2012-03 AAA Anlegerschutzbrief

Transcription

2012-03 AAA Anlegerschutzbrief
ANLEGERSCHUTZBRIEF
3/2012
Ausgabe
Big Fat Liar
Die wahren Hintergründe des
Mediastream Fonds II
WEITERE THEMEN
Widerruf eines Darlehensvertrages
Zertifikate – eine sichere Geldanlage?
Wölbern Invest KG – Verantwortung, nein danke!
Anlegerschutzbrief 03_2012
inhalt
Impressum
2
Vorwort und Überblick zu den aktuellen Entwicklungen
von Thomas Lippert
3
Kein Rendezvous mit Joe Black
Das unrühmliche Ende der HSC US-Fonds
von Kerstin Kondert
6
Big Fat Liar
Die wahren Hintergründe des Mediastream Fonds II
10
von Kerstin Kondert
Widerruf eines Darlehensvertrages
Richtig Belehren will gelernt sein! Oder: wie mache ich es richtig...
von Alexander Temiz
18
Clerical Medical – Bundesgerichtshof entscheidet zugunsten der Anleger
von Dr. Christian Naundorf
22
„Bündnis für bezahlbare Wohnungen“ in Berlin –
das Ende des Sozialen Wohnungsbaus rächt sich
von Dr. Wolfgang Schirp
24
Zertifikate – eine sichere Geldanlage?
von Rolf Siburg
26
- The End - oder ein positiver Ausgang in Sachen
KGAL/Alcas Medienfonds in greifbarer Nähe
Anne Wenzelewski
28
Wölbern Invest KG – Verantwortung, nein danke!
von Thomas Lippert
30
Das Letzte
von Tibet Neusel
31
1
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
Berlin, September 2012
Liebes Vereinsmitglied,
liebe Leserin, lieber Leser,
ich freue mich, Ihnen die Ausgabe 3/2012 des
Anlegerschutzbriefes übersenden zu können.
N
achfolgend liefere ich Ihnen einen Überblick über die von uns bearbeiteten Themenbereiche und berichte über unsere Aktivitäten der letzten Wochen und Monate.
1. Medienfonds mit Defeasance-Struktur
In den letzten beiden Ausgaben des Anlegerschutzbriefes haben wir detailliert zum aktuellen Stand der Prospekthaftungsklagen
Stellung genommen und darüber informiert,
dass Vergleichsverhandlungen mit Hannover
Leasing und KGAL aufgenommen wurden.
Wie bereits mitgeteilt dauern die Verhandlungen weiter an und werden in den nächsten
Wochen fortgesetzt. An dieser Stelle weise
ich nochmals darauf hin, dass zwischen den
Verhandlungspartnern in Sachen Hannover
Leasing-Fonds Stillschweigen vereinbart
wurde, so dass wir zu konkreten Nachfragen
leider nicht detailliert antworten können. Ich
kann jedoch berichten, dass die Verhand­
lungen äußerst konstruktiv und zielführend
laufen. Sobald uns mitteilungsrelevante Er­
geb­nis­­se vorliegen, werden wir Sie selbst­­
verständlich zeitnah informieren. Ich hoffe
insofern auf Ihr Verständnis und bitte noch
um etwas Geduld. In Sachen KGAL-Fonds
dürfen wir ein wenig ausführlicher werden.
Hier finden Sie weitere Informationen zum
aktuellen Stand im Beitrag von Rechtsanwältin Anne Wenzelewski in diesem Heft.
IMPRESSUM
Anschrift: Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz e. V., Heerstraße 2, 14052 Berlin Internet: www.aktionsbund.de
E-Mail: office@aktionsbund.de Herausgeber: Thomas Lippert, Heerstraße 2, 14052 Berlin Verantwortlich im Sinne des
Presserechts: Tibet Neusel Layout, Satz und Druck: Jörn Dieckmann, Köllen Druck + Verlag Bonn/Berlin · Fotonachweise Inhalt: Alle hier genannten Fotos via Fotolia.com: S. 7 © vege, S. 8 © mopsgrafik, S. 19 © ggerhards, S. 20 © Günter
Menzl, S. 21 © K.-U. Häßler, S. 23 © Dan Race, S. 25 © Tiberius Gracchus, S. 27 © Primabild, S. 29 © Laz'e-Pete
2
Auch bei den beiden Academy-Filmfonds der
Commerzbank AG werden Fortschritte erzielt. Am 30. August 2012 wurden insgesamt
19 Verfahren der Kanzlei Schirp SchmidtMorsbach Neusel bezüglich der MHF Erste
Academy Film GmbH & Co. Beteiligungs KG
in Frankfurt verhandelt. Der Terminsbericht
wurde bereits von Rechtsanwältin Antje Radtke-Rieger an die Kläger verschickt. Das Gericht ist nach vorläufiger Beratung der Auffassung, dass im Prospekt auf die Höhe der
Schuldübernahmegebühr hätte hingewiesen
werden müssen, da die Schuldübernahmegebühr dem abgezinsten Barwert der garantierten Lizenzzahlung entspricht und der Beklagten, der Commerzbank AG, somit hätte klar
sein müssen, dass daraus ein steuerliches
Problem hinsichtlich der Herstellereigenschaft des Fonds folgen würde. Als zweiten
wesentlichen Prospektfehler sieht das Gericht derzeit die falsche Aufklärung über den
Worst Case im Prospekt. Der Prospekt erweckt den Eindruck, dass durch die garantierten Zahlungen das eingesetzte Eigenkapital in jedem Fall an die Zeichner zurückfließt.
Tatsächlich sichert die Garantie nur den entsprechenden Rückfluss an den Fonds – hat
der Fonds höhere Ausgaben als geplant, z. B.
für ungeplante Gewerbesteuer, so mindert
sich der Auszahlungsbetrag an die Anleger
und es kommt zum teilweisen Kapitalverlust.
Dieses Risiko hat sich im Übrigen realisiert.
Das Gericht steht bisher auf dem Standpunkt,
dass der Prospekt hier unzureichend aufklärt. Sobald die ersten Urteile vorliegen,
werden wir berichten.
Thomas Lippert
Diplom-Kaufmann (FH)
Vorstandsvorsitzender des
Aktionsbundes Aktiver Anlegerschutz e. V.
und geschäftsführender Gesellschafter
2. Schiffsfonds – es wird noch schlimmer!
der Aktionsbund Service GmbH
„In den Sand gesetzt“, so titelte die WirtschaftsWoche in ihrer Ausgabe Nr. 36 vom
03.09.2012 zum Thema Schiffsfonds. Den Artikel können Sie über unsere Internetseite
(www.aktionsbund.de) einsehen.
Berufsausbildung zum Bankkaufmann;
Ausbildung
berufsbegleitendes Studium BWL
Schwerpunkt Banken mit Spezialisierung
Immobilienmanagement
Derzeit vergeht leider fast kein Tag, an dem
nicht die Geschäftsführung eines Schiffsfonds
über eine Kapitalerhöhung (i. d. R. Rückführung von erhaltenen Ausschüttungen) beschließen lässt, oder sogar die Insolvenz der
Gesellschaft mitteilt. Oft ist mit der Insolvenz
der Totalverlust des eingesetzten Kapitals
verbunden. Ob darüber hinaus der Insolvenzverwalter noch die in der Vergangenheit gezahlten Ausschüttungen zurückfordern kann,
hängt von der vertragsgemäßen Haftungssituation ab.
Berufliches
Seit 2001 in der Banken- und Immobilienbranche tätig; Schwerpunkte in der
Durchführung von Risikoanalysen;
Engagementführung im Kreditgeschäft
und ganzheitliche Beratung für Geschäftsund Firmenkunden; seit 2005 für den AAA
tätig; persönliche und telefonische
Mitgliederberatung, Vertretung auf
Gesellschafterversammlungen und
Übernahme zahlreicher Beiratsmandate
geschlossener Immobilienfonds
Mittlerweile vertritt der AAA die Interessen
von ca. 350 Anlegern des HCI Shipping Select
XXV. Ende September 2012 wird die Kanzlei
Schirp Schmidt-Morsbach Neusel eine Sammelklage (subjektive Klagehäufung) beim
Landgericht Hamburg gegen die HCI und die
Reederei Vogemann einreichen. Wir halten
Sie über den Fortgang weiter informiert.
Kontakt
Aktionsbund
Aktiver Anlegerschutz e. V.
Heerstraße 2
14052 Berlin
Tel.: 0 30 3 15 19 34-­0
Fax: 0 30 3 15 19 34-20
E­Mail: lippert@aktionsbund.de
Auch die Anleger des HCI Schiffsportfolio X
haben am 29. August 2012 von ihrer Geschäftsführung bzw. Treuhandgesellschaft
Post bekommen und wurden zu einer Präsenzgesellschafterversammlung am 20. September 2012 nach Hamburg eingeladen.
Gefor­dert werden erhebliche Aus­schüt­tungs­
www.aktionsbund.de
3
Anlegerschutzbrief 03_2012
rück­zahlungen, um zwei der fünf Schiffe des
Fonds (Vogebulker, Jork Ranger) am Laufen
zu halten: 7,22 % bezogen auf das GesamtNominalkapital sollen für die Vogebulker bereitgestellt werden. Weiterhin benötigt die
Jork Ranger 1,12 % bezogen auf die Einlage.
Insgesamt sollen 8,34 % des Nominalkapitals
zurückgezahlt werden. Es ist jetzt leider genau das eingetreten, was wir zuletzt mit Schreiben vom 18. Januar 2012 vorausgesagt haben: Durch die internen Darlehensvergaben
der Vogebulker und der Weserwolf an die anderen Schiffe (Jork Ranger und HR Mastery)
sollten deren Probleme gelöst werden. Das
ist nicht gelungen, dafür hat nun die Vogebulker selbst ernsthafte Schwierigkeiten und
kann den Kapitaldienst nicht mehr bezahlen.
Auch die Option, die HR Mastery zu verkaufen,
führt zu keiner Lösung. Denn dann muss ein
Forderungsverzicht der Weserwolf sowie der
Vogebulker in Höhe von bis zu 100 % ausgesprochen werden. Der Gesamtrückfluss bei
einem Verkauf der HR Mastery beträgt nur
37,76 % nach Steuern. Eine Ausschüttung ist
nicht möglich! Gerade bei diesem Fonds wird
deutlich, wie wichtig es ist, dass Sie Ihr
Stimmrecht selbst wahrnehmen oder sich
professionell vertreten lassen. Wäre bei der
letzten Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren gegen die Darlehensvergabe mit
der erforderlichen Mehrheit der abgegebenen Stimmen gestimmt worden (dies war
unsere Empfehlung), so wäre zumindest die
Liquiditätssituation der Vogebulker nicht so
angespannt und der Millionenbetrag noch auf
dem Konto.
In den nächsten Wochen werden wir die Anleger der Schiffsfonds „Cape Bird“, „Cape
Bon“, „Cape Bille“ sowie „Cape Bruny“ über
den aktuellen Stand des Klageverfahrens sowie die weitere Vorgehensweise informieren.
3. Lebensversicherungsfonds
Anleger der beiden US-Lebensversicherungsfonds der HSC haben ebenfalls unerfreuliche Post bekommen. Mit Schreiben vom
31.08.2012 wurden die Anleger der HSC US
Leben Select I GmbH & Co. KG über den ak­
tuellen Stand ihrer Beteiligung informiert.
Das Versicherungsportfolio wurde vollständig
ver­äußert. Die Geschäftsführung empfiehlt
daher die Auflösung der Fondsgesellschaft.
12 % bezogen auf das Nominalkapital sollen
als Schlusszahlung ausgeschüttet werden.
Laut Leistungsbilanz der HCI haben die Anle-
4
ger über die Gesamtlaufzeit bisher 63 % an
Ausschüttungen erhalten. 152,2 % sollten es
eigentlich sein. Der Gesamtrückfluss liegt somit bei diesem Fonds bei nur 75 % bezogen
auf die Einlage. Bei der HSC Optivita USA II
GmbH & Co. KG sieht es ähnlich aus. Hier sollen noch 20 % bezogen auf das Nominalkapital als Schlusszahlung ausgeschüttet werden. Laut Leistungsbilanz der HCI haben die
Anleger über die Gesamtlaufzeit bisher 50 %
an Ausschüttungen erhalten. 156,9 % sollten
es eigentlich sein. Der Gesamtrückfluss liegt
somit bei diesem Fonds bei nur 70 % bezogen
auf die Einlage. Bezüglich der Hintergründe,
möglicher Anspruchsgrundlagen und der
wei­teren Vorgehensweise lesen Sie bitte den
Artikel von Kerstin Kondert in dieser Aus­
gabe.
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Im Bereich der MPC Lebensversicherungsfonds haben wir alle AAA-Mitglieder und
Anle­ger des MPC Leben 1 (MPC RenditeFonds Leben plus GmbH & Co. KG) Anfang
Sep­tem­ber 2012 über den bevorstehenden
Ver­jäh­rungs­eintritt informiert. Für einen Ge­
sell­schaf­­ter ist bereits eine Klage aus Pros­­
pekt­haftung im weiteren Sinn gegen die MPC
Capital Investments GmbH (vormals MPC
Münchmeyer Petersen Capital Vermittlung
GmbH) anhängig, die von der Kanzlei Schirp
Schmidt-Morsbach Neusel geführt wird und
auf unseren Recherchen basiert. Der Termin
für die mündliche Verhandlung war zunächst
für den 16. August 2012 angesetzt, wurde jedoch auf Antrag der Beklagten in den November verlegt. Am 13. und 14. September 2012
nehmen Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Schirp
sowie meine Vorstandskollegin Kerstin Kondert und ich für alle sieben MPC Lebensversicherungsfonds Akteneinsicht im Hause der
MPC/TVP in Hamburg. Wir werden hierüber
unsere Mitglieder gesondert informieren, da
bei Redaktionsschluss für diese Ausgabe die
Einsicht noch nicht stattgefunden hat.
Ich danke an dieser Stelle allen AAA-Mitgliedern für das entgegengebrachte Vertrauen
und sende Ihnen anlegerschutzfreundliche
Grüße!
Ihr
Thomas Lippert
Vorstandsvorsitzender
Aktionsbund Aktiver Anlegerschutz e. V.
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Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Kerstin Kondert
Kein Rendezvous mit Joe Black
Das unrühmliche Ende der HSC US-Fonds
Die HSC-US-Leben Fonds werden jetzt liqui­
diert. Was bleibt, ist ein Vermögensschaden
für die Anleger. Die Fondsprospekte weisen
erhebliche Fehler auf. Die Anleger müssen
den Schaden nicht kampflos hin­nehmen.
„E
Kerstin Kondert
Dipl.-Betriebsökonomin (BI)
Vorstandsmitglied des
ine Wette auf den Tod“, so wurde der
Ankauf
von
US-amerikanischen
Lebensversicherungen im Zweitmarkt in
Deutschland häufig abfällig kommentiert. In-
Ausschüttungen während der Betriebsphase
Fonds
Zeitraum
HSC US Leben Select I
Ausbildung
Studium Englisch und Geografie,
Ausbildung zur Köchin,
berufsbegleitendes Studium BWL und
HSC Optivita USA II
Ausschüttungen an die Anleger
Soll in %
Ist in %
Abweichungen
2009
25,0
8,0
-18,0
kum
140,8
63,0
-77,8
2009
25,0
8,0
-18,0
kum
130,0
50,0
-80,0
Aktionsbundes Aktiver
Anlegerschutz e. V.
einigen Fällen die Investitionen in Lebensversicherungen als das dargestellt wurden, was
sie sind, nämlich spekulative Anlagen, wurden sie in anderen Fällen als konservative,
sichere Anlage angepriesen. Letzteres gilt
auch für die beiden US-Lebensversicherungsfonds der HCI, den HSC US Leben Select I und den HSC Optivita USA II. Im Prospekt zum HSC US-Leben Select I heißt es
beispielsweise:
Ausbildung zur Mediatorin.
Berufliches
Ab 1988 in der Fondsbranche tätig,
Schwerpunkte zunächst Konzeption,
Finanzierung und Prospektierung
geschlossener Immobilienfonds,
später Entwicklung von Sanierungs­
konzepten für Not leidende Fonds,
aktueller Schwerpunkt: Fondsanalyse und
Prospektfehlerrecherche.
Nebentätigkeiten
Handelsrichterin am Landgericht Berlin,
Referentin, diverse
Fachveröffentlichungen.
Kontakt
Aktionsbund
Aktiver Anlegerschutz e. V.
Heerstraße 2
haltlich ist die Bezeichnung zwar zutreffend,
nicht passend ist jedoch der negative Unterton. Denn der Ankauf von Lebensversicherungen im Zweitmarkt lag ebenso im
Interesse der Verkäufer, die sich von künftigen Prämienzahlungen befreien konnten,
ohne ihre bisher geleisteten Prämien vollständig zu verlieren. Inzwischen ist allerdings
deutlich geworden, dass letztlich nur die Verkäufer profitiert haben, und zwar in doppelter
Hinsicht. Sie haben den Kaufpreis erhalten
und leben viel länger als erwartet. Für die
Fonds, die mit dem Ankauf von amerikanischen Lebensversicherungen Geld verdienen
wollten, hat das fatale Folgen. Nicht nur, dass
die Versicherungssummen aufgrund der längeren Lebensspannen viel später ausgezahlt
werden als geplant, es sind auch viel länger
Prämien zu zahlen. Die Wette auf den Tod haben die deutschen Anleger verloren.
14052 Berlin
Tel.: 0 30 3 15 19 34-­0
Fax: 0 30 3 15 19 34-20
E­Mail: kondert@aktionsbund.de
www.aktionsbund.de
6
Die hier beschriebene Entwicklung trifft praktisch auf alle Lebensversicherungsfonds zu,
die amerikanische Lebensver­sicherungen
gekauft haben (vgl. auch die aus­führlichen
Analysen in unserer Son­der­ausgabe „Lebensversicherungsfonds“, zu beziehen über den
AAA). Worin sich die Fonds allerdings unterscheiden, sind die Darstellungen und Prognosen in den Angebotsprospekten. Während in
„Durch die Anlage in US-Lebensversicherungen
erreicht der Anleger überdurchschnittliche
Renditechancen bei vergleichsweise niedrigen
Risiken.“
Die beiden Fonds werden jetzt liquidiert,
nachdem ihr Versicherungsportfolio voll­
ständig verkauft wurde. Es steht fest, dass
das eingesetzte Kapital in Teilen verloren ist
lediglich die Höhe des Verlustes ist noch nicht
sicher. Der Ausschnitt aus der Leistungs­
bilanz der HCI des Jahres 2009 zeigt, wie hoch
die Abweichungen von den Planzahlen sind:
Nach den Ausschüttungen in Höhe von 63 %
des Eigenkapitals sind nach den uns vorliegenden Informationen zum HSC US Leben
Select I keine weiteren Ausschüttungen erfolgt. Vor wenigen Tagen informierte die
Fondsgeschäftsführung die Anleger darüber,
dass das Portfolio inzwischen zur Gänze verkauft sei. Daraus folge eine weitere Ausschüttung von 12 % des Eigenkapitals. Wenn diese
Ausschüttung gezahlt wird, haben die Anleger
75 % ihres Kapitals zurückerhalten ein Viertel des eingesetzten Kapitals ist voraussichtlich verloren.
Zu den enttäuschten Anlegern dieser Fonds
gehören auch zahlreiche Mitglieder des AAA,
weswegen wir die beiden Fonds nunmehr daraufhin untersuchen, ob Ansprüche aus Pros-
pekthaftung mit Aussicht auf Erfolg geltend
gemacht werden können. In diesem Beitrag informiere ich sie über die ersten Erkenntnisse
aus unserer Prüfung zum HSC US Leben
Select I; die Berichterstattung zum vergleichbar konzipierten HSC Optivita USA Leben II
folgt in Kürze (bitte verfolgen Sie hier auch
unsere Veröffentlichungen im Internet unter
www.aktionsbund.de).
Fehler im Prospekt des HSC US Leben Select I
Der Prospekt des HSC US-Leben Select wurde
am 1. September 2003 herausgegeben. Er sollte bis zum 31.12.2010, also über eine für einen
geschlossenen Fonds relativ kurze Laufzeit,
laufen.
„Der vorliegende Prospekt orientiert sich an dem
vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) herausgegebenen Anforderungskatalog zum Inhalt von
Prospekten für öffentlich angebotene Kapitalanlagen vom 1.9.2000 (Stellungnahme IDW S 4)“, so
heißt es auf Seite 56 des Prospektes. Tatsächlich erfüllt der Prospekt diese Anforderungen
jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht.
Zum einen enthält der Fondsprospekt entgegen den Anforderungen des IDW S 4 keine
Worst Case-Darstellung. Auch sind die Risiken
nicht gewichtet. Das sogenannte „Cluster-Risiko“, das darin besteht, dass möglicherweise
sehr viele Policen von einer Versicherungsgesellschaft gekauft werden und es dadurch zu
einer „Erhöhung des statistischen Ausfallrisikos“ kommen kann, wird gleich gewichtet mit
dem ungleich höheren und für den Fonds sehr
viel wahrscheinlicherem Risiko, dass es zu verspäteten Auszahlungen der Versicherungssummen kommen kann mit der Folge, dass
der Fonds in Liquiditätsschwierigkeiten gerät
(das ist im Übrigen auch das Risiko, das sich
realisiert hat und nun zum Teilverlust des Kapitals führt).
Der Prospekt enthält auch nicht alle Angaben,
die erforderlich sind, um die Prognoserechnung nachzuvollziehen. Auch hier entspricht
der Prospekt nicht den Anforderungen des IDW
S 4.
Dasselbe gilt für den erheblichen Aspekt der
Renditedarstellung. Die erwartete Rendite ist
im Prospekt mehrfach genannt, und zwar in
allen Fällen berechnet nach der umstrittenen
IRR-Methode (Interne Zinsfußmethode). Die
Erläuterung zu dieser Berechnung auf Seite 31
ist falsch. Dort heißt es:
„Die Renditeangaben nach IRR („Internal Rate of
Return“) bringen die rechnerische Verzinsung
des von den Investoren eingebrachten Eigenkapitals über den Investitionszeitraum zum Ausdruck. Bei dieser finanzmathematischen Methode zur Ermittlung des internen Zinssatzes wird
der zeitliche Bezug von prognostizierten Zu- und
Abflüssen berücksichtigt. Entgegen einer linearen Betrachtung, bei der keine Änderung des gebundenen Kapitals über den Investitionszeitraum
eintritt, sind die Angaben nach IRR nicht mit der
Rendite von anderen Kapitalanlagen vergleichbar.“
Zum einen ist diese Erklärung für den Laien
unverständlich, zum anderen ist sie in einem
wesentlichen Aspekt falsch: Die IRR bringt gerade nicht die Rendite auf das eingebrachte
Eigenkapital zum Ausdruck, sondern die Rendite auf das jeweils in der Beteiligung noch gebundene Kapital.
Vereinfacht: Der Prospekt wirbt mit einer Rendite (IRR) von 11,73 %. Es soll ein Kapitalüberschuss in Höhe von insgesamt rd. 16,59 Mio.
US-Dollar bei einem Eigenkapital von 25 Mio.
US-Dollar erzielt werden. Bezieht man diesen
Kapitalüberschuss auf das Eigenkapital über
die Laufzeit, so ergibt sich eine Rendite in Höhe
von nur 9,48 %, also mehr als zwei Prozentpunkte weniger. Die Prospektdarstellung ist
irreführend und täuschend.
Im IDW S 4 heißt es: „Entsprechend ist bei Verwendung des Begriffs „Rendite“ anzugeben, worauf sich die Rendite bezieht und wie sie im Einzelnen berechnet wurde.“
7
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
Wie bereits dargelegt, ist die im Prospekt genannte Bezugsgröße falsch. Angaben, wie die
Berechnung angestellt wurde, gibt es im Prospekt überhaupt nicht. Auch das ist zu beanstanden.
Ein weiterer aus unserer Sicht ganz wesentlicher Fehler liegt in der unvollständigen Aufklärung über die Mittelverwendung. Seite 25
des Prospektes enthält den „Mittelherkunftsund -verwendungsplan“. Dort ist die Position
„Investition in Policen/Liquiditätsreserve“ mit
23.462.500 US-Dollar, mithin 93,85 % des
­Gesamtinvestitionsvolumens ausgewiesen.
Diese Darstellung erweckt den Eindruck, dass
tatsächlich ein sehr hoher Anteil der Anlegergelder in Versicherungspolicen investiert werden soll. Als Kommentar ist auf derselben Seite zu lesen:
„Die Mittel, die für den Erwerb der Versicherungspolicen zur Verfügung stehen, inklusive der
Liquiditätsreserve für die Prämienzahlungen und
der laufenden Fondskosten, betragen 93,85 %
des eingeworbenen Kommanditkapitals. Freie
liquide Mittel werden auf Festgeldkonten zu
marktüblichen Konditionen angelegt.“
Es fehlt in diesem Zusammenhang jegliche Erläuterung, welcher Betrag tatsächlich in Policen investiert werden und wie hoch die Reserve sein soll.
In der Prognoserechnung des Fonds ist unter
„Ausgaben“ die Position „Kaufpreis Policen“
enthalten. Hier ist ein Betrag in Höhe von
17.888.475 US-Dollar genannt. Dieser Wert
beträgt nur noch rd. 71,6 % des Gesamtaufwandes.
„Auf der Basis
einer geschätzten
Lebenserwartung,
die über mindestens
zwei Gutachten
verschiedener medizinischer Institute
ermittelt wird,
errechnen sie einen
Kaufpreis für die Police.
Tatsächlich stellt jedoch auch dieser Wert
noch nicht den Anteil der Anlegergelder dar,
der wertbildend investiert wird. Denn nach den
Erläuterungen zur Prognoserechnung sind in
dieser Position noch die „Erwerbsneben­kosten
(Gebühr für die Settlementgesellschaften, Gutachter etc.)“ enthalten. Welchen Anteil diese
Nebenkosten ausmachen, ist dem Prospekt
nicht zu entnehmen.
Tatsächlich waren die Erwerbsnebenkosten
beim Ankauf von US-amerikanischen Lebensversicherungen in aller Regel erheblich. Der
Prospekt zum GAF Active Life 2, der vergleichbar konzipiert wurde, legt beispielsweise den
Anteil der Erwerbsnebenkosten offen. Dort ist
im Investitionsplan folgende Verteilung offengelegt:
Investition in Policen
Kaufpreise Policen 120.686.962 US-Dollar
Kaufnebenkosten  86.563.006 US-Dollar
8
Von der Investition in Policen entfallen gerade
einmal rd. 58 % auf die eigentlichen Kaufpreise,
rd. 42 % entfallen allein auf die Ankaufsnebenkosten.
Überträgt man diese Aufteilung auf den HSC
US Leben Select I, so würden von den rd.
17,9 Mio. US-Dollar auf die eigentlichen Kaufpreise nur rd. 10,4 Mio. US-Dollar entfallen,
während sich die Nebenkosten auf rd. 7,5 Mio.
US-Dollar belaufen. Im Verhältnis zu 25 Mio.
Eigenkapital betrüge die tatsächlich wertbildende Investition anstelle von mehr als 93 %
weniger 43 %.
Der Prospekt verschleiert, dass der wertbildende Teil des Eigenkapital nur einen relativ
geringen Anteil ausmacht, während der überwiegende Teil des Kapitals in Gebühren und
Prämien fließen soll. Insofern ist dem Prospektleser auch eine Plausibilitätskontrolle unmöglich gemacht: Es mag realistisch sein, dass
aus einer Investition von 23,5 Mio. US-Dollar
innerhalb von sieben Jahren ein Rückfluss von
rd. 51 Mio. US-Dollar resultieren soll. Ob es jemals realistisch sein konnte, wenn aus nur rd.
10,4 Mio. US-Dollar fast das Fünffache zurückfließen soll?
Auch im Hinblick auf die Sicherheitsaspekte
verschweigt der Prospekt erhebliche Informationen. Halten wir uns zunächst vor Augen, was
die Fondsgeschäftsführung in „Aktueller Überblick 2011/ HSC US Leben Select I GmbH & Co.
KG“ ausführt:
„Für jede Police müssen mindestens zwei
medizinische Gutachten über die Lebenserwartung erstellt werden, wovon mindestens
ein Gutachten dem Lloyd’s of London-Standard genügt.“ (Seite 21)
„Neben den strengen Anlagerichtlinien und
dem geschlossenen Treuhandkreislauf mit
renommierten Partnern werden die Renditeerwartungen der Anleger zusätzlich durch
eine außerordentlich konservative Kalkulation abgesichert. So werden für jede Lebensversicherung mindestens zwei Gutachten durch unabhängige medizinische
Institute, mindestens eines nach Lloyd’s of
London-Standard, erstellt.“ (Seite 22)
Auch im Verschweigen dieses entscheidungserheblichen Merkmals liegt nach unserem
Dafürhalten ein erheblicher Prospektfehler.
Zusammengefasst: Nach unseren bisherigen
Ermittlungen, die bei weitem noch nicht abgeschlossen sind, liegen erhebliche Prospektfehler vor, auf deren Basis Anleger Schadensersatzansprüche geltend machen können. Die
Kanzlei Schirp Schmidt-Morsbach Neusel hat
in Zusammenarbeit mit uns bereits im Zusammenhang mit anderen Lebensversicherungsfonds Schadensersatzzahlungen für die betroffenen Anleger durchsetzen können. Wir
sind zuversichtlich, dass dies auch bei den
HSC US-Leben-Fonds gelingen kann.
Was dem Prospekt nicht zu entnehmen ist: Die
medizinischen Gutachten erfolgten grundsätzlich nur nach Aktenlage. Eine Gesundheitsprüfung, wie sie bei Abschluss einer Lebensversicherung in Deutschland üblich ist, fand bei der
Kaufpreisermittlung nicht statt. Die Lebenserwartung wurde anhand statistischer Daten ermittelt, nicht durch eine medizinische Untersuchung der versicherten Person.
Wie in vergleichbaren Fällen werden für die
Mitglieder des AAA, die den Kapitalverlust
nicht widerspruchslos hinnehmen und ihre
Ansprüche unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durchsetzen wollen, attraktive Gebührenrabatte gewährt. Wenn Sie an weiteren
Informationen interessiert sind, sprechen Sie
uns bitte darauf an.
Neueste Themen sowie aktuelle Diskussionen unter
www.aktionsbund.de
„Grundsätzlich muss aber aus dem bisherigen
Sterblichkeitsverlauf gefolgert werden, dass die
Versicherten nicht entsprechend den vorliegenden Gutachten, sondern vielmehr gemäß der allgemeinen Sterbetafel versterben.“
Mit anderen Worten: Die Versicherten sterben
zu spät. Nach der allgemeinen Sterbetafel würden sie später sterben als nach den Gutachten,
die den Prognosen zugrunde gelegt wurden.
Was also ist von den Gutachten zu halten?
Im Prospekt steht dazu:
„Zu diesem Zweck wird von unabhängigen
medizinischen Instituten eine geschätzte Lebenserwartung für jeden Versicherten ermittelt, die als Basis für die Kaufpreisermittlung dient.“ (Seite 7)
„Auf der Basis einer geschätzten Lebenserwartung, die über mindestens zwei Gutachten verschiedener medizinischer Institute
ermittelt wird, errechnen sie einen Kaufpreis
für die Police.“ (Seite 20)
9
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Kerstin Kondert
Big Fat Liar
Die wahren Hintergründe de s Mediastream Fonds II
Zum Mediastream Fonds I der Ideenkapital
haben wir in den vergangenen Wochen noch
erhebliche neue Beweise aufdecken können,
die unseren Vorwurf erhärten, dass die Verträge des Fonds mit den Universal-Unternehmen nur aus steuerlichen Gründen zum
Schein abgeschlossen, aber nie umgesetzt
wurden.
H
annover Leasing und die Helaba verhandeln über Vergleiche, KGAL hat ebenfalls
eingelenkt und Verhandlungen aufgenommen, LHI hat schon vor geraumer Zeit dem
Ruhen der Verfahren zugestimmt. Von den
großen Initiatoren zeigen bisher nur die Commerzbank und die Ideenkapital keinerlei Bereitschaft, sich mit den Anlegern zu einigen.
Das wird (und sollte) sich nach unseren Einschätzungen in absehbarer Zeit jedoch ändern.
In der letzten Ausgabe haben wir zu neuen
belegbaren Prospektfehlern bei den Academy-Fonds der Commerzbank berichtet. Mit
diesem Beitrag informieren wir sie über den
aktuellen Recherchestand zum Mediastream
II (eine vergleichbare Aufbereitung zum Mediastream III ist derzeit in Arbeit). Die neuen
Belege werden gerade in den laufenden Verfahren der Kanzlei Schirp Schmidt-Morsbach
Neusel eingereicht. Wir sind auf die Reaktionen der Gegenseite und vor allem der Gerichte gespannt.
Nach den jetzt von uns gefundenen Nachweisen spricht alles dafür, dass die zwischen
dem Fonds und den amerikanischen Studiogesellschaften abgeschlossenen Verträge
nur zum Schein vereinbart wurden, Produktion und Vertrieb der Filme tatsächlich jedoch
durch andere Unternehmen durchgeführt
wurden. Dadurch wird unser bisheriger Vortrag erhärtet, dass der Fonds aus steuerlichen Gründen nur Scheinverträge abgeschlossen hat, jedoch niemals alleiniger
Hersteller der Filme werden sollte.
Ferner zeigen wir auf, dass der Angebotsprospekt wesentliche Verflechtungen verschweigt,
nämlich die Beherrschung des Fonds durch
10
die amerikanischen Partner bei Abschluss der
Verträge zum Erwerb der Stoffrechte und zur
Fertigstellungsgarantie sowie bei Abschluss
der Produktionsdienstleistungsverträge. Damit wurden im Prospekt ein wesentlicher Interessenkonflikt und ein erhebliches steuerliches Risiko verschwiegen.
Darüber hinaus belegen wir anhand ausführlicher Auswertungen zu Filmproduktionen
der Vergangenheit, dass die im Prospekt in
Aussicht gestellten variablen Erlöse bei Prospektherausgabe bereits unwahrscheinlich
waren und schon die zugrunde gelegten Gutachten auf unwahrscheinlichen Annahmen
beruhen.
1. Vom Prospekt abweichende Vertragspartner
Nach den Prospektangaben (Seite 11, 26, 28,
29, 30, 68, 71) sollen als Lizenznehmer die
Universal Studios International B.V., Amsterdam und als Produktionsdienstleister die Movie Mogul Productions, Inc., Wilmington sowie
Les Arts Mystrieux Productions, Ltd., London
fungieren. Mit diesen Gesellschaften hat der
Fonds auch die entsprechenden Verträge abgeschlossen.
Tatsächlich ist keines dieser Unternehmen in
der prospektierten Funktion in Erscheinung
getreten.
Der Film „The Truth about Charlie“ wurde zwar
im Lizenzvertrieb von verschiedenen Universal-Unternehmen vertrieben, die im Prospekt
genannte Universal Studios International
B.V., Amsterdam, ist jedoch nicht dabei. Das
ergibt sich aus der kostenpflichtigen Internetfilmdatenbank IMDb.Pro. Der Fonds sollte alleiniger Produzent des Films „The Truth about
Charlie“ sein und mit der Auftragsproduktion
Les Arts Misterieux Productions, Ltd. beauftragt haben. Als Produktionsfirmen sind jedoch nach den Angaben in IMDb.Pro neben
dem Fonds („in association with“) Universal
Pictures, Magnet Entertainment und Clinica
Estetico aufgetreten.
In den in Deutschland handelsüblichen DVDs
des Films „The Truth about Charlie“ wird der
Fonds ebenso wie bei IMDb.Pro als „a Clinica
Estico Production“ ausgewiesen. Weitere Produktionsfirmen sind im Vor- und Abspann des
Films überhaupt nicht genannt.
Der Fonds ist demnach tatsächlich im besten
Fall abweichend zu den Prospektaussagen
und folgenreich für die steuerliche Behandlung lediglich Co-Produzent.
Vergleichbar verhält es sich mit dem Film
„Big Fat Liar“ („Pay oder Play“). Auch hier
taucht Universal Studios International B.V. in
der Liste der Vertriebe bei IMDb.Pro nicht auf.
Produziert wurde der Film nicht wie prospektiert von Movie Mogul Productions, Inc., sondern von Paramount Pictures, Tollin/Robbins
Productions und Universal Pictures.
Im Abspann der deutschen Fassung des Films
„Lügen haben kurze Beine“ sind folgende Angaben zu finden: „in association with Mediastream Zweite Film GmbH & Co. Productions KG“
und „a Tollin/Robbins Production“.
Auch hier trat der Fonds, wenn überhaupt,
nur als Co-Produzent auf. Aus diesem Grund
bestand von Anfang an und besteht noch das
erhebliche Risiko des Scheiterns des steuerlichen Konzeptes, denn dessen Gelingen setzt
die alleinige Herstellereigenschaft des Fonds
voraus.
Wer die Filme tatsächlich produzieren würde,
stand bei Prospektherausgabe am 21. Mai
2001 bereits fest. Denn nach unseren Recherchen wurde mit den Filmarbeiten zu „The
Truth about Charlie“ am 15. März 2001 bereits
begonnen, mit den Dreharbeiten zu „Big Fat
Liar“ am 28. März 2001. Es war spätestens mit
Drehbeginn bereits klar, welche Unternehmen die Produktion tatsächlich durchführen
würden.
Die Darstellungen im Prospekt zu den Filmpartnern des Fonds, zum Gesamtvertragswerk, zur Filmherstellung und zu den daraus
resultierenden steuerlichen Risiken sind
nach unserer Überzeugung grundlegend und
vorsätzlich falsch.
2. Verschwiegene Verflechtungen und daraus resultierende steuerliche Risiken
Der Prospekt klärt nicht darüber auf, dass
wesentliche Verträge des Fonds (Ankauf der
Stoffrechte, Produktionsdienstleistungsverträge und Fertigstellungsgarantieverträge)
zu einem Zeitpunkt abgeschlossen wurden,
als Universal Pictures alleiniger Gesellschafter der Komplementärin sowie der Kommanditistin des Fonds war und die Geschäftsführung durch von Universal bestellte
Geschäftsführer beherrscht wurde. Der Prospekt verschweigt, dass einer der Geschäftsführer der Fonds-Komplementärin und der
Fonds-Kommanditistin gleichzeitig Director
der Movie Mogul Productions, Inc. war, mit
der einer der Produktionsdienstleistungsverträge geschlossen wurde.
Der Prospekt legt eine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den amerikanischen Partnern und der Fondsgesellschaft
bzw. den Unternehmen der Ideenkapital
überhaupt nicht dar, sondern erweckt fälschlich den Eindruck, als handele es sich bei den
Universal-Unternehmen um vom Fonds völlig
unabhängige Unternehmen.
Auch wenn bei Prospektherausgabe die Geschäftsführung der Komplementärin und der
Kommanditistin auf die prospektierten Geschäftsführer gewechselt hatte, war die ursprüngliche Verflechtung offen zu legen, weil
während des Bestehens der Verflechtungen
die wesentlichen Verträge des Fonds abgeschlossen wurden.
Über die Verflechtungen war auch deswegen
zu informieren, weil aus ihnen ein weiteres
steuerliches Risiko resultierte, das ebenfalls
nicht erwähnt wurde.
11
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
2.1 Verschwiegene Verflechtungen
Der Prospekt enthält ab Seite 24 Angaben zur
Fondsgesellschaft und den Vertragspartnern
des Fonds. Als Geschäftsführer der Komplementärin des Fonds sind Uwe Schott, Rolf Engelhardt und Christian Middelberg genannt.
Zu den ersten beiden ist ausgeführt, dass sie
der Ideenkapital-Gruppe angehören. Wer Gesellschafter der Komplementärin ist, wird
dort nicht ausgeführt. Als Geschäftsführer
der Kommanditistin ist Henric Bauermeister
genannt, ihre Gesellschafter sind ebenfalls
nicht genannt.
Geschäftsführer oder vergleichbare Vertretungsberechtigte der amerikanischen Vertragspartner sind im Prospekt überhaupt
nicht genannt.
Auf Seite 17 des Prospektes heißt es:
„Schlüsselpersonen und Vertragspartner
Was für Kapitalanlagen im Allgemeinen gilt,
trifft für Unternehmen im Film- und Medienbereich natürlich in besonderem Maße zu. Der
fachlichen Kompetenz der verantwortlichen
Personen und Unternehmen kommt eine besondere Bedeutung zu. Im Wissen um die Wichtigkeit dieser Faktoren hat die Mediastream
Zweite Film KG bei der Auswahl der verantwortlichen Personen und jeweiligen Vertragspartner
besonderes Augenmerk auf deren Expertise
und Kompetenz gelegt“
Auf Seite 74 des Prospektes heißt es:
„Schlüsselpersonen und Vertragspartner
[...]
Im Wissen um die Wichtigkeit dieser Faktoren
hat die Mediastream Zweite Film KG bei der
Auswahl der verantwortlichen Personen besonderes Augenmerk auf deren Expertise und
Kompetenz gelegt. Für den Produktionsbereich
zeichnet Uwe Schott verantwortlich. Der kaufmännische und Vertriebsbereich wird verantwortlich von Herrn Rolf Engelhardt gemeinsam
mit Herrn Christian Middelberg vertreten.“
Dem Prospekt ist ferner zu entnehmen (Seite
28 ff.), dass die Verträge zum Erwerb der
Stoffrechte, die Produktionsdienstleistungsverträge und die Fertigstellungsgarantieverträge am 13. und 26. März 2001 abgeschlossen wurden. Verkäufer der Stoffrechte war
Universal Pictures.
Nirgends im Prospekt findet sich ein Hinweis
auf Verflechtungen zwischen Universal-Unternehmen und dem Fonds oder Unternehmen der Ideenkapital-Gruppe. Tatsächlich
bestanden solche Verflechtungen jedoch.
12
Die Fondsgesellschaft beginnt mit dem
13. März 2003, also dem Tag, an dem die drei
maßgeblichen Verträge für „The Truth about
Charlie“ abgeschlossen wurden. Komplementärin ist die Giselle 2001 Vermögensverwaltung GmbH, Kommanditistin die Frederike
2001 Vermögensverwaltungs GmbH.
Die Komplementärin Giselle 2001 Vermögensverwaltung GmbH wird am 8. Februar
2001 gegründet. Alleiniger geschäftsführender Gesellschafter ist Rechtsanwalt Markus
Kloss. Gegenstand des Unternehmens bei
Gründung ist die Verwaltung eigenen Vermögens.
Rechtsanwalt Markus Kloss ist ferner Gründer und alleiniger geschäftsführender Gesellschafter der Kommanditistin des Fonds,
der Frederike 2001 Vermögensverwaltungs
GmbH.
Am 13. März 2001 überträgt Markus Kloss die
Gesellschaftsanteile an der Komplementärin
und an der Kommanditistin auf Universal Pictures Limited, also auf die Stoffrechteverkäuferin.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 13. März
2001 wird die Satzung der Komplementärin
geändert, und zwar im Hinblick auf das Tätigwerden im Filmgeschäft. Markus Kloss wird
als Geschäftsführer abbestellt und Michael
Brodie, Marc Palotay und Uwe Schott werden
zu Geschäftsführern bestellt. In derselben
Urkunde wird Markus Kloss als Geschäftsführer der Kommanditistin abberufen. Zu Geschäftsführern der Kommanditistin werden
ebenfalls Michael Brodie und Marc Palotay
bestellt.
Ab dem 13. März 2001 ist die alleinige Gesellschafterin der Komplementärin sowie der
Kommanditistin die Universal Pictures Limited. Die Geschäftsführer sind jeweils zu zweit
vertretungsberechtigt, so dass beide Gesellschaften, aus denen der Fonds sich zusammensetzt, von Michael Brodie und Marc Palotay beherrscht werden.
Michael Brodie war zu diesem Zeitpunkt
gleichzeitig Director der Universal Pictures
Limited. Marc Palotay ist President der Movie
Mogul Productions, Inc., der Firma, mit der
am 26. März 2001 der Produktionsdienstleistungsvertrag über „Big Fat Liar“ abgeschlossen wurde.
Erst mit dem Vertrag vom 18. Mai 2001 werden die Gesellschaftsanteile an der Komplementärin ein weiteres Mal verkauft und die
Firma der Komplementärin geändert in Me-
diastream Zweite Film GmbH. Die bisherigen
Geschäftsführer Palotay und Brodie werden
abberufen, neue Geschäftsführer neben Uwe
Schott werden Rolf Engelhardt und Christian
Middelberg.
Über Verflechtungen zwischen Gesellschaftern und am Projekt beteiligten Unternehmen
müssen die Anleger nach ständiger Rechtsprechung aufgeklärt werden (z. B. BGH vom
7.4.2003 – Az: II ZR 160/02). Der Prospekt verschweigt, dass die Unternehmen der Universal die maßgeblichen Verträge praktisch mit
sich selbst schlossen und dass die handelnden Personen auf Seiten der Initiatoren auf
die Verträge über den Erwerb der Stoffrechte,
die Fertigstellungsgarantie und vor allem die
Produktionsdienstleistungen keinerlei Einfluss nehmen konnten. Wären die Fondsinitiatoren nicht in das Geschäft eingestiegen und
hätten sie die Anteile an der Fondsgesellschaft, ihrer Komplementärin und ihrer Kommanditistin nicht übernommen, hätte Universal die Filme genauso produziert; sie hatte
mit der Produktion auch bereits begonnen.
Die Verflechtungen wären lediglich aus einem einzigen Grund nicht zu prospektieren
gewesen: Sofern der Fonds tatsächlich gar
keine Filme produzieren und die Verträge nur
aus steuerlichen Gründen zum Schein abschließen sollte, kam es auf den Inhalt dieser
Verträge nicht an. Sie mussten nur den Fonds
als Hersteller ausweisen, der Rest war bedeutungslos. Von Bedeutung waren dann lediglich die danach abgeschlossenen Vereinbarungen, in denen der Zahlungsablauf
geregelt wurde.
2.2Risiko der Aberkennung der Herstellereigenschaft
Das Risiko, das die Herstellereigenschaft des
Fonds nicht anerkannt wird und damit das
steuerliche Konzept scheitert, war von Anfang an aufgrund der bei Abschluss wesentlicher Verträge bestehenden Verflechtungen
weitaus größer als prospektiert.
Die Herstellereigenschaft des Fonds war bereits von Anfang an dadurch in Frage gestellt,
dass bei Abschluss der wesentlichen Verträge die Fondsgesellschaft unmittelbar bzw.
mittelbar durch mit den Produktionsdienstleistern verbundene Personen und Unternehmen beherrscht wurde. Bei Prospektherausgabe war branchenbekannt, dass eine solche
Konstellation ein erhebliches Risiko in sich
birgt. Das ergibt sich aus einem Memorandum zu den wesentlichen steuerlichen Risiken im Zusammenhang mit Filmfonds von
der Rechtsanwaltskanzlei Nörr Stiefenhofer
Lutz, das bei Prospektherausgabe bereits
vorlag und von dessen Kenntnis innerhalb
der Branche wir ausgehen. Darüber hinaus
ist davon auszugehen, dass auch alle anderen
renommierten Beratungsgesellschaften, die
von den Initiatoren zur Konzeption der Fonds
herangezogen wurden, zu vergleichbaren Erkenntnissen gelangt sind.
Wie oben erläutert lagen die Gesellschaftsanteile der Gründungskommanditistin ebenso wie die Gesellschaftsanteile der bei Abschluss der Verträge tätigen Komplementärin
zu 100 % in den Händen von Universal Pictures. Die als Produktionsdienstleister prospektierten Unternehmen gehören demselben
Konzern an. Der Geschäftsführer der Komplementärin wie der Kommanditistin Marc
Palotay war gleichzeitig President der als
Produktionsdienstleisterin
vorgesehenen
Movie Mogul Productions, Inc., der Geschäftsführer Michael Brodie Director des Stoffrechteverkäufers. Bei Abschluss der Produktionsdienstleistungsverträge und der Verträge
zum Stoffrechteerwerb wurde der Fonds von
Personen und Unternehmen beherrscht, mit
denen er die Verträge abschloss.
Der Prospekt verschweigt, dass eine solche
beherrschende Einflussnahme bei Abschluss
der Verträge vorlag und dass daraus ein erheblich erhöhtes steuerliches Risiko resultiert.
3. Unrealistische Angaben zur Erzielbarkeit der variablen Erlöse
Die im Prospekt dargestellten variablen Erlöse waren nach unseren Recherchen von vornherein unrealistisch. Sie hätten nur erzielt
werden können, wenn die Filme weit überdurchschnittlich erfolgreich hätten vermarktet werden können. Der Prospekt klärt ferner
nicht darüber auf, dass die von den Erlösen
zunächst in Abzug zu bringenden Kosten weit
höher als die Produktionskosten sein können.
Der Prospekt informiert auf den Seiten 31
und 32 darüber, welche Kosten von den Einspielergebnissen zunächst für Erlösbeteiligungen Dritter, Gewerkschaftseinnahmen,
Werbung, Marketing und sonstige Vertriebskosten von den Nettoerlösen in Abzug gebracht werden, bevor die Erlösbeteiligung
des Fonds zum Tragen kommt. Nach diesen
Angaben handelt es sich (zunächst) um 10 %
der Bruttoeinnahmen für den Lizenznehmer
und 10 % der Werbe- und Herausbringungskosten für den Lizenznehmer. Die weiteren
Kosten sind ihrer Größenordnung nach nicht
angegeben. Dem Prospektleser ist es nicht
möglich, die Angaben im Prospekt auch nur
13
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen, er
kann sie einfach nur glauben.
3.1 Irreführung über in Abzug zu bringende Kosten
Für den Film „Big Fat Liar“ wurden reine
Herstellungskosten von rd. 20 Mio. Euro (das
entspricht rd. 17,7 Mio. US-Dollar, umgerechnet mit dem bei Prospektherausgabe geltenden Umrechnungskurs) angesetzt (Prospekt
Seite 42). Die von den Bruttoerlösen zunächst
abzuziehenden Kosten für diesen Film beliefen sich nach den Angaben in den Geschäftsberichten des Fonds auf 57,9 Mio. US-Dollar.
Die Vertriebskosten dieses Films betrugen damit mehr als das Dreifache der reinen Herstellungskosten. Die Möglichkeit eines derartigen Missverhältnisses war dem Prospekt
nicht einmal ansatzweise zu entnehmen.
3.2 Irreführung über die Wahrscheinlichkeit variabler Erlöse im Vergleich zu
üblichen Einspielergebnissen
Kalkuliert wurden nach dem Prospekt variable
Erträge (ohne variablen Kaufpreisanteil) in
Höhe von insgesamt 63,7 Mio. Euro für beide
Filme. Auf den Film „Big Fat Liar“ entfällt rechnerisch ein Anteil von rd. 21 %. Damit sollte
dieser Film rd. 17,5 Mio. Euro an variablen
Erlösen einspielen.
Titel
Home Alone (1990)
14
Wie oben bereits ausgeführt musste der Film
zunächst Kosten in Höhe von rd. 57,7 Mio. USDollar bzw. 46 Mio. Euro (umgerechnet per Datum Geschäftsbericht 2003) einspielen, bevor
der Fonds an den Erlösen beteiligt werden
sollte.
Gross USA
Budget
Gross
im Verhältnis
zu Budget
Austin Powers:
International Man of Mystery (1997)
53,90 Mio. $
17,00 Mio. $
3,17
Passenger 57 (1992)
44,10 Mio. $
15,00 Mio. $
2,94
Wag the Dog (1997)
43,00 Mio. $
15,00 Mio. $
2,87
The Nightmare Before Christmas (1993)
50,40 Mio. $
18,00 Mio. $
2,80
Thelma & Louise (1991)
45,40 Mio. $
16,50 Mio. $
2,75
Mo’ Money (1992)
40,20 Mio. $
15,00 Mio. $
2,68
Mighty Morphin Power Rangers:
The Movie (1995)
37,80 Mio. $
15,00 Mio. $
2,52
Teenage Mutant Ninja Turtles III (1993)
42,70 Mio. $
17,00 Mio. $
2,51
10 Things I Hate About You (1999)
38,20 Mio. $
16,00 Mio. $
2,39
The Tigger Movie (2000)
45,50 Mio. $
20,00 Mio. $
2,28
Where the Heart Is (2000)
33,80 Mio. $
15,00 Mio. $
2,25
Darkman (1990)
33,90 Mio. $
16,00 Mio. $
2,12
Private Parts (1997)
41,20 Mio. $
20,00 Mio. $
2,06
Double Impact (1991)
30,10 Mio. $
15,00 Mio. $
2,01
The Object of My Affection (1998)
29,10 Mio. $
15,00 Mio. $
1,94
The Princess Bride (1987)
30,90 Mio. $
16,00 Mio. $
1,93
Bill & Ted’s Bogus Journey (1991)
38,00 Mio. $
20,00 Mio. $
1,90
Grosse Pointe Blank (1997)
28,00 Mio. $
15,00 Mio. $
1,87
Hard Target (1993)
32,50 Mio. $
18,00 Mio. $
1,81
Bio-Dome (1996)
26,80 Mio. $
15,00 Mio. $
1,79
Robin Hood: Men in Tights (1993)
35,70 Mio. $
20,00 Mio. $
1,79
A Night at the Roxbury (1998)
30,30 Mio. $
17,00 Mio. $
1,78
Picture Perfect (1997)
31,10 Mio. $
19,00 Mio. $
1,64
Baby Geniuses (1999)
27,10 Mio. $
18,00 Mio. $
1,51
Spy Hard (1996)
26,90 Mio. $
18,00 Mio. $
1,49
Nowhere to Run (1993)
22,20 Mio. $
15,00 Mio. $
1,48
From Dusk Till Dawn (1996)
25,80 Mio. $
18,00 Mio. $
1,43
A Very Brady Sequel (1996)
21,40 Mio. $
15,00 Mio. $
1,43
19,07
High Fidelity (2000)
27,30 Mio. $
20,00 Mio. $
1,37
Betrayed (1988)
25,80 Mio. $
19,00 Mio. $
1,36
Nach den Erläuterungen im Prospekt auf Seite
30 handelt es sich bei den 17,5 Mio. Euro variabler Erlöse um 30 % der Nettoerlöse. Daraus
folgt, dass 58,3 Mio. Euro an Nettoerlösen insgesamt hätten erzielt werden müssen. Bei Berücksichtigung von Vertriebskosten in Höhe
von 46 Mio. Euro hätte der Film Bruttoerlöse in
Höhe von rd. 104,3 Mio. Euro einspielen müssen, mithin rd. das Fünffache seiner reinen
Herstellungskosten. Dieses Einspielergebnis
war von vornherein unrealistisch bzw. hätte eines weit überdurchschnittlichen Erfolges bedurft.
Der Film „Big Fat Liar“ wird in der internationalen Filmdatenbank IMDb.Pro unter den
­Rubriken „Adventure“, „Comedy“ und „Family“
geführt. In der nachstehenden Übersicht haben wir aus derselben Datenbank alle Filme
der Jahre 1990 bis 2000 aus diesen Genres zusammengestellt (Mehrfachnennungen wer­den
nur einmal berücksichtigt), die mit einem ähnlichen Budget in Höhe von 15 bis 20 Mio. USDollar produziert wurden, und deren Einspielergebnisse ins Verhältnis zum Budget gesetzt:
Gross USA
286,00 Mio. $
Budget
15,00 Mio. $
Gross
im Verhältnis
zu Budget
Titel
Star Wars: Episode V – The Empire Strikes Back
(1980)
290,00 Mio. $
18,00 Mio. $
16,11
Guarding Tess (1994)
27,10 Mio. $
20,00 Mio. $
1,36
Dances with Wolves (1990)
184,00 Mio. $
19,00 Mio. $
9,68
Pure Luck (1991)
22,60 Mio. $
17,00 Mio. $
1,33
Crouching Tiger, Hidden Dragon (2000)
128,00 Mio. $
15,00 Mio. $
8,53
Boys and Girls (2000)
20,60 Mio. $
16,00 Mio. $
1,29
Scary Movie (2000)
157,00 Mio. $
19,00 Mio. $
8,26
F/X2 (1991)
21,10 Mio. $
16,40 Mio. $
1,29
Dumb & Dumber (1994)
127,00 Mio. $
16,00 Mio. $
7,94
The Air Up There (1994)
21,00 Mio. $
17,10 Mio. $
1,23
The Mask (1994)
120,00 Mio. $
18,00 Mio. $
6,67
The Big Lebowski (1998)
17,40 Mio. $
15,00 Mio. $
1,16
Legally Blonde (2001)
95,00 Mio. $
18,00 Mio. $
5,28
Quigley Down Under (1990)
21,40 Mio. $
20,00 Mio. $
1,07
While You Were Sleeping (1995)
81,10 Mio. $
17,00 Mio. $
4,77
To Die For (1995)
21,20 Mio. $
20,00 Mio. $
1,06
Cool Runnings (1993)
68,90 Mio. $
15,00 Mio. $
4,59
Quick Change (1990)
15,30 Mio. $
15,00 Mio. $
1,02
Road Trip (2000)
68,50 Mio. $
15,60 Mio. $
4,39
Vampires (1998)
20,20 Mio. $
20,00 Mio. $
1,01
Waiting to Exhale (1995)
66,20 Mio. $
16,00 Mio. $
4,14
Vampire in Brooklyn (1995)
19,90 Mio. $
20,00 Mio. $
1,00
Mortal Kombat (1995)
70,40 Mio. $
18,00 Mio. $
3,91
Little Giants (1994)
19,30 Mio. $
20,00 Mio. $
0,97
Free Willy (1993)
77,70 Mio. $
20,00 Mio. $
3,89
Drowning Mona (2000)
15,40 Mio. $
16,00 Mio. $
0,96
Deuce Bigalow: Male Gigolo (1999)
65,50 Mio. $
17,00 Mio. $
3,85
Small Time Crooks (2000)
17,10 Mio. $
18,00 Mio. $
0,95
My Girl (1991)
59,80 Mio. $
16,50 Mio. $
3,62
Kazaam (1996)
18,90 Mio. $
20,00 Mio. $
0,95
Beethoven’s 2nd (1993)
53,40 Mio. $
15,00 Mio. $
3,56
Rushmore (1998)
17,10 Mio. $
20,00 Mio. $
0,86
Bird on a Wire (1990)
71,00 Mio. $
20,00 Mio. $
3,55
Highlander: ­Endgame (2000)
12,80 Mio. $
15,00 Mio. $
0,85
Bad Boys (1995)
65,80 Mio. $
19,00 Mio. $
3,46
Thomas and the Magic Railroad (2000)
15,90 Mio. $
19,00 Mio. $
0,84
The Crow (1994)
50,70 Mio. $
15,00 Mio. $
3,38
Loser (2000)
15,50 Mio. $
20,00 Mio. $
0,78
Varsity Blues (1999)
52,90 Mio. $
16,00 Mio. $
3,31
Leave It to Beaver (1997)
11,60 Mio. $
15,00 Mio. $
0,77
15
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
Titel
Gross USA
Budget
Gross
im Verhältnis
zu Budget
The Muse (1999)
11,60 Mio. $
15,00 Mio. $
0,77
Mr. Destiny (1990)
15,40 Mio. $
20,00 Mio. $
0,77
No Escape (1994)
15,30 Mio. $
20,00 Mio. $
0,77
The Beautician and the Beast (1997)
11,50 Mio. $
16,00 Mio. $
0,72
Excess Baggage (1997)
14,30 Mio. $
20,00 Mio. $
0,72
Home Fries (1998)
10,40 Mio. $
15,00 Mio. $
0,69
The Man Who Knew Too Little (1997)
13,80 Mio. $
20,00 Mio. $
0,69
The Adventures of Elmo in Grouchland (1999)
11,60 Mio. $
17,00 Mio. $
0,68
Bullets Over Broadway (1994)
13,40 Mio. $
20,00 Mio. $
0,67
Rock-A-Doodle (1991)
11,70 Mio. $
18,00 Mio. $
0,65
3 Ninjas Kick Back (1994)
11,80 Mio. $
20,00 Mio. $
0,59
A Little Princess (1995)
10,00 Mio. $
17,00 Mio. $
0,59
Whatever It Takes (2000)
8,74 Mio. $
15,00 Mio. $
0,58
10,60 Mio. $
18,50 Mio. $
0,57
8,28 Mio. $
15,00 Mio. $
0,55
Fear and Loathing in Las Vegas (1998)
The Love Letter (1999)
Stone Cold (1991)
9,29 Mio. $
17,00 Mio. $
0,55
Deconstructing Harry (1997)
10,60 Mio. $
20,00 Mio. $
0,53
The Two Jakes (1990)
10,00 Mio. $
19,00 Mio. $
0,53
Three to Tango (1999)
Das Einspielergebnis in den US-amerikanischen Kinos ist in aller Regel das wesentliche
Einspielergebnis. Es gibt zwar Filme, die in der
Vermarktung außerhalb der USA noch darüber
hinaus wesentliche Erlöse erzielt haben, in aller Regel beträgt das Einspielergebnis in den
USA jedoch mindestens 80 % der Kinoerlöse
weltweit.
Für den Film „Big Fat Liar“ war auch das Einspielergebnis in den US-Kinos das maßgebliche Ergebnis, da der Film darüber hinaus
kaum im Kino vermarktet wurde.
Der Film „Big Fat Liar“ spielte Bruttoerlöse in
Höhe von rd. 48 Mio. US-Dollar in den USA und
damit rd. das 2,7 fache seiner reinen Herstellungskosten ein.
Betrachtet man die oben nach Einspielergebnissen sortierte Tabelle, so fällt ins Auge, dass
die ersten beiden Filme weit überdurchschnittlich erfolgreich und insofern nicht repräsentativ waren. Ermittelt man dennoch das
durchschnittliche Einspielergebnis der 50 erfolgreichsten Filme im Verhältnis zu ihrem
Budget, so erhält man einen Faktor von rd. 3,9.
Der Durchschnitt der übrigen 69 Filme liegt
jedoch weit unterhalb der Herstellungskosten,
nämlich nur bei rd. 0,6.
Der Prospekt informiert nicht darüber, dass
eine Zugrundelegung der 50 erfolgreichsten
Filme eine unangemessene Basis für eine
Prognose darstellte.
4. Zusammenfassung
Die neuen Belege, die wir zum Mediastream II
zusammentragen konnten, sind denen vergleichbar, die wir auch zu Fonds der Hannover
Leasing und der KGAL ermittelt haben. Die in
unserer Partnerkanzlei für die MediastreamFonds zuständige Rechtsanwältin Antje Radtke-Rieger reicht in diesen Tagen den ergänzenden Vortrag nebst Belegen in allen
laufenden Gerichtsverfahren ein. Wir gehen
davon aus, dass sich auch in Sachen Mediastream-Fonds die zuständigen Gerichte der
nunmehr überwiegenden Auffassung des
Oberlandesgerichts München anschließen,
dass die Prospekte nicht vollständig über das
tatsächlich zugrunde liegende Konzept aufge-
10,50 Mio. $
20,00 Mio. $
0,53
Everyone Says I Love You (1996)
9,71 Mio. $
20,00 Mio. $
0,49
Mixed Nuts (1994)
6,80 Mio. $
15,00 Mio. $
0,45
Mighty Aphrodite (1995)
6,70 Mio. $
15,00 Mio. $
0,45
The Legend of the Lone Ranger (1981)
8,00 Mio. $
18,00 Mio. $
0,44
Firestorm (1998)
8,04 Mio. $
19,00 Mio. $
0,42
Jakob the Liar (1999)
4,96 Mio. $
15,00 Mio. $
0,33
Ed Wood (1994)
5,89 Mio. $
18,00 Mio. $
0,33
Duets (2000)
4,73 Mio. $
15,00 Mio. $
0,32
Where the Money Is (2000)
5,66 Mio. $
18,00 Mio. $
0,31
Jahr
Ist
Prospekt
Istwert in % des Sollwertes
Flawless (1999)
4,49 Mio. $
15,00 Mio. $
0,30
Screamers (1995)
5,78 Mio. $
20,00 Mio. $
0,29
2003
1.000.000 E
9.850.367 E
10,15 %
Detroit Rock City (1999)
4,19 Mio. $
15,00 Mio. $
0,28
2004
1.204.211 E
1.847.330 E
65,19 %
Let It Ride (1989)
4,97 Mio. $
18,00 Mio. $
0,28
2005
2.075.210 E
2.368.660 E
87,61 %
Big Bully (1996)
4,08 Mio. $
15,00 Mio. $
0,27
2006
884.000 E
1.647.295 E
53,66 %
The Pest (1997)
3,51 Mio. $
17,00 Mio. $
0,21
2007
363.000 E
184.940 E
196,28 %
Idle Hands (1999)
4,00 Mio. $
20,00 Mio. $
0,20
2008
83.000 E
709.692 E
11,70 %
Carpool (1996)
3,31 Mio. $
17,00 Mio. $
0,19
2009
255.000 E
747.328 E
34,12 %
350.000 E
175.355 E
199,59 %
6.214.421 E
17.530.967 E
35,45 %
Der Film liegt damit bereits weit über dem
Durchschnitt der vergleichbaren Filme der
zehn Jahre zuvor. Dennoch hat er nur rund ein
Drittel der prospektierten variablen Einnahmen erzielt (Ist-Zahlen aus den Geschäftsberichten des Fonds):
A Smile Like Yours (1997)
3,25 Mio. $
18,00 Mio. $
0,18
2010
Naked Lunch (1991)
2,54 Mio. $
16,00 Mio. $
0,16
gesamt
Crazy in Alabama (1999)
1,95 Mio. $
15,00 Mio. $
0,13
The Nutcracker (1993)
2,12 Mio. $
19,00 Mio. $
0,11
Tarzan and the Lost City (1998)
2,15 Mio. $
20,00 Mio. $
0,11
Steel (1997)
1,69 Mio. $
16,00 Mio. $
0,11
Goodbye Lover (1998)
1,92 Mio. $
20,00 Mio. $
0,10
Josh and S.A.M. (1993)
1,53 Mio. $
18,00 Mio. $
0,09
The City of Lost Children (1995)
1,51 Mio. $
18,00 Mio. $
0,08
Rapa Nui (1994)
0,31 Mio. $
20,00 Mio. $
0,02
Company Man (2000)
0,15 Mio. $
16,00 Mio. $
0,01
Arizona Dream (1993)
0,11 Mio. $
19,00 Mio. $
0,01
3.982,27 Mio. $
2.093,60 Mio. $
1,92
gesamt
16
Durchschnittlich ergibt sich ein Einspielergebnis in Höhe des 1,9 fachen der Herstellungskosten. Nach Abzug der Verleihgebühren, die
in der Regel rd. 50 % der Kinoerlöse betragen,
haben die Filme in den US-amerikanischen Kinos durchschnittlich gerade ihre Herstellungskosten eingespielt.
Der Prospekt führt auf Seite 50 aus, dass der
Prognose die 50 erfolgreichsten Filme aus
vergleichbaren Genres zugrunde gelegt wurden. Der Prospekt informiert nicht darüber,
dass die 50 erfolgreichsten Filme jedoch keine
marktüblichen Einspielergebnisse darstellen.
klärt und wesentliche steuerliche sowie wirtschaftliche Risiken verschwiegen haben. Insofern gehen wir auch davon aus, dass auch
Ideenkapital in absehbarer Zeit für Vergleichsverhandlungen bereit sind wird.
17
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Alexander Temiz
Widerruf eines Darlehensvertrages
Richtig Belehren will gelernt sein! Oder: wie mache ich es richtig...
Diese Frage hätte sich so manche Bank vor
Abschluss eines Darlehensvertrages mit ihrem Kunden stellen sollen. Denn viele Widerrufsbelehrungen sind fehlerhaft. Die Konsequenz: Selbst nach mehreren Jahren kann
der Verbraucher den Darlehensvertrag noch
immer widerrufen.
Alexander Temiz
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Alexander Temiz
wurde 1979 in Berlin geboren.
Das Studium der Rechtswissenschaften
absolvierte er an der Freien Universität zu
Berlin, das Referendariat am
Kammergericht. Seine juristische Tätigkeit
begann er in den Jahren 2007 bis 2009 in
O
b der Kauf der eigenen vier Wände, der
Kauf eines Autos, eine Fondsbeteiligung
oder sogar beim Abschluss einer Lebensversicherung: Darlehensverträge spielen bei
vielen Verträgen eine große Rolle. Was die
meisten Verbraucher wissen: Darlehensverträge lassen sich innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Doch nach Ablauf dieser Frist lässt
sich nichts mehr machen. So zumindest der
Idealfall, bzw. die Wunschvorstellung, aus
Sicht der Banken.
einer Berliner Wirtschaftskanzlei.
Seit 2010 ist er in der Kanzlei Schirp
Schmidt-Morsbach Neusel als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
Bank- und Kapitalmarkt- sowie
Versicherungsrecht tätig.
18
Die Realität sieht aber ganz anders aus. Viele
Darlehensverträge lassen sich auch noch
nach Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist
widerrufen, da überhaupt nicht über das Widerrufsrecht belehrt wurde (ein mögliches
Szenario, wenn auch eher selten) oder aber
zwar belehrt wurde, die Widerrufsbelehrung
allerdings fehlerhaft ist (das wahrscheinlichste Szenario). Es ist kaum zu glauben, wie
viele Widerrufsbelehrungen in Verbraucherkreditverträgen Mängel enthalten. Dabei
wird gerade in Deutschland das Thema Verbraucherschutz groß geschrieben. Fragen
der ordnungsgemäßen Belehrung über das
Widerrufsrecht beschäftigen regelmäßig die
Gerichte. Grund hierfür sind die sehr strengen und teilweise unübersichtlichen formellen wie inhaltlichen Anforderungen an die
Wirksamkeit einer solchen Belehrung. Hinzu
kommt, dass die in der BGB-Informationspflicht-Verordnung enthaltene Musterbelehrung in der bis zum 31. März 2008 gültigen
Fassung ihrerseits nicht ordnungsgemäß
und damit selbst der Gesetzgeber anscheinend nicht in der Lage war, seinen eigenen
Anforderungen zu genügen. Ganz zum Leid
der Darlehensgeber. Verbraucher hingegen
können hiervon oft profitieren. Interessant
wird der Widerruf immer dann, wenn zwischen dem finanzierten Geschäft (z. B. einer
Fondsbeteiligung) und dem Darlehensvertrag ein sogenanntes verbundenes Geschäft
vorliegt. Denn in diesem Fall kann sich der
Verbraucher nicht nur vom Darlehensvertrag
lösen, er löst sich automatisch auch von seiner (womöglich verlustreichen) Fondsbeteiligung. Doch nicht nur das: Der Verbraucher
erhält alles, was er bereits gezahlt hat, ob Eigenkapital oder Zinsen, von der Bank wieder
zurück.
Nur eines vorweg: Der Widerruf des Darlehensvertrages macht nur dann Sinn, wenn
ein verbundenes Geschäft vorliegt. Denn nur
dann ist man den Darlehensvertrag los,
überträgt gleichzeitig die Fondsbeteiligung
auf die Bank und erhält die geleisteten Zahlungen zurück. Wann ein solches verbundenes Geschäft vorliegt, wird später noch Gegenstand des Artikels sein. Liegt kein
verbundenes Geschäft vor, so ist dem Verbraucher, der sich von der verlustreichen
Fondsbeteiligung lösen möchte, wenig geholfen. Er ist zwar den Darlehensvertrag los,
behält aber die Fondsbeteiligung und muss
(was u. U. noch schlimmer sein kann) der
Bank das Darlehen sofort zurückzahlen. Im
Falle des verbundenen Geschäftes ist zwar
die Rückzahlung des Darlehens auch die
konsequente Rechtsfolge. Doch kann der
Verbraucher der Bank entgegenhalten, dass
er das Geld für das finanzierte Geschäft ausgegeben hat. Der Gesetzgeber räumt ihm die
Möglichkeit ein, stattdessen das finanzierte
Geschäft (hier: z. B. die Fondsbeteiligung) auf
die Bank zu übertragen.
I. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung
Damit der Verbraucher auch viele Jahre nach
Abschluss des Darlehensvertrages widerrufen kann, muss die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sein. Die Varianten sind hierbei zahlreich und es würde den Rahmen sprengen,
sämtliche Fehler hier zu besprechen. Daher
beschränken wir uns auf die häufigsten.
1. Deutlichkeitsgebot
Der Gesetzgeber stellt in § 360 BGB klar,
dass die Widerrufsbelehrung deutlich gestal-
tet sein muss. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof muss eine
Widerrufsbelehrung
• umfassend
• unmissverständlich und
• für den Verbraucher eindeutig
sein. Der Verbraucher soll nicht nur von seinem Recht Kenntnis erlangen, sondern auch
in der Lage sein, sein Widerrufsrecht auszuüben. Das ist nur dann möglich, wenn er über
den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig informiert wird. Und gerade die Aufklärung
hinsichtlich der Frist ist das häufigste Thema, mit welchem die Gerichte sich auseinandersetzen müssen. In vielen Widerrufsbelehrungen heißt es zum Fristenbeginn:
„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser
Belehrung.“
An sich aus gutem Grund, denn diese Formulierung entsprach lange Zeit der Musterbelehrung in der BGB-InformationspflichtenVerordnung. Die Banken haben hierauf
vertraut und dieses Muster übernommen.
Was sie aber nicht wussten: Auch diese Belehrung ist nicht frei von Fehlern und entsprach nicht dem Deutlichkeitsgebot des
§ 360 BGB . Der Bundesgerichtshof hat nun
mehrfach entschieden, dass die Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt
dieser Belehrung“, den Verbraucher nicht
richtig über Beginn der Widerrufsfrist belehrt, da sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Der Verbraucher erkennt hierdurch nämlich nicht eindeutig den Beginn der
Frist. Daraus kann er lediglich schließen,
dass die Frist „jetzt oder später“ beginnt, der
tatsächliche Beginn aber unter Umständen
noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Welche Voraussetzungen das sind,
wird dem Verbraucher aber nicht verraten.
Daher geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine solche Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Nicht
zu beanstanden wäre diese Formulierung nur
dann, wenn die Belehrung zusätzlich den Hinweis enthielte, dass die Widerrufsfrist nicht
beginnt, bevor dem Darlehensnehmer eine
Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt worden ist.
Die Banken sagen in aller Regel zu ihrer Verteidigung, wie könne es ihnen angesonnen
werden, schlauer zu sein als der Verordnungsgeber. Schließlich habe man auf die
Musterbelehrung in der BGB-Informationspflichtverordnung vertraut. Diese ging immerhin ebenfalls beim Fristbeginn von der
Formulierung „frühesten“ aus. Das ist insoweit richtig. Die Musterbelehrung enthält in
der Tat exakt diese Formulierung. Es stellt
sich also die Frage, ob sich die Banken dann
auf den Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes berufen können, obwohl gleichermaßen klar ist, dass die Formulierung dem
Deutlichkeitsgebot widerspricht. Die Antwort
lautet:
Es kommt ganz drauf an.
Höchstrichterlich ist jedenfalls geklärt, dass
die Banken sich nicht auf den Vertrauensschutz berufen können, wenn sie von der
Musterbelehrung abweichen. Der Darlehensgeber kann sich jedenfalls nur dann auf die
Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen,
wenn er ein Formular verwendet, das exakt
der Musterbelehrung in der jeweils maßgeblichen Fassung inhaltlich und auch äußerlich
vollständig entspricht. Sobald die Bank also
den Wortlaut des Musters abändert – selbst
wenn es für die Verständlichkeit des Widerrufsrechts unwesentlich ist – kann sie sich
schon von vornherein nicht auf die Schutzwirkung berufen. Die Rechtsprechung begründet
den Wegfall der Schutzwirkung damit, dass
der Darlehensgeber so den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzieht und damit signalisiert, es
käme ihm auf die Schutzwirkung nicht an.
19
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
Doch was ist, wenn die Bank den Text des
Musters wortgleich übernommen hat? Kann
sie sich dann auf eine Schutzwirkung berufen?
Eine grobe
Fehlerhaftigkeit
ist aber in jedem Falle
anzunehmen, wenn
überhaupt nicht über
die Widerrufsfolgen,
also nicht einmal
abstrakt, aufgeklärt
wurde.
Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof – allerdings nicht der Bankensenat
‑ erst mit Urteil vom 15. August 2012 auseinandergesetzt und sie bejaht: Übernimmt der
Darlehensgeber die Musterbelehrung 1:1, so
kann er sich auf den Vertrauensschutz berufen, obwohl diese gleichsam dem Deutlichkeitsgebot widerspricht und damit fehlerhaft
ist. Es ist derzeit noch ungewiss, ob diese
Entscheidung vom Bankensenat des Bundesgerichtshofs geteilt wird. Der Bankensenat konnte diese Frage bisher offen lassen,
da immer Abweichungen vom Muster gefunden wurden. Das Thüringer Oberlandesgericht kam in einer Entscheidung zu einem
anderen Ergebnis. Der Vertrauensschutz der
(fehlerhaften) Musterbelehrung wurde hier –
wir meinen zurecht – verneint. Das Oberlandesgericht begründet seine Auffassung damit, dass „der Verordnungsgeber keine
Ermächtigung zur Abänderung der gesetzlichen Vorgaben des BGB als höherrangiges
Recht“ besitze. Es bleibt abzuwarten, was der
Bankensenat des Bundesgerichtshofs dazu
sagen wird. Bis dahin scheint diese Rechtsfrage nicht abschließend geklärt zu sein.
2. Keine Aufklärung über die Widerrufsfolgen
Ein weiterer nicht selten vorkommender
Fehler in Widerrufsbelehrungen ist die nicht
fehlerfreie Aufklärung über die Widerrufsfolgen. Gerade bei verbundenen Geschäften
kommt dieser Fehler häufig vor, da z. B.
überhaupt nicht über die Folgen bei verbundenen Geschäften aufgeklärt wird oder aber
zwar aufgeklärt wird, aber dafür unzureichend. An dieser Stelle sollte zunächst kurz
erklärt werden, wann ein verbundenes Geschäft vorliegt.
Das verbundene Geschäft liegt immer dann
vor, wenn ein Darlehen aufgenommen wird,
um dann eine Sache zu finanzieren und der
Darlehensvertrag und der Kaufvertrag eine
wirtschaftliche Einheit bilden. Das ist wiederum insbesondere dann der Fall, wenn die
Bank sich bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrages der Mitwirkung
des Verkäufers bedient (hier greift eine gesetzliche Vermutung Zugunsten eines verbundenen Geschäfts.) Das klassische verbundene Geschäft ist also der finanzierte
Kauf, bei dem der Verkäufer auch den Darlehensvertrag vermittelt.
20
Ein verbundenes Geschäft kann aber auch
ohne Eingreifen dieser Vermutung vorliegen,
nämlich u. a. dann, wenn das Darlehen und
der dadurch finanzierte Vertrag aufgrund anderer Umstände eine wirtschaftliche Einheit
bilden. Es ist im Einzelfall für den juristischen Laien leider nicht immer einfach zu
erkennen, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht. Hier bedarf es also im Zweifel einer umfassenden Auswertung des
Sachverhaltes.
Da es gerade für den Verbraucher so schwer
ist zu erkennen, ob in seinem Fall ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, kann
auch dieser Umstand dazu führen, dass die
Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist. Wie bereits eingangs erwähnt, muss über die Widerrufsfolgen aufgeklärt werden. Gerade
deshalb meinen wir, dass auch dieser Umstand zur Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung führen kann. Denn der Verbraucher
weiß in der Regel nicht, ob tatsächlich ein
verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht.
Die Folgen des Widerrufs beim verbundenen
Geschäft sind vereinfacht ausgedrückt, dass
die Wirksamkeit des einen Vertrages mit der
Wirksamkeit des anderen Vertrages steht
und fällt. Soll heißen: Wird der Darlehensvertrag widerrufen, so ist man auch an den
Kaufvertrag nicht mehr gebunden. Der abstrakte Hinweis auf diese Folge soll aber nicht
genügen. Das würde nämlich lediglich einer
allgemeinen Wiedergabe der Rechtlage
gleichkommen. Die Prüfung, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt, wird damit unzulässigerweise dem Verbraucher überlassen. Da
es aber gerade im Einzelfall äußert kompliziert sein kann, festzustellen, ob ein verbundenes Geschäft vorliegt oder nicht, kann ein
solcher abstrakter Hinweis nicht genügen.
Die Bank muss vielmehr im Einzelfall konkret darüber aufklären, ob ein verbundenes
Geschäft vorliegt und sodann über die Folgen
des Widerrufs bei einem solchen Geschäft
aufklären. Leider ist dieser Umstand bisher
noch nicht höchstrichterlich geklärt worden,
so dass man auch sicherlich zugunsten der
Banken vertreten könnte, dass ein solch konkreter Hinweis nicht erforderlich ist. Es bleibt
also abzuwarten, wann der Bundesgerichtshof sich dieser Frage annimmt.
Eine grobe Fehlerhaftigkeit ist aber in jedem
Falle anzunehmen, wenn überhaupt nicht
über die Widerrufsfolgen, also nicht einmal
abstrakt, aufgeklärt wurde. Es kommt häufig
vor, dass die Bank zwar über das Widerrufsrecht aufklärt, nicht dagegen darüber, welche Folge sich beim verbundenen Geschäft
ergibt. Das ist meist dann der Fall, wenn die
Banken selbst irrigerweise davon ausgehen,
dass kein verbundenes Geschäft vorliegt. Das
geht natürlich nicht und wird von der Rechtsprechung auch einheitlich als Fehler in der
Widerrufsbelehrung angesehen.
3. überhaupt keine Belehrung
Nicht selten kommt es vor, dass der Verbraucher von seiner Bank überhaupt nicht aufgeklärt wird, entweder weil es die Bank schlicht
versäumt oder aber der Auffassung ist, sie
sei gar nicht verpflichtet aufzuklären. In einem solchen Fall ist die Rechtslage eindeutig: Der Lauf der Frist beginnt gar nicht und
der Verbraucher kann widerrufen.
Nur: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Viele
Verbraucher vertrauen blind den Inhalten
des Darlehensvertrages und der Widerrufsbelehrung. Ein kritischer Blick in die Darlehensunterlagen könnte sich also womöglich
lohnen. Sollten Sie also eine Fondsbeteiligung haben, die verlustreich läuft und eine
Klage gegen die Initiatoren des Fonds oder
gegen den Vermittler aussichtslos erscheint,
ist noch nicht alles verloren, wenn Sie diese
Beteiligung fremdfinanziert haben: Wenn
sich der Darlehensvertrag widerrufen lässt,
so sind Sie auch über diesen Weg ihren Fonds
los und kommen an Ihr Geld heran.
II. Was ist zu beachten ?
Da viele Banken seit einigen Jahren – insbesondere weil der EuGH und der BGH vieles
klargestellt haben – vermehrt Prozessen
ausgesetzt wurden (und dies auch zukünftig
der Fall sein dürfte), haben diese aus ihren
Fehlern gelernt. Nunmehr versuchen sie,
den Verbrauchern, die bei Abschluss des Vertrages falsch belehrt wurden, (ordnungsgemäße) Nachbelehrungen unterzuschieben.
Sofern diese Nachbelehrungen tatsächlich
den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen, werden hierdurch Fehler der Widerrufsbelehrung geheilt. Daher sollten bei Ihnen die Alarmglocken läuten, sofern Ihnen
die Bank eine neue Widerrufsbelehrung zukommen lässt oder aber Ihnen ein „neues Angebot zu besseren Konditionen“ unterbreiten
möchte. Sie sollten dann umgehend handeln.
Keinesfalls sollten Sie einer Neuvereinbarung zustimmen oder den Erhalt einer Neubelehrung durch Unterschrift quittieren.
III. Fazit
Der Verbraucher kann sich kaum vorstellen,
wie viele Widerrufsbelehrungen nicht den
gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen.
Die Erfahrungen zeigen, dass v. a. Großbanken ihre Widerrufsbelehrungen nicht sorgfältig gestaltet haben. Es ist kaum zu glauben, aber mittelständische Banken und
Kleinbanken scheinen ihre Hausaufgaben
besser gemacht zu haben. Vieles ist bisher
kryptisch gewesen, was man bereits daran
erkennen kann, dass selbst der Verordnungsgeber bis zum 31. März 2008 nicht in
der Lage war, eine ordnungsgemäße Belehrung zu erstellen. Der einzige, der davon profitiert, ist der Verbraucher, der sich durch
den Widerruf nicht nur von seinem Darlehensvertrag lösen kann, sondern zusätzlich
der Bank auch noch die damit finanzierte verlustreiche Fondsbeteiligung oder Schrottimmobilie ans Bein binden kann.
Fazit
Viele Verbraucher
vertrauen blind den
Inhalten des Darle­
hens­vertrages und der
Widerrufs­belehrung.
Ein kritischer Blick in
die Darlehensunter­
lagen könnte sich also
womöglich lohnen...
21
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Dr. Christian Naundorf
Clerical Medical –
Bundesgerichtshof entscheidet zugunsten der Anleger
„M
an wird immer alle Leute einige Zeit
und auch einige Leute alle Zeit zum
Narren halten können, aber niemals alle Leute alle Zeit.“
Dr. Christian Naundorf
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Dr. Christian Naundorf
ist nach Studien an der TU Berlin und den
Universitäten Cambridge (GB) und Bonn
von letzterer zum Dr. rer. nat. (Physik/
Astronomie) promoviert worden.
Hernach studierte er Rechtswissenschaft
und absolvierte das Referendariat im
OLG-Bezirk Köln, zuletzt beim Arzt­
haftungssenat. Nach einer vierjährigen
Tätigkeit im Berliner Justizdienst als
Staatsanwalt und Zivilrichter wechselte er
2006 zu Schirp Schmidt-Morsbach Neusel
Rechtsanwälten und vertritt seither
schwerpunktmäßig geschädigte Kapitalanleger und Versicherungsnehmer, ist aber
auch für zu Unrecht in Anspruch
genommene Berater/Dienstleister sowie in
Bau- und Erbrechtssachen tätig und
begleitet aktiv die Fortentwicklung des
Vor dem Versicherungssenat des Bundesgerichtshofes hat sich die Wahrheit dieser
(wenngleich wohl fälschlich) dem US-Präsidenten Abraham Lincoln zugeschriebenen
schönen Weisheit einmal mehr erwiesen. Am
11. Juli 2012 standen gleich fünf Revisionen in
Verfahren gegen die Clerical Medical Investment Group wegen „Wealthmaster Noble“Policen zur mündlichen Verhandlung in
Karlsruhe an. Es war ein buntes Bild: in zwei
Fällen hatte die Vorinstanz die Klage abgewiesen, so dass der Versicherungsnehmer in
der Angreiferrolle war, in einem Fall wehrte
sich nur der Versicherer gegen seine vorausgegangene Verurteilung; und in zwei Fällen
bekämpften gleich beide Seiten das OLG-Urteil: weil dieses Schadenersatzansprüche
wegen angeblichen Fehlens eines Schadens
jeweils verneint, die ebenfalls verfolgten
Leistungs- (Erfüllungs-)ansprüche dagegen
vorbehaltlos bejaht hatte. Zudem waren die
Fälle verschiedenen „Konzepten“ zuzuordnen.
kollektiven Rechtsschutzes in Deutschland. Als früherer Geschäftsführer eines
mittelständischen Heizung-Klima-SanitärUnternehmens verbindet er das juristische
Handwerk besonders mit kaufmännischwirtschaftlicher Herangehensweise an die
Fallbearbeitung: letztlich zählt kein
abstrakter Prozessgewinn, sondern das
konkrete Endergebnis beim Mandanten.
Den Paukenschlag, den der IV. Zivilsenat noch
am selben Tag setzte, hat man bis London gehört; schon deswegen weil etliche Vorstände
nebst Simultanübersetzern zur Verhandlung
gekommen waren. Die Wirtschaftskanzleien
der Gegenseite reisten mit rd. 60 Anwälten
an; aber Masse macht‘s eben nicht aus: der
BGH
- bejahte in allen Fällen, in denen es darauf
ankam, Pflichtverletzungen bei der Anbahnung der Versicherungsverträge,
- von denen jedenfalls zwei, unabhängig voneinander, nichts mit dem „Drumherum“,
einem Finanzierungs- oder Renten- oder
sonstigen Konzept zu tun haben, sondern
einzig aus dem Vertragswerk der Police
selbst herrühren,
22
- erklärte in den Fällen, in denen es darauf
ankam, den „Vorbehalt der Kassenlage“ für
unbeachtlich: policierte Auszahlungen sind
unabhängig von der Anteilszahl oder Anteilswertentwicklung zu leisten.
- erklärte bereits den Abschluss des Vertrages bzw. der Verträge zu einem Schadensereignis
- und verneinte letztlich den Eintritt von Verjährung, soweit diese Einrede mit der Zusendung der jährlichen Wertmitteilungen /
Informationen über den Vertragsverlauf begründet worden war.
All das tragen wir auch in den von uns geführten Verfahren seit 2009 unentwegt und unverdrossen vor, und seit dem 11. Juli fängt man
auf einmal auch in den unteren Instanzen an,
uns das zu glauben. Es ist zwar, worauf CM
natürlich nicht müde wird hinzuweisen, in allen Fällen noch keine End-Entscheidung ergangen, weil jeweils noch Tatsachenfeststellungen nachzuholen sind, insbesondere zum
genauen Umfang des jeweiligen Schadens.
An die rechtliche Beurteilung des BGH sind
die Untergerichte in jenen fünf Fällen aber
gebunden. Für alle übrigen Fälle besteht eine
formale rechtliche Bindung zwar nicht. Aber
kaum ein Landrichter und noch weniger
Oberlandesrichter werden offen eine vom
BGH abweichende Position vertreten. Insofern dürfte das jetzt der - überfällige - Dammbruch gewesen sein, den der Autor schon im
ASB 3/2011, S. 28, vorhergesagt hat: wenn
Clerical Medical sich jetzt nicht zu akzeptablen Konditionen vergleicht, werden in Bälde
die zusprechenden Urteile in weit höherer
Zahl purzeln als zuvor die abweisenden.
sind hoch, aber die bei Nichtstun drohenden
Verluste sind so dermaßen viel höher und die
Chancen eines Erfolges (einschließlich einer
Kostenerstattung) spätestens jetzt so hoch,
dass wir wirklich niemandem raten können,
untätig zu bleiben bzw. Klageabweisungen
hinzunehmen. Am langen Ende setzt sich
eben doch das durch, was auch dem „Bauchgefühl“ des juristischen Laien entspricht: das,
was CM da auf dem deutschen Markt abgezogen hat, kann einfach nicht sein. So einfach
kann Recht sein ... wenn der BGH es sagt!
Was müssen, was sollten Sie tun?
Wenn Sie einen Clerical-Medical-Vertrag haben, der laufende Auszahlungen vorsieht:
schicken Sie uns Ihren Versicherungsschein
zur Erstprüfung.
Wenn Sie einen Clerical-Medical-Vertrag haben, der in 2009 insgesamt ausbezahlt worden ist (Kündigung; Zeitablauf): schicken Sie
uns sofort Ihren Versicherungsschein, die
Policenbedingungen dazu und das Abrechnungsschreiben über die Schlusszahlung.
Verjährung droht.
Tun Sie das gleiche bei 2010, 2011, 2012 beendeten Verträgen - dort jedoch ohne Hast.
Bei kreditfinanzierten Policen müssen Sie
schnellstens rechnen: ist deren Abschluss
kürzer oder länger als zehn Jahre her - und
zwar taggenau! Im ersteren Fall ist Verjährung noch kein Problem, kann es aber werden
- sind Sie in der Nähe der zehn Jahre, ist
höchste Eile geboten. Auch im letzteren Falle
ist, einzelfallabhängig, vielleicht noch nicht
„alles verloren“; nur muss dann womöglich
eine andere Strategie her. Schildern Sie uns
Ihren Fall vorab am Telefon - und dann sehen
wir weiter.
Wenn Sie natürlich zu den regelmäßigen Lesern des ASB gehören, die bereits früher unserem Rat gefolgt sind, so können wir Sie nur
bitten, uns das bisher geschenkte Vertrauen
auch weiterhin entgegenzubringen und den
Weg mit uns gemeinsam zu einem erfolgreichen Ende zu gehen. Was lange währt, wird
endlich gut.
Mit Stolz und Freude können wir übrigens berichten, dass bisher lediglich zwei Mandanten
„unterwegs aufgegeben“ haben; alle übrigen
Kläger, eine deutlich dreistellige Zahl, haben
dem Gegenwind standgehalten. Man wird
jetzt schon sagen dürfen, dass das letztlich
das einzig Richtige war. Die Kosten waren und
23
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Dr. Wolfgang Schirp
„Bündnis für bezahlbare Wohnungen“
in Berlin – das Ende des Sozia len Wohnungsbaus rächt sich
D
Dr. Wolfgang Schirp
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Dr. Schirp
wurde 1965 in Freiburg/Breisgau geboren.
Er absolvierte das Studium der Rechts­
wissenschaft in Kiel, Göttingen und
Freiburg mit anschließendem Referendariat
in Freiburg und Brüssel. Seit 1994 ist er als
Rechtsanwalt zugelassen.
Veröffentlichungen
Herausgeber und Autor zahlreicher
Veröffentlichungen (z.B. Medienfonds – das
Anlagehandbuch, Geldanlegen – aber
sicher, Vertragshandbuch für die
deutsch-polnische Bauwirtschaft,
Herausgeber; Handbuch der Immobilienwirtschaft, Mitautor; Handbuch der
Umweltberatung, Mitautor/Autor
zahlreicher Fachaufsätze)
ie Mieten in Berlin steigen immer weiter.
Mag das Preisniveau im Bundesvergleich
auch noch moderat sein, in einer armen Stadt
wie Berlin tut der Anstieg trotzdem schon
weh. Jetzt rächt sich, dass der Senat den Sozialen Wohnungsbau zerstört hat. Die Politik
reagiert mit kurzatmigen Aktionen; nun sollen es die städtischen Wohnbauunternehmen
richten. Die juristischen Nachhutgefechte
halten unterdessen immer noch an – dabei
lässt sich in Einzelfällen auch Erfreuliches
vermelden.
Am 04.09.2012 hat der Senat mit großem
Tamtam ein „Bündnis für bezahlbare Wohnungen“ beschlossen. Partner des Bündnisses sind die sechs städtischen Wohnbaugesellschaften (degewo mit 60.812 Wohnungen,
HOWOGE mit 51.410 Wohnungen, GEWOBAG
mit 51.132 Wohnungen, Stadt und Land mit
38.638 Wohnungen, GESOBAU mit 37.176
Wohnungen, WBM mit 28.061 Wohnungen).
Das Bündnis umfasst fünf Eckpunkte: Die sogenannte „Sozialklausel“ besagt, dass die
Nettokaltmiete unterhalb von 30 % des Nettoeinkommens der Mieter bleiben soll; Mieterhöhungen dürfen nicht mehr als 15 % in vier
Jahren betragen; bei Modernisierungen dürfen maximal 9 % der Kosten auf die Mieten
aufgeschlagen werden; innerhalb des SBahn-Ringes muss jede zweite freie Wohnung
an einen Bewerber mit Wohnberechtigungsschein vergeben werden, außerhalb jede dritte; und schließlich wird den städtischen
Wohnbaugesellschaften die Verpflichtung
auferlegt, bis zum Jahre 2016 insgesamt
30.000 Wohnungen neu zu errichten oder zuzukaufen.
Man darf gespannt sein, wie die Halbwertszeit dieser Beschlüsse aussehen wird. Die
Verpflichtungen aus dem „Bündnis“ werden
die städtischen Wohnbaugesellschaften nach
Angaben des Senates mit etwa 98 Mio. Euro
belasten. Experten zweifeln diese Zahl an und
gehen von weitaus höheren Kosten aus. Die
politische Erfahrung in Berlin zeigt, dass alle
paar Jahre panisch nach neuen Geldtöpfen
gesucht wird. Dann geraten immer auch die
städtischen Wohnbaugesellschaften ins
Blickfeld: Sie sollen Mittel beisteuern, um
den allgemeinen Etat stabilisieren zu helfen.
24
Aber auch die städtischen Gesellschaften
kann man nicht unbegrenzt melken. Jeder
Euro, den sie für soziale Wohltaten ausgeben
müssen, kann nicht gleichzeitig dem Landesetat zur Verfügung gestellt werden. Man darf
daher wohl damit rechnen, dass spätestens
bei der nächsten Geldsuch-Runde die jetzt
gefassten Beschlüsse wieder auf den Prüfstand kommen.
Noch gravierender ist, dass die Beschlüsse
das grundlegende Problem nicht angehen:
Die mangelhafte Neubautätigkeit in Berlin.
Seit nunmehr anderthalb Jahrzehnten verharrt die Neubautätigkeit unterhalb desjenigen Niveaus, das für die Bestandserhaltung
gebraucht wird, von einer Schaffung zusätzlicher Flächen ganz zu schweigen. Das Problem ist durch wohlfeile Sozialklauseln nicht
zu lösen, es gäbe vielmehr nur eine Abhilfe:
Bauen! Dafür aber braucht man Kapital. Es
wird nicht einfach sein, in ausreichender
Menge externes Kapital zu finden, nachdem
man die Anleger im Sozialen Wohnungsbau in
tiefste Existenznöte gestoßen hat und auch
mit den Anlegern der LBB- und IBV-Fonds
rücksichtslos umgegangen ist – es gibt verlässlichere Schuldner als das Land Berlin.
Die juristischen Nachhutgefechte in den zusammengebrochenen Fonds des Sozialen
Wohnungsbaus gehen inzwischen weiter –
manchmal gibt es dabei auch Erfreuliches zu
vermelden. So ist es dem AAA in der KarowIota GbR gelungen, eine Lösung zu vermitteln, bei der die Commerzbank AG für die von
ihr geworbenen Anleger den erforderlichen
Sanierungsnachschuss übernommen hat.
Wir haben versucht, mit dieser Einigung als
Muster auch für andere Fonds ähnliche Ergebnisse zu verhandeln (so wie es früher
auch schon einmal in der Ziel 14 GbR gelungen war). Die Entscheidungsprozesse in der
Commerzbank sind für uns aber letztlich undurchschaubar. Wir wissen nicht, warum in
einem Fonds Einigungslösungen gefunden
werden (Karow-Iota, Ziel 14), während in anderen – aus unserer Sicht viel angreifbareren
– Fällen ein rigides „Nein“ zurück kommt (so
etwa in den MHF Academy-Fällen, die nun
durchgeklagt werden müssen). Nun, die
Commerzbank muss selbst wissen, wie sie
ihre Interessen wahrnimmt – wenn wir prozessieren müssen, dann werden wir das mit
aller Energie tun.
Das Land Berlin muss dieweil schmerzlich
erfahren, dass es durch den selbst herbeigeführten Zusammenbruch des Sozialen Wohnungsbaus erheblich größeren Schaden
nimmt, als die „Spar“-Zampanos um Thilo
Sarrazin einstmals berechnet hatten. Wir berichteten bereits in vergangenen ASB-Ausgaben von dem Prozess, den das Land Berlin
gegen den Bund geführt hat. In diesem Prozess hat das Land den Versuch unternommen, Zahlung aus einer Rückbürgschaft zu
erhalten, die der Bund hinsichtlich der öffentlichen Förderung im I. Förderweg ausgereicht hatte. Das Landgericht Berlin hat diese
Klage in I. Instanz abgewiesen. Es hat dem
Land Ansprüche aus den Rückbürgschaften
des Bundes deshalb versagt, weil das Land
Berlin durch die ersatzlose Streichung der
Anschlussförderung am 04.02.2003 den
(Rück-)Bürgschaftsfall selbst herbeigeführt
habe. Das Land Berlin habe somit die Geschäftsgrundlage selbst zum Einsturz gebracht (LG Berlin, U. v. 13.10.2009 – 2 O
217/08). Das Kammergericht hat diese Entscheidung des Landgerichts uneingeschränkt
aufrecht erhalten (KG, U. v. 23.09.2010 – 22 U
196/09), der BGH hat auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Landes Berlin hin genauso entschieden (BGH, B. v. 05.07.2011 – II
ZR 399/10). Das Land ist mit seinem Anspruch also endgültig gescheitert und kann
seinen Schaden nicht auf den Bund abwälzen.
Den gleichen Grundsätzen folgt eine weitere
Entscheidung des Kammergerichts, in der
dieses einem landeseigenen Erbbaurechtsgeber eine Reduktion des Erbbauzinses auferlegt hat, weil der Erbbaurechtsnehmer aufgrund des Wegfalls der Anschlussförderung
zur Zahlung des ursprünglich vereinbaren
Erbbauzinses nicht mehr in der Lage war
(KG, U. v. 23.08.2011 – 4 U 152/08). In anderen
Verfahren versuchen wir, auf Grundlage dieser Rechtsprechung die Ansprüche der IBB
abzuwehren, die diese in zusammengebrochenen Fonds des Sozialen Wohnungsbaus
gegen die Anleger geltend macht. Denn auch
dort ist eine Situation gegeben, in der ein
100 % landeseigenes Unternehmen – die IBB
– Ansprüche gegen Dritte geltend macht, die
nur aufgrund eigener Entscheidungen der
Landesseite problematisch geworden sind. In
diesen Verfahren liegen noch keine Urteile
vor.
Es gilt das Fazit, das wir bereits in früheren
Beiträgen gezogen haben: Auf die Politik ist
in Berlin kein Verlass ‑ immerhin kriegt sie
die Quittung für ihr Verhalten. Auf Hilfe der
Banken braucht man im Sozialen Wohnungsbau auch fast nie zu hoffen. Juristisch ist in
Einzelfällen Hilfe möglich, oft bleibt aber
auch nur der Weg „Sanieren um jeden Preis“.
Wer aber seine Immobilie halten und durch
die Krise bringen konnte, der hat – natürlich
abhängig vom Einzelfall – in absehbarer Zeit
auch wieder ein Investment in Händen, das
im Werte steigen müsste. Bei allen Einzelschritten, die auf diesen unterschiedlichen
Wegen zu gehen sind, wird der AAA seinen
Mitgliedern nach besten Kräften helfen.
25
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Rolf Siburg
Zertifikate –
eine sichere Ge ldanlage?
B
Rolf Siburg
Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Siburg
wurde 1979 in Bremen geboren.
Er absolvierte sein Studium der
is zur aufsehenerregenden Insolvenz der
Investmentbank Lehman Brothers Inc.
waren Zertifikate, die über deutsche Großbanken vertrieben wurden, bei Anlegern jeglicher Couleur sehr beliebt. Sie wurden oft
als sichere Geldanlage verkauft, die anders
als beispielsweise Fest- oder Tagesgelder
neben Sicherheit auch interessante Renditen
versprachen. Risikoaufklärung wurde durch
die Banken in vielen Fällen eher kleingeschrieben.
Rechtswissenschaft an der Freien
Universität Berlin mit anschließenden
Referendariat am Kammergericht Berlin.
Die Seit 2008 ist er als Rechtsanwalt in der
Kanzlei Schirp Schmidt-Morsbach Neusel
tätig. 2012 wurde ihm der Titel Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht
verliehen.
Schmerzhaft mussten dann auch tausende
Anleger in Deutschland erfahren, dass die
Lehman Brothers-Zertifikate, die sich in ihren Depots befanden, seit dem 15.09.2008
und mit Stellung des Insolvenzantrags nach
Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts der Muttergesellschaft Lehman Brothers Inc. nahezu wertlos wurden. Denn mit
der Insolvenz der Lehman Brothers Treasury
Co. B.V., der Herausgeberin der in Deutschland vertriebenen Zertifikate, realisierte sich
das allen Zertifikaten innewohnende sogenannte Emittentenrisiko, auch als Kreditrisiko bezeichnet.
Was sind eigentlich Zertifikate?
Zertifikate sind im rechtlichen Sinne sogenannte Inhaberschuldverschreibungen. Der
Anleger gibt einer Bank (Emittent) mit seinem Geld faktisch ein Darlehen, auf das diese dem Kunden ein Rückzahlungsversprechen macht, dessen Konditionen durch das
Zertifikat im Einzelnen geregelt werden. Die
Einhaltung des Rückzahlungsversprechens
hängt somit zum einen vom Eintritt der vereinbarten Bedingungen und zum anderen
von der Leistungsfähigkeit (Bonität) der
Bank ab, die das Versprechen gegeben hat.
Es besteht hier das sogenannte Emittentenrisiko.
Zertifikate unterliegen, anders als dies bei
Spareinlagen wie Girokontenguthaben, Festgelder, Tagesgeldern o. ä. der Fall ist, nicht
einer Einlagensicherung durch eine Einla-
26
gensicherungseinrichtung. Es findet auch
keine Bildung von Sondervermögen zu Gunsten der Anleger statt, wie bei Anlagen in Investmentfonds. Im Falle einer Bankenpleite,
so wie die der Lehman Brothers Bank, droht
dem Anleger das Risiko des Totalverlustes
seines eingesetzten Geldes. Zertifikate sind
daher in eine hohe Risikoklasse einzustufen.
In der Folge der Insolvenz der Lehman Brothers Bank befassten sich, quer durch die Republik, eine ganze Reihe von Instanzgerichten mit Schadensersatzklagen geschädigter
Anleger. Zumeist stand die Frage im Vordergrund, ob die beratenden Banken auch über
ihre Gewinne, die sie mit dem Vertrieb einnahmen, aufklären mussten. Diese Frage
wurde von den Instanzgerichten unterschiedlich beurteilt. Letztlich entschied jedoch der Bundesgerichtshof in zwei Entscheidungen vom 27.09.2011 (XI ZR 178/10
und 182/10), dass eine Bank über ihre Gewinne in diesem Zusammenhang nicht aufzuklären hat, weil das Gewinnstreben der
Banken in ihrer Rolle als Verkäufer für den
Kunden offensichtlich sei. Damit wurde vielen geschädigten Anlegern der Wind aus den
Segeln genommen, die mit diesem Argument versuchten, über die Gerichte Schadenersatz zu bekommen. Dieses Urteil war
für die Banken ein wichtiger Sieg.
Die Urteile des Bundesgerichtshofs haben
aber auch die Aufklärungspflichten der Banken im Hinblick auf Risiken konkretisiert und
im Ergebnis damit verschärft. Werden nämlich Zertifikate erstmals an den Kunden herangetragen, gehört zwingend zu einer vollständigen Risikodarstellung, dass der
Anleger erkennen kann, dass die Rückzahlung generell von der Bonität der jeweiligen
Emittentin zum Zeitpunkt der Rückzahlbarkeit der Anleihe abhängt. Verletzt die Bank
die Pflicht zur Aufklärung über das Emittentenrisiko, macht sie sich schadensersatzpflichtig und der Kunde bekommt sein eingesetztes Geld zurück.
Gerade weil ein erhebliches Verlustrisiko
eingegangen wird, sind Zertifikate nur für
Anleger geeignet, die eine spekulative Anlageform wählen wollen, also für die Aussicht
auf hohe Zinsen auch entsprechende Risiken
in Kauf nehmen wollen oder für Anleger, die
sich bewusst für den Wechsel zu einer riskanten Anlagestrategie entschieden haben.
Anleger, die ihr Geld beispielsweise zum
Zwecke der Alterssicherung, des nachhaltigen Vermögensaufbaus, der Ausbildungsfinanzierung der Kinder, etc. anlegen wollen
oder aus sonstigen Gründen ein Verlustrisiko
nicht tragen können, darf diese Anlageform
grundsätzlich nicht empfohlen werden.
Exemplarisch soll ein Fall, der vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. (Urteil vom
10.02.2012 – 10 U 21/11) entschieden wurde,
vorgestellt werden. Nachdem das Landgericht Frankfurt a. M. die Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme durch Vernehmung
des Anlageberaters und der Kundin noch abgewiesen hatte, wurde auf die Berufung der
Kundin die Bank zum Schadensersatz verurteilt. Sie musste der Kundin also das eingesetzte Geld nebst Zinsen und Kosten zurückerstatten. Die Bank behauptete, dass die
Kundin risikofreudig gewesen sei, ohne dass
sie ein unterschriebenes Risikoprofil vorlegen konnte, aus dem sich die spekulative
Ausrichtung ergeben hätte. In Rahmen einer
Vermögensverwaltung teilte die Kundin jedoch mit, eine konservative Anlagestrategie
verfolgen zu wollen. Die Bank verteidigte sich
in der Folge damit, dass die Kundin schon vor
der Beratung bereits im erheblichen Umfang
verschiedene DAX-Aktien (zeitweise bis zu
80 %), Aktienfonds, geschlossene Beteilungen und Zertifikate im Depot hatte und sie
daher von einer spekulativen Anlagestrategie ausgehen durfte. Diese Argumentation,
die häufig anzutreffen ist, wenn es um die
Anlageziele der Kunden geht, vermochte das
Oberlandesgericht Frankfurt a. M. nicht zu
überzeugen. Im Gegenteil: Das Oberlandesgericht urteilte, dass eine hohe Aktienquote,
wie sie hier vorlag, für sich genommen nichts
an der Annahme einer konservativen Anlagestrategie ändern würde. Denn wenn eine
Bank derartige Produkte empfiehlt, darf sich
der Kunde darauf verlassen, dass sie der gewollten Anlagestrategie entsprechen, und
nicht umgekehrt, durfte die Bank von der Zusammensetzung des Portfolios auf die Anlagementalität schließen. Allein die von der
hinterlegten Anlagementalität abweichende
Zusammensetzung des Portfolios spricht
nicht für eine tatsächlich höhere Risikobereitschaft. Etwas anderes würde nur dann
gelten, wenn der Kunde explizit mehr Risken
eingehen wollte und die Bank ihn vollumfänglich aufgeklärt hätte.
Es handelt sich zwar um einen Einzelfall,
aber er zeigt, dass insbesondere die Obergerichte seit der Bankenkrise von 2008 ein feineres Gespür dafür bekommen haben, wie
die Banken im Hinblick auf die zu beachtenden Ziele der Kunden zu beraten haben. Uns
sind zahlreiche landgerichtliche Urteile bekannt, in denen die Klagen abgewiesen wurden, weil im Depot vor der Beratung bereits
umfangreiche Aktienwerte vorhanden waren.
Die Landgerichte zogen aufgrund dessen den
(unzulässigen) Rückschluss, dass der Kunde
risikobereit war und ihm deshalb riskante
Produkte empfohlen werden durften. Dem
hat das Oberlandesgericht Frankfurt a. M.
nun eine Absage erteilt. Bleibt zu hoffen,
dass sich diese Rechtsprechung nachhaltig
durchsetzt.
27
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Anne Wenzelewski
- The End oder ein positiver Ausgang in Sachen
KGAL/Alcas Medienfonds
in greifbarer Nähe
I
Anne Wenzelewski
Rechtsanwältin
Ausbildung
Studium der Rechtswissenschaften mit
Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht an der
Freien Universität Berlin. Referendariat
beim Kammergericht Berlin im Bereich
Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht.
Fachanwaltslehrgang im Steuerrecht im
Jahr 2011.
Beruflicher Werdegang:
Seit Oktober 2008 Mitarbeiterin in der
Kanzlei Schirp Schmidt Morsbach Neusel
mit Schwerpunkt Medienfonds.
n den vergangenen Ausgaben des Anlegerschutzbriefes hatten wir wenig Positives
über die anhängigen Klageverfahren der
KGAL/Alcas Fonds zu berichten. Dies ändert
sich mit dieser Ausgabe.
Neben einer positiven Urteilsserie in Sachen
MAT I (Beteiligungsangebot 126) vom Landgericht München, durch die in den jeweiligen
Verfahren die Treuhandkommanditistin sowie
die vermittelnde Bank verurteilt wurden, liegen uns zu den KGAL/Alcas Fonds zahlreiche
positive Hinweisbeschlüsse des Oberlandesgerichts München vor, so dass wir derzeit davon ausgehen, dass das Oberlandesgericht
München in der überwiegenden Anzahl der
Fälle auf der Basis erheblicher Prospektfehler zu Gunsten der Klagepartei entscheiden
wird. Wir konnten in Zusammenarbeit mit
dem Recherche-Team des Aktionsbundes
Aktiver Anlegerschutz e. V. im Laufe des letzten Jahres noch weitere wichtige Beweismittel erlangen, die die Verfahren maßgeblich
beeinflussen dürften.
1. Obsiegende Urteile für Kläger des
MAT I wegen eines Prospektfehlers
Das Landgericht München hat am 9. August
2012 zahlreiche Urteile verkündet, in denen
es den Klagen der Anleger gegen die Treuhandkommanditistin und gegen die jeweils
vermittelnden Banken stattgegeben hat. Das
Landgericht München folgt damit unserem
Vortrag, dass der Prospekt irreführende, widersprüchliche und zum Teil fehlerhafte Darstellungen des Verlustrisikos enthält. Der
Prospekt vermittelt den Anlegern fälschlicherweise den Eindruck, dass für den Fall,
dass die Fondsgesellschaft ausschließlich
die garantierten Lizenzgebühren und die Einmalzahlung erhält, dies nur zu einem Teilverlust in Höhe von 31,2 % der nominellen Kapitaleinlage führen könne, da die garantierten
Mindestlizenzgebühren und die garantierte
Einmalzahlung eine Kapitalrückführung in
Höhe von 73,8 % der nominellen Kapitaleinla28
ge sichern. Eine Risikobegrenzung in dieser
Höhe besteht tatsächlich nicht. Die Treuhandkommanditistin wurde aus Prospekthaftung im weiteren Sinne als aufnehmende Gesellschafterin verurteilt. Die Haftung der
vermittelnden Banken wurde mit der Verletzung des Anlagevermittlungsvertrages begründet. Die vermittelnden Banken hatten
die Anleger nicht auf die fehlerhafte Darstellung des Verlustrisikos im Prospekt hingewiesen, obwohl sie verpflichtet waren, den
Prospekt auf seine Plausibilität hin zu prüfen.
2. Nachweis eines geschlossenen Zahlungskreislaufes
In den Klageverfahren lag der Schwerpunkt
unseres Vortrages von Beginn an auf der
Darstellung des Zahlungskreislaufes der
Schuldübernahmegebühr von der Fondsgesellschaft über den Produktionsdienstleister
und den Lizenznehmer an die schuldübernehmende Bank. Zum Nachweis dieses Zahlungskreislaufes haben wir sogenannte funds
flow memos vorgelegt, die die Zahlungsabwicklung und die Zahlungsreihenfolge sichergestellt haben. Daneben haben wir für
diesen Vortrag zahlreiche Zeugen benannt,
die ausweislich der funds flow memos mit
der Zahlungsabwicklung in den einzelnen
Fonds betraut waren. Diese Beweisantritte
reichten dem Landgericht München bisher
weder zum Nachweis des Zahlungskreislaufes noch für eine Beweisaufnahme aus, weil
in den funds flow memos die Zahlung vom
Produktionsdienstleister an den Lizenznehmer nicht abgebildet wurde.
Von besonderem Gewicht dürfte daher ein
uns seit kurzem vorliegendes bankinternes
Dokument sein, aus dem sich ergibt, dass die
Weiterleitung der Produktionsmittel vom
Produktionsdienstleister an den Lizenznehmer zur Begleichung der Schuldübernahmegebühr Teil des Gesamtkonzeptes war und in
Absprache und Kenntnis der Beteiligten erfolgte.
Darüber hinaus können wir in zahlreichen
Fällen inzwischen nachweisen, dass die Finanzierung der Filme, die angeblich von den
Fonds übernommen worden sein sollte, von
Dritten für sich beansprucht wird. Auch sind
nach uns vorliegenden Unterlagen die prospektierten Auftragsproduzenten vielfach
nicht identisch mit den tatsächlich tätig gewordenen Produzenten.
3. Positive Hinweisbeschlüsse
Oberlandesgericht München
des
In den mündlichen Verhandlungen in zweiter
Instanz vor dem Oberlandesgericht München
im Mai und Juli 2012 zu den Fonds 100, 123,
131, 139, 152 haben die erkennenden Senate
zum Ausdruck gebracht, dass die Ansprüche
der Klageparteien auf Schadensersatz bestehen. Diese Rechtsauffassung haben die
Bankensenate des Oberlandesgerichts München auch in diversen positiven Hinweisbeschlüssen zum Ausdruck gebracht. Diese
Hinweisbeschlüsse ergingen nicht ausschließlich in den Verfahren, in denen bereits
verhandelt wurde, sondern auch zu den weiteren Medienfonds der KGAL/Alcas. Das
Oberlandesgericht München stellt insbesondere darauf ab, dass die gewählte vertragliche Konstruktion besondere steuerlichen
Risiken begründet, so dass die allgemeinen
Hinweise auf die steuerlichen Risiken in den
Prospekten nicht ausreichend seien. Außerdem sei auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der gewählten Konstruktion in den Prospekten nicht hingewiesen worden. Daneben
sei bei einigen Fonds das Verlustrisiko nicht
ausreichend dargestellt. Auch hier spielen
die von uns zwischenzeitlich geführten
Nachweise eine bedeutende Rolle.
che nicht durch den Fortgang der laufenden
Verfahren gestört werden sollen und haben
daher übereinstimmend mit den Beklagtenvertretern in jedem Verfahren einen Antrag
gestellt, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
Außerdem haben wir den Vertretern der Gegenseite zwischenzeitlich eine Mandantenliste übersandt. Auf dieser Liste befinden
sich alle Anleger, die durch die Kanzlei
Schirp Schmidt-Morsbach Neusel in den laufenden Klageverfahren bisher vertreten wurden, wie auch diejenigen, für die wir bisher
außergerichtlich bzw. in einem Güteverfahren tätig geworden sind und deren Ansprüche bisher nicht verjährt sind. Insgesamt
werden durch die Kanzlei rd. 260 Anleger
vertreten, die zusammen Kapital in Höhe von
rd. 77 Millionen Euro an den Fonds halten.
Über die inhaltlichen Details einer möglichen Einigung können wir an dieser Stelle noch - keine Auskünfte geben.
Fazit:
In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob es für die von der Kanzlei Schirp
Schmidt-Morsbach Neusel vertretenen Anleger zu einer Einigung mit der Gegenseite
kommt. Sollten die Vergleichsverhandlungen
scheitern, nehmen wir die Verfahren unverzüglich wieder auf. Doch nach den Entwicklungen der vergangenen Wochen ist ein positiver Ausgang der Verfahren aus unserer
Sicht in greifbarer Nähe.
4. Laufende Vergleichsverhandlungen
Nach den Erörterungen in den mündlichen
Verhandlungen haben die Vertreter der Initiatorin, der Treuhandkommanditistin und der
refinanzierenden/schuldübernehmenden
Banken für alle noch anhängigen Verfahren
ihre Vergleichsbereitschaft erklärt.
Es haben daher im Juli und August erste
konstruktive Gespräche der Parteienvertreter stattgefunden. Dabei ging es zunächst
darum, die strukturellen Fragen eines möglichen Vergleiches mit den wesentlich zu klärenden Punkten zu erörtern. Ein weiteres
Vergleichsgespräch ist für die zweite Septemberhälfte avisiert.
Wir haben uns mit der Gegenseite bereits darauf verständigt, dass die Vergleichsgesprä29
Anlegerschutzbrief 03_2012
Anlegerschutzbrief 03_2012
von Thomas Lippert
Verantwortung, nein danke!
Kurz und Knapp
Von den Wölbern-Fonds hört man zur Zeit
nicht viel Gutes. Der Bericht von der Gesellschafterversammlung des Wölbern Östereich
04 allerdings könnte in die Analen eingehen,
als Offenbarungseid eines Initiators und einer
internationalen Anwaltskanzlei.
D
ie Wölbern Invest KG ging durch die Trennung des Bank- und Fondsgeschäftes aus
dem Bankhaus Wölbern & Co. (AG & Co. KG),
Hamburg hervor und besteht seit Anfang 2007
als eigenständige Gesellschaft der Wölbern
Group. Heinrich Maria Schulte ist seit dem
Jahr 2006 Eigentümer der Wölbern Invest KG.
Auf der Internetseite der Wölbern Invest KG
(www.woelbern-invest.de) heißt es:
„Die Wölbern Invest verfolgt das grundlegende
Ziel sich stets weiterzuentwickeln und mit innovativen Fondskonzepten den Markt zu beschreiten. Dabei sind Nachhaltigkeit, Transparenz und
Sicherheit unser oberstes Gebot. Hierfür steht
das Management sowie das gesamte Wölbern
Invest-Team tagtäglich ein.“
Noch ein wichtiger
Hinweis:
Derzeit befinden
sich die Wölbern-Fonds
Frankreich 05, Holland
71 und Holland 72 im
Vertrieb. Sollten Sie
über eine Zeichnung
nachgedacht haben, so
lassen Sie es vielleicht
besser bleiben.
30
Auf der Gesellschafterversammlung des Wölbern Österreich 04 Fonds (IFÖ Vierte Immobilienfonds für Österreich GmbH & Co. KG) konnte
ich mir selbst einen Eindruck zu Nachhaltigkeit, Transparenz sowie Sicherheit verschaffen. Anleger des Österreich 04 Fonds waren
für Mittwoch, den 15. August 2012 um 9 Uhr
zur Versammlung ihres Fonds nach Berlin geladen. Beginn der Versammlung war um kurz
nach 13 Uhr und somit mit 4-stündiger Verspätung, da das Fondsmanagement sowie die
beauftragen Anwälte der Kanzlei Taylor Wessing aus Hamburg nicht in der Lage waren,
den rd. 100 Anlegern und Bevollmächtigten
ihre Stimmkarten auszuhändigen. Eine Entschuldigung des Wölbern-Inhabers Professor
Heinrich Maria Schulte – Fehlanzeige!
Die Versammlung war zu Beginn mit 44,92 %
(39.526 Stimmen) beschlussfähig. Zu beachten
ist hierbei, dass auf die Hansische Treuhand
AG und die Wölbern Treuhand GmbH 20.590
Stimmen ohne Weisung entfielen.
Mit Wirkung zum 01.09.2006 hat die Wölbern
Treuhand GmbH die Treuhandverwaltungstätigkeiten der Hansischen Treuhand übernommen. Die Wölbern Treuhand GmbH ist im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages
operativ für die Hansische Treuhand AG tätig.
Von einem unabhängigen Treuhänder kann
demnach keine Rede sein. In § 4 Abs. 1 des
Treuhandvertrages heißt es: „Vor Ausübung des
Stimmrechts bei Gesellschafterbeschlüssen der
Kommanditgesellschaft sind von der Treuhänderin die Weisungen der Gesellschafter einzuholen,
in welcher Weise die Treuhänderin ihr Stimmrecht ausüben soll, wenn der Gesellschafter
nicht selbst erscheint. Sofern der Treuhänderin
Weisungen nicht erteilt werden, wird die Treuhänderin sich insoweit der Stimme enthalten.“
Bei allen Tagesordnungspunkten hat sich allerdings die Treuhand über die oben genannte
Regelung hinweggesetzt und im Sinne des
Managements gestimmt und nicht im Interesse der Anleger. Nur so konnten die Tagesordnungspunkte, für die eine einfache Mehrheit
der abgegebenen und vertretenen Stimmen
ausreichte, im Sinne der Wölbern Invest KG
beschlossen bzw. verhindert werden. Unfassbar!
Zentrale Punkte auf der Tagesordnung
waren:
TOP 4: Ausschüttungspraxis
TOP 5: Erarbeitung eines Maßnahmenpaktes
zur Veräußerung bzw. Wandlung der
direkten bzw. indirekten Kommanditbeteiligungen
TOP 8: Vorsorgliche Abwahl der vermeintlichen Beiratsmitglieder, (Neu-)Wahl
von Beiratsmitgliedern
TOP 9: Liquiditätsmanagement-System
Nachdem dem Liquiditätsmanagement-System, d. h. der Bildung einer gemeinsamen GbR
mit anderen Wölbern-Fonds und Vergabe von
Darlehen untereinander (oder anders ausgedrückt: Die guten Fonds helfen zunächst den
schlechten und werden dann selbst zu Sanierungsfällen) auf der letzten Versammlung mit
nur 63,03 % zugestimmt wurde, wollte Wölbern einen erneuten Beschluss hierüber fassen lassen. Der Beschluss bedarf allerdings
einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen
Stimmen. Aufgrund der Stimmverteilung der
anwesenden und vertretenen Anleger reichten
die Treuhandstimmen jedoch nur für die Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, so dass TOP
9 kurzerhand mit der Zustimmung der Treuhandstimmen von der Tagesordnung genommen wurde und die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt vollständig entfiel. Um
20.39 Uhr wurde die Versammlung von Professor Heinrich Maria Schulte geschlossen.
Das Letzte
Wölbern Invest KG
Das Gegenteil von richtig ist auch richtig
Die Bundesregierung plant mal wieder eine Reform. Aufgrund von EU-Vorgaben soll der Markt
für geschlossene Fonds reguliert werden. Vor allem eine Maßnahme ist im Gespräch: Immobilienfonds sollen nicht mehr nur in ein Objekt investieren dürfen. Es sei denn, sie hätten eine Mindestanlagesumme von 50.000 Euro.
Man kann das gut begründen. Man kann überall nachlesen, dass man nicht alle Eier in einen
Korb legen soll. Dass eine unternehmerische Beteiligung nichts für den Kleinsparer ist, versteht
sich auch von selbst.
Aber: Die schlechtesten Fondsprodukte der letzten 20 Jahre (wobei ich die offensichtlich betrügerischen mal weglasse) waren die Fonds der Landesbank Berlin. Riesige Fonds, bis zu einer
Milliarde DM schwer mit bis zu 60 Immobilien im Bestand. Natürlich soll man poolen, aber
wenn der Initiator den Fonds nutzt, um schlechte Immobilien zu entsorgen, dann nutzt die Poolerei nichts. Und man gibt ein Element des geschlossenen Fonds auf, seine Transparenz. Wer
einen Ein-Objekt-Fonds kauft, kann vorher zum Standort fahren und sich die Immobilie oder
Baustelle anschauen. Bei zehn Objekten wird man das kaum mehr machen. Und überdies müssen dann alle Objekte im Prospekt vorgestellt werden – wie dick sollen diese Dinger denn noch
werden?
Wie gesagt, man kann es anders sehen, aber mein Standpunkt ist, wer diversifizieren will, soll
Aktien internationaler Konzerne kaufen. Wer z. B. Nestlé kauft, kauft 500 Fabriken in 86 Ländern,
dutzende Marken, dutzende Währungen – da kann der größte geschlossene Fonds nicht gegen
anstinken. (Man kauft natürlich auch Kinderarbeit, Ausbeutung, politische Einflussnahme, Umweltzerstörung, genetisch veränderte Pflanzen – nur damit mich keiner für naiv hält.) Wer in ein
Objekt investieren möchte, der kauft einen geschlossenen Fonds. Dazu sind die da. Natürlich soll
man diversifizieren, deshalb kauft man eben mehrere Fonds. Dabei wäre die Mindestanlagesumme von 50.000 Euro aber im Weg.
Was ist aber richtig?
Wenn ich vom Ergebnis her denke, muss ich mich fragen, welche Faktoren in den letzten Jahren
zum Scheitern von geschlossenen Fonds geführt haben. Und da muss man leider sagen, dass die
größten ökonomischen Katastrophen am grauen Kapitalmarkt in den letzten Jahren durch Eingriff des Staates zustande kamen:
• Das Land Berlin stellt die Förderung des sozialen Wohnungsbaus ein,
• die Bayerische Finanzverwaltung braucht fast ein Jahrzehnt, bis sie ihre Linie findet, wie die
Medienfonds mit Leasingcharakter zu bewerten sind.
Eine wichtige Reform wäre es also, zuverlässige rechtliche Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen. Da braucht es gar keine neue Behörde, keine Haftungsverschärfung. Einfach nur
ein Steuergesetz, das mal länger als ein Jahr gilt; wenn schon Subventionen, dann dürfen die
nicht eingeschränkt werden, kaum dass sie einer in Anspruch nimmt; eine ernsthafte Strafverfolgung krimineller Marktteilnehmer – das sollte alles selbstverständlich sein.
Ein weiteres Problem ist natürlich gewöhnliche Kriminalität. Kapitalanlagebetrug, Untreue, Insolvenzverschleppung, was kann man nicht alles machen. Hier wäre es erforderlich, dass die
Täter nicht aus dem Knast sofort wieder in den grauen Kapitalmarkt einsteigen können. Ein Berufsverbot wäre die richtige Antwort des Gesetzgebers.
Dann gibt es natürlich auch noch Gier, Inkompetenz, Größenwahn und gewöhnliche Pflichtvergessenheit unterhalb des Niveaus der Kriminalität. Hier hilft nur eines: Die Haftung der Emittenten und Berater und auch der Fondsmanager muss verschärft werden. Der Weg, von diesen Personen immer strengere formale Qualifikationen zu fordern, führt nicht zum Ziel.
Ein MBA schützt nicht davor, einen Fonds so gierig zu konstruieren, dass er bei der kleinsten
Abweichung der Realität vom Konzept schon einen Gesellschafternachschuss braucht.
Es gibt ein simples Konzept, das zu den Grundlagen der bürgerlichen Erziehung gehört: Was du
versprichst, das musst du auch halten. Wenn man das umsetzen würde, wäre hier einige Ordnung
geschaffen. Es ist schier unglaublich, womit man sich bei Haftungsprozessen auseinander setzen muss. Da vertickt eine Bank einen schmuddeligen Medienfonds, dessen Initiator in der Folge
zu sechs Jahren Haft verurteilt wird. Und die Anwälte der Bank tragen vor, der Anleger hätte doch
gar keinen Schaden. Er hätte den Fonds auch gezeichnet, wenn man ihn zutreffend über den
Fonds aufgeklärt hätte, weil er um jeden Preis nur Steuern sparen wollte. Und mit diesem
Schwachsinn wird man vor deutschen Gerichten gehört! Man stelle sich vor, VW liefert einen Golf
ohne Motor und lässt seine Anwälte dann vortragen, der Käufer hätte den Golf auch gekauft,
wenn man ihm vorher gesagt hätte, dass er keinen Motor hat, weil er doch nur auf dem Rücksitz
mit seiner Freundin knutschen wollte. Diesen Prozess würde ich gern führen.
31
Das Letzte
Anlegerschutzbrief 03_2012
Ein weiteres Problem ist, dass die Anleger oft nicht ihre Macht erkennen und nutzen. Geschlossene Fonds sind im Prinzip demokratische Organisationen. Man kann untreue Treuhänder, unfähige Manager, Initiatoren, die sich im Selbstbedienungslagen wähnen, per Mehrheitsbeschluss
vor die Tür setzen.
Und da sind Anleger oft erstaunlich uneinig. Jagdfeld wäre es nicht gelungen, Millionen zu verbrennen, wenn die Anleger ihn und seine Mischpoke frühzeitig abberufen hätten. Man fasst sich
an den Kopf wenn man hört, dass die Anleger der Wölbern-Fonds einer Poolung ihrer Rücklagen
zugestimmt haben. Da hilft auch keine gesetzliche Regelung. Da muss sich etwas in den Köpfen
der Anleger verändern.
Die Leber
Die Leber ist ein besonderes Organ. Ein bekannter Buchtitel sagt, dass sie mit ihren Aufgaben
wachse. Läuse haben die Neigung darüber zu krabbeln und der Boxer freut sich, wenn er einen
Haken hinein applizieren kann – sehr schmerzhaft! Kalbsleber mit gebratenen Apfelringen ist
eines der wenigen genießbaren Gerichte der traditionellen Berliner Küche. Und wie wir alle wissen, kann man Lebern auch ins Ausland verschieben. Da sind sie nämlich gefragt, wenn sie vom
Menschen stammen. Das ist aber in Bayern nicht so schlimm. In Regensburg wird man trotzdem
mit besten Zeugnissen und Empfehlungen verabschiedet, wenn man als Arzt ein paar menschliche Lebern ins Ausland verschiebt und kann dann an der Uniklinik Göttingen fröhlich weiter
machen. Da war ich dann doch ziemlich erstaunt zu erfahren, dass 2009 in Bayern einer Ärztin die
Zulassung entzogen wurde, weil man sie bei einem Ladendiebstahl erwischt hat. Das Verwaltungsgericht meinte, die Ärztin habe sich als unwürdig für den Arztberuf erwiesen. Es war wahrscheinlich keine Leber, die sie geklaut hat. Dann wäre sie vielleicht milder behandelt worden.
Datenschutz
Seine Sammelwut kennt keine Grenze. Täglich speichert es Personen, Orte, Daten. Auch nach
Jahrzehnten bleiben die Daten abrufbar und werden immer aufs neue mit frisch gewonnenen
Erkenntnissen verknüpft. Profile und Bewegungsmuster werden angelegt. Jeder Fehltritt bleibt
für immer. Manuelle Löschung unmöglich. Kein Rechtsweg vorhanden. Jedes menschliche Gehirn verstößt jeden Tag beharrlich gegen primitivste Grundsätze des Datenschutzes.
Aber nicht in unserer Branche. Wenn da ein alter Betrüger, der schon in den 90ern tausende
Anleger mit Seniorenresidenzen um ihr Geld gebracht hat, jetzt Ölexplorationsfonds in Kanada
verkauft, dann erinnert sich komischerweise niemand daran. Fröhlich gehen die Beteiligungen
über den Ladentisch. Und wir dürfen seinen Namen nicht nennen. Warum? Was glauben Sie
denn: Datenschutz.
Einen schönen Herbst wünscht
Ihr
Tibet Neusel
Chefredakteur
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