- Kunsthalle Bremen

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Unterrichtsmaterial zur Ausstellung
Emile Bernard.
Bernard. Am Puls der Moderne
7. Februar bis 31. Mai 2015
Vorwort und Hinweise zum Gebrauch
Die aktuelle Sonderausstellung Emile Bernard – Am Puls der Moderne in der Kunsthalle Bremen, die
in Kooperation mit den Musées d’Orsay et de l’Orangerie in Paris präsentiert wird und erstmals alle
Schaffensphasen dieses facettenreichen Künstlers vorstellt, bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte und
Möglichkeiten zur Vermittlung von kunst- und kulturgeschichtlichen Inhalten und künstlerischen
Techniken. Emile Bernard war eine schillernde Künstlerfigur: Mit seinen farbintensiven und
dekorativen Gemälden begründete er im Dialog mit Gauguin den Symbolismus in der Malerei.
Faszinierend ist die Vielfalt seiner Themen und Motive, sowie das Spektrum seiner stilistischen und
technischen Mittel: leuchtende Landschaftsgemälde, geheimnisvolle Selbstbildnisse, formal reduzierte
Stillleben, aber auch Kunsthandwerk, Bücher, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafik.
Das vorliegende Unterrichtsmaterial gibt Ihnen neben inhaltlichen Einführungen auch praktische
Anregungen für die Unterrichtsgestaltung und die Vorbereitung Ihres Ausstellungsbesuches. Hierfür
empfehlen wir Ihnen und Ihren SchülerInnen besonders unsere Führungen mit anschließender
Werkstattarbeit. Auf diesem Wege können die SchülerInnen das Gesehene und Besprochene
besonders nachhaltig nachvollziehen.1
Die im vorliegenden Unterrichtsmaterial verwendeten Texte und Bildbeschreibungen basieren auf den
Texten aus dem Ausstellungskatalog Emile Bernard – Am Puls der Moderne.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Schülerinnen und Schülern einen aufschlussreichen und
vergnüglichen Besuch in unserer Ausstellung!
Ihr Team der Kunsthalle Bremen / Abteilung Bildung und Vermittlung
1
Bitte beachten Sie, dass – wie bei allen großen Sonderausstellungen der Kunsthalle Bremen – der Ausstellungsbesuch nur im Rahmen
einer Führung möglich ist. Unsere Dauerausstellung steht Ihnen selbstverständlich wie gewohnt auch für ungeführte Museumsbesuche
offen.
Nähere Informationen hierzu finden Sie unter:
http://www.kunsthalle-bremen.de/programm/schulen-und-kitas/informationen-fuer-lehrer/hinweise-fuer-ihren-besuch/
Emile Bernards Anfänge und das künstlerische Umfeld
Die künstlerische Karriere des Emile Bernard begann im September 1884, als er in das Atelier des
Pariser Künstlers Fernand Cormon aufgenommen wurde. Damals lebte der 16jährige noch bei seinen
Eltern.
Cormon war einer der vielen konservativen Maler, die trotz der eigenen antimodernen Malerei junge
Künstler in das Atelier aufnahm und relativ tolerant gegenüber den Bestrebungen der jungen
Generation blieb. In diesem Atelier begegnete Bernard
Henri de Toulouse Lautrec und Louis Anquetin und
wurde von den beiden in das Pariser Nachtleben
eingeführt. Sie waren mindestens so oft in den Cabarets
des Montmartre zu finden wie im Louvre. Zahlreiche
Zeichnungen zeugen von seinen Eindrücken.
Im Frühjahr 1886 musste Bernard das Atelier Cormon
„wegen aufsässigen Verhaltens“ verlassen und begab
Emile Bernard
Die Stunde des Fleisches, 1885/86
Privatbesitz
sich auf eine erste Wanderung in die Bretagne. Im
Herbst desselben Jahres begegnete er Vincent van Gogh
in Paris, der dorthin gekommen war, um Kontakte zu knüpfen und sich mit der Entwicklung der
neuesten Kunst vertraut zu machen. Zwischen den beiden Künstlern entwickelte sich eine enge
Freundschaft, die auch nach van Goghs Reise nach Arles im Frühjahr 1888 fortbestand: In zahlreichen
Briefen berichteten sie über ihre Arbeit und tauschten Zeichnungen aus.
Nicht nur durch die von Van Gogh 1887 organisierte Ausstellung mit
japanischen Holzdrucken wurden Toulouse Lautrec, Anquetin und Bernard
vom Japonismus angesteckt. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde
die japanische Kultur gerade auch in Paris sehr populär und sowohl die
bildende Kunst wie auch das Kunstgewerbe stark beeinflusst.
Ando Hiroshige
Kampf auf der Gojo-Brücke, um 1834-35
Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen
Japanische Holzschnitte stilisieren den Gegenstand mit
klar gezeichneten Umrissen und einem flächigen,
unmodulierten Farbauftrag. Diese Form der
Vereinfachung und Synthese beeindruckte Emile
Bernard tief. Insbesondere im Austausch mit Louis
Anquetin entwickelte er mit dem Cloisonismus eine
neue Ausdrucksweise, die vom japanischen
Holzschnitt beeinflusst war. Die Perspektive wird
Emile Bernard
Lumpensammlerinnen – Clichy, 1887
Musée des Beaux-arts, Brest
Louis Anquetin
Der Windstoß auf der Seine-Brücke,
1889, Kunsthalle Bremen – Der
Kunstverein in Bremen
negiert und die Leinwand als Kompositionsfläche für einen ausgewogenen Rhythmus benutzt. Keine
Schattierungen, sondern klare Umrisslinien begrenzen den Gegenstand. Flächen werden mit
ungemischt aufgetragenen Farben angefüllt. Neben diesen Aspekten bedeutete auch die Verwendung
von reinem Schwarz einen Bruch mit der Praxis der Impressionisten. Dieser Bruch wird nicht zuletzt
auch dadurch verdeutlicht, dass weniger unter freiem Himmel, sondern vielmehr im Atelier und aus
der Erinnerung gemalt wurde. Die raum- und zeitlose Atmosphäre, die diese Bilder vermitteln,
strebten auch andere Künstler der sogenannten „Schule von Pont Aven“ an. Sie lehnten das Arbeiten
in der Natur ab, um unabhängig vom oberflächlichen Augenblick zu sein,
und strebten nach Einfachheit und nach Ursprünglichkeit, was sie unter
anderem im Leben der bretonischen Bauern gefunden zu haben
glaubten. Die traditionelle Tracht zum Beispiel verkörperte für die
Großstädter eine vorindustrielle Lebensweise. Die Religiosität und das
Leben im Einklang mit der Natur hat sie tief berührt. Die dargestellten
Figuren verlieren die individuellen Züge und werden typisiert dargestellt.
Emile Bernard
Die Weizenernte, 1888
Musée d’Orsay, Paris
Im Mai 1889 fand die Pariser Weltausstellung statt. Angesichts der
gigantischen Besucherströme aus entwickelten Emile Bernard, Paul
Gauguin und Emile Schuffenecker den Plan, hier eigene Bilder zu präsentieren. Dafür bot sich das Café
des Arts an, das auf dem Ausstellungsgelände gegenüber dem Pressepavillon lag. Die Künstler sorgten
für einen professionellen Auftritt mit einer gedruckten Einladung, einem Plakat, einem
Ausstellungskatalog und einer strategischen Zusammenarbeit mit der Presse. Das Plakat fasste die
ausgestellten Künstler zur „Groupe Impressionniste et Synthétiste“ zusammen, zu der neben den drei
Organisatoren auch Louis Anquetin und vier weitere Künstler zählten. Als „Synthetisten“ bildeten sie
eine provokative Avantgarde, die sich nicht nur von der offiziellen Staatskunst abgrenzte, sondern auch
von den Impressionisten und den modernen Pointillisten. Leider war die Ausstellung ein
kommerzieller Misserfolg. Knapp zwei Jahre nach der Ausstellung kam es zum Bruch zwischen
Bernard und Gauguin, nachdem Gauguin mehrfach als alleiniger Erfinder bzw. Meister des
Synthetismus bezeichnet worden war und er nicht dazu beigetragen hatte, diese Fehleinschätzung zu
korrigieren.
Dieser Bruch, verbunden mit dem kommerziellen Misserfolg und Prestigeverlust sowie eine
unglückliche Liebesbeziehung stürzten Emile Bernard in eine Lebens- und Schaffenskrise. In deren
Folge verließ er 1893 Frankreich. Er begab sich auf eine Reise über Italien bis nach Ägypten.
Künstlerisch suchte Bernard seit Mitte der 1890er Jahre neue Wege und wandte sich zunehmend der
Malerei Alter Meister der spanischen und italienischen Renaissance zu.
Die Kindheit eines Malers – Das Bremer Klebealbum
Klebealbum mit Zeichnungen von Emile Bernard
1970 erwarb die Kunsthalle Bremen ein Album mit Zeichnungen von Emile Bernard, die vor allem aus
seiner frühesten Schaffenszeit stammen. Das Album ist ein ehemaliges Kassenbuch, das ursprünglich
auch zu diesem Zweck benutzt wurde. Bernard klebte seine Zeichnungen in den dicken Band, allerdings
nicht sofort nach der Entstehung der Blätter, sondern erst später.
Die Zeichnungen sind ohne ein klares Ordnungsprinzip in bunter Vielfalt angeordnet. Es sind insgesamt
über 850 Blätteraus unterschiedlichsten Schaffensperioden des Künstlers – von Jugendzeichnungen bis
hin zu Skizzen aus dem Spätwerk. Insofern überrascht der von Emile Bernard stammende Titel des
Albums L’Enfance d’un Peintre. Die einzelnen Zeichnungen hatten auch unterschiedliche Funktionen: sie
zeigen Detail- und Figurenstudien, es gibt Kompositionsskizzen und auch selbständige Zeichnungen, von
denen einige sogar signiert und datiert sind. Emile Bernard verwendete für die Arbeiten Zeichenpapier in
unterschiedlichen Qualitäten. Außerdem nutzte er Rückseiten von Druckerzeugnissen sowie Visitenkarten,
Einladungen, Landkarten, Formulare, Briefe und Buch- oder Katalogseiten als Material für seine
Zeichnungen. Auch die Techniken sind ganz unterschiedlich. Es finden sich Arbeiten in Bleistift, Kreide
und Feder unterschiedlicher Stärken und einige Skizzen, die mit Aquarellfarben koloriert wurden. Auch
auf seinen zahlreichen Reisen fertigte Bernard viele Skizzen an, die er später aus den ursprünglichen
Skizzenbüchern riss und in das Album klebte. Er zeichnete die Landschaft, Eisenbahnbrücken, Tiere und
immer wieder Menschen. Auch Aktzeichnungen und Darstellungen von Badenden bewahrte er in seinem
Buch auf. Zum Teil dienten ihm diese Skizzen als Studien für aufwändigere Ölgemälde und Zinkografien.
Schülerzeichnungen, Kopien, Familienporträts
Die frühesten Zeichnungen Bernards im Bremer Album stammen aus den Jahren 1882/83. Als Schüler im
Alter von 14 Jahren beschäftigte ihn vor allem seine unmittelbare Umgebung: Er zeichnete das Collège
Sainte-Barbe in Fontenay-les-Roses und den Pariser Sitz der Schule, vor allem aber hielt er die Schüler auf
den Bänken und die Lehrer am Schreibtisch fest. Das Album enthält ca. 50 solcher Darstellungen von
Schülern und Lehrern.
Emile Bernard
Schulstunde, Zeichnungen,
1882/83
Klebealbum Seitne 10 und 5
(rechte Zeichnung),
Kunsthalle Bremen
Mehrere Porträts zeigen Bernards Lehrer Gustave Deltel mit seiner „schwarzen Künstlermähne“, den
Bernard sehr schätzte. Deltel motivierte den jungen Bernard zum Zeichnen und tauschte mit ihm auch
Gedichte aus: Dieses parallele Interesse für Poesie und bildende Kunst prägte Bernards künstlerisches
Schaffen bis zu seinem Tod.
Zu seinen frühesten Modellen gehörten auch Bernards Familienmitglieder. So gibt es zahlreiche
Zeichnungen seiner drei Jahre jüngeren Schwester Madeleine und den Großeltern Bernards, zu denen er
im Alter von 9 Jahren zog. Die abgebildete Zeichnung seiner Großeltern entstand 1883, als der Großvater
krank auf dem Sofa lag und von seiner Frau umsorgt wurde.
Emile Bernard
Die Schwester Madeleine (o.J.)
Klebealbum Seite 1
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Die Großeltern in Lille, 1883 (Ausschnitt)
Klebealbum Seite 11
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Der Lehrer Deltel, 1883
Klebealbum Seite 3
Kunsthalle Bremen
Praktische Arbeitsanregungen (für alle Altersstufen)
Sammelalbum
Kennen die SchülerInnen Sammelalben (Briefmarken, Fußballbilder, Sticker etc.)? Jede
SchülerIn erhält die Aufgabe, einen Gegenstand bzw. ein Bild davon mitzubringen, den er/sie
für „sammelwürdig“ hält. Die Klasse erstellt daraus ein gemeinsames Klassen-Sammelalbum.
Ein Klassenzimmer – viele Klassenzimmer
Jede/r SchülerIn macht eine Skizze auf einem kleinen Blatt Papier vom Klassenzimmer, den
Mitschülern und/oder dem Lehrer.
Hinterher werden die einzelnen Skizzen auf ein großes Blatt Papier geklebt. Wie ist die
Gesamtwirkung?
Ungewohntes Zeichenmaterial
Anstelle von weißem DinA 4 Papier erhalten die SchülerInnen vorhandenes und ggf. schon
bedrucktes Material (z.B. Rechnungen, Postkarten oder Buchseiten) und zeichnen nun darauf,
wie Bernard es getan hat. Wie empfinden die SchülerInnen diese Arbeitsweise? Welche
Unterschiede entstehen durch die verschiedenen Formate? Werden etwaige Bedruckungen
oder Gebrauchspuren in die Zeichnungen integriert oder regen sie gar zu neuen Bildern an?
1884/85
1884/85 – Pariser Impressionen
Impressionen
Während Bernard sich zunächst auf Kopien und die Darstellung von Menschen
aus seinem unmittelbaren Umfeld konzentrierte, wandte er sich ab 1884 der
Stadt und ihren Bewohnern zu. Im Sommer war seine Familie nach Courbevoie
nördlich von Paris gezogen. Hier entdeckte Bernard am Ufer der Seine eine
Vielfalt an Motiven, die bereits die Impressionisten zu Gemälden angeregt
hatten. Bernards Zeichentechnik unterstreicht die flirrende Helligkeit, indem er
Figuren und Bäume mit der feinen Feder in leichten, kritzelnden Konturen
umreißt. Weitere Zeichnungen zeigen kleine Läden, Anstreicher auf der Leiter,
ein Kindermädchen im Hof, Szenen am Fluss - wie Angler oder Bootfahrer und eine Sängerin auf der Bühne. Einen Höhepunkt dieser impressionistischen
Federzeichnungen stellt ein Blatt von 1885 dar, das in ungewöhnlicher
Perspektive den Blick aus einem Fenster auf einen sonnenbeschienenen
Hofgarten wiedergibt, wo Frauen unter der Wäscheleine sitzen.
Emile Bernard
Wäsche im Garten
Klebealbum Seite 12
Kunsthalle Bremen
Pariser Straßenszenen wurden damals für Bernard ein
wichtiges Thema. Gaslaternen als Symbol der modernen
Großstadt sind in den Arbeiten allgegenwärtig.
Er liebte zudem den nassen, reflektierenden Straßenbelag bei
Regen. In seinen Zeichnungen schuf er mit Parallelschraffuren
Figuren und deren Spiegelungen auf dem Pflaster.
Emile Bernard
Skizzen
Klebealbum Seite 28 (beide)
Kunsthalle Bremen
Praktische Arbeitsanregung
Bilder-Tage-Skizzenbuch (Alle Alterstufen)
Die SchülerInnen erstellen über einen festgelegten Zeitraum jeden Tag die Zeichnung eines
alltäglichen oder besonderen Moments, Gegenstandes, etc. in ein eigens dafür angelegtes Heft.
So entsteht ein Bilder-Tagebuch.
Spiegelungen
Jüngere SchülerInnen erhalten eine Kopie von Bernards Skizze (Siehe Anlage 1) mit den Männern
auf der Regennassen Straße. Der untere Teil fehlt jedoch, damit die SchülerInnen selbst die
Spiegelungen auf der nassen Straße hinzufügen können.
Ältere SchülerInnen erhalten die Aufgabe, ihre Straße bei gutem Wetter zu fotografieren. Das
Foto wird auf DIN A 3 Papier ausgedruckt und die SchülerInnen bekommen die Aufgabe, ihre
Straße malerisch oder zeichnerisch in eine regennasse Straße mit Pfützen und Reflexionen zu
übertragen – entweder direkt auf dem Ausdruck oder auf einem gesonderten Bildträger.
Pariser Konzerte und Zirkusszenen
Im Winter 1886/87 entstehen Szenen des Pariser Nachtlebens. Bernard
hat mittlerweile einen gefestigten Zeichenstil: Mit tiefschwarzen Linien
umschreibt er eine Sängerin auf der Bühne, während im Vordergrund die
Köpfe zweier Zuhörer zu sehen sind. So wirkt die Frau auf der Bühne steif
und fest, zugleich aber auch würdig und überhöht.
Ein energischer, konturbetonter Stil findet sich auch bei einer Gruppe von
Zeichnungen, aus dem Zirkusmilieu, die Bernard vermutlich im selben
Winter schuf. Sie zeugen von Bernards Lust an karikierender Überspitzung.
Emile Bernard
Sängerin auf der Bühne
Klebealbum Seite 145
Kunsthalle Bremen
So schildert Bernard die dralle Seiltänzerin eher komisch als grazil, wie sie
vor der großstädtischen Kulisse über einem Zirkuswagen balanciert, aus
dessen Schornstein eine Rauchwolke aufsteigt, die ihr den Weg zu
versperren scheint.
Emile Bernard
Seiltänzerin 1886/87
Klebealbum Seite 105
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Artistin am Trapez 1886/87
Klebealbum Seite 83
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Schaustellerkinder 1886/87
Klebealbum Seite 34
Kunsthalle Bremen
Emil eBernard
Schaustell erkinder 1 886/87
Kl ebealbu m Seit e80
Kunsthal el Bremen
Emile Bernard
sitzende Artistin 1886/87
Klebealbum Seite 80
Kunsthalle Bremen
Auf einer anderen Zeichnung hängt eine Trapezkünstlerin schlaff in
schwindelnder Höhe und lässt jegliche Spannung oder Eleganz vermissen,
die beispielsweise vergleichbare Motive bei Edgar Degas auszeichnen. Der
leere Gesichtsausdruck seiner Trapezkünstlerin macht deutlich, dass er die
sozialen Verhältnisse im damaligen Showgeschäft beobachtete. So
zeichnete Bernard auch eine sitzende Artistin oder Schaustellerkinder
während einer Pause, die müde und melancholisch vor sich hin starren.
Auf ähnliche Weise zeigt Bernard auch in seinem zehn Jahre entstandenen
Gemälde Spanische Bettler nicht etwa ein pittoreskes Bild der bettelnden
Musikanten, sondern er schildert einfühlsam Nöte, Sorgen und
Krankheiten, die sich aus den Gesichtern der Dargestellten ablesen lassen.
Emile Bernard
Spanische Bettler, 1897
Privatbesitz
Zu Fuß durch die Bretagne
Nachdem Bernard 1886 aus dem
m Atelier seines Lehrers Fernand Cormon verwiese
sen worden war,
brach er zu einer Fußreise durch
h die Bretagne auf, die mehrere Monate dauern sollte.
so
Sie führte ihn
von Dreux, wohin er mit dem Zug
ug reiste, über le Ribay, Saint-Briac-sur-Mer, Trégu
guier, Brest und
Quimper bis nach Pont Aven, das
as sich damals bereits zu einem Künstlerort entwic
ickelt hatte. Freunde
hatten Bernard von der schönen
n Landschaft und dem günstigen Leben dort erzähl
hlt. Er wollte nun auf
eigene Faust seine Studien nach
h der
d Natur weiterentwickeln und erhielt dafür fina
nanzielle Unterstützung
von seinen Eltern.
Ihnen berichtete er in Briefen von
on seiner Reise und schickte Ihnen mehrere Skizzen
zenbücher prall gefüllt
mit Zeichnungen von Landschafte
ften, Gasthäusern, Tieren und Menschen, die ihn auf
a seinem Weg
inspirierten.
Emile Bernard
Blick auf Saint-Malo von Paramé
aus, 1886
Klebealbum Seite 204
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Landschaft mit grasender Kuh, 1886
Klebealbum Seite 192
Kunsthalle Bremen
Praktische Arbeitsanregung (für
für ältere SchülerInnen)
Lehrer und SchülerInnen
n begeben sich auf einen Ausflug nach draußen, um dort nach der
Natur zu zeichnen. Disku
kussionsanregung: Was macht die Atmosphäre der
er Umgebung außer
Haus aus? Wie kann man
an Atmosphäre zeichnerisch umsetzen?Die Schüler
erInnen erhalten die
Aufgabe, im pointilistisch
chen Stil zu zeichnen, also die Landschaft durch Punkte
Pu
und kurze
Striche darzustellen.
Neoimpressionistische Landsch
chaften
Obwohl Emile Bernard nach derr Natur
N
zeichnete, wie es damals üblich war, entsta
standen bald
atmosphärisch aufgeladene Land
dschaftseindrücke, die teils die Tradition des Impre
pressionismus
aufgreifen, teils aber auch neue Wege
W
beschreiten . So ist die Gestaltung des Himm
mmels typisch für den
gerade erst entstehenden Pointili
tilismus. Bernard schrieb an seine Eltern, dass er sich
sic von „hübschen
Illustrationen“ abwenden wollte,
e, um zu ausdrucksstärkeren Darstellungen zu kom
mmen.
In Pont-Aven hielt sich Bernard mehrere
m
Wochen auf und schuf dort einige kleine
nere Gemälde. Die
neoimpressionistische Machart,, die
d bereits in den Zeichnungen eine wichtige Rolle
lle spielte, konnte
Bernard nun perfektionieren, und
nd vor allem sein Gemälde August rief viel Aufmerk
erksamkeit hervor.
Selbst Gaugin, der sich ebenfalls
ls in Pont-Aven aufhielt aber Bernard bisher nichtt viel
v Aufmerksamkeit
geschenkt hatte, äußerte sich pos
ositiv erstaunt. Er konnte kaum glauben, dass Bern
rnard dieses Werk
ganz alleine geschaffen hatte. Üb
ber dieses Lob freute Bernard sich sehr. Tatsächlic
lich gab es zu der Zeit
auch andere Künstler, die einen
n ähnlichen
ä
Stil verfolgten (z.B. Seurat), deren Werk
erke sah Bernard
jedoch erst später.
Emile Bernard
August 1886
Musée des Beaux-Arts, Quimper
Emile Bernard
Sitzende Bretonin 1886
Privatbesitz
Bei seinem Bild der sitzenden Bre
retonin in der Landschaft verfeinerte Bernard den pointillistischen Stil
noch weiter. Die letzte Etappe seiner
se
Bretagne-Reise legte er mit dem Zug zurück
ck. In den folgenden
Jahren verbrachte er jeden Somm
mer in der Bretagne und besuchte nun gezielt die
ie beiden Orte, die ihm
besonders gut gefallen hatten, Saint-Briac
Sa
und Pont-Aven.
Aber auch in seinem Pariser Atelier beschäftigten ihn
Ab
ih die Eindrücke, die
er auf seinen Reisen gesammelt hatte.
So schuf er im Winter 1888 zehn Zinkografien mit
it bretonischen
b
Mo
Motiven.
Inhaltlich und stilistisch knüpfte er damit
it an
a die Werke an, die
er im Sommer zuvor gemeinsam mit Paul Gauguin
n im
i cloisonistischen
Sti gemalt hatte. Das zentrale Motiv der grafischen
Stil
en Serie sind Frauen
be ländlichen Tätigkeiten. Dabei gehörten die chara
bei
arakteristischen
Ha
Hauben,
mit denen die Bretoninnen in seinen Bilde
dern stets gekleidet
sin zur bretonischen Festtagstracht, die niemals bei
sind,
b der Arbeit
ge
getragen
wurde. Lediglich bei Feiern oder bei der Rückkehr
R
per Boot
vo einem kirchlichen Fest waren die weißen Haub
von
uben angemessen.
Für Bernard ging es jedoch nicht um eine realistisch
Fü
che Reportage der
bre
bretonischen
Verhältnisse, sondern er arbeitete aus
us seiner Fantasie, um
in dekorativen Bildern seine individuelle Vorstellung
ng von der Bretagne
zus
zusammenzufassen.
Emile
mile Bernard
aus
us d
der Mappe
Breto
retonneries 1889
Kunst
unsthalle Mannheim
Exkurs Zinkografie
Diese Flachdrucktechnik
ik ähnelt dem Verfahren der Lithografie, doch anstelle
a
eines teuren
Litho-Steins wird eine günstigere
gü
Zinkplatte verwenden. Diese ist schwi
wieriger zu bearbeiten
und erzielt eine gröbere
re Wirkung, die Emile Bernard in seinen Zinkograf
rafien mit bretonischen
Motiven bewusst inte
tendierte, um den ursprünglichen Charakterr seiner Motive zu
unterstreichen.
Praktische Arbeitsanregung (für
für alle Altersstufen)
Symbolismus
Zeichnen aus der Erinner
erung:
Wie sah die Landschaftt aus,
a die während des Ausflugs gesehen wurde? Wie
W sähe eine
„perfekte“ Landschaft aus?
au
Die SchülerInnen zeichne
nen aus der Erinnerung oder der Fantasie.
Milchtütendruck
Die SchülerInnen bringen
en von zu Hause eine leere Milchtüte mit. Diese wird
wi aufgeschnitten
und eine Seitenwand ver
erwendet. Mit Kugelschreiber zeichnen die Schüler
lerInnen eine Skizze
auf die silberne Seite des
es Kartons (fest aufdrücken). Anschließend wird ein
eine Rolle mit
Linolfarbe eingewalzt, die dann wiederum die Milchtüte einfärbt. Nun wir
ird ein weißes Blatt
Papier auf den gefärbten
en Karton gelegt und mit einer sauberen Rolle festg
tgedrückt. Dann kann
das Papier abgezogen werden
we
und der Druck ist fertig. Die SchülerInnen
n kkönnen mit dem
gleichen Karton noch weeitere Abzüge machen und mit verschiedenen Farben
Fa
experimentieren.
Auch auf weiteren Gemälden von Bernard tauchen immer wieder die charakteristischen Trachten auf.
Dabei spielt es keine Rolle, ob die Figuren vor einer Kirche stehen, auf dem Feld arbeiten oder gar den
Schweinemarkt besuchen. Immer strahlen die Hauben in reinem weiß. Interessant ist die häufig
vorkommende Doppelung von Personen. So sind es zwei Frauenköpfe, die den Bandmarkt betrachten,
es sind zwei Bauern, die in gleicher Haltung auf dem Feld arbeiten und jeweils zwei Frauen vor den
chwarzen Fenstern oder sitzend im Hintergrund. Diese Doppelungen verstärken den Symbolcharakter
der Figuren. Ebenso auffällig sind häufige Rückenansichten von Protagonisten und senkrechte
Elemente in den oft querformatigen Bildern, mal Bäume, mal Bänder, mal eine Schürze oder auch die
dargestellten Personen selbst.
Emile Bernard
Bretonische Frauen mit
Sonnenschirmen, 1892
Musée d’Orsay, Paris
Emile Bernard
Die Weizenernte, 1892
Musée d’Orsay, Paris
Emile Bernard
Die Bänderveräuferin, 1892
Musée des Beaux-Arts, Gifu
Praktische Arbeitsanregung (für alle Altersstufen)
Arbeiten mit Schablonen
Die SchülerInnen zeichnen eine Figur. Diese schneiden sie aus und übertragen die
Umrisslinien auf Karton, um eine Schablone herzustellen. Mit dieser Schablone wird die
Figur dann mehrfach auf ein buntes Blatt Tonpapier übertragen. Welche Möglichkeiten der
Anordnung bieten sich an? Die Figuren können alle gleich oder ganz unterschiedlich
ausgemalt werden. Wie unterscheidet sich die Wirkung? Welche Wirkung haben die
gedoppelten Figuren in Bernards Bildern?
Trachten
Die SchülerInnen werden gefragt, was sie über Trachten wissen. Wer trägt eine Tracht? Zu
welchen Anlässen werden sie getragen. Trägt man Trachten heutzutage noch? Wenn ja
wo? Gibt es einen Unterschied zwischen Tracht und Uniform? Welche Trachten kennen die
SchülerInnen (z.B. Lederhose, Schwarzwaldhut, schottische Tracht, japanische Tracht mit
Kimono etc.). Die SchülerInnen erhalten die Aufgabe, sich in einer (Wunsch-)Tracht
darzustellen.
Emile Bernard, Vincent van Gogh und Paul Gauguin – Künstlerfreundschaften
Emile Bernard und Vincent van
van Gogh
Emile Bernard lernte den 15 Jahre älteren Vincent van Gogh 1886 in Paris kennen. Sie begegneten sich
im Atelier von Fernand Cormon. Schnell entwickelte sich eine Freundschaft. Die beiden Künstler
standen in einem künstlerischen Dialog und arbeiteten oft zusammen im Garten von Bernards Eltern in
Asnières.
Es gibt nicht viele Fotos von Vincent van Gogh. Auf einem der wenigen ist er mit seinem Freund Emile
Bernard an der Uferpromenade von Asnières zu sehen.
Emile Bernard und Vincent van Gogh am
Ufer der Seine in Asnières, 1886,
Fotografie,
Van Gogh Museum, Amsterdam
Emile Bernard
Porträt der Großmutter, 1887
Van Gogh Museum, Amsterdam
Vincent van Gogh
Alte Frau aus Arles, 1888
Van Gogh Museum, Amsterdam
Die beiden Freunde teilten auch eine Begeisterung für japanische Farbholzschnitte. Eine kleine
Federzeichnung von Bernard aus dem Bremer Album zeigt ein Porträt des Niederländers in einem
Café: eingeklemmt zwischen zwei Flaschen und zwei Frauen, wendet er sich mit stechendem Blick
zum Betrachter. Der hohe Haaransatz, die Geheimratsecken und die Barttracht kennzeichnen auch van
Goghs Pariser Selbstbildnisse von 1886/87.
Emile Bernard
Vincent van Gogh, 1886/87
Klebealbum Seite 130
Kunsthalle Bremen
Emile Bernard
Eisenbrücken in Asnières, 1887
The Museum of Modern Art, New York,
Vincent van Gogh
Die Seine-Brücken von Asnières, 1887
Stiftung Sammlung Emil G. Bührle, Zürich
Diese beiden Bilder der Seinebrücken von Asnières veranschaulichen die unterschiedlichen
Herangehensweisen der Künstler an ein identisches Motiv. Van Gogh malte die Brücken wie seine
impressionistischen Vorgänger nach der Natur, wenn auch in kräftigen Farben.
Bernard verfolgte dagegen eine strenge Komposition aus geometrischen und zum Teil komplementär
angelegten Farbflächen mit starken Konturlinien. Dieses Gemälde war eines der Werke, die Bernard
später „synthèses géométriques“ (geometrische Synthesen) nannte. Sein Ansatz war es dabei, Formen
auf ihre Geometrien zurückzuführen und Farbabstufungen zu reduzieren.
Nachdem van Gogh 1888 Paris verließ, um in Arles zu arbeiten entstand einer reger Briefwechsel. Die
beiden Künstler tauschen Gedanken, Ideen, Skizzen und Bilder aus und scheuten sich auch nicht, ihre
Arbeiten zu kritisieren. Auch Gauguin stand mit den beiden in regem schriftlichem Austausch.
Van Gogh illustrierte seine Ideen gerne durch Skizzen und beschrieb
zum Teil sehr genau, in welchen Farben er die Bilder malen wollte.
Brief von Vincent van Gogh
an Emile Bernard
Arles, 19 April 1888
Skizze aus Brief von Vincent van Gogh
an Emile Bernard
Arles, 7. Juni 1888
Van Gogh äußerte sich in seinen Briefen wertschätzend über
Emile Bernards Arbeit und bemühte sich um konstruktive
Kritik. Er schätzte Bernards stilisierte Natur, doch das
symbolistische Gesamtkonzept von Bernards Zeichnung lehnte
er ab und betonte, dass er selbst ganz bewusst nicht aus dem
Kopf arbeite, sondern konsequent von der gesehenen Natur
ausgehe.
Die gegenseitige Wertschätzung litt darunter, dass Bernard
sich Ende der 1880er Jahre verstärkt religiösen Themen
zuwandte. Eines der Bilder mit starken religiösen und
biblischen Bezügen bezeichnete van Gogh gar als „Albtraum“ und wünschte sich, dass sein Freund
wieder zu seinen ursprünglichen Bild- und Themenfindungen zurückkehren würde.
Emile Bernard
Beweinung Christi, 1889/90
Privatbesitz
Nach dem Tod von Van Gogh im Jahre 1890 beschrieb Bernard die Beerdigung. Er verfasste mehrere
Artikel über van Gogh und bemühte sich, die Arbeit seines Freundes bekannt zu machen. So bereitete
er gemeinsam mit Theo van Gogh eine Ausstellung von Vincent van Goghs Werken vor und
veröffentlichte 1893 die Briefe van Goghs.
Weiterführende Informationen
Van Goghs umfangreichen Schriftverkehr im französischen Original sowie in der englischen
Übersetzung samt vieler Kommentare finden Sie auf der Internetseite
www.vangoghletters.org
Arbeitsanregungen
Ein Bild nach Van Gogh
Die SchülerInnen erhalten eine Kopie eines Briefes von Van Gogh (Anlage 2).
Anhand seiner Beschreibungen malen die SchülerInnen ein Bild mit Acrylfarben.
Ein Farben ABC
Jüngere SchülerInnen erfinden ihr eigenes Farben ABC, dass sie auch aufmalen können
(z.B. Apfelrot, Bernsteingelb, Chamäleonbunt,…)
Emile Bernard und Paul Gauguin
Seine erste Bretagne-Reise führte Emile Bernard 1886 nach Pont-Aven, auch mit dem Ziel, dort den
20 Jahre älteren Paul Gauguin kennen zu lernen. Gleichwohl hatte Bernard dort zunächst wenig
Kontakt mit Gauguin. In Briefen an seine Eltern hielt Bernard zunächst fest, dass Gauguin im keine
Beachtung schenke, später freute er sich jedoch über die Anerkennung, die dieser seinem Bild
„August“ zollte.
Doch erst zwei Jahre später entwickelte sich in Pont-Aven eine fruchtbare Zusammenarbeit.
Unmittelbar nach dem Eintreffen Bernards in Pont-Aven am 14. August 1888 schrieb Gauguin einen
Brief an Schuffenecker, in dem er ihn über dessen Ankunft informierte: „der kleine Bernard ist hier
und hat aus Saint- Briac interessante Sachen mitgebracht. Da ist einer, der vor nichts zurückschreckt.“
Emile Bernard
Le Pardon – Bretonische Frauen auf der Wiese, 1888,
Privatbesitz
Paul Gauguin
Die Vision nach der Predigt,1888
National Gallery of Scotland, Edinburgh
Zwei Bilder im Vergleich
Gauguins Gemälde Die Vision nach der Predigt und Bernards Le Pardon – Bretonische Frauen auf der
Wiese lassen sich so gut miteinander vergleichen, dass sie Ausgangspunkt und Grundlage jeder
Abhandlung über die Entstehung des Symbolismus in der Malerei geworden sind. Beide Künstler
arbeiteten im September 1888 Seite an Seite in Pont-Aven.
Bernards Bild le Pardon zeigt ein fröhliches Volksfest auf grünem Grund. Die Menschen sitzen,
plaudern und stellen in ihren Trachten vor allem eine touristische Attraktion dar. Selbst die Hunde
schauen gespannt zu.
Gauguin ließ die Touristen außen vor und stellte den religiösen Aspekt in den Vordergrund. Er
ergänzte die Szene um die Figur des Jakobs, der mit einem Engel mit gelben Flügeln ringt. Doch auch
lässt ein Tier in Form einer Kuh an dem Ereignis teilhaben, vielleicht, um sich ein bisschen über die
Landbevölkerung und ihren Glauben zu amüsieren.
Der Anlass für die beiden Bilder war wahrscheinlich der große Pardon (religiöse Prozession) im
September 1888 in Pont-Aven. Das danach herrschende besonders schlechte Wetter zwang Bernard
und Gauguin dazu, im Innenraum zu arbeiten.
Tatsächlich strebten die beiden Künstler an, nicht direkt nach der Natur zu arbeiten, sondern aus ihrer
Erinnerung oder Fantasie heraus ihre Bilder zu entwickeln. Gauguin hatte bereits eine Arbeitsmethode
entwickelt, um Bilder aus Figurenstudien zusammenzusetzen. Bei Bernard wirkt diese
Zusammensetzung einzelner Studien fast collageartig, die Figuren werden hauptsächlich durch den
einheitlichen Stil zusammengehalten.
Aber auch Gauguin hat Arbeitsweisen von Bernard übernommen: (Rivière 1994, Bd. 1, s. 66.) „Gauguin fragte
mich, wie ich diese Schwarztöne erzielt habe, ich antwortete ihm, dass ich sie aus Preußischblau
gewonnen habe; da er auf seiner Palette nicht über diese Farbe verfügte, lieh er sie von mir aus und
verwendete sie für seine Schwarztöne, das Weiß war eine Verbindung aus demselben Blau.“
Bernard Pont-Aven verlassen hatte, tauschten sie, teils gemeinsam mit van Gogh, viele Briefe und
Bilder aus.
Gauguin träumte davon, Europa zu verlassen und drängte Bernard, zusammen mit ihm nach
Madagaskar zu emigrieren und das Atelier des Tropiques (als Gegenentwurf zu van Goghs
gescheitertem Atelier du Midi) zu gründen um dort frei leben und Kunst machen zu können. Bernard
hing jedoch zu sehr an seiner Schwester und seiner damaligen Verlobten, um diese Idee in die Tat
umzusetzen.
Zum Bruch zwischen Bernard und Gauguin kam es im Frühjahr 1891. Bei einem Bankett zu Ehren von
Jean Moréas in Paris, einer führenden Persönlichkeit der Symbolistenbewegung in der französischen
Literatur, wurde Gauguin als Begründer des Symbolismus in der Malerei bezeichnet. Bernard war nicht
eingeladen worden, und sein Name fand auch keine Erwähnung. Zudem erschien kurze Zeit später ein
Aufsatz des mit Emile Bernard befreundeten Kunstkritikers Albert Aurier mit dem Titel „Le
Symbolisme en Peinture. Paul Gauguin“, der ebenfalls Emile Bernards zentrale Bedeutung unerwähnt
ließ.
Gauguin tat nichts, um Bernards Rolle als Mitbegründer des gemeinsam entwickelten Stils zu
verbreiten und verließ im April den Kontinent, um auf Tahiti sein Atelier des Tropiques alleine zu
verwirklichen. (Interessanterweise erhielt sein 1899 auf Tahiti geborener Sohn den Namen Emile.)
Selbstbildnisse
Selbstbildnisse
Emile Bernards Selbstbildnisse zeugen die Selbstbildnisse von der inneren Auseinandersetzung des
Künstlers mit sich, mit seinen Stimmungen, seinen sich wandelnden Standpunkten und der eigenen
Vergänglichkeit. Sie sind Lebenszeugnisse, in denen der Moment eine wichtige Rolle spielt. Das Ich
wird zum Studienobjekt und zum Suchbild eigener Identität.
Eine besondere Form des Selbstporträts stellt Emile
Bernards Zeichnung Synthetismus – ein Albtraum
von 1889 dar. Auf ihr präsentiert er sich gemeinsam
mit seinen beiden Künstlerfreunden Emil
Schuffenecker und Paul Gauguin. Die Zeichnung
nimmt Bezug auf die Gruppenausstellung, die auf
der Pariser Weltausstellung 1889 im Café des Arts
stattfand: Die drei Dargestellten waren die
treibenden Kräfte der Ausstellung der „Groupe
Impressionniste et Synthétiste“. Bernard präsentiert
sich auf der Zeichnung selbst leicht erhöht zwischen
Emile Bernard
Synthétisme – ein Albtraum, 1889
Musée d’Orsay, Paris
seinen beiden Mitstreitern vor einem gerahmten
Bild, auf dem eine Palette, eine Büste und die
programmatische Aufschrift „SYTNHETISME“zu
sehen sind.
Die drei Künstler sind im Dreiviertelprofil nach links gerichtet. Ihre Nasen,
die Schnurrbärte, die mandelförmigen Augen und das in den Nacken
fallende Haar schließen sie zu einer Gruppe Gleichgesinnter zusammen. Sie
haben untereinander keinen Blickkontakt, und der Ausdruck der Gesichter
wirkt streng und in sich gekehrt. Dies gilt insbesondere für Bernard, der sich
in der Mitte vor den beiden anderen positioniert hat und sie in der Größe
leicht überragt: Hier kommt ein Führungsanspruch zum Ausdruck, und
tatsächlich zeigte Bernard in dieser Ausstellung die meisten Werke. Aber
auch Gauguin erhält Gewicht. Seine breitschultrige Figur nimmt die gesamte
rechte Bildhälfte ein. Außerdem ist er unmittelbar vor dem Bild im
Hintergrund platziert, so dass er den engsten Bezug zur Malerei des
Synthetismus aufweist. Die Position der drei Figuren erinnert an
Gruppenkonstellationen, die auch Freundschaftsbildnisse der Romantik
charakterisieren.
Heinrich Knauth, August Schott,
Doppelbildnis der Künstler, 1833
Kunsthalle Bremen –Der Kunstverein in Bremen
Bernards Zeichnung trägt unten links die Beischrift „Un cauchemar“ (Ein Albtraum). Die Ausstellung im
Café Volpini war als Provokation gegenüber den etablierten Künstlern der Weltausstellung zu
verstehen, sie bedeutete aber auch eine Abgrenzung zu der modernen Strömung des Pointilismus,
deren Vertreter damals in den Räumen der Revue Indépendante ausstellten. Als die Volpini-Schau im
November 1889 zu Ende ging, war Bernard enttäuscht und verzweifelt, da sie weder die erwartete
Presseresonanz erhalten hatte noch Werke verkauft worden waren. So erschien vermutlich auch ihm
selbst das ganze Projekt wie ein Albtraum.
Arbeitsanregungen
Bildbeschreibung
Ältere SchülerInnen erhalten eine Kopie der Zeichnung (Anlage 3) und verfassen eine
Bildbeschreibung:
Was geht in den drei Männern vor? Welche Gedanken oder Gefühle lassen sich in den
Gesichtern finden?
Welche Beziehung lässt sich zwischen den drei Männern ablesen? Nehmen sie sich
gegenseitig wahr?
Was mag die dargestellte Situation sein?
Für jüngere SchülerInnen: Die SchülerInnen erfinden eine Geschichte über die drei
grimmig dreinblickenden Gestalten.
Woher kommen sie und was haben sie wohl ausgeheckt? Die SchülerInnen erzählen ihre
jeweilige Geschichte untereinander in Kleingruppen. Als Auflösung wird dann die
Geschichte von Emile Bernard und seinen Künstlerfreunden erzählt.
Freundschaftsbildnis
Die Zeichnung wird so verändert, dass beim Kopieren die Gesichter fehlen (Anlage 4). Die
SchülerInnen erhalten je eine Kopie der Zeichnung und zeichnen sich selbst und zwei
ihrer FreundInnen anstelle der drei Künstler. Um die Zuordnung zu erleichtern, notieren
sie die Namen entsprechend der Vorlage.
In einem Gespräch bietet es sich an, folgende Fragen zu stellen:
Sehen die drei Männer wie Freunde aus?
Wann ist ein Freund ein Freund bzw. eine Freundin eine Freundin?
Gibt es unterschiedlichen Freundschaften?
Wie geht man mit Freunden um und wie nicht?
Für jüngere SchülerInnen: Welche Gewürze und Zutaten gehören in eine
„Freundschaftssuppe“?
Selbstbildnisse
Selbstbildnisse aus den Jahren 1890 und 1891
Dieses Selbstporträt ist in dem Gartenatelier entstanden, das Bernards
Großmutter für ihn hat bauen lassen. Bernard hatte für die Wände dieses
Ateliers einen Fries von drei Leinwänden geschaffen, in dem er seine
früheren Aktstudien zu einer bildnerischen Einheit zusammengefügt hatte.
Eines dieser drei Gemälde, Badende mit roter Kuh von 1889 bildet den
Hintergrund für dieses Selbstbildnis.
Mit einem klaren, forschenden
Seitenblick schaut hier Bernard den
Betrachter an. Den Kopf hat er zu
einer kräftigen, skulpturalen
Synthese von Kurven verkürzt. Auch
Emile Bernard
Selbstporträt, 1890
macht sich der Konkurrenzkampf
Musée de Beaux-Arts, Brest
mit Gauguin wieder bemerkbar.
Dieser schuf im gleichen Jahr ein ähnlich komponiertes
Paul Gaugin
Selbstporträt Portrait de l’artiste au Christ jaune, genauso wie
Selbstbildnis mit gelbem Christus, 1890
Bernard vor dem Hintergrund eines eigenen Werkes.
Musée d’Orsay, Paris
Ganz anders, als in Emile Bernards Selbstporträt von 1890, das den
Künstler in einer klaren, selbstbewusst wirkenden Haltung zeigt, stellt er
sich im Selbstporträt Selbstbildnis mit Allegorie des Jahrhunderts (genannt
Vision) dar: Es liegt nahe, dass Bernard in diesem Selbstporträt besonders
deutlich seine aus dem Gleichgewicht geratene Gefühlslage andeutet: In
Anbetracht des inneren Kampfes, den Bernard 1891 mit seinen aktuellen
Lebensumständen führte (ausbleibender beruflicher Erfolg und
Anerkennung, Bruch mit seinem Freund Gauguin und Konflikte mit den
Eltern seiner Freundin, die ihm die Heirat vor dem Hintergrund seines
Berufs verweigerten), und der in seinem Hang zur Religion eine Lösung
fand, liegt eine persönliche Deutung dieses Werkes sehr nahe. Diese
Deutung unterstreicht auch der fragende Blick des Künstlers. 1893 hatte
Emile Bernard
Bernard in seinem Atelierinventar noch versucht, den Eindruck einer allzu
Selbstbildnis mit Allegorie des Jahrhunderts
persönlichen Interpretation zu vermeiden, indem er als Titel Allégorie sur
(genannt Vision), 1891 1891
Musée d’Orsay, Paris
le siècle wählte. Es handelte sich jedoch unmissverständlich um den
Künstler selbst, der nach seinem Bruch mit Gauguin auch von dessen Anhängern missachtet wurde,
und der bei der Suche nach künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten auf sich allein gestellt war.
Arbeitsanregung (Für alle Altersstufen)
Bildvergleich
Die SchülerInnen vergleichen die beiden Selbstbildnisse von Bernard und Gauguin (Anlagen 5
und 6): welche Unterschiede, welche Gemeinsamkeiten gibt es? Was fällt beim Vergleich der
beiden Hintergründe, der jeweiligen Körperhaltung, der jeweiligen Mimik auf?
Diese Aufgabe lässt sich auch auf die beiden Selbstbildnisse von Emile Bernard aus den Jahren
1890 und 1891 anwenden.
Selbstbildnis mit gelbem Turban,
Turban, 1894
Bernard stellt sich auf dem Gemälde mit gelbem Turban als Ägypter
dar. Im April 1894 hatte Bernard sich Kairo niedergelassen und trug
die dort übliche ägyptische Kleidung.
Seine damals fünfzehnjährige Gattin, Hanenah Saâti, die er im Jahr
seiner Ankunft kennengelernt und kurz darauf geheiratet hatte,
neigt sich demütig und mit geschlossenen Augen zu ihm hin. Das
Werk zeigt, dass Bernard eine Bildsprache entwickelt hatte, in der
er mittels Linienführung und Farbwahl zärtliche Gefühle zum
Ausdruck bringen konnte. Einmal mehr verschafft Bernard dem
Betrachter hier mit einem Selbstbildnis Einblick in das eigene
Innere. Bernard war ein Mensch, der sich immer vollständig mit
seiner Lebenssituation zu identifizieren versuchte. Er zeigt sich auf
dem Gemälde ganz eingetaucht in die neuen Lebensumstände, die
ihm die Möglichkeit boten, sich neu zu erfinden.
Emile Bernard
Selbstporträt mit gelbem Turban, 1894
Musée de Beaux-Arts, Quimper
Arbeitsanregung (Für alle Altersstufen)
Selbstporträt I
Die SchülerInnen erhalten die Aufgabe, sich so darzustellen, wie sie am allerliebsten sein
möchten: Ein Star, ein Fußballprofi, eine Prinzessin, ein Tiefseeforscher,....
Erweiterung: die SchülerInnen malen eine Begleitung, mit der sie eine Wunschsituation in
ihrer Wunschrolle gerne erleben möchten.
Selbstporträt II
Die SchülerInnen malen/zeichnen sich selbst mithilfe eines Spiegels. Dabei versehen sie ihr
Porträt mit Attributen oder Symbolen, die sie sich selbst bzw. Ihrer aktuellen
Lebenssituation zuordnen würden. Variante: Die SchülerInnen malen/zeichnen sich in einer
Verkleidung bzw. in Kleidung und in Farben ihrer Wahl.
Stillleben
Stillleben
Fast das gesamtes künstlerisches Schaffen Emile Bernards war geprägt von einer Auseinandersetzung mit
dem Werk Paul Cézannes und dessen Bestreben, der Farbe die Hauptrolle im Bild zu geben und damit die
Regeln der Perspektive zu überwinden. Cézanne verzichtete auf eine naturalistische Abbildhaftigkeit und
auf die Darstellung eines linearperspektivisch korrekten Bildraums zu Gunsten einer perspektivischen
Mehransichtigkeit.
Besonders deutlich wird der Bezug zu Cézanne in Emile Bernards Stillleben sowie in den späten
Landschaftsbildern, die er unter dem Eindruck der persönlichen Begegnung mit dem alten Paul Cézanne
geschaffen hat.
Dieses frühe Stillleben mit einem Rettich, zwei
Kartoffeln, einer Apfelsine und einer Kanne zeigt, wie
sehr sich Bernard im Winter 1887/88 auf der Grenze zur
Abstraktion bewegte. Die Formen der Feldfrüchte und
der Apfelsine sind vereinfacht und mit einer dunklen
Kontur versehen. Die Kartoffeln und der Rettich haben
durch die Modellierung mithilfe der unterschiedlich
schattierten Farben in sich etwas mehr Körperlichkeit,
welche mittels farbiger Schatten auf dem Untergrund
noch unterstrichen wird.
Die Bildaufteilung ist ungewöhnlich. Durch die in der
Bildkomposition hoch angesetzte Tischkante und die
angeschnittene Kanne entsteht ein sehr eng gewählter
Bildausschnitt mit starker Aufsicht. Die Kanne setzt sich aus ineinandergreifenden Farbflächen in Rosa,
Violett, Grün und Hellblau zusammen und stellt dadurch einen unruhigen Gegenpol zu den recht
einfarbigen Naturprodukten dar. Dieses Stillleben gehört zu einer kleinen Gruppe mit vergleichbaren
Motiven, in denen Bernard die Grenzen des bildnerisch Schlüssigen abtastete.
Emile Bernard
Stillleben mit Orange, 1887
High Museum, Atlanta
Arbeitsanregung (für alle Altersstufen)
Die SchülerInnen geben mit Modelliermasse den flächig wirkenden Gegenständen des Stilllebens
die Körperlichkeit zurück
Seine Inspirationsquelle zu diesem Stillleben fand Bernard im
Geschäft von Père Tanguy, dem bekanntesten Farbenhändler
im damaligen Paris, der auch Kunsthändler und Mäzen war.
Dort konnte Bernard regelmäßig neuere Stillleben von Paul
Cézanne sehen. Er scheint vom Wunsch getrieben worden zu
sein, die Vereinfachungen seines großen Vorbilds weiter zu
radikalisieren.
Emile Bernard
Stillleben mit Steinkrug und Äpfeln, 1887
Musée d’Orsay, Paris
Es war dem Künstler bewusst, dass er mit diesem Bild Neuland betrat. Die Farbe wurde in mehreren
dicken Schichten übereinander aufgetragen, wodurch die Materialität der Oberfläche auf Kosten der
Raumillusion betont wurde. In stärkerem Maße als bei seinem großen Vorbild Cézanne sind die Früchte
am rechten Bildrand zu flachen geometrischen Formen reduziert.
Darüber hinaus widerspricht die Anordnung jeder Kompositionstradition, da keine harmonisch
ineinandergreifenden Formen dargestellt sind, sondern nur Überschneidungen und ein klares
Nebeneinander. Verbunden mit der unkonventionellen Farbgebung scheint sich in diesen Bildaspekten
eine neuartige Avantgarde anzukündigen.
Arbeitsanregungen (für alle Altersstufen)
Die SchülerInnen vergleichen die beiden Stillleben miteinander (Anlagen 7 und 8). Welche
Unterschiede gibt es? Welche Gemeinsamkeiten.
Im Stillleben mit Steinkrug und Äpfeln trägt Bernard die Farbschichten dick auf und betont
damit die Materialität des Tisches und der Gegenstände. Die SchülerInnen komponieren ein
Stillleben und arbeiten dabei mit Strukturfarbe (aus Acrylfarben, Acrylbinder und Sand und/oder
Steinmehl). Mit Hilfe dieser sehr dicken Farbe werden die Gegenstände modellierend
hervorgehoben.
Dieses Gemälde aus der Sammlung der Kunsthalle Bremen ist die
kräftigste und am weitesten entwickelte Komposition in der Reihe
von Emile Bernards experimentellen Stillleben. Vincent van Gogh
sah das Werk noch unvollendet, als er am 19. Februar 1888 nach
Arles abreiste. Es machte einen unauslöschlichen Eindruck auf ihn,
und noch Monate später nannte er es in einem Brief an seinen
Bruder Theo, der Bernard kurz zuvor besucht hatte, ‘superbe’.
Zudem inspirierte ihn Bernards Bild wohl zu einer eigenenen
Stilllebenkomposition mit Kaffeekanne, über die er sich mit
Bernard im Briefwechsel der beiden Künstler austauschte.
Das Stillleben kennzeichnet ein hohes Maß an Bildorganisation.
Die dargestellten Gegenstände befinden sich mehrheitlich rechts
der Bildmitte, aber die Komposition ist trotzdem, dank eines
Emile Bernard
Systems von Diagonalen, im Gleichgewicht. Innerhalb dieses
Die blaue Kaffeekanne, 1888
Kunsthalle Bremen – Der Kunstverein in Bremen
Systems sind Farb- und Helligkeitskontraste harmonisch
angeordnet, so dass sie sich gegenseitig verstärken, ohne den
Zusammenhang zu stören: Orange hebt sich vom Grün ab, das Schwarzblau der Kaffeekanne, die
dunkelste Farbe des Bildes, steht im Kontrast zum Weißrosa der Serviette.
Auch dieses Bild ist nicht ohne das Vorbild Cézannes denkbar, wenngleich es sich hinsichtlich der
Farbwahl, der Konturierung des Gegenstands und der Oberflächenbehandlung besonders deutlich von
dessen Stillleben unterscheidet.
Arbeitsanregungen (ältere SchülerInnen)
Die Schüler suchen 5-6 Gegenstände unterschiedlicher Größe und ordnen sie auf einem Tisch an. Welche
Möglichkeiten gibt es (z.B. Reihung, Streuung, Gruppierung, Überschneidung)? Was ist bei großen und
kleinen Gegenständen zu beachtewerden? Was passiert, wenn ein großer Gegenstand vor einem kleinen
verdeckt wird? Was, wenn es umgekehrt ist? Wie verändern sich die Formen? Stehen die Gegenstände
besser auf einer der Tischkanten oder in der Mitte des Tisches?
Welche Malposition empfiehlt sich, um das Stillleben abzumalen? Vor dem Tisch stehend? Auf einem
Stuhl sitzend? Wie verändert sich die Ansicht der Gegenstände, aber auch die des Tisches als Bildfläche?
Es werden stark vereinfachte Formen für Früchte, Gemüse, Geschirr etc. aus unterschiedlich farbigem
Papier ausgeschnitten.
Der Hintergrund wird mit zwei Farbsegmenten gestaltet. Darauf werden die ausgeschnittenen
Gegenstände zunächst so angeordnet, dass sie farblich harmonieren. In einem zweiten Schritt werden sie
so angeordnet, dass Komplementärkontraste entstehen. Die so entstehende Wirkung wird mit der
ursprünglichen Anordnung verglichen.
Die ausgeschnittenen Gegenstände werden in der Mitte halbiert und es entstehen zwei unterschiedliche
Stillleben, in denen einmal die unteren und einmal die oberen Hälften verwendet werden. Wo werden die
oberen Hälften besser platziert, wo die unteren?
Wie verändert sich der dargestellte Blickwinkel?
Über Emile Bernard
Emile Bernard wurde am 28. April 1868 als Sohn eines Textilhändlers in Lille geboren. Nach
dem Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges floh die Familie nach Saint-Aignan.
Mit neun Jahren wurde Bernard zu seinen Großeltern zurück nach Lille geschickt. Ein
Untermieter seiner Großmutter ermutigte ihn zu zeichnen. Bernard besuchte regelmäßig das
Atelier eines Glasmalers und nahm später Zeichenkurse an der Ecole des Arts Décoratifs.
Ab 1881 besuchte Bernard das Internat Collège de Sainte-Barbe. Dort kopierte er zunächst
Illustrationen anderer Künstler. Einer seiner Lehrer weckte Bernards Interesse für die Poesie,
woraufhin er mit seinem Klassenkameraden Louis Libaude die kurzlebige Zeitschrift L’Artisan
gründete. Im Juni 1884 musste Bernard nach disziplinarischen Problemen die Schule
verlassen. Er wollte Maler werden, doch sein Vater war dagegen. Die Mutter machte jedoch
Bekanntschaft mit einem russischen Maler, der Bernards Berufswunsch unterstützt. Durch
seine Vermittlung wurde Bernard im Atelier des Historienmalers Fernand Cormon
aufgenommen. Dort traf er auf Louis Anquetin und Henri de Toulouse-Lautrec, die später
sehr berühmt werden sollten.
In Cormons Atelier
Fotograf nicht bekannt
ca 1885
Mit ihnen besuchte Bernard den Louvre und die
Kunsthändler, aber auch die Bars und Cabarets auf dem
Montmartre. In dem Geschäft des Farbenhändlers Père
Tanguy beeindruckten ihn die Werke von Paul Cézanne. Im
März 1886 wurde Bernard wegen „Unbotmäßigkeit“ aus dem
Atelier Fernand Cormon verwiesen. (Bernard hatte einen Akt
in den Farben Smaragdgrün und Zinnoberrot gemalt, was
Cormon als nicht korrigierbaren Fehler ansah.) Daraufhin
verbrannte sein Vater seine Malutensilien.
Am 6. April begann Bernard seine erste Reise zu Fuß in die Bretagne, die genau 6 Monate
dauert. Dort hielt er in seinen Skizzenbüchern und pointillistischen Bildern die typische
Landschaft und Frauen in traditionellen schwarzen Trachten mit weißen Kragen und
Spitzhauben fest. In Pont-Aven lernte er Gauguin kennen und malte auch mit ihm
zusammen. Zurück in Paris lernte er Vincent van Gogh kennen und arbeitete mit ihm an der
Seine bei Asnières in einem pointillistischen Stil. Diesen gaben sie jedoch bald wieder auf
und Bernard entwickelte zusammen mit Anquetin, inspiriert von japanischen Holzschnitten,
den Cloisonismus.
1887 und 1888 unternahm Bernard eine zweite Reise und dritte Reise in die Bretagne. Im
Anschluss entstanden zehn Zinkographien mit bretonischen Motiven. Einige davon wurden in
der später legendären, von Gauguin organisierten Ausstellung im Café Volpini auf dem
Gelände der Weltausstellung gezeigt.
Mit Van Gogh verband Bernard eine enge Brieffreundschaft. Die Maler diskutierten über ihre
religiösen Motive, tauschten Skizzen, Fotos und Ideen aus und beschrieben ganz genau die
Farben, in denen sie ihre Bilder malen würden. Auch Gauguin wurde in den Briefwechsel mit
einbezogen. Die religiösen Bilder Bernards stießen oft auf Kritik. Nachdem die Erfindung des
Synthetismus alleine Gauguin zugesprochen wurde, kam es zum Bruch zwischen den
beiden. Bernard durchlitt eine persönliche Krise, zog sich zurück und hörte zeitweilig sogar
auf zu malen.
Anfang der 1890er Jahre schrieb Bernard Kunstkritiken über Cézanne, Schuffenecker,
Redon und seinen Freund van Gogh, der 1890 verstorben war. 1892 organisierte er eine
Van Gogh-Ausstellung in der Galerie Le Barc de Boutteville und im Jahr darauf begann er,
die Briefe des Künstlers zu veröffentlich. Damit trug Bernard wesentlich zum posthumen
Ruhm seines Malerkollegen bei.
1893 verließ er Frankreich, um sich dem drohenden Militärdienst zu entziehen und begab
sich mit finanzieller Hilfe eines Mäzens auf eine Reise nach Italien, um die Malerei der Alten
Meister kennenzulernen. Er begeisterte sich zunehmend für das Mittelalter. Die Reise führte
weiter über bis nach Konstaninopel, Alexandria und von dort in das Nildelta.
1894 heiratete Bernard in Kairo Hanenah Sâati, die er dort kennengelernt hatte, und zog mit
ihr in den ehemaligen Harem in Darb-el-Guenenah. Geld zum Leben bekam er durch den
Verkauf von Gemälden von Gauguin und van Gogh, die seine Mutter in Paris für ihn
organisierte. Einige Jahre später zog er mit seiner Familie nach Spanien, wo er nach einer
Nahtoderfahrung durch eine Kohlenmonoxidvergiftung eine Vision über seine Berufung als
Künstler bekam. In Sevilla bewunderte Bernard Werke von den spanischen Meistern. Da
seine Frau unter Heimweh litt, zog Bernard jedoch zurück nach Ägypten. Dort entstanden
nach dem frühen Tod seines ersten Sohnes Otsi großformatige Gemälde mit Darstellungen
des Lebens in Ägypten.
Im März 1899 stellte Bernard in einer Pariser Galerie eine
Tapisserie (Textilbild) und einen Schrank aus und erhielt die
Einladung, im Königlichen Museum in Brüssel auszustellen. Er
beabsichtigte, drei große Bilder mit christlichen Themen zu zeigen,
jedoch wurde nur eines davon angenommen. Bernard kehrte
regelmäßig nach Paris zurück, um dort seine Bilder auszustellen.
Er fertigte auch Möbelstücke an.
Emile Bernard
Textilbild: Frauen in einem Obstgarten, 1890/93
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Nachdem Bernard 1904 von seiner ägyptischen Frau verlassen wurde, zog er mit seinen
Kindern endgültig zurück nach Frankreich. Es folgten viele Ausstellungen im europäischen
Raum, u.a. eine Wanderausstellung moderner französischer Künstler, die durch Deutschland
tourte und in Frankfurt, Dresden, Karlsruhe und Stuttgart zu sehen war.
Ab Beginn des ersten Weltkriegs verdiente Bernard auch Geld durch Buchillustrationen, so
illustrierte er Werke von François Villon, Pierre Ronsard und Victor Hugo. Bernard konnte
regelmäßig an der Biennale in Venedig teilnehmen und unternahm weiterhin viele Reisen.
1931 wurde Bernards autobiografischer Roman L’Esclave nue in mehreren Folgen im
Mercure de France veröffentlicht.
Emile Bernard starb am16. April 1941. Bei der Beerdigung in Saint-Louis-en l‘Isle hielt der
Künstler Maurice Denis eine Ansprache.
Impressum
Der Kunstverein in Bremen
Vorsitzer: Bernd Schmielau
Kunsthalle Bremen
Direktor: Christoph Grunenberg
Ausstellung in Kooperation mit
den Musées d’Orsay et de l’Orangerie, Paris:
Kuratoren: Dorothee Hansen, Fred Leeman, Rodolphe Rapetti, Marie-Paule Vial
Ausstellungsassistenz: Henrike Hans
Bildung und Vermittlung:
Hartwig Dingfelder (Leitung), Sandra Kavazis, Laila Seidel (pädagogische Mitarbeit),
Hannah Damm (Praktikum), Anne Beckmann, Matthias Lochmon (Führungskoordination)
Texte:
basierend auf dem Ausstellungskatalog mit Beiträgen von Anne Buschhoff, Henrike
Hans, Dorothee Hansen, Fred Leeman, Rodolphe Rapetti, Valérie Sueur-Hermel, MariePaule Vial
Arbeitsanregungen:
Hartwig Dingfelder, Laila Seidel, Eva Maria Vonrüti-Moeller
Redaktion:
Hartwig Dingfelder, Laila Seidel, Eva Maria Vonrüti-Moeller
“Hier ist ein neuer Obstgarten, einfach im Aufbau; ein weißer Baum, ein kleiner grüner Baum, ein
Stück Grünfläche – ein violettes Feld, ein Oranges Dach, ein großer blauer Himmel.“
Vincent van Gogh