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Universität Leipzig – Institut für Romanistik Magisterarbeit im Fach Französistik „POUR LINGUA NOSTRU“ - ZUR SPRACHSITUATION AUF KORSIKA Jens Sedlatschek Erste Gutachterin: Zweite Gutachterin: Univ.-Prof. Dr. habil. Sabine Bastian Dr. Sabine Krause Eingereicht am: 10.04.2012 INHALT 1. EINLEITUNG 1.1 1.2 1.3 1.4 Thematik Forschungsstand Leitfragen Aufbau der Arbeit 2. KORSIKA 2.1 Geographie 2.2 Geschichte 2.3 Die korsische Besonderheit 3. FRANKREICH / KORSIKA 3.1 3.2 3.3 3.4 S. 1 S. 1 S. 4 S. 6 S. 7 S. 9 S. 9 S. 12 S. 16 S. 18 Die Französisierung Korsikas korsisch-französische Konflikte Nationalbewusstsein und Identität der Korsen Heutige Problemfelder S. 19 S. 23 S. 25 S. 29 4. DIE SPRACHLANDSCHAFT FRANKREICHS S. 32 4.1 Einordnung unter sprachwissenschaftlichen Aspekten 4.2 Die Sprachlandschaft und ihre Sprachen 4.3 Die Sprachpolitik Frankreichs S. 32 S. 33 S. 37 5. STATUS DES FRANZÖSISCHEN UND KORSISCHEN AUF KORSIKA S. 40 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 Zur Überprüfung eines Sprachstatus Korsisch – Dialekt, Regional- oder Minderheitensprache? Die korsische Sprache Spracherwerb und Sprachvermittlung Sprachverwendung / Sprachgebrauch / Sprachkontakt Sprachsektoren 6. FALLSTUDIE ZUR SPRACHSITUATION AUF KORSIKA 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 Zielsetzung Methodik und Durchführung der empirischen Untersuchung Datenerhebung / Fragenkatalog Resonanz Auswertung der Daten Schlussbemerkungen 7. FAZIT UND AUSBLICK 8. S. 40 S. 42 S. 45 S. 49 S. 54 S. 57 S. 64 S. 64 S. 65 S. 67 S. 69 S. 70 S. 88 S. 91 7.1 Zur Sprachsituation auf Korsika – ein Resultat 7.2 Korsisch, Quo Vadis? S. 91 S. 95 ZUSAMMENFASSUNG S. 100 BIBLIOGRAPHIE ANHANG EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG S. 102 S. 106 S. 120 1. EINLEITUNG 1.1 Thematik „La langue corse entre chien et loup.“ 1 Wenn man nach Korsika reisen möchte, sich bewusst ist, dass auf dieser Insel Französisch und Korsisch gesprochen werden, man aber keine der beiden Sprachen beherrscht oder ansatzweise spricht, ergibt sich für einige die Frage, ob man sich zu Beginn der Reise lieber korsische oder französische Vokabeln aneignen sollte, um in diversen Situationen zurecht zu kommen. Diese Frage kann jedoch klar beantwortet werden: Das französische Vokabular hat Vorrang, diverse Reiseführer bestätigen das. „La Corse habite en France“2. Das Korsische ist eine eigenständige Sprache, jedoch nicht offizielle Sprache. Dennoch hat sich in den letzten Jahren der Status dieser Sprache und dessen Bedeutung immens verschoben, wurde sie doch erst Ende der siebziger Jahre staatlicherseits als eigenständige Sprache anerkannt.3 An der Universität in Corte wird nunmehr der Studiengang Korsisch angeboten4, bilinguale Primärschulen unterrichten sowohl in Französisch, als auch in Korsisch. Etwa ein Drittel der Bevölkerung kommuniziert aktiv auf Korsisch, wenn auch eher im privaten Bereich. Man könnte meinen, die korsische Sprache sei auf den besten Weg, einen offiziellen Status einzunehmen. In der auf Korsika erscheinenden Tageszeitung „Corse-Matin“5 liest man gegenwärtig Zeilen wie „L’officialisation de la langue corse au coeur des débats6“ oder „Je veux 1 Titel einer Monographie Jean-Marie Comitis - Vgl. Comiti, Jean-Marie: La langue corse entre chien et loup. Paris 2005. 2 Ebd., S. 143. 3 Vgl. Bochmann, Klaus: Lebendige Philologie. Leipzig 1999, S. 21. 4 An der Universität Pacal Paoli in Corte werden folgende Studiengänge angeboten: „Licence Langues, Littérature et Civilisation Etrangères et Régionales - Spécialité Langue et Culture Corses“ und der Masterstudiengang „Master Langues et Cultures – Spécialité Langue et Culture Corses”. 5 Derzeit einzige Tageszeitung Korsikas, publiziert in französischer Sprache. 6 Filippi, Laure (2011): „L’officialisation de la langue corse au coeur des débats“ in: CorseMatin 19.10.2011. 1 construire un consensus avec la Corse7“ der PS-Abgeordneten Martine Aubry während ihres Wahlkampfes. Doch genau diese prokorsische Tendenz verneinen einige gebürtige Korsen, „bis zu diesem Tag sei noch ein sehr langer Weg“8. Es steht außer Zweifel, dass die zahlreichen, in den vergangenen Jahrhunderten stattgefundenen Inbesitznahmen Korsikas verschiedenster Ethnien primärer Grund dafür sind, dass das Korsische nie offizielle Sprache wurde. Der Kampf, den die Korsen gegen die Unterwerfung durch andere führten, dauerte über zwei Jahrtausende. […] Kaum eine der führenden Mächte in der wechselvollen Geschichte des Mittelmeerraumes ging an Korsika vorbei. Zu einer völligen Unterwerfung der Insel kam es aber nie. 9 Offen bleibt, ob man die seit 1769 andauernde Zughörigkeit Korsikas zu Frankreich als „Unterwerfung“10 bezeichnen kann oder nicht. Der wohl bekannteste Korse ist Napoléon Bonaparte. Lendi bringt uns das historische Verständnis und „Herumreichen“ Korsikas als „Spielball ihrer Interessenten“11 anhand Napoléons trefflich näher: „Am 15. August 1769 wurde Napoleon Bonaparte in Ajaccio geboren. Wäre er nur ein halbes Jahr früher zur Welt gekommen, so wäre er Italiener gewesen...“.12 Zwar ist Korsika fest an Frankreich angegliedert13, jedoch bezeugen bis heute beispielsweise geographische Ortsbezeichnungen und diverse Familiennamen der Korsen die ebenso vorhandene Verbundenheit zu Genua und Italien bzw. Sardinien und die Toskana. 7 Raffaelli, Jean-Marc (2011): „Martine Aubry: « Je veux construire un consensus avec la Corse »“ in: Corse-Matin 14.10.2011. 8 Zitat aus einem Interview / Gedächtnisprotokoll mit einem Korsen im Rahmen der empirischen Untersuchung. 9 Ortoli, J. B. Frédéric (Hg.): Die Steinsuppe. Volksmärchen und Erzählungen aus Korsika. Leipzig, 1979, S. 6 f. - Die älteste bekannte Bevölkerung sind iberische und keltischligurische Stämme. - Vgl. Bochmann, Klaus: Regional-und Nationalsprachen in Frankreich, Italien und Spanien. Leipzig 1989, S. 67. 10 Siehe Blockzitat auf der gleichen Seite. 11 Vgl. Bochmann 1989, S. 67. 12 Lendi, Martin: Korsika. Ein Paradies im Mittelmeer. <http://www.paradisu.de/korsikareisefuehrer-paradisu.pdf> [17.11.2011] 13 Departements: 2 A (Corse-du-Sud) / 2 B (Haute Corse) 2 Der Kampf um den Erhalt der korsischen Identität und dessen Sprache dauert bis heute an.14 Dazu gehört auch, sich von den Franzosen zu distanzieren. Auf den ersten Blick erkennt man diese Haltung anhand vereinzelter bilingualer Ortsbeschilderungen im Straßenverkehr, auf denen die französische Bezeichnung herausgekratzt und unkenntlich gemacht wurde.15 Kurzum: Aus der Sicht Frankreichs ist Korsika eher eine „unbequeme“ Region.16 Der Spracherwerb beider Sprachen, deren Sprachkontakt, ebenso die Bildungspolitik Korsikas verändert sich. Daraus resultieren neue Problemfelder im Umgang mit der korsischen Sprache, beispielsweise in dessen Purismus.17 Spannungsfelder ergeben sich bei der Auseinandersetzung mit den hiesigen Medien und dessen Sprachverwendung. Diese zeigen es sich auch im Umgang mit dem Daseinsbegriff „korsischen Sprache“: Im Fall des Korsischen wird sowohl der Begriff Regionalsprache als auch der Begriff Minderheitensprache im Zusammenhang mit der Situierung des Korsischen in Frankreich verwandt. […] Diese Minderheitensprachen [sind] in Frankreich nicht als Amtssprachen anerkannt. […] Viele Korsen wollen nicht zulassen, dass ihre Sprache abgewertet wird, weder durch den Zusatz „Regional-“ noch durch den Zusatz „Minderheiten-“ an das Wort „Sprache“, wenn vom Korsischen die Rede ist.18 Korsika ist offiziell französischsprachig, so will es die Verfassung. Jedoch nur „offiziell“, wie wir es bereits an einigen Beispielen gesehen haben. So bleiben Fragen zu klären, wie es sich mit der momentanen Sprachsituation genauer verhält, inwieweit das Korsische im übertragenen Sinn „Wolf“ oder „Hund“ darstellt und wie es sich Richtung Abenddämmerung begibt, um das Eingangszitat erneut (wortwörtlich) aufzugreifen.19 Die offizielle Anerkennung der korsischen Sprache in den siebziger Jahren sieht Arrighi als 14 Vergleichende Konflikträume Europas sind beispielsweise das Baskenland (BaskischFranzösisch) oder Katalonien (Katalanisch-Spanisch), wobei hier das Katalanische, neben dem Aranesischen und Spanisch, bereits Amtssprache ist. 15 Ortsnamen sind vereinzelt bilingual, zuerst auf Französisch, anschließend auf Korsisch ausgeschildert. 16 Fabellini, Simona: Sprachkonkurrenz auf Korsika vom 19. zum 20. Jahrhundert. Regensburg 2009, S. 17. 17 Gemeint sind hier u. a. Abgrenzungen wie „Korsisch-Französisch“ oder „KorsischItalienisch“. 18 Farrenkopf, Ulrich: Die Entwicklung des Korsischen zur modernen Kultursprache. Eine Fallstudie zu Sprachausbau und Sprachpolitik. Bonn 2011, S. 55. 19 Der Ausdruck „entre chien et loup“ bedeutet sinngemäß „in der Abenddämmerung“. 3 „Renaissance“20. Hingegen sieht Comiti die sprachliche Stellung des Korsischen mit Besorgnis. Er stellt eine „Agonie einer Sprache“ in Aussicht, die „niemand sterben sehen möchte“.21 Letztendlich rückt das Bedürfnis nach bisherigen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen und Betrachtungen zum Status beider Sprachen in den Mittelpunkt dieser Arbeit, einhergehend mit der Frage, welche Sprache situativ dominiert. Um dies zu realisieren, bedarf es einer präzisen Betrachtung der hier einführend genannten Problematiken. Gestützt wird diese Analyse durch eine empirische Untersuchung. 1.2 Forschungsstand Monographien oder Artikel, die den bisherigen wissenschaftlichen Forschungsstand genannter Thematik teils chronologisch oder interdisziplinär im Überblick repräsentieren, findet man kaum. Gerade bei der Auswahl an aktuellen deutschen Publikationen kann man sich nur größtenteils auf Dissertationen beschränken, die einen knappen Querschnitt an bisheriger wissenschaftlicher Ausarbeitung mit dem Thema darbieten: Sobotta22 fokussiert hierbei die bisherige politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema, Farrenkopf 23 rückt bei seiner Betrachtung die Sprachpolitik und den Sprachausbau Korsikas in den Mittelpunkt und legt dabei den Fokus auf die korsische Sprache. Eben genannte Dissertation ist zugleich die aktuellste Veröffentlichung24, die sich mit der Problematik der korsischen Sprache auseinandersetzt. Wie diese vorliegende Arbeit umfasst Farrenkopfs Ausarbeitung ebenso eine Fallstudie, wenngleich diese weit ausführlicher angelegt ist. Zwei Jahre zuvor erschien 20 Arrighi, Jean-Marie: Histoire de la langue corse. Paris 2002, S. 73. Wörtlich heißt es: „D’une manière ou d’une autre chacun participe à un phénomène qui le concerne et le dépasse à la fois: l’agonie d’une lange que personne ne veut voir mourir.“ – Comiti 2005, S. 13. 22 Vgl. Sobotta, Elissa: Autonomie im zentralistischen Frankreich – der Fall Korsika. München 2003, S. 9. 23 Vgl. Farrenkopf 2011. 24 Stand: November 2011 21 4 von Fabellini25 eine Publikation, die sich eher in Form einer vergleichenden Untersuchung der Sprachsituation Korsikas nähert. Wenn von sprachwissenschaftlichen Studien der Insel Korsika gesprochen wird, sind Hans Goebl und Klaus Bochmann die am häufigsten zitierten deutschsprachigen Autoren.26 Beide nähern sich dem Thema „Korsika“ aus soziolinguistischer Sicht. Betrachtet man die Auswahl an wissenschaftlichen Texten zu diesem Thema insgesamt, wird schnell deutlich, das die umfangreichsten Ausarbeitungen zur korsischen Soziolinguistik vor allem von Sprachwissenschaftlern Korsikas selbst stammen, die sich mit ihrer eigenen Sprache aktiv auseinandersetzen. Dessen Texte werden dementsprechend sehr häufig von Dritten herangezogen. Wichtige Vertreter dieser korsischen Sprachforscher sind Jean Chioboli, Jean-Marie Comiti, Jacques Thiers und Jean-Baptiste Marcellesi. Bis auf Marcellesi lehrten alle an der Université Paoli in Corte auf Korsika. Diese Linguisten schufen Ende der 80er Jahre unter Leitung von Marcellesi den Begriff der „Langue polynomique“, einen sprachnormativen Diskurs in Abkehr zum französischen Normverständnis.27 Dieser Terminus wird einhergehend bei der sprachlichen Auseinandersetzung des Korsischen gebraucht. Desweiteren wurden Sprachatlanten zum Korsischen veröffentlicht und diverse dialektometrische Studien durchgeführt und veröffentlicht.28 Die Hodonymie Korsikas untersucht Chiodi-Tischer29 im Hinblick auf die Straßennamen Korsikas. Sie ermöglicht so eine etwas andere Sicht auf die sprachpolitische Genese der Insel. Trotz des vielseitigen Informationsangebotes zur Lage Korsikas, sei es aus soziolinguistischer, historischer oder sprachpolitischer Sicht muss dennoch 25 Vgl. Fabellini 2009. Vgl. Farrenkopf 2011, S. 22. – Desweiteren werden häufig Texte von Heinz Kloss zitiert, der u. a. die Begriffe „Ausbausprache“, „Dachsprache“ und „Abstandsprache“ geprägt haben soll. Er befasste sich im Besonderen mit Sprachminderheiten. 27 Vgl. Jerger, Christian: Lexikografie und Korpusplanung - Die Wörterbücher des Korsischen. Tübingen 2004, S. 56 f. – siehe Punkt 5.3 dieser Arbeit. 28 Bis heute erscheint u. a. der „Nouvel atlas linguistique et ethnographique de la Corse“ von Marie-José Dalbera-Stefanaggi in aktualisierenden Auflagen. Zur Sprachverwendung verschiedener Domänen, Sprecherzahlen, etc. werden ebenfalls oft Daten der I.N.S.E.E. (Institut national de la statistique et des études économiques – Vgl. http://www.insee.fr/fr/) herangezogen und zitiert. Leider gab es in den letzten Jahren in Bezug auf einen korsischfranzösisch linguistischen Vergleich keine aktuelle Erhebung. – siehe Punkt 5.2 dieser Arbeit. 29 Vgl. Chiodi-Tischer, Uta: Strassennamen auf Korsika. Hamburg 1999. 26 5 gesagt werden, dass es an Studien und Veröffentlichungen zum Korsischen und Französischen im Vergleich eher mangelt. Monographien, die auf eine vergleichende Ausarbeitung des Korsischen mit einer anderen Sprache abzielen, verankern diese oftmals innerhalb gesamtsprachlicher Betrachtungen der Regionalsprachen Frankreichs. Dabei wird die korsische Sprache primär dem Sardischen und Italienischen gegenübergestellt, seltener der französischen Sprache und wenn, dann im historischen Kontext. Es fehlt häufig der direkte (aktuelle) Vergleich des Korsischen und Französischen, egal ob von Spracherwerb, Sprachdomänen, Sprachkontakte oder (sprach)politischen Ansichten die Rede ist. In dieser Arbeit wird die eben genannte Lücke dahingehend gefüllt, als dass beide Sprachen, Korsisch und Französisch vergleichend analysiert werden. Dies soll vor allem durch gleichberechtigte Fokussierung beider einzelnen Sprachen geschehen.30 1.3 Leitfragen Wie eben erwähnt, hat sich die Arbeit zum Ziel gesetzt, das Französische und Korsische komparativ zu betrachten. Dies wird einerseits durch eine theoretische Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgen sowie praktisch anhand einer eigenhändig durchgeführten Fallstudie.31 Der theoretische Teil bezieht sich dabei auf den gesamten Sprachraum Korsikas. Die praktische Auseinandersetzung hingegen wird nur durch eine Datenerhebung zweier urbaner Räume Korsikas (Bastia und Ajaccio) stattfinden. So muss voranstellend vereinbart und verdeutlicht werden, dass zwischen den urbanen Sprachräumen Korsikas und den weiter abgelegenen kommunalen Gemeinden, bis hin zum Dorf wesentliche Verschiebungen im Bereich des Sprachkontaktes und der Sprachverwendung existieren. Die Fallstudie wird und kann jedoch keine universelle „korsische“ Sprachsituation verkörpern bzw. darstellen. 30 31 Dieses ausgehandelte Ziel wird im folgenden Punkt der Arbeit noch einmal genauer erklärt. Quantitative Feldstudie, durchgeführt im Zeitraum 04.10.2011 bis 23.10.2011. - siehe Kapitel 6 dieser Arbeit. 6 Den beiden Kernbereichen dieser Arbeit ist gemein, dass sie nahezu den gleichen Fragen nachgehen und sich somit ergänzen. Sie betrachten die Gesichtspunkte der Thematik „Zweisprachigkeit“ aus dem gleichen Winkel und haben so eine homogene und lineare Struktur inne. Die Frage nach dem derzeitigen Stand und Status beider Sprachen bildet den wesentlichen Kern dieser Arbeit. Was unterscheidet das Französische vom Korsischen in Bezug auf den offiziellen Status einer Sprache? Worin liegt das (historisch) begründet? In welchem Modus findet die Zweisprachigkeit auf Korsika statt? Wie werden beide Sprachen im Alltag genutzt? Welche Angebote an korsischsprachigen bzw. französischsprachigen Medien gibt es? In welcher Form operiert die eine Sprache mit der anderen? Wie findet Spracherwerb und Sprachvermittlung beider Sprachen statt? Wie und woran kann daraus das Korsische und Französisch Korsikas jeweils definiert und festgemacht werden? Einzelne dieser strukturgebenden Fragen sind fast identisch mit denen des Fragebogens der empirischen Untersuchung. 1.4 Aufbau der Arbeit Diese Arbeit ist in zwei Teile gegliedert: Kapitel 1 bis Kapitel 5 fungiert als theoretischer Teil, Kapitel 6, in Form einer empirischen Untersuchung, ist als praktischer Teil angelegt. Kapitel 7 und Kapitel 8 vermischen beide Anteile und dienen als Resümee und Schlussbetrachtung. Kapitel 1 führt in die wissenschaftliche Untersuchung ein und stellt das Thema kurz umrissen vor. Der Quellen– und Literaturbestand wird erörtert, damit einhergehende erste Probleme aufgedeckt. Anschließend werden Leitfragen formuliert, ebenso die Herangehensweise an die Arbeit erklärt. Nachfolgend wird die Arbeit schematisch vorgestellt, was der Orientierung und dem Überblick dient. Kapitel 2, wie auch Kapitel 3 befassen sich teils einführend und teils als Exkurs verstehend mit den Sprachgebieten Frankreich und Korsika. Das zweite Kapitel ist dabei auf den Sprachraum Korsika beschränkt und stellt dessen geographische Einordnung, Geschichte und Besonderheiten vor. Das dritte 7 Kapitel führt in das Zusammenwirken Korsikas mit seinen „Mutterland“ Frankreich ein und stellt dabei die historische Genese, die daraus resultierenden Konflikte und der sich daraus ergebenden Identitätssuche der Korsen dar. Eine Ausarbeitung aktueller Problemfelder Korsikas schließt beide genannten Kapitel ab und liefert gleichzeitig Material für weitere Untersuchungen. Ab Kapitel 4 erfolgt die sprachwissenschaftliche Auseinandersetzung. Hier werden Bilingualismus und Mehrsprachigkeit des Sprachraumes Frankreichs definiert, die Sprachlandschaft Frankreichs vorgestellt, sowie die Sprachpolitik gerafft erläutert. Das Kapitel dient der Annäherung an den Hauptteil. Kapitel 5 bildet zusammen mit Kapitel 6 den Kern dieser Arbeit. Im fünften Kapitel erfolgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Status beider Sprachen. Eckpfeiler sind Aspekte wie Spracherwerb, Sprachdomänen, Sprachdefinitionen und Spracheinordnungen, Sprachgebrauch, etc. Die empirische Untersuchung ist Inhalt des sechsten Kapitels, welches den praktischen Bestandteil dieser Arbeit bildet. Kapitel 7 vereint die Resultate der beiden vorangegangen Kapitel: Aus den theoretisch entwickelten Aspekten im fünften Kapitel und den praktisch gewonnen Daten im sechsten Kapitel wird hier ein verknüpftes Resümee gezogen. Daraus ergibt sich ein Resultat, welches zuvor gestellte Leitfragen beantwortet. Die „Sprachenfrage Korsikas“ wird letztlich beantwortet, es wird resultiert, inwieweit das Korsische eine „Chance“ zur offiziellen Sprache hat bzw. welche Faktoren dies erschweren oder dieses Ziel gar unmöglich machen. Kapitel 8 fasst die gesamte Arbeit zusammen, schließt die Auseinandersetzung und untersuchte Thematik der vorangegangenen Kapitel ab und wird die Fragen hinterlassen, die sich aus dargestellten Beobachtungen ergeben haben. Der Anhang ist am Ende der Arbeit zu finden. Dieser enthält Photos, den Fragebogen der Fallstudie, Karten und Verzeichnisse. 8 2. KORSIKA „Korsika – ein Hochgebirge im Mittelmeer.“ Korsika ist administrativ als geschlossener Sprachraum anzusehen. Gerade durch die besondere geographische Lage der Mittelmeerinsel lassen sich unmittelbar linguistische und historische Zusammenhänge ableiten. Aus diesen ergeben sich wiederum andere Besonderheiten, die der Insel als „prägnant“ zuzuschreiben sind. Um ein vages Bild über diesen zu untersuchenden Sprachraum zu erhalten, wird nun prägnant auf die Geographie Korsikas, dessen Geschichte, sowie charakteristischen Besonderheiten eingegangen. 2.1 Geographie Korsika ist eine Insel im Mittelmeer. Sie ist 8699 km² groß und damit wesentlich kleiner als die Nachbarinsel Sardinien. Politisch ist Korsika an Frankreich angegliedert, aufgeteilt in zwei Départements, „Haute-Corse“ (2 B) und „Corse-du-Sud“ (2 A). Diese Unterteilung geht zum einen aus der Historie der Insel hervor, ebenso orientiert sie sich an der korsischen Sprache, die ebenfalls regiodialektisch unterteilt wird, wenn auch mitunter in drei Sprachregionen.32 33 Die Hauptstadt Korsikas ist Ajaccio in „Corse-du-Sud“. Wie schon erwähnt, ist Korsika offiziell Staatsgebiet Frankreichs, obwohl es, topographisch betrachtet, näher an Italien liegt: Nur 83 km trennen Korsika vom italienischen Festland (Livorno), hingegen 180 km von der französischen Küste (Nizza). Sardinien, zu Italien zugehörig, ist sogar nur 12 km von Korsika entfernt.34 Dieser Umstand prägte Korsika in seiner politischen, wie auch sprachhistorischen Genese: Zum einen war Korsika in der Vergangenheit u. a. 32 Beispielsweise unterteilt Comiti das Korsische in „les régiolectes“: „Nord“, „Centre“ und „Sud“. Der letzte Sprachsektor bezieht auch den Norden Sardiniens mit ein, in dem das „Corse du Sud“ ebenfalls gesprochen wird. - Vgl. Comiti, Jean-Marie: Les corses face à leur langue. Ajaccio 1992, S. 75. - Im Anhang befindet sich eine Sprachkarte Korsikas – siehe Anhang 3.2. 33 Eine Ausnahme bildet die Sprachinsel um Bonifacio, in der ein ligurischer Dialekt genuesischen Typs gesprochen wird. – Vgl. Jerger 2004, S. 9. 34 Lendi 2011, S. 4. 9 mehrmals offiziell Italien angehörig, das Italienische war Amtssprache. Zum Anderen resultiert daraus die eben genannte Einordnung und Sprachgenese des südlichen Korsisch, welches sich über die Grenzen Korsikas hinaus erstreckt, bis in den nördlichen Teil Sardiniens hin. Das südliche Korsisch selbst ist dialektal sardischen Ursprungs, genauer gesagt enthält es dialektale Züge des Gallurese und Sassarese Sardiniens, ebenso Spuren des Sizilianischen. Bezüglich des Reliefs Korsikas, der über 50 vorhandenen Erhebungen über 2000 m gab man Korsika den Beinamen „Gebirge im Mittelmeer“. Die durchschnittliche Höhe beträgt 568 m ü. NN, vereinzelt kann die Oberflächengestaltung Korsikas sogar dem Hochgebirge zugeschrieben werden.35 Ursache dafür ist die unterschiedlich angelegte Einteilung und Unterscheidung der Höhenmeter, die das Mittelgebirge vom Hochgebirge abgrenzt. Dieser Gebirgskamm ist zum großen Teil der Grund dafür, warum sich das Korsische unabhängig von den jeweiligen „Besatzungssprachen“ entwickeln konnte: Aufgrund der zahlreichen Invasionen, die Korsika heimsuchten, zogen sich große Teile der Bevölkerung in die Bergregionen zurück, wo sich das Korsische unabhängig von der jeweiligen Besatzungsmacht entwickeln konnte, da das Landesinnere wohl nie gänzlich erobert werden konnte.36 Daraus resultiert eine gegenwärtige Heterogenität des Korsischen innerhalb der Insel: Es gibt keine einheitliche korsische Sprache, von Dorf zu Dorf treten dialektale Variationen auf, ebenso herrscht eine Kluft zwischen den „in den Bergen“ gesprochenen Korsisch und dem der Städte und Küstenregionen. Zahlreiche Flüsse und viele Strände ergänzen diese Oberflächengestaltung und machen Korsika mit seinem typischen Mittelmeerklima zu einem beliebten Urlaubsziel für Bergsteiger, wie auch für Wassersportler. Vor allem der „GR20“ ist bei Touristen sehr gefragt, einem der schönsten Wanderwege Europas. „The number one reason to come to Corsica it to get off the roads and into nation – on foot.“37 So herrscht in den Sommermonaten ein regelrechter Einfall an Touristen, die per Fähre oder Flugzeug anreisen. Insbesondere in den 35 Der höchste Punkt, der „Monte Cinto“ (2706 m), liegt lediglich 25 km vom Meer entfernt. – Vgl. Lendi 2011, S. 5. 36 Bochmann 1989, S. 67. 37 Carillet, Jean-Bernard / Roddis, Miles: Corsica. Footscray, Oakland, London 2007, S. 54. 10 Monaten Juli und August reisen viele Festlandsfranzosen auf die Insel. In den Wintermonaten erscheint die Insel fast leer, viele Ortschaften des Binnenlandes gelten dann als „entvölkert“38. Viele Einheimische haben sich auf einen saisonalen Betrieb ein- bzw. umgestellt. Korsika ist bei Touristen und Abenteurern sehr beliebt. Auf der Insel hat sich zunehmend der tertiäre Sektor herausgebildet. Unterdessen lebt die Insel vom Tourismus, er macht den größten Anteil des Bruttoinlandsproduktes aus. Freilich führt dies Probleme mit sich, insbesondere zu einer starken Abhängigkeit zum Mutterland Frankreich.39 Markant für viele Inselregionen des Mittelmeerraumes ist das Problem der Überalterung, welche auch für Korsika einen demographischen Konflikt bildet: Die (gebürtigen) korsischen Kinder gehen auf Korsika zur Schule, leben dann, nach Abschluss des „lycée“ oder anderen weiterführenden Schulen, für ihren Großteil des Lebens auf dem europäischen Festland und kommen schließlich als Rentner zurück. So kann hypothetisch kombiniert werden, dass es auf Korsika an Korsen mittleren Alters mangelt und die Jungen und Alten nahezu unberührt nebeneinander her leben. Korsika wird für seine einheimischen Produkte sehr geschätzt. Weine, Spirituosen, Olivenöl, Honig, Marmelade, Wurstwaren und Käse gelten als Delikatesse und sind ebenso ein oft ausgeführtes Souvenir. Lt. Farrenkopf machen Liedtexte den überwiegenden Anteil der auf Korsisch gelesenen oder gehörten Texte aus.40 Eine besondere Art des Gesanges ist die „Paghjella“, ein polyphoner Männergesang aus mindestens drei Stimmen a capella, der als traditionelle Volksmusik Korsikas gilt. Als letzter Punkt in diesem kurzen geographisch-topographischen Überblick sei noch die einzige Universität Korsikas erwähnt, welche sich in Corte befindet und nach Pascal Paoli 41 benannt wurde. 38 Bochmann 1989, S. 72. Im Punkt 3.4 dieser Arbeit wird auf alle in diesem Kapitel genannten Problematiken noch genauer eingegangen. 40 Farrenkopf 2011, S. 89. 41 Sein eigentlicher Name ist Filippu Antone Pasquale de Paoli. Er gilt als korsischer Revolutionär und Widerstandskämpfer. Sein Name ist auf Korsika allgegenwärtig. – siehe folgendes Kapitel. 39 11 2.2 Geschichte Seit dem 22. Januar 2002 kann man Korsika als ein stückweit autonom betrachten, die Loi n° 2002-92 trat in Kraft.42 Doch bis zu diesem Schritt hatte die Insel einen langen Weg zurückzulegen, der von diversen Eroberungswellen gekennzeichnet war. Korsika durchlebte in seiner Geschichte sehr viele Besetzungen und musste diverse Unterwerfungen erdulden. Wir haben bereits erkannt, dass allein die geographische Lage Korsikas oft Grund dafür war, dass die Insel so oft seinen „Besitzer“ gewechselt hat. Sie veränderten die Entwicklung der Insel und gestalteten sie jedes Mal (politisch) aufs Neue um. Auch ihre eigene Sprache brachten die Besatzer mit und versuchten diese als die einzig anerkannte zu manifestieren. Die Romanisierung der Insel begann bereits sehr früh, etwa 264-241 v.Chr., allerspätestens am Ende des 1. Punischen Krieges.43 Entdeckte Spuren auf Korsika erster menschlicher Zivilisation sind mit dem Datum „50000 v.Chr“ datiert.44 Bis heute lassen sich unter etymologischen Betrachtungen der Lexik der korsischen Sprache diese in der Historie hinterlassenen Spuren wiedererkennen.45 Die älteste bekannte Bevölkerung sind iberische und keltisch-ligurische Stämme. Nacheinander ließen sich auch Phönikier, Phokäer, Etrusker, Syrakuser und Karthager nieder.46 Danach erfolgte die römische Eroberung47, und mit ihr die in den darauf folgenden Jahrhunderten „fortwährenden Kämpfe gegen Fremdherrschaft, (…) die die Insel zum Spielball ihrer Interessenten machte“.48 833 gab der Markgraf Bonifazius die toskanische Herrschaft über Korsika bekannt, 1060 wurden die Sarazenen von Genua und Pisa vertrieben.49 42 Das Gesetz gilt bis heute als umstritten und sorgte damals für großes Aufsehen. Es beunruhigte die Gemüter des zentralistischen Frankreichs. - Vgl. Kapitel 2.3 und 3.2 dieser Arbeit / Sobotta 2003, S. 4. 43 Vgl. Goebl, Hans: Korsisch, Italienisch und Französisch auf Korsika. In: Holtus, Günter: Lexikon der Romanistischen Linguistik. Tübingen 1988, S. 829. 44 Arrighi 2002, S. 11. 45 Die korsische Sprache musste sich Zeit ihres Lebens vom Italienischen und Französischen abgrenzen. Beide Besatzungsmächte (Italien und Frankreich) prägten am stärksten die Geschichte Korsikas und dessen Sprache. 46 Bochmann 1989, S. 67. 47 238 v. Chr. 48 Bochmann 1989, S. 67. 49 Vgl. Jerger 2004, S. 11. 12 1077 wurde die Verwaltung Korsikas an Pisa übergeben.50 Kurz darauf erhielt Genua vom Papst die Oberhoheit über drei der sechs korsischen Bistümer und eroberte Bonifacio. Im 11. Jahrhundert wurde die Insel Zankapfel zwischen den Franzosen und Genuesen.51 Dem folgten viele Revolten und Ausbeutungen.52 Erste Unabhängigkeitsbewegungen entstanden, es kam zu Revolutionen und Kämpfen für eine beständige Autonomie, die als „la guerre de Quarante ans“ betitelt wurden.53 Im Jahr 1755 erfolgte schließlich eine Loslösung von der genuesischen Fremdherrschaft 54 , angeführt von Pascal Paoli: Pascal Paoli gilt bis heute als „Volksheld“55 der Insel. Er wird als „Capo Generale“56, „babbo“57, „père de la patrie“58 oder „Pioneer“59 tituliert, viele öffentliche Gebäude oder Wege tragen seinen Namen und machen ihn so allgegenwärtig. Er ist verantwortlich für die „Blütezeit“ Korsikas, die nur kurz von 1755-1768 andauerte. Das „Land“ hatte eine eigene Flagge, den Maurenkopf60 als Staatssymbol, Corte als ihre eigene Hauptstadt, eine Universität und war schließlich unabhängig.61 Paoli brachte Reformen ein, die die Insel nationalstaatlich beispielsweise eine effiziente strukturieren korsische sollten. Darunter Verwaltung, eine zählten korsische Gerichtsbarkeit, eine korsische Wirtschafts- und Währungspolitik und eine korsische Marine.62 Paolis Verfassung von 1755 erregte nicht nur Aufsehen und Interesse in Europa63, sie gilt auch als eine der ersten modernen 50 Vgl. Bochmann 1989, S. 67. Vgl. Sobotta 2003, S. 31. 52 Vgl. Bochmann 1989, S. 68. 53 Renucci, Janine: La Corse. Paris 1982, S. 14. 54 Jerger 2004, S. 11. 55 Ebd., S. 11. 56 Offizieller Begriff aus der „Consulta“ vom 16.-18. Okt. 1755 - Vgl. Bochmann 1989, S. 70. 57 „babbo“ steht für Vater oder Vaterland – Ebd. 58 Giudici, Nicolas: Le problème corse. Paris 1998, S. 12. 59 Carillet / Roddis 2007, S. 31. 60 Über dessen Entstehung und Ursprung gibt es mehrere Legenden. Unbestritten ist sein von Paoli zu verdankender Symbolcharakter, der für ein unabhängiges Korsika steht. Man findet ihn auf Fahnen, die von zahlreichen Korsen an Häusern, Booten und Plätzen unübersehbar angebracht sind, ebenso zieren einige Maurenköpfe die Autokennzeichen der Korsen, mit denen das „F“ für Frankreich gezielt überklebt wurde. 61 Vgl. Sobotta 2003, S. 31. 62 Goebl 1988, S. 830. 63 Vgl. Arrighi 2002, S. 19. 51 13 Verfassungen weltweit.64 So entwickelte sich die Insel in den Augen der europäischen, von feudalabsolutistischen Verhältnissen geprägten Öffentlichkeit in kurzer Zeit zu einer der fortgeschrittenen Nationen, wenn auch nur von kurzer Dauer.65 66 1767 nahmen die Korsen u. a. Ajaccio wieder ein. Genua erkannte den baldigen Verlust der Insel, bat daher um Hilfe durch französische Einheiten. Um ihre Kriegsschuld zu begleichen, verkauften die Genuesen die Insel jedoch kurzerhand an Frankreich. Mit Vertragsunterzeichnung in Versailles sollte Korsika nun endgültig an Frankreich gebunden werden, „la France s‘installe“67. Paoli ging nach England ins Exil. Damit war die größte Chance für Korsika vorübergegangen, jemals zu einem unabhängigen Nationalstaat zu werden.68 Bis heute hatte Korsika nie wieder solche Aussichten auf gänzliche Autonomie wie unter Paoli. Durch die genuesische Herrschaft bis 1769 bemühten sich zuerst die Korsen, nunmehr insbesondere die „neuen Eigentümer“, die Franzosen, um einen (sprachlichen) Abstand sowie Distanz zu Italien:69 Die französische Sprache wurde eingeführt, mit ihr die Etablierung einer französischen Verwaltung vorangetrieben.70 Korsika erlitt unter diesem „Ancien Régime“ eine harte politische und militärische Repression, erst die Französische Revolution änderte diesen Zustand. Das Bekenntnis zu dieser Revolution soll eine Massenentscheidung gewesen sein, sie begünstigte die Befreiung von Verschuldung und Abhängigkeit zu den reichen Landbesitzern. Die Franzosen räumten den Korsen ebenso ein politisches Mitspracherecht ein.71 Mit der Französischen Revolution rückt eine zweite Person in den Mittelpunkt, die ebenso fortwährend mit Korsika in Verbindung gebracht wird: Napoléon Bonaparte. Die Korsen selbst haben ein eher ambivalentes Verhältnis zu ihrem 64 Vgl. Eisenmenger, Daniel: Die vergessene Verfassung Korsikas von 1755. Der gescheiterte Versuch einer modernen Nationsbildung. In: GWU 61 (2010), H. 7/8, S. 430-446. 65 Vgl. Bochmann 1989, S. 70. 66 Goebl 1988, S. 830. 67 Arrighi 2002, S. 19. 68 Vgl. Bochmann 1989, S. 70. 69 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 77 f. 70 Zur frankophonen Entwicklung Korsikas siehe Punkt 3.1 dieser Arbeit. 71 Vgl. Bochmann 1989, S. 71. 14 „Son of Corsica“72: Offiziell sind die Korsen zwar stolz auf „ihren“ Korsen, der ursprünglich paradoxerweise auf der Seite des Besatzers Frankreich stand, doch viele Korsen haben eher ein schlechtes Bild von ihm, „er habe sich einen Dreck um Korsika geschert“73. Alsbald verließ er seine Heimatstadt, seine Insel zugunsten seiner Begeisterung Frankreichs. Es wird sogar behauptet, dass ihn einige Korsen förmlich aus Ajaccio vertrieben haben sollen, weil er sich fortan als Franzose und nicht als Korse ausgab.74 Gleichwohl trug Napoleon sukzessiv dazu bei, dass sich die Korsen gleichzeitig sowohl als „korsisch“ wie auch als „französisch“ identifizierten.75 Während des 2. Weltkrieges nahmen deutsche und italienische Truppen die Insel ein. Korsika wurde als erstes französisches Departement befreit, der wirtschaftliche Boom der Nachkriegszeit ging jedoch an Korsika vorüber. Der Lebensstandard soll der niedrigste in ganz Frankreich sein, die Folge waren permanente Auswanderungen auf das Festland.76 Militante Bewegungen zur Befreiung Korsikas und zur Erlangung eines Sonderstatus prägten die 70er Jahre. Bombenanschläge auf politische Institutionen machten Schlagzeilen und trübten zeitweise auch den nachhaltig geschaffenen Tourismus, der als Ausgleich zu den permanenten Auswanderungen „installiert“ wurde. In der Tat erließ man in den Jahren 1982 und 1991 Gesetze, die Korsika einen Sonderstatus gewährten und mitunter auch als Erfolg und Ergebnis der politischen Aufstände angesehen werden können. Ein entscheidendes Novum löste (temporär) die andauernde angespannte Sprachenfrage der Insel und deren Sprecher77: das Korsische wurde als eigenständige Sprache offiziell anerkannt. Diese geraffte Darstellung der Historie Korsikas, insbesondere die permanenten Veränderungen, die die Insel erfuhr, soll als exemplarische 72 Carillet / Roddis 2007, S. 33. Ins Deutsch übertragene Zitat aus einem Interview mit einer Korsin, im Rahmen der empirischen Untersuchung. 74 Diese Erzählung oder „Legende“ wurde mir selbst bei meinem Korsikaaufenthalt in Ajaccio geschildert. 75 Bochmann 1989, S. 71. 76 Ebd. 77 Natürlich sind mit „Sprecher“ auch die „Sprecherinnen“ Korsikas gemeint. – In dieser Arbeit wird auf eine gesonderte Bezeichnung weiblicher Genera verzichtet (Personen, Bezeichnungen, etc.), gleichwohl, trotz des Missachtens dieses Genders, fortlaufend beide Geschlechter einzubeziehen sind. 73 15 Verdeutlichung genügen. Besagte Zugeständnisse und Sonderrollen Korsikas werden im Folgenden hervorgehoben. 2.3 Die korsische Besonderheit Betrachtet man das Verhältnis Korsikas zum Festland Frankreich unter politischen Aspekten, werden schnell Besonderheiten deutlich, die Korsika dank politischer und autonomer Bestrebungen zuerkannt wurden. So nahm die Insel bei der Leitfrage nach Regionalisierung und Dezentralisierung Frankreichs eine Vorreiterrolle ein. Sie wurde zum Testfall für andere Regionen, damit aber auch zu einem Politikum.78 Unlängst wird diese Problematik auch als „korsische Frage“ diskutiert.79 Zwar erhielt Korsika schon vor den Autonomiegesetzen Sonderregelungen, jedoch wurden diese erstmals mit dem Gesetz vom 30. Juli 1982 schriftlich fixiert.80 Indes klagten Gegner vor dem Verfassungsrat wegen Missachtung des Prinzips der Unteilbarkeit der Republik.81 Eine Novellierung des Gesetzes 1991 verlieh Korsika den Status einer Gebietskörperschaft sui generis, d. h. eine eigene Obliegenheit der organisatorischen Gestaltung. Dieser Erlass sorgte für großes Aufsehen, da das Prinzip der „Unteilbarkeit der Republik“ somit gebrochen war. Korsika befand sich so in einer einmaligen Konstellation zwischen Dezentralisation und Autonomie. 2002 wurde das Gesetz erneut erweitert, das wesentliche Novum war die Bildungsübertragung auf die Gebietskörperschaft Korsikas, so dass Korsika selbst über die Planung des Ausbildungsangebotes in verschiedenen Lehreinrichtungen bestimmen konnte.82 78 Vgl. Beutter, Monika / Schwarzmann, Hans-Dieter: Corse. Île de beauté, Île de conflits. In: Beutter Monika (Hg.): Problèmes d’aujourd’hui. Stuttgart 1985, S. 3. 79 Siehe Kapitel 3.4 dieser Arbeit. 80 Inhalte waren die Ausrichtung von Bildung, Kultur und Medien auf den korsischen Raum, also Unterrichtsgestaltung der korsischen Sprache, Planung und Aufführung kultureller Veranstaltungen auf Korsisch, Regionalprogramme in korsischer Sprache (Radio / TV), etc. 81 Vgl. Teissier, Cécile: Zum Schutz der Regionalsprachen im europäischen Frankreich. Hamburg 2005, S. 43 f. 82 Ebd., S. 44. 16 Das Gesetz von 2002 wurde präzise mit den Worten verbunden, „die spezifische Besonderheit der Insel explizit (anzuerkennen).“83 Diese „korsische Besonderheit“ betraf aber nicht nur die bereits zuvor genannte politische Akzentuierung, sondern auch die Insellage Korsikas, seine späte Angliederung an Frankreich84, die korsische Sprache und Kultur, die spezifische regionale Identität sowie ein sich dadurch definierendes korsisches Volk. Als „negativ“ zu bezeichnende Besonderheiten Korsikas wären die demographische Schwäche, die wirtschaftliche Rückständigkeit, die Ausbeutung, sowie die mangelnde Rechtstaatlichkeit auf der Insel zu nennen.85 Wiederum hervorzuheben ist die besondere Rolle der Sprache(n) Korsikas, die maßgeblich als Instrument und Wertmaßstab angestrebter korsischer Autonomie gilt. Die genannten korsischen Besonderheiten führen jedoch auch zu „korsischen Problemen“86, die sich aufgrund der Insellage und der spezifischen historischen, kulturellen und sozioökonomischen Bedingungen Korsikas verschärfen.87 Diese werden im nächsten Kapitel genauer untersucht. Um die hier vorgenommene methodische Betrachtung einzuhalten, wird die signifikante Beziehung Frankreichs zu Korsika dem vorangestellt. Erst danach erfolgt die abschließende genauere Betrachtung der „korsischen Probleme“, die sich auf die korsischen Besonderheiten, die korsisch-französischen Konflikte und die Identität der Korsen beziehen werden.88 83 Sobotta 2003, S. 25. Von den heutigen Minderheitenregionen ist Korsika die am spätesten annektierte. – Ebd., S. 32. 85 Ebd., S. 25. 86 In diversen Monographien wird der Duktus des „problème corse“ bereits mehrheitlich genutzt. 87 Vgl. Beutter 1985, S. 3. 88 Siehe Gliederung dieser Arbeit. 84 17 3. FRANKREICH / KORSIKA „La corse, une région pas comme les autres?“89 Nachdem Korsika einführend vorgestellt und diverse Charakteristika punktuell konkretisiert wurden, nähern wir uns dem Hauptaspekt der Arbeit. Die sprachsituative Analyse Korsikas hat auch unweigerlich eine Gegenüberstellung Korsikas zum Mutterland Frankreich zur Folge. Der hier wiedergegebene Ausgangspunkt geschichtliche dieses Abriss90 konflikthaften Korsikas Miteinanders soll zunächst dienen, um als auch anschließende Punkte dieses Kapitels nachvollziehbarer zu gestalten: Jene Konflikte werden sodann vergegenwärtigt, daraus die Frage nach der Identität der Korsen abgeleitet und mit anderen Aspekten ergänzt. Die Besonderheiten Korsikas91 werden abschließend behandelt und dienen als zusammenfassende Analyse des zweiten und dieses Kapitels. So sind Mehrfachnennungen bestimmter Kriterien einerseits beabsichtigt, andererseits infolge logischer Verkettungen unvermeidlich. 89 Dies ist der Titel eines unterrichtsbezogenes Projektes, das „Identitätskonstrukte zum Verständnis der ungewöhnlichen Situation Korsikas“ beinhaltet. Es bezweckt Diskussionsanreize und kann in Form von Projektarbeiten pädagogisch im Französischunterricht vermittelt werden. – Vgl. Leitzke-Ungerer, Eva: Frankreichs Regionalkulturen im Französischunterricht. Frankfurt am Main 2004, S. 9. 90 Einzig die Französisierung Korsikas wird in den Mittelpunkt gerückt werden (unter politischen und einhergehenden sprachlichen Gesichtspunkten). Andere historische Etappen wurden bereits im vorangegangen Kapitel skizziert. 91 Siehe Punkt 2.3 dieser Arbeit. 18 3.1 Die Französisierung Korsikas Korsika wurde offiziell am 15. Mai 1768 von Genua an Frankreich übergeben.92 Damit begann die französische Herrschaft über Korsika, die bis heute andauert.93 Die „francisation ambiguë“94 Korsikas fand somit eher spät statt.95 Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts soll Italienisch durch die französische Sprache ersetzt worden sein.96 Mit Inbesitznahme der Insel durch Frankreich wurde die französische Sprache Amtssprache, das Italienische blieb zunächst Unterrichtssprache. Zuvor war Italienisch einzige Schriftsprache97, die Nähesprache wurde teils unter Bemühen toskanisiert. Korsisch und Italienisch wurden als zwei Ebenen derselben Sprache angesehen und dementsprechend gehandhabt.98 Die Französisierung Korsikas brachte einen großen Einschnitt in das Leben der Korsen. Diese mussten sich nun neu orientieren. Goebl schildert diesen Umsturz folgendermaßen: Einige Korsen lernen Französisch, schreiben es mehr schlecht als recht, sprechen es noch schlechter, verdienen sich damit aber nichtdestoweniger ihr Leben. Die allgemeine kulturpolitische Großwetterlage Europas fördert diesen Vorgang zusätzlich. Französisch ist „in“. […] Wer früher als Korse „vornehmer“ sprechen wollte, toskanisierte. Wer nunmehr dasselbe tun wollte, französisierte. Sprachmischungen entstehen. 99 Lt. Bochmann100 verlief die Sprachentwicklung Korsikas von einer „natürlichen“ Diglossie (italienische Schriftsprache / korsischer Dialekt) über eine „unnatürliche“ Diglossie (französischer Standard / korsischer Dialekt) zu einem heutigen Massenbilinguismus (französischer Standard / korsischer 92 Offiziell wurde die Abtretung Korsikas an Frankreich im Vertrag von Versailles (1768) festgehalten. Andere Autoren, wie Bochmann datieren die „Annexion durch Frankreich“ mit 1769 – Vgl. Bochmann 1999, S. 23. 93 Letztlich liegt es im Auge des Betrachters, ob Korsika nachwievor unter „französischer Herrschaft“ steht, bzw. der Wortlaut „Herrschaft“ oder „bis heutige Einnahme Korsikas durch Frankreich“ korrekt (politisch) gewählt ist. Davon abhängig ist gewiss die politische Haltung jedes Einzelnen, sei es die eines Verfassers, bzw. einer befragten Person (Korse / Nichtkorse). 94 Giudici 1998, S. 14. 95 Vgl. Sobotta 2003, S. 34. 96 Vgl. Bochmann 1999, S. 23. 97 Auch in der kurzen Unabhängigkeit unter Paoli. 98 Vgl. Bochmann 1999, S. 23. 99 Goebl 1988, S. 831. - Goebl begründet den „Trend zum Französisch“ mit der Französischen Revolution, mit dem „revolutionären Schwung Frankreichs“ gegenüber der „absolutistischen Kleinstaaterei“ Italiens. – Ebd. 100 Bochmann 1999, S. 23. 19 Quasi-Standard). Doch zunächst hatte Frankreich eher administrativen und militärischen Charakter, später folgte erst das „kulturelle und sprachliche Gewicht Frankreichs“101, das jedoch bis heute nie gänzlich angenommen wurde. Bücher erschienen weiterhin auf Italienisch, selbst die geographische Anbindung an Italien war nachwievor um einiges besser als an Frankreich. Napoleon III. soll Korsika endgültig „französiert“ haben. Es folgten einschneidende soziale, wirtschaftliche und administrativ-politische Reformen, Französisch wurde so mehr und mehr zur überlebenswichtigen Sprache. Parallel dazu gab es sogar teilweise ein von Frankreich verhängtes Verbot des öffentlichen Sprachgebrauchs des Korsischen. Die Schulgesetze102 von Jules Ferry, der 1880 die allgemeine Schulpflicht auch auf Korsika einführte, trugen ihren Teil dazu bei, dass das Französisch nach und nach standardisiert und verbreitet wurde und auch die italienische Schulsprache vollständig ersetzte: Alleinige Unterrichtssprache war nun Französisch. Das Italienische verlor mehr und mehr den Status der „Dachsprache“, das Korsische war nahezu führerlos. Französisch wurde zur „lange de pain“.103 Ab 1820 erfuhr Korsika einen wirtschaftlichen Aufschwung, die Landwirtschaft wurde intensiviert, mit ihr waren erste Anzeichen von Industrialisierung erkennbar. Einher ging ein Bevölkerungswachstum vonstatten. Doch nur wenige Jahrzehnte danach wandelte sich das Bild ins Gegenseitige: Die Industrialisierung Frankreichs überholte die Korsikas. Die Folge waren eine landwirtschaftliche Krise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein und eine stetige Abwanderung. Bis heute leben auf dem Festland mehr (ehemalige) Korsen, als auf Korsika selbst.104 101 Goebl 1988, S. 831. „Das zukunftsweisende und zum Teil bis heute noch fortbestehende Werk der „Opportunisten“ war die Reform des Schulwesens. Jules Ferry, zugleich treibende Kraft der kolonialen Expansion schuf die heute noch mit seinem Namen verbundenen grundlegenden Gesetze über den Volksschulunterricht, nämlich dessen religiöse Neutralität, Unentgeltlichkeit und allgemeine Verpflichtung betreffend.“ – Krumeich, Gerd: Geschichte Frankreichs im 19. Jahrhundert. In: Koolboom Ingo (Hg.): Handbuch Französisch. Berlin 2008, S. 436. 103 Französisch wird von einigen Autoren metaphorisch als „Brotsprache“ bezeichnet, also als die Sprache, die man beherrschen musste, um überleben zu können. Sie war Standard im beruflichen Umfeld sowie in der Administration, ohne die eine distanzsprachliche Kommunikation zunehmend unmöglich wurde. 104 Vgl. Bochmann 1989, S. 71. 102 20 In Zeiten dieser wirtschaftlichen Krise entwickelte sich eine ganz eigene politische Macht in Korsika, das Clanwesen105, eine historische Konstante des korsisch politischen Systems und dessen Gesellschaft, genauer gesagt, eine informelle Herrschaftsstruktur einflussreicher Familien Korsikas, dessen System auf gegenseitige Begünstigungen basiert.106 Sie unterhielten engste Verbindungen zum Zentralstaat Frankreich, der dieser „Vereinigung“ offiziell negativ gegenüber stand. Missachtung demokratischer Grundprinzipien, Wahlbetrug u. ä. schadete dem Mutterland, das dennoch über 200 Jahre lang diese Form des „vormodernen Herrschaftssystem“107 tolerierte und so bewahrte. Im ersten Weltkrieg hatte Korsika schwere Verluste hinnehmen müssen, dies sowohl demographisch, als auch wirtschaftlich. Große Spannungen herrschten zwischen Korsika und Frankreich. Die Verluste waren immens. Bereits erwähnt wurde die massenhafte Übersiedelung der Korsen auf das Festland, die so für eine Nation kämpfen mussten, mit der sie nur teilweise im Einklang standen. Im 2. Weltkrieg wird Korsika von Deutschland und Italien besetzt, Korsika wird erneut von Frankreich befreit. Danach folgte eine Rezession. Nichts von dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit war auf der Insel zu spüren, der Lebensstandard sank stark, mit dem „programme d’action régionale“ sollte dem entgegengewirkt werden: Der Tourismus sowie die Intensivierung der Landwirtschaft in den Küstenebenen wurde zunehmend unnachsichtiger gefördert, mit widersprüchlichen Ergebnissen.108 105 Genauere Erläuterungen erfolgen im Punkt 3.4 Vgl. Sobotta 2003, S. 73. 107 Sobotta 2003, S. 73. 108 „Der Tourismus schuf zwar Beschäftigungsmöglichkeiten an den Stränden, jedoch mit einem großen Anteil an Saisonarbeitskräften. Überdies brachte der Strom aus jährlich mehr als einer Million Touristen eine rapide Zunahme der verheerenden Waldbrände mit sich und förderte die sprachlich-kulturelle Überfremdung des korsischen Sprachgebietes. Von der Förderung der Landwirtschaft profitierten vor allem die Reichsten. (…) Die traditionelle Viehzucht (…) ist dagegen stark zurückgegangen, so dass eine Eigenernährung nicht mehr möglich ist.“ – Bochmann 1989, S. 72. – Heute stellt der Tourismus eher ein Problem dar, als eine rein wirtschaftliche Einnahmequelle. 106 21 Einhergehend mit dieser Krise und vielen anderen Konflikten109, hier sei nur kurz der massiv verfolgte Zentralismus Frankreichs genannt, bildeten sich Autonomiebewegungen, sich dem „Zerfall“ der Insel widersetzten und die „kulturelle Szene der Insel nicht kampflos dem Französischen überlassen wollten“.110 Korsika [war] besetzt vom zentralistischen jakobinischen Frankreich. Die damals nicht mögliche nationalistische Befreiung wird heute verspätet als korsisch-nationalistische Bewegung nachgeholt. Zu dieser Bewegung gehört auch die Förderung und Entwicklung der korsischen Sprache.111 Im Gegensatz zu den ersten Bewegungen in der früheren Geschichte tauchten in den 70er Jahren miltitante autonome Bewegungen auf, die auch vor Bombenanschlägen nicht zurückschreckten.112 Ausschlaggebend dafür waren die „Pieds-Noirs":113 Nach dem Verlust der französischen Kolonien in Nordafrika in den 60-er Jahren wurde die Fremdenlegion auf Korsika stationiert und die Rückkehrer aus den ehemaligen Kolonien dort angesiedelt – die Algerier nannten die Kolonisten „Pieds-noirs" […] Der Staat stellte ihnen Kredite und Land zur Verfügung. […] [Die Korsen] beobachteten […], wie die „Pieds-noirs" in der fruchtbaren Ebene entlang der Ostküste riesige Domänen aufbauten, Weinberge und Obstplantagen errichteten, aber auch Wein panschten, Land zusammenkauften und mit zweifelhaften Finanzmanipulationen die Korsen an die Wand drängten.114 Attentate wurden stetig frequentiert ausgeübt, es bildete sich der „banditisme corse“ oder eine „criminalité ritualisée“115. Auch vonseiten großer linker Parteien und diversen Aktivitäten durch von Nationalisten vertretenden Gruppen116, reifte progressiv die Idee nach einem Sonderstatus für die korsische Insel. 1981 wurde diese durch François Mitterand realisiert.117 Seither strengen die Korsen eine Unabhängigkeit an, man ist darin bestrebt, 109 Siehe nächstes Kapitel. Goebl 1988, S. 833. 111 Farrenkopf 2011, S. 80. 112 Diese wurden von mehreren kleinen Parteien getragen wie die „Fronte di a Liberazione Naziuniale di a Corsica“ und die „Unione di u Populu Corsu“ – Vgl. Bochmann 1989, S. 72. 113 Rieger, Yvonne: Korsen und Pieds-Noirs auf Korsika. (o. A.) 2005. <http://www.sibillaegen-schule.de/konflikt/korsika/korsika.htm> [14.03.2012] 114 Ebd. 115 Giudici 1998, S. 15, 46. 116 z. B. die „Front de libération nationale de la Corse (FLNC) 117 Verleihung eines Sonderstatus (siehe Punkt 2.3 dieser Arbeit) und Errichtung einer „Assemblée Régionale“ mit Abgeordneten der korsischen Departements. 110 22 den Sonderstatus Korsikas weiter auszubauen, insbesondere in Bezug auf die Sprachsituation. Man möchte sich dabei nicht nur von Frankreich, sondern auch von Italien distanzieren. Das Korsische war durch den eingeräumten Sonderstatus nun mehr und mehr im Unterricht und sogar an der Universität in Corte vertreten. Diese wurde erst 1981 wieder eröffnet, nachdem sie 1769 durch die Besatzung Frankreichs geschlossen wurde. Heute fehlt dem Korsischen jedoch der Status einer offiziellen Sprache, das Französisch ist nachwievor die am weitesten verbreitete Muttersprache auf Korsika. Die „question corse“ blieb bis heute unbeantwortet. Feststeht: Groß war und ist das Bedürfnis der Korsen nach einer eigenen Identität, einem „korsikaumspannenden Über-Ich“118. Die Arbeit wird diesen Sachverhalt noch mehrmals thematisieren. 3.2 korsisch-französische Konflikte Man erkennt aus den vorangegangenen Punkten, dass sich Frankreich und Korsika bis heute ambivalent gegenüberstehen. Konflikte und Spannungen ziehen sich durch wechselseitige Heterogenität von Region und Nation, man kann von einem „korsisch-französischen Konflikt“ sprechen. Dabei fallen immer wieder Schlagworte und Begriffe in diversen Texten, an denen diese Zwistigkeiten festgemacht werden. Einige besagte Termini werden nun glossarhaft gerafft aufgeführt, zusätzlich dienen sie als Überblick.119 Der Zentralismus als Strukturprinzip des französischen Staates ist der wohl am häufigsten andauernde Streitpunkt und Verursacher andauernder Dispute. Der Anschluss Korsikas an Frankreich erfolgte zu einer Zeit, in der der französische Zentralismus bereits voll ausgebildet war. Andere Regionen wie das Elsass, die Bretagne oder Okzitanien brachten in keinster Weise derartige Widerstände und Autonomiebewegungen hervor, wie es Korsika tat und fanden 118 119 Goebl 1988, S. 832. Noch einmal sei erwähnt, dass es in dieser Arbeit zwangsläufig zu Mehrfachnennungen kommt: Korsikas Besonderheiten wurden bereits erwähnt, diese haben wiederum auch historische Ursprünge. Selbige führen zu Konflikten und Spannungen und ergeben diverse (aktuelle) Problemfelder. So wird in diesem Punkt der Arbeit auf umfangreiche Ausführungen bewusst verzichtet, da sie zugleich Bestandteil andere Bereiche in dieser Arbeit sind und dort dementsprechend erläutert werden. 23 sich eher mit dem Prinzip des „Zentralstaates“ ab.120 1975 wurde Korsika zur eigenen Region ernannt, doch bis heute sind Überschneidungen zwischen administrativen Einheiten und historisch gewachsenen „Regionen“ erkennbar. Dem Zentralismus als Grundsatz des politischen Systems Frankreichs stehen Autonomie und Seperatismus vonseiten Korsikas gegenüber. Massenmobilisierungen gegen den französischen Nationalstaat trugen zur Entwicklung von Nationalismus bei, insbesondere bei Fragen zu erzwungenen Auswanderungen. Daraus ging das Clanwesen hervor, als „Konterkarierung“121 der demokratischen „Spielregeln“ des restlichen Frankreichs, um private und politische Ziele einer Familie durchzusetzen. Das Festland registrierte die ungebrochene Macht des Clans, auch die Behörden der französischen Zentralverwaltung sind nicht unschuldig. Heute ist die Blutrache, die Vendetta dieser Clans weit zurückgegangen, aktuell überwiegen private Hintergründe als Tatbestand, weniger gelten politische Gegebenheiten als Auslöser, beispielsweise in Form von Nationalfragen.122 Offen bleibt die Frage, ob Korsika nun als Vorreiter der Dezentralisierung gesehen werden kann oder nicht. Die Immigration von Festlandsfranzosen wurde zu Beginn der 60er Jahre massiv vorangetrieben, zwischen 1963 und 1975 sollen 70.000 Menschen immigriert worden sein.123 Doch dem wirkte eine sehr starke Emigration entgegen. Aufgrund ihrer prekären wirtschaftlichen Lage verließen gleichzeitig ca. 40.000 Menschen die Insel. Es kam zu Sprach- und Nationenmischungen, betitelt wurde diese Maßnahme der „Aufbesserung“ der demografischen Schwäche Korsikas u. a. als „Genozid durch Substitution“124, mit dem Vorwurf, das korsische Volk systematisch auslöschen zu wollen. Fremdenfeindlichkeit war die Folge. 120 Vgl. Leitzke-Ungerer 2004, S. 29 f. Ebd., S. 95. 122 Vgl. Scholz, Astrid: Korsika und Frankreich – Konflikt zwischen Region und Nation. Dresden 2004, S. 6. 123 Vgl. Tafani, Pierre: Geopolitique de la Corse. Paris 1978, o. A. 124 Sobotta 2003, S. 45. 121 24 Im Zuge des Regionalismus wurde die „Charte européenne des langues régionales ou minoritaires“ ratifiziert125, um Maßnahmen zum Schutz von Regionen und deren Minderheiten zu verwirklichen und deren Sprachen als einen einzigartigen Bestandteil des kulturellen Erbes Europas anzuerkennen. Im Falle Frankreich und des Korsischen wurde dies doch praktisch verworfen, da sie als „unerreichbar mit der französischen Verfassung“126 erklärt wurde. Rein administrativ wird zwar von einer „Regionalkultur“ oder einer „Regionalisierung“ Korsikas gesprochen, jedoch ohne irgendeine rechtliche Absicherung vonseiten Frankreichs gegenüber den Korsen. Die Sprachenpolitik als Bestandteil zentral politischer Institutionen ist ein entscheidendes Faktum in der Auseinandersetzung zwischen Zentralismus und Regionalismus. Sie bewirkt vorrangig eine Vereinheitlichung von Sprache und Sprachnormen und ist somit eines der wichtigsten Anliegen des zentralistisch ausgelegten Staatsgebietes Frankreichs. Heutige Regionalparlamente und Gebietskörperschaften Korsikas fördern prokorsische Belange mit Erfolg: Korsisch wurde bereits als eigenständige Sprache anerkannt. 3.3 Nationalbewusstsein und Identität der Korsen Korsika war sehr lange von Italien besetzt, ihre „corsité“ war von italienischer Sprache und Kultur durchzogen. Es folgte die Französisierung, die Korsen bekannten sich nach und nach zu Frankreich. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie wieder von Italien besetzt und leistet bewaffneten Widerstand gegen selbige. Sie waren das erste Territorium, welches die Franzosen im Zweiten Weltkrieg befreiten. Ihre „innere Haltung“ war von Schuldgefühlen durchdrungen, sie verleugneten Vergangenheit und verdrängten ihr kulturelles Bewusstsein, bis sie in den siebziger Jahren, verbunden mit diversen politischen Begebenheiten, eine noch nie da gewesene Vehemenz für ihre eigene korsische Identität entwickelten.127 Bis 1968 wurde die Frage nach regionaler korsischer Identität jedoch klein gehalten. 125 Sie wurde am 5. November 1992 vom Europarat gezeichnet. Leitzke-Ungerer 2004, S. 35. 127 Bochmann 1999, S. 23. 126 25 Leitzke-Ungerer kategorisiert das Identitätsbewusstsein der Korsen knapp und präzise, indem sie sagt, dass Korsika (in Bezug auf politisch-identitätsbezogene Problemgebiete) die „französische Variante“ des Politikums Nordirland gegenüber Großbritannien bzw. Baskenland - Spanien sei.128 Lediglich 50 % der Gesamtbevölkerung Korsikas sind Inselkorsen, 10 % sind Gastarbeiter.129 Es herrscht keine Einigung darüber, wer oder was genau ein „Korse“ ist bzw. wer sich so bezeichnen darf und wer nicht. Landläufig werden als „Korsen“ diejenigen bezeichnet, die auf der Insel leben oder von der Insel stammen. Ihr Fortbestand ist durch Auswanderung, Geburtenrückgang und Überalterung gefährdet. So lässt sich die Identität „des“ Korsen nur kompliziert katalogisieren, und territorial einordnen, da dessen ethnischen Wurzeln zumeist vielfältiger Natur sind. „Alternativ“ dazu erwägt Leitzke-Ungerer, dass sich nur derjenige als „echter Korse“130 bezeichnen kann, der gleichzeitig „Ehre“, Schweigepflicht und zugehörige „Schutzvorstellungen“ pflegt, kurzum das Clanwesen und die Selbstjustiz akzeptiert, wenn nicht sogar Anhänger dieser „mafiösen Vereinigung“131 ist: Zu Beginn der Arbeit wurde Korsika bereits das Bild einer „unbequemen“ Region gegeben. Durch die Art der Identitätsfindung und dem damit zusammenhängenden Nationalbewusstsein der Korsen wird diese Einschätzung gestärkt: Für eine Vielzahl der Korsen genügt(e) es nicht, sich „friedlich“ mit ihrer Region zu identifizieren und so „neutral“ von Frankreich abzugrenzen, wie es beispielsweise die Bretagne oder das Elsass taten.132 Die korsische Identität wird sogleich von den Autonomen Korsikas instrumentalisiert und dient so als Konzept und „ideologische Waffe“. Mehrfach ist bereits erwähnt 128 Leitzke-Ungerer 2004, S. 103. Ebd., S. 93. - Heute leben mehr Korsen in Nizza, Toulon und Marseille als auf Korsika selbst. Diese kehren erst im fortgeschrittenen Alter auf „ihre“ Insel zurück. 130 Durch die Einwanderungspolitik Frankreich ist ebenso eine Diskussion entfacht, wer sich als „echter Korse“ bezeichnen kann. Verursacher dafür sollen ebenfalls die immigrierten Algerienfranzosen nach dem Algerienkrieg, die „pieds noir“ sein. Echte Korsen fühlten sich gegenüber diesen „Fremden“ benachteiligt, da diese Vorzüge bei der Land- und Kreditvergabe genießen durften. Damit einher bildete sich eine Fremdenfeindlichkeit heraus. – siehe Punkt 3.2. 131 In diversen Texten wird behauptet, dass Korsika, bzw. die Clans bereits von der Mafia unterwandert sind. 132 Vgl. Loewe, Siegfried: Corse. In: Schmidt, Bernhard: Frankreich-Lexikon. Schlüsselbegriffe zu Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Geschichte, Kultur, Presse- und Bildungswesen. Berlin 2005, S. 25 f. 129 26 wurden, dass auf der Insel eine starke Autonomiebewegung existiert, politisch aktive Gruppen versuchen, regionale Identitätskonstrukte in eine bestimmte Richtung zu lenken und zur Not unter Gewalteinfluss versuchen, sich dieser zunutze zu machen.133 Der historische Verlauf Korsikas, der die Insel nie „zur Ruhe“ kommen ließ, bestärkt diese Absicht.134 Aktivisten streben mit aller Macht eine Unabhängigkeit Korsikas an, obwohl, laut Leitzke-Ungerer, die Insel ohne die finanzielle und damit verbundene politische Bindung an Frankreich gar nicht existenzfähig wäre.135 Historisch ist dies zum einen mit dem geringen kulturellen Erbe Korsikas zu begründen, dessen demografisches Gefüge, wie auch der eher kärglichen industriellen Potenziale. Man erkennt so deutlich, dass die korsische Identität weitaus weniger eine „Ansammlung an individueller Vorstellungen“136 ist, sondern vielmehr als „politisches Programm“ verstanden werden kann. Allen Zersplitterungen und dem eher für Disharmonie sorgenden Aktivisten und Clanwesen zum Trotz, streben die meisten Korsen das Unabhängigkeitsmodell Paolis an. Mit den damals in dieser kurzen Periode der Unabhängigkeit existierenden Prämissen wäre eine Vielzahl der Korsen glücklich und könnten so am ehesten mit ihrem „Korsen-ich“ harmonieren. Natürlich bildet die Sprache einen wichtigen Eckpfeiler im Umgang mit (gemeinsamer) Identitätssuche und Identitätsfindung. Weit verbreitet ist unter den Korsen die Meinung, dass die korsische Sprache unverzichtbar für die korsische Identität sei.137 Unter anderem über die Sprachkenntnisse versuchen die Ansässigen ebenso zwischen „Korsen“ und „Nichtkorsen“ zu unterscheiden.138 Sehr viele Autoren binden in ihren sprachwissenschaftlichen Analysen des Korsischen die damit zusammenhängende Identitätsfrage mit ein 133 Vgl. Leitzke-Ungerer 2004, S. 103. – Die Aufklärungsquote „identitätsstiftend-motivierter“ Straftaten ist relativ gering. Die französische Regierung ist geneigt, den Autonomisten Zugeständnisse zu machen, wodurch wiederum deren Nationalbewusstsein gestärkt wird. 134 Die permanenten Besatzungen und Eroberungen Korsikas prägen deren Bewohner bis heute. 135 1991 hat das französische Parlament die Existenz eines „korsischen Volkes als Teil des französischen Volkes“, also die korsische Identität zwar anerkannt, jedoch ist dieser Artikel nicht verfassungskonform mit dem „conseil constitutionel“. 136 Leitzke-Ungerer 2004, S. 103. 137 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 128. 138 Ebd., S. 129. 27 und verankern sie u. a. in die Soziolinguistik.139 Auch in dieser vorliegenden Arbeit ist die soziolinguistische Betrachtung Teil verschiedener theoretischer Bereiche sowie in der durchgeführten Fallstudie von Bedeutung.140 Die korsische Sprache ist vor allem mündlich sehr verbreitet, schriftlich nimmt sie eher (noch) eine passive Rolle ein.141 Ein wichtiger Schritt für die Steigerung des Nationalbewusstseins war die Integration des Korsischen in der Öffentlichkeit: In den 80er Jahren wurde mit der Aufstellung zweisprachiger Orts- und Hinweisschilder begonnen. Geographische Termini wurden nun in Französisch und Korsisch ausgeschildert.142 Auch die Medien führten korsische Regionalfenster ein, insbesondere im Radioprogramm. Dennoch fehlt bis heute ein rein korsischer Radio- bzw. Fernsehsender. Sämtliche korsische Tageszeitungen sind nicht mehr auf dem Markt.143 Als Instrument kollektiver korsischer Identität und dessen Pflege steht allen die Populärmusik Korsikas voran, die primär in korsischer Sprache gesungen wird.144 Sie gibt einen wichtigen Impuls. Mit ihr wird ebenso die religiöse Einigkeit und Identität der Korsen verknüpft, die katholische Kirche nimmt eine zentrale Rolle in der korsischen Musiktradition ein.145 Die korsische Musik ist somit auf den besten Weg zu einem „progressiven Element der Regionalkultur“.146 139 Besonders Jacques Thiers stellt identitätsbezogene Aspekte innerhalb analytischer Betrachtungen von Sprache, Sprachverwendung und Mehrsprachigkeit in vielen seiner Monographien heraus. - Vgl. Thiers, Jaques: Diglossie corse et identité. Corte 1986. / Thiers, Jacques: Papiers d’identité(s). Ajaccio 2008. – Unter anderem gibt es ein Programm namens „Diglossie corse et identié“, welches kollektiv von G.R.I.C. (Groupe de Recherches sur l’Identité Corse), der Universität in Corte und von J.-B. Marcellesi der Universität Haute-Normandie ins Leben gerufen wurde. 140 Siehe Fragebogen im Anhang - Anhang 1.1 und 1.2. 141 Siehe Punkt 5.3 dieser Arbeit. 142 Hier lässt sich ebenfalls ein guter Vergleich zwischen den Autonomen und „normalen“ Korsen aufstellen: Während die Mehrheit diese zweisprachige Beschilderung begrüßt, sie akzeptiert und sich so ein stückweit „korsischer“ fühlt, ist es für die radikalen Autonomisten nicht genug: Sie wollen einsprachige, korsische Beschilderungen und nutzen derweilen die vorhandenen Schilder für diverse Schießübungen oder „verbessern“ diese nachträglich. – siehe Anhang 4.1. 143 Siehe Kapitel 5.5 dieser Arbeit. 144 Die „Paghjella“ ist die wohl bekannteste Form, ein polyphoner sakraler Gesang, der fast ausschließlich von Männern gesungen wird. Traditionell existiert sie als Wiegenlied, Werbelied oder Klagelied. – siehe Kapitel 2.1 dieser Arbeit. 145 Vgl. Leitzke-Ungerer 2004, S. 99. 146 Ebd. 28 Der Name eines Korsen ist für selbigen ebenso entscheidend wie seine korsische Identität. Mit Stolz und Tradition tragen die einen Korsen ihren nicht französisch klingenden Familiennamen oder Vornamen, während andere Korsen darunter leiden, keinen korsischen Namen zu tragen.147 Schließlich findet man die Antwort der Frage nach dem Nationalbewusstsein der Korsen und dessen Identität in den Bereichen „l’identité ethnique“, „l’identité culturelle“, „l’identité sociale“ und „l’identité dans le langage“.148 3.4 Heutige Problemfelder Unter dem Blickwinkel heutiger Problemfelder Korsikas soll die primär außersprachliche149 Betrachtung des Sprachraumes Korsikas schließen. Die zusammenhängenden Kapitel 2 und 3 werden hier zu Ende gedacht. Innerhalb dieser verkürzten Betrachtung kommen u. a. die schon erwähnten korsischen Besonderheiten, die korsisch-französischen Konflikte wie auch die Identitätsprämissen resultierend zum tragen.150 Hinzu kommen neue Aspekte, die noch genauer abgehandelt werden. Die geringe Bevölkerungsdichte ist ein entscheidendes Problem. Korsika weißt die am dünnsten besiedelte Fläche von Frankreich auf. Hinzu kommt die Überalterung. Die Geburtenrate ist mit eine der niedrigsten des Landes, die Sterberate wiederum die höchste ganz Frankreichs. Viele siedelten in die Städte an der Küste um, oder gar gleich aufs Festland. Das Innenland Korsikas 147 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 129. Angelehnt an: Thiers, Jacques: L’italien et la figure du tiers dans le discours d’identité corse. In: Chiorboli Jean: Parcous interculturels. Langue, Littératures, Sociocultures. Biguglia 2005. - Andere Autoren wie Jacques Fusina nennen Begriffe wie „la langue“, „les „habitus“, „le costume“, „les pratiques claniques“, „les ornements et sympoles“, an denen man die Identität der Korsen manifestieren könnte. – Vgl. Fusina, Jaques: Observations sur le thème: „Tradition et Modernité“ en Corse aujourd’hui. In: Chiorboli Jean: Parcous interculturels. Langue, Littératures, Sociocultures. Biguglia 2005. 149 Mit „außersprachlich“ sind hier Attribute gemeint, die als Einführung oder Exkurs zum Kernbereich dieser Arbeit hinführen soll(t)en, welcher primär sprachwissenschaftlicher Natur ist. 150 Die problematische Situation Korsikas hat bereits feste Titulierungen, bzw. Formulierungen erhalten. Häufig tauchen in diversen Monographien Begriffe wie „le problème corse“ oder die „korsischen Frage“ auf. „Le problème corse“ bezieht sich dabei primär auf den Faktor der Gewalt, der auf der Insel vorherrscht: „La „question corse“ est celle de la violence.“ – Vgl. Crettiez Xavier: La question corse. Brüssel 1999. 148 29 droht zu „veröden“. Gründe dafür lassen sich in der wirtschaftlichen Lage erkennen, welche gleichermaßen ein aktuelles Problemfeld darstellt: Die Subventionierung der Wirtschaft Korsikas ist zwar wesentlicher Teil der Autonomiegesetze, jedoch weißt die Insel nachwievor eine hohe Arbeitslosenquote, sowie ein niedriges Lohnniveau aus. Damit verbunden sind geringe Steueraufkommen und hohe Lebenserhaltungskosten.151 Lt. Sobotta ist diese wirtschaftliche Rückständigkeit auf den Zusammenbruch des französischen Kolonialreiches zurückzuführen, sowie der Ansiedelung der „pieds noir“152, welche viele Korsen als Enteignung ansahen. Hinzu kommt das Ungleichgewicht der Wirtschaftssektoren: Der tertiäre Sektor, allen voran der Tourismus dominiert, währenddessen der primäre und sekundäre Sektor (Industrie und Landwirtschaft) kaum vorhanden ist. Daraus resultiert wirtschaftliche Abhängigkeit vom Tourismus, der selbst vielmehr als „Invasion“ wahrgenommen wird. Steuergesetze, hohe Transportkosten zum Festland und der quasi nicht vorhandene Export erschweren zusätzlich die wirtschaftliche Lage. Der Mangel an Rechtstaatlichkeit auf Korsika, dessen Fehlen alle Parteien zustimmen, prägt das Bild der politischen Problemlage. Durch die bereits dargelegten kriminellen Gewalttaten, die politische motivierte Gewalt (Attentate), durch das Clanwesen, usw. erhält die Insel von vielen Personen Beinamen wie „rechtsfreie Zone“ oder „Autonomiegebiet ohne Einhaltung der Gesetze“.153 Hinzu kommen die Häufung unerlaubten Waffenbesitzes, Morddrohungen und Sprengstoffanschläge. Korsika weist die niedrigste Aufklärungsquote in ganz Frankreich auf, trotzdessen Polizei und Justiz überdurchschnittlich vertreten sind.154 Desweiteren zählt Sobotta Mißachtung von der Straßenverkehrsordnung, „legendäre“ Wahlfälschungen und Erschwindelung von Subventionen und Sozialleistungen hinzu.155 Das Fehlverhalten des Zentralstaates trug wohl mit dazu bei, dass sich diese 151 Vgl. Sobotta 2003, S. 46. Siehe Fußnote 113 und Zitat unter Fußnote 114. 153 Sowohl einige Autoren, wie auch einzelne von mir befragte Personen verwenden diese Begriffe. 154 Vgl. Sobotta 2003, S. 54. 155 Ebd., S. 55. 152 30 Vorkommnisse nahezu verselbständigt haben und mehr oder weniger gekonnt ignoriert werden. Offen bleibt die Frage, inwieweit der Zentralismus positiv auf Korsika gewirkt hat und ob „Insularität“, „Nationalismus“ oder „Regionalismus“ mehr oder weniger als Argument durchgeführter Straftaten abgenickt und toleriert wird. Zwar ist die korsische Sprache soweit etabliert, dass sie für informelle Situationen, für die „Sprache des Dorfes“ und bei Unterhaltungen der älteren Generation nahezu kohärent gebraucht wird, jedoch ist in der Öffentlichkeit und Administration die französische Sprache nachwievor vorherrschend.156 Die Probleme mehrsprachiger Räume sind auch auf Korsika erkennbar. Korsisch ist zwar offiziell als (eine) Sprache anerkannt, jedoch ist die „Sprachenfrage“ damit noch längst nicht beantwortet: Sprachinstitutionen wie die Medien, die kulturellen Einrichtungen, etc. beziehen progressiv das Korsische mit ein, jedoch wurde zuvor schon angesprochen, dass es an rein korsischen Radiooder Fernsehsendern oder korsischsprachigen Zeitungen und Zeitschriften mangelt. Auch bilinguale Internetseiten (Französisch / Korsisch) sind eher eine Seltenheit.157 Der Bildungssektor ist ebenso ein Bestandteil des Problemfeldes „Sprache“, anhand dessen sich sprachpolitische Bemühen und Widerstände entscheidend ablesen lassen. Da der Spracherwerb und die Sprachvermittlung noch gesondert diskutiert werden, erfolgt hier lediglich ein Verweis darauf.158 156 Vgl. Bochmann 1989, S. 67. Siehe Punkt 5.6 dieser Arbeit. 158 Siehe Punkt 5.4 dieser Arbeit. 157 31 4. DIE SPRACHLANDSCHAFT FRANKREICHS Bevor die sich anschließende Analyse der Sprachsituation Korsikas vorgenommen wird, bedarf es zunächst einer Einbettung in das Gesamtbild der Sprachlandschaft Frankreichs. Dafür werden sprachwissenschaftliche Akzentuierungen herangezogen, ebenso prägnante Darstellungen der noch anderweitig existierenden Sprachen innerhalb dieses Sprachgebietes159, sowie kurze Ausführungen sprachpolitischer Handlungen des „Mutterstaates“ Frankreich. 4.1 Einordnung unter sprachwissenschaftlichen Aspekten Der Begriff „Sprachlandschaft Frankreichs“ steht stellvertretend für das hexagonale Territorium und wird einerseits von den darin liegenden Minderheitensprachen160 gebildet sowie der offiziellen Amtssprache Französisch. Mitunter werden die Überseedepartements (D.O.M.) und die Überseeterritorien (T.O.M.)161 ebenso zum Sprachgebiet Frankreichs hinzugezählt. Allerdings davon abzugrenzen und zu unterschieden ist der Sprachraum der Frankophonie. Dieser fasst Länder zusammen, „in denen das Französische verbreitet sei.“162 Auch das Diasystem163 der französischen Sprache kann nicht direkt dem Duktus der „Sprachlandschaft Frankreichs“ zugeordnet werden, wohl aber dessen diatopischer Bereich, als „diatopische 159 160 161 162 163 Im Anhang befindet sich eine Übersichtskarte der Sprachen Frankreichs – siehe Anhang 3.1. Diese werden im folgenden Punkt skizzenhaft erläutert. Gemeint sind „die Kreolischsprecher von Réunion, Martinque und Guadleoupe, die Sprecher der 28 Sprachen Neukaledioniens und der 8 Sprachen in Mikronesien sowie der indianischen bzw. Kreolsprachen in Guyana.“ – Bochmann 1989, S. 39. Vgl. Erfurt, Jürgen: Frankophonie. Tübingen 2005, S. 9. – Zusätzlich abzugrenzen ist hier die internationale politische Organisation von Staaten und Regierungen, „La Francophonie“ und „la francophonie“, die Gesamtheit der Völker und Sprachgemeinschaften, die partiell oder homogen das Französische verwenden, beispielsweise das Französisch als Amtssprache Québecs. – Ebd., S. 10 f. „Der Begriff bezieht sich vor allem auf multi-dialektale und soziale Varietäten, die immer in Teilen symantisch übereinstimmen, in anderen aber abweichen.“ – Glück Helmut: Metzler-Lexikon Sprache. Stuttgart / Weimar 2005, S. 144. 32 Varietäten des Französischen.“164 Konkretisieren müsste man, ob die „Sprachlandschaft Frankreichs“ aus „langues régionales“ besteht, die durch den Bilingualismus der Sprecher überlebt haben165 oder ob der Begriff des „français régionaux“ stimmiger wäre, als „die Sprecher primärer (alter) Dialekte oder regionaler Minderheitensprachen nach und nach zum französischen Standard übergingen.“166 Als interessant währt die Frage, wo die Grenze zwischen „Dialekt“ und „(Regional)sprache“ gezogen werden müsste. Einzig für die korsische Sprache soll diese im Punkt 5.2 der Arbeit beantwortet werden.167 4.2 Die Sprachenlandschaft und ihre Sprachen Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die Regionalsprachen168 Frankreichs Randzonen sind, die durch Eroberung oder dynastische Heiratspolitik gewonnen wurden. Ausnahmen bilden Okzitanien und die Insel Korsika.169 Die Territorien sind größtenteils wirtschaftlich zurückgeblieben und leben von der Landwirtschaft und dem Tourismus, damit einher gingen demografische Einbußen.170 Es gibt unter […] [den Regionalsprachen] 4 romanische (Katalanisch, Korsisch, Okzitanisch, Frankoprovenzalisch), 2 germanische (Deutsch, Vlämisch), eine keltische (Bretonisch) und das für sich stehende Baskische. Einige kommen nur in Frankreich vor (Bretonisch, Korsisch) oder werden hauptsächlich in Frankreich gesprochen (Okzitanisch), vier sind von Nachbarländern „überlappende“ Sprachen (Baskisch, 164 Weinhold Norbert: Diatopische Varietäten des Französischen. In: Kolboom Ingo (Hg): Handbuch Französisch. Berlin 2008, S. 82 ff. - „Diatopisch“ steht hier „in Form lokal sehr begrenzter Sonderfärbungen, (…) in Form schwindender Reste alter Dialekte, vor allem aber in Formen von Regiolekten (…), die charakteristisch sind für größere Gebiete.“ Sokol Monika: Französische Sprachwissenschaft. Tübingen 2001, S. 208. 165 Vgl. Sokol 2001, S. 209. 166 Ebd., S. 208. 167 Dort wird ein Überblick auf die Beantwortung der Frage gegeben, ob das Korsische Dialekt, Regional- oder Minderheitensprache ist. Parallel dazu wurde die Frage nach der Kategorisierung des Korsischen in den Fragebogen integriert, die dementsprechend im Kapitel 6 dieser Arbeit ausgewertet wird. 168 Der Begriff „Regionalsprache“ soll in diesem gesamten Kapitel für die verschiedenen Sprachen Frankreichs stehen. Außen vor gelassen wird die Diskussion, ob dieser Terminus korrekt gewählt wurde, beispielsweise anhand Vergleiche verschiedener literarischer Quellen und der darin enthaltenen Akzentuierungen, etc. 169 Vgl. Bochmann 1989, S. 37. 170 Ebd. 33 Katalanisch, Deutsch, Vlämisch; ursprünglich gehört auch Korsisch dazu).171 In sehr kurzen Ausführungen werden nun einige dieser Sprachen vorgestellt. Diese dienen als Ergänzung und Orientierung. Die korsische Sprache wird hier nicht berücksichtigt, da sie noch gesondert erläutert wird.172 Okzitanisch, auch Occitanisch wird in Südfrankreich von ca. 8 Mio. Menschen täglich gesprochen.173 Dieses Sprachgebiet erstreckt sich von der Atlantikküste bis in die Westalpen.174 Es schließt mehr als ein Drittel des Landes ein und umfasst 31 Départements.175 Okzitanisch ist eine romanische Sprache und Hauptvertreter der „langue d’oc“.176 „Provenzalisch“ ist ihr traditioneller Name. Ihr Erbwortschatz weist mehr Parallelen zu den Sprachen Frankreichs auf als zu anderen Sprachen der Pyrenäenhalbinsel, die meisten Lehnwörter entstammen dem Französischen.177 Unter dem Aspekt der Phonologie und der Grammatik, die bis heute ein umstrittenes Problem darstellt178, kann man das Okzitanische vom Französischen weit abgrenzen. Sie ist eine der ältesten romanischen Literatursprachen, insbesondere als Teil der lyrischen Dichtung der Troubadours und der höfischen Liebeslyrik in Europa. In den Medien nimmt diese Sprache nur eine sehr geringe Rolle ein. Deutsch wird im Elsass und dem nordöstlichen Teil des Départements Moselle gesprochen. Die Sprecherzahlen variieren auch hier, man geht von etwa 2 Millionen aus.179 Es kann dem Oberdeutschen zugeordnet werden, es wird Fränkisch und Alemannisch gesprochen. Der Umstand, dass das Hochdeutsch 171 Ebd. Siehe Punkt 5.3 dieser Arbeit. 173 Bochmann unterteilt bereits durchgeführte Schätzungen, bzw. Zählungen der Sprecher des Okzitanischen in „optimistisch“ (12-13 Millionen Sprecher) und „pessimistisch“ (2-3 Millionen Sprecher)). Die hier angegebenen 8 Millionen Sprecher übernimmt er von Robert Lafont. – Bochmann 1989, S. 77. 174 „Geographisch sind es vor allem die Gaskogne, das Languedoc, am wenigsten die Provence, wo sich das Okzitanisch erhalten hat.“ – Ebd., S. 88. 175 Ebd., S. 77. 176 Die heutige Übergangszone zwischen „langue d’oil“ im Norden und „lange d’oc“ im Süden Frankreichs liegt im Limousin, in der Auvergne und im Dauphiné. – Vgl. Haarmann, Harald: Kleines Lexikon der Sprachen. München 2001, S. 286. 177 Ebd. – Hinzu kommen arabische Lehnwörter, sowie Elemente des Griechischen. 178 Es gibt keine Nasalvokale, die Verwendung des Subjektpronomens ist nicht obligatorisch. Es herrschten nach dem Niedergang der mittelalterlichen Schriftkultur jahrhundertelang „chaotische Zustände“ bei der Orthographie des Okzitanischen. – Ebd., S. 289. 179 Deutsch als Muttersprache. 172 34 von diesen Sprechern nicht beherrscht wird, bildet ein Problem im „Konsum“ deutschsprachiger Medien Deutschlands.180 Dennoch durchdrangen diese Dialekte mehr und mehr den öffentlichen Raum von Elsass und Lothringen. Dieses Sprachgebiet war zugleich kulturelle und politische Kontaktzone wie auch Konfliktzone zwischen Germanen und Romanen.181 Anders als in Deutschland, bildete sich hier eine ausgeprägte dialektgebundene Literatur.182 Deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften, der Empfang von deutschsprachigen Radio- und Fernsehsendern sind aufgrund der geographisch begünstigten Lage zu Deutschland leicht zu beziehen.183 Bretonisch (ar brezhoneg) wird heute von ca. 1 Million Menschen gesprochen, die Hälfte dieser Sprecher gebraucht diese Sprache aktiv184, die anderen besitzen Sprachkenntnisse und haben nahezu keine Verständigungs- probleme.185 Das Sprachgebiet umfasst die „Basse-Bretagne“.186 Das Bretonische ist eine keltische Sprache.187 Die Vorfahren der heutigen Bretonen wanderten im 5. Jh. aus Cornwall und Wales ein und vermischten sich mit der teils romanisierten, teils noch keltischsprachigen Bevölkerung.188 Drei Abschnitte werden in der bretonischen Sprachgeschichte unterschieden: Altbreton (vor dem 12 Jhr.), Mittelbreton (12 Jh.-Mitte 17Jh.) und Neubreton (seit Mitte des 17 Jh.). Die Bedeutung der Sprache nimmt zwar zu189, jedoch 180 Vgl. Bochmann 1989, S. 49. In den vergangenen Jahrhunderten wurde dieses Gebiet mehrmals von Franzosen und Deutschen besetzt. Dabei waren in den innerhalb des Sprachraumes stattgefundenen politischen Aktivitäten zumeist beide Länder gleichermaßen beteiligt. 182 „Vitalität und Verbreitung der Dialekte sind einer der markantesten Unterschiede zur Lage im binnendeutschen Sprachgebiet.“ – Bochmann 1989, S. 60. 183 Kurz zuvor wurde erwähnt, dass die mangelnde Beherrschung des Hochdeutschen ein Hindernis bei der Nutzung diese Fülle an Angeboten deutschsprachiger Quellen darstellt. 184 Vor allem in der Generation der heute über 50jährigen. 185 Haarmann sagt dazu dass „das Breton nirgendwo mehr regelmäßig und überwiegend in der Alltagskommunikation verwendet wird.“ – Haarmann 2001, S. 85. 186 Dazu gehören das Département Finistère und westliche Teile des Départments Côtes-duNord und Morbihan. 187 Andere keltische Sprachen sind Irisch, Schottisch, Kymrisch. – Ebenso weist die korsische Sprache, bzw. Korsika selbst keltische Spuren auf. - Vgl. Thiers, Jacques 2008, S. 41 f. 188 Bochmann 1989, S. 43. 189 Sprechergruppen sind nach Bochmann Freiberufler, Handwerker, Händler und Intellektuelle. Insbesondere die Kinder dieser gehören zu den „Schülern“ des Bretonischen. 181 35 tritt das Bretonische in der Kultur und Öffentlichkeit nur beschränkt in Erscheinung.190 Baskisch (euskara) wird in Gebieten Nordspaniens und Südwestfrankreichs gesprochen. Kerngebiet ist das Baskenland.191 1991 sollen insgesamt 0,543 Mio. Sprecher des Baskischen gezählt worden sein.192 Die Basken bildeten nie eine einheitliche Gesellschaft, es gab fortwährend enge Beziehungen kultureller und politischer Art zwischen dem französischen und spanischen Baskenland. Dialektal ist das Sprachgebiet sehr zersplittert.193 Auf der französischen Seite soll ein größerer Zusammenhalt der baskischen Sprachgemeinschaft zu beobachten sein als in den baskischen Provinzen Spaniens.194 Die heutige Grenze des Sprachgebietes ist das Ergebnis historischer Zufälle Pyrenäengrenze und hin.195 systematischer Da dem französischer Baskischen Expansion keine zur genealogische Verwandtschaft mit anderen Sprachen oder Sprachfamilien nachzuweisen ist, bleibt dessen Entstehungsgeschichte spekulativ. In Form von Attentaten und Anschlägen zu denen sich Nationalisten und Autonome bekannten, machte diese Region in der Vergangenheit vor allem politisch von sich reden, ähnlich wie Korsika. 196 Gegenüber dem Elsass oder dem bretonischen Raum ist gerade Korsika (Korsisch) der Sprachraum, der sich am wenigsten mit der „Ächtung“ der eigenen Sprache vonseiten Frankreichs zufriedengegeben hat.197 190 Es gibt nur ein beschränktes Angebot in Zeitungen und Radiosendungen, häufig in Form von kleinen Regional- und Sprachfenstern. Somit ähnelt es dem medialen Angebot Korsikas. 191 Die spanische „Autonome Gemeinschaft Baskenland“ (bask. Euskadi) umfasst die drei Provinzen Gipuzkoa, Biskaya und Alava. Hauptstadt der autonomen Region ist VitoriaGasteiz. Zum französischen Teil des Baskenlandes gehören die drei historischen Gebiete Lapurdi, Zuberoa und Nafarroa Behera. 192 Vgl. Haarmann 2001, S. 77. 193 Aufgrund von verkehrstechnischer Zerrissenheit des Siedlungsgebietes in den Tälern. – Ebd. 194 Dort „fungiert das Bask. als regionale Amtssprache und ist in dieser Rolle dem Spanischen gleichgestellt. (…) In den französ. Départements mit bask. Bevölkerung besitzt das Bask. keinen amtl. Status.“ – Ebd. 195 Bochmann 1989, S. 39 f. 196 Auch die Sprecher des Baskenlandes bemüh(t)en sich, um offizielle Anerkennung, bzw. offiziellen Status „ihrer“ Sprache. Diverse Projekte wurden ins Leben gerufen, um diese Initiative tatkräftig umzusetzen. 197 Diese Problematik wurde in dieser Arbeit bereits mehrfach angesprochen. 36 Die Verwaltung, Organisation und das Einlenken des französischen Staates auf „ihre“ Regionalsprachen - die Sprachpolitik Frankreichs wird im Folgenden skizzenhaft erläutert. 4.3 Die Sprachpolitik Frankreichs Die Sprachpolitik Frankreichs198, „der bewußte Einsatz von sprachlichen Mitteln und Regelungen des Sprachgebrauchs (…) zu einem ständigen politischen Instrument“199, ist eng an den Absolutismus und die Französische Revolution des Landes geknüpft. Zahlreiche Sprachdiskussionen, Sprachdekrete, etc. lassen erkennen, dass man auch in der davor liegenden Zeit bereits von „sprachpolitischen Bemühungen“ sprechen kann. Die absolutistische Politik verfolgte dabei das Ziel, die Effektivität von Verwaltung, Rechtssprechung und Steuerpolitik [zu sichern], deren Kontrolle am besten garantiert war, wenn die Sprache des Königs dazu benutzt wurde. Welche Sprache das Volk sprach, war für den Hof uninteressant. Entscheidend war allein die Sprache der Beamten und der regionalen Aristokratie.200 Mit diesem Anspruch war die Grundlage für eine einhergehende „staatliche Kontrolle“ der französischen Sprache geschaffen, mit dem Ziel, sie zu zentralisieren und zu generalisieren. Unter allen romanischen Sprachen hat das Französisch die längste und wirkungsvollste sprachplanerische Tradition erfahren.201 Dies geschah und geschieht in Form von Vorschlägen zum Gebrauch der französischen Sprache vonseiten staatlicher Institutionen oder in Form von Spracherlassen. Auch die Handhabung mit den Regionalsprachen, Sprachenplanungen und Orthographiereformen bilden wichtige Elemente der Sprachenpolitik Frankreichs. 202 198 Mit einer sehr detaillierten Ausarbeitung zum Thema Sprachpolitik befasste sich die Leipziger Forschungsgruppe „Soziolinguistik“. Unter der Leitung von Klaus Bochmann erschien 1993 „Sprachpolitik in der Romania. Zur Geschichte sprachpolitischen Denkens und Handelns von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart.“ – Vgl. Bibliographie 199 Bochmann 1989, S. 189. 200 Ebd. 201 Vgl. Braselmann, Petra: Sprachpolitik und Sprachbewusstsein in Frankreich heute. Tübingen 1999, S. 1. 202 Themenkomplexe sind u. a. Sprachkultur, Sprachkonfliktforschung, Sprachkorpusplanung (Neologismen und Fachsprachen, Gender, Fremdsprachenpolitik (Anglizismen), Sprachpflege im Internet / Medien, u. a.). 37 Das wichtigste Ergebnis der Sprachpolitik des 17. und 18. Jahrhunderts ist vor allem der Aufbau der Nationalsprache, deren Standardisierung und Durchsetzung in den europäischen und außereuropäischen Provinzen.203 Der „gelenkte“ Sprachgebrauch des Französischen, das Ziel der Vereinheitlichung204, der Uniformisierung205 der Sprache gewinnt mit der Französischen Revolution zusehends an Bedeutung. Markant ist, dass man sich zu dieser Zeit proaktiv für die Regionalsprachen einsetzte: Wichtige politische Texte wurden in die französischen Regionalsprachen übersetzt, oft Schriftstücke, die „von der Revolutionsführung speziell an eine bestimmte Region gerichtet waren.“206 Die „Académie française“207 nimmt hier eine zentrale Rolle ein. Mit ihr manifestiert wurden u. a. Begriffe wie „bon usage“ oder „mauvais usage“, die mitunter diffamierend aufzeigen und charakterisieren sollten, welchem (sprachlichen) Niveau die Bevölkerung (die „Masse“ und der „Hof“) entsprach. Dieser Aufruf zur „Sprachpflege“ war natürlich auch ein Angriff auf die Regionalsprachen Frankreichs. Die Sprachpolitik gegenüber den Regionalidiomen radikalisierte sich in der jakobinischen Ära. Zu guter Letzt richtete sie sich gegen alle Regionalsprachen, deren Mundarten und alle Dialekte des Französischen.208 Das Sprachbewusstsein der Franzosen wurde so erheblich beeinflusst. Aktuell stellt sich die „Académie française“ vor allem Problemen wie den Anglizismen und der Orthographie, kurzum dem andauernden Sprachenwandel, der zuweilen historisch als „Sprachverfall“ bzw. „crise du 203 Braselmann 1999, S. 4. Dies betrifft sowohl die Regionalsprachen wie auch den Sprachpurismus, beispielsweise die Gefährdung der französischen Sprache durch Lehnwörter, bzw. Lehngut allgemein. 205 Braselmann 1999, S. 4. 206 Vgl. Bochmann 1993, S. 73. - Ebenso relevant für die Übersetzungsliteratur waren Gesetze, Dekrete und Deklarationen. - Ebd., S. 74. 207 1635 von Richelieu gegründet, mit dem Auftrag, die Normen des Französischen zu definieren. In ihren „Statuts et Règlements“ heißt es u. a.: „La principale fonction de l’Académie sera de travailler avec tout le soin et toute la diligence possibles, à donner des règles certaines à notre langue, et à la rendre pure, éloquente, et capable de traiter les Arts et les Sciences. (…) Il sera composé un Dictionnaire, une Grammaire, une Rhétorique et une Poétique sur les observations de l’Académie.“ – Klare Johannes: Französische Sprachgeschichte. Stuttgart / Düsseldorf / Leipzig 1998, S. 120 f. 208 Vgl. Bochmann 1993, S. 81, 99. 204 38 français“209 kritisiert angloamerikanischen wird. Im Einflüsse, strafrechtlicher Sanktionen. 210 Vordergrund mitunter steht realisiert die durch Bekämpfung zivil- und Grundlage bildet der 1992 verabschiedete Zusatz „la langue de la République est le français“ (Art.2 Abs. 2 der französischen Verfassung).211 Auch Novellierungen von Sprachregelungen zur Abwehr diverser Sprachvarietäten gehören zum gegenwärtigen Aufgabengebiet der Akademie. Auf die wechselseitige Beziehung Frankreich / Korsika und der damit verbundenen aktuellen Sprachenfrage üben die sprachpolitischen Institutionen Frankreichs nachwievor massiven Einfluss aus, diverse Probleme wurden bereits angesprochen. Die Betrachtung der Sprachlandschaft Frankreichs mit „ihren“ Regionalsprachen soll hier als komplementärer Punkt schließen.212 209 Braselmann 1999, S. 5. Die Webseite der „Académie française“ bietet einen umfassenden Überblick über deren (historische) Aufgabenbereiche. Ferner hat man Zugang zu diversen Wörterbüchern. - Vgl. www.academie-francaise.fr 211 Dieser erfolgte aus Sorge des Zurückdrängens der französischen Sprache, im Prozess des vereinten Europas. 212 Im Kapitel 7 werden weitere sprachpolitische Reglementierungen erklärt, die sich speziell auf den Raum Korsika beziehen. 210 39 5. STATUS DES FRANZÖSISCHEN UND KORSISCHEN AUF KORSIKA Ab diesem Kapitel rückt die Sprachsituation auf Korsika in den Fokus der Betrachtung. Unter dem Leitbegriff des „Sprachstatus“ erfolgt nun die theoretische Analyse. Ziel ist es zu überprüfen, inwieweit das Französische oder Korsische situativ dominiert, sei es bei Spracherwerb, Sprachverwendung bzw. diversen Sprachsektoren und Sprachinstitutionen.213 Zuvor wird einführend der Begriff „Sprachstatus“ spezifiziert und veranschaulicht. Zuvor wird geklärt, wie ebenjener Begriff in dieser Arbeit Verwendung findet bzw. wie genau zu verfahren sei, um den Status beider Sprachen situativ überprüfen zu können. Da in dieser Arbeit das Korsische dem Französisch gleichrangig gegenübergestellt werden soll, bedarf es jedoch noch grundlegender, zusammengefasster Charakterisierungen des Korsischen (Einordnung und Klassifizierung der Sprache, Sprachnormierung, Sprachausbau etc.). 5.1 Zur Überprüfung eines Sprachstatus Der „Sprachstatus“ soll zentraler Begriff des Hauptteils dieser Arbeit sein. Er ist Indikator für die jeweils situative Gewichtung und Bemessung des französischen und korsischen Anteils. Kurzum, der „Status“214 der jeweiligen Sprache ist hier das „Material“, die sich diese Sprachforschung, zur Sprachsituation auf Korsika, zunutze macht.215 Doch was heißt „Status einer Sprache“ genau? Kiesendahl ordnet den Begriff „Status“ unter soziologischen Gesichtspunkten ein. Leitfragen sind für ihn: Wer ist in der aktuellen Situation kompetenter? 213 Interpretieren lässt sich dieses Kapitel als theoretische Komponente des Kernthemas. Das folgende Kapitel, die empirische Untersuchung, bildet dann den praktischen Teil dazu. Im Anschluss (Kapitel 7) werden beide Teile zusammengefasst und reziprok betrachtet. 214 Unter dem Begriff „Status“ kann eine Sprache ebenso in „Amtssprache“, „Verkehrssprache“, „offizielle Sprache“ oder „Minderheitensprache“ klassifiziert werden. Diese Unterteilung wird ebenfalls in den hier erörterten Begriff „Status“ integriert. 215 Theoretisch in diesem Kapitel, praktisch im Folgenden. – Vgl. Fußnote 213. 40 Wer setzt sich durch? Wer hat sich nach dem anderen zu richten? Wer ist eher aktiv oder passiv?216 Der Begriff des „Status“ nach Kiesendahl beinhaltet ebenso die Wertschätzung, gesellschaftliche Erwartungen und dessen Position innerhalb eines Systems. Zur Bestimmung des Status einer Sprache sind Punkte wie der situative Kontext und die Redekonstellation mit einzubeziehen. Mackey definiert den Status einer Sprache als the sum total of what you can do with a language – legally, culturally, economically, politically, and, of course, demoprahically.217 Der Status der Sprache kann dabei durch dessen Funktion modifiziert werden, „in which a language may be used“.218 Ähnlich sieht es auch Fabellini. Sie sagt, dass der Status eines Idioms219 abhängig von sprachexternen Aspekten, also historischen, gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und psychologischen Aspekten ist.220 Beide genannten Autoren rücken also die Systemlinguistik in den Hintergrund und betrachten vorrangig die Soziolinguistik in Abhängigkeit des Status. Nach Mackey wäre der Begriff der „Sprachfunktion“ derjenige korrekte, der aufzeigt „what they actually do with it (der Sprache)“221 und nicht, wie für diese Arbeit vereinbart, der Begriff des „Sprachstatus“, der die aktuelle Sprachsituation222 Korsikas bemessen soll. Ammon ordnet dem Status einer Sprache „position“ und „rank“ zu, währenddessen „role“ und „use“ eher Eckpfeiler der Funktion einer Sprache sind. 223 216 Kiesendahl, Jana: Status und Kommunikation. Ein Vergleich von Sprechhandlungen in universitären E-Mails und Sprechstundengesprächen. Berlin 2011, S. 42 ff. - Die (situative) Verwendung einer Sprache kann u. a. auch vom soziologischen Habitus abhängen (die „Soziolinguistik“ gilt heute als eigenständige sprachwissenschaftliche Disziplin). 217 Mackey, William F.: Determining the Status and Function of Languages in Multinational Societies. In: Ammon, Ulrich: Status and Function of Languages and Language Varieties. Berlin 1989, S. 4. 218 Ebd. 219 Satzglied- oder satzwertiger Praseologismus / Spracheigentümlichkeit eines Sprechers 220 Fabellini 2009, S. 96. 221 Mackey 1989, S. 7. 222 Der Begriff „Sprachsituation“ ist doppeldeutig zu verstehen: Einmal als Synonym für die „aktuelle Lage“ oder den „Ist-Zustand“ der Sprachen auf Korsika, andererseits als „Sprachsituation“ an sich, also in welcher Situation spreche ich welche Sprache? 223 Ammon, Ulrich: Towards a Descreptive Framework For the Status / Function (Social Position) of a Language within a Country. In: Ammon, Ulrich: Status and Function of Languages and Language Varieties. Berlin 1989, S. 26 f. 41 Die oben genannten Leitfragen nach Kiesendahl ähneln „unserem“ Verständnis nach Sprachstatus, mithilfe derer letztendlich entschieden und überprüft wird, in welcher Sprachsituation, in welchem Sprachsektor, unter welchem demografischen Gefüge, etc. welche Sprache dominiert, also welcher Sprachstatus situativ auf Korsika gegeben ist. Für die Auswertung und Analyse der Sprachsituation auf Korsika integrieren wir einfachhalber „Rolle“ und „Benutzung“ einer Sprache ebenso in den Terminus des „Status“. 5.2 Korsisch – Dialekt, Regional- oder Minderheitensprache ? Die Meinungen und Auffassungen über das Korsische gehen weit auseinander und werden kontrovers diskutiert.224 Die einen sprechen von einem „Dialekt Italiens“, die anderen von einer „versteckten eigenständigen Sprache“. Feststeht, dass die Statusbestimmung des Korsischen mit Beginn der Auseinandersetzung der korsischen Sprache stattfand und im Wesentlichen das Sprachbewusstsein bestimmte. Dabei ging es konkret um die Sprecherzahl, die Gegenüberstellung: Korsisch - Dialekt oder Sprache?225 Faktoren wie Sprachverwendung, Sprachdomänen, einhergehende Sprachpolitik, u. a. lassen schließlich erkennen, ob das Korsische Dialekt, Regionalsprache, Minderheitensprache oder gar offizielle Sprache ist.226 224 Grob und ohne genaue Diskussion wurden bereits andere Sprachen Frankreichs als „Regionalsprachen“ im davorliegenden Kapitel deklariert und klassifiziert. - Französisch ist Amtssprache Korsikas. Hier bedarf es keinerlei Abwägungen, da dieser Fakt unumstritten ist. 225 Auch Fabellini stellt sich dieser Frage. – Vgl. Fabellini 2009, S. 95. 226 Siehe Einleitung dieses Kapitels. - Diese Aspekte finden in späteren Betrachtungen der Arbeit noch konkret Verwendung. - Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen unterscheidet beispielsweise nicht zwischen Regional- und Minderheitensprachen. Farrenkopf hält dem entgegen: „Regionalsprachen werden im Vergleich zu Minderheitensprachen nur in beschränkten Maße gepflegt und geschützt.“ – Farrenkopf 2011, S. 55. - Einige Lexika verweisen bei dem Begriff „Regionalsprache“ auf den „Dialekt“ einer Sprache. So ist von Vornherein schon eine Schwierigkeit gegeben, diese Termini voneinander abzugrenzen. Es ist daher problematisch zu sagen, ob einige Autoren trotz Verwendung unterschiedlicher Begriffe nicht doch dem Korsischen den gleichen Status einräumen. Daher soll innerhalb dieser Arbeit nur die Betitelung der hier zitierten Autoren maßgebend sein. Letztlich wird unbeantwortet bleiben, ob homogene Ansichten vorliegen oder nicht. Somit ist jedem nach der Lektüre dieser Arbeit die Chance gegeben, selbst eine Klassifizierung vorzunehmen. 42 Fabellini kann die Frage, ob Korsisch Sprache oder Dialekt ist, nicht beantworten, da dies „nach sprachinternen Kriterien schwierig“ ist bzw. sich sprachpolitisch als „brisant“ erweist. 227 Lt. Fabellini hätte eine Beantwortung dieser Frage nur eine zufriedenstellende Lösung ergeben. Die Statusbestimmung eines Idioms sollte nicht allein strukturell vorgenommen werden, sondern auch unter Einbezug gesellschaftlicher Umstände. Für Leitzke-Ungerer sind Regionalsprachen „Sprachen einer Minderheit“.228 Sie klassifiziert das Korsische klar als Regionalsprache, jedoch vermischt sie gleichermaßen Regional- und Minderheitensprache. Ihrem Verständnis nach gilt es zwischen beobachtbarer Realität des Sprachgebrauchs und den Intensionen der Korsischen zu unterscheiden, um den passenden Status zu finden. Das Korsische ist nach Leitzke-Ungerer jedoch nur „Stütze der kollektiven regionalen Identität“, der schriftliche Gebrauch fällt kaum ins Gewicht, nur mündlich ist die Sprache weit verbreitet. Nach ihr hätte das Korsische keinen anderen Status „verdient“. 229 Kramers Einordnung des Korsischen ist komplexerer Natur. Sie beruht u. a. auf die Sprachverwendung einer Sprache.230 Die Sprachsituation Korsikas sieht er allgemein als „Zweieinhalbsprachigkeit“.231 Er unterteilt das „2 1/2“ in „Sprache A“, „Sprache B 1“ und „Sprache B 2“. Die „Sprache A“ ist hierbei die Sprache, die das höchste Prestige innehat und von Grund auf schulmäßig erlernt wird, die „Sprache B 1“ die überregionale, nicht lokal verankerte Varietät in traditionsreicher schriftsprachlicher Form, mit weniger geringem Prestige als „Sprache A“. Die „Sprache B 2“ ist die regionale Varietät, erste Schritte zu einer Normierung und Verschriftlichung sind vorhanden, also die erste Phase eines Ausbaus.232 Nach Kramer ist auf Korsika „Sprache A“ 227 Fabellini 2009, S. 95 f. Leitzke-Ungerer 2004, S. 39. 229 Ebd. 230 Hier werden bereits Aspekte der Sprachverwendung angesprochen, die in einem eigenen Punkt der Arbeit noch genauer zum Ausdruck kommen. Dieser Vorgriff ermöglicht jedoch eine präzisere Einstufung des Korsischen nach Kramer. 231 Kramer, Johannes: Zweieinhalbsprachigkeit. Fallstudien zu Korsika, Curaçao, Seychellen, Gröden, Luxemburg. In: Marti, Roland (Hg.): Sprachenpolitik in Grenzregionen. Politique linguistique dans les régions frontalières. Saarbrücken 1996, S. 117 f. 232 Somit kann auch ergänzend von einer „Ausbausprache“ gesprochen werden. 228 43 Französisch, die „Sprache B 1“ Italienisch und die „Sprache B 2“ Korsisch.233 So sieht er das Korsische als „Neuschöpfung“ einer Regionalsprache, die das Italienische als „verwandte und geläufige überregionale Traditionssprache verdrängte“234. Das Französische hat dabei eine unveränderte Stellung im Sprachensystem. Es ist in allen Domänen Erstsprache, das Korsische hat nur eine „bescheidene offizielle Rolle“, der Gebrauch des Korsischen sei in der Sphäre der Öffentlichkeit nicht vorgesehen.235 Bochmann ordnet das Korsische zunächst den „neoromanischen Sprachen“ zu, bezeichnet es aber auch als „den angeblich toskanischsten aller italienischen Dialekte“.236 Auch er verankert die Einordnung eines Idioms in das Sprachbewusstsein und dessen sprachpolitische Aktion. Zur Einordnung und Katalogisierung konfrontiert Bochmann das Korsische mit dem Italienischen, den italienischen Dialekten und Begriffen wie „dachloser Außenmundart“.237 Er untersucht Zusammenhänge dialektaler Formen anhand von grammatikalischen Gegebenheiten und kommt zum Schluss, dass sich das Korsische vom Standarditalienischen zwar abhebe, „weniger oder gar nicht aber von den süd- und mittelitalienischen Varietäten des Sardischen.“238 Für ihn ist Korsisch eine „italoromanische Ausbausprache“.239 Thiers ordnet den Status des Korsischen soziolinguistischen Aspekten unter: Le corse fait partie du groupe italo-roman: langue conservatrice et rurale, il s’apparente au toscan rustique et aux dialectes de l’Italie centrale et méridionale, plus qu’aux variétés sardes […]. Son emploi [le terme de „dialecte“] à propos du corse est soumis aux procédés qu’utilise habituellement le discours de la minoration lingustique et culturelle. 240 233 Vergleichend dazu die Unterteilung des Luxemburgischen nach Kramer: „Sprache A“: Französisch, „Sprache B 1“: Deutsch und „Sprache B 2“: Lëtzebuergesch. 234 Kramer 1996, S. 118. 235 Ebd., S. 120. 236 Bochmann 1999, S. 21 ff. 237 Ebd., S. 23. 238 Ebd., S. 28. 239 Ebd. 240 Thiers Jacques: Multilinguisme en Corse. Situation et Perspectives. Corte 1985, S. 1 ff. 44 Korsisch ist für ihn „langue roman comme le français ou l’italien“.241 Somit ähnelt seine Charakterisierung die der vorhergehenden aufgeführten Klassifizierung. Farrenkopf betont, das Korsisch auf der Insel einfach als „Sprache“ bezeichnet wird. Viele Korsen seien gegen eine Abwertung ihrer Sprache mit Zusätzen wie „Regional“ oder „Minderheiten“, im Wissen, dass das Korsische nicht als Amtssprache anerkannt ist. 242 Freilich ist die Zuordnung des Korsischen zu einer Sprachform diversen Prozessen ausgesetzt und somit variabel. Bindend kann die Frage der Kategorisierung wohl nicht beantwortet werden. Die aufgeführten Eingliederungsversuche stehen stellvertretend für eine Vielzahl anderer Autoren, die hierbei gewiss nicht alle zum Ausdruck kommen können. 5.3 Die korsische Sprache Zur korsischen Sprache zählen alle Mundarten Korsikas, außer der der Stadt Bonifaziu. Diese Stadt bildet eine Sprachinsel mit eigenem Dialekt.243 Mehrheitlich wird Korsisch den italoromanischen Sprachen zugeordnet.244 Andererseits wird in einigen Monographien herausgestellt, dass über die Einordnung des Korsischen oft diskutiert wird. Sie ist eine relative „neue“ Sprache, die sich lt. Hofstätter im Sprachausbau zur vollwertigen Schriftsprache befindet.245 Korsisch sei eine ambivalente Lage zwischen Französisch und Italienisch zuzuschreiben, sowohl sprachhistorisch, wie auch 241 Ebd. Farrenkopf 2011, S. 55. 243 In Bonifaziu spricht man einen ligurischen Dialekt genuesischen Typs. – Vgl. Jerger 2004, S. 9. – Für präzisere Erläuterungen siehe auch: „Le bonifacien, c‘est inconnu.“ in: Comiti 1992, S. 59 ff. 244 Im davorliegenden Kapitel wurde darüber bereits ausführlicher gesprochen. 245 Hofstätter Klaus: Soziolinguistische und pragmalinguistische Probleme bei der Kodifikation des Korsischen. In: Dahmen, Wolfgang (Hg.): Zum Stand der Kodifizierung romanischer Sprachen. Tübingen 1991, S. 39. 242 45 soziolinguistisch. Sie ist eine der lebendigsten Minderheitensprachen Frankreichs.246 Dadurch, dass das Korsische sowohl eine Nähe zum toskanischen Dialekt im Norden, sowie zum sardischen Dialekt im Süden aufweist, ergibt sich eine traditionelle Gliederung Korsikas in zwei diatopische Großräume, die Trennungslinie bildet ein Gebirgszug von Nordwest nach Südost.247 Sprachforscher erkennen vorrangig die zweiteilige Gliederung des Korsischen an, da die ursprünglichen Superstrateinflüsse des Toskanischen im Norden wesentlich intensiver sind, als im Süden. Die Varianten des Südens sind meist markierte Varianten bzw. den Varianten des Nordens nachgestellt. Auch mithilfe von Sprachatlanten wird versucht, die Varietäten des Korsischen zu klassifizieren und zu normieren. 248 1863 wurde erstmals in Artikeln korsischer Tageszeitungen öffentlich thematisiert, dass das Korsische eine Sprachnormierung bedarf.249 Anhand diverser Begründungen und Darlegungen forderte man eine Verwendung des Korsischen als Schriftsprache. Obwohl zum damaligen Zeitpunkt noch keine Kodifizierung des Korsischen vorlag, sprach man bereits von einer vorhandenen „Struktur“ der Sprache, die ausgebaut werden solle.250 Da der Sprachkontakt zum Französischen Interferenzen verursachte, war eine Normierung des Korsischen unumgänglich. Sie sollte einerseits zum Erhalt der Sprache beitragen, andererseits dessen Ausbau begünstigen. Auch das bereits 246 Jerger 2004, S. 4. - Bewusst wird in dieser Arbeit auf eine Ausarbeitung diverser Daten und Fakten zu aktuellen Sprecherzahlen, etc. verzichtet, einerseits aus prioritären Gründen, andererseits, da „la realité de la corsophonie est bien inférieure de ces chiffres“ - Zitat Jacques Thiers, der sich über die statistischen Erhebungen (vorrangig Sprecherzahlen) im Bezug auf Korsika äußerte. – Ebd., S. 34. 247 Es gibt auch Autoren, die eine Unterteilung in drei, bzw. vier diatopische Räume vornehmen. - Im Anhang befindet sich eine Übersichtskarte über die „Regiolekte“ Korsikas. – siehe Anhang 3.2. 248 Lt. Farrenkopf gehört zu den bedeutsamen Sprachatlanten auf Korsika: „Atlas Linguistique de la France“ (von Jules Gilliéron und Edmond Edmont), „Atlante linguistico-etnografico italiano della Corsica (ALEIC)“ (von Gino Bottiglioni). – Vgl. Farrenkopf 2011, S. 45. Der aktuellste Sprachatlas ist der „Nouvel Atlas Linguistique de la Corse (NALC)“ (von José-Marie Dalbera-Stefanaggi). Er ist seit 1975 im Programm. Im Anhang befindet sich eine Beispielseite dieses Atlasses. Als geographischer Darstellung gibt sie die Lautverschiebung eines korsischen Wortes innerhalb verschiedener Sprachregionen Korsikas wieder. – siehe Anhang 3.3. 249 Fabellini 2009, S. 103 f. 250 Die Sprachnormierung des Korsischen stellt einen relativ neuen Aspekt in der romanischen Sprachforschung dar. 46 deutlich vorhandene korsische Sprachbewusstsein untermauerte Forderung. So folgten die ersten Stufen des Ausbaus zur Schriftsprache. diese 251 In der 2. Hälfte des 19 Jh. kam es nach und nach zur Ablösung von Texttraditionen festlandsitalienischer Muster, das Italienische wurde mehr und mehr ausgeschlossen, das Korsische gewann an zunehmender Akzeptanz. Der innersprachliche Ausbau war von der Auseinandersetzung zwischen der prestigereichen Hochsprache Realisierungsmöglichkeiten Italienisch geprägt. 252 Vor und den autochthonen allem diese „autochthone Tendenz“253 zeigt sich in der korsischen Morphologie. Durch die vorhandene dialektale Varianz des Korsischen kam alsbald die Frage auf, ob nun eine einheitliche Normierung ratsam wäre, die alle Varianten in sich vereint und „ausdünnt“ oder ob verschiedene Normen zu einer Einheit zusammengeführt werden sollten. Hier behalf man sich mit der Kategorisierung des Korsischen als „langue polynomique“. Konzeptionell wurde vereinbart, dass es nicht die eine Standardsprache Korsisch gibt, sondern eine „Einheit unter Erhalt der Vielfalt“254: [les langues polynomiques sont les] langues dont l'unité est abstraite et résulte d'un mouvement dialectique et non de la simple ossification d'une norme unique, et dont l'existence est fondée sur la décision massive de ceux qui la parlent de lui donner un nom particulier et de la déclarer autonome des autres langues reconnues.255 Unter Federführung Marcellesis haben mehrere Soziolinguisten diese Normkonzeption für das Korsische entwickelt, die die dialektale Variation 251 Es wurden auf Korsisch verfasste Dokumente gesammelt, neue Werke wurden auf Korsisch veröffentlicht. Alle „üblich“ verwendeten Wörter wurden in Wörterbüchern zusammengestellt, eine Grammatik wurde entworfen, ebenso historisch-geographische Lexika. Es kam zur Durchführung komparistischer Studien zu Sprache und Dialekten, die zur Entwicklung der korsischen Sprache beitrugen. – Vgl. Fabellini 2009, S. 103. 252 Ebd., S. 344. 253 Ebd., S. 345. 254 Farrenkopf 2011, S. 70. 255 Zitiert nach: Jean-Baptiste Marcellesi (1983). Dieser Satz agiert als Einleitung des Sammelbandes „les langue polynomiques“, der Aufsätze einzelner Sprachforscher zusammenfasst, die sich unter diversen Perspektiven mit dem Denkmodell der „langue polynomique“ auseinandersetzten. Der Band wurde im Rahmen des „colloque international des langues polynomiques“ herausgegeben, welches im September 1990 stattfand. – Vgl. Chiorboli, Jean (Hg.): Les langues polynomiques. Corte 1990. - Die Schaffung dieses normativen „Modells“ schuf unmittelbar die Frage, inwieweit diese vorgenommene Einordnung des Korsischen auch auf andere Sprachen zuträfe. 47 wahren soll und somit in Abkehr zum französischen Normverständnis steht.256 Marcellesi stellt „nicht die Frage, ob, sondern wie das Korsische eine Sprache ist“.257 Dieses Normverständnis gilt primär als „Willensbekundung der Sprechergemeinschaft“ und ist an keiner „expliziten Form festzumachen“.258 Es ist vielmehr eine „Norm des vorläufigen Nicht-Festlegens“259. Erst seit ca. 100 Jahren existiert eine eigene Wörterbuchschreibung des Korsischen, wenn auch nicht in einsprachiger, sondern mindestens in zweisprachiger Form. Ab Ende der 50er Jahre kam es zu einem forcierten Sprachausbau des Korsischen, korpus- und statusplanende Bemühungen reiften aus, wenn auch anfänglich eng mit der italienischen Dialektforschung verbunden. Wörterbücher sollten schließlich das sprachliche und kulturelle Erbe schriftlich konservieren und auch standardisieren, ebenso zu einer Ausarbeitung einer einheitlichen Orthographie bewegen.260 Diese Normierung erwies sich jedoch als schwierig. Korpusplaner sprechen von einem „Spannungsfeld zwischen Nachahmung modellsprachlicher Ausdrucksmittel einerseits und Distanzierung von Modellen Eigenständigkeit des Korsischen andererseits.“ Die Lexikografie des Korsischen zum Zwecke höherer 261 dokumentiert die jahrzehntelange Kontroverse in der Orthographiedebatte dieser Sprache. Diese Kontroversen gehen einher mit den unterschiedlichen Kodifikationsprozessen des Korsischen.262 Lt. Hofstätter gab es zwei Graphieperioden. Beide haben eine relative große Nähe zum italienischen Orthographiesystem. Abgrenzungen lassen sich in den phonetischen Eigenheiten des Korsischen erkennen, sowie in den differenzierten Variablen der Graphie und der gesprochenen Sprache.263 256 „(Das) französische Normverständnis (norme unique) ist aufgrund seiner Vermittlung durch das französische Bildungssystem fester Bestandteil des Sprachbewusstseins aller Franzosen und somit auch der Korsen, deren ethnosprachliche Realität jedoch mit einer solchen Auffassung gänzlich unvereinbar ist.“ – Jerger 2004, S. 56. 257 Ebd., S. 57. 258 Ebd. 259 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 70. 260 Da die Orthographie des Korsischen keinen Einfluss auf die Thematik dieser Arbeit hat, wird auf sie nicht weiter eingegangen. 261 Jerger 2004 - Buchrückentext 262 Eine sehr genaue Darbietung des Kodifikationsprozesses des Korsischen bietet Hofstätter. – Vgl. Hofstätter 1999. 263 Die Graphievarianten haben mehrheitlich italienische Tendenzen inne, die an das Nordkorsische mit toskanischer Typologie gelehnt sind. 48 Die heute mehrheitlich verwendete Orthographie geht zurück auf die 1971 veröffentlichte „Manuel pratique d’orthographe corse“, anfänglich „Graphie de scola corsa“ genannt.264 Diese entfernte sich von italienischen Graphiekonventionen und trieb die Systematisierung der „lingua corsa“ voran. Sie war ein Manifest der „individuation sociolinguistique“, jedoch mit mehr symbolischem als funktionalem Charakter zum Zwecke der Abgrenzung zu den „Hochsprachen“265 Italienisch und Französisch.266 So schaffte das Graphiesystem eine Voraussetzung für die Entstehung einer regional differenzierten und doch einheitlichen Schriftlichkeit der korsischen Sprache. Die Graphie des Korsischen gilt heute unter vielen Sprachforschern als hinreichend standardisiert. Die „Orthographiefrage“ sei „weitgehend gelöst.“267 Lt. Jerger bedarf es „flankierender statusplanerischer Maßnahmen des Staates für die Durchsetzung des Standards.“268 Im Moment verweilt das linguistische System der korsischen Sprache mehr oder weniger als „Konstrukt“.269 Dessen Prozess des Ausbaus kommt nur langsam und mühsam in Gang.270 Die Existenz des Korsischen hängt vom Verhalten des französischen Staates ab.271 5.4 Spracherwerb und Sprachvermittlung Die korsische Sprache war bis zur Mitte des 20. Jh. die Muttersprache aller Korsen. Bis heute weilt zwar das Bewusstsein, dass diese Sprache als Muttersprache erworben wird, jedoch ist sie dies nur dem Anschein nach.272 264 Hofstätter 1991, S. 153. Ebd. 266 Die wichtigste Leistung dieser Graphie war die Lösung des Problems der Wiedergabe konsonantischer Variation, also die einheitliche Schreibung der regional unterschiedlichen realisierten schwachen Varianten. – Vgl. Hofstätter 1991, S. 155. - Kritisch wird hier auch von einer „Abschwächung der Charakteristika“ des Korsischen gesprochen, die mitunter zu einer „Lesesprache“ minimiert wird. 267 Die Verwendung einer einheitlichen Orthographie durch Lehrer, in Zeitungen und in diversen literarischen Werken sicherte dessen Verbreitung ab. Lt. Hofstätter ist eine „vermehrte Verwendung des Korsischen im Schriftgebrauch absehbar“ – Vgl. Hofstätter 1991, S. 165. - Dennoch erhebt sich die Frage, inwieweit dieser Prozess „intakt“ verläuft, da das Angebot an korsischsprachigen medialen Produkten bereits schwindet. 268 Jerger 2004, S. 319. 269 Ebd. 270 Vgl. Hofstätter 1991, S. 165. 271 Siehe Kapitel 7.2 dieser Arbeit. – Die „Zukunft“ des Korsischen wurde auch in der empirisch durchgeführten Studie thematisiert. 272 Vgl. Fabellini Simona: Korsisch. In: Janich, Nina / Greule Albrecht (Hg.): Sprachkulturen in Europa. Ein internationales Handbuch. Tübingen 2002, S. 132 f. 265 49 Jerger macht dies am Begriff der Muttersprache fest: Bis heute wird er mit Erst- oder Primärsprache gleichgesetzt, doch in mehrsprachigen Gesellschaften hat die zeitliche Reihenfolge der beteiligten Sprache(n) keine allgemeine Bedeutung. Das Korsische wurde zu Beginn ausschließlich (traditionell) im familiären und privaten Sektor erworben.273 Unklar ist der Zeitpunkt, ab wann und in welcher Form Französisch „privat“ als erste Sprache „anerzogen“ wurde.274 Feststeht, dass weder Korsisch, noch Französisch auf eine lange Geschichte als öffentlich vermittelte Sprache zurückblicken können.275 Einhergehend mit der Toskanisierung Korsikas276 war zunächst Italienisch für lange Zeit einzige Bildungs- und Unterrichtssprache. Im Rahmen der jakobinischen Sprachpolitik, die auch auf Korsika vorangetrieben wurde, ist die italienische Unterrichtssprache förmlich vertrieben wurden, Frankreich vertrat die ideologische Einstellung: „Transkulturation der alloglotten Sprachgebiete“.277 1793 wurde damit begonnen, Französisch als Schulsprache und Unterrichtssprache zu etablieren, systematisch wurde sie in Grundschulen und weiterführenden Schulen implantiert. Dies erwies sich jedoch als schwierig und war praktischen, politisch-ideologischen Sichtweisen geschuldet.278 Zunächst gab es keine kompetenten Französischlehrer auf Korsika, für die Bildung rein französischer Schulen fehlten die finanziellen Mittel. 1826 trat ein entscheidender Wendepunkt ein: Italienisch wurde gänzlich als Unterrichtssprache verboten, 273 „Erwerben“ steht hier in der sprachwissenschaftlichen Einbettung des „Spracherwerbs“, also der gesteuerten und ungesteuerten Sprachvermittlung, die bereits ab dem Babyalter empfangen werden kann. Später folgt Lautentwicklung, Syntaxerwerb, usw., die „Kindersprache“ wird dann zur „Erwachsenensprache“ entwickelt. - Vgl. Glück 2005, S. 613 f. 274 Als äußert interessant erscheint eine epochale Untersuchung des geschichtlich bedingten Spracherwerbes auf Korsika. Dabei könnte die Frage gestellt werden, wann und wie welche Sprache als Muttersprache von den Korsen generativ vermittelt und erlernt wurde. Dies kann sowohl diatopisch als auch diastratisch interessante neue Relationen aufdecken. 275 Im Fragebogen der durchgeführten Fallstudie taucht ebenfalls die Frage auf, ob und in welcher Form die korsische Sprache erlernt wurde (von den Eltern, Schule, autodidaktisch, etc.) – siehe Kapitel 6 / Anhang 1. 276 Betrachtungen diverser Sprachvermittlung auf Korsika die weiter zurückgehen als die Toskanisierung werden hier nicht berücksichtigt. – siehe Fußnote 285. 277 Fabellini 2009, S. 52 f. 278 Bereits mehrfach wurde in dieser Arbeit veranschaulicht, dass sich Korsika bis heute als eine „unbequeme“ Region Frankreichs titulieren lässt. 50 gezielt wurden muttersprachliche Lehrer eingesetzt. Einen „Abschluss“ bildeten die Gesetze von Jules Ferry 1881/1882, der allen Kindern kostenlosen Zugang zum Unterricht gewährte, bei dem jedoch ausschließlich Französisch Unterrichtssprache sein sollte. Für alle Schüler war ab diesem Zeitpunkt Französisch als Lehrsprache vorgesehen, das Erlernen dieser Sprache war fortan obligatorisch. Korsisch hat im Gegensatz zum Französischen einen ethisch-identitären Wert inne. Dessen Steigerung, durch „angewandte“ sprachliche Realität279, war auch im (politischen) Interesse vieler Korsen. Durch die Vermittlung des Korsischen im Sprachunterricht sollte dieses kulturelle Gut „Sprache“ bewahrt werden.280 Dem gleichzusetzen war erwartungsgemäß auch die Absicht, die korsische Sprache sowohl in der Öffentlichkeit progressiv zu manifestieren und einhergehend durch Sprachnormierung den Sprachausbau des Korsischen weiter voranzutreiben. Mit Skepsis wurde zunächst die 1974 vom Dekret „Loi Deixonne“ geschaffene Möglichkeit aufgenommen, fakultativ Korsisch mit einer Wochenstunde erlernen zu können. Jedoch stieg die Teilnehmerzahl der Kurse, gleichwohl die Einführung eines verpflichtenden Korsischunterrichts in den 80er und 90er aus politischen Gründen scheiterte.281 Wenn auch nicht obligatorisch, wurde der Sprachunterricht an Grundschulen ab 1982 auf eine bis drei Wochenstunden ausgebaut, an weiterführenden Schulen in Form unterschiedlicher Modelle (Zweit- oder Drittfremdsprache). Mit dem 1989 getätigten Abkommen zwischen der „Assemblée de la Corse“ und dem französischen Staat erfuhr die Sprachvermittlung des Korsischen einen weiteren Schub: Korsischlehrer wurden systematisch ausgebildet, Workshops wurden teils bilingual durchgeführt282, der korsische Schulunterricht wurde progressiv ausgebaut.283 Korsika und somit der französische Staat verpflichtete 279 Jerger 2004, S. 35. Vgl. Fabellini 2002, S. 132. 281 Natürlich beruht dies auf den (sprach)politischen Spannungen zwischen Frankreich und Korsika. – siehe vorheriges Kapitel. 282 Vereinzelt werden an bilingualen Grundschulen Korsikas mehrsprachige Workshops angeboten (vor allem auf „Französisch-Korsisch“) – siehe Anhang 4.6. 283 Es wurden bilinguale Klassen in Grund- und weiterführenden Schulen organisiert, ebenso wurden in höheren Schulen „mediterrane Klassen“ (neben Korsisch eine weitere romanische Fremdsprache) oder „romanische Klassen“ (Latein und zwei romanische Sprachen) gebildet. – Vgl. Fabellini 2002, S. 132. 280 51 sich 2000, Korsisch regulär in den Stundenplan mit aufzunehmen. Fast 80 % aller Grundschüler besuchten den angebotenen Korsischunterricht. An weiterführenden Schulen sind derzeit abnehmende Teilnehmerzahlen zu beobachten.284 Bemerkenswert ist, dass man Korsisch zuerst an den Universitäten des Festlandes erlernen konnte (zunächst 1968 Aix und Marseille, dann 1970 und 1972 in Nizza und Paris), bevor es 1981 erstmals ein Lehrangebot an der (wieder) eröffneten Universität in Corte gab.285 Dem gingen Jahre zuvor durchgeführte Vorlesungen an der Sommeruniversität voraus, die „demonstrativ“ auf Korsisch abgehalten wurden. Ab 2000 wurde Korsisch gänzlich an den Hochschulen integriert, in allen Studiengängen der Universität Paoli in Corte ist es nunmehr obligatorisches Beifach. Dort ausgebildet werden ebenfalls Grundschullehrer, die die korsische Sprache später an Schulen vermitteln sollen. Vereinzelte Seminare werden in korsischer Sprache abgehalten. Dies ist ein Novum und gilt als besonderes Augenmerk. Dennoch dominiert Französisch im Bildungssektor und Bildungseinrichtungen Korsikas. Sie ist nachwievor Sprache des „Schulhofes“ und des „Campus“, wenn gleich sämtliche Beschilderungen der Universität von Corte in korsischer Sprache sind.286 Sowohl an Grund-, wie weiterführenden Schulen Korsikas ist ein Unterrichten in ausschließlich korsischer Sprache vorerst nicht absehbar. 284 Aus eigenen Beobachtungen und selbst durchgeführten Gesprächen im Rahmen meiner empirischen Untersuchung in Bastia und Ajaccio wurden mir beispielsweise für die Stadt Bastia vier Schulen genannt, an denen die korsische Sprache teils bilingual vermittelt wird. Die Eltern können dabei selbst entscheiden, ob ihr Kind nur französisch oder bilingual unterrichtet werden soll. Ersteres Angebot wird vorrangig von Kindern wahrgenommen, deren Eltern nichtkorsisch sind, bzw. deren Eltern nur vereinzelte oder gar keine Sprachkenntnisse des Korsischen besitzen. (Mir wurde ganz klar gesagt, dass manche Eltern nicht möchten, dass ihr Kind besser Korsisch spricht als sie selbst und es demzufolge am bilingualen Unterricht nicht teilnimmt darf.) Mit der Direktorin der bilingualen „École Toga“ in Bastia führte ich ein kleines Interview, in denen u. a. auch diese sprachvermittelnden, bzw. pädagogischen Schwerpunkte des Korsischen angesprochen wurden. Der stellvertretende Direktor des „Lycée Laetitia“ in Ajaccio (das größte auf Korsika) fasste zusammen, dass von den 1300 Schülern, die das Gymnasium besuchen, lediglich 50 Schüler die korsische Sprache weiterführend erlernen, die hier als „Fremdsprache“ neben Englisch, Italienisch oder Deutsch angeboten wird. Somit bestätigen meine Untersuchungen die genannte Tendenz, dass mit Anstieg der Klassenstufe die Anzahl der Schüler, die Korsisch erlernen, abnimmt. - Einhergehend mit Fragen zur Identitätsverknüpfung und zu schulischen Alternativen beschreibt Ottavi die Problematik des bilingualen Unterrichts sehr präzise. - Vgl. Ottavi Pascal: Le bilinguisme dans l’école de la république? Le cas de la Corse. Ajaccio 2008. 285 „Certificat de langue, littérature et civilisation corses“ – Vgl. Fabellini 2002, S. 132. 286 Siehe Anhang 4.3. 52 Ausnahmen bilden hier vereinzelte Projekte oder Sprachkabinette, sei es kombinierter Unterricht in der Schule (Sachkunde auf Korsisch bzw. Mathematik auf Korsisch) oder einzelne auf das Korsisch fixierte Lehrveranstaltungen der Universität im Rahmen von Jubiläen, o. ä. Zwar steigt im Bereich der Bildung die Dominanz des Korsischen287, jedoch obliegt Französisch nachwievor, da dem Korsischen jedweder offizielle Status fehlt, welcher gleichwohl auch von Vertretern dieses Sektors zentral gewünscht wird.288 Durch den dominierenden Sprachausbau im Bereich des Bildungssektors entsteht ein Sprachphänomen das in soweit darin besteht, dass die jüngeren Generationen über ein besseres Sprachvermögen des Korsischen verfügen, als die ältere Generation, obwohl letztere der korsischen Sprache weit besser vertraut ist. Geschuldet ist dies u. a. dem Graphiesystem, welches mit der Sprachnormierung einher geht.289 287 288 289 Paradox erscheint, dass der Gehalt der korsischen Sprache im Bereich der Bildung progressiv zunimmt und ausgebaut wird, währenddessen er beispielsweise im medialen Bereich stetig an Gehalt verliert. Offen bleibt die Frage, wie viele Kinder, bzw. Schüler das Korsische tatsächlich nur traditionell familiär erlernt haben, bzw. ob jene auch im privaten Bereich diese Sprache sprechen, also außerhalb des Unterrichtes mit ihr in Kontakt kommen. Goebl sagt dazu: „Spätestens mit der Pubertät sind fast alle Korsen zweisprachig, haben im Umgang mit Älteren, Freunden, Verwandten, auf der Straße und im Café das Korsische dazugelernt.“ – Goebl 1988, S. 834. „Paradoxalement ce sont aujourd’hui les jeunes générations qui, tout en le pratiquant très peu, savent écrire le corse grâce à son enseignement dispensé dans les écoles. Les anciens, n’ayant fréquenté généralement la langue qu’oralement, éprouvent des difficultés à s’approprier un système ortographique qu’ils qualifient souvent de complexe.“ – Comiti 2005, S. 138. 53 5.5 Sprachverwendung / Sprachgebrauch / Sprachkontakt Für gewöhnlich fallen beim Betrachten und Charakterisieren des korsischen Sprachraumes zwei Sprachen auf: Französisch und Korsisch. Über ihre Sprachverwendung ist man sich größtenteils einig: Auf Korsika überwiegt eine Diglossiesituation.290 Doch dies ist nur die „Fassade“. Spätestens seit der historischen Betrachtung des Korsischen in dieser Arbeit fällt auf, dass am Sprachkontakt Korsikas mehr als nur zwei Sprachen beteiligt sind. Neben den eben genannten gehör(t)en noch das Standarditalienisch und das Toskanische dazu. Thiers spricht auch von einer Triglossie Korsikas, also von drei Sprachen, wenngleich er dem zugefügten Italienisch nur noch einen „virtuellen“ Wert einräumt. Lt. Jerger setzt die Diglossie bilinguale Kompetenz voraus, die Triglossie somit auch die des Italienischen. Jedoch nimmt auch das Italienisch eher eine identitäre Rolle ein, Sprachkompetenzen sind eher zweitrangiger Natur, vor allem bei den jüngeren Sprechern.291 Im Laufe der Geschichte erfuhr Korsika einen Sprachwandel. Man spricht dabei vom Wechsel zweier Sprachkontaktszenarien.292 Ersterer ist der historisch weiter zurückliegende Sprachkontakt „Korsisch-Italienisch“, der zweite Sprachkontakt entspricht dem derzeitigen Sprachstatus Korsikas: „Korsisch-Französisch“. Der Sprachkontakt Korsisch-Italienisch ist das Resultat der politischgeschichtlichen Toskanisierung des Inselidioms und geht somit auf eine weit 290 „Form von Zweisprachigkeit, die sich in der herkömmlichen Konzeption (…) nicht auf zwei eigenständige Sprachen bezieht, sondern auf Varietäten derselben Sprache. Allerdings sind es strukturell und funktional deutlich divergierende Varietäten ohne graduelle Übergänge, wie sie ansonsten oft zwischen Dialekten, Pidgins oder Kreolsprachen und Standardvarietäten bestehen. Jedoch gibt es eine Affinität zwischen einer Diglossie und einer Dialekt-Standard-Situation.“ – Glück 2005, S. 145. - Vor allem Thiers und Comiti setzen sich dennoch mit der Frage auseinander, inwieweit die Diglossie Korsikas vom Bilingualismus abgegrenzt werden kann bzw. sollte. Allgemein ist in vielen Veröffentlichungen vereinfacht vom „mehrsprachigen“ oder „multilingualen“ Raum Korsikas die Rede. 291 Vgl. Jerger 2004, S. 35. 292 Sprachkontakt: „Aufeinandertreffen zweier oder mehrerer Sprachen meist durch geographische Nachbarschaft ihrer Sprecher. Voraussetzung ist, dass Kommunikation über die Grenzen der jeweiligen einzelnen Sprachgemeinschaft hinweg erfolgt.“ – Glück 2005, S. 620. 54 zurückliegende Epoche zurück.293 Die Diglossie Korsisch-Italienisch war u. a. vom Bildungsniveau der einzelnen Sprecher abhängig. Italienisch war Distanzund Bildungssprache, Korsisch Nähesprache.294 Als überwiegend „passiv“ werden die Kenntnisse der damaligen Sprecher des Italienischen eingestuft, da der „aktive“ Sprachgebrauch aufgrund der geringen Alphabetisierungsrate eher eine Minderheit bildete.295 Bis in die erste Hälfte des 20. Jh. ist dieser Sprachkontakt beobachtbar, jedoch wird er lt. Jerger in der Wissenschaft weitgehend tabuisiert. Beim Sprachausbau jedoch, vor allem bei der Lexikografie wird Italienisch einer großen Bedeutung zugeschrieben. Man näherte sich bei der Korpusplanung des Korsischen dem Italienischen bewusst an, um sich so vom Französischen zu distanzieren, nicht ohne Probleme seitens der Positionierung.296 Der Sprachkontakt Korsisch-Französisch reicht bis in die Anfänge des 19. Jh. zurück und geht einher mit der französischen Herrschaftsübernahme und Durchsetzung der jakobinischen Sprachpolitik.297 So muss die italienischkorsische Diglossiesituation der französisch-korsischen Konkurrenzsituation weichen, Italienisch wurde progressiv verbannt. Der Wechsel von Italienisch zu Französisch als Bezugssprache vollzog sich dabei nicht abrupt sondern eher heterogen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Sprachkontakt erfolgte zu Beginn der 80er Jahre in Corte. Schwierigkeiten erwiesen sich auf terminologischer Ebene.298 Thematisiert wurde des Öfteren auch, ob nicht innerhalb informeller Kontexte eher von „code-switching“299 die 293 Die Latinität schloss u. a. die Inseln Korsika und Sardinien zu einem Sprachgebiet zusammen. – Vgl. Fabellini 2002, S. 129. 294 Bis heute hat das Italienisch diesen Status nicht wieder erlangt, es spielt nur noch eine untergeordnete Rolle im öffentlichen Sprachraum. Jedoch ist ihr bemessener Wert an „korsischer Identität“ um ein vielfaches höher als der des Französischen. Es stellt sich die Frage, ob dem Französischen vonseiten der Korsen überhaupt ein ideeller, identitätsbezogener Wert zugeschrieben wird. 295 Jerger 2004, S. 45 f. 296 Siehe Punkt 5.3 dieser Arbeit. 297 Französisch sollte dabei ausschließlich existierende Sprache werden. Gefordert wurde eine stetige Verbreitung des Französischen in alle Regionen sowie eine Verdrängung und Auslöschung der dortigen Mundarten. – siehe Punkt 4.3 dieser Arbeit. 298 Es ist u. a. von Französisch und Korsisch als Dialekt die Rede, dann von Regionalfranzösisch und korsischer Sprache, etc. 299 „Wechsel zwischen zwei Sprachen oder Dialekten innerhalb einer Äußerung oder eines Dialoges bei bilingualen Sprechern/Schreibern, meist durch Kontextfaktoren bedingt.“ – Glück 2005, S. 633. 55 Rede sein sollte, als von Diglossie.300 Ebenso wurde dem Französischen teilweise „nur“ der Status eines Regionalfranzösisch zugeschrieben, als tertiärer Dialekt des Französischen, der das Substrat einer Ethnosprache enthält.301 Die Mehrheit der Sprachforscher sind der Auffassung, dass das „français régional“ der „réalisation corse du standard français“ entspricht. Insgesamt wird der Einfluss des Korsischen auf die französische Sprache weitaus mehr geschätzt, als umgekehrt.302 Die aktuelle Sprachsituation Korsikas kann zudem als „diglossischer Konflikt“ bezeichnet werden: Korsisch und Französisch stehen in Folge politischer und sozialer Bedingungen im Verhältnis von beherrschender und dominierender Sprache. Erst dadurch konnte das korsische Sprachbewusstsein entstehen. Mit der früheren Dachsprache Italienisch war diese Gesinnung nicht möglich.303 In den letzten Jahren soll sich das Korsische progressiv von den Beschränkungen des nähesprachlichen Bereiches gelöst haben, hin zum Vordringen in den Distanzbereich. Das Korsische betritt nunmehr Sprachsektoren, die traditionell dem Französischen vorbehalten waren.304 Lt. Jerger sei es mittlerweile primär Initiative jedes Einzelnen darüber zu entscheiden, welche der zwei Sprachen er in konkreten Sprachsituationen auswählt.305 Dennoch bleibt die korsische Sprache bis heute in zentral gesellschaftlichen Bereichen unterrepräsentiert.306 Diese öffentlichen Bereiche werden im folgenden Punkt konkreter untersucht. Es wird überprüft, ob und inwieweit beide Sprachen jeweils dominieren und wodurch dies verursacht wird. 300 Jerger 2004, S. 48. Ebd. – Weiter heißt es: „Während die Ethnosprache Korsisch als Ausgangsprache auf lange Sicht dem Sprachtod einheim fällt, ensteht durch Substratinterferenz eine instabile temporäre Sprachform, die der Zielsprache Französisch mehr oder weniger angenähert ist.“ – Ebd., S. 51 f. 302 Mehr zum „français régional“ siehe: Thiers 2008, S. 258 ff. 303 Vgl. Fabellini 2002, S. 130. – Fabellini stützt sich hierbei auf Jacques Thiers und Alexandra M. Jaffe. 304 Vgl. Jerger 2004, S. 37 f. 305 Jerger 2004, S. 39. - Hier ist unklar, ob Jerger Sprachsituationen mündlicher Art, also die Nähesprache meint, oder schriftliche Kommunikation, also die Distanzsprache. Auf letztere Sprache würde die Aussage eher weniger zutreffen, zumindest im Bezug auf die aktuelle Sprachsituation Korsikas. 306 Ebd. 301 56 5.6 Sprachsektoren Die folgende Selektion von Sprachsektoren soll aufzeigen, in welchem Maße das Korsische bzw. das Französische im öffentlichen Raum vertreten ist.307 Lt. Chiodi-Tischer machen französischsprachige Beschilderungen den Hauptanteil der heutigen Straßennamen Korsikas aus.308 Fast alle Namen waren einhergehend mit der Französisierung übersetzt worden, die Gattungsbezeichnungen der Namen erfolgte ebenfalls zum größten Teil in Französisch (Rue, Boulevard, Avenue, Place, etc.). In Porto-Vecchio, IleRousse und Propriano sucht man heute vergeblich korsische Namen. Die Auswahl der Straßennamen ist von der politischen Zugehörigkeit der jeweiligen Stadtverwaltung abhängig.309 Die tradierten Straßennamen haben dabei einen direkten Bezug zum kennzeichnenden Ort, eine spontane Namensgebung erfolgt heute nicht mehr.310 Es fällt auf, dass die Korsen teilweise die „Unsitte“ der Franzosen übernommen haben sollen, französische Namen ins Korsische zu übertragen (Napuleone, Cristofanu Culombu).311 Die Ortsnamen sind größtenteils französisiert worden, durch Nachdruck vonseiten der Autonomen Korsikas wurde bei Straßenbeschilderungen die korsische Entsprechung hinzugefügt. Zusammenfassend fügt Chiodi-Tischer an, dass das „toskanisch-genuesisch-korsische Sprachgut trotz Hindernisse nicht in Vergessenheit geraten ist.“312 307 Dieser Überblick dient als Veranschaulichung der momentanen Sprachsituation auf Korsika, so dass historische Bezüge, wenn sie denn erwähnt werden, nur als kurze Ergänzung dienen. 308 Chiodi-Tischer 1999, S. 303 ff. 309 In Bezug auf die Namensgebung von Straßen in verschiedenen Städten Korsikas führte Chiodi-Tischer eine Untersuchung durch (Bastia, Ajaccio, Bonifacio, Calvi, Corte, Sartene, Porto-Veccio, Ile-Rousse, Propriano). Sie kam zu dem Entschluss, dass fast die Hälfte der korsischen Straßennamen Persönlichkeiten gewidmet sind, dem folgen Religionen und Flurnamen (namentliche Bezeichnung eines kleinräumigen Landschaftsteils). Die Flurnamen waren den wenigsten Veränderungen unterworfen, in der Regel erfolgte die Schreibweise auf Korsisch, bzw. Toskanisch (Campo dell’Oro, Erbajolo, Pietralba). – Vgl. Chiodi-Tischer 1999. 310 Ebd., S. 14 ff. 311 Ebd., S. 306. 312 Ebd., S. 307. 57 Der Rundfunk 314 bestimmt. 313 Korsikas wird entscheidend von staatlichen Gesetzgebungen Lt. Teissier sei Frankreich gegenüber anderen europäischen Ländern mit der Umsetzung des lokalen Rundfunks im Verzug, nicht zuletzt aus historisch-politischen Gründen. Lösungswege sollen aber bereits gefestigt und ausgebaut worden sein.315 Die Regionalsprachen werden im Rundfunk auf normativer Ebene berücksichtigt, nicht aber institutionell. Der öffentlich-rechtliche Hörfunk wird von staatlichen Unternehmen gelenkt. Lt. Art 8 des Gesetzes No. 2000-719 hat der staatliche Rundfunk „regionalen Ausdruck über dezentralisierte Antennenanlagen im gesamten Territorium zu ermöglichen.“316 „Radio France“, die öffentlich-rechtliche Hörfunkanstalt Frankreichs, entwickelte in den 90er Jahren das „Radio Corse Frequenza Mora (RCFM)“.317 Dieses Programm sendet vereinzelt zweisprachig und ist der mit 70 % am häufigsten gehörte Radiosender Korsikas.318 Das bilinguale Programm RCFMs sieht Jaffe in mehreren Dingen als „pluralistisch“ an, nicht nur dadurch, dass aufgrund der bei Übersetzungen oder Übertragungen von Nachrichten verwendeten Wortauswahl eine völlig neue Radiosprache entwickelt werden kann, die zum Teil, unabhängig vom französischen Festland, Neologismen u. ä. hervorbringt.319 Häufig kommt es innerhalb von Radiosendungen vor, dass Wortanteile korsisch-französische Sprachmischungen aufweisen („code-switching“), sei es bei „Call-In“ 313 Hörfunk und Fernsehen Die Gebietskörperschaften haben keine unmittelbare Kompetenz im Rundfunkbereich. – Vgl. Teissier 2005, S. 64. 315 Ebd., S. 69. 316 Die musikalischen Werke in Französisch oder Regionalsprache sollen dabei 40 % des gesamten Musikangebotes ausmachen, gesetzlich wird jedoch nicht festgelegt, wie das prozentuale Verhältnis zwischen Französisch und Regionalsprache sein soll. - Teissier 2005, S. 64. 317 Siehe Anhang 4.4. 318 Zum Vergleich: „Radio France Alsace“: 27h / Woche (zweisprachig), „Radio France Toulouse“: 1h / Woche (zweisprachig), „Radio France Amorique“: 2h / Woche (dreisprachig: Französisch, Bretonisch, Oїl – Sprachen) – Vgl. Teissier 2005, S. 65. 319 „The radiospace (von RCFM) ist also plural in a number of other important ways: a) RCFM’s Corsophone announcers come from all parts of the island and represent a range of regional varieties of Corsican. b) the programm includes different registers of Corsican. c) particulary in the comedy and listener call-ins, you can hear both distinctly regional (corsicanized) variety of French and a distinctly modern (frenchified) variety of Corsican. d) listeners and radio staff exhibit a range of levels of competence that is an accurate representation of the current sociolingustic picture.“ – Jaffe, Alexandra M.: Ideologies in action. Language politics on Corsica. Berlin / New York 1999, S. 248. 314 58 Sendungen, Interviews oder Doppelmoderationen.320 Ebenso ist das Radio die renommierteste „Bühne“ um die „langue polynomique“ „vorzuführen“. Hier tritt auch das Phänomen des „francorse“ 321 praktisch zu Tage. Das auf Korsika terrestrisch empfangbare Angebot an Radiosendern ist mit dem des Festlandes identisch.322 Hinzu kommen weitere teils korsischsprachige Radiosender wie „Alta Frequenza“, „Voce Nustrale“, das kirchliche Radio „Salve Regina“ u. a. Bis heute existiert kein rein korsischsprachiges Radioprogramm, sei es im privaten wie im öffentlich-rechtlichen Sektor. Somit dominiert das französischsprachige Angebot. Das staatliche Fernsehen hat die Aufgabe, Fernsehprogramme zu entwickeln und zu programmieren, die einen nationalen, regionalen oder lokalen Charakter aufweisen.323 „France 3“, als staatliches Fernsehen, hat den Sendeauftrag, die Hauptregionalsprachen, die auf dem europäischen Festland gepflegt werden zu fördern und über regionale und lokale Ereignisse zu informieren.324 „France 3 Corse“, der korsische Ableger, sendet lediglich 2 Stunden pro Woche zweisprachig.325 Parallel dazu kann man alle Fernsehprogramme Frankreichs empfangen.326 Anhand der auf Korsika empfangbaren Fernsehsender lässt sich eine völlig dominante Stellung des Französischen ablesen. Stark nachgefragt sind lokale Fernsehsender und Regionalprogramme, das bisherige Angebot ist unzureichend. Das Lokalfernsehen Korsikas bildet somit eine Marktlücke. Aus der Geschichte Korsikas ist bekannt, dass vor allem die Zeitungen Sinnbild und Symbol für die korsische Identität waren und für einen „Willen zur Eigensprachlichkeit“327 standen, wenn sie denn auf Korsisch erschienen sind. 320 Vgl. Marcellesi, Jean-Baptiste / Thiers Ghajacumu: Sociolinguistique. A lingua corsa è a so situazioni sociolinguistica. In: Holtus, Günter (Hg.): Lexikon der romanistischen Linguistik (Bd 4.). Tübingen 1988, S. 816. 321 „(…) kontaktinduzierte Varietät mit Französisch als Muttersprache, also ein Französisch mit korsischen Einschüben“ – Farrenkopf 2011, S. 95. 322 Empfang per Satellit ist hier nicht gemeint. 323 Vgl. Teissier 2005, S. 65. 324 Ebd. 325 Diese und folgende Sendezeiten wurden von Teissier übernommen (Stand 2005) - Zum Vergleich: „France 3 Alsace“: 1h / Woche (zweisprachig); „France 3 Ouest“: 1.6 h / Woche (zweisprachig) – Ebd. - Auch der Internetauftritt der jeweiligen Regionalsender (hier „France 3 Corse“) ist fast flächendeckend in französischer Sprache. - Vgl. http://corse.france3.fr/ 326 TF1, France 2 / 3 / 5 / 0, M6, ARTE, etc. 327 Goebl 1988, S. 832. 59 Korsischsprachige Zeitungen waren meist Anstoß oder Resultat etwaiger Sprachbemühungen, dass Korsische weiter auszubauen. Sie sind „Indikator“ für das Korsische im Alltag.328 Einsprachige Publikationen sind jedoch die große Ausnahme geworden, „korsischsprachige Zeitschriften werden immer wieder lanciert, erscheinen bald unregelmäßig und werden dann in der Regel wieder eingestellt.“329 Auf Korsika sind es vor allem die Tabakgeschäfte, die zahlreiche Printmedien anbieten. Jedoch entspricht das Sortiment an Zeitungen und Zeitschriften de facto dem des französischen Festlandes. Momentan erscheinen lediglich zwei lokale Tageszeitungen auf Korsika: „Corse-Matin“ und „24ore“. Auch diese beiden Printmedien werden in französischer Sprache publiziert. Im Bereich der Justiz und Verwaltung gilt seit 1852, dass für alle offiziellen Schriftakte die französische Sprache obligatorisch ist.330 Mittels staatlich verfügter Verbote vonseiten Frankreichs wurde zuvor das Italienisch als „amtliche“ Distanzsprache systematisch aus der Verwaltung verdrängt. Heute ist Französisch ausschließlich „Behördensprache“, das Korsische findet man, wenn überhaupt, nur im Nähebereich wieder. Im Bereich der Kirche konkurrierte im gesamten 19 Jh. Italienisch mit der Distanzsprache Französisch. Das lag u. a. daran, dass die Priester im Inland der Insel weiterhin nur auf Italienisch predigen konnten, da zunächst fast niemand der französischen Sprache mächtig war und fast keiner die „neuen“ Predigten verstanden hätte.331 La place du corse dans l’église insulaire est actuellement difficile à apprécier. […] On peut remarquer que le clergé est ici corsophone dans sa quasi totalité, circonstance qui permettrait une généralisation du corse dans la vie religieuse. […] Une initiative diocésaine a permis la traduction en corse et l’adaption officielle du rituel de la messe. […] 328 Farrenkopf 2011, S. 90. Ebd., S. 94. - Folgende korsischsprachigen Printmedien zählt Farrenkopf auf: „Missaghju“ (2003/2004 erschienenes vierseitiges Blatt), „Bonanova“ (zweimal jährlich erscheinende korsische Literaturzeitschrift), „A Nazuione – Giurnale in lingua corsa“ (2007/2008 erschienene rein korsischsprachige Zeitschrift), „Aiò – Ghjurnalettu in corsu“ (2005 bis 2007 comicartige korsischsprachige Zeitschrift für Kinder) - Ebd., S.91 ff. – Im Anhang befindet sich eine von Farrenkopf veröffentlichte Übersicht über unregelmäßig erschienene Zeitungen und Zeitschriften 2003/2004 und 2006. – siehe Anhang 2.1. 330 Fabellini 2009, S. 51 f. 331 Ebd., S. 53 f. 329 60 D’autre actions sont engagé dans le sens d’une redécouverte du chant et de la musique traditionelle.332 Liturgien und Messen werden sowohl auf Französisch, Latein und Korsisch abgehalten. Leider mangelt es an aktuellen Ausarbeitungen, die sich sprachwissenschaftlich genauer mit dem Bereich der Kirche befassen. Theaterstücke werden mitunter zwei- bis dreisprachig aufgeführt (Französisch, Korsisch und mitunter Englisch). Vereinzelt greifen diese bi- bzw. trilingualen Stücke die existierende Diglossie Korsikas thematisch bewusst auf und stellen sie soziolinguistisch in den narrativen Kontext (Konflikte, Rivalität, Herausforderungen zwischen bzw. mit den zwei Sprachen, Suche nach Identität, etc.).333 Le théâtre corse doit renouer avec un imaginaire collectif, faire apparaître les fondements de l’identité, et jouer par là un rôle libérateur. […] Des troupes comme Théâtre point utilisent sans conflit le corse ou le français selon les productions concernées, ou les mêlent dans certaines œuvres.334 Dahinter verbergen sich ebenso pädagogische Narrationen und Absichten. Üblicherweise werden an einem Veranstaltungsort neben (bilingualen) Theaterstücken auch Konzerte korsischer, nationaler und internationaler Künstler aufgeführt, dazu diverse Kabarettvorstellungen, die ebenfalls vereinzelt die Sprachsituation Korsikas in den Vordergrund rücken. Man hat den Eindruck, dass die regionale Kulturpolitik die Bereiche Musik und Theater, also jene, die verstärkt die lokale und regionale Vielfalt Korsikas zum Ausdruck bringen (sollen), am prägnantesten fördert und wahrt. Dies zeigt sich auch anhand der Anzahl von Veranstaltungen, bei denen die korsische Sprache, neben der oft dominanten französischen Sprache, auffallend äquivalent „aufgeführt“ wird.335 332 Thiers 1985, S. 7. Siehe Anhang 4.5. 334 Arrighi 2002, S. 118 f. 335 Die regionale Kulturpolitik ist vorrangig der zentralistischen Politik Frankreichs untergeordnet. Ausführliche Betrachtungen dazu siehe: Teissier 2005, S. 72 ff. 333 61 In den Buchhandlungen Korsikas findet man vorwiegend französischsprachige literarische Werke.336 Dennoch soll mit Beginn der 80er Jahre die Veröffentlichung von korsischsprachiger Prosa, Chroniken, Essays und Romanen zugenommen haben.337 Poesie, Liedtexte und Sprichwörter gehören zu den am häufigsten literarischen Gattungen des Korsischen.338 In den Texten werden u. a. die Mehrsprachigkeit und der „biculturalisme“ thematisiert, ferner sind sie Ausdruck von Identität und Tradition. Marcellesi und Thiers sprechen von einer „Exilliteratur“: Celle-ci est le fait d’écrire d’origine corse et d‘ expression française qui ont pris leurs distances vis-à-vis de „l’histoire immédiate“ de la Corse actuelle: ils revendiquent fort légitimement le droit à une évocation subjective de l’île et de son image mais leur œuvre nourrit un débat controversé sur l’appartenance culturelle.339 Als „Schlüsseltexte“ für die korsische Literatur und somit für die korsische Sprache führt Farrenkopf etwa die ins Korsische übersetzte Bibel an (erschienen 2005), sowie korsischsprachige Liturgien generell. Französische Gesetze und Gesetzesbücher wurden wiederum nie ins Korsische übertragen.340 Das Angebot an korsischsprachigen Seiten im Internet ist sehr überschaubar, wenn sich auch „immer mehr Seiten und Foren in korsischer Sprache und noch häufiger über oder für das Korsische“ finden lassen.341 Überprüft man stichprobenartig diverse Internetseiten von korsischen Hotels, Restaurants, staatl. Institutionen, o. ä., findet man auf den jeweiligen Webseiten lediglich eine Sprachauswahl zwischen Französisch, Englisch und Italienisch. Das Korsische ist äußerst selten vertreten. Lt. Farrenkopf ist die Folklore (Chansons, Lieder, Konzerte) die am stärksten florierende Domäne des Korsischen. Sie wird von jungen wie von alten Korsen „konsumiert“ und ist ebenso bei Touristen sehr beliebt. Ferner ist auch sie 336 Eigene Beobachtungen bestätigten dies. In einem übersichtlichen Buchladen in Bastia gab es lediglich ca. 20 korsischsprachige Veröffentlichungen (v. a. Belletristik, Lyrik und Prosa). 337 Vgl. Marcellesi / Thiers 1988, S. 813 f. 338 Farrenkopf 2011, S. 87. 339 Marcellesi / Thiers 1988, S. 814. 340 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 82 ff. 341 Ebd., S. 98. 62 „Sinnbild“ oder Symbol korsischer Kultur und Tradition. Es sollen „beachtlich viele Texte“ existieren, deren Verwendung „sehr stark“ sei.342 Diverse Sprachentwickler sehen den Erfolg und den „realen“ Status des Korsischen daran ablesbar, in welchen Anwendungsbereichen diese Sprache bereits Halt gefunden hat.343 Die hier im Umfang begrenzte Untersuchung diverser Sprachsektoren bestätigt jedoch die Annahme der beharrlichen Dominanz des Französischen. Bilingualismus existiert faktisch nicht.344 Kernproblem ist hier erneut das Fehlen eines offiziellen Status des Korsischen und damit einhergehend dessen „Qualifikation“ zur Schriftsprache. Falls jemals existent, würden durch sie vor allem die Domänen der Medien, der Verwaltung und der Bildung gravierenden Reformen erfahren. 342 Ebd., S. 90. Ebd., S. 120. 344 Goebl 1988, S. 834. – Als einzige „reale“ Zweisprachigkeit wären lediglich die Verkehrsbeschilderungen auf Korsika zu nennen, jene „Sprachinstrumente“, mit denen der Besucher wahrscheinlich zuerst in Kontakt kommt. 343 63 6. FALLSTUDIE ZUR SPRACHSITUATION AUF KORSIKA Dieses Kapitel bildet den praktischen Teil dieser Arbeit. Es knüpft zum einen an den zuvor theoretisch erarbeiteten Bereich an und ergänzt diesen ebenso durch die praktisch gewonnenen Fakten. Bevor mit der Auswertung der Daten begonnen wird, sollen vorab der Umfang der Studie, die Vorgehensweise der stattgefundenen Befragung, sowie die Struktur des Fragenkataloges näher gebracht werden. Im Kapitel 7 werden die hier erhobenen und evaluierten Daten dann mit den vorherigen theoretischen Einzelheiten zusammengeführt. 6.1 Zielsetzung Die realisierte Fallstudie, welche als Zufallsstichprobe345 oder als persönlichmündliche Bevölkerungsumfrage346 verstanden werden kann, trägt im Wesentlichen die Forschungsfrage inne, in welchem Rahmen das Korsische bzw. die französische Sprache situativ angewandt wird. So soll die Studie Aufschluss darüber geben, in welchen Sprachbereichen, Sprachdomänen oder Sprachsituationen welche Sprache gesprochen bzw. erwünscht ist. Sprachkompetenzen und der Spracherwerb fließen darin ebenso mit ein. Diese empirische Untersuchung hat daher gleichermaßen essentielle Bedeutung wie der zuvor erarbeitete theoretische Teil. Dadurch, dass diese Analyse nur auf 40 durchgeführte Umfragen basiert347, die ausschließlich in den Städten Bastia und Ajaccio durchgeführt worden, ist ihr repräsentativer Charakter in Frage gestellt. Die Studie erhebt keinerlei Anspruch auf vollständige statistische Repräsentativität. Vielmehr ermöglicht sie lediglich einen kleinen (vagen) Einblick in den derzeitigen 345 „Der Begriff Stichprobe bezeichnet eine kleine Teilmenge der sogenannten Grundgesamtheit, deren Auswahl nach bestimmten Kriterien erfolgen sollte. (…) Eine Zufallsstichprobe ist dadurch gekennzeichnet, dass jedes Element der Grundgesamtheit mit gleicher Wahrscheinlichkeit ausgewählt werden kann.“ – Raab-Steiner, Elisabeth: Der Fragebogen. Von der Forschungsidee zur SPSS-Auswertung. Wien 2008, S. 16 f. 346 Vgl. Schumann, Siegfried: Repräsentative Umfrage. Praxisorientierte Einführung in empirische Methoden und statistische Analyseverfahren. München 2010, S. 76. 347 Siehe nächster Punkt. 64 sprachsituativen Zustand zweier Städte Korsikas und somit kann nicht für den gesamten Sprachraum Korsikas sprechen.348 So erscheint es bedenklich, aus den hier erhobenen Daten komplexe Zusammenhänge zu kombinieren und Datenverknüpfungen der Variablen beliebig vorzunehmen (Sprachverwendung in Bezug auf Bildungsstand / Sprachkompetenz in Bezug auf soziodemographische Angaben, wie Alter, Wohnhort, etc.). Zu ungenau und dubios wäre eine dadurch zu verallgemeinernde aussagekräftige Formulierung, wenn man bedenkt, dass in Bastia zirka 40.000 Menschen und in Ajaccio um die 60.000 Menschen leben, jedoch für die Studie nur 20 Personen pro Stadt ausgewählt wurden.349 Ein nur annähernd realer Bezug wäre nicht gegeben. Somit erfolgt die Datenauswertung in vereinfachter Form, eine komplexe sprachwissenschaftliche Analyse soll mit dieser empirischen Untersuchung nicht realisiert werden, wie etwa eine komparative Untersuchung beider Städte oder ähnliches.350 6.2 Methodik und Durchführung der empirischen Untersuchung Die mündliche Befragung (Querschnittsstudie) fand einmalig vom 04. Oktober 2011 bis 23. Oktober 2011 statt. In diesem Zeitraum wurden in Bastia und Ajaccio jeweils 20 Personen stichprobenartig befragt. Diese sollten die „Grundgesamtheit“351 repräsentieren, also die Gesamtbevölkerung der jeweiligen Stadt. Zur Gewinnung der quantitativen und qualitativen Daten wurde ein anonymisierter Fragebogen erstellt, der von den Befragten selbständig auszufüllen war.352 Dies geschah unmittelbar vor Ort, in 348 Mindestens 20 Personen gibt Schumann als absolutes Minimum für eigenständige unabhängige Stichproben an. Er empfiehlt eine Mindestgröße von 100 Befragten. – Vgl. Schumann 2010, S. 75. - „Eine Stichprobe kann nur dann korrekt als „repräsentativ“ bezeichnet werden, wenn sie auf einer Zufallsauswahl basiert. Eine repräsentative Auswahl ist kein exaktes verkleinertes Abbild einer Grundgesamtheit, sondern nur ein nährungsweise genaues Modell.“ - Rüdiger, Jacob: Umfrage. Einführung in die Methode der Umfrageforschung. München 2011, S. 284. 349 Daher werden die hier ausgewerteten Fragen nur teilweise im siebten Kapitel gegenübergestellt und miteinander vernetzt. 350 Eine vergleichende linguistische Studie zwischen den Städten Korsikas oder den verschiedenen Sprachräumen, insbesondere der mehrmals genannten „Sprachverschiebung“ wären in einem anderen empirischen Rahmen durchaus denkbar, wenn nicht gar erforderlich. 351 Raab-Steiner 2008, S. 16. 352 Siehe nächster Punkt der Arbeit / siehe Anhang 1. 65 Ausnahmefällen konnte der ausgefüllte Bogen am nächsten Tag abgeholt werden.353 Für die Beantwortung der Fragen wurde eine Bearbeitungszeit von 5 bis 10 Minuten angesetzt. Die Auswahl der Befragten erfolgte teils zufällig, teils mit Auswahlplan: Für die empirische Stichprobe war es wichtig, Privatpersonen einerseits und Vertreter verschiedener Bereiche und Institutionen andererseits einzubeziehen. Jedoch wurde dafür nicht im Vornherein eine bestimmte Person „XY“ ausgewählt: Unabhängig von dem jeweiligen Erhebungsort (Bastia oder Ajaccio) wurde zunächst festgelegt, dass Verkäufer auf einen Marktplatz, ein Museumsmitarbeiter, Lehrer, ein Bankangestellter, ein Polizist, ein Taxifahrer und ein Busfahrer, ein Schüler, ein Rentner, etc. zu inkludieren seien. Sollte eine Befragung innerhalb einer bestimmten Institution oder Einrichtung stattfinden (Schule, Museum, Polizei, etc.), wurde selbige zunächst gezielt ausgewählt. Per Zufall wurde anschließend vor Ort bestimmt, welche Person tatsächlich befragt werden soll, unabhängig von Geschlecht, Alter, o. a. Häufig entschieden dies pragmatische Kriterien, wie Zeitkapazitäten, o. ä. Ebenso wurden auf der Straße Geschäfte oder Gebäude zufällig angesteuert, in denen dann eine Person befragt wurde.354 Bei der Auswahl war es wichtig vorher abzuklären, dass es unerheblich sei, ob die zu befragende Person besondere Fähigkeiten oder Schwierigkeiten mit der einen oder anderen Sprache hat, oder ob sie Korse oder Nichtkorse ist. Die Befragung sollte vollständig unabhängig dieser Vorentscheidungen erfolgen.355 Diverse Hilfestellungen zum Ausfüllen des Fragebogens erfolgten neutral. Bei der hier vorgenommenen empirischen Untersuchung und deren Umsetzung handelt es sich letztlich um eine spezifische Stichprobe mit Auswahlverfahren. 353 Dadurch, dass einige Fragebögen nicht unmittelbar vor Ort ausgefüllt worden, bleibt offen, ob diese Befragten fremde Hilfe oder die Meinung anderer in Anspruch nahmen. 354 Zur Gewinnung eines Taxifahrers für die empirische Untersuchung wurde beispielsweise so verfahren, dass am Taxistand in Ajaccio, an dem verschiedene Taxifahrern auf einer Parkbank saßen, einfach spontan ein leeres Fahrzeug ausgewählt wurde und derjenige Besitzer dann von mir befragt wurde. 355 Mehrmals kam es zunächst zu einem Gespräch, in dem ich gefragt wurde, ob man denn für die Befragung wirklich in Frage käme, da ja gar kein Korsisch, bzw. Französisch gesprochen wird, man nur zugezogen oder nicht fest angestellt sei, etc. Folglich wurde auf die willkürliche Auswahl an Befragten hingewiesen. 66 6.3 Datenerhebung / Fragenkatalog Die Datenerhebung fand sowohl qualitativ als auch quantitativ statt, wobei der quantitative Teil dominiert. Zur Erhebung der qualitativen Daten wurden offene Fragen verwendet wie: Comment jugez-vous ou évaluez-vous le multilinguisme existant en Corse? Zur quantitativen Datenerhebung kamen größtenteils gemischte Fragen mit Skalierungen zum Einsatz, die zusätzlich eine offene Nennung anboten: Comment avez-vous appris le corse? Où l’avez-vous appris? [ ] des parents [ ] à l‘école [ ] en formation [ ] autodidacte [ ] jamais appris [ ] autre: __________________________________________________ Geschlossene Fragen gab es in Form von kategorialen Fragen, Selon vous: Quelle langue domine en Corse? [ ] Français [ ] corse [ ] les deux sowie ordinalen Fragen, also mit hierarchischer Ordnung bzw. Gradmessung: Votre niveau de langue en français? Écouter Parler Écrire Lire [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout Mehrfachantworten waren bei einigen Fragen ebenfalls möglich. L’usage linguistique: Quelles langues parlez-vous où préférez-vous dans les contextes suivants? Situation / Lieu à la maison chez la famille chez vos enfants chez vos amis en formation au travail Français [] [] [] [] [] [] La langue corse [] [] [] [] [] [] un mélange des deux [] [] [] [] [] [] autre [] [] [] [] [] [] Formal kann man die in der Fallstudie verwendeten Fragen auch in Faktfragen, hypothetische Fragen und Meinungsfragen unterteilen. Der Fragebogen ist in zwei Teile gegliedert. Er beginnt mit den demographischen Grunddaten wie Geschlecht, Geburtsjahr, Geburtsort, Wohnort, seit wann dort lebend, letzte besuchte Schule, Ausbildung und 67 derzeit ausgeübte Tätigkeit.356 Dieser Teil gab also Auskunft über die „Sprachbiographie“357 des Befragten. Die Angaben dienten zum einen der rein statistischen anonymisierten Auswertung, zum anderen als Verknüpfung mit den sprachbezogenen Erhebungen, also dem zweiten Teil des Fragebogens:358 Dieser ist der eigentliche Fragenkatalog, bestehend aus 21 Fragen, der thematisch aufbereitet ist. Zur Vorbereitung der Fallstudie, der Fragen- und Themenfindung, dienten diverse Lektüren und Literaturrecherchen, die parallel dazu auch für die Gliederung der Arbeit zum Einsatz kamen. Zuerst wurden Sprachkompetenzen beider Sprachen, sowie die Beherrschung weiterer Fremdsprachen abgefragt (Frage 1 bis Frage 3). Dem folgte Sprachvermittlung (Frage 4) und Sprachverwendung (Frage 5). Der Sprachgebrauch (Frage 6), sowie die Frage nach Nutzung von Medien und Institutionen schloss sich dem an (Frage 7 und Frage 8). Die Kontaktlinguistik, insbesondere die (gewünschte) Kontaktsprache war in den folgenden Fragen thematisiert worden (Frage 9 bis Frage 12). Die Identität des Sprechers wurde anschließend abgefragt (Frage 13), danach erfolgte die Frage nach kategorischer Einordnung des Korsischen (Frage 14). Die Mehrsprachigkeit und Sprachdominanz auf Korsika war im Folgenden erfasst (Frage 15 bis Frage 19), inbegriffen die Frage zur Autonomie Korsikas (Frage 17). Der Fragebogen schließt mit erneuten identitätsbezogenen Fragen, konkret der offenen Frage, was man sich für seine „eigene“ Sprache wünscht, die zuvor skaliert erfragt wurde (Frage 20 und Frage 21). Die Beantwortung der Fragen sollte als „voll standardisiert“359, also als nicht gestaltbarer, starrer Ablauf und Reihung erfolgen. Dieser Forderung gingen jedoch nicht alle Befragten nach. 356 Während der Beantwortung des Fragebogens kam es des Öfteren vor, dass diese Angaben vonseiten der Befragten vergessen wurden. Auf Nachfrage wurden sie sodann ergänzt. 357 Riehl, Claudia Marie: Sprachkontaktforschung. Eine Einführung. Tübingen 2009, S. 44. – Für Riehl sind „Sprachbiographie“, „Sprachgebrauch“, „Sprachdominanz“ sowie „Spracheinstellungen“ wesentliche Komponenten zur Erhebungen soziolinguistischer Daten. Diese Elemente, wenn auch anders betitelt, finden sich ebenso in diesem Fragebogen wieder. 358 Wie bereits erwähnt, ist dies von repräsentativen Wegen her nur begrenzt möglich. 359 Raab-Steiner 2008, S. 45. 68 6.4 Resonanz Lediglich zwei Fragebögen waren ungültig: Ein Befragter (ein älterer Mann) gab den Fragebogen seiner Frau, nachdem er die Fragen bis zur Hälfte beantwortete. Ohne Rücksprache vervollständigte sie die fehlenden Angaben.360 Im zweiten Fall machte eine zu befragende Bibliothekarin keinerlei demographische Angaben (lediglich die Genusangabe), so dass sie statistisch nicht zugeordnet werden konnte. Ein Verweis auf die Anonymität (die zu machenden Angaben waren nicht auf die Person rückziehbar) blieb unreflektiert. Die Thematik der Fallstudie sowie die empirische Untersuchung an sich stießen insgesamt auf eine große Resonanz. Es war deutlich spürbar, dass die „Sprachenfrage“ nachwievor ein aktuelles Thema ist und durchaus Gegenstand diverser (heikler) Diskussionen werden kann, welche mitunter während der Befragung entstanden. Häufig entwickelten sich im Anschluss der Erhebung kurze Gespräche, entweder innerhalb einer der aus Befragten und zugehörigen Personen bestehenden Gruppe oder zwischen der Zielperson und mir, oft in Form eines kleinen Interviews.361 Höchstwahrscheinlich resultiert aus der thematisch als aktuell einzustufenden Problematik das besagte Interesse vonseiten der Befragten wie auch dessen positives Feedback. Nur wenige Personen (ca. fünf) verweigerten ein Ausfüllen des Fragebogens, primär aus Sorge um ihre Anonymität, obwohl mehrfach erklärt wurde, dass persönlichen Angaben irrelevant seien. Nicht beantwortet worden häufig die offenen Fragen. Erwähnt wurde schon der Umstand, den Befragten oft erklären zu müssen, dass es nicht darum ginge, Personen zu finden, die besonders gut Französisch oder Korsisch sprechen, bzw. ausschließlich in eine der beiden Sprachen Kompetenzen aufweisen, etc. In Bezug auf die Fragestellungen gab es hingegen keinerlei Verständnisfragen. 360 361 Die nicht von ihm selbst beantworteten Fragen, hier vor allem die mit offenen Antwortfeldern, wurden für die Auswertung nicht berücksichtigt und als „keine Angabe“ markiert. Einzelne Äußerungen der Befragten werden im Auswertungsteil der empirischen Untersuchung zitiert. 69 6.5 Auswertung der Daten Die empirische Untersuchung umfasst eine Nettostichprobe von 40 Befragten und hatte eine Rücklaufquote von 100 Prozent.362 Folgende demographische Variablen worden ermittelt: Geschlecht Anzahl % männlich 16 41 weiblich 15 38 (keine Angabe) 8 21 Ʃ 39 100 Tab. 1 Die Altersgruppen, aufgeteilt in Dekaden, ergeben sich wie folgt: Anzahl je Altersgruppe Altersgruppen 12 Jahre Anzahl % 11 - 20 3 8 10 21 - 30 9 23 8 31 - 40 6 15 41 - 50 7 18 51 - 60 10 26 4 61 - 70 2 5 2 71 - 80 2 5 Ʃ 39 100 6 0 11 - 20 21 - 30 31 - 40 41 - 50 51 - 60 61 - 70 71 - 80 Tab. 2 In etwa ebenso viele Frauen wie Männer haben die Fragebögen ausgefüllt. Leider haben 8 der befragten Personen ihr Geschlecht nicht angegeben, so dass nur von einer ungefähren Gleichverteilung männlich / weiblich gesprochen werden kann. Die Befragten waren zwischen 12 und 76 Jahren alt. Die Altersgruppe „51 – 60 Jahre“ ist am stärksten vertreten, das Mittelfeld (21 bis 60 Jahre) dominiert. 362 Im Anhang gibt es eine Auflistung aller Befragten. – siehe Anhang 2.2. 70 Alle Fragen der empirischen Untersuchung werden nun nacheinander einzeln (tabellarisch) ausg ausgewertet.363 Graphische Darstellungen dienen als ergänzende Schematisierung. hematisierung. Die einzelnen Ergebnisse werden anschließend prägnant zusammengefasst und erläutert. erläutert 364 In Frage 1 wurde einleitend gefragt, welche Fremdsprachen die befragten bef Personen beherrschen, beherrschen unabhängig davon, welche Sprache die Muttersprache ist. Das Sprachniveau der Fremdsprache(n) Fremds wurde dabei nicht berücksichtigt. berücksichtigt Quelles langues autre que votre langue maternelle connaissezconnaissez-vous? Hier ging es um die Erfassung der Sprachkompetenzen prachkompetenzen im Allgemeinen. Allgeme Auch der Grad an „Internationalität“ der Sprecher Korsikas sollte dadurch verdeutlicht werden. werden Fremdsprachen Fremdsprachen Sprache Nennungen % Korsisch 8 12 Französisch 11 17 Italienisch 12 18 Englisch 12 18 Deutsch 4 6 Spanisch 5 8 Bretonisch keine Fremdspr. 1 2 7 11 (keine Angabe) 5 8 Ʃ 65 100 keine Fremdspr. 11% Bretonisch 2% Spanisch 8% Deutsch 6% (keine Angabe) 8% Korsisch 12% Französisch 17% Englisch 18% Italienisch 18% Tab. 3 Unabhängig davon welche Muttersprache gesprochen gesprochen wird, sind Englisch, Italienisch und Französisch die am stärksten vertretenen en Fremdsprachen bei den Befragten.. Zumeist sind es ältere Personen, ausschließlich in ihrer 363 364 Im Anhang befindet be sich ebenso ein Verzeichnis aller in der empirischen Untersuchung eingesetzten Tabellen. Tabellen – siehe Anhang 2.3. In der statistischen stischen Auswertung kann es vorkommen, dass in der graphischen Darstellung gemachte Prozentangaben von denen in der zugehörigen Tabelle abweichen können. Dies ist der Auf- bzw. Abrundung geschuldet. Ferner kann die erfasste Summenangabe von den tatsächlichen en 39 ausgefüllten Fragebögen abweichen. Dies resultiert zum einen aus Fragen mit Mehrfachantwortmöglichkeiten (dann N>39), bzw. aus Fragebögen mit ungültigen Antworten, sich widersprechende Aussagen, etc. (dann N<39) - (theoretisch: unveränderte Gesamtsumme mme / Nennungen N=39). 71 Muttersprache kommunizieren (können). Offen bleibt, ob nicht gemachte Angaben zu dieser Frage (8%) evtl. für „keine Fremdsprache“ stehen. Allein 6 Personen, vorwiegend jüngere, geben an, dass sie mindestens 3 Fremdsprachen sprechen.365 Vier von ihnen sind zugezogene Personen, die nicht von Korsika stammen. Die Frage 2 sollte das Niveau des Französischen abfragen, die Frage 3 das des Korsischen. Votre niveau de langue en français? Écouter Parler Écrire Lire [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout Votre niveau de langue en corse? Écouter Parler Écrire Lire [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout [ ] excellent [ ] bon [ ] moyen [ ] mauvais [ ] pas du tout Sprachniveau Französisch Anwendung ausgezeichnet gut Anz. Spr. % Ʃ % mittelmäßig Anz. Ʃ Spr. % % schlecht Anz. Spr. % Ʃ % gar nicht Anz. Ʃ Spr. % % Anz. Spr. % Ʃ % Hören 26 27 67 10 22 26 0 0 0 1 17 3 0 - 0 Sprechen 25 26 64 11 24 28 1 25 3 1 17 3 0 - 0 Schreiben 19 20 49 13 29 33 2 50 5 3 50 8 0 - 0 Lesen 25 26 64 11 24 28 1 25 3 1 17 3 0 - 0 Ʃ 95 100 45 100 4 100 6 100 0 0 Tab. 4 Die meisten Sprecherinnen und Sprecher haben ausgezeichnete und gute Kenntnisse im Französischen.366 67% aller Befragten verstehen (hier in Form von hören) Französisch ausgezeichnet, 64% sprechen und lesen es ausgezeichnet. Knapp die Hälfte der Befragten haben ausgezeichnete Schreibkenntnisse (49%). Ebensoviele haben ausgezeichnete Lesekompetenzen. Lediglich 3%, bzw. 8% der Befragten verfügen über ein 365 366 Wie bereits erwähnt, bleibt hier unberücksichtigt, ob von „sprechen“, „beherrschen“ oder lediglich von Sprachkenntnissen gesprochen werden kann. Die in dieser und mehreren nachfolgenden Tabellen aufgeführten „Summenprozente“ (Ʃ %) geben den prozentualen Wert aller befragter Personen an (N=39 Ʃ%=100). 72 schlechtes Sprachniveau. Alle befragten Personen können Französisch hören, sprechen, schreiben oder lesen. Sprachniveau Korsisch Anwendung ausgezeichnet gut Anz. Spr. % Ʃ % mittelmäßig Anz. Ʃ Spr. % % schlecht Anz. Spr. % Ʃ % gar nicht Anz. Ʃ Spr. % % Anz. Spr. % Ʃ % Hören 11 37 28 12 43 31 7 21 18 3 14 8 5 13 13 Sprechen 8 27 21 6 21 15 12 36 31 4 19 10 7 18 18 Schreiben 5 17 13 2 7 5 7 21 18 8 38 21 15 39 38 Lesen 6 20 15 8 29 21 7 21 18 6 29 15 11 29 28 Ʃ 30 100 28 100 33 100 21 100 38 100 Tab. 5 Das Sprachniveau des Korsischen erfährt bei der Auswertung einen Bruch: Die Kompetenz „hören“ erfüllen 28% ausgezeichnet und 31% gut. Ebenso ist das Sprechen des Korsischen bei 21% der Befragten ausgezeichnet bzw. bei 31% mittelmäßig. Jedoch das Schreiben des Korsischen erfüllen nur noch 17% der Befragten ausgezeichnet, ganze 38%, und damit die Mehrzahl, können Korsisch gar nicht schreiben. 28 % der Befragten verfügen über keine Lesekompetenzen des Korsischen. Während die nähesprachlichen Anforderungen vorwiegend erfüllt werden (hören / sprechen), mangelt es an distanzsprachlichen Kompetenzen (lesen / schreiben). Die Befragten besitzen insgesamt ein eindeutig besseres französisches Sprachniveau.367 Während man deutlich erkennt, dass die Sprecherinnen und Sprecher den Kompetenzen der französischen Sprache (als Hauptsprache) nahezu vollständig positiv entsprechen, ist das Niveau der korsische Sprache nur im nähesprachlichen Bereich als positiv zu werten. Der Spracherwerb des Korsischen wurde in Frage 4 thematisiert. Hier konnte ausgewählt werden, auch in Form von Mehrfachnennungen, ob und in welcher Form die / der Befragte die korsische Sprache erlernt hat. Comment avez-vous appris le corse? Où l’avez-vous appris? [ ] des parents [ ] à l‘école [ ] en formation [ ] autodidacte [ ] jamais appris [ ] autre: _________ 367 Natürlich gibt es auch vereinzelte Ausnahmen. 73 Spracherwerb des Korsischen Spracherwerb des Korsischen Ort Nennungen % von den Eltern 24 45 in der Schule 8 15 in der Ausbildung 2 4 Selbststudium 4 8 nie gelernt 6 11 anderes 7 13 (keine Angabe) 2 4 Ʃ 53 100 anderes 13% (keine Angabe) 4% nie gelernt 11% Selbststudium 8% von den Eltern 45% in der Schule 15% in der Ausbildung 4% Tab. 6 Die Mehrzahl der Befragten (45%) (45 erwarben die korsische Sprache von v ihren Eltern. Die ie schulische Sprachvermittlung nahmen nur 15% % der Befragten in Anspruch.. Dem folgt ein anderweitiger Spracherwerb (13%). %). Einige Personen geben an, die korsische Sprache „auf der Strasse“ erlernt zu haben (wörtlich heißt es: „in der Öffentlichkeit“ Öffentlichkeit / „in der Stadt“ / „durch durch Freunde“), andere erlernten sie von ihren Großeltern oder gar durch die Musik. In Frage 5 wurde die Sprachverwendung nach ihrer jeweiligen Häufigkeit hin abgefragt. L’emploi d’une langue: À quelle fréquence utilisez-vous utilisez vous les langues suivantes? Français: Parler Écrire [ ] toujours [ ] souvent [ ] parfois [ ] rarement [ ] jamais [ ] toujours [ ] souvent [ ] parfois [ ] rarement r [ ] jamais La langue corse: Parler Écrire [ ] toujours [ ] souvent [ ] parfois [ ] rarement [ ] jamais [ ] toujours [ ] souvent [ ] parfois [ ] rarement [ ] jamais Hier wurde die Auswahl auf den Sprachgebrauch „sprechen „sprechen“ und „schreiben“ begrenzt, da nicht die einzelnen Daten jeder Sprache im Vordergrund standen, sondern vielmehr ein Vergleich beider. beider 74 Sprachverwendung Französisch Sprechen permanent Anz. Ʃ Spr. % % 36 5 0 - 0 0 - 0 - 92 0 0 2 100 36 50 100 permanent Anz. Ʃ Spr. % % 6 100 2 72 Sprechen % 92 Ʃ häufig Anz. Spr. % Ʃ % 75 15 5 67 15 6 8 2 25 8 100 Schreiben 3 33 Ʃ 9 100 manchmal Anz. Ʃ Spr. % % Ʃ % 50 Schreiben Korsisch häufig Anz. Spr. 0 1 0 manchmal Anz. Ʃ Spr. % % 72 33 5 28 13 18 100 13 selten Anz. Spr. nie % Ʃ % Anz. Spr. % Ʃ % 33 3 0 0 0 2 67 5 1 100 3 3 100 1 100 selten Anz. Spr. 6 nie % Ʃ % Anz. Spr. % Ʃ % 43 15 7 30 18 8 57 21 16 70 41 14 100 23 100 Tab. 7 92% der Befragten sprechen und schreiben Französisch permanent, währenddessen Korsisch überwiegend nur manchmal gesprochen wird (bei 33% der Befragten), geschweige denn geschrieben wird (die meisten Befragten, 41%, schreiben nie auf Korsisch). Auch hier bildet das Französisch den Charakter einer Hauptsprache, es nimmt den vordersten Teil ein („permanent“). Korsisch kann als „sekundäre“ Sprache charakterisiert werden. (im hinteren Teil vertreten, Sprachverwendung „manchmal“ bis „nie“). In Frage 6 wurde danach gefragt, in welcher Situation welche Sprache angewandt wird. Dabei konnte zwischen Französisch, Korsisch und einer anderen beliebigen Sprache unterschieden werden. Ferner war es möglich, Französisch und Korsisch gleichermaßen anzugeben, also eine sprachsituative Vermischung, nicht unbedingt in Form eines „code-switching“. Mehrfachantworten waren ebenfalls möglich. L’usage linguistique: Quelles langues parlez-vous où préférez-vous dans les contextes suivants? Situation / Lieu à la maison chez la famille chez vos enfants chez vos amis en formation au travail Français [] [] [] [] [] [] La langue corse [] [] [] [] [] [] 75 un mélange des deux [] [] [] [] [] [] autre [] [] [] [] [] [] Sprachgebrauch Situation / Ort Französisch Korsisch Anz. Spr. % Ʃ % Frz + Kors. (gemischt) Anz. Ʃ Spr. % % andere Anz. Spr. % Anz. Spr. % Ʃ % Ʃ % zu Hause 28 17 72 9 23 23 11 18 28 1 100 3 bei der Familie 22 13 56 14 36 36 14 23 36 0 0 0 bei Ihren Kind. 25 15 64 4 10 10 8 13 21 0 0 0 bei Freunden 27 16 69 8 21 21 15 25 38 0 0 0 bei d. Ausbildg. 33 20 85 1 3 3 4 7 10 0 0 0 bei der Arbeit 31 19 79 3 8 8 9 15 23 0 0 0 Ʃ 166 100 39 100 61 100 1 100 Tab. 8 Die französische Sprache macht auch in dieser Frage den größeren prozentualen Anteil aus, weniger das Korsische oder die Mischform beider Sprachen. Zu Hause wird vorwiegend Französisch gesprochen (72%), bzw. eine Mischform aus beiden Sprachen (28%). 3% der Befragten (eine Person) sprechen zu Hause eine andere Sprache.368 Auch innerhalb der Familie sprechen mehr als die Hälfte der Personen (56%) Französisch. Gleichermaßen Korsisch oder Französisch sprechen 36 % der Befragten im familiären Kreis. Gegenüber der Familie allgemein nimmt bei der Kommunikation mit den eigenen Kindern der Gehalt des korsischen Sprachgebrauchs ab: Etwa ein Zehntel sprechen vorwiegend Korsisch mit ihren Kindern. Eher häufiger wird gemischt gesprochen, primär aber nur Französisch, wie 64% der Befragten angaben. Bei Freunden wird ebenso primär Französisch gesprochen (69%), gefolgt von einer Vermischung beider Sprachen (38%). Ein knappes Viertel der Sprecher kommuniziert unter Freunden ausschließlich auf Korsisch. Im öffentlichen Sektor, zunächst bei der Ausbildung, überwiegt deutlich Französisch: Bei 85% der Befragten erfolgt die Fort- und Weiterbildung in französischer Sprache, Korsisch nimmt nach der Mischvariante beider Sprachen lediglich den dritten Rang ein. Diese Platzierungen sind identisch mit denen des Sprachgebrauches bei der Arbeit: 79% sprechen dabei Französisch, 368 Die Person gab nicht an, um welche Sprache es sich dabei handelt, jedoch verrät der Fragebogen, dass neben Korsisch und Französisch auch italienische Sprachkenntnisse vorliegen. 76 gefolgt von 23%, die beide Sprachen gemischt sprechen. Während der Arbeitszeit sprechen nur 8 % der Befragten ausschließlich Korsisch. Bevor die konkrete Mediennutzung mit einhergehender Sprachverwendung zum Ausdruck kam, wurde in Frage 7 zunächst ganz allgemein die Radionutzung in einfacher und offener Form abgefragt. Quelle(s) station(s) de radio écoutez-vous le plus souvent? Die meisten Befragten (N = 18) gaben an, dass sie am häufigsten RCFM hören. 14 der Befragten erwähnten, das sie nicht nur primär einen Radiosender am meisten hören, sondern mindestens zwei. Darunter sind „Nostalgie“, „France Inter“ „France Info“ „RTL 2“ und „NRJ“. 5 Befragte nannten „Alta Frequenza“369 als den am häufigsten gehörten Radiosender. In Frage 8 wurde konkret danach gefragt, welche Medien in welche Sprache genutzt werden. Institutionen wie Theater oder Kino waren ergänzend mit aufgelistet. Auch hier waren mehrere Antwortmöglichkeiten möglich. L’utilisation des médias: Quels médias utilisez-vous, et dans quelle langue? Média Radio livres, textes journaux Internet Musique (CDs, etc.) Théâtre /Cinéma / Opéra Français [] [] [] [] [] [] Corse [] [] [] [] [] [] autre [] [] [] [] [] [] Nutzung Medien / Institutionen Medium Französisch Anz. Ʃ Spr. % % Korsisch Anz. Spr. % Ʃ % andere Anz. Spr. % Ʃ % Radio 34 17 87 24 30 62 0 0 0 Bücher, Texte 35 17 90 9 11 23 0 0 0 Zeitungen 35 17 90 12 15 31 0 0 0 Internet 34 17 87 5 6 13 4 19 10 Musik (CD, etc.) 28 14 72 22 27 56 13 62 33 Theater / Kino / Oper 37 18 95 9 11 23 4 19 10 Ʃ 203 100 81 100 21 100 Tab. 9 369 Ein Lokalradio Korsikas, siehe Punkt 5.6 dieser Arbeit. 77 Insgesamt werden die Medien primär auf Französisch genutzt: 87% hören französischsprachige Radiosender, 62% korsische. 90% der Befragten nutzen auf Französisch publizierte Bücher, Zeitungen und Texte. Etwa ein Viertel ziehen korsischsprachige Printmedien und Bücher heran. Bei der Internetnutzung dominieren französischsprachige Webseiten, 87% nutzen diese, während nur 13% korsischsprachige Seiten besuchen. Ein Zehntel gebraucht (zusätzlich) andersprachige Webseiten. Bei der Frage zur Musiknutzung überwiegt die französischsprachige Musik (72%), gefolgt von der Nutzung korsischsprachiger Lieder (56%). Englischsprachige Musik hingegen, die unter „andere“ eingeordnet wurde, ist jedoch nur mit 33% vertreten und nimmt somit die dritte Position ein. 95% der Befragten, also nahezu alle Personen, besuchen und nutzen französischsprachige Veranstaltungen oder Kultureinrichtungen, wie Kino, Theater, o. a., ein knappes Viertel (23%) indes auch Events in korsischer Sprache. 4 Personen und damit knapp 10% besuchen auch anderweitige, anderssprachige Veranstaltungen. Ab Frage 9 wurde der erste Sprachkontakt mit fremden Personen in den Mittelpunkt gerückt. Hier wurde gefragt, in welcher Sprache die Befragten am liebsten angesprochen werden würden, vorausgesetzt, die Gesprächspartner kennen sich nicht untereinander. Comment voulez-vous être abordé par quelqu’un? [ ] en Français [ ] en corse [ ] l’un ou l’autre [ ] autre: ___________________________ Für die Auswertung wurde der Begriff „Kontaktsprache“ gewählt, wenn auch dieser, rein sprachwissenschaftlich, nicht vollständig korrekt ist. 78 Wie möchten Sie lieber angesprochen werden? Wunsch Kontaktsprache v. anderen Sprache Nennungen % auf Französisch 22 47 auf Korsisch 11 23 egal 11 23 andere 3 6 egal 23% auf Französisch 47% auf Korsisch 24% 0 (keine Angabe) Ʃ andere 6% 47 100 Tab. 10 Fast die Hälfte der Befragten (47%) möchten auf Französisch angesprochen angesproche werden. Jeweils 11 Befragte geben geben (außerdem) an, dass sie lieber auf Korsisch K angeredet werden wollen. Dabei ist es ihnen egal,, in welcher Sprache Spra der erste Kontakt stattfindet. Zwei Befragte nennen nenn auch Englisch als bevorzugte Kontaktsprache, e, neben Französisch und Korsisch.370 In Frage 10 und Frage 11 wurde die Situation des Sprachkontaktes rachkontaktes erweitert. Hier ging es um die Frage, in welcher Sprache he man reagiert, nachdem man entweder auf Korsisch bzw. auf Englisch angesprochen wurde. Comment répondez-vous répondez vous si vous êtes abordé par quelqu’un en corse? [ ] en Français [ ] en corse [ ] autre: ___________________________ Comment répondez-vous répondez si vous êtes es abordé par quelqu’un en anglais? [ ] en Français [ ] en corse [ ] autre: ___________________________ 370 Sie gaben also nicht ausschließlich Englisch als Kontaktsprache an. 79 Gegenübergestellt ergibt sich folgendes Bild: Erwiderte Äußerung nach Ansprache auf Korsisch Erwiderte Äußerung nach Ansprache auf Englisch Sprache Nennungen % Sprache Nennungen % auf Französisch 17 40 auf Französisch 20 49 auf Korsisch 25 58 auf Korsisch 2 5 andere 1 2 andere 18 44 (keine Angabe) - 0 (keine Angabe) 1 2 Ʃ 43 100 Ʃ 41 100 Tab. 11 Tab. 12 Spräche man die befragten Personen auf Korsisch an, würden 58% und somit die Mehrheit auch auf Korsisch antworten. 40% der Befragten reagieren in französischer Sprache, eine Person in einer anderen Sprache. Würden die Befragten auf Englisch angesprochen werden, käme es anschließend primär zu einer französischsprachigen Erwiderung (49%), als zu einer anderssprachigen Äußerung (44%). Hier kann fest davon ausgegangen werden, dass damit Englisch gemeint ist. Diese Sprache wurde nicht als explizite Antwortmöglichkeit vorgegeben, um den vergleichenden Charakter zu den Fragen 10 und 11 zu wahren. Lediglich zwei Personen würden auf Korsisch antworten, käme es zu einer Anrede auf Englisch. Spricht man Korsisch, bekommt man wahrscheinlich eine Antwort auf Korsisch. Äußert man sich hingegen auf Englisch, so wird die Antwort bestimmt auf Französisch erfolgen oder gar in der gleichen Sprache. Schließlich wurde in Frage 12 danach gefragt, in welcher Sprache die einzelnen Befragten selbst unbekannte Personen ansprechen. Dans quelle langue abordez-vous les gens en Corse? [ ] en Français [ ] en corse [ ] autre: ___________________________ 80 In welcher Sprache sprechen Sie Menschen auf Korsika an? Selbstgewählte Kontaktsprache Sprache Nennungen % auf Französisch 31 65 auf Korsisch 16 33 andere 1 2 (keine Angabe) - 0 Ʃ 48 100 andere 2% auf Korsisch 33% auf Französisch 65% Tab. 13 Die Auswahl an Antwortmöglichkeiten ist mit denen en der beiden zuvor gestellten Fragen identisch. 65% der Befragten würden unbekannte Personen auf Französisch ansprechen. Nur etwa ein Drittel (33%) würde die korsische Sprache Sprache für den ersten Kontakt auswählen.. Ein Befragter (2%) macht in seiner Anmerkung konkret deutlich, dass die Auswahl der Sprache des Erstkontaktes abhängig von der Person ist, die er anspricht. anspricht Andere Befragte haben beide Sprachen (Französisch und Korsisch) im Antwortteil markiert, bestimmt mit der Absicht, Absicht selbiges ausdrücken zu wollen, also je nach Sprachsituation spontan über die Auswahl der Sprache zu entscheiden. Frage 13 ging der Identität bzw. Identifikation der einzelnen Befragten nach. Vous considérez-vous considér plus comme… [ ] un Corse [ ] un Français [ ] aucun des deux [ ] autre: _________________ Als was identifizieren Sie sich? Identität Auswahl Nennungen % als Korse 26 54 als Franzose 18 38 weder noch 1 2 anderes 3 6 (keine Angabe) - 0 Ʃ 48 100 weder noch 2% als Franzose 38% Tab. 14 81 anderes 6% als Korse 54% 54% und damit mehr als die Hälfte Häl der Befragten würden ürden sich als Korse bezeichnen oder mit „dem“ Korsen identifizieren.. Knapp die Hälfte der Personen gibt an, an sich als Franzose zu fühlen und ihre persönliche Zugehörigkeit eher Frankreich zuzuordnen. Im Hinblick auf die Gesamtzahl der Nennungen nnungen (48 Nennungen bei nur 39 Befragten) muss erwähnt werden, dass viele der Befragten sowohl „als Korse“ als auch „als Franzose“ angekreuzten en (N = 8). Unter „anderes“ wird „bretonisch und „italienisch“ genannt. Innerhalb der Frage 14 sollte von den Befragten fragten eine (subjektive) Kategorisierung des Korsischen vorgenommen werden. Genau diese Einordnung war Kern der im Punkt 5.2 dieser Arbeit durchgeführten Diskussion. Comment qualifieriez-vous qualifieriez la langue corse? [ ] un dialecte [ ] une langue régionale [ ] une langue minoritaire [ ] autre: ____________ Die zur Wahl standenden Begriffe waren ebenso identisch mit denen der theoretischen Auseinandersetzung. Als was würden Sie die korsische Sprache bezeichnen? Einordnung der korsischen Sprache Auswahl Nennungen % Dialekt 1 3 Regionalsprache 33 83 Minderheitensp. 4 10 anderes 2 5 (keine Angabe) - 0 Ʃ 40 100 Minder- anderes Dialekt heitensp. 2% 5% 10% Regionalsprache 83% Tab. 15 83% und somit die klare Mehrheit ordnet das Korsische als Regionalsprache ein, ein Zehntel Zehnte würde die korsischen Sprache als Minderheitensprache klassifizieren.. Nur eine Person kategorisierte k das Korsische als Dialekt. Es wäre sehr interessant, die gleiche Frage nichtansässigen Personen zu stellen (Touristen, Festlandsfranzosen, etc.), etc.) um zu sehen, hen, ob diese auch primär von einer Regionalsprache Regionalsp sprechen würden oder von einem Dialekt. 82 Frage 15 sollte te klären, welche Sprache dem Sprecher nach auf Korsika dominiert. Sie diente als Einblick in die „gefühlte“ Mehrsprachigkeit sprachigkeit. Selon vous: Quelle langue domine en Corse? [ ] Français [ ] corse [ ] les deux Welche Sprache dominiert auf Korsika? Sprachdominanz Sprache Nennungen % Französisch 20 51 Korsisch 5 13 beide 14 36 (keine Angabe) Ʃ beide 36% Französisch 51% Korsisch 13% 0 39 100 Tab. 16 Etwa die Hälfte aller a befragter Personen (51%) geben ben Französisch als dominierende Sprache an. 14 Personen sind der Meinung, dass beide Sprachen im gleichen Maße gegenwärtig sind, sind also keine der beiden Sprachen eine vorherrschende rherrschende Rolle einnimmt. 3% der Personen sprechen spre von einer Dominanz des Korsischen. Korsi In Frage 16 wurden die Befragten aufgefordert, ihre Meinung zur Mehrsprachigkeit auf Korsika zu schildern. Sie hatten dabei keinerlei Antwortvorgaben und un wurden so um eine offene Stellungnahme gebeten. Comment jugez-vous jugez ou évaluez-vous vous le multilinguisme existant en Corse? Dreizehn der 39 Befragten beantworteten diese Frage nicht oder ließen sie aus. Die hier aufgeführten Zitate stehen vertretend für alle Personen, Pers die sich zu dieser Frage äußerten. äußerten „Bien qu’il y a ce mélange de langues.“ langues. (59 Jahre, weibl.) „Il faut équilibrer l’utilisation de 2 langues.“ (31 Jahre, weibl.) „Pass assez présent et mis en avant“ avant (22 Jahre, männl.) „La langue corse se perd de sa fonction sociale et l’école tente et seule d’assurer la continuité.“ (50 Jahre, weibl.) „Comme une richesse et un vehicul culturel“ (55 Jahre, männl.) 83 „C’est l’ouverture et c’est très bien.“ (43 Jahre, weibl.) „Cela révèle la situation de la société et de son économie et de son influence.“ (47 Jahre, weibl.) „Le Corse n’est pas assez présent, il faudrait qu’il soit plus utilisé par les jeunes.“ (27 Jahre, männl.) Andere Befragte beschrieben die Mehrsprachigkeit als „à améliorer“, „excellent“, très bien“, bien“, „assez faible“, „moyen“ oder „très présent“. Man erkennt unterschiedliche Meinungen und Tendenzen Tendenzen zu dieser Problematik. Es E herrscht eine Balance zwischen positiven und negativen Äußerungen. Frage 17 griff das noch immer aktuelle politische Thema um die Frage nach der Autonomie Korsikas auf. La Corse devrait-elle devrait elle être autonome de la France, avec sa propre constitution? [ ] oui [ ] non [ ] je ne sais pas [ ] indifférent [ ] autre: _______________ Als Antwort standen dazu klare Aussagen und Standpunkte zur Auswahl, ebenso konnte man sich für „Unentschlossenheit“ oder „Neutralität“ entscheiden. Sollte Korsika unabhängig sein (eigener Staat / Verfassung) ? Autonomie Korsikas Auswahl Nennungen % ja 11 29 nein ich weiß nicht 15 39 8 21 ist mir egal - 0 anderes 3 8 (keine Angabe) 1 3 Ʃ 38 100 (keine anderes Angabe) 3% 8% ja 29% ich weiß nicht 21% nein 39% Tab. 17 Eine neutrale Haltung hat keine der befragten gten Personen, niemand markierte „ist mir egal“. Die meisten meist sprechen chen sich gegen eine Autonomie Korsikas aus au (39%), 39%), 11 Personen bejahen bejah eine Autonomie. 21% wissen en nicht, wie sie sich entscheiden sollen. Drei Personen sind für „anderes“: deres“: Eine von ihnen vermerkt „unmöglich“, “, eine andere schreibt, schrei , dass diese Autonomie bereits schon in 84 einzelnen Domänen vorhanden sei. s Ohne eine ine Antwort anzukreuzen, äußert sich ein Befragter dazu lediglich mit „on verra dans l’avenir“. Die Frage 18 knüpfte knüpft an die Frage zur Sprachdominanz Korsikas an und fragte fragt nach, ob die korsische Sprache aus der Sicht der einzelnen Befragten bedroht bedro sei oder nicht. Selon vous, la langue corse est-elle est menacée? [ ] aucune opinion [ ] non [ ] oui, parce que: _________________ Hier war es ebenfalls möglich, eine neutrale neutra Meinung abzugeben geben. Bejahte man die Bedrohung des Korsischen, sollte dies genauerr begründet werden. werden Sehen Sie das Korsische als bedroht an? Die Gefährdung des Korsischen Auswahl Nennungen % keine Meinung 5 13 nein 12 31 ja 22 56 (keine Angabe) - 0 Ʃ 39 100 keine Meinung 13% ja 56% nein 31% Tab. 18 Mehr als die Hälfte der Befragten (56%) sehen die korsische Sprache als bedroht edroht an. Laut der Befragten liegen liegen die Gründe dafür u. a. an der Dominanz des Französischen, an dem Zuzug neuer Bewohner auf Korsika, die die korsische orsische Sprache nicht erlernen (wollen) sowie an der schlechten Vermittlung Vermittlun und Unterrichtung der Sprache. W Weiterhin wird der unzureichende Sprachgebrauch des Korsischen und der Mangel des offiziellen Status als Grund erwähnt. erwähnt Zwölf Personen verneinen en die Bedrohung des Korsischen, 5 Personen haben en dazu keine Meinung. 85 In Frage 19 wurden die Befragten gebeten, Möglichkeiten für eine bessere Förderung des Korsischen zu nennen, die auch zum Erhalt dieser Sprache beitrügen. Comment pourrait-on mieux protéger le corse et encourager son apprentissage? Neun der Befragten ließen diese Frage außen vor und gaben keine Antwort. Nachstehend einige Zitate diverser Personen, die sich dazu äußerten: „Adapter l’enseignement en le rendant plus vivant et ludique.“ (47 Jahre, weibl.) „Obligatoire à l’école primaire et au collège“ (55 Jahre, männl.) „Avec une obligation d’apprentisage dans le système educatif“ (20 Jahre, weibl.) „On le rendant obligatioire dans le programme éducatif.“ (33 Jahre, weibl.) „A l’école et la population avec l’encouragement de l’état“ (65 Jahre, weibl.) „Obligation scolaire, utilisation possible dans l’administration“ (27 Jahre, weibl.) „Dès la première année de scolarité et la famille doit dialouger en corse pour enrichir cet apprentissage.“ (54 Jahre, männl.) „Donner un statut – imposer le bilinguise en maternelle – dispenser formations à tous les personnels“ (50 Jahre, weibl.) Einen Erhalt des Korsischen sehen viele der Befragten an pädagogische Maßnahmen geknüpft, vor allem im Bereich der Grundschule. Ebenso seien administrative Schritte notwendig, um das Korsische aktiv in den öffentlichen Sektor zu integrieren. Die Medien und die Werbung sollten ebenfalls den Erhalt der Sprache fördern, indem beispielsweise rein korsischsprachige oder bilinguale Produktionen entwickelt werden könnten. Die Frage 20 befasste sich konkret mit der Sprachidentität der einzelnen Sprecher. Sie ist an die dreizehnte Frage geknüpft, die zunächst die Identität der einzelnen Befragten herausstellen sollte. Selon vous, quelle langue est “votre“ langue? [ ] français [ ] corse [ ] les deux [ ] autre: ___________________ 86 Hier konnten beide Sprachen sowohl einzeln, als auch zugleich genannt und markiert werden, ebenso war es möglich, möglich eine andere als die identitätsstiftende id Sprache anzugeben. Welche Sprache ist "Ihre" Sprache? Sprachidentität Sprache Nennungen % Französisch 14 35 Korsisch 13 33 beide 11 28 andere 2 5 (keine Angabe) - 0 Ʃ 40 100 andere 5% Französisch 35% beide 28% Korsisch 32% Tab. 19 Die Ergebnisse der Frage sind eher vermischt, es geht keine mehrheitliche Positionierung hervor: hervor 35% der Befragten benennen Französisch als ihre Sprache, 32% und somit nur eine Person weniger identifizieren sich mit der d korsischen Sprache. Ein knappes Drittel sehen Französisch und Korsisch gleichermaßen als „ihre“ „ Sprache an. Eine Person gibt „Italienisch“ an, eine andere „vietnamesisch“. Frage 21 und zugleich letzte Frage der empirischen Untersuchung schließt an die vorhergehende Frage an, indem sie fragt: Que souhaitez-vous souhaitez pour “votre“ langue? Auch hier war den befragten Personen ein offenes Antwortfeld überlassen, in dem sie ihre eigene Auffassung darlegen konnten. 25 der 39 befragten Personen beantworteten diese abschließende Frage. Dies waren vor allem die Befragten, die die korsische Sprache Sprache zuvor als „ihre“ Sprache deklarierten. deklariert Die Personen, die vorab die französische Sprache zu „ihrer“ Sprache erklärten, ließen meist die Frage aus. Auch hier folgen nun einzelne lne Zitate, die stellvertretend für alle gemachten Äußerungen stehen, stehen unabhängig davon, welche Sprache zuvor als „eigene Sprache“ ausgewählt wurde: 87 „Que vos enfants l’apprennent“ (für Frz. / 28 Jahre, weibl.) „Le Français rendre la langue la plus importante. Elle complète notre prore langue régionale.“ (für Frz. / 76 Jahre, männl.) „Qu’elle soit vraiment reconnue comme une langue.“ (für Kors. / 39 Jahre, weibl.) „Au delà de son enseignement, le corse doit retrouver sa place dans les relations sociales.“ (für Kors. / 50 Jahre, weibl.) „Qu’elle soit plus pratiquée, mais de manière „naturelle“ pas en forçant son apprentissage.“ (für Kors. / 47 Jahre, weibl.) „Qu’elle soit plus exploitée (Publicité, TV, Radio, Musique, Livre) et reconnue.“ (für Kors. / 20 Jahre, männl.) Die Personen, die zuvor gleichermaßen Korsisch und Französisch als „ihre“ Sprachen benannten, erwähnen hier kurz: „plus de reconnaissance“, „qu’on continue à les parler“ oder „qu’elles cohabitent en paix“. Viele der Befragten machen auch bei der Beantwortung dieser letzen Frage auf die Befugnisse der Sprachpolitik, dem Ausbau der Bildung, sowie dem Einfluss der Medien aufmerksam, die den Verlauf des Korsischen lenken und über dessen „Schicksal“ mit entscheiden. Vonseiten der Befragten, die Französisch als ihre identitätsbezogene Sprache nannten, bedarf es eher weniger an Verbesserungen oder Veränderungen für den Erhalt „ihrer“ Sprache. 6.6 Obwohl Schlußbemerkungen die vorliegende empirische Untersuchung noch Teil der zusammenhängenden abschließenden Erörterung im nächsten Kapitel sein wird, soll bereits dennoch zuvor ein spezifisches Resümee gezogen werden. Der zum einen hohe Grad an Beteiligungsbereitschaft der einzelnen Personen, geplant waren anfangs nur zehn Befragungen pro Stadt, nun sind es doppelt so viele, und zum anderen deren entgegenkommende Offenherzigkeit trugen im Wesentlichen zum Erfolg der empirischen Untersuchung bei. Mit der empirischen Untersuchung sind sicherlich offene Türen eingerannt wurden. Dies zeigt einmal mehr, wie präsent die „Sprachenfrage“ bei den Korsen ist. Dabei dienten die 21 ausgewerteten Fragen dazu, querschnittartig den momentanen Sprachenzustand wieder zu geben. Dies sollte neutral erfolgen, 88 ohne sich dabei subjektiv zu positionieren. Das Ziel, Tendenzen und Disparitäten innerhalb der Sprachsituation Korsikas offenzulegen, hat die auf ihre Mittel beschränkte Fallstudie erfüllt. Bedauerlich ist, dass nicht alle Befragten die angebotenen offenen Nennungen einzelner Fragen nutzten. Auch führten einige gemachte Angaben zu unlogischen Aussagen, die dann nicht in die Bewertung mit einfließen konnten.371 In kombinierter Betrachtung einzelner Antworten gab es zuweilen Anlass zum grübeln, wenn beispielsweise markiert wurde, dass man sich primär als Franzose fühlt (Frage 13) , mittleres oder kein Korsisch spricht (Frage 3), aber dennoch bevorzugt, die Personen auf korsisch anzusprechen (Frage 12). Dieses eben genannte Beispiel eines ausgefüllten Fragebogens (wie einige andere Fragebögen auch) laden dazu ein, gezielt nachzufragen, wie solche Antwortkombinationen zu deuten sind und was sich genau dahinter verberge. Bisher liegen nur sehr wenige empirische Untersuchungen zur Sprachsituation Korsikas vor. Die eben ausgewerteten Daten bilden nur eine Basis für mögliche Konzeptionen komplexer Analysen und Ableitungen. Vergebens sucht man aktuelle Sprecherzahlen oder gegenwärtige themenspezifische Analysen. Wie es der Zufall will, erschien vor einem Jahr (2011) die hier schon mehrfach zitierte Monographie Farrenkopfs „Die Entwicklung des Korsischen zur modernen Kultursprache - Eine Fallstudie zu Sprachausbau und Sprachpolitik“. Sie bildet weitgehend eine Ausnahme unter den soziolinguistischen Betrachtungen Korsikas, wenn auch dessen Fallstudie explizit die korsische Sprache in den Mittelpunkt rückt und daher weniger als komparative Studie „Korsisch-Französisch“ angesehen werden kann.372 371 372 Eine Person beantwortete die Frage nach der Autonomie Korsikas (Frage 17) gleichzeitig mit „ja“ und „nein“, eine andere Person kreuzte bei der gewünschten Beurteilung über des eigenen französischen, bzw. korsischen Sprachniveaus (Frage 2, Frage 3) bei beiden Sprachen gleichzeitig „excellent“ und „moyen“ an, egal ob es sich um Gebrauch des Hörens, des Sprechens, des Schreibens oder des Lesens handelte. Ein anderer Befragter gab an, Korsisch jederzeit zu sprechen und zu schreiben, obwohl er es lt. eigener Aussage gar nicht beherrscht. – Solche Falschangaben, bzw. Anteile nicht nachvollziehbarer und auswertbarer Daten sind gewiss Bestandteil jeder empirischen Datenerfassung. Gleichwohl erwies es sich für die eigene Untersuchung mitunter als schwierig, den Fokus gleichwertig auf beide Sprachen zu legen und den Fragenkatalog „neutral“ zu gestalten. Spezifische Fragen, die allein die korsische Sprache betrafen waren insofern erforderlich, dass sie identitätsbezogene Verweise aufdeckten, die sich wiederum, wenn auch indirekt, auf die französische Sprache auswirkten. 89 Zur Erforschung bzw. Beobachtung andauernder (situativer) Sprachprozesse sind empirische Untersuchungen von enormer Bedeutung, gerade in „Konfliktgebieten“ wie Korsika, dem Baskenland, o. ä. Kurzum: Zur sprachsituativen Lage Korsikas bedarf es kontinuierlich aktueller Zahlen und Tendenzen, die klar vermitteln, inwieweit sprachpolitische Bemühungen Wirkung gezeigt haben, unbeachtet zugunsten welcher Interessengruppe. Diese „praktisch“ gewonnenen Ergebnisse könnten Grundlagen für ausgereiftere administrative Schritte bilden bzw. dessen Resonanz sein. 90 neue, 7. FAZIT UND AUSBLICK 7.1 Zur Sprachsituation auf Korsika – ein Resultat „Korsisch ist eine Sprache, die aus dem Herzen kommt. Sie lebt nicht in der Öffentlichkeit. Sie wird im Privaten gesprochen. Sobald man das Haus verlässt, wechselt man ins Französische. (…) La langue corse? Remettez sur les rues !“ Dies sind die Worte des stellvertretenden Direktors des „Lycée Leaticia“ in Ajaccio. Präzise geben sie seine Sicht auf die Sprachlage Korsikas wieder. In diesem Kapitel soll auf diese sprachsituative Lage letztmalig (allgemeingültig) eingegangen werden. Dies geschieht als Zusammenfassung einzelner Aspekte vorausgegangener theoretischer Auseinandersetzungen, wie auch unter Zuhilfenahme der stattgefundenen empirischen Studie und deren Ergebnisse. Auf Korsika spricht man zwei Sprachen, Französisch und Korsisch. Jedoch hört man auf der Straße nur eine: Französisch. Trotzdem sind die Mehrzahl der Sprecher Korsikas fähig, in beiden Sprachen zu kommunizieren: Mehr als die Hälfte der befragten Personen hat gute bis ausgezeichnete Kenntnisse im Französischen (Studie: Frage 2), eine Vielzahl kann die korsische Sprache mittelmäßig bis gut hören und sprechen (Studie: Frage 3). Im distanzsprachlichen Bereich zeigt sich eine Kluft: Korsisch lesen oder schreiben können nur sehr wenige Personen, die meisten können sie nur verstehen und sprechen. Je besser man Korsisch sprechen oder schreiben kann (Studie: Frage 3), desto häufiger kommt die Sprache auch zur Anwendung. Dies geschieht jedoch nur manchmal, wenn überhaupt (Studie: Frage 5). Allein aus diesen Ergebnissen lässt sich bereits ableiten, dass beide Sprachen einen heterogenen Status innehaben. Französisch kann als Hauptsprache gedeutet werden, Korsisch „nur“ als praktizierte Nähesprache, da lediglich im mündlichen Bereich ausreichende Kenntnisse vonseiten der Sprecher vorhanden sind. Sowohl sprachpolitisch vonseiten Frankreichs, wie auch von den Sprechern Korsikas selbst, wird die korsische Sprache mehrheitlich als „Regionalsprache“ 91 eingeordnet (Studie: Frage 14). In diversen Publikationen ist man ebenso dieser Ansicht. Nicht ohne Grund: Die französische Sprache dominiert den korsischen Sprachraum, dies sagen auch die Hälfte der Befragten (Studie: Frage 15). Von einem „lebendigen Bilingualismus“ kann also keine Rede sein, eher von einer „scheinbaren Mehrsprachigkeit“. Weitgehend sind sich alle Sprachforscher darüber einig, dass von einer Diglossie gesprochen werden kann, eine funktionale, situative Mehrsprachigkeit zweier Sprachen, besser gesagt, Varietäten derselben Sprache. Korsische Sprachwissenschaftler erweitern den Sprachzustand um den Begriff der „langue polynomique“. Diese Art des funktionalen Sprachgebrauches spiegelt sich auch in der empirische Erhebung wieder (Studie: Frage 6): Französisch findet überall Anwendung, egal ob zu Hause, bei der Familie, bei den Kindern, bei Freunden, oder bei der Arbeit. Jedoch wird Korsisch primär im privaten Raum gesprochen, am häufigsten bei der Familie. In Form von Sprachmischung beider Sprachen wird Korsisch bei der Kommunikation mit Freunden angewandt, seltener ausschließlich die korsische Sprache. Daraus lässt sich erneut der eher „sekundäre“ Charakter des Korsischen ableiten. Auch bei dem alltäglichen Konsum von „Sprache“, allen voran bei den Angeboten der Massenmedien als „Träger“ einer Sprache (Radio, Fernsehen, Internet), ist ebenfalls die französische Sprache primär vertreten. Immerhin wird eine kleine Auswahl an korsischsprachigen Regionalfenstern angeboten. Desweiteren gibt es kleine Lokalradiosender, die vereinzelt auf Korsisch senden. Am meisten wird auf Korsika der Radiosender „RCFM“ gehört. Dies bestätigt die Fallstudie ebenfalls (Studie: Frage 7). So ist auch hier die vorrangige Nutzung den französischsprachigen Medien (Radio, Bücher, Zeitungen, Musik, Theater, etc.) zuzuschreiben. In korsischer Sprache genutzte Medien sind vor allem das Radio und die Musik (Studie: Frage 8). Zwar wirkt die französische Sprache „offizieller“ als die korsische, sie wird mehr gesprochen, sie wird medial mehr konsumiert, sie ist im öffentlichen Raum omnipräsent, letztlich ist sie allein offizielle Sprache Korsikas, jedoch ergibt sich beim Betrachten der Sprachidentität der Sprecher ein umgekehrtes 92 Bild: Französisch mag das Korsische dominieren, jedoch identifiziert sich mehr als die Hälfte der Befragten als „Korse“ (Studie: Frage 13). Nicht jeder, der also Französisch spricht, sieht sich selbst auch als „Franzose“. Könnte man lapidar von „corse donc français“373 sprechen? Immerhin beantworten manche Befragte die Identitätsnachfrage gleichzeitig mit „Korse“ und „Franzose“. Aus der empirischen Untersuchung geht nicht hervor, ob die Personen, die sich als Korse identifizieren, auch mehr Korsisch sprechen und konsumieren. Es gibt „Korsen“ (in Bezug auf Frage 13 der Studie), die sprechen kein Korsisch bzw. können keine Sprachkompetenz nachweisen. Ebenso gibt es „Franzosen“, die situativ Korsisch verwenden, wenn auch diese Personen weit in der Unterzahl sind. Kurzum: Auf Korsika sprechen mehr „Korsen“ ebenfalls Französisch, als dass dort lebende „Franzosen“ obendrein Korsisch sprechen. Wenn die Frage nach der Identität (Studie: Frage 13) der Frage nach der „eigenen“ Sprache (Studie: Frage 20) gegenübergestellt wird, erscheinen deren Ergebnisse hingegen homogen: Fast alle, die sich als Korse identifizieren, geben auch Korsisch als „ihre“ Sprache an. Ebenso bestimmte die Überzahl der „Franzosen“ Französisch als „ihre“ Sprache. Die Befragten, die sich sowohl als „Korse“, wie auch als „Franzose“ identifizieren, kreuzten vorwiegend auch „les deux“ bei der zugehörigen Sprachidentitätsfrage an. Natürlich gibt es auch vereinzelte Abweichungen, jedoch überwiegt die eben genannte Egalität. Bei dem ersten Sprachkontakt zu fremden Personen ergibt sich folgendes Bild: Die Personen, die fremde Personen auf Korsisch ansprechen (Studie: Frage 12) wünschen sich größtenteils, ebenfalls auf Korsisch angesprochen zu werden (Studie: Frage 9). Sollte der erste Kontakt von außen jedoch auf Englisch erfolgen, wird bei fast allen Befragten auf Französisch ausgewichen und nicht auf Korsisch geantwortet (Studie: Frage 11). Ein paralleles Bild ergibt sich bei den Personen, die Fremde auf Französisch Personen ansprechen: Selbige möchten vorwiegend ebenfalls auf Französisch angesprochen werden, einigen ist es egal, ob auf Französisch oder Korsisch. Die Mehrzahl derer spricht auch weiterhin Französisch, sollte der erste Sprachkontakt in Englisch stattfinden. 373 Eine Person beantwortete die Frage 13 des Fragebogens (Als was identifizieren Sie sich?) mit dieser Formulierung. 93 Mit der Frage der Identität eines Sprechers und seiner damit verbundenen Sprachidentität geht auch die Frage politischer Bemühungen und Absichten einher. Mehrfach wurde Korsika in dieser Arbeit als „unbequeme“ Region bezeichnet, als „Nordirland“ Frankreichs, etc. Attentate und Anschläge autonomer Nationalisten prägten die Geschichte Korsikas und noch immer ist die Autonomie in den Köpfen der meisten Korsen. Auch diese Tatsache untermauert die empirische Studie: Ein Drittel der Befragten sprechen sich für eine Autonomie Korsikas aus (Studie: Frage 17), selbige fühlen sich primär als „Korse“ (Studie: Frage 13). Lediglich fünf der 39 Befragten sind gegen eine Autonomie Korsikas, obwohl sie sich selbst als „Korse“ bezeichnen. Ob an Grundschulen, weiterführenden Schulen oder gar auf universitärer Ebene: Die französische Sprache dominiert auch innerhalb des Bildungssektors. Dies ist nachwievor ein Resultat der Schulgesetze Ferrys von 1881/1882. Für alle Personen, die aktuell jünger als 30 Jahre sind, gilt Französisch als eigentliche Muttersprache, während Korsisch nach der Kindheit weiterhin nur mit eingeschränkter Kompetenz erlernt wird.374 Jedoch ist in keinem anderen Bereich als der Bildung absehbar, dass sich die korsische Sprache progressiv nach außen hin manifestiert. Zwar wird sie noch immer primär privat vermittelt, also „zu Hause“ erlernt und generationsübergreifend weitergegeben375, jedoch nimmt das Angebot an didaktischer Vermittlung des Korsischen stetig zu: Kurz seien noch einmal die bilingualen Klassen in der Grundschule erwähnt, der Korsischunterricht an weiterführenden Schulen, wenn auch hier zuweilen die korsische Sprache als eine „Fremdsprache“ wie Englisch oder Italienisch gehandhabt wird. Hinzu kommen die obligatorischen Korsischkurse an der Universität in Corte. Aus der überwiegenden Anzahl gleichlautender Äußerungen verschiedener Personen der empirischen Studie geht hervor, dass den pädagogischen Einrichtungen bzw. der Bildungspolitik die meiste Verantwortung dahingehend übertragen wird, welche Richtung die korsische Sprache einnehmen wird. Ein dauerhaftes verpflichtendes Lehrangebot des Korsischen wäre die Grundvorrausetzung für eine 374 375 Vgl. Kramer 1996, S. 120. Dies geht einher mit dem Ergebnis der Fallstudie: Die meisten Befragten, die der korsischen Sprache mächtig sind, erlernten diese zu Hause, bzw. im familiären Umkreis. Erst dann folgt die Schule als sprachvermittelnde Einrichtung (Studie: Frage 4). 94 Manifestierung, beginnend mit der Grundschule. Bloße „Zugeständnisse“ des Korsischen reichen auf schulischer Ebene nicht aus, um eine reale Zweisprachigkeit zu erlangen. Schließlich verrät ein Wortspiel den momentanen Habitus beider Sprachen: Die Sprachsituation Korsikas (Französisch und Korsisch als existierende Sprachen) hängt ab von der fortwährenden, zukünftigen Sprachsituation auf Korsika (hier die Sprechsituation und der damit verbundene situative Sprachgebrauch der Sprecher). Momentan dominiert die französische Sprache. Hätte Korsisch den Status einer offiziellen Sprache, wäre die „Sprachenfrage“ sicherlich eine andere. Wie sind die Aussichten für die korsische Sprache? Welche Tendenz weist die „Sprachenfrage Korsikas“ auf? Gibt es ein Patentrezept für eine „gerechte“ Mehrsprachigkeit auf Korsika? Diese Fragen werden im nun folgenden, letzten Kapitel der Arbeit aufgegriffen und (hypothetisch) beantwortet. 7.2 Korsisch, Quo Vadis? Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Aussichten auf einen künftigen offiziellen Status der korsischen Sprache sind eher ernüchternd. Unbestritten unter den Sprachforschern ist das Faktum, dass nahezu alle Korsen konform fordern, die korsische Sprache weiter auszubauen und in den offiziellen Status zu heben.376 Doch jene Gelehrten prophezeien der korsischen Sprache nichts Gutes. Farrenkopf sieht beispielsweise gar keinen Bedarf, der korsischen Sprache einen offiziellen Charakter zu verleihen: Da schier alle Korsen Französisch sprechen und sich bereits (mehr oder weniger) in dieser Sprache verständigen, sei dessen vollständiger Ausbau unnütz. So bietet diese Sprache keine zusätzliche Möglichkeit zur Verständigung mit mehr Bürgern der EU bzw. generell keine neue offizielle Kommunikationsmöglichkeit.377 Doch warum kommt es zu diesem Urteil? 376 377 Vgl. Hofstätter 1991, S. 165. Vgl. Farrenkopf 2011, S. 268. 95 Durch die eigene Abstammung und der dazugehörigen Gruppensprache prägte sich das korsische Bewusstsein mehr und mehr aus. Insofern war eine Ideologisierung der Identifikationssprache zu beobachten: Es begann mit einer Mystifizierung der Sprache, die Vorreiter für den (sprach)politischen Aktivismus wurde.378 Die korsische Sprache erlebte durch die sich ausbreitende sprachidentitäre Verwurzelung zwei Renaissancen. Sie erfuhr im Zuge regionalistischer Bewegungen der 60er Jahre eine stetige Aufwertung.379 Die Dynamisierung der tradierten Diglossie „Französisch-Korsisch“ wurde in Frage gestellt, einherging ein terminologischer Statuswandel des Korsischen, weg von „notre dialecte“ oder „le(s) dialectes corse(s)“, hin zu „la langue corse“. Dieser Terminus ist seit den frühen 70er Jahren in der gesamten Bevölkerung aller politischen Lager generalisiert.380 Spätestens seit dieser Zeit wird mit der Reflexion über das Korsische immer eine sprachliche wie auch kulturpolitische Diskussion verbunden.381 Lt. Jaffe wird bis heute mehr über das Korsische debattiert als in korsischer Sprache selbst.382 Doch diese konstante Aufwertung allein genügte nicht. Man ist darüber überein gekommen, dass vor allem die linguistisch funktionale Rolle des Korsischen gegenüber der französischen Sprache eine ganz andere ist. Genau dies ist der Knackpunkt, der das Schicksal der korsischen Sprache definiert und über sie entscheidet: Die tief verwurzelte ethnische Identität der Korsen verhalf der korsischen Sprache zur Existenz und zu deren (stetigen) Sprachausbau.383 Bis heute liegt ihre Bestimmung vor allem darin, als Ausdruck einer kulturellen Gruppenzugehörigkeit zu fungieren.384 Durch dessen Bewahrung, Wiederbelebung und Stärkung sehen die Korsen vor allem die Möglichkeit, ja die einzige Chance, den Fortbestand ihrer Identität zu erhalten.385 Die Korsen bemessen den Wert des Korsischen nach ihrem Inneren, sie ist eine Sprache „des Herzens“386, nicht aber anhand ihres Gebrauches, ihres funktionalen 378 Fabellini 2009, S. 343. Hofstätter 1991, S. 141. 380 Ebd. 381 Ebd., S. 142. 382 „There is more talk about Corsican than there is talk in Corsican.“ – Jaffe 1999, S. 280. 383 Hofstätter 1991, S. 145. 384 Farrenkopf 2011, S. 268. 385 Ebd., S. 265. 386 Siehe Zitat am Anfang dieses Kapitels. 379 96 Wertes. Spracheinstellung und Sprachwirklichkeit fallen somit auseinander.387 Französisch hat auf Korsika den Status einer Hauptsprache bzw. als „Gebrauchssprache“. Nahezu alle Korsen verständigen sich auf Französisch, die Sprecher besitzen gute bis ausgezeichnete Sprachkompetenzen. So kann dem Korsischen mangels ausreichender Funktionalität und unausgereifter Sprachkompetenzen nur der Status einer Nähesprache zugeschrieben werden, während Französisch Distanzsprache ist und bleibt. Ein anderes erhebliches Manko entzieht dem Korsischen ebenso förmlich die Chance auf einen offiziellen Status: Das Fehlen einer Sprachinstitution.388 Gegenwärtig gibt es keine korsische Sprachakademie. Jaffe sieht diesen Mangel bzw. die bisherige Nichtverwirklichung darin begründet, dass die Autorität der korsischen Sprache bisher nicht geklärt ist (administrativ und schulisch).389 Structures like language academies have the potential to render the authority of at least some linguistic forms „natural“ and uncontested. […] This is not the case in Corsica.390 Für das bisherige Scheitern an einer Sprachinstitution nennt Jaffe gleichermaßen als entscheidenden Grund, dass Debatten über die Standardisierung des Korsischen immer polarisiert seien, in extremen „Terms“.391 Es fehlen gezielte Standardisierungsbemühungen. Bisher sollen lediglich korsische Autoren, Übersetzer, Lehrbuchautoren, Mediensprecher und lokale Sprachvereine eine Art „Sprachinstitution“ darstellen.392 387 Farrenkopf 2011, S. 271. Diesbezüglich kann hier auf das „Office québécois de la langue française“ verwiesen werden. Als Sprachinstitution ist es für die Durchsetzung der „francisation“ in Québec zuständig, insbesondere für terminologische Arbeit, Diskussionen über sprachliche Normen und Sprachkorpusplanung. – Vgl. Erfurt 2009, S. 174. / www.oqlf.gouv.qc.ca – Grob umfassend gesagt ist das „Office“ für die Wahrung und Lenkung des Französischen in Kanada verantwortlich. Selbige Einrichtung wäre auch im Falle der korsischen Sprache erstrebenswert, um eine Wahrung, bzw. einen Ausbau sicherzustellen. 389 Jaffe 1999, S. 277. 390 Ebd. 391 Ebd. - Da „Term“ ambivalent übersetzt werden kann („Ausdruck“, „Bedingung“, „Bezeichnung“, „Dauer“ oder „Frist“), und somit unklar ist, welche „stark vorkommende Polarität im Bezug auf die kontroversen Diskussionen über das Korsische“ gemeint ist, wurde auf eine Übersetzung des Wortes verzichtet. Die Aussage Jaffes könnte zu sehr verzerrt werden. 392 Vgl. Farrenkopf 2011, S. 66 f. 388 97 Tendenziell zeichnet sich auf sprachpraktischer Ebene bereits eine neue Verschiebung im Sprachgebrauch des Korsischen ab. Noch kann nicht explizit gesagt werden, ob dieser Prozess mehr förderlich oder hinderlich für die weitere Entwicklung des Korsischen ist: Lt. Farrenkopf ist die tradierte Diglossie „Französisch-Korsisch“ nur noch in Gruppen älterer Generationen anzufinden.393 In den jüngeren Generationen verschiebt sich diese Diglossie hin zum „Francorse“, einer Vermischung von französischen und korsischen Wörtern innerhalb der nähesprachlichen Praxis. Fallen dem (jungen) Sprecher nicht alle Worte für einen auf Korsisch zu bildenden Satz ein, bedient er sich dieses Sprachwechsels (Code-Switching). Die französischen Einschübe fungieren dann als „Lückenfüller“.394 Farrenkopf resultiert, dass heute mehr „Francorse“ als Korsisch gesprochen wird und fortan zu beobachten sei, ob diese Art des Sprachgebrauches dem Vollausbau der korsischen Sprache dahingehend entgegenkommt, die korsische Sprache dadurch auch bei den jüngeren Generationen zu erhalten und zu stärken. Hierbei könnten ebenso (korsische) Neologismen entstehen, die die französischen Einschübe nach und nach ersetzen.395 Die bereits mehrfach erwähnte Tendenz der stetigen Verankerung des Korsischen innerhalb des Bildungssektors, also dem wachsenden Angebot und der bereits stetigen Nutzung der korsischen Sprache im schulischen / universitären Bereich, sichert und intensiviert den korsischen Sprachausbau, obgleich der dortige Sprachgebrauch eher gelenkt wird, als das er spontan stattfindet.396 Durch die hohe identitäre Funktion des Korsischen wäre lt. Farrenkopf eine schnelle Fremdsprachenunterrichtes Weiterentwicklung wünschenswert, hin des korsischen zum bilingualen Fachunterricht.397 Anhand von Musik (korsische Folklore) integriert die jüngere Generation diese Sprache bereits progressiv in ihren Alltag. 393 Traditionelle Diglossie meint hier Französisch als Distanzsprache und Korsisch als Nähesprache – siehe oben. 394 Farrenkopf 2011, S. 269 f. 395 Ebd., S. 271. 396 Ebd., S. 267. 397 Ebd., S. 269. 98 Doch trotz aller „Wiederbelebungsmaßnahmen“ werden die Chancen auf eine gänzliche Eingliederung des Korsischen eher verneint. Jaffe macht dies vor allem an institutionellen, kulturellen, ökonomischen und ideologischen Gründe fest, die eine „social legitimation“ des Korsischen verhindern.398 Es ist fast ein Teufelskreis: Der Vollausbau der korsischen Sprache scheitert am nicht vorhandenen Status einer Schriftsprache, also an ihrer nicht existierenden funktionalen Notwendigkeit und am mangelnden Gebrauch im öffentlichen Raum. Die Vorrausetzungen für eine Behebung dieses Mankos könnten aber dahingehend geschaffen werden, in dem man institutionelle und sprachpolitische Maßnahmen vorantreibt und dementsprechend implantiert. Aber dies geschieht nur sehr mühsam, genau aus dem Grund, da die französische Sprache bereits die Stelle der „funktionalen“ Sprache einnimmt. Somit besteht kein „prokorsischer“ Handlungsbedarf, da diese Sprache eh nur als Nähesprache gebraucht wird. Doch genau dies könnte ja gefördert und administrativ erweitert werden. – Der Kreislauf beginnt von Neuem. Die Sprachplaner sehen die letztendliche Lösung der „Sprachenfrage“ in Form einer Mehrsprachigkeit. Nur parallel zum Französischen könne die korsische Sprache weiter existieren. Über die schulische Bildung hinaus müsse die Sprache im Alltag fest integriert werden.399 Dies ist aber nur durch kohärente Entwicklung und Umsetzung von administrativen, medialen und sprachpolitischen Körperschaften möglich. Darüber hinaus sollte die korsische Sprache an weiterführenden Schulen nicht weiter als „Fremdsprache“ klassifiziert und parallel neben anderen Sprachen angeboten werden. Die Schriftsprache ist für den weiteren Ausbau des Korsischen von erheblicher Bedeutung. Letztlich ist dies nur unter sprachpolitischen Bemühungen vonseiten Frankreichs realisierbar. Zweisprachige Beschilderungen oder minimale mediale Angebote reichen dafür nicht aus. Fest steht: Für die Mehrzahl der Korsen ist die Verwirklichung und Schaffung eines offiziellen Status „ihrer“ Sprache von fundamentaler Bedeutung, denn „morta a lingua, mortu u populu“.400 398 Jaffe 1999, S. 277. Farrenkopf 2011, S. 267. 400 Hofstätter 1991, S. 164. 399 99 8. ZUSAMMENFASSUNG Diese Arbeit befasste sich mit der aktuellen Sprachsituation Korsikas. Gelenkt wurde der Fokus auf den derzeitigen Status der dort präsenten Sprachen Französisch und Korsisch. Durch eine Gegenüberstellung beider Sprachen sollte die aktuelle Sprachenlage erörtert werden, ebenso die daraus resultierende „Sprachenfrage“. Realisiert wurde dies mithilfe eines theoretischen und eines praktischen Teils. Im theoretischen Teil dieser Arbeit wurden die wesentlichen Elemente einer sprachsituativen Untersuchung wie Sprachstatus, Spracherwerb, Sprachvermittlung, Sprachverwendung, Sprachsektoren, etc. herausgearbeitet. Die eigens durchgeführte empirische Untersuchung bildete dabei den praktischen Teil. Beide Hauptbestandteile wurden anschließend resümierend miteinander verwoben. Dem Hauptteil vorangestellt waren zur Thematik hinführende Kapitel, bestehend aus knappen Auflistungen, kurzen Exkursen und gerafften Darbietungen, stets mit dem Vermerk versehen, nur ergänzenden Charakter zu haben. Bereits im Kapitel zum aktuellen Forschungsstand wurde das spärlich vorhandene Angebot an wissenschaftlichen Veröffentlichungen problematisiert. Durch dieses Defizit erschien die theoretische Erarbeitung recht übersichtlich, infolgedessen der Kreis fortwährend zitierter Autoren aber eher klein blieb. Ähnliche quantitative Einschnitte ergaben sich aus dem Umfang der Fallstudie. Letztlich wurden nur 39 Personen befragt. In der resümierenden Auswertung der Daten erschien daher ein verallgemeinertes, sich auf alle Korsischsprecher beziehendes Fazit als äußerst fraglich. Beseitigen ließe sich dieses Manko durch eine weitere, identische Fallstudie mit höherer Nettostichprobenzahl oder in Form einer komparativen Analyse. Diese könnte durch Hinzuziehung der empirischen Untersuchung Farrenkopfs konzipiert und realisiert werden, in der der Fokus allein auf die Entwicklung der korsischen Sprache gerichtet war. 100 Auch andere Forschungsfragen, mitunter bereits schon mehrmals genannt, könnten einen vertiefenden Blick auf die Sprachsituation Korsikas liefern: Nochmals erwähnt sei der äußerst interessant erscheinende Vergleich zwischen den Sprachregionen des Binnenlandes Korsikas mit denen der Küstenregionen (den Städten). Aus soziolinguistischer Sicht gäbe es hier eine Fülle an weiteren Untersuchungsgegenständen, allen voran die bereits oft genannte Sprachverschiebung. Ratsam wäre eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Problematik des „Francorse“. Eine (hypothetische) Konstruktion zur Entwicklung eines rein korsischsprachigen Printmediums wäre ebenfalls zu begrüßen. Dabei sollte es sich um eine gut durchdachte Konzeption handeln, um nicht Gefahr zu laufen, es nach kurzer Zeit wieder einstellen zu müssen, wie die anderen bisher auf Korsika erschienenen korsischsprachigen Periodika. Dabei würden Disziplinen der Sprachwissenschaft, Medienwissenschaft und Publizistik aufeinander treffen. Mithilfe derer könnte ein realistisches Konzept erarbeitet werden. Da eine (gesprochene) Sprache einem ständigen Prozess unterliegt, ist eine zukünftige querschnittartige Untersuchung des auf Korsika präsenten Korsischen und / oder Französischen unerlässlich. Dies kann in Form reiner punktueller Analysen geschehen oder aber rückwärts gerichtet, in Bezug auf früher durchgeführte soziolinguistische Erhebungen. Ein dafür notwendiger Anknüpfungspunkt wurde soeben geschaffen. 101 BIBLIOGRAPHIE Literatur Ammon, Ulrich (1989): „Towards a Descreptive Framework For the Status / Function (Social Position) of a Language within a Country“, in: Ammon, Ulrich (Hg.): Status and Function of Languages and Language Varieties. Berlin: de Gruyter. Arrighi, Jean-Marie (2002): Histoire de la langue corse. Paris: Gisserot. Beutter, Monika / Schwarzmann, Hans-Dieter (1985): „Corse. Île de beauté, Île de conflits“, in: Beutter Monika (Hg.): Problèmes d’aujourd’hui. Stuttgart: Klett. Bochmann, Klaus (1989): Regional- und Nationalsprachen in Frankreich, Italien und Spanien. Leipzig: Verlag Enzyklopädie. Bochmann, Klaus (1993): Sprachpolitik in der Romania. Zur Geschichte sprachpolitischen Denkens und Handelns von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart. Berlin / New York: de Gruyter. Bochmann, Klaus (1999): Lebendige Philologie. 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ABBILDUNGEN 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 Bilinguale Beschilderung mit eingearbeiteter „Korrektur“ Graffiti an einer Hauswand in Corte Hinweistafel auf dem Campus der Universität in Corte Plakat des Radiosenders „Radio Bleu Corse Frequenza Mora“ Plakat für eine französisch-korsische Theaterproduktion Aushang für einen bilingualen Theaterkurs (Grundschule) 107 S. 117 S. 117 S. 118 S. 118 S. 119 S. 119 Anhang 1.1: Fragebogen in deutscher Version 108 109 Anhang 1.2: Fragebogen in französischer Version 110 111 Anhang 2.1: Sortiment korsischer Zeitschriften 2003, 2004 und 2006 112 Anhang 2.2: In der Fallstudie befragte Personen 113 Anhang 2.3: Tabellenverzeichnis Anhang 3.1: Die Sprachlandschaft Frankreichs 114 Anhang 3.2: Die Varietäten des Korsischen 115 Anh. 3.3: Karte zur Varietät der korsischen Entsprechung für (frz.) „le village“ 116 Anhang 4.1: Bilinguale Beschilderung mit eingearbeiteter „Korrektur“ Quelle: Lendi, Martin: Korsika. Ein Paradies im Mittelmeer. Mosnang 2010, S. 21. Anhang 4.2: Graffiti an einer Hauswand in Corte 117 Anhang 4.3: Hinweistafel auf dem Campus der Universität in Corte Anhang 4.4: Plakat des Radiosenders „Radio Bleu Corse Frequenza Mora“ 118 Anhang 4.5: Plakat für eine französisch-korsische Theaterproduktion Anhang 4.6: Aushang für einen bilingualen Theaterkurs (Grundschule) 119 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Magisterarbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Mir ist bewusst, dass jede Form von Plagiat juristische Konsequenzen nach sich zieht. ____________________ __________________________________ Ort, Datum Unterschrift 120