Schweizer Geflügel für ehrgeizige Köche
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Schweizer Geflügel für ehrgeizige Köche
Schweizer Geflügel für ehrgeizige Köche Geflügel findet man auf den meisten Menükarten. Pouletbrust für Linienbewusste, Mistkratzerli für den urchigen Geschmack, Flügeli und Nuggets für die Kleinen. Aber Perlhuhn, Kapaun, Ente oder Gans sucht man oft vergebens. «Bei uns ist hochwertiges Geflügel halt noch nicht der Riesenrenner», sagt Lorenzo Ghilardelli von der Sonne Gunzgen. Das ist das eine. Aber viele wissen auch nicht, dass es heute ebenso innovative wie nachhaltige Schweizer Produkte gibt, zu denen es viele Geschichten zu erzählen gibt. Damit beginnt unsere Geschichte über Leute, die sich qualitativ hochstehendem Schweizer Geflügel verschrieben haben. Von Peter Wilhelm Freiland Enten aus dem Appenzellerland gibt es das ganze Jahr. GASTROFACTS-REPORTAGE GASTRONOMIE | 071 Robin Geisser, ein Mann, der spürt, was funktioniert und was nicht Mit Robin Geisser lernten wir einen total begeisterten Geflügelproduzenten kennen, der nur so vor Ideen sprudelt, wenn es darum geht, neue Produkte zu entwickeln. Schon sein Grossvater war Geflügelbauer, seine Eltern wanderten in die Auvergne aus und produzieren dort jetzt für die Zucht benötigte Eier. Jetzt führt er zusammen mit zwei Brüdern die Geflügel Gourmet AG mit Sitz im St.Gallischen Mörschwil. «Schon lange gibt es in der Schweiz hochwertiges konventionelles Geflügel. Die exquisiten und berühmten Geflügelspezialitäten mussten wir jedoch importieren. Unser Ziel ist es, einheimische, in der Region verwurzelte Geflügelspezialitäten herzustellen, zum Beispiel Ribelmais Poularden, Enten, Gänse, Truten, Kapaune, Perlhühner und Alpgänse. Sehr wichtig ist uns ein langsames Wachstum, das für die Qualität unserer Produkte wesentlich ist.» Ribelmais, was ist das? «Genau genommen heisst es ‹echter Rheintaler Ribelmais AOC›, übrigens das einzige Schweizer Getreide mit AOC-Bezeichnung. Lange Zeit war Ribel das Hauptnahrungsmittel der dortigen Bauern. Er schmeckt etwas nussig und man kann damit auch Polenta machen. Als Geflügelfutter und zusammen mit unseren langsam wachsenden Rassen verleiht er dem Fleisch einen exquisiten Geschmack dank höheren intramuskulären Fettanteilen, eine leicht gelbliche Haut, einen besseren Biss (verglichen mit konventionellem Poulet) und beim Kochen tritt weniger Eiweiss aus.» «Für das Perlhuhn entdeckten wir den Ribelmais eher durch Zufall. Wir hielten schon immer wenige Perlhühner mit den Ribelmais Poularden. Durch ihr lautes und agiles Wesen vertreiben sie Wildvögel und andere natürliche Feinde. Gefressen haben sie somit auch den echten Rheintaler Ribelmais AOC. Als wir die Perlhühner mit den Poularden schlachteten, genossen wir das saftige und sehr schmackhafte Fleisch.» Zusammen mit Geisser besuchten wir Enten und Alpgänse. Gerade sie wählten wir, weil es darüber in der Schweiz viele Vorurteile gibt. Erstens kämen ja doch die meisten aus Ungarn und seien zweitens extrem fettig. «Tatsächlich lassen sich die meisten Importprodukte aus dem Osten in keiner Weise mit unserem in der Schweiz produzierten Geflügel vergleichen. Unsere Alpgänse werden zum Beispiel knapp 30-wöchig, während ungarische Intensiv-Mastgänse innerhalb von nur 12 Wochen ihr stattliches Endgewicht erreichen.» Die Enten fanden wir auf einem idyllisch gelegenen Hof im appenzellischen Weissbad. «Auf unserem Hof ziehen wir Enten gross, die bereits von unseren eigenen Enten ausgebrütet wurden. Enten gibt es bei uns durchs ganze Jahr als Ganzes, Entenbrust, Entenschenkel, geräuchte Entenbrust und luftgetrockneten Entensalsiz.» Geissers Alpgänse leben auf der zur Gemeinde Sevelen gehörenden Alp Plätsch auf 1165 m ü. M. «Diese Alp ist wie geschaffen für die Gänse, da sie eher flach und gutwüchsig ist. Dazu gesellt sich der lange Alpsommer, der Ende Mai beginnt und im September endet (immer über 100 Tage).» Die Gänse waren im Mai geschlüpft, kamen vier Wochen darauf auf die Alp und hatten Ende Juni bereits eine statt- Robin Geisser hat sich mit Haut und Haar der Geflügelzucht verschrieben. Hier bei den Freilandenten im appenzellischen Weissbad. Weil die Gans vom Gesetz aus kein zu sömmerndes Tier ist, läuft die Produktion zurzeit als Versuchsbetrieb. «Unser Ziel ist es, einheimische, in der Region verwurzelte Geflügelspezialitäten herzustellen.» «Bei kaum einem Fleisch gibt es in der Qualität so grosse Unterschiede wie bei Gänsen.» liche Grösse. «Bei kaum einem Fleisch gibt es in der Qualität so grosse Unterschiede wie bei Gänsen. Je langsamer sie wachsen, desto mehr Geschmack hat ihr Fleisch und desto mehr behalten sie beim Braten ihr Gewicht. Auf der Alp fressen sie Alpgräser und Alpkräuter, wachsen nachhaltig und entwickeln ihr schmackhaftes Muskelfleisch.» Im September kommen sie zurück nach Mörschwil. «Die Gänse haben jetzt noch kaum Fett, jedoch schon etwas Fleischansatz und sind sehr robust. Jetzt bekommen sie eine Getreidemischung mit Mais und bilden erst gegen Ende der Zucht das Fett. Ab Martini gehen sie dann als Ganzes mit einem Gewicht von rund 3,5 kg in den Verkauf.» Thomas Jenny, der Alphirt, der auf die Gans kam Die zweite und dritte Generation der Limachers vor ihrem Restaurant Blasenberg ob Zug. Spezialität ist hier der Kapaun. Pächter der Alp Plätsch ist seit vielen Jahren Thomas Jenny, der in Geissers Auftrag die Gänse betreut. Aus Rücksicht zu den Alpweiden ist deren Anzahl auf 300 begrenzt. Am Abend kommen sie in eine Hütte, wo sie vor Fuchs und Adler (den gibt‘s dort tatsächlich zu sehen) geschützt sind. Am Morgen lässt sie Jenny auf die Weide, den für sie idealen Lebensraum. «Seit einigen Jahren hatte ich den Wunsch, hier oben etwas Neues zu produzieren», berichtet Jenny: «So gelangte ich durch Vermittlung des Kantons an Robin. Bis dahin hatte ich eher schlechte Erfahrungen gemacht. Wir hatten ein paar auf dem Hof. Die waren älter und auch entsprechend angriffiger. Jetzt kenne ich sie besser und arbeite gerne damit. Auf meinem Hof weiter unten im Tal halte ich zusätzlich noch 600 Weidegänse.» Ganz ohne Sorgen geht es leider nicht. Gemäss Vorschriften und Bestimmungen ist die Gans kein zur Sömmerung bestimmtes Alptier und hat demnach hier oben nichts zu suchen. So erhielt Jenny zuerst einmal eine saftige Busse. Erst mit viel Einsatz auf politischer Ebene konnte er das Schlimmste abwenden und Väterchen Staat bewilligte einen auf fünf Jahre beschränkten Versuchsbetrieb, der darüber entscheiden soll, ob die Alpgans in der Schweiz Zukunft hat. Die Chancen dafür stehen gut. Fortunat Gregori, der Kenner bei Bianchi Auf der Alp Plätsch ob Sevelen sömmert Thomas Jenny jedes Jahr 300 Alpgänse, hier zusammen mit seiner Tochter Alexandra. Das traditionsreiche Familienunternehmen Bianchi in Zufikon beliefert seit vier Generationen Restaurants, Hotels Markengastronomie, Spitäler, Personal Restaurants und Caterer. Das Sortiment überzeugt mit exklusiven Frischwaren, typischerweise Krustentieren, zartem Fleisch und Geflügel. «Robin Geisser von Geflügel Gourmet ist nicht einfach ein Lieferant, sondern vielmehr ein verlässlicher Partner», erklärt Fortunat Gregori, bei Bianchi unter anderem für den Einkauf von Ostschweizer Geflügel zuständig: «Wir kennen ihn seit vielen Jahren und beziehen bei ihm Schweizer Geflügelspezialitäten. Zum Beispiel die Ribelmais Poularden. Diese sind zwar teurer als die aus Frankreich importierten, aber auch viel festfleischiger. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Tiere während 80 Tagen wesentlich langsamer wachsen. Die regionalen Perlhühner und Freilandenten vertreiben wir erfolgreich das ganze Jahr, Ostschweizer Alp- und Weidegänse sowie Gourmet Truthähne saisonal im Herbst.» GASTROFACTS-REPORTAGE GASTRONOMIE | 073 Neuestes Produkt aus der Partnerschaft mit Geflügel-Gourmet: das nachhaltig produzierte Alpstein-Poulet von Bianchi. Zu Bianchi kommen aber nicht nur die teuren Brust-Teile. «Die Schenkel werden zu saftigen Schenkelsteaks oder zu marinierten Drummers (Unterschenkel) verarbeitet, die Karkassen dienen unseren Kunden zur Fond-Produktion und mit den Fleischabschnitten lassen wir bei Partnerunternehmen Convenience-Produkte herstellen, zum Beispiel Hacksteaks oder Hackbraten. Es ist uns sehr wichtig, dass alles vom Tier verwertet wird. Das verlangt auch das Gebot der Partnerschaft.» Dass diese Partnerschaft perfekt funktioniert, erkennt man an den laufenden Projekten. «Bereits im Sortiment haben wir das Alpstein Poulet, Culinarium Ostschweiz zertifiziert. Es zeichnet sich aus durch besonders tierfreundliche Stallhaltung in kleinen Herden, kurze Transportwege und sojafreies Futter aus Schweizer Anbau und Produktion.» «Ich schätze daran vor allem die bessere Konsistenz im Vergleich mit Billigware aus Frankreich, bei welcher das Fleisch viel zu weich ist.» 21 Jahre Martin Angehrn. 50 Jahre CCA Angehrn. er ZAGG uns an d ie S n e ber 2014 Besuch . Septem 0 1 is b . vom 7 «Feiern und zurückschauen? Ja das macht Freude – und vorwärts schauen mit Saviva auch!» Martin Angehrn kennt das Familienunternehmen von Kindsbeinen an. Dennoch sah es zunächst nicht danach aus, als ob er in den elterlichen Betrieb einsteigen würde: Nach seinem Abschluss zum Betriebs-Ingenieur ETH arbeitete er in der Verpackungsindustrie. 1993 stieg er als CCA-Marktleiter in Emmen ein und genoss ein einziges Privileg: Neue Sachen ausprobieren! Nicht nur geschäftlich – auch beim Essen. Regionale Produkte liegen ihm dabei besonders am Herzen. In der Zusammenarbeit mit lokalen Produzenten achtet er, wie im Betrieb auch, auf Partnerschaft: «Man kennt und respektiert einander und lernt voneinander. Das schafft nicht nur Loyalität – das ist für mich Lebensqualität.» r Geschäftsbereich CCA Martin Angehrn, Leite Angehrn Lesen Sie die ganze Geschichte auf www.cca-angehrn.ch/Geschichten Ribelmais-Poularde Suprême Ein neues nachhaltiges Projekt sind Produkte aus Legehennen. Legehühner werden durchschnittlich nach einem Jahr getötet und gelangten meistens in Verbrennungsanlagen oder in die Biogas-Produktion. «Im Auftrag lassen wir diese jetzt schlachten und verarbeiten. Im Sortiment haben wir Convenience-Produkte wie Nuggets, panierten Schnitzel oder Cordon Bleu. Damit können wir unseren Kunden günstig nachhaltige Produkte aus Schweizer Freilandhaltung anbieten – vielleicht bald auch glutenund laktosefrei.» Lorenzo Ghilardelli, ein Gastronom, der sich viel vorgenommen hat Emmanuel Haar mit jungen Nackthals-Schwarzfusshühnern, die nach 80 bis 90 Tagen in den Verkauf kommen. Sehr glücklich mit Erzeugnissen von Geflügel Gourmet ist Lorenzo Ghilardelli. Zusammen mit seiner Gattin Bea Mettler Ghilardelli führt er die Sonne Gunzgen – ausgezeichnet vom Guide Bleu, mit dem Bib Gourmand von Micheln, 14 Gault-Millau-Punkten und seit kurzem Mitglied der Vereinigung Jeunes Restaurateurs d‘Europe en Suisse. «Die Ribelmais Poulardenbrust von Geflügel Gourmet entdeckte ich vor etwa zwei Jahren. Seither gehört sie zu meinem festen À-la-carte-Angebot und wird regelmässig bestellt. Ich schätze daran vor allem die bessere Konsistenz im Vergleich mit Billigware aus Frankreich, bei welcher das Fleisch viel zu weich ist. Hin und wieder verwende ich auch Entensalsiz, Poulardenschenkel, Perlhuhn und geräuchte Entenbrust.» Hat Ghilardelli keine Probleme mit den höheren Preisen für Schweizer Produkte? «Erstens finde ich die Preise von Geflügel Gourmet äusserst fair, wenn man bedenkt, dass dort Schweizer Löhne und Abgaben anfallen. In der gehobeneren Gastronomie spielen solche Preisunterschiede keine Rolle. Meine Gäste wollen Qualität und die bekommen sie mit diesen Produkten. Zudem schätze ich bei diesem Lieferanten die raschen, pünktlichen Lieferungen am Folgetag der Bestellung.» Ghilardelli bedauert es, dass hochwertiges Geflügel in der Schweiz noch einen zu tiefen Stellenwert hat. «Bei uns ist es halt noch nicht der Riesenrenner. Es braucht hier einfach Zeit, Überzeugungsarbeit und Inspiration für Gerichte, die begeistern. Ich finde es toll, wie Robin Geisser mit Ideen und Energie Produkte entwickelt, zu denen es oft auch Geschichten zu erzählen gibt. Ich möchte Produkte von ihm bald auch ins Gourmetmenü einbinden. Etwas Geschmortes zum Beispiel, Coq au vin mit Trüffeln rundherum. Die Alpgans würde mich ebenfalls reizen. Auch dafür muss ich mir etwas einfallen lassen.» Emmanuel Haar, erfolgreich mit NackthalsSchwarz fusshühnern aus dem Greyerzerland «Von den Kapaunen hatte er von irgendwo her gehört und wusste irgendwie, dass sie bei Feinschmeckern sehr gefragt waren.» Sehr harmonisch auf den ersten Blick wirkt Emmanuel Haars Geflügelfarm La Belle Luce im Greyerzer Epagny. Esel und Guanakos schützen die Hühner vor Räubern wie Füchse und Raubvögel. Im Hintergrund der Moléson. Nach dem herzlichen Empfang erzählt uns Haar, wie er zum Geflügel kam: «Ich wuchs auf einem Bauernhof in Lothringen auf und war von Anfang an ein Geflügelfan. Dann lernte ich Koch, kam in die Schweiz und arbeitete am Schluss als Küchenchef in Freiburg. Als ich hörte, dass eine ältere Dame einen Nachfolger für ihre Geflügelfarm GASTROFACTS-REPORTAGE suchte, war ich Feuer und Flamme und lernte bei ihr während einem Jahr das Handwerk. Später verlegte Haar die Farm ins Greyerzerland und begann mit der Produktion von Perlhühnern. «Damit gab es mit der Zeit Probleme. Erstens flogen mir die Tiere über den Zaun, weil ich ihnen per Gesetz nicht mehr die Flügel stutzen durfte. Zweitens gab es Wirte, die zwar meine Perlhühner auf der Menükarte hatten, diese aber billiger aus Frankreich importierten.» So kam Haar aufs Nackthals-Schwarzfusshuhn, das innerhalb von 80 bis 90 Tagen langsam heranwächst und vor allem für Schmor- und Ofengerichte wie «Coq au vin» oder «Pollo alla Cacciatora» begeistert. «Die Eier stammen aus Frankreich, werden in Belp ausgebrütet und die Küken kommen nach einem Tag zu mir. Meine Poulets sind IP Suisse zertifiziert und begeistern durch feine Haut, hochwertiges Fleisch und eine perfekte Fettverteilung.» La Belle Luce produziert auch gefüllte Wachteln und kann mit Geflügel- und Geflügelprodukten ihrer Kollegen der regionalen Produzenten-Vereinigung und ausgesuchten Importprodukten vielseitige Bedürfnisse ihrer anspruchsvollen Kundschaft erfüllen. Wir hatten das Vergnügen, einen Coq au Vin aus dem Greyerzerland im Freiburger Café du Marché zu kosten und fanden ihn ausgezeichnet. Seit über fünf Jahren bezieht Wirt David Munt Nackthals-Schwarzfusspoulets von La Belle Luce. «Ich lernte sie auf dem hiesigen Samstagsmarkt kennen. Bei meinen Gästen kommen sie ausgezeichnet an.» Markus Limacher, auf Kapaune spezialisiert Steht man vor dem Restaurant Blasenberg und bewundert die überwältigende Aussicht hinunter zum Zugersee und hin zum Rigi, meint man zu wissen, weshalb Gäste den Weg hier hinauf finden. Und irrt – mindestens teilweise. Ebenso wichtig wie die Lage ist hier oben der Kapaun. «Capuns? fragen mich manchmal die Leute», berichtet Markus Limacher, zweite Generation der Li- Markus Limacher mit einem von ihm kastrierten Hahn, der damit zum Kapaun wurde. GASTRONOMIE | 075