Haut und Kollagenosen
Transcription
Haut und Kollagenosen
PRAXIS Übersichtsartikel Praxis 2007; 96: 1933–1949 1933 Dermatologische Klinik, Universitätsspital Zürich R.M. Trüeb Haut und Kollagenosen Skin and Collagen Vascular Diseases Zusammenfassung Dermatologie und Rheumatologie haben gemeinsam, dass viele rheumatische Krankheiten sich augenfällig an der Haut abspielen. Da die Haut der direkten klinischen Untersuchung und Biopsie zugänglich ist, wissen die Rheumatologen den Rat des klinisch und pathologischmorphologisch erfahrenen Dermatologen einzuholen. Obwohl die Medizin zunehmend zum organbezogenen Partikularismus des Spezialistentums tendiert, bemüht sich die ihrem Wesen nach interdisziplinär angelegte Dermatologie um eine fächerübergreifende Kommunikation. Durch die Zusammenfassung und Klassifikation autoimmun bedingter, chronisch-entzündlicher Krankheiten unter den Kollagenosen gelang schon früh der synoptischen Betrachtungsweise autoimmunologisch bedingter, chronisch-entzündlicher Systemkrankheiten ein entscheidender Fortschritt. Diese Krankheiten haben einen entzündlichen Gewebeschaden, Neigung zu Chronizität mit akuten Exazerbationen und Ansprechen auf hochdosierte Kortikosteroide und/oder Immunsuppressiva gemeinsam. Sie umfassen: Lupus erythematodes, Dermatomyositis, Systemsklerose, ihre Kombination (Mischkollagenose) und die Systemvaskulitiden. Ihre Heterogenität schlägt sich als Vielfalt der klinischen Erscheinungsbilder nieder, auch an der Haut. Der Haut kommt dabei eine wichtige Markerfunktion sowohl für die Diagnose als auch für die Prognose zu. Speziell bei den limitierten Formen entzündlich-rheumatischer Krankheiten stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Prognose und der damit verbundenen Aggressivität einer einzuschlagenden © 2007 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern Therapie. Als Orientierungshilfe hat sich das Konzept der Subklassifizierung entsprechender Krankheitsbilder und Entitäten durchgesetzt, bei der eine Korrelation zwischen klinischer Manifestationsform, insbesondere an der Haut, immunserologischem Profil, Verlauf und Prognose gelingt. Schlüsselwörter: Kutaner Lupus erythematodes – Dermatomyositis – Sklerodermie – Vaskulitis Lupus erythematodes Der Lupus erythematodes (LE) stellt wohl die Kollagenose mit den vielfältigsten klinischen Facetten dar, wobei den Hautmanifestationen seit jeher eine führende klinisch-diagnostische Bedeutung zukommt. Es erstaunt daher nicht, dass in der Vergangenheit der LE wegen seiner oft eindrucksvollen Hautsymptomatik – lange ohne effektive Kommunikation unter den medizinischen Fach-Disziplinen – eine «Krankheit der Dermatologen» war. Polyserositis, ZNS-Beteiligung und Zytopenien im Vordergrund stehen. Die Haut stellt das am zweithäufigsten betroffene Organ dar, weswegen ihr eine wichtige Bedeutung bei der Beurteilung von LE-Patienten zukommt. Kutanmanifestationen des LE werden in histopathologisch LE-spezifische («interface«-Dermatitis) und LE-unspezifische Veränderungen unterteilt. Abzugrenzen sind LE-unabhängige Hautveränderungen: Die LE-spezifischen Hautveränderungen umfassen das Schmetterlingserythem des akuten kutanen LE (ACLE; Abb. 1), die papulosquamösen bzw. polyzyklisch-annulären Läsionen des subakuten kutanen LE (SCLE; Abb. 2), sowie die diskoiden Läsionen des chronischen kutanen LE (CCLE; Abb. 3). Während der ACLE die typische Pathogenese Die heutige Auffassung des LE ist die einer systemischen Autoimmunkrankheit mit polyklonaler B-Zell-Aktivierung und Bildung diverser Autoantikörper-Profile, die direkt (bspw. gegen Prokollagen VII der Verankerungsfibrillen beim bullösen LE), via Immunkomplexbildung (Immunkomplex-Vaskulitis) oder via Antikörper-abhängige Zytotoxizität («interface«-Dermatitis) pathogenetisch wirken. Klinik Klinisch ist der LE gekennzeichnet durch einen möglichen Befall multipler Organe, wobei neben der Haut Arthritis, Nephritis, Abb. 1: Akuter kutaner Lupus erythematodes: Schmetterlingsexanthem DOI 10.1024/1661-8157.96.49.1933 PRAXIS Übersichtsartikel Praxis 2007; 96: 1933–1949 1934 Abb. 3: Chronischer kutaner Lupus erythematodes: Diskoide Läsionen Hautmanifestation des systemischen LE (SLE) darstellt, können diskoide CCLEHerde auch bei SCLE und SLE vorkommen. Ihre Spezifität für den SLE ist so hoch, dass sie in die ACR-Diagnosekriterien des SLE aufgenommen wurden (s.u.). Subakuter kutaner Lupus erythematodes Der SCLE macht schätzungsweise 5–10% aller LE-Fälle aus. Er ist charakterisiert durch papulosquamöse und/oder polyzyklisch-annuläre Hautveränderungen hauptsächlich der oberen Körperhälfte mit LE-spezifischer Histologie, zirkulierenden Antikörpern gegen SS-A (Ro) und in der Regel nur milden extrakutanen Manifestationen. Die Hautveränderungen hinterlassen (im Unterschied zum CCLE) keine Atrophie oder Narbe, sondern vitiligoartige Leukoderme und Teleangiektasien. Bei etwa der Hälfte der Patienten mit SCLE liegt eine Systembeteiligung vor. Akuter kutaner Lupus erythematodes Beim SLE kommen Hautveränderungen bei ca. 80% der Patienten vor. Bei ca. 25% sind sie Erstmanifestation der Krankheit. Die Hautveränderungen des ACLE können sehr typisch (Schmetterlingserythem im Gesicht), aber auch uncharakteristisch sein (polymorphe Exantheme am Stamm). Die akut auftretenden generalisierten Exantheme bei SLE zeigen häufig eine hämorrhagische Komponente, die auf eine zugrunde liegende Immunkomplex-Vaskulitis hinweist. Typisch ist auch die Beteiligung der Akren mit Erythemen an Palmae und Plantae sowie im Periungualbereich. Vaskulitische Läsionen (Urtikariavaskulitis, Livedovaskulitis, hämorrhagische Nekrosen) sowie ein Raynaud-Phänomen sind häufige, aber unspezifische Veränderungen (s.u.), die zu einer breiten Differentialdiagnose Anlass geben können. Dasselbe gilt für eine diffuse Alopezie im Verlauf der schweren Allgemeinerkrankung. Chronischer kutaner Lupus erythematodes Die für den CCLE charakteristische Hautläsion ist die scheibenförmige (diskoide), infiltrierte, erythematöse Hautveränderung mit festhaftender, follikulärer Hyperkeratose und Tendenz zur Atrophie und Vernarbung. Sie befällt bevorzugt den Kopfbereich mit einer Prädilektion für lichtexponierte Hautareale, wobei auch der behaarte Kopf befallen wird. Die voll ausgebildete Einzeleffloreszenz ist gegenüber der Umgebung scharf begrenzt, und auf Berührung der Oberfläche bspw. mittels eines spitzen Gegenstand wird oft eine Hyperästhesie angegeben. Bei fortgeschrittener Erkrankung entwickelt sich ein kosmetisch stark störendes, buntscheckiges Bild mit Hypo- und Hyperpigmentierung, atrophisch eingesunkenen Narben und Teleangiektasien, wobei es insbesondere an Nase und Ohren zu Mutilationen kommen kann. Die Krankheit weist einen meist Abb. 2: Subakuter kutaner Lupus erythematodes: Polyzyklisch-annuläre Hautveränderungen langjährigen, chronischen Verlauf auf mit Übergang in einen SLE in ⬍ 10%. Bei der disseminierten Variante sind neben dem Kopf- und Halsbereich auch nicht-lichtexponierte Areale, vor allem die obere Rumpfpartie, befallen. Auch plattenepitheltragende Schleimhäute, vor allem enoral, können in der Form erosiver Läsionen befallen sein. Gegenüber der lokalisierten Form, zeichnet sich der disseminierte diskoide LE mit ⬎ 10% durch eine höhere Konversionsrate in einen SLE aus. Varianten des chronischen kutanen Lupus erythematodes Läsionen mit ausgeprägter, verruköser Hyperkeratose vor allem im Gesicht und Handrückenbererich ergeben das Bild des hypertrophischen LE (Abb. 4). Vor allem bei Patienten mit Akrozyanose kommt es vorzugsweise an den kälteexponierten Extremitäten zu pernionen-artigen, umschriebenen, polsterartigen flachen, blauroten Knoten mit feiner, festhaftender Hyperkeratose und Hyperästhesie, sog. Chilblain-Lupus (Abb. 5). Diese Variante zeichnet sich durch eine höhere Konversionsrate in einen SLE aus (ca. 25%). Selten finden sich neben den typischen diskoiden CCLE-Läsionen, auch tiefe, in die Subkutis reichende, schmerzhafte Knoten mit (Lupus profundus; Abb. 6) oder ohne (Lupus-Pannikulitis) darüberliegender, entzündlich geröteter Oberfläche. Prädilektionsstellen sind Gesicht, Oberarme, Gesäss und Oberschenkel. Diese Variante des CCLE zeichnet sich mit 50% durch eine besonders hohe Konversionsrate in einen SLE aus. PRAXIS Abb. 4: Chronischer kutaner Lupus erythematodes (Variante): Hypertrophischer Lupus erythematodes LE-unspezifische Hautveränderungen Diese lassen ohne weitere Hinweise wie zusätzliche LE-spezifische Hautveränderungen und positive LE-Immunserologie die Diagnose eines LE nicht zu, sind aber wichtige Marker für die Aktivität eines zugrunde liegenden SLE. Sie umfassen entzündlich-vaskuläre Hautveränderungen, z.B. Immunkomplex-bedingte Kleingefässvaskulitis und nicht-entzündliche, vaso-okklusive Veränderungen, z.B. im Rahmen eines sekundären Antiphospholipid-Antikörpersyndroms. Dieses ist mit einem erhöhten Übersichtsartikel Risiko arterieller und venöser Thrombosen und habitueller Aborte (bei Frauen) verbunden. Schätzungsweise 10–25% der Patienten mit SLE entwickeln ein Antiphospholipid-Antikörpersyndrom. An der Haut zeigt sich in erster Linie eine Livedo racemosa (Abb. 7), die durch mikrothrombotische Verschlüsse dermaler Gefässe bedingt ist. Auch kommen Atrophie-blanche-artige Hautveränderungen, nichtheilende Ulzera, hauptsächlich im Perimalleolarbereich und an den distalen Unterschenkeln, rezidivierende Thrombophlebitiden und akrale Gangrän vor. Betroffen sind vorallem jüngere Frauen, seltener Männer. Auch kommen thromboembolische Komplikationen infolge nicht-bakterieller, thrombotischer Herzklappenauflagerungen (Endokarditis Libman-Sacks) mit bereits bei jüngeren Patienten rezidivierenden und multiplen neurologischen Manifestatinonen vor, einschliesslich transienten ischämischen Attacken, ausgedehnten Hirninfarkten, Krampfneigung, psychiatrischen Störungen und Demenz. Praxis 2007; 96: 1933–1949 1935 Abb. 7: Livedo racemosa bei AntiphospholipidAntikörpersyndrom Diagnostik LE-unabhängige Hautveränderungen Schliesslich sind interkurrent auftretende Hautveränderungen differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen, die nicht Ausdruck des LE sind bzw. als unerwünschte Wirkung der medikamentösen Therapie auftreten können, z.B. Steroid-Rosazea (Abb. 8) oder Arzneimittelexantheme. Wegen der veränderten Immunitätslage treten bei SLE schwere Medikamentenunverträglichkeitsreaktionen (Stevens-Johnson-Syndrom) häufiger auf. Abb. 5: Chronischer kutaner Lupus erythematodes (Variante): ChilblainLupus Während der LE der Haut klinisch und bioptisch, unter Zuhilfenahme der Immunpathologie (Lupus-Bandtest), diagnostiziert wird, liefern die vom American College of Rheumatology (ACR) aufgestellten Kriterien einen hilfreichen Zugang zur Klassifikation als SLE: Sind 4 oder mehr von 11 klinischen und Labor-Kriterien gleichzeitig oder im Verlauf eines beliebigen Zeitraums erfüllt, gilt mit 95%iger Wahrscheinlichkeit die Diagnose eines SLE als gesichert. Abb. 6: Chronischer kutaner Lupus erythematodes (Variante): Lupus profundus PRAXIS Übersichtsartikel Abb. 8: Steroid-Rosazea Die klinischen Kriterien umfassen: (1) Schmetterlingserythem, (2) diskoide Läsionen, (3) Lichtempfindlichkeit, (4) Geschwüre der Mundschleimhaut, (5) Gelenkschmerzen oder Gelenkerguss, (6) Pleuritis oder Perikarditis, (7) Befall des zentralen Nervensystems (epileptischer Anfall oder Psychose). Die laborchemischen Kriterien umfassen: (8) Zeichen des Nierenbefalls (Proteinurie ⬎ 0.5 g /24 Std. oder pathologisches Urinsediment), (9) hämatologische Zeichen (hämolytische Anämie oder Leukopenie ⬍ 4000/µl oder Thrombopenie ⬍ 100 000/µl), (10) antinukleäre Antikörper und (11) andere immunologische Zeichen: Anti-native-DNS-Antikörper oder falsch positive Syphilisserologie. Es ist zu beachten, dass diese Kriterien zur einheitlichen Definition von SLE-Patientenpopulationen für klinische Studien geschaffen wurden, und dass sie deshalb Frühformen des SLE bzw. «inkomplette» LE-Syndrome nicht erfassen. Z.B. fand ein häufiges Frühsymptom des SLE und anderer Kollagenosen, das Raynaud-Phänomen, wegen zu geringer Spezifität in den ACR-Kriterien keine Berücksichtigung, obwohl es oft das erste diagnoseweisende Symptom einer Kollagenose bildet. In diesem Zusammenhang sind auch die klinischen Manifestationen anfänglich oft «undeterminierter» autoimmuner «Überlappungssyndrome» erwähnenswert, bei denen oft eine bemerkenswerte Metachronie der klinischen Symptomatologie besteht. Entsprechend dem sehr uneinheitlichen Krankheitsbild des LE, das von der ausschliesslich auf der Haut beschränkten Erkrankung bis zur schweren Systemkrankheit reicht, variieren die Krankheitssymptome von Patient zu Patient sehr stark, und auch die Krankheitsschübe treten unregelmässig auf, unterbrochen von Phasen praktisch fehlender Krankheitsaktivität. Gerade bei den kutan limitierten Formen des LE stellt sich die Frage nach dem Risiko einer Systemerkrankung. Als Orientierungshilfe setzt sich Hand in Hand mit den Fortschritten der Immunologie zunehmend das Konzept der Subklassifizierung durch, bei der eine Korrelation spezifischer Autoantikörperprofile (z.B. antiSS-A bei SCLE) mit klinischen Verläufen gelingt. Therapie Es gibt bis heute kein Mittel zur definitiven Heilung des LE, aber es stehen wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, welche die verschiedenen Symptome der Erkrankung effektiv bekämpfen und den Verlauf der Krankheit stabilisieren können. Praxis 2007; 96: 1933–1949 1936 Die Grundprinzipien der medikamentösen Behandlung des LE sind Verabreichung von Antimalarika (Chloroquin ⬍ 4 mg/kg KG, Hydroxychloroquin ⬍ 6.5 mg/kg KG) und topischen Kortikosteroiden (Klasse III/IV) sowie in ausgewählten Fällen Sulfonen (DDS), oralen Retinoiden (Isotretinoin, Acitretin), Gold, Methotrexat, Clofazimin, Thalidomid (cave: Teratogeniät, Neuropathie), systemischen Kortikosteroiden (bis 1 mg/kg KG) und Immunsuppressiva (Azathioprin, Cyclophosphamid, Mycophenolat mofetil). Die Durchführung ist sehr von den Eigenheiten des Individualfalles und dessen Verlauf abhängig und eine Erfahrung fordernde Aufgabe. Wegen der bestehenden krankheitsund/oder therapiebedingten Immunabwehrschwäche ist bei SLE stets die Möglichkeit einer komplizierenden Infektionskrankheit (z.B. Pneumonie) zu bedenken, frühzeitig zu erkennen und intensiv zu behandeln. Die 5-Jahresüberlebensrate von Patienten mit SLE liegt heute bei optimaler Therapie über 90%. Haupttodesursachen sind Nierenversagen und schwere Infektionen. Selbstverständlich sind wichtige Begleitmassnahmen im Behandlungsplan miteinzubeziehen: Stressvermeidung; Meidung von Medikamenten, die einen LE auslösen oder verschlechtern können (z.B. Östrogene); Schutz vor UV-Lichtexposition. Bei stark auffallenden Hautveränderungen im Gesicht empfiehlt sich eine Instruktion der Patienten in der kosmetischen Abdeckung (Camouflage). Bei Befall des behaarten Kopfes mit sichtbarem Haarverlust ist auch eine Beratung bezüglich Zweithaar-Optionen in Betracht zu ziehen. Patienten mit LE sind auf Selbsthilfeorganisationen aufmerksam zu machen, wo durch Information und Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen mehr Sicherheit im Umgang mit der Krankheit gewonnen werden kann. Dermatomyositis Die Polymyositis (PM) ist eine entzündliche Myopathie unbekannter Ätiologie, gekennzeichnet durch symmetrische proximale Muskelschwäche, histologisch Zeichen der Myositis, Erhöhung der Serummuskelenzyme (Kreatininphosphokinase PRAXIS oder CK, Aldolase und Transaminasen) und pathologische Elektromyographie (EMG), die als Dermatomyositis (DM) bezeichnet wird, sofern charakteristische Hautveränderungen hinzukommen. Pathogenese Die DM weist deutliche Parallelen zu anderen Gefäss-Bindegewebserkrankungen mit Autoimmunpathogenese auf, in erster Linie zum Lupus erythematodes (LE), und wird deshalb zusammen mit LE, Sklerodermie, Panarteritiis nodosa, rheumatoider Arthritis und Sjögren-Syndrom zu den Kollagenosen zusammengefasst. Entsprechend lässt sich histopathologisch eine interstitielle Myositis und in der Haut eine vakuolisierende Degeneration der Basalzellschicht in Verbindung mit einer herdförmigen lymphozytären entzündlichen Infiltration (Interface-Dermatitis) einer nicht-organspezifischen Autoimmunerkrankung zuordnen, wie bei LE. Mit Ausnahme einer oft subtilen Infiltration der Mm. arrectores pilorum, fehlt jedoch bei der DM die für den LE charakteristische Follikelbezogenheit der entzündlichen Hautinfiltrate. Es ist darauf hinzuweisen, dass Unterschiede in den klinischen, aber auch in den histopathologischen und immunserologischen Merkmalen dafür sprechen, dass es sich bei der PM und DM nicht um eine einheitliche Erkrankung handelt. Ein Teil der Fälle (häufiger DM als PM) ist mit malignen Tumoren innerer Organe assoziiert (Paraneoplasie), andere zeigen Überlappung mit anderen Kollagenosen (Überlappungssyndrome), wie Sklerodermie, LE und Sjögren-Syndrom. Bei den interstitiellen Zellinfiltraten der Muskulatur bei DM handelt es sich um perivaskuläre mononukleäre Zellinfiltrate (vorwiegend CD4-positive T-Zellen, B-Zellen und Plasmazellen), die nicht auf die benachbarten Muskelfasern übergreifen, in Verbindung mit einem abnormen Kapillarnetz mit aktiver Zerstörung von Gefässen. Die Art und Verteilung der Muskelfaserschäden spricht dafür, dass es sich um progressive Ischämieeffekte handelt. Auch in der Haut finden sich Zeichen der entzündlichen Vaskulopathie. Bei der PM finden sich demgegenüber überwiegend Übersichtsartikel CD8-positive T-Zellinfiltrate innerhalb der Muskelfaszikel ohne Destruktion von Kapillaren. Vermutet wird eine Autoimmunreaktion gegen unbekannte Muskelantigene. Bemerkenswert ist ferner der Nachweis Myositis-spezifischer Antikörper bei DM und PM, z.B. anti-Jo-1, anti-Mi2 und antiSRP. Klinik DM ist eine relativ seltene Krankheit, die mit einer Häufigkeit von ca. 1:100 000 4-mal seltener vorkommt als der LE. Das weibliche Geschlecht ist gegenüber dem männlichen zweimal häufiger betroffen; in der Altersverteilung finden sich ein kleinerer Häufigkeitsgipfel in Kindheit und Adoleszenz (juvenile Form; DM tritt in 15% vor dem 15. Lebensjahr auf) und ein höherer Gipfel im späteren Erwachsenenalter (adulte Form). Die klinische Symptomatik der DM bewegt sich im Spektrum des LE, jedoch mit stärkerer Betonung des Muskelbefalls; umgekehrt manifestieren sich bei Fällen von DM nicht selten eine Reihe weniger stark ausgeprägter Symptome aus dem LE-Spektrum, sodass die differentialdiagnostische Abgrenzung vor allem bei Frühformen der DM bzw. des LE gelegentlich Schwierigkeiten bereit kann. Erschwerend ist die Tatsache, dass nicht selten Überlappungen zwischen DM und anderen Kollagenosen, inkl. LE, vorkommen (DM-Überlappungssyndrome); bei diesen ist das weibliche gegenüber dem männlichen Geschlecht noch häufiger betroffen (M:F = 1:9). Definitionsgemäss besteht bei PM keine Hautbeteiligung. Umgekehrt kann die DM auch ohne Muskelbeteiligung ablaufen, amyopathische DM. Die Hautveränderungen gehen der Muskelerkrankung nur in einer Minderzahl der Fälle voraus, gewöhnlich um drei bis sechs Monate (prämyopathische DM), stellen sich jedoch meist im weiteren Verlauf der Krankheit ein. In schätzungsweise 10% der Patienten, liegen Hautveränderungen der DM während mindestens zwei Jahren ohne klinische oder laborchemische Anzeichen für Muskelbeteiligung vor. Die amyopathische Dermatomyositis (ADM) wurde definiert durch das Vorhandensein bioptisch gesi- Praxis 2007; 96: 1933–1949 1937 cherter, DM-charakteristischer Hautveränderungen in der Abwesenheit klinischer oder laborchemischer Anhaltspunkte für eine Muskelbeteiligung während mindestens zwei Jahren nach Beginn der Hauterkrankung. Insofern als Patienten mit ADM häufiger den Dermatologen aufsuchen, hat das Krankheitsbild bisher überwiegend die Aufmerksamkeit (und Anerkennung) der dermatologischen Fachliteratur gefunden. Die ADM betrifft alle Altersgruppen, wobei das Erwachsenalter und das weibliche Geschlecht bevorzugt betroffen sind. Im Erwachsenenalter wurde die ADM auch in Assoziation mit malignen Neoplasien beschrieben. Generell scheint sich die ADM durch eine gute Langzeitprognose auszuzeichnen. Eine Beeinträchtigung der Prognose ist aber gegeben, wenn die ADM mit einer internen Neoplasien assoziiert ist. Muskulatur Häufig wird die Initialsymptomatik vom Muskelbefall bestimmt. Es tritt eine sich innerhalb von Wochen oder Monaten progredient verschlechternde Muskelschwäche und -schmerzhaftigkeit auf, typischerweise symmetrisch im Bereich des Schulter- und Beckengürtels sowie proximaler Muskelgruppen. Initial wird oft eher über eine erhöhte Ermüdbarkeit der Muskeln als eigentliche Schwäche geklagt. Die Ausführung einzelner Tätigkeiten wie Treppensteigen, Heben der Arme über den Kopf (Kämmen!) und Aufrichtung aus sitzender oder hockender Stellung ist erschwert. Demgegenüber sind die distalen Muskelgruppen vergleichsweise wenig betroffen; das Auf-Zehen-Gehen und der Handschluss sind weniger deutlich und erst viel später beeinträchtigt. Serumchemisch stellt die CK-Erhöhung den wichtigsten Aktivitätsparameter der Muskelerkrankung und Parameter des Therapieerfolges dar, während pathologische Kurvenbilder im EMG und der Nachweis einer Myositis in der Muskelbiopsie in erster Linie von diagnostischer Bedeutung sind. Haut Die Hautveränderungen bei DM wurden in solche, die pathognomisch sind, solche, die charakteristisch sind, und solche, die PRAXIS Abb. 9: Dermatomyositis: Gottron-Papeln mit der Krankheit vereinbar sind, unterteilt. In der Initialphase der Erkrankung können die Hautveränderungen flüchtig sein, während sie im weiteren Verlauf beständig werden. Vorallem in dieser Phase können Schwierigkeiten in der Abgrenzung von Hautveränderungen bei LE auftreten. Das charakteristische Aussehen und das Lokalisationsprinzip DM-typischer Hautveränderungen erlauben aber meist, die Diagnose richtig zu stellen. Typisch sind eine diffuse Schwellung und fliederfarbene Rötung der oberen Gesichtshälfte und Erytheme an den Streckseiten der distalen Extremitäten, wobei der Befall der Fingerknöchel besonders akzentuiert ist, während dies bei LE nicht der Fall ist. Speziell zeichnen der livide Farbton der Erytheme («Lilakrankheit«) und die häufige Klage über Pruritus dermatomyositische gegenüber den Hautveränderungen bei LE aus. Pathognomonische Hautveränderungen der DM sind die sog. Gottron-Papeln, flacherhabene, rötlich-livide Papeln und Plaques über den proximalen und distalen Interphalangealgelenken (Abb. 9) und das sog. Gottron-Zeichen, symmetrische, makulöse, livide Erytheme über den knöchernen Vorsprüngen der Ellbogen, Knie und medialen Malleoli (Abb. 10). Charakteristische Hautveränderungen der DM sind das fliederfarbene Gesichtserythem (insbesondere Augenlider) mit oder ohne Begleitödem, sog. Heliotroperythem (Abb. 11), perionychiale Teleangiektasien und Hämorrhagien (Abb. 12) und symmetrische, grossflächig konfluierende, livide Erythem über den oberen Extremitätenstreckseiten, Schultern und Nacken, sog. Schal-Zeichen (Abb. 13) sowie im Kragenausschnitt. Beteiligung der Übersichtsartikel Kopfhaut kommt relativ häufig vor und wird oft mit einer seborrhoischen Kopfhautdermatitis verwechselt . Sie kann mit Haarausfall einhergehen. Hautveränderungen, die mit DM vereinbar sind, umfassen ein buntes Bild von Hauterscheinungen mit Erythem, Teleangiektasien, Hypo- und Hyperpigmentation und Hautatrophie, sog. Poikiloderma atrophicans vasculare oder Poikilodermatomyositis (Abb. 14), das sich sekundär im Bereich der Abb. 10: Dermatomyositis: Gottron-Zeichen Abb. 11: Dermatomyositis: Heliotroperythem Praxis 2007; 96: 1933–1949 1938 Erytheme einstellen kann, sowie eine disseminierte dystrophe Kalzinose des Haut-, Muskel- und Fasziengewebes mit Prädilektion um die grossen Gelenke (Abb. 15). Bei Hauptbefall in der Muskulatur spricht man auch von einer sog. Myositis ossificans progressiva. Andere typische, aber unspezifische Hautveränderungen sind eine den Patienten oft nicht bewusste Photosensitivität, Schleimhautbeteiligung, disseminierte, meist distal PRAXIS Abb. 12: Dermatomyositis: Perionychiale Teleangiektasien und Hämorrhagien lokalisierte, umschriebene Herde von nekrotisierender Arteritis, die mit atrophen, depigmentierten Herden abheilen, Hypertrichose (vor allem bei Kinder) und – selten – vesikulobullöse Hautveränderungen infolge einer ausgeprägten basalen, vakuoligen Degeneration und eines massiven dermalen Ödems. Unter «Mechaniker-Hände» versteht man eine beidseitige palmare Hyperkeratose mit Rhagaden im Bereich der Greifflächen der Daumen, des Zeig- und Mittelfingers in der Art mechanisch bedingter Hautschwielen ohne entsprechende Expositionsanamnese. Sie wurden erstmals bei einem Patienten mit anti-Jo-1-Antikörpern beschrieben und gelten als typisch für das Antisynthetase-Syndrom (s.u.). Zwischen der im Erwachsenen- und im Kindesalter auftretenden DM bestehen genügend Unterschiede, um eine juvenile von einer adulten Form der DM abzugrenzen. Die juvenile DM zeichnet sich insbesondere durch eine höhere Frequenz von Gelenkkontrakturen, Verkalkung von Muskelpartien und dadurch bedingte Verformungen bzw. Entwicklungsstörungen sowie vaskulitische Veränderungen der Haut und des Gastrointerstinaltraktes aus. Eine Kalzinose tritt in 40–70% der Fälle juveniler DM auf, widerspiegelt wohl die lange Krankheitsdauer und korreliert mitunter mit der Verzögerung von Diagnose und Therapie. Obwohl eine Calcinosis cutis bei juveniler DM quoad vitam prognostisch als günstig aufgefasst wird, trägt sie aufgrund ihrer Folgeerscheinungen signifikant zur Morbidität bei. Demgegenüber stellen assoziierte Neoplasien die Ausnahme dar. Auch die PM stellt im Kindesalter mit 5% aller Fälle von PM/DM eher eine Seltenheit dar. Übersichtsartikel Maligne interne Neoplasien sind häufiger mit DM (Inzidenz: 15%) als mit PM (Inzidenz: 9%) assoziiert und kommen auch bei ADM vor. Patienten mit paraneoplastischer DM sind durchschnittlich älter (Durchschnittsalter: 62 Jahre; Durchschnittsalter von Patienten mit PM/DM ohne assoziierte maligne Neoplasie: 47 Jahre). Definitionsgemäss besteht eine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Auftreten der Paraneoplasie und dem der internen Neoplasie sowie ein enger Zusammenhang ihres Ver- Praxis 2007; 96: 1933–1949 1939 laufs mit dem des Grundleiden, d.h. synchrone Remission bei erfolgreicher Tumorbehandlung und Rezidiv bei Rückfall des zugrunde liegenden Tumorleidens. Die bei paraneoplastischer DM beobachteten Tumoren scheinen der generellen Häufigkeitsverteilung von Malignomen inkl. deren geographischen Besonderheiten zu entsprechen, z.B. Nasopharyngealkarzinom in Singapore. Generell handelt es sich häufiger um Karzinome als Sarkome und maligne lymphoproliferative Erkrankun- Abb. 13: Dermatomyositis: Schal-Zeichen Abb. 14: Dermatomyositis: Poikiloderma atrophicans vasculare PRAXIS Übersichtsartikel gen. Insbesondere bei älteren Frauen mit DM scheint das Ovarialkarzinom häufiger vorzukommen. Einige Patienten mit paraneoplastischer DM zeigen eine den mehr chronisch erythematösen Hautveränderungen der DM überlagerte, akute flammende Rötung, sog. malignes Erythem. Lungenbeteiligung Unlängst hat eine retrospektive Untersuchung gezeigt, dass 40% von 55 untersuchten Patienten mit PM/DM Lungenbeteiligung aufwiesen: Häufigste Ursache war die Aspirationspneumonie. Ebenfalls kann eine respiratorische Insuffizienz Folge der Beteiligung der Atemmuskulatur sein. Auch kommt eine interstitielle Lungenfibrose vor, die sich mit pathologischem Lungenröntgenbild, aber ohne klinische Symptome präsentieren kann, oder akut mit Fieber, Dyspnoe und nicht-produktivem Husten oder mit schleichend zunehmender Dyspnoe auftritt. Es wurde eine Korrelation zwischen anti-Jo-1-Antikörpern und interstitieller Lungenerkrankung gefunden: Anti-Jo-1-Antikörper werden bei PM/DM mit einer Häufigkeit von 40% gefunden und bei PM/DM mit Lungenfibrose in 80%. Die Antikörper richten sich gegen Histidyl-transfer RNS-Synthetase und sind Prototyp einer Reihe von (im übrigen seltenen) Autoantikörpern gegen verschiedene Aminoacyl-transfer RNSSynthetasen (anti-PL-7 = Threonyl-transfer RNS-Synthetase; anti-PL-12 = Alanyltransfer RNS-Synthetase; anti-OJ = Isoleucyl-transfer RNS-Synthetase; anti-EJ = Glycyl-transfer RNS-Synthetase), die serologische Marker des sog. AntisynthetaseSyndroms sind. Dieses zeichnet sich durch Myositis, Arthritis, interstitielle Pneumopathie, Raynaud Phänomen und «Mechaniker-Hände» aus. Die Lungenerkrankung erweist sich oft als steroidresistent und stellt eine Indikation zur Behandlung mit Cyclophosphamid dar. Beteiligung anderer Organsysteme Befall anderer Organsysteme ist bei charakteristisch ausgeprägter DM nicht häufig. Gelenkbeteiligung: In einer Untersuchung von 29 Patienten mit PM/DM wurde Arthritis bei 27.5% festgestellt. Sie kommt Praxis 2007; 96: 1933–1949 1940 und -urie zum akuten Nierenversagen (Chromoprotein- oder Crushniere) führen. Diagnostik Abb. 15: Dermatomyositis: Myositis ossificans progressiva häufiger bei den Überlappungssyndromen vor und ist ein Symptom des anit-Jo-1oder Antisynthetase-Syndroms. Gastrointestinalbeteiligung: Dysphagie kommt vor in 12–45% der Patienten infolge Beteiligung der quergestreiften krikopharyngealen Muskulatur oder Dysfunktion des unteren Ösophagus bei den Überlappungssyndromen mit Sklerodermie. Bei juveniler DM können vaskulitische Veränderungen im Darm zu Abdominalschmerzen, Hämorrhagien, Ulzerationen und Perforation führen. Herzbeteiligung: In manchen Fällen kommt es zur Mitbeteiligung des Myokards mit EKG-Veränderungen, Überleitungsstörungen, Kardiomyopathie. Während EKG-Veränderungen bei mehr als der Hälfte der Patienten gefunden werden, entwickeln nur wenige Patienten eine klinisch manifeste Kardiomyopathie (evt. Cor bovinum). Nierenbeteiligung: Bei massiver Myositis kann eine ausgeprägte Myoglobulinämie Grundsätzlich finden sich Abweichungen der Laborparameter im selben Sinn wie bei LE, jedoch weniger häufig und weit milderer Natur (Anämie, Leukopenie, Proteinurie). Die antinukleären Antikörper sind nur in 30% positiv und oft nur gering erhöht; anti-native DNS-Antikörper finden sich nicht; in 40% finden sich anti-Jo-1-Antikörper, bei Lungenbeteiligung sind diese bei 80% positiv (Marker für das Antisynthetase-Syndrom). In der Abklärung der DM gewinnen zirkulierende Autoantikörper als serologische Marker für distinkte Krankheitsverläufe zunehmend Aufmerksamkeit; bis auf die J0-1-Antikörper, ist ihre Sensitivität zu gering, um sie routinemässig zu bestimmen: Sie wurden in Autoantikörper mit hoher Krankheitsspezifität (Myositis-spezifische Antikörper): antiJo-1, anti-Mi-2, anti-SRP, anti-EJ, und Antikörper mit niedriger Spezifität: antiU1RNP, anti-SS-A, anti-PM-Scl, anti-Ku, anti-U2RNP (Marker für Überlappungssyndrome) eingeteilt. Das histologische Bild der Haut zeigt grosse Ähnlichkeit mit dem des LE, es findet sich aber in der direkten Immunfluoreszenz kein Lupusband (granuläre Immunglobulinablagerungen entlang der dermoepidermalen Junktionszone). Wichtig und spezifisch sind die Laborparameter, mit denen der Zerfall von Muskelgewebe nachgewiesen wird (CK, Aldolase, Transaminasen). Im Verlauf werden in erster Linie CK-Bestimmungen (Aktivitätsparameter der Myositis) und klinische Untersuchungen der Muskelkraft (Kraftmessung) und des Hautzustandes (inkl. Juckreiz-Score) durchgeführt. Autoantikörperbestimmungen eignen sich nicht, da es im Verlauf keinen geeigneten Immunparameter gibt. Die Diagnose einer ADM setzt voraus, dass aufgrund gründlicher Untersuchungen eine Muskelbeteiligung ausgeschlossen worden ist. Neben der Bestimmung der Serummuskelenzyme, der EMG und Muskelbiopsie, kommen zunehmend auch bildgebende Verfahren (Ultraschall und neuer- PRAXIS dings die Magnetresonanzuntersuchung, MRI) zum Nachweis myositischer Veränderungen zum Einsatz. Die Ultraschalluntersuchung ist kosteneffektiv, aber Untersucher-abhängig. Das MRI weist eine hohe Sensitivität auf, ist spezifisch, erlaubt sonst schwer zugängliche, tiefgelegene Muskelstrukturen einzusehen, z.B. die lumbale paraspinale Muskulatur, und kann dazu eingesetzt werden, eine geeignete Muskelbiopsiestelle zu bestimmen. Beide Methoden sind aufgrund ihrer nicht-invasiven Natur besonders geeignet für die Diagnostik der DM bzw. ADM im Kindesalter. Therapie Die Hautveränderungen der DM zeichnen sich durch einen hartnäckigen und mitunter quälenden Juckreiz aus, während die Myositis durch Fibrosierung und Verkalkung erkrankter Muskelpartien zu schweren und bleibenden Defektzuständen führen kann, weshalb eine unverzügliche und aggressive Behandlung angezeigt ist. Sie hat sich nach dem Schweregrad der Erkrankung, allfälliger innerer Organbeteiligung und dem eventuellen Vorliegen einer malignen Grunderkrankung zu richten. Der Krankheitsverlauf der DM ist sehr variabel: Die Erkrankung kann akut und fulminant auftreten und innerhalb eines Jahres zum Tod führen; sie kann ähnlich dem LE schubartig verlaufen, unterbrochen von Phasen praktisch fehlender Krankheitsaktivität; sie kann einen chronischen Verlauf annehmen, die längerfristig den Einsatz hochdosierter systemischer Kortikosteroide notwendig macht; sie kann über 10 oder mehr Jahre langsam progressiv verlaufen; oder es kommt spontan und permanent zur Remission. Dysphagie und häufiges Verschlucken mit Ausbildung einer Aspirationspneumonie infolge Beteiligung der Pharynx- und Larynxmuskulatur sowie Atemschwäche infolge Befall der Interkostal- und Zwerchfellmuskulatur sind prognostisch ungünstig. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Prognose ist gegeben, wenn die DM mit einen internen Neoplasie (häufig solche des Gastrointestinal- und des weiblichen Genitaltraktes) vergesellschaftet ist. Die Todesursache steht zumeist in direktem Zusammenhang mit der Muskelerkrankung: Pneumonien sind infolge Übersichtsartikel der muskulär bedingten Ateminsuffizienz oder nach Aspiration bei Dysphagie nicht selten; seltener ist die Kardiomyopathie infolge Beteiligung des Myokards Todesursache oder führt ein massiver Muskelzerfall zu einem myorenalen Schocksyndrom. DM-Patienten mit einer assoziierten malignen internen Neoplasie haben die schlechteste Prognose und versterben meistens an der Metastasierung ihrer Tumorerkrankung. Schliesslich bedingen die oft notwendigen langfristigen systemischen Kortikosteroidgaben und Immunsuppressiva eine Gefährdung durch interkurrente Infekte. Kinder mit juveniler DM sind durch die vaskulitische Mitbeteiligung des Gastrointestinaltraktes gefährdet und erleiden eine erhebliche Morbidität infolge einer mitunter massiven, plattenartigen Kalzinose. Es gibt bis heute kein Mittel zur definitiven Heilung der DM, aber es stehen wirksame Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, welche die Symptome effektiv bekämpfen und den Verlauf stabilisieren können. Die früher sehr schlechte Prognose der DM hat sich seit dem Einsatz von systemischen Kortikosteroiden und Immunsuppressiva deutlich gebessert. Die Grundprinzipien der medikamentösen Behandlung sind die Verabreichung von systemischen Kortikosteroiden sowie bei Patienten, die auf Kortikosteroide nicht hinreichend reagieren, der Einsatz von Immunsuppressiva (Methotrexat, Azathioprin, Cyclophosphamid, Cyclosporin) und hochdosierte intravenöse Immunglobuline. Therapie der Haut Systemische Kortikosteroide vermögen bei DM die entzündlichen Hautveränderungen oft nicht hinreichend unter Kontrolle zu halten. Auch potente topische Kortikosteroide sind kaum von Nutzen, tragen aber das Risiko der Steroidatrophie nach längerer Anwendung. Antimalarika (Hydroxychloroquin: 200– 400 mg/Tag; Chloroquinphosophat: 250 mg/ Tag) können sich in der Therapie der Hautveränderungen der DM als nützlich erweisen. Sie führen aber häufiger nur zur partiellen Verbesserung. Auf die notwendigen ophthalmologischen Kontrolluntersuchungen ist zu achten. Praxis 2007; 96: 1933–1949 1941 Juckreizmindernde Hautpflegemittel und Lichtschutzmittel tragen zur Linderung der Hautbeschwerden ihren Teil bei. Auch systemische Antipruriginosa können bei Juckreiz nützlich sein, tagsüber nicht-sedierende Antihistaminika und nachtsüber 10–30 mg Doxepinhydrochlorid. Bei refraktären Hautveränderungen haben sich niedrig dosiertes Methotrexat (2.5–30 mg pro Woche) und IVIG (2 g/kg KG über zwei Tage verteilt), neuerdings auch Rituximab als wirksam erwiesen. Besonders problematisch ist die Therapie der Calcinosis cutis, vor allem bei juveniler DM. Schmerzhafte Kalkablagerungen werden chirurgisch entfernt. Colchicin (Dosierung: 1 bis 1.5 mg/Tag) kann bei inflammatorischen Formen der Kalzinose die Entzündung günstig beeinflussen. Andere medikamentöse Behandlungen der Calcinosis cutis, die empfohlen, aber in ihrer Wirksamkeit nicht bestätigt worden sind, schliessen Aluminiumhydroxid (15–20 ml 4⫻ täglich) und Diltiazem ein. Allgemeinmassnahmen Zu diesen gehören Bettruhe, adäquate Ernährung, physikalische Therapie, Atemtherapie und Ergotherapie. Eine passive Physiotherapie zur Erhaltung der Gelenkbeweglichkeit sollte bereits früh einsetzen, während mit einem aktiven Muskeltrainingprogramm erst bei medikamentöser Kontrolle der Muskelentzündung begonnen werden kann. Eine Studie hat gezeigt, dass ein entsprechendes Training bei 14 Patienten zu einer verbesserten Muskelkraft geführt hatte. Dies ist nicht auf eine Reparatur geschädigter Muskeln zurückzuführen, sondern auf den Aufbau verbliebener Muskelfasern mit kompensatorischer Hypertrophie. Bei stark auffallenden Hautveränderungen im Gesicht empfiehlt sich eine Instruktion der Patienten in der kosmetischen Abdeckung (Camouflage). Generell sind Patienten mit chronischen Krankheiten wie DM, genauso wie LE und anderen Kollagenosen, auf Selbsthilfeorganisationen aufmerksam zu machen, wo durch Information und Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen mehr Sicherheit im Umgang mit der Krankheit gewonnen werden kann. PRAXIS Übersichtsartikel Die Frühläsion zeichnet sich histologisch durch ein perivaskulär orientiertes Entzündungsinfiltrat aus T-Helferzellen, Monozyten und Makrophagen. Erhöhte IL-2und Spiegel von löslichen IL-2-Rezeptoren weisen auf eine T-Zell-Aktivierung hin mit polyklonaler B-Zell-Aktivierung und Bildung hoch-spezifischer Autoantikörper, wie anti-Zentromer, anti-DNS-Topoisomerase I (Scl-70) und anti-Fibrillarin (Scl34), Endothelschädigung mit vermehrter Expression von PDGF und TGF- sowie Fibroblastenaktivierung. Die Folge ist eine massive Akkumulation von kollagenen Fasern (Abb. 16). Klinik Abb. 16: Sklerodermie (Histologie): Perivaskuläres mononukleäres Entzündungsinfiltrat und massive Akkumulation pathologischer kollagener Fasern (H&E Färbung) Sklerodermie Die Bezeichnung Sklerodermie ist ein übergeordneter Begriff für eine heterogene Krankheitsgruppe unbekannter Ätiologie, bei der es nach einer entzündlichen Phase zur Sklerose umschriebener Hautareale oder zu einer generalisierten Sklerose der Haut unter Beteiligung innerer Organe (z.B. Ösophagus, Lunge, Niere, Herz) kommt. Trotz Gemeinsamkeit des histologischen Bildes ergibt sich aufgrund von unterschiedlicher Ausbreitung, Verläufen und Prognose die Notwendigkeit, zwei eigenständige Krankheiten voneinander abzugrenzen: Die zirkumskripte Sklerodermie und die Systemsklerose (SSc). Bei der zirkumskripten Sklerodermie unterscheidet man wiederum die Morphea und die lineäre Sklerodermie, eine international etablierte Klassifikation unterteilt ferner die SSc weiter in eine kutan limitierte SSc (das bedeutet nicht auf die Haut limitierten Befall, sondern limitierten Hautbefall!) und eine diffuse SSc. Praxis 2007; 96: 1933–1949 Zirkumskripte Sklerodermie Die zirkumskripte Sklerodermie zeichnet sich durch eine lokalisierte Hautsklerose ohne Beteiligung innerer Organe aus und ist streng von der SSc abzugrenzen. Ihre häufigste Manifestationsform ist die plaqueförmige Morphea, die als umschriebene Hautsklerose mit livid-erythematösem Ransaum präsentiert. Diese kann als isolierte Läsion als lokalisierte Morphea (Abb. 17) oder generalisiert als disseminierte Morphea bzw. bei diffusem Befall des Integumentes als Panmorphea (selten) auftreten. Varianten sind die Atrophodermia progressiva idiopathica Pierini-Pasini mit multilokulären Herden, bei denen die Sklerose gegenüber der Atrophie mit Hyperpigmentierung zurücktritt (Abb. 18), die Morphea guttata (Abb. 19) mit spritzerartig verteilten hyperkeratotischen Herden, die eher einem kleinfleckig disseminierten extragenitalen Lichen sclerosus et atrophicans entspricht, die Morphea profunda mit tiefreichenden Läsionen mit Lipatrophie (Abb. 20) und die seltene noduläre Morphea, die vor allem im Schultergürtelbereich wie eine Keloidakne imponieren kann (Abb. 21). Im Kindesalter überwiegen die lineär angeordneten Formen der zirkumskripten Sklerodermie, häufig im Kopfbereich als bandförmige zirkumskripte Sklerodermie «en coup de sabre» (Abb. 22), seltener mit myo-ossärer Hemiatrophie des Pathogenese Die Sklerodermie wird ebenfalls zu den Gefäss-Bindegewebserkrankungen mit Autoimmunpathogenese gezählt, wobei genetische Disposition, vaskuläre Regulationsstörungen, humorale und zelluläre Immunphänomene sowie Störungen bei der Regulation der Kollagensynthese von ätiopathogenetischer Bedeutung sind. Bemerkenswert ist, dass die Sklerodermie unter den Kollagenosen diejenige Erkrankung darstellt, bei der die meisten exogenen Faktoren beschrieben worden sind: Borrelien, Vinylchlorid, Trichloräthylen, aliphatische Hydrokarbone, Epoxide, Silikone, Bleomycin, L-Tryptophan, toxisches Öl. 1942 Abb. 17: Zirkumskripte Sklerodermie: Lokalisierte Morphea PRAXIS Abb. 18: Zirkumskripte Sklerodermie: Atrophodermia progressiva idiopathica Pierini-Pasini Gesichts (Parry-Romberg-Syndrom; Abb. 23) oder an den Extremitäten langstreifig mit assoziierter Wachstumshemmung oder als akrale pansklerotische Form (Abb. 24). Systemsklerose Die kutan limitierte SSc ist gekennzeichnet durch ein früh auftretendes RaynaudSydnrom und «puffy fingers» (Abb. 25), die sich später zur Skerodaktylie mit «Madonnenfingern«, Flexionskrontakturen (Abb. Übersichtsartikel 26) und peripheren trophischen Störungen («Rattenbisse«: Abb. 27) entwickelt. Die Kombination von Calcinosis (Abb. 28), Raynaud-Syndrom, Esophagus-Dysmotilität, Sklerodaktylie und Teleangiektasien, v.a. des Gesichts und der Palmae, wird auch als CREST-Syndrom bezeichnet und stellt den Prototyp der kutan limiterten SSc dar. Neben der Ösophagus-Dysmotalität kommt Systembeteiligung auch in der Form einer primären pulmonalen Hypertonie oder einer biliären Zirrhose vor. Die diffuse SSc zeichnet sich durch eine rasch progrediente, diffuse stammbetonte Hautinduration (Abb. 29) mit Dyspigmentation, Haarausfall und Anhidrose aus. Typisch ist die Sklerodermie-Fazies (Abb. 30) mit Hypomimie, spitzer Nase und Tabaksbeutelmund. Es findet sich ein verkürztes Zungenfrenulum. Die Patienten klagen ebenfalls früh über die Symptome eines Raynaud-Syndroms. Systembeteiligung tritt früh auf, neben der Ösophagus- und Darmhypomobiität, quo ad vitam prognose-bestimmend sind Lungenfibrose, Sklerodermie-Niere, maligne Hypertonie und Kardiomyopathie. Praxis 2007; 96: 1933–1949 1943 Abb. 20: ZirkumskripteSklerodermie: Morphea profunda Diagnostik Die Diagnose der zirkumskripten Sklerodermie wird gewöhnlich aufgrund des klinischen Bildes und der Histologie gestellt. Für die Diagnose der SSc muss mindestens Abb. 19: Zirkumskripte Sklerodermie: Morphea guttata das Hauptkriterium der symmetrischen Sklerodermie proximal der Metakarpooder Metatarsophalangealgelenke oder zwei der folgenden Nebenkriterien erfüllt sein: Sklerodaktylie, grübchenförmige Narben oder Substanzverlust der distalen Finger- bzw. Zehen-Weichteile, bilaterale basale Lungenfibrose. Hilfreich für die Diagnose der SSc sind typische pathologische Veränderungen in der Nagelfalzkapillarmikroskopie. Oft fällt bereits klinisch eine Verdickung der Nagelkutikula auf, Nageldystrophie, und radiologische Aufnahmen können Resorptionen der knöchernen Endphalangen aufweisen. Bis auf gelegentlich leicht erhöhte ANATiter ist die zirkumskripte Sklerodermie gewöhnlich serologisch stumm, Einzelfälle zeigen eine fragliche Assoziation mit einer positiven Borrelienserologie, ausgedehnte, entzündlich aktive Formen können eine periphere Eosinophilie und erhöhte sIL-2Rezeptor-Spiegel aufweisen. Bei einer assoziierten biliären Zirrhose können sich antimitochondriale Antikörper finden. Im- PRAXIS Übersichtsartikel Praxis 2007; 96: 1933–1949 1944 Abb. 21: Zirkumskripte Sklerodermie: Morphea nodularis munserologische Marker für die kutan limitierte SSc sind anti-Zentromer-Antikörper (in ca. 80%) und für die diffuse SSc anti-Scl-70-Antikörper (in ca. 50%). Die Panmorphea lässt sich von der diffusen SSc durch das Fehlen eines Raynaud-Syndroms, eine normale Nagelfalzkapillarmikroskopie, fehlende Sklerodermie-spezifi- schen Antikörper und fehlende Organbeteiligung abgrenzen. Das Ausmass der Organbeteiligung bei SSc ist durch entsprechende Untersuchungen systematisch abzuklären: Ösophagusmanometrie, CO-Diffusionskapazität, HRCT der Lunge, EKG, Echokardiographie, Blutdruck, Kreatinin Abb. 24: Lineäre zirkumskripte Sklerodermie: Akrale pansklerotische Form Therapie Abb. 22: Lineäre zirkumskripte Sklerodermie «en coup de sabre» Abb. 23: Lineäre zirkumskripte Sklerodermie mit myo-ossärer Hemiatrophie des Gesichts (Parry-Romberg-Syndrom) Die Behandlung der Skerodermie bleibt eine «crux medicorum«: Abgesehen von der UVA-1-Therapie der zirkumskripten Sklerodermie, die in ihrer lokalisierten Form innerhalb weniger Jahre eine hohe Spontanremissionsrate aufweist, hat sich insbesondere in der Behandlung der SSc bis heute keine Therapieform in Studien als überzeugend effektiv und gleichzeitig sicher erweisen. Auf der Grundlage ätiopathogenetischer Überlegungen kommen gefässaktive Substanzen (Kalziumantagonisten zur Behandlung der Raynaud-Syndroms, ACEHemmer zur Behandlung der Hypertonie, Ilomedin-Infusionen zur Behandlung akraler Nekrosen, Bosentan zur Behandlung der primären pulmonalen Hypertonie), immunologisch wirksame Substanzen (Azathioprin, Cyclophosphamid, Mycophenolat mofetil zur Behandlung aktiver entzündlicher Verlaufsformen) und antifi- PRAXIS brotische Substanzen (Penicillin G, Penicillamin, gamma-Interferon, alle ohne erwiesene Wirksamkeit) in Betracht. Im Unterschied zur lokalisierten Morphea zeichnen sich die generalisierte Morphea und die lineäre Sklerodermie durch eine hohe Neigung zur Chronizität und mitunter eine starke Einschränkung aus, sog. «disabling disease» Zur Behandlung schwerer Formen der lineären Sklerodermie mit Wachstumshemmung im Kindesalter kommt die Methylprednisolon-Pulsbehandlung in Kombinatin mit Methotrexate zum Einsatz, zur Behandlung der Panmorphea Cyclosporin A. Im übrigen ist ein besonderer Wert auf supportive und physikalische Therapiemassnahmen zu legen. Abb. 25: Systemsklerose: «Puffy fingers» Abb. 27: Systemsklerose: «Rattenbiss» Übersichtsartikel Vaskulitis Die in der dermatologischen Praxis häufigste Manifestationsform der Vaskulitis ist die die kutane leukozytoklastische KleingefässVaskulitis, die ihrerseits definiert ist als eine Vaskulitis kleiner Gefässe (postkapilläre Venulen) mit dem histopathologischen Befund einer nekrotisierenden Venulitis mit Leukozytendiapedese durch die Gefässwand, Leukozytenkernstaub (Leukozytoklasie) und Erythrozytenextravasaten (Abb. 31). Pathogenese In 95% ist die kutane leukozytoklastische Kleingefäss-Vaskulitis Folge einer In-situAblagerung von Antigen-Antikörper-Kom- Praxis 2007; 96: 1933–1949 plement-Komplexen, sog. ImmunkomplexVaskulitis, deren Nachweis in der DIF gelingt (Abb. 32). Zusätzliche Faktoren, die die Gefässendothelien beeinflussen, sind erforderlich, um eine Immunkomplex-bedingte Gefässläsion auszulösen, z.B. mechanischer oder hydrostatischer Druck auf die Gefässwände, weshalb die Purpura eine Prädilektion für Druckstellen und die unteren Extremitäten aufweist. Als Antigene kommen sowohl Fremd- (Infekterreger, Medikamente, Fremdserum) als auch Autoantigene (pathologische Bluteiweisse, Tumorantigene) in Betracht, wobei Störungen des physiologischen Abräummechanismus von Immunkomplexen (z.B. bei Komplementdefekten) oder eine persistierende Abb. 26: Systemsklerose: Sklerodaktylie Abb. 28: Systemsklerose: Kalzinose 1945 PRAXIS Übersichtsartikel Abb. 30: Systemsklerose: Sklerodermie-Fazies Abb. 29: Diffuse Systemsklerose Produktion von Immunkomplexen bei chronischen Infektionen (z.B. Hepatitis-BAntigenämie) oder Autoimmunerkrankungen (z.B. systemischer Lupus erythematodes) die Wahrscheinlichkeit einer Immunkomplexvaskulitis erhöhen. In 5% finden sich bei der kutanen leukozytoklastischen Kleingefäss-Vaskulitis in der DIF keine Immunablagerungen, pauci-immune Vaskulitis. In diesen Fällen kommt es zu ei- ner Leukozytenaktivierung über zirkulierende Anti-Neutrophilen-Cytoplasma-Autoanntikörper (ANCA) bei den ANCA-assoziierten Vaskulitiden Wegener-Granulomatose (c-ANCA-assoziiert), mikroskopische Polyangiitis (p-ANCA-assoziiert) und Churg-Strauss-Syndrom (ANCA-assoziiert mit IgE-Erhöhung und Eosinophilie). Klinik Klinisch präsentiert sich die kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis mit akut und schubweise innerhalb von Tagen Abb. 31: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis (Histologie, H&E-Färbung): Fibrinoide Gefässwandnekrose, Leukozytendiapedese, Leukozytoklasie, Erythrozytenextravasate Praxis 2007; 96: 1933–1949 1946 symmetrisch im Bereich vorallem der unteren Extremitäten und an den Aufliegestellen des Körpers auftretenden düsterroten Petechien, die flach erhaben und palpabel sind (Abb. 33). In schweren Fällen können sich die Petechien peripherwärts vergrössern und flächig konfluieren unter Ausbildung hämorrhagischer Nekrosen, nekrotischer Blasen bzw. exulzerierender Nekrosen. In 50% ist die kutane leukozytoklastische Vaskulitis Symptom einer zugrunde liegenden Krankheit und in 20% Folge eines präzipitierenden exogenen Faktors. Dabei stellen mit über 30% Autoimmunkrankheiten, v.a. chronische Polyarthritis, Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom und gemischte Kryoglobulinämie bzw. mit je 10% Medikamente und Infekte (beta-hämolysierende Streptokokken, Virushepatitis, HIV) die häufigsten Ursachen dar. Weniger häufig sind zugrunde liegende Malignome (⬍ 10%) und die ANCA-assoziierten Vaskulitiden (5%). In 30% ist keine Ursache eruierbar, sog. primäre kutane leukozytoklastische Kleingefäss-Vaskulitis: In diesen Fällen ist es wichtig aufgrund der DIF die IgA-Immunkomplex-assoziierten Fälle von den nicht IgAImmunkomplex-assoziierten Fällen zu unterscheiden. Bei ersteren (⬍ 5%) liegt eine Immunkomplex-Vaskulitis vom Schönlein-Henoch-Typ vor, kurz Purpura Schönlein-Henoch, bei der häufig eine Beteiligung von Gastrointestinaltrakt, Niere (Schönlein-Nephritis) und Gelenken be- Abb. 32: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis (direkte Immunfluoreszenz): Immunablagerungen (C3, IgG, IgAund/oder IgM) im Bereich der Gefässwände (Immunkomplexvaskulitis) PRAXIS Übersichtsartikel Abb. 33: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis: Palpable Purpura Abb. 34: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis (Variante): Kokardenpurpura Seidelmayer steht. Sie befällt bevorzugt Kinder im Schulalter, häufiger im Anschluss an einen Streptokokkeninfekt des oberen Respirationstraktes, kommt aber auch im Erwachsenenalter vor, hier nicht selten mit ausgesprochener Chronizitätsneigung der Hautveränderungen. Distinkte klinische Varianten der nicht IgA-assoziierten, primären leukozytoklastischen Kleingefäss-Vaskulitis sind das akute hämorrhagische Ödem Finkelstein und die Kokardenpurpura Seidelmayer (Abb. 34), die sich im Säuglings- bzw. Kindesalter als hämorrhagisch-ödematöse Schwellungen bzw. hämorrhagische Kokardenläsionen präsentieren, das Erythema elevatum et diutinum (Abb. 35) mit chronischen, polsterartigen, bräunlich-roten Papeln und Knoten über den Streckseiten der grossen und kleinen Gelenke und die Urtikaria-Vaskulitis (Abb. 36) mit urtikariellen Läsionen, die sich gegenüber der Urtikaria durch längere Persistenz der Einzeleffloreszenzen (Tage), Blutungspunkte und subjektiv eher brennend schmerzhaften Sensationen als Juckreiz auszeichnen. Die Urtikaria-Vaskulitis ist jedoch nicht als eigenständige Entität aufzufassen, sondern als eine der verschiedenen klinischen Manifestationsformen der kutanen leukozytoklastischen Kleingefässvaskulitis, die nicht selten auch im Rahmen eines systemischen Lupus erythematodes oder eines SjögrenSyndroms auftreten kann. Auch wenn das klinische Bild für den Dermatologen von der kutan-vaskulären Entzündung beherrscht wird, ist zu bedenken, dass die klinische Symptomatologie bei den Systemerkankungen auch durch die proinflammatorischen Produkte an vielen Orten ablaufender pathologischer Prozesse bestimmt werden kann. Hieraus ergeben sich neben den direkten Hinweisen auf das Vorliegen einer Vaskulitis auch indirekte Hinweise auf eine systemhafte Alteration, wie Allgemeinsymptome (Adynamie, Fieber, Nachtschweiss, Gewichtsverlust), Polymyalgie, Polyarthralgie und labormässig Zeichen der Entzündung (Akut-PhasenProteine, Leukozytose, Thrombozytose). Schliesslich sind es neben den Kutanmanifestationen der Vaskulitis und den Zeichen der systemhaften Alteration die Leitsymptome, die zu einer eindeutigen klinischen Diagnose führen, z.B. Mononeuritis multiplex, Mikrohämaturie, Hämoptysen oder Praxis 2007; 96: 1933–1949 1947 Abb. 35: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis (Variante): Erythema elevatum et diutinum Darmkoliken, bevor katastrophale Komplikationen, z.B. pulmorenales Syndrom, Mesenterialinfarkt, Herz- und ZNS-Beteiligung, das klinische Bild bestimmen. Diagnostik Bei der Abklärung der palpablen Purpura sind neben einer gezielten Anamnese und einer sorgfältigen, nötigenfalls fächerübergreifenden körperlichen Untersuchung eine relativ breite Labordiagnostik (Ausschlussdiagnostik: Infektionskrankheiten) und der morphologische Nachweis der Gefässschädigung (Histologie, hochauflösende bildgebende Verfahren) notwendig. Die diagnostische Aussagekraft der Hautbiopsie hängt von einer optimalen Biopsietechnik (tiefe spindelförmige Biopsie einer frischen vaskulitischen Läsion) und von einer effektiven Kommunikation zwischen Kliniker und Pathologen ab: Auch wenn die Morphologie in vielen Fällen die Diagnose sichern kann, ergibt sie oft wenig spezifische Befunde, die zu verschiedenen Krankheitsentitäten passen, insofern als das Gefässsystem auf verschiedene ätiologische Einflüsse recht einförmig reagiert. Genaue Angaben des Klinikers über Ort PRAXIS Übersichtsartikel Abb.36: Kutane leukozytoklastische Kleingefässvaskulitis (Variante): Urtikaria-Vaskulitis der Entnahme, klinische, klinisch-chemische und immunologische Befunde sind für den Pathologen genauso unerlässlich wie für den Kliniker die genaue Beschreibung des morphologischen Befundes. Selbstverständlich sollte jede Biopsie auch mittels einer direkten Immunfluoreszenzuntersuchung untersucht werden (Immukomplex-, IgA- oder pauci-immune Vaskulitis). Die systematische Abklärung dient einerseits der ätiopathogenetischen Erschliessung (Infekte, Medikamente, Fremdproteine, Autoantigene, pathologische Bluteiweisse, Neoantigene) und andererseits der Beurteilung des Organbefallsmusters. Während es keine labortechnische Vaskulitis-Marker gibt, die in ihrer diagnostischen Wertigkeit mit der klinischen und histologischen Untersuchung gleichgestellt werden können, beobachtet man Diagnose-assoziierte, Aktivitäts-assoziierte und Organbezogene Laborparameter: Im Unterschied zu den breiter angelegten Diagnose-assoziierten Laborparameter sind die Aktivitätsassoziierten Parameter auch zur weiteren Verlaufsbeobachtung von grosser Bedeutung. Während die organbezogene Diagnostik sich nach dem klinischen Befallsmuster orientiert, ist stets – auch bei klinisch zunächst unauffälligem Befund – nach einer Nierenbeteiligung und auch diskreten neurologischen Symptomen zu suchen. Therapie Während bei der Vaskulitis bei Infektionen die vaskulitischen Symptome nach Antibiotikatherapie abklingen bzw. die Prognose der medikamentös induzierten Vaskulitiden nach Absetzen des verantwortlichen Medikaments gut ist, kann das Therapieziel bei vielen Fällen von systemhaften Immunvaskulitiden nicht die endgültige Heilung sein, da mit Rezidiven zu rechnen ist. In den meisten Fällen kündigt sich das Rezidiv durch Wiederanstieg der Akut- Praxis 2007; 96: 1933–1949 1948 Phasen-Proteine, Komplementverbrauch, ANCA-Titeranstieg oder durch einen Anstieg des löslichen sIL-2-R im Serum an (Aktivitäts-assoziierte Laborparameter). Hautläsionen (palpaple Purpura, Livedo, Ulzerationen) können frühzeitig wegweisende und alarmierende Befunde sein. Andererseits stellt sich für die kutan limitierten Formen der primären Vaskulitiden speziell für den Dermatologen grundsätzlich die Frage nach dem Risiko einer Systemerkrankung und damit zusammenhängend der Aggressivität einer zu wählenden Therapie (Colchicin, Dapsone, Prednison, Azathioprin, Methotrexate, Cyclophosphamid) im Sinne der Nutzen/Risiko-Abschätzung. Als Orientierungshilfe setzt sich mit den Fortschritten der Immunologie das Konzept der Subklassifizierung distinkter Krankheitsbilder durch, bei denen eine Korrelation immunologischer Marker mit klinischen Verläufen sich abzeichnet. Wo eine fächerübergreifende Symptomatologie vorliegt, ist selbstverständlich auf die effektive Kommunikation zwischen den Disziplinen ein besonderes Schwergewicht zu legen. Die Prognose der kutanen leukozytoklastischen Vaskulitis ist abhängig von einer eventuell zugrunde liegenden Systemkrankheit: Autoimmunkrankheiten (⬎ 30%), Malignome (⬍ 10%), systemi- Key messages ● Der Haut kommt eine wichtige Markerfunktion sowohl für die Diagnose als auch für die Prognose der Kollagenosen zu ● Es bestehen Korrelationen zwischen klinisch-dermatologischer Präsentation, Autoantikörperprofil, Verlauf und Prognose ● Bei den limitierten Formen der Kollagenosen stellt sich immer grundsätzlich die Frage nach der Prognose und der damit verbundenen Aggressivität einer einzuschlagenden Therapie im Hinblick auf ihre Risiken und Toxizitäten Lernfragen 1. Welches sind die Lubus erythematodes (LE)-spezifischen Hautveränderungen und immunserologischen Marker des akuten kutanen LE (ACLE), des subkauten kutanen LE (SCLE), des chronisch kutanen LE (CCLE)? 2. Welche Hautveränderungen sind pathognomonisch für die Dermatomyositis? 3. Worin unterscheidet sich die Systemsklerose von der zirkumskripten Sklerodermie? 4. Wovon hängt die Prognose der kutanen leukozytoklastischen Vaskulitis ab? La Dermatologie et la Rhumatologie ont en commun le fait que de nombreuses maladies rhumatismales présentent des manifestations cutanées cliniques distinctes. Comme la peau est facilement accessible tant pour un examen clinique que pour une biopsie, les rhumatologues consultent volontiers les dermatologues qui ont de l’expérience des aspects cliniques et pathologiques des maladies rhumatismales avec manifestations cutanées. Bien que les sous-spécialités médicales ont tendance à se focaliser sur les manifestations typiques d’un seul organe, les dermatologues ont une tradition de prise en charge multidisciplinaire des patients et communiquent volontiers avec les médecins d’autres disciplines. L’association des maladies inflammatoires chroniques auto-immunes aux maladies appelées collagénoses vasculaires et leur classification ont permis de comprendre ces maladies d’une façon synoptique. Elles ont en commun des atteintes tissulaires inflammatoires, une tendance à la chronification avec des exacerbations aiguës, une réponse à des hautes doses de corticostéroïdes systémiques et/ou à des agents immunosuppresseurs. Il s’agit du lupus érythémateux, de la dermatomyosite, de la sclérodermie, de leurs combinaisons (maladies mixtes du tissu conjonctif) et des vasculites. Leur hétérogénéité se traduit par un large spectre de présentations cliniques. La peau est un marqueur fonctionnel important tant pour le diagnostic que pour le pronostic puisqu’il existe des corrélations spécifiques entre la présentation clinique, spécialement pour la peau, les profils d’auto-anticorps, l’évolution de la maladie et le pronostic. Comme pour les formes limitées des maladies auto-immunes cutanées, il est important de reconnaître leurs aspects distincts avec leur pronostic typiquement favorable, ce qui permet de traiter avec des protocoles thérapeutiques moins agressifs. Mots-clés: lupus érythémateux cutané – dermatomyosite – sclérodermie – vasculite Korrespondenzadresse Prof. R.M. Trüeb Dermatologische Klinik Universitätsspital Zürich Gloriastr. 31 8091 Zürich ralph.trueeb@usz.ch Bibliographie Beim Verfasser 1. Antworten zu den Lernfragen Dermatology and rheumatology have in common that many rheumatologic diseases manifest with distinct clinical presentations on the skin. Since the skin is easily accessible both to physical examination and biopsy, rheumatologists appreciate to consult with dermatologists with experience in the clinical and pathological aspects of the rheumatic diseases with skin manifestations. Though the medical subspecialities show a tendency to an organ-particular focus, dermatologists traditionally have a multidisciplinary approach to patients and tend to communicate in a cross-disciplinary way. The grouping of the chronic inflammatory autoimmune diseases to the so called collagen vascular diseases and their further classification has lead to a synoptic understanding of these diseases. They have in common: inflammatory tissue damage, tendency to chronicity with acute exacerbations, response to high doses of systemic corticosteroids and/or immunosuppressive agents. They comprise: lupus erythematosus, dermatoniyositis, scleroderma, their combinations (mixed connective tissue disease) and the vasculitides. Their heterogeneity translates into a wide range of clinical presentations. The Skin has an important marker function, both for the diagnosis and prognosis, since there are specific correlations between clinical presentation, especially on the skin, autoantibody profiles, disease course, and prognosis. As for the limited forms of cutaneous autoimmune disease, it is important to recognize these distinct sub- Résumé 1949 2. 3. Summary sets with their typically favourable prognosis with respective to lesser aggressive therapeutic protocols. Key words: Cutaneous lupus erythematosus – dermatomyositis – scleroderma – vasculitis Praxis 2007; 96: 1933–1949 ACLE: Schmetterlingsexanthem und anti-dsNDS. SCLE: Polyzyklisch-anuläre oder papulosquamöse Hautveränderungen und anti-SSA. CCLE: Diskoide Läsionen. Gottron Papeln, Gottron Zeichen Beteiligung innerer Organe (Lunge, Gastrointestinaltrakt, Niere) und immunserologische Marker (anti-Scl70, anti-Centromer) Zugrundeliegende Systemkrankheit (Autoimmunkrankheit, Malignom, systemische granulomatöse Vaskulitis, Nachweis von IgA in der DIF, Nachweis einer Systembeteiligung (ZNS, Herz, Lunge, Gastrointestinaltrakt, Niere), Ausprägung der Hautveränderungen (hämorrhagisch nekrotisierend) sche granulomätose Vaskulitiden (5%). Bei der primären leukozytoklastischen Vaskulitis (30%) sind der Nachweis von IgA-Ablagerungen (⬍ 5%) in der DIF mit dem Risiko der Beteiligung von Gastrointestinaltrakt und Niere (Purpura Schönlein-Henoch), der Nachweis einer Systembeteiligung und die Ausprägung der Hautveränderungen (hämorrhagisch-nekrotisierende Hautveränderungen) von entscheidender Bedeutung. Übersichtsartikel 4. PRAXIS