Firma die Möglichkeit einer
Sabotage (z.B. in der EDV). Die echten Motive zu erkennen ist
elementar für die Typen T-A + T-B, weil diese Kenntnis die Basis
für die Strategie der betroffenen Firma/Behörde ist und sogar der
Schlüssel für eine Lösung sein kann. Hier, beim Typen T-C ist
dies allenfalls rückblickend für die Aufarbeitung der schon
eingetretenen Katastrophe relevant. Warum? Er tut’s einfach. Er
verrät die Daten oder setzt die Sabotage in die Tat um. T-C hat
kein Gewissen (mehr). T-C hat vermutlich nur ein Hauptmotiv:
Rache; an der Firma, an externen Personen, an der Gesellschaft,
an der ganzen (Finanz)Welt, an sich selber. T-C droht nicht,
verlangt nichts, stellt keine Bedingungen, will nichts ändern. T-C
ist am Punkt „...nach mir die Sinnflut<‚ angelangt. Gerade in
unserer statistisch ausserordentlichen Suizidgefährdenden
Gesellschaft kann ein solcher Täter-Typ unbemerkt
„heranwachsen‚. In einer heftigen Gemütserregung vor seinem
Freitod will/wird er den höchst möglichen Schaden auslösen.
Entweder kündigt er seinen Entschluss kurz vor der Katastrophe
mittels geeigneten Mediums (Schreiben, Videoaufzeichnung,
Telefon) an oder – dies ist auch schon vorgekommen – er gibt
sich überhaupt nicht zu erkennen, weder vor noch nach dem von
ihm ausgelösten Desaster. Ein anderer Typus, mit einer ähnlichen
komplizierten Täterstruktur wie Typ T-C, vollendete seinen Hass
auf Alles in maximaler Form der apokalyptischen Gewalt: wie
vor einiger Zeit im Kantonsparlament Zug geschehen. Unserer
T-C wird nicht zum Mörder, da er ja die Daten oder die
Möglichkeit zur Sabotage hat. Wiederum ist das auslösende
Konfliktthema in oder ausserhalb der Firma angesiedelt.
1. Der Täter ist z.B. im privaten Bereich emotional sowie
psychisch schwer angeschlagen. Ungeachtet der bestätigten
Hypothese, dass emotionale Schädigungen, die durch eine
Beziehung entstanden sind, durch eine andere Beziehung wieder
ausgeglichen werden können. 2. Er ist in einer Sackgasse
463
angelangt. 3. Seine empfundene Isolation hat die Höchstmarke
erreicht. 4. Er leidet nur noch still vor sich hin. Sieht keinen Sinn
im Leben mehr. Dies obwohl es einen zutiefst menschlichen
Impuls gibt, Sinn zu finden in dem was geschehen ist. Der Sinn
offenbart sich ja nicht im Ergebnis selbst. Täter konstruieren sich
also eine Bedeutung. Und diesen Auftrag verfolgen sie oft mit
einer Auf-Leben-und-Tod-Intensität. 5. Er wird ein DauerPessimist. Sein unerträglicher Ausspruch und Reflexionen aus
dem beschädigten Leben bleibt von ihm n u n unkommentiert. 6.
Niemand glaubt ihm mehr. Es muss aber nicht alles Lüge sein in
der Finsternis menschlicher Not, was düster und unglaublich
klingt. 7. Er ist keiner mehr, der in Worten das Heil sucht! 8. Er
braucht/verwendet übrigens auch keine Komplizen. Präventiv ist
ein solcher Täter (fast) nicht fassbar. Es kann aber durchaus – wie
auch bei T-A + T-B - der berühmte Zufall ihn verraten. Hoffen
kann man nur, dass der T-C schon vor der Katastrophe irgendwie
konfliktmässig öffentlich / beruflich aufgefallen ist. Zu bemerken
ist auch, dass dieser Typ bei seinen Vorbereitungen (Datenklau
oder Sabotage) sehr, sehr professionell vorgeht. Viel besessener als
T-A- oder T-B. Täter T-A- und T-B sind oft mit einem Teil der
Daten oder kleinerem Sabotageaufwand zufrieden. Der Täter T-C
will aber unbedingt alle Daten besitzen oder den höchst möglichen
Sabotageschaden erreichen. Warum dieser Unterschied zu T-A
und T-B ? Weil eben der T-C den Schaden herbeiführen will und
wird! Die Tätertypen T-A oder T-B wollen eigentlich den Schaden
nicht verwirklichen, sondern benötigen die Daten, je nach Motiv,
als Mittel zum Zweck. Ein feiner aber gewichtiger Unterschied.
Einen Abgang eines T-C hängt von seinem intuitiven Zustand ab;
sobald er die Instrumente zur Schadensherbeiführung auf sicher
hat, wird er entweder normal kündigen oder ganz darauf
verzichten. Tendenziell wird er eher die Firma spontan
„verlassen‚ (oder ihm wurde aus verschiedensten Gründen
gekündigt). Es ist potentiell Irreführend anzunehmen, dass mit der
vorhergehenden Abhandlung des T-C Täterprofil, das Thema
damit erledigt ist. Eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ein reiner
T-C Tätertyp dem Finanzplatz einen Schlag verpasst, würde ich
nicht als gegeben sehen; viel beunruhigender ist die Tatsache,
dass aus einem ursprünglichen T-A oder T-B ein T-C werden
kann. Warum? Voraussetzung dafür ist, dass jeweils beide Täter
464
(T-A oder T-B) weiterhin – d.h. auch nachdem durch
Verhandeln, Einsicht, Aufgabe des Täters oder seiner Verhaftung
die Katastrophe verhindert wurde – im Geheimen Kopien oder
gar Originale der Daten aufbehält. Es gibt – leider - ganz, ganz
wenige Ausnahmefälle, bei welchem ein Täter (T-A oder T-B)
wirklich alle Daten zurückgibt oder vernichtet. Der T-A,
getrieben von seinem Motiv, wird seinen „Schatz‚ nicht so
einfach aus den Händen geben. Im Wissen, was auf ihn beim
Fehlschlagen seines Vorhabens zukommt, wird er Wege und
Mittel gefunden haben, seinen Besitz sicher und auf lange Zeit
versteckt aufbewahren zu können. Natürlich kann die
Staatsgewalt beide zu langer Haft verurteilen und sie somit eine
gewisse Zeitspanne unter Kontrolle haben. Aus Sicht des T-A –
wenn er auch nur ansatzweise den selektiven Gebrauch der
Wahrheit benützt - ist ihm klar, dass, wenn er die ihm unter
Umständen gebotene „gütliche‚ Lösung nicht annimmt, er die
Härte des Gesetzes am eigenen Leib erfahren wird. Ein Faktum
ist, dass er kein Problem mit der rechtlichen Auffassungsgabe,
sondern mit seiner (eingebildeten) Psyche hat. Nach der
Haftentlassung, kann es daher durchaus sein - vor allem, da er
sein Ziel (Geld) nicht erreicht hat und wenn er zudem durch die
Kleinheit seiner Gesellschaftsumgebung stark geächtet ist – dass
er aus Rache die ursprüngliche Drohung in die Realität umsetzt.
Und dies heimlich oder offen. Nach dem Prinzip des T-C Typs.
Aus Sicht des T-B kann eine Verwandlung zum T-C unter beiden
Konstellationen möglich sein. Obwohl er sich der eigenen Schuld
bewusst ist und auch eine Strafe akzeptieren würde, wäre es
emotional - was wiederum massiven und heftigen Einfluss auf
seine Psyche hat, was erneut sein Handeln lenkt – ein Desaster,
wenn er für sein Handeln (die Wirkung) die Konsequenzen
tragen muss und der Teil seines ursprünglichen Motivs (die
Ursache) unerledigt liegen bleibt. Eine Wende vom T-B zum T-C
ist auch möglich, wenn die ihm während den „Verhandlungen‚
gemachten Versprechungen und Zusicherungen sich als
Luftblasen herausstellen. Einen erneuten „Hilfeschrei‚ – in
welcher Form auch immer – würde es nicht geben. Warum auch:
der erste Hilfeschrei hat ihm ja nichts gebracht und nichts
geholfen. Er wird also weder neu drohen noch den Wunsch zur
465
Kommunikation haben. Er verwandelt sich zum T-C und handelt
danach.
Weitere Angaben zu diesem Tätertyp können Sie auch im Kapitel
*Verbesserte Sicherheit* und *Die- 50 %- Katastrophe* nachlesen.
Verbesserte Sicherheit
Der Faktor Mensch ist und bleibt die grösste Schwachstelle bei
der Sammlung, Verarbeitung und Aufbewahrung von sensiblen
Daten im Banken – und Treuhandbereich. Ich bin kein Experte;
kann aber meinen Gedanken dazu hier freien Lauf lassen und
hoffentlich zur Anregung für manche Verbesserung anstiften.
A) Allgemein: Heute ist es so, dass – rechtlich und moralisch
bedingt – vorhandene gravierende persönliche Probleme eines
MA die Firma im Grunde nur dann tangieren, wenn sich dies
negativ auf die Arbeit auswirkt. Die Unterscheidung von
„privatem‚ und „beruflichem‚ Problem kann meiner Meinung
nach – aus Sicht der Firma – n i c h t stetig als zwei verschiedene
Elemente betrachtet und dementsprechend behandelt werden.
Dies darum, weil der MA als Mensch nicht in 2-facher Form
existiert und daher seine privaten Sorgen sehr wohl grösseren
Einfluss auf die Firma haben, als diese zu glauben wagt und
denkt. Aber, wie weit soll nun „Fürsorge‚ der Firma
diesbezüglich gehen? Ist das akute Konfliktthema des MA
innerhalb der Firma angesiedelt, z.B. Ärger mit den Vorgesetzten,
anderen MA u.s.w. , so hat dies den Vorteil, dass die Firma
unverfälscht davon schon in einem frühen Stadium Kenntnis hat
und infolgedessen Handlungen ausführen kann, damit der MA
nicht zu einem Täter heranreift. Dasselbe gilt für den Fall, wo das
Konfliktthema zwar ausserhalb der Firma liegt, aber die
Auswirkungen innerhalb der Firma bemerkt werden: z.B. bei
Alkohol- oder Drogenmissbrauch oder andere starke persönliche
Änderung des Charakter des Betroffenen u.s.w. Plagen den MA
Sorgen und Nöte in seiner „Freizeit‚, deren Effekte im täglichen
Arbeitsbetrieb nicht auffallen oder keine unmittelbare direkte
Wirkung auf sein Verhalten sichtbar machen, wie z.B. Spielsucht,
Geldsorgen aller Art u.s.w. , hat die Firma dennoch die
Möglichkeit präventiv einem Heranreifen des MA zu einem der
hier beschriebenen Täter-Typen etwas entgegen zu stellen.
466
Generell könnte sich die Firma folgende Schritte überlegen: In
einer geeigneten Form von MA-Mitteilung und in ausgesuchten
Worten kundtun, dass man - als fortschrittliche Firma – folgendes
neu „offerieren‚ kann: - ab sofort können sich betroffene MA an
eine bestimme Stelle (z.B. im HR, besser aber extern) melden, wo
ihnen ein Lebenshelfer, Psychologe Hilfe anbietet. Dieser
„Service‚ ist total anonym. Das bedeutet, auch dem Betroffenen
selber die Aussicht sich (vorerst) anonym offenbaren und
mitteilen zu können, muss angeboten werden. Selbstverständlich
erfahren weder die Firma noch andere Stellen über den Inhalt der
Anliegen. Die Vertraulichkeit ist immer gewährt und nichts von
den Unterlagen landet in der Personalakte. Auch soll es dort
keinen Eintrag geben. Die Kosten übernimmt zur Gänze (!) die
Firma. Der Grund dafür liegt auf der Hand: ein auf solche Hilfe
angewiesener MA könnte sich eigentlich ja privat an einen
Psychiater, Psychologen oder andere solche Dienste wenden und
die Krankenkasse dafür zahlen lassen. Viele Mitmenschen
scheuen aber diesen Schritt, weil dann in einer kleinen
Gesellschaft wie der unseren, zu viele Mitbürger unter
Umständen erfahren könnten (trotz der Schweigepflicht), dass
man Probleme hat. Die Betroffenen schämen sich wegen Ihrer
Probleme dafür oft. Bei privaten materiellen Problemen kann
gerade eine Bank problemlos unbürokratisch und grosszügig
Hilfe anbieten. Nicht im Sinne von verbilligten Hypotheken oder
sonstigen Darlehen und günstigeren Kontokonditionen, was sie
ja heute schon tut, sondern tatsächliche finanzielle Hilfe für
solche ArbeitnehmerInnen, die selbst- oder unverschuldet in eine
Krise geraten sind. Wie ein solches Angebot ausgestattet und
kommuniziert werden kann, sodass ein Bedürftiger auch davon
Gebrauch macht, wissen die Spezialisten von HR und Bank
besser als ich. Auf jeden Fall müssen im „Angebot‚ Stichwörter
wie folgende erwähnt und untermauert stehen: gewährleistete
absolute Vertraulichkeit, keinen Eintrag in der Personalakte, egal welche
Summe und Art der finanziellen Probleme, evt. sogar zinslose Hilfe,
alle Administrativ- und Abklärungskosten begleicht die Firma zu ihren
Lasten. Durch Umsetzung obiger Ideen, wird die später garantiert
kommende Frage an einen schon aktiven Tätertyp (also bei
Eintritt der 50 %-Katastrophe), „ warum haben Sie sich nicht
vorher/ früher an uns wegen Hilfe gewandt<?‚, überflüssig.
467
Kritiker meiner Vorschläge werden sagen: „<.vergiss es. Es
würde sich sowie so keiner melden..‚. Woher wollen die dies
wissen – hat man es je so angeboten? Nein ! Es ist unnötig hier zu
erwähnen, dass trotz der möglichen Kosten sich solche
Massnahmen auch dann schon gelohnt haben, wenn damit nur
ein potentieller Täter innerhalb von einigen Jahren verhindert
werden kann. Garantiert! Der Arbeitgeber muss auch bestrebt
sein, ein Arbeitsklima zu schaffen und pflegen, wo
„Rachegefühle‚ nicht keimen können und somit sich wenigstens
kein internes Konfliktthema etablieren kann. Von problematisch
gewordenen MA, denen die Firma nicht (mehr) weiterhelfen
kann, diverser Rücksichten hin oder her, muss man sich auch
frühzeitig trennen (können)! Der Schlüssel zum Erfolg liegt auch
ganz klar im Leadership des Unternehmens!
B) EDV: Selbst die beste und teuerste elektronische Sicherheit
wird meiner Meinung nach nie ganz verhindern können, dass ein
tatkräftiger Täter, der auch kein „Leisetreter‚ ist, einen
Datendiebstahl begeht oder eine Sabotagemöglichkeit (z.B.
Datenverlust, Datenvernichtung) sieht. Insbesondere dann, wenn
der Täter selber aus dem EDV-Departement der Firma kommt.
Man hat zwar einen permanenten technischen Fortschritt, der es
eigentlich einem Täter immer schwieriger machen sollte, an sein
Ziel zu gelangen. Aber ironischer weise kann die technische
Arbeitserleichterung, indem man z.B. fortwährend alles
elektronisch Archiviert und kompakt auf einer zentralen
Datenablage speichert, um so dem MA, SB oder KB Zeit und
Arbeitsaufwand zu ersparen, gleichfalls dem Täter helfen, schnell,
einfach und sauber an Unmengen von Daten zu gelangen. In
einem aktuellen Fall konnte aufgezeigt werden, dass man nie zu
früh mit der Verschlüsselung - insbesondere des SicherungsBack-Up – beginnen kann. Die in jenem Fall betroffene Firma hat
nun in der Zwischenzeit nicht nur ihre Back-Up’s verschlüsselt,
sondern auch durch die Inbetriebnahme des neuen „xy-security‚,
dass u.a. einen Schlüssel für Ver- und Entschlüsselung aller
Daten im normalen Gebrauch verwendet, Übertragungswege
schütz und protokolliert (!) sowie Key-Provider-Module benutzt,
Voraussetzungen geschaffen, die dem neusten Stand der Technik
entsprechen. Sicherlich ist auch die Entschlüsselung eines
Sicherungsbandes ausserhalb der designierten Plattform nicht
468
mehr möglich. Einem Täter, sollte er nicht selber aus der EDVAbteilung stammen, ist es damit zumindest sehr, sehr schwer
gemacht worden, falls er gleichwohl rechtswidrig ein
Sicherungsband an sich nehmen konnte, schlussendlich an
lesbare und somit verwendbare Datensätze zu kommen. Ein
kleines Risiko besteht aber weiterhin: dann, wenn er das Band
Spezialisten (z.B. einer Dienststelle eines fremden Staates)
übergibt. Auch sollten alle MA in der EDV auf bohrende,
scheinbar harmlose aber dennoch für die Arbeit des Auskunft
begehrenden unlogische und unnötige Fragen sensibilisiert
werden, um einem möglichen Täter keine „Geheimnisse‚ zu
offenbaren, die ihm bei seiner Tat nützlich sind. Es ist durchaus
im Bereich des Möglichen, dass sich ein etwas einfallsreicherer
Täter bei solcher Fragerei in Bezug auf seine EDV - Kenntnisse
„viel dümmer‚ stellt, d.h. er gibt vor, sich weniger auszukennen
als er dies wirklich tut. Das führt oft zum Ergebnis, dass der
Angefragte auch ihm über die normale Antwort hinaus – da er
ihm helfen will – mehr preisgibt. Womöglich ausserdem über
Gegebenheiten, die dem Täter gar nie oder vorerst nicht in den
Sinn gekommen wären. Ein möglicher Täter, der selber im EDVBereich der Firma arbeitet, hat weiterhin die Möglichkeit zum
Datendiebstahl, Datenvernichtung oder Sabotagevorbereitung
(dies eher aber auf der elektronischen Seite: z.B.
Viruseinschleusung*). Es ist daher durch technisches AlarmProtokoll und logische Abläufe sicherzustellen, dass ein einzelner
MA n i c h t die praktische Möglichkeit hat, alleine ein separates,
zusätzliches Sicherungsband (evt. sogar unverschlüsselt) oder
sonstige Datenträger (CD-Rom, DVD) ab der Datenbank
herzustellen. Oder physisch irgendwelche vollen Datenträger
durch das Gebäude „trägt‚ und die Möglichkeit für Ihn (und
unter gewissen Umständen auch Dritten) schafft, den Träger zu
vernichten, auszutauschen, kopieren oder zu entwenden. Ein
solches Gefahrpotential kann man stark vermindern, wenn man
die Detail-Verantwortung für die Datensicherung,
Datenverschlüsselung und hardwaremässigen
Datenaufbewahrung auf mindestens zwei MA verteilt. Nicht eine
Teilung im Sinne, dass der eine am Montag, der andere am
Dienstag an der Reihe ist, oder der eine den Chef spielt und der
andere sein Untergebener, oder einer als Aufpasser des anderen
469
auftritt, nein, eine Teilung im Sinne „erzwungener‚
gemeinschaftlicher Verantwortung. Konkret: 1. Hardwaremässig:
Nur noch gemeinsam die die Back-Up-Bänder holen und
versorgen. Auf Personalseite ist dies zwar zeitaufwendiger, aber
für eine lückenlose Sicherheit notwendig. 2. Softwaremässig: Um
alle Back-Up’s jeglichen Typus herzustellen, bzw.
systemtechnisch in Auftrag zu geben, müssen zwingend
mindestens zwei MA (mit eigener persönlicher Passworteingaben,
nebeneinander oder hintereinander) dafür bevollmächtigt werden.
Niemals soll dies von einem einzelnen MA möglich sein! (* = Das
Einnisten von gefährlichen Viren, „Zeitbombe‚ durch einen Profi
ist denkbar). Was das Gefahrenpotential der anderen MA (keine
EDV-Mitarbeiter) betrifft, so kann – nebst meinen Ausführungen
auf der vorhergegangen Seite – seitens der EDV einiges eliminiert
oder zumindest verhindert werden. Solche „normalen‚ MA (SB,
KB) haben ja Zugriff zumindest auf die ihnen zugeteilte Mandate.
Querübergreifende Benutzrechte auf andere Mandats-Pools
sollten konsequent nicht (mehr) erteilt werden; dies erhöht – für
einen möglichen Täter - nur den Zugriff auf weitere sensible
Daten. Mangels Kopiermöglichkeit auf CD-Rom oder DVD
könnte ein Täter Hardcopies (ab System direkt via Drucker oder
ab Original via Kopierer) von sensiblen Kundendaten(Mandate)
herstellen und so entwenden. Um solchen Aktivitäten auf die
Spur zu kommen, könnte man evt. softwareseitig für eine EDVListe ein so genanntes Drucker- und Kopiererprotokoll
installieren. Darin soll - wenn möglich – nicht nur die Anzahl
ausgedruckter/kopierter Seiten mit Angabe über Benutzername,
Arbeitsstation, verwendeter Drucker (!)und Kopierer, Zugriffsort,
Datum und Zeit festgehalten werden, sondern auch die Art des
Dokumentes (wirtschaftlicher Berechtigter, Pass- oder
Adressangaben, Finanz- oder Sorgfaltsplichtdaten u.s.w). Auf
Grund eines vorher erstellten Check-Profils könnten dann
rätselhafte Vorgänge (frühzeitig) erkannt und hinterfragt werden.
Eine weitere Vorsichtsmassnahme könnte darin bestehen, dass
man z.B. jene sensiblen Daten, die vom Arbeitsablauf her
eigentlich nur einmal (beim ersten Mal) kopiert, gescannt und
gespeichert werden müssen (z.B. Passkopien,
Sorgfaltspflichtunterlagen) später eine Sperre erhalten und damit
nicht mehr kopiert/gedruckt werden können. Diese drei
470
Vorschläge (Drucker- und Kopiererprotokoll, gesperrte DOC’s)
sind nicht einfach umzusetzen, aber sich Gedanken darüber zu
machen und einen Versuch dazu wagen sicherlich wert.
C) Buchhaltung: Eine wahre Fundgrube ist dieses Departement.
Unerlässlich für einen Täter, der nicht oder nur indirekt mit der
EDV-Abteilung beruflich zu tun hat und es in erster Linie auf
gespeicherte Daten abgesehen hat (ein Täter, der selber aus der
EDV-Abteilung kommt, kennt die notwendigen Tools ja schon).
Es mag einem Täter gelingen in den Besitz der „Hardware‚ (z.B.
Back-Up Tapes, CD-Rom’s oder DVD’s) der Datenspeicherung zu
gelangen oder an die „Hardware‚ (z.B. Serverraum) seines
Sabotageobjekts heran zu kommen. Damit ist sein Ziel noch nicht
erreicht: Ohne Kenntnis über die angewandte Software läuft nichts.
Ich meine weniger die (nun neu) vorhandene
Verschlüsselungssoftware (siehe dazu die Aufführungen im
vorigen Abschnitt) sondern die verwendete allgemeine
Betriebssoftware; insbesondere die Back-Up-Software. Es gibt
Hundert, wenn nicht Tausende verschiedene Back-UpSoftwareanbieter und dazugehörige Varianten. Welche nun in
der Firma verwendet wird, könnte ein Täter, der nicht damit in
der EDV arbeitet, nie im Leben erraten. Aber, von irgendwo muss
ja eine solche Software herkommen und irgendwann muss sie
auch bezahlt worden sein. Diese und sehr viele andere nützliche
Hinweise findet man in der Buchhaltung: Dort – oft in einem
speziell ausgesonderten Ordner – sind Bestellungen,
Lieferscheine, Rechnungen, Zahlungen, Garantieurkunden und
manches mehr sauber abgeheftet. Mein Vorschlag deshalb: Alle
Unterlagen für die EDV, die in der Buchhaltung aufbewahrt
werden, sollten – so wie es mit den wichtigen Druckschriften, die
in der EDV-Abteilung selber vorkommen, gehandhabt wird –
ausdrücklich verschlossen und abgesichert verwahrt werden. Der
Zugriff muss nachkontrollierbar geregelt werden.
Die 50 % - Katastrophe
Trotz aller Vorsichtsmassnahmen - nicht nur diejenige, die ich auf
den vorgegangen Seiten beschrieben habe – wird es leider immer
wieder einem Täter gelingen, sich beabsichtigt in eine für die
Firma gefährliche Konstellation zu manövrieren. Der Täter besitzt
471
entweder sensible Daten (Originale oder Kopien, oder beides)
oder hat die Möglichkeit zur Sabotage. Er (T-A oder T-B) hat nun
das Potential zur Drohung, Nötigung oder gar Erpressung u.s.w.:
die Daten wurden von ihm aber noch nicht „verraten‚,
beziehungsweise die Sabotage hat er noch nicht durchgeführt.
Somit ist die 50 %-Katastrophe eingetreten! (Die 100 %-Version
davon wäre die vollzogene Preisgabe der Daten oder die
Durchführung der Sabotage – der Typ T-C also). Auch hier
wieder – ist meines Erachtens – das grundlegende Motiv des
Täters für die nun kommende heikle Periode der
Auseinandersetzungen beherrschend. Die Firma ist im Prinzip
mit zwei Übeln konfrontiert: ein Kleineres und ein massiv
Grösseres. Der T-A wird seine Geldforderung so berechnet
haben, dass es eine kräftig kleinere Summe ist, als der finanzielle
Schaden (andere Nachteile noch gar nicht mitberücksichtigt), die
der Firma entstehen würde, wenn die Daten verraten oder die
Sabotage gelingt - eben das kleinere Übel. Der T-B, sofern er nicht
absurde, unmöglich zu erfüllende Ansprüche stellt (z.B.
Absetzung eines Politikers, Verurteilung, Verhaftung einer
Person u.s.w.), nimmt an, dass die Ausführung seiner
Bedingungen - die dennoch eine Mischung aus grosser Not und
manchmal wilder Forderungen sein kann - im viel kleinerem
Verhältnis zum möglichen gigantischen Schaden (aller Art)
stehen, dem grösseren Übel. Beide Tätertypen haben sich bei der
Planung und Vorbereitung hauptsächlich auf die für sie
optimistische Annahmen – wie die Gegenseite reagieren wird gestützt. Ein Fehler der oft auch Ideologen häufig unterläuft. Aus
eigener Erfahrung kann ich nur dringend empfehlen,
grundsätzlich den Behauptungen des Täters – er würde dies oder
jenes aus der Firma besitzen – unbedingt glauben zu schenken.
Und dies trotzt der immer vorkommenden Bedenken und
Einwände verschiedenster Stellen und Personen in der Firma.
Natürlich empfinden die involvierten Firmenabteilungen die
„Blossstellung‚ als Angriff und wehren sich nicht nur reflexartig
dagegen, sondern lassen sich oft auch zu sachlich falsche
Äusserungen hinreissen, die wiederum Grundlage
folgenschwere, falsche Entscheidungen seitens der Firma oder
Behörden sein können. Das kostet Zeit und kann den Täter, der
bereits hoch nervös sein wird, zu bedrohlichen (Trotz472
)Reaktionen verleiten. Falls der Täter nicht schon beim ersten
Kontakt (z.B. Schreiben) den Beweis seiner Behauptung in Bezug
auf die Daten oder Sabotagemöglichkeit durch Beilegen einer
Kopie oder ähnlich erbracht hat, so ist es ein Einfaches, ihn dazu
zu bewegen. Da der Täter ja die Erfüllung seiner Forderungen als
Ziel hat, wird er ohne zu klagen der Aufforderung nachkommen.
Um keine Zeit zu verlieren und das Risiko zu vermindern, dass
bei einer solchen Beweis-Periode durch ein Missgeschick Daten in
noch gefährlichere Hände gelangen - sollte ein Täter behaupten,
dass er alle Daten besitze - so kann die Gegenseite, wenn sie den
Kern der Behauptung des Täters rein technisch oder individuell
minimal für möglich hält, ihn bitten, als Beweis einige speziell
ausgesuchte Mandate oder Kontoauszüge in geeigneter Form
vorzulegen. Die geforderte kleine Auswahl sollte dann eine
Mischung aus sehr wichtigen Mandaten (z.B. VIP, PEP) und eher
unbedeutenden (z.B. kleine Kunden, unwichtige Daten) sein.
Bringt er den gewünschten Beweis, so kann man unanfechtbar
davon ausgehen, dass er a l l e Daten, so wie er es schilderte,
besitzt. Die betroffene Firma muss sich wohl zuerst – mit oder
ohne Involvierung der Behörden – im Klaren sein, was
verhandelbar ist und wo sie hart bleiben will. Aus den
Drohbriefen oder –anrufen und dem aktuellen Verhalten des
Täters lassen sich immer Rückschlüsse ziehen. Die Gegenseite
(Firma/Behörden) muss – wenn nötig mit Hilfe von externen
Spezialisten - das Bewusstmachen und die Nachvollziehbarkeit
der Gedankenprozesse des Täters für sich sichtbar und nutzbar
machen. Auch empfehle ich – falls der Täter selber keine Person
bestimmt hat und der persönliche Kontakt vom ihm erwünscht
wird – aus psychologischen Überlegungen für einen
Verhandlungsführer n i c h t dafür in Frage kommende
ehemalige MA des Täter oder gar seinen Chef zu delegieren. Eine
„Konfrontation‚ zwischen Täter und solchen Personen wäre zu
stark gefühlsbetont und vorbelastet. Zudem sind solche
Verhandlungsführer oft der emotionalen Versuchung erlegen,
dem Täter die Sache „hölzern‚ auszureden. Eine parteilose,
externe Person ist dafür viel, viel besser geeignet. Eine, die bereit
ist, über alles mit sich reden zu lassen, zur Not auch über
„fremde‚ Themen. In der Anfangsphase ist es auch Vorteilhaft:
Nichts zusagen! Nichts ausschliessen! Wenn in der echten
473
beiderseitigen Kommunikation (mittels welchem Medium auch
immer) in der Folge aber festgestellt wird, dass dem Täter – aus
welchen Gründen auch immer - der gewählte
Verhandlungsführer (nun) n i c h t (mehr) passt, so rate ich
dringend, trotz allfälliger Einwände von behördlicher oder
anderer Seite diesen auszutauschen. Auch wenn es schwer fällt.
Der Täter ist am Drücker. Jede Provokation muss absolut
vermieden werden. Hat man sich auf eine S p r a c h r e g e l u n
g (!) geeinigt, so ist eine ununterbrochene
K O M M U N I K A T I O N mit dem Täter sehr, sehr wichtig.
Egal was die Firma für Strategien verfolgen will oder wird.
Nichts ist gefährlicher als mit dem Täter die Verbindung
abzubrechen, nur weil eine Seite (meistens die betroffene Firma
mit/ohne Behörden) es beim Betrachten der nun vorliegenden
Probleme belassen will, um eine Radikal-Lösungs-Phase
einzuläuten, weil man nicht an deren (mit dem Täter
gemeinsamen) Lösbarkeit glaubt / glaubte. Ein - zur falschen Zeit
- fatalen Beschluss zum Abbruch (und z.B. Haftbefehl) ist schnell
gefällt; insbesondere dann, wenn Entscheide auf Grund fehlender
Mehrheiten, betonierter Gruppeninteressen und dem Würgegriff
der eigenen Bürokraten gefällt wurden. Die blosse Inszenierung
staatlicher Tatkraft bringt nichts. Die Verhaftung eines Täters –
sollte er nicht aufgeben – muss als allerletztes Mittel in Erwägung
gezogen werden. Und auch nur dann, wenn sichergestellt ist,
dass zu 99,9 % die 100 %-Katastrophe nicht eintreten kann. Da es
zu 100 % ja sowie nie ganz ausgeschlossen werden kann! Den
Täter physisch „privat‚ zu fassen oder behördlich fassen zu
lassen ist heute mit kriminaltechnischen Mitteln relativ einfach.
Eine dritte Gefahr – wie in meinem Fall – besteht darin, wenn
durch die Firma oder von staatlicher Seite eine Kettenreaktion
ausgelöst wird, die nicht mehr gestoppt werden kann und beide
Seiten dadurch die Kontrolle über den Verlauf der Dinge
verlieren könnten und am Ende - obwohl von keinem Teil
gewollt - auf einmal die wirklichkeitsnahe Chance (folglich auch
ohne zutun des Täters) einer 100 %-Katastrophe real besteht und
alles noch schwieriger macht. Man bedenke daher, dass nicht
jeder (ich habe auch nur Teile davon in meinem „Schreiben‚
geschildert) preisgibt, was für Vorkehrungen man zum Eigenund Datenschutz getroffen hat, falls die Gegenseite eine Falle
474
oder ähnlichem ausbrütet Wenn ein Täter nichts dergleichen
vermerkt, heisst dies im Übrigen noch lange nicht, dass er auch
keine Massnahmen getroffen hat. Also keine Strategie fördern,
wo als Nebeneffekt (!) im Endresultat die 100 %-Katastrophe
eintritt. Sicherlich braucht es eine gewisse „Irreführung‚ des
Täters durch die Gegenseite; Oft missbraucht man aber dafür das
Gebiet des „vertrauen schaffen‚. Vorsicht! Vertrauen ist eine
künstliche Angelegenheit und wird bei Verhandlungen (von
beiden Seiten!) oft mit Hoffnung verwechselt. Das erste Opfer der
Hoffnung ist immer die Realität. Ausser Acht lassen darf man
auch nicht die Tatsache, dass – wie sein Gegenüber – der Täter,
abhängig von und fundiert durch seine Gelehrtheit, sicher nicht
mit all seinem Wissen „raus rückt‚. 1. Publiziertes
Verhaltensmuster (z.B. Zielfahndung, Abhören der Telefonate,
Standorterkennung durch IP-Feststellung des E-Mail-Versand)
oder 2. juristische Feinheiten (u.a. Unterschied ob er persönlich
oder anonym, z.B. per Post oder Hauseinwurf, die Daten an
Drittstaatendienststellen übergibt) ist/sind dem aufmerksamen
Täter zugänglich und daher wird er es zu vertuschen, zu
vermeiden und/oder richtig umzusetzen versuchen. Auf Grund
der soliden verfügbaren Ressourcen der Gegenseite ist er zwar
immer auf der Verliererseite, aber bei solchen Verbrechen kann
das Ziel „der Guten Seite‚ nicht sein, den Täter psychisch und
physisch zu erledigen. Wenn ein handlungsfähiges
Krisenmanagement den gesamten Prozess unter diesen
Gesichtspunkten steuert – dann, wenn auch nicht unbedingt für
den Täter selber – ist die Gute Seite am Ende viel eher auf der
Gewinnerseite. Des Weiteren muss eine mediale Öffentlichkeit
um jeden Preis verhindert werden. Speziell zu den einzelnen
Tätertypen kann ich dazu festhalten: Der T-A ist eher weniger
freiwillig zu Kommunikation gewillt. Er will seine Forderung
schnell und ohne grosses „Blablabla‚ erfüllt sehen. Ihm ist ein
rascher Erfolg wichtig. Darin liegt auch folgende Gefahr: wie ich
zu diesem Typ im eigenen Kapitel erwähnt habe, sind –rein
theoretisch – schon bei der Vorbereitung und dann Forderung
Komplizen möglich. Auch wenn der Haupttäter (ehem. MA) die
Existenz solcher Helfershelfer unter Umständen gar nie offen
legt. (Durch gezielte, distinguierte Neugierde, kann im Übrigen
herausgefunden werden, ob der Täter Gehilfen hat oder nicht.
475
Oder er selber nur Gehilfe ist!). Gefährlicher wird es, wenn sich
der Täter durch falsche, überhetzte Aktionen der Gegenseite
bedrängt fühlt und sich neue, vorher fremde „Helfer‚ sucht, die er
zu neuen „Partner“ macht oder machen muss(!). Dann hat auch
die Gegenseite eine komplett veränderte Situation, die noch
schwerfälliger als vorher zu lösen sein wird. Eine solche
Konstellation ist daher unbedingt zu vermeiden! Bei diesem
Tätertypen gibt es sicherlich solche Stimmen, die sagen, man soll
auf die Geldforderung eingehen und zahlen. Ich wurde auch
gefragt, ob ich, rein hypothetisch – obwohl kein T-A - im
Rollentausch als Firma bezahlen würde. Dies ist eine schwierige,
ja fast philosophische Frage. Dies kann nur eine betroffene Firma
alleine entscheiden. Die Gesetzeshüter werden schreien: NEIN.
Wenn die Drohung aber so massiv ist und keine gütliche- eine
andere gibt es mit diesem Typ praktisch nicht – Lösung (eine
Verhaftung ist keine Lösung sondern nur ein „Zwischenstopp‚)
in absehbarer Zeit möglich ist, dann – so vermute ich – ist es aus
Sicht der Firma sogar besser, dem Täter (vorerst) sein
offensichtliches erstrebtes „Glücksgefühl‚ zu erfüllen; anstatt die
100 %-Katastrophe einschlagen zu lassen und danach
schlussendlich erfolglos das ultimative, beispiellose Desaster zu
reparieren versuchen. Beim T-B steigen die Siegeschancen für die
Firma enorm, wenn sie sich auf einen Konsenskurs begibt. Auch
wenn im ersten, aufgeheizten Zeitabschnitt jede Seite massiv für
sich das Recht reklamiert. Der T-B sucht eigentlich Anerkennung
für sein Anliegen, will verstanden werden. Je nach dem, wie viel
er – aus seiner Sicht - in der Vergangenheit chronisch zu hart ran
genommen worden war, wird er mehr oder weniger die Regung
verspüren, kürzer oder länger mit sich Verhandeln zu lassen.
Wesentlich ist aber, dass er Verhandeln will und wird.
Interessanter Weise kann die Gegenseite bei diesem Täter-Typ
meistens die Erfahrung machen, dass je mehr Zeit verstreicht,
umso überwiegender er den Datenbesitz als Last empfindet. Der
Grund dafür liegt in der komplizierten Struktur einer Mischung
von Loyalität, seines Sukkurses und seiner - wenn auch
wechselhaften – Ausrichtung auf die gedankliche Durchdringung
der Wirklichkeit. Der Etappen-Weg bis zu einer gemeinsamen
akzeptablen Lösung kann sehr steinig und sehr zeitaufwendig
sein. Ich bin sicher, dass dort, wo es in der Vergangenheit (in
476
einer zivilisierten Welt) mit dem Tätertyp T-B zu einem
derartigen förderlichen Ergebnis gekommenen ist und diese
Resultate öffentlich gemacht worden wären, man feststellen hätte
können, dass die jeweils gefundene Lösung aus rein juristischer
Sicht nicht ganz lupenrein war. Im Sinne einer ausreichenden
Schadensbegrenzung ist dieser Umstand leider nicht vermeidbar.
Es kann sein, dass auch dieser Täter-Typ Forderungen materieller
Form stellt. Oft sind es „Schadensersatzforderungen‚,
resultierend – so wie er schildert – aus ihm gegenüber
begangener Rechtswidrigkeit. Es besteht aber ein gewaltiger
Unterschied zu einer finanziellen Forderung von seitens eines TA: Der T-A hat keinen Schaden erlitten und will sich – schlicht
gesagt – einfach bereichern und der Anspruch entbehrt daher
jeder Basis. Beim T-B ist die Grundlage seiner Forderung
irgendwo in der Vergangenheit schon dokumentiert und er hat
also einen finanziellen Schaden nachprüfbar faktisch erlitten
(unabhängig der rechtlichen Sichtweise). Soll nun der denkbare
Anspruch geldmässig befriedigt werden? Wenn ja , von wem ?
Der Firma ? Der Staat ? Den wahren Schuldnern ? Diese Fragen
kann ich aus meiner Sicht nicht beantworten kann.
Schlusswort
Abschliessend möchte ich festhalten, dass folgender Spruch „Die
wirkliche Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit‚ für beide
Seiten gilt. Es dürfen keine Mittel gespart und keine Methoden
ausgelassen werden um zu einer gemeinsamen Lösung zu finden,
die in der Substanz von allen Betroffenen getragen werden kann.
Nie, nie einem T-B verlockende, verführende Versprechungen
machen, die bewusst oder unbewusst nicht eingehalten werden
können, die Sprengkraft solcher Taktik ist selbst - zerstörerisch
für alle. Eine weitsichtige Firma wird sogar „ihren‚ Täter, egal
ob T-A oder T-B, egal ob er in Haft oder in Freiheit lebt, nach dem
gesetzlichem Finale der Prozedur ausserdem ein Stück weit in
seinem Leben begleiten um somit ihre ausserordentliche
Sozialkompetenz wirklich zu leben.
E N D E der Denkschrift
477
Hans-Adam schickte mir am 21.10.03 einen Brief und bedankte sich
ausdrücklich für meine Arbeit. Er habe dem Professor und dem
Bankdirektor eine Kopie zukommen lassen. Jetzt, wo ich meine Arbeit
für mein Buch nochmals durchgelesen habe, war ich über die Aktualität
und das fast genaue Eintreffen diverser Schlussfolgerungen verblüfft.
Insbesondere wenn man die paar Zeilen meines Schlusswortes liesst.
Grausig! Ich konnte ja unmöglich wissen, was sich in den Jahren nach
dem Oktober 2003 abspielen würde.
Lampert, ein T-A, wurde mit Hilfe seines Komplizen Michael F. (aus
Deutschland) zum T-C. Die 100-prozentige Katastrophe für die LLB
wurde Wirklichkeit. Gegen Ende 2003 wurde ich informiert, dass man
mit Hilfe meiner Denkschrift versucht hätte, an den Lampert
heranzukommen.
Rückblickend denke ich, dass Hans-Adam in Wahrheit keine Zeile von
meiner Arbeit gelesen hat. Vermutlich fand seine Kopie denselben Weg
wie mein 3-D-Kerker-Modell: ab in den Müll.
478
KAPITEL 23 Überraschung! Überraschung!
Verhandlung vor dem Kriminalgericht Vaduz am 21.10.2003:
Der D-Day war gekommen. Der Desaster-Tag. Um 08.00 Uhr wartete ich
auf dem Vorplatz des LG auf RA Müller und den Bankdirektor. Der
Professor entschuldigte seine Abwesenheit ein paar Tage vorher in
einem Anruf an mich. Später wurde mir klar, dass seine Abwesenheit
auch einer der Hinweise war, dass er nicht zum Kreis der vollständig
Eingeweihten gehörte. Sonst wäre er nämlich hier gewesen, um mir zu
helfen. Denn noch bevor die Kirchenglocken 12 Uhr Mittag schlagen
würden, hätte ich dringend einen Psychologen gebraucht.
Die Verhandlung fand im „Ballsaal‚ des Gerichts statt, dem grössten
Verhandlungszimmer. Als würde man eine Horde Zuschauer erwarten.
Meine Seite wartete unten im Keller, im Raum mit dem Kaffee- und
Getränkeautomaten fürs Gerichtspersonal. Als wir dann hoch in den
Gang mit den Verhandlungszimmern gingen, erblickte ich zwei
Landespolizisten, uniformiert und bewaffnet. Und als ich dann sah, dass
sie in den Saal 1 hineinmarschierten, wusste ich sofort, dass die für mich
waren. Da stimmt etwas nicht, sagte ich zum Bankdirektor. Er war auch
erstaunt darüber, dass die Polizei anwesend war. RA Müller war so
freundlich und fragte bei einem der Polizisten nach. Die Antwort
beunruhigte mich sehr. Die STA hätte die Polizei beantragt. Ich wurde
kreidebleich. Die wollen mich nach der Verhandlung verhaften, zitterte
ich. Ich wurde reingelegt, schrie ich. Nein, sagten meine beiden Begleiter.
Das ich bisher nicht verhaftet wurde, war ja klar, erkannte ich. Das Freie
Geleit bewahrte mich davon. Doch es gab einen kleinen, aber
gefährlichen Unterschied: Es stand nämlich geschrieben, dass ich bis zur
Urteilsfällung, nicht bis zur Rechtsgültigkeit eines Erstinstanzlichen
Urteils auf freiem Fuss bleiben könnte. Ich war mir nicht mehr so sicher,
ob es eine gute Idee war, nach Hause zu kommen. Ich kämpfte mit mir
selber und sagte meinen Begleitern, dass ich nicht in den Saal gehen
würde.
Es bedurfte angestrengter Überredungskunst um mich davon
abzubringen. Der Bankdirektor, der mir natürlich viel näher stand als
der RA, fürchtete um den grossen Plan, den sie ausgekocht hatten. Er
wollte sich nicht ausmalen, was geschehen würde, sollte ich nicht in den
Saal gehen. Die Bullen würden mich dann vielleicht mit Gewalt
479
vorführen. Ein Unheil wäre dies, jammerte er. War mir alles wurscht. RA
Müller, der Technokrat unter uns, wiederholte zum 1000. Mal, dass ihm
Hans-Adam höchstpersönlich mehrfach gesagt hätte, dass mir nichts
passieren würde. RA Müller begründete seine Gewissheit damit, dass
wenn man dem Wort von Hans-Adams keinen Glauben mehr schenken
kann, man niemandem glauben kann. Dies leuchtete mir ein.
Auf dem Weg zum Saal 1 kreuzte sich mein Weg mit dem von STA
Haun. Es war sehr lange her, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte.
Er blickte mich nicht an und schaute ostentativ auf den Boden. Pünktlich
um 08.30 Uhr waren alle im Saal. Ich in der Mitte, vor mir die fünf
Richter. Auf einer Seite der STA Haun, auf der Anderen RA Müller.
Hinter mir in der ersten Sitzreihe sass der Bankdirektor und ganz hinten
links sass Dr. Robert Wallner. Ansonsten war niemand anwesend. Als
meine Vertrauensperson wurde der Bankdirektor von Hans-Adam
abdelegiert, wogegen die STA nichts einzuwenden hatte. Ein Wunder,
ein Wunder, dachte ich mir im Stillen. Die STA hat mal nichts dagegen.
Nach den Angaben zu meiner Person wurde gleich der Ausschluss der
Öffentlichkeit beantragt. Zur Sicherheit des Landes. Dies wurde vom
Gericht einstimmig befürwortet. Ich sass auf dem Angeklagtenstuhl und
hatte meinen Zettel in der Hand. Ich brachte keine Akten mit. Auch RA
Müllers Tasche war nicht so schwer beladen, wie sie bei einem
Verteidiger eines solchen fetten Prozesses hätte sein müssen. Aber eben,
die Rolle von Müller war nicht die eines Verteidigers. Er war mehr ein
juristischer Vermittler zwischen Hans-Adam, der LGT als seine
Brötchengeber und meiner Wenigkeit.
Nach Verlesung der Anklage wurde ich aufgefordert, dazu etwas zu
sagen. Ich stand auf und las den Zettel Wort für Wort runter. Nachdem
ich damit fertig war, drehte ich mich zum Bankdirektor und dem RA.
Beide nickten schwach mit dem Kopf. Ein gutes Zeichen, dachte ich.
Dann passierte etwas, was niemand erwartet hatte.
RA Müller sagte mir nachher, dass er auch völlig irritiert gewesen wäre.
Als ich mich wieder umgedreht hatte, starrte mich der vorsitzende
Richter an und flüsterte etwas zum Beisitzer. Er bat mich, den Zettel
nach vorne zu bringen. Er fragte, ob ich unter Instruktionen seitens der
LGT handeln würde. Ich bat um Entschuldigung und erwiderte nur,
dass ich gerade gesagt hätte, dass ich keine weiteren Fragen beantworten
kann. Dem Richter gefiel meine Antwort gar nicht. Er stand auf und
480
zusammen mit einem Beisitzer verschwand er für ein paar Minuten mit
meinem Zettel in das kleine Beratungszimmer neben dem Saal. Ich setzte
mich wieder und konnte nicht mehr tun als warten.
Als sie zurückkamen, sagte der Vorsitzende etwas in Richtung
abgekartetes Spiel oder ähnlich. Er sprach so undeutlich und leise, dass
ich ihn nicht verstehen konnte. Müller hatte auch keine besseren Ohren
als ich und der Bankdirektor war noch weiter weg. Da weiters nichts
Negatives geschah, kam ich zum Schluss, dass der Richter nichts
Unwürdiges oder gar Unzulässiges gemeint haben musste. Dann stellt
RA Müller eine Frage, die wir vorher abgesprochen hatten. Das Thema
war der Zeitpunkt meines Entschlusses, ins Ausland zu gehen, um
möglicherweise die Daten zu verraten. Es folgte praktisch dieselbe Frage
von Haun. Das war’s? Ich war überrascht, wie Haun sich zurückgehalten
hatte. Ich hätte eher gedacht, dass der wie ein Kannibale loslegt.
Offenbar war dem Gericht alles so klar, dass sogar auf ein Vorlesen der
Beweise gegen mich verzichtet wurde.
Die STA verlangte einen Schuldspruch im Sinne der zusammengelegten
Anklageschriften und eine schuld- und tatenbemessene Bestrafung.
Mein RA verlangte einen Schuldspruch zum Teil 1) und Freispruch zum
Teil 2). Bezüglich einer Bestrafung beantragte mein RA ein gerechtes und
vor allem gnädiges Urteil. Ich durfte auch noch sagen, dass ich mich den
Worten des RA anschliessen würde und um ein mildes Urteil bitten
würde.
Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Die dauerte von 10:15 Uhr bis
11:30 Uhr. Für die Dauer der Urteilsfindung verliessen wir drei den Saal
und begaben uns wieder in den Keller zum Pausenraum. Vorher grüsste
mich Dr. Wallner und gratulierte mir zu meinem Mut (nach Hause
zurückzukehren). Ich bedankte mich bei ihm dafür, den Haun an kurzer
Leine gehalten zu haben. Auch bedankte ich mich nochmals zum Voraus
für seine Mühe, das kommende Urteil in Spanien anerkennen zu lassen.
Die Polizisten waren auch nicht mehr zu sehen. Mit Haun sprach ich
kein Wort.
Um 11.25 Uhr wurden wir wieder in den Saal gerufen. RA Müller
wunderte sich schon, warum das Gericht über eine Stunde für die
Beratung brauchte. Je länger er dauerte, desto nervöser wurden der
Bankdirektor und auch ich. Die Polizisten waren wieder da. Einer stand
481
draussen vor der Saaltüre, der andere drinnen. Schlechtes Zeichen,
dachte ich. Zur Urteilsverkündung standen wir alle auf. Gemäss
Protokoll, bestehend aus einem Deckblatt und fünf Seiten, wurde das
Urteil einstimmig gefällt.
Anm.: Dass ich hier in meinem Buch aus dem an und für sich geheimen,
versiegelten Beratungsprotokoll zitieren kann, liegt daran, dass ich das Original
habe. Wie viele der anderen Unterlagen, aus denen ich für mein Buch in Hülle
und Fülle zitieren und berichten kann, wurde mir dieses Protokoll später von
dritter Seite anonym zugesteckt. Logischerweise konnte ich 2003 nicht wissen
oder erahnen, dass ich Jahre später ein Buch schreiben würde. Aber wegwerfen
wollte ich die immer grösser werdende Sammlung auch nicht. Sie waren und
sind es immer noch: Ein Teil meines Lebens. Ein Blick heute in die
verschiedenen Gerichtsakten würde bestätigen, dass verschiedenen
Originalprotokolle nicht mehr vorhanden sind. Wer das Material entnommen
hatte, weiss ich nicht und selbst wenn ich es könnte, wollte ich es nicht
herausfinden.
Der etwas brummig dreinschauende vorsitzende Richter verkündete im
Namen von Fürst und Volk das Urteil:
„Heinrich Kieber wäre des Verbrechens des schweren Betrugs (
Anm.: „schweren“ wegen der Höhe der Kaufsumme für die Wohnung in
Barcelona) nach den § 146, 147 Abs 2 StGB, des Verbrechens der
Gewalt und gefährlichen Drohung gegen den Landesfürsten nach
§ 249, dem Vergehen der versuchten Nötigung nach den § 15, 105
Abs 1, dem Vergehen des Diebstahls nach § 127 und dem
Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 schuldig
zu sprechen.
Für das Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- oder
Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands nach § 124 Abs 1
StGB, und zum Vergehen der Datenbeschädigung nach § 126 a
Abs 1, wäre er freizusprechen. Als Bestrafung, wäge man die
Straferschwerungs- und Strafmilderungsgründe gegeneinander
ab, erscheine eine Freiheitsstrafe von vier Jahren ausreichend
aber auch angemessen zu sein. Bei der Strafbemessung konnte
zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er
unbescholten war (Anm.: keine Vorstrafen hatte), dass das
Vermögensdelikt zum Teil 1 schon vor langer Zeit begangen
wurde, dass der Schaden aus diesem Vermögensdelikt
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gutgemacht ist (Anm.: Helmut Roegele konnte ja das Geld in
Österreich abkassieren), und dass er seine Drohungen nicht
verwirklichte, sondern sich letztlich reuig zeigte und die Daten
vernichtete bzw. zurückgab. Als erschwerend war das
Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen zu beurteilen.
Die Prozesskosten von CFH 30'000.- werden dem Angeklagten
auferlegt‚.
Ich war auf alles vorbereitet. Nur auf das nicht. Was für ein Schock.
Zuerst dachte ich, mich verhört zu haben. Ich muss in einem Horrorfilm
gelandet sein. V-I-E-R Jahre? Vier Jahre? Vier! Und nichts auf
Bewährung ausgesetzt. Das würde bedeuten, dass ich mindestens für 32
Monate, also Zwei 2/3 Drittel Jahre ins Gefängnis musste. In
Liechtenstein war es Gesetz, dass man bei guter Führung nur zwei
Drittel der Strafe absitzen muss.
Mir wurde kotzübel. Ich drehte mich um zum RA. Dieser flüsterte etwas
von meiner Dankbarkeit. Jetzt noch, fragte ich ihn und er nickte hef