Neues zum anfänglichen negativen Marktwert

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Neues zum anfänglichen negativen Marktwert
19.03.2015
Neues zum anfänglichen negativen Marktwert
[A summary English version of the following text is available as of p. 3 in this PDF]
Der Bankensenat des deutschen Bundesgerichtshofs hat sich Anfang dieses Jahres
erstmals seit 2011 wieder mit der Frage beschäftigt, welche Aufklärungspflichten bei
der Beratung von Anlegern im Zusammenhang mit dem Abschluss von
Derivativprodukten bestehen (BGH 20.1.2015 – XI ZR 316/13). Im Mittelpunkt
stand die Frage, unter welchen Umständen über den anfänglichen negativen
Marktwert aufzuklären ist. Nach einer kurzen, viel beachteten Pressemeldung wurde
jetzt auch der Volltext der – auch für österreichische Banken erfreulichen Entscheidung veröffentlicht.
Klara Jaroš
Attorney at Law
T: +43 1 534 37 50726
E: k.jaros@schoenherr.eu
Die neue Entscheidung des BGH wurde mit großer Spannung erwartet, denn seit
dem sog. "BGH-CMS" Urteil vom 22.03.2011 (XI ZR 33/10) herrscht auf Seite der
Banken erhebliche Rechtsunsicherheit. Der BGH hatte darin völlig überraschend
entschieden, dass der anfängliche negative Marktwert eines Swaps als Ausdruck
eines schwerwiegenden und für den Kunden nicht erkennbaren Interessenkonflikts
zu sehen ist, über den aufzuklären sei. Die Entscheidung warf viele Fragen auf, die
sowohl in Österreich als auch in Deutschland heftig diskutiert wurden. Derselbe
Senat, der das BGH-CMS Urteil getroffen hat, hat nun einige dieser Fragen
beantwortet.
Im zugrunde liegenden Sachverhalt wandte sich der Kläger, ein Geschäftsmann mit
Erfahrungen in Fremdwährungsdarlehen und einfachen Swap-Geschäften, an die
beklagte Nürnberger Sparkasse, um einen Cross Currency Swap Vertrag
abzuschließen. Das Währungspaar und den Einstiegskurs gab er selbst vor:
Türkische Lira und Schweizer Franken. Es folgte ein Beratungsgespräch mit seinem
Kundenbetreuter bei der Nürnberger Sparkasse und einem Experten einer ihrer
Tochtergesellschaften, nach dem der Kläger entschied, den vorgestellten Swap
abzuschließen. Der Abschluss erfolgte mit der Landesbank Baden-Württemberg und
nicht mit der beklagten Nürnberger Sparkasse.
Matthias Cernusca
Associate
T: +43 1 534 37 50748
E: m.cernusca@schoenherr.eu
Der Cross Currency Swap Vertrag hatte eine feste Laufzeit von drei Jahren und
enthielt als Bezugsgrößen einen Festbetrag von 900.735 TRY bzw 795.000 CHF. Die
Landesbank verpflichtete sich, an zwölf festgelegten Terminen jeweils Zinsen in
Höhe von 15,66% p.a. auf den Festbetrag in TRY und bei Laufzeitende den
Festbetrag in TRY zu zahlen; der Kläger musste ebenfalls an zwölf festgelegten
Terminen jeweils Zinsen i.H.v 3,6% p.a. auf den Festbetrag in CHF und bei
Laufzeitende den Festbetrag in CHF zahlen. Nachdem die Türkische Lira gegenüber
dem Schweizer Franken abwertete und der Kläger einen Verlust erlitt, forderte er
Schadenersatz wegen fehlerhafter Beratung.
Der BGH wies die Klage des Anlegers ab. In der Begründung dieser Entscheidung
erteilte er vielen in den letzten Jahren aus der CMS-Entscheidung abgeleiteten
Argumenten eine klare Absage.
(i)
Eine Bank sei zur anlegergerechten Beratung verpflichtet. Dies bedeute, dass
sie vor Abgabe ihrer Anlageempfehlung den Wissensstand, die Erfahrungen
und die Anlageziele des Anlegers erfragen müsse. Dies sei im vorliegenden
Sachverhalt erfolgt. Der BGH hob hervor, dass die Bank aufgrund der
langjährigen Erfahrung des Klägers und dem Umstand, dass er sowohl das
Währungspaar als auch den Einstiegskurs vorgab, davon ausgehen durfte,
dass ihm das Risiko des Swaps bewusst war. Sie sei daher weder verpflichtet
gewesen ihn, nach den von ihm noch zu tolerierenden Verlustgrenzen zu
fragen noch habe sie sich vergewissern müssen, ob der Kläger mit seiner
Zinsmeinung eine verantwortbare Anlageentscheidung treffen konnte.
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(ii)
Bei der Prüfung, ob die Beratung objektgerecht erfolgte, hob der BGH hervor,
dass die Anforderungen, die er an die Beratung über einen CMS Spread
Ladder Swap Vertrag gestellt habe, nicht auf ein Produkt wie einen Cross
Currency Swap übertragen werden können. Insbesondere müsse die beklagte
Bank den Kläger nicht über "Volatilitäten", "Wahrscheinlichkeitsrechnungen"
oder über die "Notwendigkeit eines effektiven Risikomanagements"
aufklären. Wechselkurse seien allgemein zugänglich, sodass der Kläger die zu
leistenden Zahlungen jederzeit selbst berechnen konnte.
(iii) Die laufende Überwachung der Wechselkurse und des Marktwerts seien nicht
Gegenstand des Beratungsvertrages. Dieser beschränke sich auf die
Bewertung und Empfehlung einer Anlage aus ex ante Sicht.
(iv) Die Einstrukturierung eines negativen Marktwerts in die Zinsformel könne
überhaupt nur dann einen Interessenskonflikt begründen, wenn die
beratende Bank auch gleichzeitig Vertragspartnerin des Swap-Geschäftes ist.
Da die Nürnberger Sparkasse nur beratend tätig war, konnte ihr somit schon
von vornherein keine Aufklärungspflichtverletzung vorgeworfen werden.
Abschließend hat der BGH die Bedeutung des anfänglichen negativen Marktwerts
gerade gerückt. Der anfängliche negative Marktwert trifft – anders als dies oft dem
BGH-CMS-Urteil vom 22.03.2011 entnommen wurde – keine (aus Sicht des Kunden
negative) Aussage über die zu vermutende Entwicklung des Swapgeschäfts und
kann daher auch nicht den voraussichtlichen Erfolg oder Misserfolg des
Swapgeschäfts widerspiegeln.
Ausdrücklich hält der BGH fest, dass der negative Marktwert nichts anderes ist als
die in jedes Finanzprodukt einstrukturierte, grundsätzlich nicht aufklärungspflichtige
Bruttomarge der Bank. Diese Marge muss der Kunde zunächst aufholen, bevor der
Swap in die Gewinnzone kommt. Es handelt sich daher um die übliche
Gewinnmarge, die in Bankprodukte eingepreist wird. Insofern unterscheiden sich
Swaps nicht von anderen Finanzprodukten, die ebenfalls einen negativen Marktwert
aufweisen. Nur wenn durch den negativen Marktwert die Werthaltigkeit des Swaps
in Gestalt von übermäßigen Kosten- und Gewinnbestandteilen beeinträchtigt wird,
kann die Empfehlung des Swaps zu beanstanden sein.
Die neue Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, einige Fragen, die das BGH-CMSUrteil aufgeworfen hat, sind aber weiterhin ungeklärt. Ob sich der BGH dieser
Fragen in seiner nächsten Entscheidung annehmen wird, bleibt abzuwarten.
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Initial negative market value "reloaded": The
German Supreme Court clarifies substantive
questions resulting from its (in)famous Spread
Ladder Swap Judgment
For the first time after its 2011 Spread Ladder Swap Judgment (BGH 22.3.2011- XI
ZR 316/13), the banking division of the German Supreme Court has recently (BGH
20.1.2015 – XI ZR 316/13) dealt with the disclosure duties of banks in connection
with derivative products. The initial negative market value is the core issue of the
judgment, which clarifies important questions that had been left open by the Spread
Ladder Swap Judgment.
Klara Jaroš
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Since the 2011 Spread Ladder Swap Judgment, German and Austrian banks have
faced considerable legal uncertainty as to their disclosure duties. In this judgment,
the Supreme Court surprisingly enacted a duty on the part of banks to disclose a
derivative product's initial negative market value as an indicator of a significant
conflict of interest on the bank's side. That judgement left many urgent questions
unanswered and was heavily debated among legal scholars and practitioners.
The facts of the case addressed in the Court's new judgment are as follows: The
claimant was a business man who was experienced in foreign currency loans and
simple swap transactions and sought consultation with Sparkasse Nürnberg, the
eventual defendant in the litigation proceedings. Upon advice of Sparkasse
Nürnberg, the claimant concluded a cross currency swap transaction (Turkish lira vs
Swiss franc) with Landesbank Baden-Württemberg.
The Turkish Lira depreciated against the strengthening Swiss franc, resulting in a
loss for the claimant and leading him to seek compensation from Sparkasse
Nürnberg, alleging wrongful advice.
Matthias Cernusca
Associate
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The Court held that the Sparkasse Nürnberg was not obliged to disclose to the
claimant a negative initial market value of the swap. The Court stated that the
present case was not comparable to its Spread Ladder Swap Judgment as in the
present case the Sparkasse Nürnberg was not a party to the swap transaction. On
that basis, the Court denied the existence of any conflict of interests on the part of
Sparkasse Nürnberg.
Further, amongst other clarifications, the Court made substantive remarks on the
initial negative market value of a swap. Most importantly, it explicitly rejected the
scholarly opinion that one could deduce from the initial negative market value the
future development (i.e. success or failure) of the swap. From the Court’s point of
view, there are circumstances in which a bank may recommend entering into a
swap transaction without disclosing a negative initial market value, provided that
the value of the transaction for the client is not permanently impaired by extensive
cost and profit elements.
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