Schadenspiegel 2/2011

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Schadenspiegel 2/2011
Topics
Schadenspiegel
Ausgabe 2/2011
World Trade Center
Zehn Jahre danach
Seite 6
Ageing Infrastructure
Alte Trafos
gefährden Stromnetze
Mississippi-Flut 2011
Die Katastrophe
bleibt aus
Property
Einbruch
mit Fragezeichen
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
die Anschläge auf das World Trade Center am 11. Spetember 2001
haben sich für immer in unser Gedächtnis gebrannt. Viele Menschen
erinnern sich beispielsweise noch genau, wo sie sich aufgehalten
haben, als sie die schreckliche Nachricht erreichte, und was sie zu
­ iesem Zeitpunkt fühlten. Das Entsetzen über die Dimension der
d
Anschläge, das Mitleid mit Tausenden von Opfern und die Sorge über die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen haben eine
Generation geprägt.
Heute, gut zehn Jahre danach, ist Ground Zero eine große Baustelle.
Der neue Gebäudekomplex, der derzeit auf dem Gelände der ehemaligen Twin-Towers errichtet wird, ist darum auch weit mehr als ein
Wiederaufbau. Es ist vor allem ein Mahnmal gegen das Vergessen.
Auch die Versicherungswirtschaft haben die Terroranschläge von
damals hart getroffen. Zehn Jahre später ist die Regulierung der Schäden noch immer nicht vollständig abgeschlossen. Die aktuellen Schätzungen der versicherten Schäden belaufen sich auf rund 40 Milliarden
Dollar. Nun gilt es Schlüsse zu ziehen aus dem bislang größten Schaden durch Terrorismus: Wie verlief die Schadenregulierung? Wie wurden die Opfer entschädigt? Und vor allem: Was kann die Assekuranz
daraus für die Zukunft lernen? Unser Titelthema des neuen Schadenspiegel befasst sich mit diesen Fragen und gibt einen Einblick in die
wichtigsten Lehren für die Assekuranz.
Eine anregende und nutzbringende Lektüre wünscht Ihnen
Ihr Schadenspiegel-Team
schadenspiegel@munichre.com
NOT IF, BUT HOW
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
1
WTC – zehn Jahre danach
Die Anschläge vom 11. September 2001 auf die Zwillingstürme des World Trade Center in New York verursachten den bislang größten Schaden
durch Terrorismus. Zehn Jahre danach gilt es, Schlüsse
daraus zu ziehen: Wie verlief die Regulierung des Schadens? Welche Probleme ergaben sich bei der Entschädigung der Opfer? Was kann die Assekuranz
daraus für die Zukunft lernen?
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Inhalt
Weltweit werden Trafos immer älter und
damit zum Risiko für die Stromversorgung.
Terrorismus
WTC – zehn Jahre danach
Regulierung der Schäden und
Entschädigung der Opfer.
Serie: Ageing Infrastructure
Trafos kommen in die Jahre
Überalterte Transformatoren gefährden Stromnetze.
Mississippi-Flut 2011
Gefahr gebannt
Deiche und Entlastungsbauwerke
verhindern große Schäden.
ERdbeben Christchurch
Die Grenzen sicheren Bauens
Erfolgreiche Prävention erfordert mehr als hohe Baustandards.
Schadenliteratur
The Long Shadow of 9/11 14
Die Mississippi-Flut ging für die Versicherer
glimpflich aus. Die gute Vorsorge hat sich
ausgezahlt.
20
6
Property
Einbruch mit Fragezeichen
Diebstahl auf Bestellung oder Schlamperei?
36
14
20
30
Spread Ladder Swaps
Klagewelle bleibt bisher aus
Auswirkungen des BGH-Urteils auf die Versicherungsbranche.
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Engineering
Blitzschlag in Leuchtreklame
Hochhausbrand verursacht großen Schaden.
44
Großschadenliste
48
Vorwort
Unternehmensnachrichten
Kolumne
Impressum
1
4
47
50
35
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
3
Nachrichten
neue Studie zu 9/11
Naturgefahren
Erneuerbare Energien
Die Veröffentlichungsreihe „The
Geneva Reports“ wird vom Inter­­­
national Center for Monetary and
­Banking Studies (ICMB) in Zu­­
sammenarbeit mit dem Centre for
­Economic Policy Research (CEPR)
herausge­geben. Themenschwerpunkte sind jeweils unterschiedliche
Aspekte einer Reform des interna­
tionalen Finanz- und Wirtschafts­­­
systems. Die Verfasser der einzelnen
Ausgaben sind international renommierte Volkswirtschaftler. Die
Son­der­­publikation „September 11 –
Ten Years On“ befasst sich mit den
langfristigen Auswirkungen der
An­schläge vom 11. September auf
das Risikomanagement und die
Versicherungswelt.
Die mexikanische Regierung schließt
über den Fondo de Desastres Naturales (Fonden) eine Rückversicherung in Höhe von 4,5 Milliarden
mexikanischen Pesos (ca. 0,4 Milliarden US-Dollar) ab. Munich Re ist
Leader dieser neuen Deckung. Ziel
ist, die öffentliche Infrastruktur
gegen Naturkatastrophen abzusichern. Mexiko engagiert sich seit
Jahren bei der Analyse solcher
schweren Unglücke und der Konzeption effizienter Lösungen. Die Regierung plant, die Infrastruktur nach
Naturkatastrophen schnell wieder
aufzubauen und der betroffenen
Bevölkerung zu helfen.
In Traunreuth in Oberbayern
(Deutsch­­land) wird seit September
der Bohrplatz für einen 60 Meter
hohen Bohrturm für ein geothermisches Kraftwerk errichtet. Die
Anlage soll bis zu fünf Megawatt
elektrische und zwölf Megawatt
thermische Energie für Fernwärme
aus zwei 5.000 Meter tiefen Bohrungen fördern. Bei der Tiefengeothermie wird heißes Wasser aus
bis zu fünf Kilometer tief liegenden
Erdschich­ten an die Oberfläche
gepumpt und zur Wärme- oder
Stromgewinnung genutzt. Munich
Re übernimmt das bei Erdwärmebohrungen erhebliche Fündigkeits­
risiko. Das bisher größte ErdwärmeKraftwerk in Deutschland mit einer
Leistung von 38 Megawatt wurde
2003 in Unterhaching bei München
errichtet – als Pilotprojekt bereits
damals versichert durch Munich Re.
The Geneva Reports
Risk and Insurance Research
Naturgefahren-Deckung für
mexikanische Regierung
Mehr Informationen unter:
www.genevaassociation.org
Geothermieprojekt
Traunreuth
Kurznachrichten
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erfasste für das Jahr 2009 Brandschäden
im Wert von 2,341 Milliarden Euro. Das Institut für Brandschutz, VdS, vermittelt auf einer Tagung am 1. Dezember 2011 in Köln Basiswissen zum Thema Brandschutz.
www.vds.de/brandschutzkompakt
Munich Re investiert in Solarparks. Die MEAG, Ver­
mögensverwalter von Muniche Re und ERGO, hat eine
37-prozentige Beteiligung an einem Portfolio für Solar­
anlagen erworben, das 34 Photovoltaik-Anlagen in
Spanien und acht in Italien mit einer Gesamtleistung
von 168 Megawatt umfasst.
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MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Die neue Kundenseminarbroschüre „Knowledge in
dialogue“ für das Jahr 2012 ist erschienen. Bitte wenden
Sie sich bei Interesse an Ihren Client Manager.
Erneuerbare Energien: Munich Re deckt weltweit geltende Leistungsgarantien des japanischen DünnschichtModulherstellers Solar Frontier als erste Deckung dieser
Art in Japan.
Der spanische König Juan Carlos hat für das ganze Land
die Umsetzung von Europäischen Normen für Alarm­
anlagen verordnet.
Ab sofort finden Sie das Online-Magazin von Munich Re
„Topics Online“ mit Kommentier-Funktion. Diskutieren
Sie mit uns! www.munichre.com/en/topicsonline
Nachrichten – Erdbeben Japan
Die Produktion wird wieder regionaler
Christian Kille, Professor für Handelslogistik an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS), über die Auswirkung von Naturkatastrophen auf
Produktion und Lieferketten am Beispiel des schweren Erdbebens in Japan.
Schadenspiegel: Herr Professor
Kille, hat das schwere Erdbeben Auswirkungen auf die weltweite Warenproduktion und die Lieferketten
gehabt?
Prof. Christian Kille: Die erste verständliche Nervosität nach den
Ereignissen in Japan hat sich mit
dem Blick auf die japanischen
Exportzahlen inzwischen gelegt.
Japan hat im Jahr 2010 in die USA
Exporte von 120 Milliarden US-Dollar
getätigt und nach Europa Güter im
Wert von 65 Milliarden Euro exportiert. Für die USA sind dies sechs
Prozent der gesamten Importe, für
die Europäische Union zwei Prozent.
Aus diesen Zahlen erkennt man,
dass die Rolle Japans als Exportland
in diese Regionen relativ gering ist.
Der Zeitraum hängt natürlich von der
jeweiligen Region ab. Innerhalb
Europas dauert eine Lieferkette drei
bis fünf Tage. Eine Lieferung von
China per Schiff dauert fünf bis sieben Wochen, mit Luftfracht sind es
nur drei Tage. Ein zusätzlicher Zeitfaktor kann auch eine Unterbrechung
der Kette sein: Eine direkte Lieferung
Schanghai–Hamburg beträgt fünf
Wochen. Wird die Ware in Singapur
umgeladen, kann es bis zu sieben
Wochen dauern.
len, dass die Lieferkette unterbrochen ist und es zu einem Produktionsausfall kommt. Eines darf man
aber bei der Einschätzung des Unterbrechungsrisikos von Lieferketten
nicht vergessen: Die Einkäufer der
Hersteller beginnen unmittelbar
nach dem Ausfall eines bestimmten
Lieferanten, etwa aufgrund einer
Naturkatastrophe, nach alternativen
Lieferanten der erforderlichen Produkte oder Teile zu suchen. In diesem Fall spielt es für die Unternehmen keine Rolle, ob die Preise wegen
der erhöhten Nachfrage steigen
oder aufgrund der Verlagerung des
Fracht­wegs, beispielsweise von Seeauf Luftfracht. Dies wird in Kauf
genommen. Die oberste Priorität der
Unternehmen ist es, die Produktion
nicht abbrechen zu lassen.
Spätestens nach sieben Wochen gibt
es also nach einem Ereignis wie in
Japan Entwarnung für die Versicherungswirtschaft.
Im Zuge der Globalisierung wurden
die Lieferketten der Unternehmen
stetig länger und immer verletzbarer.
Wie geht das weiter?
Ein bisschen mehr Zeit sollte eingerechnet werden, da die Lagerbestände abgebaut werden. Aber man
kann nach sieben Wochen bereits –
egal, in welchem Land die Lieferkette
beginnt und wo sie endet – feststel-
Es wird eine Trendumkehr geben:
Die Produktion rückt wieder näher an
den Verbrauchsmarkt. Die Produk­
tionsstätten werden also regionaler.
Beispiel Europa: die Türkei, mit der
bereits ein Handelsabkommen
Ab wann kann man davon ausgehen,
dass eine Lieferkette unterbrochen
und ein Schaden eingetreten ist?
Der Containerhafen in Tokio
besteht, die Länder des Nahen
Ostens oder der nordafrikanische
Mittelmeerraum. In diesen Regionen
kann man günstig produzieren und
sie liegen für Europa näher als China
oder Indien. Für die USA werden
neben Mexiko auch die südamerikanischen Länder als Produktions­
stätten attraktiver. Die Unternehmen
werden künftig zusätzlich daran
arbeiten, die Produktionsstätten in
Bezug auf die Zielmärkte stärker zu
diversifizieren. Dabei werden teurere
und aufwendiger zu produzierende
Produkte regional näher am jeweiligen Verbrauchsmarkt hergestellt
werden, während einfachere und
billige Waren nach wie vor auch aus
weit entfernten Gebieten importiert
werden. Ein weiterer Faktor für die
Stabilisierung der Lieferkette ist
auch die Suche nach neuen Organisations- bzw. Transportwegen. So
gibt es etwa Überlegungen, den
Transportweg Schiene stärker Richtung Ostasien auszubauen, um die
Abhängigkeit von Schiffs- bzw. Luftverkehr zu verringern.
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Terror
WTC – zehn Jahre danach
Die Anschläge vom 11. September 2001 auf die
Zwillingstürme des World Trade Center (WTC) in
New York verursachten den bislang größten Scha­­den
durch Terrorismus. Zehn Jahre danach gilt es,
Schlüsse daraus zu ziehen: Wie verlief die Regu­
lierung des Schadens ? Welche Probleme ergaben
sich bei der Entschädigung der Opfer? Was kann
die Assekuranz daraus für die Zukunft lernen ?
von Prof. Dr. Ina Ebert und Klaus Wenselowski
Der Anschlag vom 11. September 2001 verursachte
nach groben Schätzungen einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von zwei Billionen US-Dollar. Die
Auswirkungen des Anschlags waren weltweit spürbar, wenn auch nicht immer eindeutig auf diesen
zurückzuführen: So brachte etwa die Sperrung der
nationalen Flughäfen für insgesamt 48 Stunden nicht
nur viele lokale Fluggesellschaften in große finan­
zielle Schwierigkeiten bis hin zur Insolvenz, sondern
beeinträchtigte beispielsweise auch die internationale
Tourismuswirtschaft. Mindestens ebenso komplex
waren die Konsequenzen der fünftägigen Schließung
der New Yorker Börse. Schwierig ist zudem die
Abgrenzung der Folgen des Anschlags von denen der kurz zuvor geplatzten Dotcom-Blase und der
beginnenden Wirtschaftskrise.
Der versicherte Gesamtschaden des Anschlags wird
heute auf rund 40 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Der Anteil des Sachschadens daran beträgt rund zehn Milliarden US-Dollar. Darin enthalten sind die
Schäden am WTC-Komplex und an den umliegenden
Gebäuden. Die Höhe der Schäden durch Betriebs­
ausfälle wird mit elf Milliarden US-Dollar sogar noch
etwas höher beziffert. Nahezu alle Versicherungszweige waren von den Anschlägen betroffen – neben
Sach-, Luftfahrt-, Transport- und Unfallversicherung
auch Workers Compensation sowie Haftpflicht.
Selbst kleinere Agro-Schäden wurden reguliert, etwa
ein benachbarter Friedhof oder Grünflächen auf dem
Gelände des World Trade Center.
Das Four World Trade Center, auch 4 WTC genannt, im September 2011.
Bis 2013 soll es fertiggestellt sein.
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TERROR
Am 11. September 2001 verhüllten Rauch- und Aschewolken das ganze Areal.
Viele der den WTC-Komplex umgebenden Gebäude
wurden durch die Trümmer der Flugzeuge und der
anschließend einstürzenden Türme beschädigt.
Besonders das Bankers-Trust-Gebäude erlangte auf
diese Weise traurige Berühmtheit: Die Trümmer
z
­ erstörten die Fassade des 41-stöckigen Gebäudes
aus dem Jahr 1974 und hinterließen eine Art Schlitz
über mehr als 20 Stockwerke. Aber das Gebäude
stürzte nicht ein. Nach längeren Auseinandersetzungen wurde entschieden, dass trotzdem ein Totalschaden vorliegt und das Gebäude abgerissen werden muss. Der Abriss begann jedoch erst Jahre später
und endete im Februar 2011. Die ganze Zeit über war
der Bau mit schwarzen Bauplanen umgeben, die ihm
den Namen „black widow“ (schwarze Witwe) einbrachten. Die Asbestbeseitigung, ein Brand, Wechsel
der mit dem Abriss beauftragten Firmen und die
immer wieder auf dem Grundstück gefundenen Leichenteile trugen zu den Verzögerungen bei. Nun soll an dieser Stelle das Gebäude 5 WTC entstehen.
Schäden an den Gebäuden
Ein oder zwei Ereignisse Der ursprüngliche WTC-Komplex in Manhattan
bestand aus insgesamt sieben Gebäuden, die in den
1970er-Jahren fertiggestellt wurden. Besonders markantes Wahrzeichen der Anlage waren die Zwillingstürme: WTC 1, der 417 Meter hohe Nordturm mit
charakteristischer Antenne, und der 415 Meter hohe
Südturm WTC 2. Sie waren bis 1974 die höchsten
Gebäude der Welt. Außerdem gehörten zum Gesamtkomplex zwei Brücken, ein U-Bahnhof, ein Einkaufszentrum und diverse Tiefgaragen. Die Eigentümerin
des WTC, die Port Authority, hatte im Juli 2001 die
Zwillingstürme und WTC 4 an den US-Immobilienentwickler Larry Silverstein für 99 Jahre vermietet.
Als noch langwieriger erwiesen sich die Rechtsstreitigkeiten über die Frage, ob der Einsturz der Zwillingstürme versicherungstechnisch als ein oder zwei
Ereignisse zu bewerten sei, der Pächter Larry Silverstein also die Versicherungssumme ein- oder zweimal
verlangen konnte. Hintergrund dieser Auseinandersetzungen war, dass die Laufzeit der Sachversicherung für das WTC zwar bereits am 11. September
begonnen hatte, aber (mit einer Ausnahme) noch
keine endgültigen Policen ausgestellt worden waren.
Zudem lagen den Policen der verschiedenen be­­
teiligten Versicherer unterschiedliche Ereignisdefi­
nitionen zugrunde. Zu dieser Frage ergingen zwei
Gerichtsentscheidungen, die wegen der unterschiedlichen Ereignisdefinitionen für die einzelnen Ver­
siche­­rer zu abweichenden Ergebnissen führten: Teils
wurde von einem, teils von zwei Ereignissen ausgegangen. Erst ein Vergleich im Jahr 2007 beendete
diesen Konflikt. Damit werden alle ausstehenden Forderungen in Zusammenhang mit den zerstörten
WTC-Gebäuden beglichen.
Die von den Flugzeugen direkt getroffenen Türme
WTC 1 und 2 brannten etwa 1,5 Stunden bzw. eine
Stunde lang, bevor sie einstürzten. Dabei begruben
sie WTC 3, ein 22-stöckiges Hotel, unter sich. WTC 7
wurde von den Trümmern des Nordturms getroffen
und stürzte am Abend des 11. Septembers ein. WTC 4, 5 und 6 wurden von herabfallenden Trümmern so schwer beschädigt, dass sie abgerissen
w
­ erden muss­ten (siehe Grafik Seite 9).
Grund für den Einsturz der Zwillingstürme war nach
den Untersuchungsergebnissen des National Institute of Standards and Technology (NIST) nicht nur,
dass die Flugzeuge die Stahlträger der Gebäude
direkt zerstörten. Sie beschädigten auch die auf die
Stahlträger aufgespritzte Feuerschutzbeschichtung,
wodurch das Feuer an diesen Stellen auf den ungeschützten Stahl wirken konnte. Zudem war die Feuerschutzbeschichtung auf ein normales Feuer ausgelegt, nicht aber auf ein rund 1.000 Grad Celsius
heißes Kerosinfeuer. Die noch nicht zerstörten Stahlträger verloren mit zunehmenden Temperaturen an
Festigkeit und wurden durch den Druck der darüber
liegenden Stockwerke geknickt.
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Aufräumarbeiten und Wiederaufbau
Die Entsorgung der Trümmer des WTC-Komplexes
aus dem Zentrum Manhattans stellte die Behörden
vor neue logistische Herausforderungen. Hierfür
wurde eine bereits stillgelegte Deponie auf Staten
Island (Fresh Kills) wieder geöffnet. So mussten die
Trümmer nur einen kurzen Weg über Land transportiert werden, bevor sie mit Lastkähnen zur Deponie
verschifft wurden. Die Deponie war für die Öffentlich-
TERROR
Schäden an den Gebäuden
Als die Zwillingstürme (WTC 1 und 2) einstürzten, rissen
sie die Gebäude WTC 3 und 7 mit sich. Aber auch viele
Gebäude, die mehrere Blocks von dem WTC-Komplex
entfernt waren, wurden durch die Trümmer der einstürzenden Türme beschädigt.
1. World Trade Center 1
2. World Trade Center 2
3. Marriott Hotel
4. World Trade Center 4
5. World Trade Center 5
6. World Trade Center 6
7. World Trade Center 7
8. World Financial Center 3
9. World Financial Center 2
10.World Financial Center 1
1.World Financial Center 4
1
12.Winter Garden
13.North Bridge
14.South Bridge
15.St. Nicholas Greek
Orthodox Church
16. 130 Liberty Street
(Bankers Trust Building)
17.90 West Street
18. Trinity Church
19. 1 Liberty Plaza
20.East River Savings Bank
21.Millennium Hotel
22. Federal Building
(90 Church Street)
23. 30 West Broadway
24. Verizon
25. 45 Park Place
26. City Hall
Chambers Street
st
We
26
y St
ree
t
25
Broadway
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Mu
Church Street
e et
St r
Warren Street
w
Park Pl.
Pa
r
k
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23
Barclay Street
WTC 7
24
22
Vesey Street
11
8
12
WTC 6
WTC 5
WTC 1
WTC-Plaza
13
9
st
We
e et
St r
WTC WTC 2
WTC
4
3
Fulton Street
21
Dey Street
20
Cortland Street
19
14
Keine Schäden
Mittelschwere Schäden
Schwere Schäden
Teilschäden
17
10
n
Alba
Broadway
Liberty Street
15
e et
y St r
16
18
Vollständiger Einsturz
Quelle: Munich Re
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9
Terror
Baubeginn verzögerte sich lange aufgrund der Wirtschaftskrise, da mögliche Mieter in weniger teure und
weniger hohe Gebäude abwanderten, sowie aufgrund
verschiedener juristischer Streitigkeiten. Bereits fertiggestellt ist 7 WTC. Derzeit in Bau ist das
höchste, jetzt One World Trade Center (1 WTC)
genannte Gebäude, das bis 2013 errichtet sein soll.
Die Entschädigungen der Verletzten und der
Angehörigen waren großzügig bemessen
Die ganz überwiegende Mehrheit der rund 17.000
Menschen, die sich zum Zeitpunkt des Anschlags in
den Zwillingstürmen aufhielten, konnte rechtzeitig
evakuiert werden. Dennoch gab es Tausende von
Toten und Verletzten. Die politische Ausnahmesituation nach dem Anschlag vom 11. September veranlasste den US-Kongress alsbald dazu, den Victim
Compensation Fund einzusetzen. Dieser Fund sollte
die Opfer des Anschlags und ihre Angehörigen zügig
entschädigen und gleichzeitig Klagen gegen die
beteiligten Fluggesellschaften verhindern. Über die
Höhe der jedem Opfer zustehenden Entschädigung
entschied der vom US Attorney General eingesetzte
Special Master des Funds, Kenneth Feinberg, nach
einem aufwendigen Anhörungsverfahren.
Das Gebäude 1 WTC im Bau, Juni 2011
keit gesperrt, da dort auch die Spuren gesichert wurden. Insgesamt 1,6 Millionen Tonnen Schutt wurden
etwa ein Jahr lang abtransportiert. Danach wurde die
Deponie endgültig geschlossen und renaturiert.
Verantwortlich für den geplanten Wiederaufbau des
Geländes in einer prosperierenden Gegend von Manhattan waren Larry Silverstein, die Port Authority, die
eigens dafür gegründete Entwicklungsgesellschaft
LMDC (Lower Manhattan Development Corporation),
der Gouverneur und der Bürgermeister von New York.
Die Ausschreibung gewann der Entwurf des Architekten Daniel Libeskind. Im Zentrum sollte der Freedom Tower stehen mit der an das Jahr der Unabhängigkeit erinnernden Höhe von 1.776 Fuß (541 Meter).
Damit würde die ehemalige Höhe von WTC 1 nochmals übertroffen. Neben weiteren Hochhäusern, von
denen mindestens eines die Höhe der früheren Zwillingstürme übersteigen sollte, war ein Museum, eine
Gedenkstätte an der Stelle der ehemaligen Türme
und eine U-Bahn-Station geplant. Außerdem war vorgesehen, das ursprüngliche WTC-Gelände um das
Grundstück des ehemaligen Bankers-Trust-Gebäudes
zu vergrößern. Zudem sollte eine unterbrochene OstWest-Verbindung wiederhergestellt werden. Die Realisierung des Entwurfs übertrug man einem lokalen
Architekturbüro und lokalen Bauunternehmern. Diese
setzten viele Aspekte des Ursprungskonzepts jedoch
nicht um. Darüber hinaus mussten zusätzliche
Sicherheitsvorgaben berücksichtigt werden. Nur die Höhe des höchsten Gebäudes blieb gleich. Der
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MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Da die Entschädigungen grundsätzlich sehr groß­
zügig bemessen waren, akzeptierten 97 Prozent der
Berechtigten – die Angehörigen von 2.880 Toten
sowie 2.680 Verletzte – die ihnen zugesprochenen
Entschädigungen und verzichteten damit auf die
Erhebung von Entschädigungklagen. Bei den wenigen Opfern, die sich gegen die Entschädigung durch den Fund entschieden, handelte es sich überwiegend
um die Angehörigen von bei dem Anschlag getöteten
Spitzenverdienern: Die nach dem Fund gewährte Entschädigung für entgangenes Einkommen legte in
aller Regel maximal ein jährliches Einkommen von
231.000 US-Dollar zugrunde, das tatsächliche Einkommen einiger Getöteter lag aber deutlich darüber.
Insgesamt zahlte der Fund über sieben Milliarden
US-Dollar an Entschädigung aus: Die Angehörigen
Terror
Die teuersten Katastrophenschäden seit 1950 nach der Höhe des versicherten Schadens.
Jahr
2005
62.200
2001
World Trade Center – Anschläge des 11. September
40.000
2011
30.000
2008
18.500
1992
17.000
15.300
1994
13.800
2004
Erdbeben/Tsunami, Japan
Hurrikan Ike, USA/Karibik
Hurrikan Andrew, USA
Northridge-Erdbeben, USA
Hurrikan Ivan, USA/Karibik
2005
12.500
Hurrikan Wilma, Mexiko/USA
2005
12.100
Hurrikan Rita, USA
10.000
2011
8.000
2004
0
Hurrikan Katrina, USA
Erdbeben Neuseeland
Hurrikan Charley, USA/Karibik
10.000
20.000
30.000
40.000
50.000
60.000
70.000
80.000
Versicherter Schaden in Millionen US-Dollar
(in damaligen Werten)
Quelle: Munich Re
Anschläge des 11. September – Schätzung der versicherten Schäden1
Derzeitige Schätzung der versicherten Schäden:
40,02 Milliarden US-Dollar nach Werten von 2010
(in Milliarden US-Dollar nach Werten von 2010)2
3 % Leben, 1,2 Mrd. US$
Sach – WTC 4,4 Mrd. US$ 11 %
12 % Haftpflicht Sonstige, 4,9 US$
11 % Luftfahrt-Haftpflicht, 4,3 US$
Sach – Sonstige 7,4 Mrd. US$ 19 %
3 % Veranstaltungsausfall, 1,2 US$
2 % Flugzeugkasko, 0,6 US$
6 % Arbeiterunfall, US$ 2,2
1 Schadensumme
ohne die Schaden­­
regulierung zwischen NYC und den
Arbeitern von Ground Zero.
2 Aufgrund
von Rundungen können
sich bei der Addition der Segmentwerte gegenüber der Gesamt­
schadensumme geringfügige
Ab­weichungen ergeben. Die US-
Dollar-Werte 2010 wurden mit dem
Infla­tions­rechner des amerikanischen Bureau of Labor Statistics
(BLS) errechnet.
Betriebsunterbrechung
13,5 Mrd. US$ 33 %
Quelle: Insurance
Information Institute
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
11
Terror
erhielten durchschnittlich zwei Millionen US-Dollar
pro Todesfall, wobei die Bandbreite von 250.000 bis
7,1 Millionen US-Dollar reichte. An Verletzte überwies
der Fund im Durchschnitt 400.000 US-Dollar, die
Spanne betrug hier 500 bis 8,6 Millionen US-Dollar.
Die Entschädigung der Helfer zog sich hin
Nicht immer waren die Gesundheitsschäden der Op­fer
des 11. September jedoch sofort erkennbar. Etwa
10.000 Menschen litten unter Verletzungen, Kreislaufund Atemwegserkrankungen oder sogar Krebs, weil
sie schädlichen Substanzen wie Asbest oder Dioxin
ausgesetzt waren. Betroffen waren vor allem Feuerwehrleute, Polizisten, Evakuierungshelfer, aber auch
an den Aufräumarbeiten beteiligte Arbeiter.
die Terroristen nie an Bord der Flugzeuge gelangen
und somit auch keinen Sachschaden an den Gebäuden verursachen können. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen und Mediationsversuchen einigten sich die Parteien schließlich auf eine Ausgleichszahlung
von 1,2 Milliarden US-Dollar von den Fluggesellschaften und Sicherheitsdiensten beziehungsweise
deren Haftpflichtversicherern an die Sachversicherer.
Diesen Vergleich bestätigte am 8. April 2011 der United States Court of Appeals for the Second Circuit.
Damit ist nach fast genau zehn Jahren auch dieses
Kapitel in der Abwicklung der durch den Anschlag
vom 11. September verursachten Schäden beendet.
Die Entschädigung dieser Opfer zog sich über viele
Jahre hin. Der Victim Compensation Fund berücksichtigte derartige Schäden nicht, sondern erfasste
nur solche Verletzungen, die in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang („immediate aftermath“) mit
dem Anschlag nachweisbar waren. Daher mussten
die Helfer, deren Krankheiten sich erst später zeigten,
gegen die Stadt New York oder ihre jeweiligen Arbeitgeber auf Entschädigung klagen. Ihre Ansprüche
begründeten sie mit unzureichenden Schutzmaß­
nahmen während der Rettungs- und Aufräumarbeiten
und unzulänglicher medizinischer Versorgung nach
der Erkrankung. Erst 2010 gelang es, diese Streitigkeiten durch einen Vergleich über 712,5 Millionen USDollar beizulegen. Über 95 Prozent der geschädigten
Helfer schlossen sich diesem Vergleich an, nur 520 lehnten ihn ab. Den Anteil der Anwaltskosten an
der Vergleichssumme begrenzte man auf 25 Prozent.
Die in dem Vergleich festgelegte Entschädigung
finanzierte die WTC Captive Insurance Company, ein
Fonds der Stadt New York, den die US Federal Emergency Management Agency (FEMA) mit Bundes­
mitteln in Höhe von einer Milliarde US-Dollar ausgestattet hatte.
Der Ausgleich zwischen den betroffenen
Versicherern
Nachdem die Sachversicherer die Gebäudeschäden
reguliert hatten, stellte sich die Frage, inwieweit
ihnen zumindest für einen Teil dieser Zahlungen
Regressansprüche zustehen. Forderungen erhoben
sie deshalb vor allem gegen die beiden Fluggesellschaften, deren Flugzeuge von den Terroristen in die
Zwillingstürme gelenkt wurden, und gegen die
Sicherheitsdienste, welche die Passagiere vor dem
Betreten der Flugzeuge kontrolliert hatten: Ohne
deren Fahrlässigkeit, so die Sachversicherer, hätten
12
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Unsere ExperteN:
Prof. Dr. Ina Ebert ist spezialisiert auf Haftungsrecht und Emerging
Risks und arbeitet als Leading Expert
für Haftung und Ver­sicherungsrecht
im Bereich Claims Management &
Consulting für Global Clients/
North America.
iebert@munichre.com
Klaus Wenselowski ist als Leiter des Property-Schadenreferats im
Bereich Claims Management &
Consulting für Global Clients/
North America tätig.
kwenselowski@munichre.com
Terror
Die Versicherer haben dazugelernt
Auch zehn Jahre nach den Anschlägen ist die Regulierung
des Schadens noch nicht vollständig abgeschlossen.
Nicholas Roenneberg, Leiter des Bereichs Claims Manage­
ment & Consulting bei Munich Re, über die wichtigsten
Lehren für die Assekuranz.
Schadenspiegel: Herr Roenneberg, welche Besonderheiten gab es bei der Schadenregulierung nach
dem Anschlag auf das World Trade Center ?
Nicholas Roenneberg: Überraschend war für die
Versicherungswirtschaft zunächst einmal, dass die
Abwicklung des Schadens sich so lange hingezogen
hat. Zehn Jahre danach ist die Regulierung immer
noch nicht restlos abgeschlossen. Wenn man bedenkt,
dass bei 9/11 die Versicherer vor allem mit Schäden
im Property-Bereich belastet wurden, ist das sehr
ungewöhnlich. Hintergrund sind die vielen Deckungsfragen, die vor Gericht ausgetragen wurden: über die Zahl der Ereignisse, die Deckung von Clean-upKosten, die Abgrenzung von Totalschaden und sanierungsfähigem Schaden. Das hat sehr viel Zeit
ge­kostet.
Wie wurde mit den Ansprüchen der Opfer und ihrer
Angehörigen um­­gegangen ?
Die zweite Überraschung ist die geringe Beteiligung
der Versicherer an der Entschädigung der Opfer und
ihrer Angehörigen: Man muss ja bedenken, es gab
rund 3.000 Tote und Tausende von Verletzten. Trotzdem wurden die Haftpflichtversicherer nach
dem Terroranschlag fast nur im Rahmen des Rückgriffs der Sachversicherer gegen die Aviation-Ver­
sicherer belastet. Die überwältigende Mehrheit der
Personenschäden wurde durch den Victim Compensation Fund entschädigt (siehe auch Seite 10 bis 12).
Nur ganz wenige Opfer haben nach dieser Katastrophe auf Entschädigung geklagt. Und das in den USA!
Das ist ganz ungewöhnlich und nur mit der raschen
Einrichtung des Funds und der Höhe der von ihm ausgezahlten Entschädigungen zu erklären.
Lassen sich diese Erfahrungen auf andere Groß­schäden übertragen ?
Zumindest was die Regulierung der Personenschäden
angeht, sicher nicht. Die großzügige Ausstattung
des Victim Compensation Fund war nur wegen der
ab­­soluten politischen Ausnahmesituation in den USA möglich.
Gibt es etwas, was wir aus der Regulierung von 9/11
für die Zukunft lernen können ?
Zum einen hat sich gezeigt, dass die Versicherungswirtschaft auf Terror­risiken dieser Dimension einfach
nicht vorbereitet war. Das World Trade Center wurde
in erster Linie als Feuerrisiko gesehen. Eine Kombination aus Flugzeugeinschlägen mit anschließendem
Feuer und Einsturz hatte niemand vorhergesehen.
Hier haben die Versicherer in den vergangenen Jahren
dazugelernt und ihre Risikomodelle deutlich nachgebessert. Die wichtigste Lehre scheint mir aber zu
sein: Bei hochsummigen Risiken, wie dem World
Trade Center, muss schnellstens eine Police ausgestellt werden. Viele Fragen, viele Streitigkeiten nach
9/11 ergaben sich weniger aus einem unklaren Wording, sondern schlichtweg aus der unzureichend
dokumentierten Policen­situation. Man denke allein an
die Unklarheit darüber, ob es sich bei den Anschlägen
auf die Zwillings­türme um ein oder zwei Ereignisse
gehandelt hat. Solche Konflikte und die damit verbundenen Kosten sollten vermieden werden.
Nicholas Roenneberg kennt das WTC noch aus der Zeit, als er
Leiter der Casualty-Abteilung der damaligen US Branch von
Munich Re war.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
13
Serie: Ageing Infrastructure
Trafos kommen in die Jahre
Als ein Haupt­bestandteil von Stromnetzen verdienen Transformatoren
besondere Aufmerksamkeit. Die alarmierende Analyse des 20-Jahre-Trends
von Hartford Steam Boiler zeigt: Viele der bei der Stromversorgung ein­
gesetzten Leistungstrans­formatoren sind alt und könnten in den nächsten
Jahren für große Schäden sorgen.
Transformator aus dem Jahr 1971 mit einer Leistung
von rund 40.000 kVA. Dieser Trafotyp transformiert
Stromspannung von 64.000 Volt auf 12.740 Volt.
14
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Ageing infrastructure
von William H. Bartley
Kategorien für den Ausfall von Transformatoren
Strom ist mehr als bloß eine Handelsware. Er ist die
Lebensader der Wirtschaft und ein Eckpfeiler unserer
Lebensqualität. In dem Maße, wie sich die Welt mit
intelligenten Stromnetzen ins digitale Zeitalter
weiter­entwickelt, steigt die Abhängigkeit von Strom
und Elektrizität. Die Infrastruktur der Stromvertei­
lungsnetze und die Strategien und Verfahren von
Energieversorgungsunternehmen in aller Welt müs­
sen mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten. Da
Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden mehr Wettbe­
werb anstreben, liegt die Priorität der Versorgungs­
wirtschaft auf Wettbewerbsfähigkeit – und damit
­verbundenen Kostensenkungen – und nicht so sehr
auf Zuverlässigkeit.
Leitungsstörungen
Spannungsstöße (oder Leitungsstörungen) sind die
primäre Ursache für Ausfälle von Transformatoren.
Hierzu zählen Schaltspannungsstöße, Spannungs­
spitzen, Leitungsfehler/Überschläge sowie andere
Abweichungen bei Transport und Verteilung. Die
Häufigkeit von Transformatorenausfällen dieser Kate­
gorie legt nahe, dass dem Überspannungsschutz ­
bzw. der Angemessenheit der Spannungsbegrenzung
und Kurzschlussfestigkeit mehr Aufmerksamkeit
geschenkt werden sollte.
Seit Jahrzehnten gehören Transformatoren zu den
fünf wichtigsten Objektklassen im Hinblick auf die
von Hartford Steam Boiler (HSB) bezahlten Schäden.
HSB hat zwischen 1991 und 2010 Hunderte von
Transformatorenausfällen untersucht, einschließlich
ver­sicherter Schäden und Fälle, in denen kein Ver­
sicherungsschutz vorlag. Hunderte von Transforma­­
torenschäden im Wert von vielen Hundert Millionen
US-Dollar wurden bezahlt.
Die Hauptursache für die in diesem Zeitraum gemel­
deten Transformatorenausfälle sind „Leitungsstö­
rungen“. Zu dieser Kategorie gehören Schaltspan­
nungsstöße, Spannungsspitzen, Leitungsfehler bzw.
Überschläge und andere Versorgungsabweichungen,
jedoch keine Blitzschläge. Abb. 1 zeigt die prozen­
tualen Anteile der verschiedenen Ausfallursachen.
Die Tatsache, dass ein Transformator aufgrund einer
beliebigen Kombination von elektrischen, mecha­
nischen oder thermischen Faktoren ausfallen kann,
macht die Vorbeugung von Schäden zu einer Heraus­
forderung. Doch selbst rigorose Wartungsprogramme
verhindern die oft sehr kostspieligen Ausfälle von
Trans­formatoren nicht.
Die komplexe Technik von Transformatoren macht es
zudem schwer, ein typisches Ausfallszenario zu defi­
nieren. Dennoch: In vielen Fällen ist es die Isolierung
des Transformators, die versagt. Die Folge ist Ausfall
der Elektrik, bedingt durch Witterungsverhältnisse
oder durch die Qualität der Verarbeitung bzw. durch
Wartungs- und Betriebsfaktoren.
Defekte Isolierung
Die zweithäufigste Ausfallursache in den vergangenen
zwanzig Jahren war die Verschlechterung der Isolie­
rung. In diese Kategorie fallen nur jene Ausfälle, bei
denen keine Anzeichen einer Leitungsstörung vor­
liegen. Vier Faktoren sind verantwortlich für eine
­Verschlechterung der Isolierung: Pyrolyse (Wärme),
Oxidation, Säure und Feuchtigkeit (ohne Feuchtig­
keit im Isolationsöl).
Blitzschlag
Im Vergleich zu früheren Studien gibt es deutlich
weniger Blitzstoßspannungen. Ursache hierfür ist
eine veränderte Einstufung der Kategorie: Sofern
keine Bestätigung für einen Blitzeinschlag vorliegt,
stuft HSB einen spannungsstoßbezogenen Ausfall
als Leitungsstörung ein.
Elektrische Anschlüsse
In diese Kategorie fallen Ausfälle aufgrund mangel­
hafter Verarbeitung und Wartung elektrischer
Anschlüsse, aber auch das falsche Festziehen (Dreh­
moment) von Schraubverbindungen.
Überlastung
Nur Ausfälle, bei denen eine tatsächliche Überlastung
als Ursache nachgewiesen werden kann, zählen als
Überlastung. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Trans­
formator über längere Zeit einer Last ausgesetzt war,
die über seiner auf dem Typenschild angegebenen
Kapazität liegt.
Ausfall aufgrund von Fremdkörpern
Diese Schäden entstehen durch äußere Einflüsse wie
Nagetiere, Äste, Autounfälle usw.
Feuchtigkeit
Ausfälle aufgrund von Überschwemmungen, undich­
ten Rohren oder Dächern, Wasser, das durch undichte
Buchsen oder Armaturen in Tanks eingedrungen ist,
sowie Ausfälle aufgrund des bestätigten Vorliegens
von Feuchtigkeit im Isolationsöl.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
15
Ageing infrastructure
Abb. 1 Ursachen für Trafoausfälle
Die allgemeine Klassifizierung von Ausfällen ist für
unsere Schadenbearbeitungsverfahren in der Regel
ausreichend. Um jedoch ein exaktes Ausfallszenario
zu erstellen und wirksame Empfehlungen für dessen
Verhinderung zu erarbeiten, ist eine ausführlichere
Analyse des Ausfalls nötig.
Abb. 1 zeigt die relative Anzahl der Ausfälle. Das
Risiko eines Transformatorenausfalls umfasst neben
der Häufigkeit der Ausfälle aber auch die Schwere
des Ausfalls.
Leitungsstörung – ohne Blitzschlag
28 %
Sonstige
27 %
Blitzschlag
13 %
Defekte Isolierung
9 %
Elektrische Anschlüsse
Überlastung
6 %
Ausfall aufgrund von Fremdkörpern
4 %
Feuchtigkeit
4 %
Leitungsstörung –
möglicherweise Blitzschlag
3 %
Beanspruchung, Ermüdung
2 %
4 %
Anteile der Ausfallursachen, wobei Leitungs­
störungen klar an der Spitze stehen
Quelle: HSB
Dieser zusätzliche Faktor wird in Abb. 2 gezeigt. Die
Kategorie der Leitungsstörungen kann die höchste
Anzahl von Ausfällen aufweisen – aber dennoch han­
delt es sich möglicherweise um Schadenereignisse
mit relativ geringem Schweregrad. Die Störursachen
Isolationsflüssigkeit und Verschlechterung der Isolie­
rung hingegen stellen Schadenereignisse mit hoher
Schwere, jedoch geringer Häufigkeit dar.
Alte Transformatoren sind störanfälliger
Das Alter an sich gilt nicht als Hauptursachenkate­
gorie bei HSB. Dennoch verringert sich mit dem stei­
genden Alter des Isoliersystems auch die mecha­
nische und die elektrische Widerstandsfähigkeit
eines Transformators. Alte und neue Transformatoren
unterliegen bestimmten Betriebsbeanspruchungen,
bedingt durch die zunehmende Systemgröße und
folglich höhere Belastungen. Die älteren Transforma­
toren verfügen jedoch nicht mehr über die physische
Belastungsfähigkeit, um die hohen Radial- und
Druck­kräfte aufzunehmen, und fallen daher häufiger
aus.
Bei einem altersbedingten Transformatorenausfall
wird die Papierisolierung des Leiters meist derart
geschwächt, dass er einem Kurzschluss nicht mehr
standhalten kann. Die Folge ist ein sogenannter
­Windungsschluss, also ein Defekt, bei dem die
an­sons­ten durch Lackisolation voneinander getrenn­
ten Drahtwindungen einer Wicklung zueinander elek­
tri­schen Kontakt besitzen.
In anderen Fällen führen wiederholt auftretende elek­
trische Störungen während des Betriebs zu einem
Lösen der Wicklungspressung. Dies verringert die
Widerstandsfähigkeit des Transformators gegen
künftige Kurzschlüsse. Durch die Verringerung des
Klemmdrucks können sich die Wicklungen bewegen,
was zu abriebbedingtem Verschleiß des Papiers und
zum Windungsschluss führt.
Das Alter von Transformatoren zur Energieversor­
gung verdient weltweit besondere Aufmerksamkeit.
Die ersten Wechselstromversorgungsnetze und
Transformatoren gingen vor etwa 100 Jahren in
Betrieb. Mit dem industriellen Wachstum nach dem
16
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Ageing infrastructure
Durch Brand zerstörter Transformator aus dem
Jahr 1980
Zweiten Weltkrieg erweiterten sich auch die grundle­
genden Infrastrukturindustrien und insbesondere die
Energieversorgung. So wuchs etwa der Energiever­
brauch in den USA von 500 Milliarden Kilowattstun­
den im Jahr 1950 auf 3,5 Billionen Kilowattstunden
im Jahr 2000. Inzwischen befinden sich die meisten
der Transformatoren bereits am Ende ihres Lebens­
zyklus.
Die US-Versorgungsunternehmen erreichten in den
Jahren 1973 und 1974 einen Höhepunkt beim Bau
neuer Unterstationen und Transformatoren. In diesem
Zeitraum wurden neue Transformatorenkapazitäten
von rund 185.000 MVA (Megavoltampere) hinzuge­
fügt. Die Kapazität solcher Transformatoren liegt zwi­
schen fünf und 1.000 MVA. Diese Transformatoren
sind heute etwa 37 Jahre alt. Die Tatsache, dass der
Neubau und der Ersatz von Transformatoren den
tiefsten Stand seit Jahrzehnten erreicht hat, zeigt:
Das Durchschnittsalter des gesamten Transformato­
renbestands in den USA steigt weiterhin.
Abb. 2 Häufigkeit und Schwere von
Transformatorenausfällen
Durchschnittliche
Schadenhöhe
0
5
10
15
20
25
30
35
40
Relative Schadenhäufigkeit (%)
Isolationsflüssigkeit, Verunreinigung oder Verschlechterung Feuchtigkeit
Ausfall aufgrund von Fremdkörpern
Möglicherweise Blitzschlag
Überlastung
Lose Anschlüsse
Defekte Isolierung
Verschlechterung der Isolierung
Blitzschlag
Leitungsstörung, ohne Blitzschlag
Leitungsstörungen sind die häufigste
Schaden­ursache.
Quelle: HSB
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
17
Ageing infrastructure
Das Durchschnittsalter aller
Transformatoren steigt weltweit.
Die Zahl der Ausfälle erhöht
sich voraussichtlich bis zum
Jahr 2020 signifikant.
In gleicher Weise begann der Energieversorger Natio­
nal Grid in Großbritannien 1952 damit, die Instal­
lation und die Veränderungen bei seinen 400-Kilo­
volt- und 275-Kilovolt-Leistungstransformatoren
aufzuzeichnen. So wurde im Spitzenjahr 1966 in
Großbritannien eine Gesamt-Transformatorenkapazi­
tät von 23.000 MVA installiert. Die Installations­
zahlen gingen nach 1966 bis zur Privatisierung der
Energieversorgungsunternehmen im Jahr 1989 deut­
lich zurück. Mit der Privatisierung erforderte die
­verstärkte Marktaktivität wieder ein höheres Maß an
Investitionen. Heute sind die meisten Transforma­
toren in Großbritannien über 36 Jahre alt.
Komplexe Berechnung von Ausfallprognosen
Der erste Schritt zur Ermittlung eines geeigneten
Modells für die Verteilung von Transformatorenaus­
fällen besteht darin, eine Hazard-Funktion zu finden,
die mit der bekannten Ausfallrate von Transforma­
toren übereinstimmt. Üblicherweise wird die Lebens­
dauer von Transformatoren in Form einer Badewan­
nenkurve dargestellt. Einer ersten kurzen Phase mit
vielen Ausfällen folgt demnach eine längere, in der
das Ausfallrisiko sehr gering ist, bevor es in der drit­
ten Phase erneut zu einem signifikanten Anstieg
kommt. Unsere Daten von tatsächlich gemeldeten
Schäden zeigen jedoch, dass dieses Modell die Wirk­
lichkeit nicht korrekt abbildet und keine signifikante
Häufung von Schäden in der ersten Lebensphase
auftritt.
Abb. 3 Ausfallverteilung nach Baujahr
Anzahl der Ausfälle in 1.000 MVA
50
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
1980
1986
1992
1998
2004
2010
2016
2022
2028
2034
18
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
2046
2052
2058
2064
Jahr der erwarteten Ausfälle
Quelle: HSB
Das Diagramm zeigt die in den USA zu erwar­
tende Ausfallrate der noch funktionstüchtigen
Transformatoren der Baujahre 1964 bis 1992
bis zum Zeitpunkt „t“. Die Zahl der ausfallen­
den Trafos wird in den kommenden Jahren
2040
noch weiter ansteigen. Auf dem Höhepunkt
der Entwicklung um das Jahr 2020 wird mit
Ausfällen über 40.000 MVA gerechnet.
40.000 MVA Leistung reichen aus, um vier
Millionen Haushalte mit Strom zu ver­sorgen.
Ageing infrastructure
In der Industrie werden heute meist die Hazard-­
Formel nach Perks und die „Iowa Survivor“-Kurven
zur Modellierung der Lebensdauer von Betriebs­
anlagen verwendet. Hartford Steam Boiler verwendet
die „Perks Hazard“-Funktion. Grundlage für die
Parameter bildeten unsere langjährige Erfahrung
mit Transformatorenausfällen und unsere subjektive
technische Einschätzung. Unsere Hazard-Funktion
(basierend auf der vereinfachten sogenannten
Perks-Formel) lautet:
α e μ ß t
H (t) =
1 + α e μ ß t
α μ ß
Konstanten sind und
wobei , ,
die Zeit in Jahren angibt.
Fazit
Die schwie­rigste Aufgabe für den Versorgungs­­­­­
ingenieur sind die Vorhersage der künftigen
Zu­­­­­­­­­ver­lässigkeit der Transformatorenflotte und
der rechtzeitige Austausch des betreffenden
Trans­formators. Die wachsende Nachfrage des
Strom­netzes zu befriedigen und dabei gleichzeitig
die Zuverl­ässigkeit des Systems mit dieser
alternden Flotte aufrecht­zuerhalten, wird erheb-­
liche Ände­­­rungen in der Art und Weise erfordern,
wie Unter­­nehmen zur Energieversorgung ihre
Trans­­­­formatoren betreiben und warten.
t
Die Korrelation zwischen Kalenderalter und Ver­
schlechterung der Isolierung unterliegt einer gewissen Unsicherheit, denn Transformatoren sind natür­
lich nicht alle gleich beschaffen. Auch berücksichtigt
das einfache statistische Modell weder mögliche
Unterschiede in der Herstellung noch die Bean­
spruchungshistorie. Vielmehr basiert es nur auf dem
Kalenderalter des Transformators, ohne dass Mate­
rial- und Konstruktionsmängel berücksichtigt werden.
Anhand dieses Modells und mit Populationsschät­
zungen für jedes Baujahr lassen sich dennoch künf­
tige Ausfälle für die gesamte Population der Trans­
formatoren recht gut vorhersagen. Dies geschieht,
indem man die Ausfallrate mit der Population des
Baujahrs multipliziert:
Anzahl der Ausfälle (in Gigavoltampere) im Jahr „t“ =
[Ausfallrate] x [noch überlebende Population]
Die beträchtliche Zahl der vorhergesagten Ausfälle
für alle zwischen 1964 und 1992 in den USA gebauten
Leistungstransformatoren zeigt das Ausmaß der
Schwierigkeiten, vor dem Energieversorgungsunter­
nehmen und die Versicherungswirtschaft stehen.
Die höchste Zahl an Ausfällen wird für die Transfor­
matoren des Baujahrs 1974 erwartet. Addiert man die
vorhergesagten Ausfälle für die Baujahre 1964 bis
1992 hinzu, wird die Größenordnung des Problems
deutlich. Wir sehen einen signifikanten Anstieg an
Ausfällen bis zum Jahr 2020.
Unser Experte:
William H. Bartley, P.E., ist Assistant
Vice President und Principal Elec­
trical Engineer bei der zu Munich Re
gehörenden The Hartford Steam
­Boiler Inspection and Insurance Co.
william_bartley@hsb.com
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
19
Mississippi-Flut 2011
Gefahr gebannt
Trotz einer gewaltigen Hochwasserwelle, die
im Frühjahr den Mississippi hinabrollte, blieben
die Schäden moderat. Die Anstrengungen der
vergangenen acht Jahrzehnte beim Bau von
Schutzanlagen haben sich bezahlt gemacht.
von Dr.-Ing. Wolfgang Kron und Markus Steuer
Nach einem schneereichen Winter und ungewöhnlich
heftigen Niederschlägen Ende April 2011 begannen
die Flüsse im Einzugsgebiet des Mississippi im Mai
anzuschwellen. Angetrieben vom Wetterphänomen
La Niña wurden innerhalb weniger Wochen vielerorts
die durchschnittlichen Niederschläge eines ganzen
Jahres überschritten. Das Ohio-Tal etwa musste das
Dreifache der sonst üblichen Menge verkraften.
Immer schneller stiegen die Pegel, auch entlang des
Tennessee River, am Oberlauf des Mississippi und
am Missouri. Viele Orte verzeichneten historische
Höchstabflüsse und -wasserstände. Deiche brachen,
Dämme und Rückhaltebecken liefen über.
Am Unterlauf des Mississippi, der bei Cairo, Illinois,
beginnt, baute sich eine so gewaltige Hochwasserwelle wie zuletzt vor 84 Jahren auf. 1927 waren Zehntausende Quadratkilometer Land zwischen Cairo und
der Mündung am Golf von Mexiko überflutet worden.
Es kam zu einer der größten Naturkatastrophen in der
Geschichte der USA. Angesichts der statistischen
Einordnung der 2011er-Abflüsse musste man erneut
mit dem Schlimmsten rechnen. Das mögliche Ausmaß der Schäden bezifferte das U.S. Army Corps of
Engineers (Mississippi Valley Division) auf bis zu
110 Milliarden US-Dollar. Nur – es blieb bei der Schätzung, die nationale Katastrophe blieb aus. Was
machte den Unterschied ?
Die Ableitung von Wassermassen
entlastet den Mississippi.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
21
Mississippi-flut 2011
Das Mississippi-Flusssystem
Der obere Mississippi und zwei große Nebenflüsse –
alle mit Fließzeiten in derselben Größenordnung –
vereinigen sich innerhalb einer relativ kurzen Distanz
(St. Louis–Cairo). Dadurch können die einzelnen
Hochwasserwellen aufeinandertreffen und sich im
Mississippi überlagern. Strömen normalerweise
zwischen 6.000 und 20.000 m3/s in den Golf von
Mexiko, zusammen mit durchschnittlich fünf t/s
Sediment, also insgesamt 150 Millionen Tonnen pro
Jahr, steigt der Abfluss bei Hochwasser auf mehr als
das Dreifache. Am 18. Mai 2011 wurden beispielsweise bei Vicksburg 66.000 m3/s gemessen.
Der Mississippi mit seinen Hauptzubringern Missouri,
Arkansas, Red, Illinois und Ohio mit Tennessee entwässert praktisch den gesamten Mittelwesten der
USA zwischen den Rocky Mountains im Westen und
den Apalachen im Osten (siehe Abb. 1). 31 US-Staa­ten
und zwei kanadische Provinzen (Winnipeg, Saskatchewan) liegen ganz oder teilweise in diesem Gebiet,
das mit 3,2 Millionen Quadratkilometern rund 40 Prozent der Fläche der 48 zusammenhängenden USBundesstaaten ausmacht. Weltweit ist es nach dem
Amazonas- und Kongo- das drittgrößte Flusseinzugsgebiet.
Im Mississippi-Einzugsgebiet leben fast 70 Millionen
Menschen. Das Flusssystem bildet die zentrale NordSüd-Verkehrsachse Nordamerikas. So verbindet der
Mississippi über den Illinois River die großen Seen
mit dem Golf von Mexiko und erschließt über seine
Nebenflüsse große Teile des mittleren Westens auf
dem Wasserweg. Der Port of South Louisiana zwischen New Orleans und Baton Rouge erstreckt sich
über 86 Kilometer auf beiden Seiten des Flusses und
stellt den größten Hafen der westlichen Hemisphäre
dar: Über 4.000 Seeschiffe und 55.000 Binnenschiffe
legten hier 2010 an und transportierten insgesamt
225 Millio­­­nen Tonnen Güter.
Der Mississippi selbst ist nur 3.770 Kilometer lang.
Eine deutlich größere Fließlänge von 6.262 Kilometern ergibt sich, wenn man von der Quelle des Red
Rock River im Yellowstone Park über den Missouri
und den Mississippi River misst. Das Gefälle des
Stroms ist unterhalb der Einmündung des Missouri
bei St. Louis bis zum Golf von Mexiko gering. Während auf den rund 300 Kilometern des Mittellaufs bis
zur Einmündung des Ohio der Höhenunterschied
immerhin noch 67 Meter beträgt, was einem Gefälle
von 0,22 Promille bzw. 22 Zentimeter pro Kilometer
entspricht, sinkt es danach auf der Reststrecke von
1.600 Kilometern auf nur noch sechs Zentimeter pro
Kilometer. Dies ist der Grund, warum das Wasser von
St. Louis rund 25 Tage unterwegs ist, bevor es bei
New Orleans den Golf von Mexiko erreicht.
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1
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Abb. 1 Das Einzugsgebiet des Mississippi
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Memphis
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Cairo
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St. Louis
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Baton Rouge
Der Mississippi mit seinen Hauptzuflüssen
Quelle: Munich Re nach Satellitenbild ESRI,
i-cubed, GeoEye
22
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
New Orleans
3
1Birds Point-New Madrid-Deich
2Morganza-Hochwasserentlastung
3Bonnet Carré-Hochwasserentlastung
Mississippi-flut 2011
Wegen seiner Bedeutung als Transportachse und aufgrund des umfangreichen Hochwasserschutzes verfügt der Mississippi wie kaum ein anderer Fluss über
eine Vielzahl von ingenieurtechnischen Bauwerken:
In den vergangenen 80 Jahren entstanden Hunderte
Staudämme, Dutzende Schleusen und Tausende
Kilometer Deiche. Diese Bauwerke sowie drei große
Umleitungsstrecken bildeten die Grundlage für das
erfolgreiche Hochwassermanagement 2011.
Häufige Hochwasser, nur selten schwere
Überschwemmungen
Im riesigen Mississippi-Gebiet treten praktisch jedes
Jahr extreme lokale oder regionale Hochwasser auf.
Großräumige schwere Überflutungen sind dagegen
seltener. In den vergangenen 100 Jahren kam es zu
drei außergewöhnlichen Ereignissen. Die große Flut
von 1926/1927 setzte nicht nur für viele Jahre gültige
Rekordmarken bei Abflüssen und Wasserständen,
sondern markierte auch den Beginn eines umfassenden Hochwassermanagements am Mississippi
und seinen großen Nebenflüssen. Damals standen
67.000 Quadratkilometer, ungefähr die Größe Bay­
erns, unter Wasser, hauptsächlich in den Bundesstaaten Louisiana, Arkansas und Mississippi. Mindes­
tens 250 Menschen kamen ums Leben, 650.000
mussten ihre Häuser verlassen. Die Schäden wurden
auf 230 Millionen US-Dollar beziffert, was in heutigen
Werten (Verhältnis des Consumer Price Index 2011 zu
1927) etwa drei Milliarden US-Dollar entspricht. Diese
Hochrechnung berücksichtigt nicht die Werte, die
inzwischen in den Gebieten zusätzlich entstanden
sind.
Während der Frühjahrsflut von 1973 herrschte
77 Tage lang Hochwasser in St. Louis. Im Mittel- und
Unterlauf des Mississippi floss die größte Wassermenge seit 1927 ab. Mit der Öffnung von zwei Entlas­
tungsbauwerken – Bonnet Carré und Morganza –
gelang es, den Abfluss im Hauptgerinne zu
redu­­zie­ren. 33 Menschen starben und mehr als eine
Milliarde US-Dollar Schaden entstand, was in heutigen Werten gut dem Fünffachen entspricht. Im
Zuge der Flut hätte der Mississippi fast seine Mündung verlagert, sodass er fortan über das AtchafalayaTal in den Golf von Mexiko geflossen wäre.
Die „Große Flut von 1993“ spielte sich im Wesentlichen oberhalb der Einmündung des Ohio ab. Sie
erstreckte sich auf das gesamte Einzugsgebiet des
Missouri, des oberen Mississippi sowie des Illinois
River und war damit die flächenmäßig größte Flut in
der Geschichte der USA. Mit Schäden von 21 (heute
rund 33) Milliarden US-Dollar war es in absoluten
Werten auch das bisher teuerste Binnenhochwasserereignis in den USA. Der versicherte Schaden lag bei
lediglich sechs Prozent.
Ein Pegel vor einem Haus in den Fluten des
steigenden Mississippi in St. Francisville,
­Louisiana
Hochwasserschutz und -management am
Mississippi
Nach der Katastrophe von 1927, die etwa ein Drittel
des US-Haushaltsbudgets kostete, wurden 1928 der
Flood Control Act beschlossen und das Projekt „Mississippi River and Tributaries“ (MR & T) aus der Taufe
gehoben. Die Verantwortlichen bewilligten 325 Mil­
lionen US-Dollar (Originalwerte), um Deiche, Dämme,
Pumpstationen, Rückhaltesysteme und Umleitungen
am Mississippi und an seinen Nebenflüssen zu errichten bzw. zu reparieren und zu verstärken. Das war
mehr als die 292 Millionen US-Dollar, die insgesamt
vor 1928 in wasserbauliche Maßnahmen entlang des
unteren Mississippi geflossen waren.
Dem U.S. Army Corps of Engineers (USACE) fiel die
Aufgabe zu, die Maßnahmen umzusetzen. Es hat sich
seither zu einer höchst angesehenen ingenieurwissenschaftlichen Einheit entwickelt, deren physikalische Wasserbaumodelle sowie deren mathematische hydrologisch-hydraulische Modelle zu den
besten der Welt zählen. Daneben hat das Corps den
Vorteil einer zentralen (landesweiten) und straffen
Führungsstruktur, die sich insbesondere in Krisen­
situationen wie 2011 auszahlt.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
23
Mississippi-flut 2011
Um den Großteil der Häuser vor Überflutung
zu bewahren, wurden einige Regionen gezielt
geflutet.
Seit 1927 entstanden über eine Länge von 3.500 Kilometern Deiche, und das Wasser lässt sich nun in einer
Vielzahl von Speichern zurückhalten. Allein die sechs
großen Stauseen am Oberlauf des Missouri können
90 Milliarden Kubikmeter aufnehmen. Neben dem
Hochwasserschutz standen bei den Bauten die
Sicherstellung der Minimalwassertiefe für die Schifffahrt, Möglichkeiten zur Wasserkraftnutzung, Bewässerung und Freizeitaspekte im Mittelpunkt. Das
MR & T-Projekt hat bislang 13,9 Milliarden US-Dollar
(in originalen Werten) gekostet. Dem stehen verhinderte Schäden gegenüber, welche die Mississippi
River Commission auf 480 Milliarden US-Dollar und
damit das 34-Fache veranschlagt. Hinzu kommen die
Vorteile aus der Wasserstraßennutzung, die mit jährlich fast drei Mil­liarden US-Dollar angesetzt werden.
Seit 1940 erhöhte sich die im Mississippi transportierte Tonnage von 30 auf 500 Millionen Tonnen.
Deiche und Rückhaltebauten verhindern jedes Jahr
auch bei kleinen und mittleren Hochwasserereignissen Schäden. Abb. 2 zeigt beispielhaft, wie viele
Schäden USACE-Schutzmaßnahmen landesweit in
den Jahren 1998 bis 2008 verhindert haben. Richtig
wertgeschätzt werden die Schutzbauten aber meist
erst dann, wenn ein Großereignis wie das 2011 auftritt. Allein aus der Mississippi-Flut (ohne Missouri
und all die anderen Hochwasser) ergeben sich für
2011 verhinderte Schäden von über 100 Milliarden
US-Dollar.
Um zu vermeiden, dass Deiche unkontrolliert an einer
beliebigen Stelle brechen, sind Notentlastungen vorgesehen. Sie können aus seitlichen Abschlagswehren
bestehen, aber auch durch die Sprengung eines
Deichs erfolgen.
Abb. 2 Tatsächlicher Schaden und Schaden, der durch
Maßnahmen des USACE verhindert wurde
80
70
60
50
40
30
20
Tatsächliche Schäden
10
0
1998
1999
2000 2001
2002
2003 2004 2005 2006 2007
In Milliarden US-Dollar
(nach Werten von 2009)
24
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
2008
Quelle: USACE
Summe aus tatsächlichen
und verhinderten Schäden
(2006 geschätzt)
Mississippi-flut 2011
Am Mississippi sind drei Notentlastungen vorgesehen (siehe Abb. 1):
1.Der Flutkanal Birds Point-New Madrid, der gegenüber der Ohio-Mündung beginnt und über den bis
zu 15.500 m3/s Wasser aus dem Mississippi außerhalb des Flusses zum Teil über landwirtschaftliche
Flächen auf einer dafür vorgesehenen Flutrinne
zwischen Deichen abgeführt werden können. Das
Wasser fließt gut 100 Kilometer stromabwärts wieder in den Mississippi zurück, sobald der Wasserstand dort weit genug gefallen ist.
2.Die Morganza-Hochwasserentlastung: Neben
einer dauernd wirkenden Abzweigung, der Old
River Structure, gelegen, über die normalerweise
30 Prozent des Mississippi-Abflusses (maximal
17.500 m3/s) zum Atchafalaya River und von dort
westlich der Mississippi-Mündung in den Golf fließen, ­können über die Morganza-Entlastung weitere
17.000 m3/s abgeleitet werden. Die Öffnung von
Morganza hat erhebliche Konsequenzen für einige
Siedlungen im Atchafalaya-Tal.
3.Die Bonnet-Carré-Hochwasserentlastung: Hier
können 7.000 m3/s abgeschlagen werden, die auf
kurzem Weg über praktisch ungenutztes Gelände
zum Lake Pontchartrain fließen, sodass hier kaum
Überflutungsschäden resultieren.
Solche Entlastungsmaßnahmen kommen nur zum
Einsatz, wenn andernfalls eine katastrophale Über­
flutung droht. Beim Öffnen wird bewusst in Kauf
genommen, dass auch nicht direkt bedrohte Sachwerte den Fluten zum Opfer fallen. Die Überflutung
von höherwertigen Gebieten wird aber verhindert.
Insgesamt ergibt sich dadurch eine drastische Schadenreduktion. Morganza und Bonnet Carré zum
Beispiel dienen zum Schutz von Baton Rouge und
New Orleans.
Flutverlauf 2011
Wie schon 1927 waren 2011 im Wesentlichen das
Ohio-Gebiet und der Unterlauf des Mississippi betroffen. Nach heftigen Regenfällen (siehe Abb. 3), die in
einigen Bundesstaaten neue April-Rekorde markierten, trafen die drei Hochwasserwellen aus dem
Ohio, dem Tennessee und dem mittleren Mississippi
bei Cairo nahezu zeitgleich aufeinander.
Um Cairo vor einer Überflutung zu bewahren, entschlossen sich die Behörden dazu, am 2. Mai den
rechtsseitigen Birds Point-New Madrid-Deich auf
drei Kilometer Länge zu sprengen. 530 Quadratkilometer Land waren betroffen, 100 Häuser wurden
unter Wasser gesetzt. Trotz dieser Entlastung blieben
die Pegel flussabwärts nur geringfügig unter den
früheren Rekordmarken. Von Arkansas City bis Red
River Landing wurden dann wieder fast überall neue
Höchstwerte gemessen (siehe Abb. 4).
Abb. 3 Niederschläge im langjährigen Vergleich
Rang innerhalb der Messreihe von 117 Jahren
März bis Mai 2011
April 2011
1 = Rekordwert (nassester)
31–111
112–116
2–6
7–15
16–30
117 = Rekordwert (trockenster)
In 16 der 22 Bundesstaaten, die über den
Mississippi entwässert werden, fiel im April
(und auch im Dreimonats-Zeitraum März bis
Mai) ungewöhnlich viel Regen. In sechs
Staaten kam es zu neuen Niederschlagsrekorden, weitere drei schafften es in die Top 5.
Gebiet außerhalb des
Mississippi-Einzugsgebiets
Bemerkenswert ist, dass es in Texas zur
gleichen Zeit ungewöhnlich trocken war.
Der Grund dafür war die stark ausgeprägte
La-Niña-Situation, die 2011 weltweit extreme
Wetterereignisse hervorrief.
Quelle: Munich Re nach National
Climatic Data Center/NESDIS/
NOAA
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
25
Mississippi-flut 2011
Abb. 4 Höchstwasserstände an den Pegelstellen
des unteren Mississippi relativ zu den alten Rekorden
Die Zahlen in Klammern sind die
jeweiligen Tage im Mai 2011, an
denen der Höchstwasserstand
aufgetreten ist.
Birds Point (2): +175 cm
New Madrid (6): –49 cm
Caruthersville (7): +49 cm
Oscerola (8): –104 cm
neuer Rekord
unter dem Rekord
Memphis (10): –25 cm
Helena (12): –110 cm
Greenville (16): –36 cm
Arkansas City (16): +90 cm
Vicksburg (18): +28 cm
Natchez (19): +119 cm
Red River Landing (18): +33 cm
Baton Rouge (19): –71 cm
Reserve (17): –64 cm
Donaldsonville (18): –106 cm
New Orleans (19): –119 cm
Quelle: National Weather Service
Bei Vicksburg etwa strömten 66.000 m3/s den Mississippi hinab und damit mehr als 1927 (64.500 m3/s).
Am 9. Mai öffneten die Behörden die Fluttore von
Bonnet Carré und am 14. die Morganza Spillway, die
zuvor lediglich 1973 zum Einsatz gekommen war. Es
wurde entschieden, Morganza zu 21 Prozent zu öffnen. Der Abfluss im Mississippi stromabwärts konnte
dadurch unter 42.000 m3/s gehalten werden. Das
Risiko für Baton Rouge und New Orleans sowie für
die zahlreichen Industrieanlagen entlang des Unterlaufs konnte so deutlich verringert werden. In diesen
beiden Städten blieben die Scheitel unter den kriti­
schen Hochwassermarken und einen bzw. ein-einhalb
Meter unter den Rekordmarken. Das Ziel, New Orleans
vor einer erneuten verheerenden Überschwemmung
zu bewahren, wurde erreicht.
2011 waren erstmals in der Geschichte alle drei
Entlas­tungsmöglichkeiten gleichzeitig ausgeschöpft.
Die Schäden wurden dadurch sehr effektiv minimiert.
Abb. 5 zeigt deutlich, wie wirksam die Steuerungsmaßnahmen im Vergleich zu den unkontrollierten
Ausuferungen im Jahr 1927 waren. Nur ein Bruchteil
der damals überschwemmten Flächen, noch dazu
dünn besiedelte, stand 2011 unter Wasser.
26
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Schäden 2011
Insgesamt werden die Kosten der 2011er-MississippiFlut auf 4,6 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese
Summe ist in Anbetracht von Ausdehnung und
Schwere des Hochwassers gering. Pauschal lässt sich
sagen: Die Anstrengungen der vergangenen acht
Jahrzehnte beim Bau von Schutz- und Steuerungsbauwerken haben sich bezahlt gemacht.
Dennoch: Das Hochwasser hatte weitreichende Folgen. Landwirtschaft, Fischerei, Schifffahrt und Transportwirtschaft, Tourismusindustrie, Raffinerien sowie
Industriebetriebe verzeichneten erhebliche Einbußen,
und auch auf die Versicherer kamen hohe Schäden
zu. Insgesamt wurden wohl rund 17.500 Quadratkilometer Land überflutet, ein Viertel davon wurde land­
wirtschaftlich genutzt. Der Zeitpunkt hätte nicht
ungüns­tiger sein können, befanden sich doch viele
Feldfrüchte und Nutzpflanzen am Anfang ihrer Vegetationsperiode. Allein entlang des Mississippi-Unterlaufs standen 1,4 Millionen Hektar (14.000 Quadrat­
kilometer) unter Wasser, im Bundesstaat Mississippi
waren zehn Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche betroffen. Die Verluste der Agrarwirtschaft, des sicherlich am härtesten getroffenen
­Sektors, bewegen sich in einer Größenordnung von
ca. einer Milliarde US-Dollar.
Mississippi-flut 2011
Wegen der hohen Pegel am Mississippi musste die
Schifffahrt eingestellt werden. Zudem standen etliche
Straßen unter Wasser, unter anderem ein 37 Kilometer langer Abschnitt der Interstate 40 in Arkansas. Der
dadurch erschwerte Transport von Waren, Rohstoffen
und Industrieprodukten führte zu Preiserhöhungen,
die in der Folge alle Sektoren betrafen.
Ein großer Teil der Schäden entfiel auf Deiche und
andere wasserbauliche Anlagen. Rund zwei Milliarden US-Dollar dürften nötig sein, um die Bauwerke zu
reparieren und auf den neuesten Stand zu bringen.
Zusätzliche Kosten entstanden bei der Bekämpfung
des Hochwassers. Allein in Louisiana fielen dafür
80 Millionen US-Dollar an.
Dagegen hielten sich die Sachschäden an allgemeiner Infrastruktur und Gebäuden in Grenzen. Meist
waren nur kleinere Gebiete am Rand der Städte und
Siedlungen entlang des Mississippi betroffen. Eine
Ausnahme bildete Memphis, wo es zu Schäden in
Höhe von 320 Millionen US-Dollar kam. 5.200 Be­­
woh­­­­ner mussten den Stadtteil Harbor Town verlassen. Nach vorläufigen Schätzungen (Stand Juni 2011)
betragen die Schäden an insgesamt 35.000 betroffenen Häusern infolge der natürlichen Überflutung
und durch die Flutungen über die Notentlas­tungen
1,7 Milliarden US-Dollar. Obwohl sich die Über­flutung
des Atchafalaya-Gebiets viel langsamer einstellte und
auch die Wassertiefen geringer blieben als berechnet,
wurden doch schätzungsweise 1.400 Wohngebäude
und Geschäfte unter Wasser gesetzt. 300 Bewohner
mussten ihr Haus verlassen. Ohne die gezielte Steuerung des Hochwassers wären nach Schätzungen des
USACE Schäden in Höhe von vielen Milliarden USDollar angefallen, weil Städte wie New Orleans,
Baton Rouge, Memphis oder Cairo den Fluten zum
Opfer gefallen wären. New Orleans hätte möglicherweise eine schlimmere Katastrophe erlebt als beim
Hurrikan Katrina 2005. Die meisten Eigen­tümer,
deren Häuser durch die Entlastung in den Fluten versanken, zeigten Verständnis für die Maßnahme des
USACE.
Überflutetes Farmland in der Nähe von
Yazoo City, Mississippi, Donnerstag, 19. Mai 2011
Memphis
Abb. 5 Überflutete Gebiete
1927 und 2011
Die 1927 überflutete Fläche betrug rund
67.000 Quadratkilometer und war um ein Vielfaches größer als die beim Hochwasser 2011.
Baton Rouge
1927 überflutete Fläche
2011 überflutete Fläche
Quelle: Mississippi Valley Division,
U.S. Army Corps of Engineers
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
27
Mississippi-flut 2011
Landwirtschaftliche Schäden können in den USA
über eine Allgefahrendeckung abgesichert werden.
Etwa vier Fünftel der Farmer machen davon
Gebrauch.
In der Summe aller Schäden werden somit wohl
kaum mehr als fünf Milliarden US-Dollar zusammenkommen. Nicht berücksichtigt sind hierbei allerdings
die Schäden aus einem zweiten Hochwasser im Juni,
das im Wesentlichen das Missouri-Gebiet betraf.
Ein beträchtlicher Teil der Schäden geht auf die Flutungen des USACE zurück. Gesetzlich besteht keine
Verpflichtung der Regierung, dafür aufzukommen.
Das USACE rät jedoch denjenigen Betroffenen, die
nicht unter das NFIP fallen, das Corps formal entweder auf „Schadenersatz“ oder wegen „Enteignung“
zu verklagen. Man darf gespannt sein, wie die Betei­
lig­ten die Kostenübernahme gestalten. Das gilt auch
für die Versicherer bei solchen Schäden, die aus den
Notentlastungen resultieren. Es wäre unfair, das
USACE wegen Herbeiführung der Schäden zu ver­
klagen, man sollte eher überlegen, ob diese Schäden
nicht über einen Pool aller Versicherer geregelt werden könnten. Auf jeden Fall sollte die sich für die
Versicherer aus dem Hochwassermanagement ergebende Schadenreduktion berücksichtigt werden.
Versicherte Schäden
Bei der „Great Flood of ’93“ musste die Versicherungswirtschaft Schäden in Höhe von einer Milliarde
US-Dollar begleichen. Dazu kamen 270 Millionen USDollar aus dem National Flood Insurance Program
(NFIP). Dieses Mal wird der Schaden niedriger liegen.
Über das NFIP Versicherte erhalten eine Entschädigung, unabhängig davon, ob sie durch eine natürliche
oder absichtlich herbeigeführte Überschwemmung
geschädigt wurden.
Die private Versicherungswirtschaft hat mit Sicherheit ebenfalls vom Hochwassermanagement profitiert. Sie wird jedoch Schadenersatz an einige Spielcasinos am Mississippi zahlen müssen, die – mit
einer Ausnahme – keine Sach-, dafür aber erhebliche
Betriebsunterbrechungsschäden erlitten haben.
Ähnliches gilt für eine große Bahngesellschaft in
Louisiana, die den Betrieb völlig einstellen musste.
Die aktivierten Notentlastungen haben das Über­
flutungsrisiko für viele Industrieanlagen erheblich
reduziert und den Versicherern damit hohe Schäden
erspart. Profitiert haben beispielsweise acht Raffinerien bei Baton Rouge, die für zwölf Prozent der USTreibstoffproduktion stehen, sowie ein Atomkraftwerk.
Entstandene und durch das Projekt Mississippi River and Tributary
(MR & T) verhinderte Schäden
(vorläufige grobe Schätzungen in Millionen US-Dollar, Stand September 2011)
Sachschäden
Tatsächliche Schäden
1.700
900
2.000
Potenzielle Schäden
102.400
8.200
–
Verhindert durch
100.700
7.300
–
ohne MR & T-Projekt
MR & T-Projekt
Agro
Ohne das MR & T-Projekt hätte die enorme Wertezunahme
in den überschwemmungsgefährdeten Gebieten gar nicht
stattgefunden.
Quelle: Mississippi Valley Division,
U.S. Army Corps of Engineers
28
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Deichreparatur
etc.
Mississippi-flut 2011
Fazit
Das Mississippi-Hochwasser von 2011 hatte alle
hydrologischen Voraussetzungen, um eine große,
zumindest sehr teure Katastrophe auszulösen. Selten
hat ein extremes Hochwasserereignis so deutlich vor
Augen geführt, wie sehr sich Vorsorge und adäquates
Management auszahlen. Diese Erkenntnis hat sich
auch in anderen Ländern durchgesetzt und mani­
festiert sich unter anderem in der Zusammenarbeit
der Versicherungswirtschaft mit dem Staat (Österreich-HORA, Deutschland-ZÜRS, Schweiz, UK).
Das Mississippi-Flutmanagementsystem lässt sich
nicht ohne Weiteres auf andere Gebiete übertragen.
Entscheidend sind die hydrologischen Bedingungen,
Größe und Form des Flussgebiets, die morphologi­
schen Gegebenheiten sowie die Möglichkeiten der
Zwischenspeicherung und Ableitung von Wasser.
Außerdem beeinflusst die wirtschaftliche Leis­tungs­­
fähigkeit eines Landes die Möglichkeiten, technische
Hochwasser- und andere Vorsorgemaßnahmen zu
ergreifen. Und schließlich hängen die Orga­nisation
des Katastrophenmanagements sowie das generelle
Risikobewusstsein von Bildung und kulturellen Verhältnissen ab. Es sind also viele Faktoren, die verhindern, dass ein extremes Hochwasser zu einer großen
Katastrophe wird – wie im Vorjahr etwa in Pakistan,
China und Kolumbien. Mit entscheidend für ein
erfolgreiches Flutmanagement ist eine straffe ­Ver­­­‑
antwortungs-, Zuständigkeits- und Entscheidungsstruktur. Wichtig ist, die Bürger vom Sinn der Maßnahmen zu überzeugen. Vereinzelte Versuche, auf
dem Klageweg die Sprengung des Deichs bei Cairo
zu verhindern, scheiterten vor Gericht.
Das erfolgreiche Flutmanagement am Mississippi
darf aber auf keinen Fall zu der Überzeugung verleiten, Hochwasser seien grundsätzlich beherrschbar.
Die Amerikaner hatten vergleichsweise ideale
Voraussetzungen, um New Orleans zu schützen.
Letztlich war auch Glück im Spiel, dass die Maßnahmen des USACE einschließlich der Notentlastungen
die gewünschte Wirkung zeigten. Höchste Priorität
sollte deshalb der Risikovermeidung eingeräumt werden. Schließlich darf man nicht vergessen, dass jede
technische Maßnahme auf das Ökosystem wirkt, selten auf positive Weise. Wäre der Mississippi nicht
durch Deiche in ein Korsett gezwängt, hätte er sich
vermutlich schon längst eine neue Mündung gesucht.
Trotz des erfolgreichen Umgangs mit dem Hochwasser 2011 bleibt der Mississippi wie auch jeder andere
Fluss eine Gefahr. Schon Mark Twain wusste: “Der
Mississippi lässt sich nicht zähmen, eindämmen oder
in seine Schranken weisen. Es gibt keine Hindernisse,
um seinen Weg zu versperren, die er nicht nieder­
reißen, umtanzen und verhöhnen würde.”
Unsere Experten:
Dr.-Ing. Wolfgang Kron ist als Head of Research, Hydrological
Hazards in Geo Risks Research
zuständig für alles, was mit dem
­Themenspektrum „Wasser als
­Naturgefahr“ zu tun hat.
wkron@munichre.com
Markus Steuer ist als Consultant in Geo Risks Research für ­­
Kommu­ni­­­ka­tion, Dokumentation und Daten­analysen zuständig.
msteuer@munichre.com
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
29
ERdbeben
Die Grenzen sicheren Bauens
Neuseeländische Baucodes zählen zu den fortschrittlichsten weltweit.
Das Erdbeben, das am 22. Februar 2011 die Stadt Christchurch erschütterte,
verursachte dennoch große Schäden.
Auch zahlreiche Autos wurden unter den Trümmern
der Häuser begraben. Das Erdbeben zerstörte
vor allem alte Gebäude, die nicht den aktuellen
Baucodes entsprechen.
30
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Erdbeben
von Dr. Anselm Smolka und Alexander Allmann
Am 22. Februar 2011 wurde die Stadt Christchurch
auf der Südinsel Neuseelands zum zweiten Mal
innerhalb von sechs Monaten von einem starken
Erdbeben erschüttert. Die Magnitude war mit einem
Wert von 6,3 um 0,8 Stufen geringer als bei einem
vorangegangenen Beben am 4. September 2010.
Dass es dennoch zu außerordentlich heftigen Bodenerschütterungen und Sekundäreffekten kam, hat
mehrere Gründe: Zum einen lag der Bebenherd diesmal lediglich rund zehn Kilometer vom Stadtzentrum
entfernt, im September 2010 waren es mehr als 40
Kilometer. Zum anderen befand sich das Hypozentrum
nur fünf Kilometer unterhalb der Erdoberfläche. Die
maximalen Beschleunigungswerte erreichten bis zu
knapp 200 Prozent der Erdbeschleunigung in horizontaler und sogar über 200 Prozent in vertikaler
Rich­tung. Zusätzlich zu den starken Bodenbewegungen kam es verbreitet zu Bodendeformationen
und zu einer Bodenverflüssigung (Liquefaktion).
Obwohl Experten um die Liquefaktionsgefahr in der
Canterbury-Ebene wussten und diese bereits beim
Darfield-Beben vom September 2010 auftrat, überraschten Ausmaß und Intensität dieses Phänomens.
Im Gegensatz zum September-Beben, das keine
Menschenleben forderte, waren diesmal 181 Todes­
opfer zu beklagen. Zwei Drittel befanden sich in zwei
kollabierten Bürohäusern im zentralen Geschäfts­
viertel der Stadt. Einige Gebäude stürzten komplett
ein, zahlreiche Häuser wurden stark beschädigt.
Bei der staatlichen Erdbebenversicherung gingen
230.000 Ansprüche auf Schadenersatz ein.
Hohe Standards für bebensicheres Bauen
Die neuseeländischen Richtlinien für erdbeben­siche­
res Bauen zählen zu den fortschrittlichsten welt­weit.
Sie sind vergleichbar mit denen Kaliforniens und
Japans. Warum kam es dennoch zu so zahlreichen
und schweren Schäden und was bedeutet das für die
Versicherungswirtschaft?
Im Einklang mit der internationalen Praxis verfolgen
die neuseeländischen Richtlinien folgende Ziele:
–Kleinere Erdbeben sollen ohne Schäden ablaufen.
–Erdbeben mäßiger Stärke sollen allenfalls nicht­
tragende Bauwerkskomponenten in Mitleidenschaft
ziehen.
–Bei starken Beben können auch tragende Gebäudeteile beschädigt werden, ohne dass es jedoch zum
Einsturz kommt.
Das primäre Ziel von Erdbeben­
baucodes ist, durch die Stabilität von
Gebäuden Menschenleben zu retten.
Die neuesten Richtlinien berücksichti­
gen auch die materiellen Schäden –
wie in Neuseeland geschehen.
Es gilt also, die Standfestigkeit zu gewährleisten,
auch wenn die Bemessungskräfte überschritten werden und das Gebäude einen konstruktiven Totalschaden davonträgt. Das ist der Fall, wenn eine Reparatur
ökonomisch nicht vertretbar ist. Das entsprechende
Konzept, bekannt unter dem Namen „performance
based design“ (verhaltensbasiertes Design), haben
unter anderem neuseeländische Erdbebeningenieure
ab den 1960er-Jahren entwickelt. Es findet seit den
1980er-Jahren zunehmend in vielen Ländern Anwendung.
Neuseeland hat bereits früh einen Erdbebenbaucode
entwickelt und diesen laufend angepasst. Sein primäres Ziel – wie das der meisten aktuell gültigen
Baucodes – ist es, über eine hohe Standfestigkeit von
Gebäuden Menschenleben zu retten. Moderne Konstruktionen erreichen das, indem kritische Komponenten Erdbebenkräfte durch kontrollierte plastische
Verformung absorbieren. Sachschäden werden dabei
billigend in Kauf genommen. Nur wenige Richtlinien
aus der jüngsten Vergangenheit sehen auch konstruktive Maßnahmen vor, um die materiellen Schäden zu reduzieren. In Neuseeland ist das der Fall.
Beim Beben vom 22. Februar wurden die Bemessungsgrößen, die auf einem 500-jährlichen Ereignis
beruhen, um bis zu Faktor 3 überschritten (siehe
Abb. 1). Dies trifft auch für den langwelligen Teil des
Bemessungsspektrums zu, der für ein Beben dieser
Magnitude im unmittelbaren Epizentralgebiet ungewöhnlich stark ausgeprägt war. Üblicherweise treten
bei moderaten Beben im Nahfeld hohe Schwingungsfrequenzen auf, die mit wachsender Entfernung
schnell absorbiert werden. Im Gegensatz dazu können sich die langwelligen Anteile des Spektrums über
große Entfernungen ausbreiten und selbst in einigen
Hundert Kilometern Entfernung noch Schäden
anrich­ten. Es waren diese langwelligen Bewegungen,
die im Zusam­menspiel mit konstruktiven Besonderheiten wie geometrischen Irregularitäten im Gebäudeaufriss mehrstöckige Gebäude im zentralen Geschäfts­
viertel von Christchurch beschädigten und in einigen
Fällen sogar zum Einsturz brachten.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
31
erdbeben
Abb. 1 Frequenzspektrum des Bebens vom 22. Februar 2011 für das
zentrale Geschäftsviertel
Spektralbeschleunigung
m/s2
1,6
Mittelwert von vier Aufzeichnungen der Boden­bewegung im
zentralen Geschäftsviertel
1,4
1,2
Neuseeländ. Erdbeben-Baucode
1170:5 (2004)
2500-Jahreswert
1,0
Neuseeländ. Erdbeben-Baucode
1170:5 (2004),
500-Jahreswert
0,8
0,6
0,4
0,2
Quelle: Weng Y Kam, Umut Akguzel,
Stefano Pampanin
www.eqclearinghouse.org
0,0
0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
Das Diagramm zeigt die spektrale Beschleunigung
in Abhängigkeit von der Schwingungsperiode.
Die im neuseeländischen Code vorge­sehenden Werte
(für 500 Jahre) wurden deutlich überschritten.
Schwere Schäden haben auch die bereits erwähnten
permanenten Bodenverformungen, insbesondere die
Bodenverflüssigung, hervorgerufen. Man kann davon
ausgehen, dass dieses Phänomen nicht ausreichend
in den Baurichtlinien berücksichtigt wurde. Um derartige Schäden zu vermeiden, sind entsprechende Fundamente nötig, und man kann die geotechnischen
Bodenqualitäten verbessern.
Für die hohen Bodenbewegungen und die damit verbundene starke Bodendeformation kommt das
Zusammenwirken mehrerer Phänomene in Betracht:
–Da das Beben (wie schon im September 2010) eine
mehrere Tausend Jahre alte Bruchzone reaktiviert
hat, war der Spannungsabfall außergewöhnlich
hoch. Das Beben war somit energiereicher als bei
durchschnittlichen Ereignissen dieser Magnitude.
–Die nach Süden geneigte Bruchfläche zielt direkt in
Richtung des Stadtzentrums. Ausgehend von der
Basis pflanzte sich der Bruch nach oben fort.
Dadurch entstanden konstruktive Interferenzen
zwischen den anfänglichen und den später gebildeten Erdbebenwellen.
–Möglicherweise wurden die südwärts gerichteten
Bebenwellen an der Grenzfläche zwischen weichen
Sedimenten und dem harten Vulkangestein der
Banks-Halbinsel reflektiert, sodass sie sich mit Wellenzügen in den Sedimenten der Canterbury-Ebene
überlagerten.
32
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
3,0
3,5
4,0
4,5
5,0
Periode (sek)
–Die Schwingungen der weicheren, oberflächennahen Sedimentschichten koppelten sich von der
Bewegung der tiefer gelegenen Schichten ab,
sodass sie in einer gegenläufigen Bewegung auf­
einanderstießen. Dieser Effekt wird als „Trampolineffekt“ bezeichnet, aber nicht im Sinne einer resonanzartigen Aufschaukelung, sondern des genauen
Gegenteils davon, nämlich einer asynchronen
Bewegung von Trampolin und Springer.
–Topografisch bedingt fokussierten sich die Schwingungen im hügeligen Gelände am südlichen Stadtrand auf den Hügelkämmen.
Abgesehen von den wenigen Einstürzen großer neuerer Gebäude im zentralen Geschäftsviertel hat der
Baucode aus ingenieurtechnischer Sicht sein Ziel
erreicht. Die meisten Gebäudeschäden entstanden
an älteren und historischen Bauwerken – ein typi­
sches Bild nach Erdbebenkatastrophen. Denn die
Baurichtlinien betreffen nach ihrem Inkrafttreten
naturgemäß nur Neubauten, die einen geringen Teil
des Gebäudebestands ausmachen. Ältere Gebäude
lassen sich zwar mit hohen Kosten nachrüsten, was
aber in Christchurch – im Gegensatz etwa zur Hauptstadt Wellington – selten der Fall war.
Baucodes sind nur eine Maßnahme unter vielen
Häufig wird argumentiert, Rabatte für bebensicheres
Bauen bei Erdbebentarifen würden Präventionsmaßnahmen fördern. Doch schon das Beben in Chile im
erdbeben
Februar 2010 und auch das Darfield-Beben im September 2010 haben gezeigt, dass diese im Prinzip
sinnvolle Idee an praktische Grenzen stößt. Denn
selbst wenn ein Gebäude den Erschütterungen
standhält, können erhebliche Beschädigungen resultieren. Bei den drei Beben kam es deshalb zu versicherten Schäden in Höhe von mehreren Milliarden
US-Dollar. Um Massenrisiken und große Einzelrisiken
versicherbar zu halten, muss man daher auch nicht­
strukturellen Gebäudeschäden vorbeugen. In einigen
Richtlinien jüngeren Datums, so auch in Neuseeland,
sind entsprechende Vorgaben bereits verankert.
Eine weitere Lehre aus dem Christchurch-Beben
lautet, Folgeeffekten größere Beachtung zu schenken.
In der Canterbury-Ebene trifft das auf das hohe Liquefaktionspotenzial zu. In anderen Gebieten mögen
unterschiedliche Sondereffekte eine Rolle spielen.
Zu denken ist dabei an Tsunamis (Japan 2011), Erdrutsche (China 2008) oder Feuer nach Erdbeben
(Kalifornien 1906 und Japan 1923).
Die katholische Kathedrale von Christchurch
nach dem Erdbeben am 22. Februar 2011
Da Baurichtlinien ausschließlich auf das betreffende
Einzelobjekt abzielen, bleiben mögliche Auswirkun­
gen auf umliegende Bauten außen vor. So war das
gesamte Zentrum von Christchurch aufgrund der Einsturzgefahr großer Gebäude monatelang gesperrt –
mit allen negativen Folgen für die dortigen Büros und
Geschäfte. Zu wenig Beachtung findet derzeit auch
noch die Frage nach dem gesellschaftlich akzeptablen Restrisiko. Es ist ökonomisch sinnvoll und
legitim, dass einzelne, kleinere Gebäude großen
Erd­bebenlasten möglicherweise nicht standhalten.
Anders liegt der Fall, wenn ein Ballungsraum wie
Christchurch, immerhin die zweitgrößte Stadt Neuseelands, trotz aller Vorkehrungen derart massive
Schäden davonträgt. Hier muss sich die Gesellschaft
fragen, inwieweit sie bereit ist, eine monatelange
Sperrung des Zentrums hinzunehmen, ganze Stadtviertel aufzugeben und bis zu zehn Jahre auf den
kompletten Wiederaufbau zu warten. Ähnlich wie bei
der Gefahr von Flussüberschwemmungen sollte man
überlegen, ob Hochrisiko-Gebiete, beispielsweise
tsunamigefährdete Küstenstreifen, nicht schon im
Vorfeld von Bebauung freigehalten werden sollten.
Seit dem zweiten großen Erdbeben vom
22. Februar 2011 ist das Grand-ChancellorGebäude in Christchurch einsturzgefährdet.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
33
erdbeben
Abschließend sei angemerkt, dass auch der beste
Baucode nur so gut ist wie seine Umsetzung. Weder
in Chile 2010 noch in Neuseeland 2010 und 2011
gab es hier Anlass zu Beanstandungen – von Einzelfällen abgesehen und im Gegensatz zu vielen anderen
Erdbebenkatastrophen. Das „Grand Chancellor“Hotel, das ­Fernsehzentrum und das Pyne-GouldGebäude im Zentrum von Christchurch sind einige
der wenigen Beispiele, wo diese Prinzipien offenkundig verletzt wurden. Allerdings handelt es sich hier
auch nicht um moderne, nach den neuesten Baurichtlinien errichtete Gebäude.
Prävention hat Priorität – auch für die Versicherung
Was bedeuten die Erkenntnisse aus Christchurch für
die Versicherungspraxis? Die Zahl von Schadenersatzansprüchen und der absolute Betrag der Schadenzahlungen bei allen großen Beben seit Februar
2010 – Chile, Neuseeland und Japan – weisen nach
oben. Deshalb muss die Versicherungswirtschaft
wirksame Mechanismen schaffen oder in Zusammenarbeit mit Behörden und Erdbebenexperten darauf
hinwirken, die Schäden in Grenzen zu halten. Munich
Re propagiert dazu seit den späten 1980er-Jahren das
Prinzip der Risikopartnerschaft, in der jeder Partner
einen Teil des Risikos und der Risikovorsorge zu tragen hat. Das fängt beim Versicherten an und zieht
sich über den Erstversicherungsmarkt und die Rückversicherer bis hin zum Staat. Als einzelne Maß­
nahmen sind in diesem Zusammenhang zu nennen:
–Schadenprävention hat Priorität. Erheblich mehr
Anstrengungen sind notwendig, um nach den
neuesten Richtlinien Gebäude nicht nur sicher zu
bauen, sondern auch, um mögliche materielle Schäden zu reduzieren. Gefährdete Gebäude sollten entweder nachgerüstet oder abgerissen werden. Über
die reine Erschütterungswirkung hinaus müssen
auch Sekundäreffekte angemessen berücksichtigt
werden.
–Der Aufbau eines zuverlässigen Prüf- und Kontrollwesens ist wichtig, um die Einhaltung von Baurichtlinien zu gewährleisten und – auch für Versicherer –
nachweisbar zu dokumentieren.
–Prävention und Kontrolle bilden die Voraussetzung,
um Prämienrabatte bei erdbebensicherer Bauweise
zu gewähren. Sie schaffen einen wichtigen finan­
ziellen Anreiz, damit Gebäudeeigentümer Schutzmaßnahmen ergreifen.
–Eine ähnliche Wirkung entfalten Selbstbehalte,
insbesondere Franchisen. Sie sind außerdem ein
geeignetes Instrument, um Kleinschäden und damit
die Gesamtzahl der Massenschäden zu reduzieren.
Sofern die Selbstbehalte dem Risiko angemessen
sind und bei der Regulierung zur Anwendung
­kommen, sind Abschläge auf die Versicherungs­
prämien möglich. Bevorzugt sollten Selbstbehalte
als fester Prozentsatz des versicherten Werts und
ohne ­Limitierung ausgewiesen werden. Ein Selbstbehalt von beispielsweise einem Prozent bezogen
auf den Schaden anstatt den versicherten Wert
greift sicherlich zu kurz.
–Notfallpläne der Erstversicherer sind unabdingbar,
um Massenschäden effizient und rasch regulieren
zu können. Dazu gehört, dass der Hauptsitz auch im
Katastrophenfall funktionsfähig bleibt, dass temporäre Regulierungsbüros flexibel vor Ort eingerichtet
werden und dass eine ausreichende Anzahl von
qualifizierten Schadenregulierern verfügbar ist.
Bestehen Erdbeben-Pools, ist besonderes Augenmerk auf die eventuelle Überlappung bzw. Abgrenzung von Pool- und privater Deckung zu richten.
Nicht vergessen werden sollte die Möglichkeit,
starke Nachbeben einzuplanen.
Die Erdbeben der vergangenen 18 Monate haben
die Funktionalität der Versicherungswirtschaft auch
einem so extremen Fall wie dem zweiten Erdbeben
von Christchurch bewiesen. Damit das so bleibt, sind
jedoch verstärkte Anstrengungen zur Schadenbegrenzung nötig. Dazu müssen Ingenieure, Behörden
und Versicherungen eng miteinander kooperieren.
Unsere Experten:
Dr. Anselm Smolka ist als Leitender
Fachexperte zuständig für die Risikobewertung von Naturgefahren in der
Abteilung CU1.5 „Risikomanagement
von Kumulgefahren“.
asmolka@munichre.com
Alexander Allmann arbeitet als
Senior Consultant für Erdbeben und
andere Naturgefahren in der Abteilung CU1.5 „Risikomanagement von
Kumul­gefahren“.
aallmann@munichre.com
34
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
schadenliteratur
RAND
The Long Shadow of 9/11
von Christian Lahnstein
Aus Anlass des zehnten Jahrestags der Anschläge auf das
World Trade Center und auf das Pentagon häuften sich Unter­
suchungen und Dokumentationen zum Thema. Bemerkenswert
bleibt eine neue Publikation von RAND, dem größten, politisch
neutralen US Think Tank in Santa Monica.
Die Autoren der 16 Kapitel sind RAND-Mitarbeiter, die über ihre akademische und interdisziplinäre Projekterfahrung hinaus auch unmittelbar in die diplomatische und militärische US-Praxis vor und nach
9/11 eingebunden waren. Sie versuchen, die Fragen zu beantworten,
was falsch und was richtig gemacht, wo überreagiert wurde und wie
sich die USA dadurch verändert haben.
Bei aller Anerkennung von Fortschritten fielen auf vielen Gebieten die
Antworten kritisch aus. Dies betraf nicht nur militärische und außenpolitische Aspekte, sondern auch die Sicherheitspolitik. Die Studie
geht davon aus, dass der Zusammenhalt der amerikanischen Gesellschaft geschwächt ist und ihre inneren Widersprüche verschärft sind.
Um diesen Zusammenhalt wieder zu stärken, sehen die Autoren der
RAND-Studie zwei Notwendigkeiten, die auch die Versicherungswirtschaft betreffen: die bessere Koordinierung eines lückenhaften Heilwesens sowie ein Entschädigungskonzept für künftige Terrorismus­
opfer. Bei einem weiteren Anschlag würden nach Einschätzung der
Autoren die staatliche Entschädigung weniger großzügig und das
Engagement der Privatver­sicherung geringer sein. Auch würden sich
vermutlich verstärkt Haftungsfragen stellen, wobei Sinn, Reichweite
und Ausgestaltung der Haftungsregeln auch in diesen zehn Jahren
keineswegs geklärt werden konnten.
Brian Michael Jenkins und
John Paul Godges:
The Long Shadow of 9/11:
America’s Response to Terrorism
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
35
Property
Einbruch mit Fragezeichen
Diebe dringen in ein auf den ersten Blick gut gesichertes Warenlager ein und
entwenden in großem Stil Mobiltelefone und Unterhaltungselektronik. Versagten
die Sicherungssysteme aus Nachlässigkeit oder handelt es sich um einen mit
Insiderwissen geplanten Diebstahl auf Bestellung ?
Eckhard Schäper
In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 2011 brachen
unbekannte Täter über das Dach in die Halle des Spe­
ditionslagers eines Warenhauskonzerns ein. Vermut­
lich mit einem Bolzenschneider ausgerüstet schnitten
sie eine Öffnung in den zwei Meter hohen Gittermat­
tenzaun aus Flachstabkonstruktion und gelangten so
auf das Gelände der Spedition. Danach verstellten sie
die Überwachungskameras an der Gebäudeaußen­
wand, um im toten Winkel unbehelligt auf das Dach
der neun Meter hohen Halle zu gelangen. Dort
schraub­ten die Einbrecher mehrere Lichtkuppeln ab,
um die beste Einstiegsmöglichkeit zu erkunden. Eine
der Kuppeln befand sich über einem Hochregal, eine
weitere direkt über dem Bereich der entwendeten
Ware. Entdeckt wurde die Tat morgens gegen 6.30
Uhr von der Frühschicht.
Zur Beute gehören 4.000 originalverpackte Mobil­
telefone, 3.000 mobile Navigationsgeräte, 500 MP3Player und 500 Digitalkameras. Die Polizei geht
davon aus, dass mehrere Täter mit Insiderwissen
zugange waren, die mit entsprechenden Hilfsmitteln
auf das neun Meter hohe Dach gelangten. Abgesehen
hatten sie es ausschließlich auf Mobiltelefone und
Unterhaltungselektronik der neuesten Generation.
Elektronische und mechanische Sicherungen
ausgehebelt
Um das Eindringen zu erschweren, war das ca.
20.000 Quadratmeter große Grundstück komplett
umzäunt. Außerdem verfügte das Speditionslager
nach Angaben des geschädigten Warenhauskonzerns
über eine Einbruchmeldeanlage (EMA) und eine
Video­überwachung des Innen- und Außenbereichs,
die mit einem externen Sicherheitsunternehmen ver­
bunden waren. Allerdings verstellten Paletten und
Regale die Sicht auf bestimmte Areale des Geländes,
sodass die Täter dort unbemerkt von den Bewegungs­
36
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Lichtkuppeln sind bei Einbrechern beliebte
Einstiegsmöglichkeiten in Gebäude und sollten
deshalb immer gut gesichert sein.
meldern agieren konnten. Auch die Videokameras an
der Gebäudeaußenwand erwiesen sich letztlich als
­nutzlos. Sie ließen sich manipulieren, weil sie nicht
mit einem sogenannten Verdrehschutz ausge­rüstet
waren. Dabei wird der von der Kamera erfasste
Bereich als elektronisches Bild in der Videozentrale
gespeichert. Weichen aktuelles und gespeichertes
Bild voneinander ab, etwa durch Verdrehung der
Kamera, wird Alarm ausgelöst.
Verdacht auf Beteiligung von Insidern
Für den Risikoingenieur bleiben zahlreiche Fragen
offen:
– Warum hat der externe Sicherheitsdienst den
beschädigten Zaun nicht bemerkt? Waren im Siche­
rungskonzept keine regelmäßigen Streifengänge
vorgesehen?
Property
– Ist ein sogenanntes Interventionsattest vorhanden?
Derartige Zertifikate stellen Wach- und Sicherheits­
unternehmen aus, um die vereinbarten Interventi­
onsmaßnahmen für eine installierte EMA/ÜMA zu
dokumentieren (siehe VdS 2529). Es kann einem
Versicherer zur Risikobewertung dienen.
–Waren die Sicherungsmaßnahmen mit dem
Ver­sicherer abgesprochen?
–Wie konnten die Täter unbemerkt so viele Kartons
mit Diebesgut über das Dach abtransportieren?
Dafür waren mehrere Lkw oder Kleintransporter
erforderlich.
–Warum waren die Außenkameras nicht mit einem
Verdrehschutz ausgestattet?
– Hat ein Sachverständiger die Videoanlage und die
Einbruchmeldeanlage nach der Installation abge­
nommen? Fand eine regelmäßige Überprüfung der
Systeme statt (Wartungsvertrag)? Wenn ja, warum
ist den Verantwortlichen entgangen, dass mehrere
Bewegungsmelder durch Regale und Paletten ver­
stellt wurden? Ist das auf einen Wartungsfehler
oder auf Sabotage zurückzuführen?
Fazit
Das Sicherungskonzept eines Warenlagers sollte
regel­mäßig von Sicherheitsexperten überprüft und
entsprechend den gelagerten Werten angepasst
werden.
Sicherheitstechnische Anlagen wie Einbruchmelde­
anlagen oder Videoanlagen müssen regelmäßig von
sachkundigen Personen gewartet und auf Funktion
überprüft werden. Zu einer solchen Überprüfung
gehört auch die Betrachtung der Örtlichkeiten.
Haben sich Veränderungen ergeben, zum Beispiel
Einschränkung oder Behinderung der Bewegungs­
melder durch abgestellte Paletten oder eingebaute
Regale, dann sind entsprechende Maßnahmen zu
ergreifen.
–Warum waren die Lichtkuppeln nicht ausreichend
gesichert?
Die Fülle an offenen Fragen legt den Verdacht nahe,
dass möglicherweise Insider am Einbruch beteiligt
waren oder zumindest als Tippgeber fungiert haben.
Nach dem Schaden können seitens der zuständigen
Versicherung Auflagen zur Erhöhung der Sicherheit
verlangt werden. So sind etwa eine Überprüfung und
Anpassung des Sicherheitskonzepts erforderlich. Es
steht dem Versicherungsnehmer natürlich frei, sich
einen anderen Versicherer zu suchen, der keine
kostenintensiven Änderungen des Sicherungskon­
zepts fordert. Auch erhöhen auf solche Fälle speziali­
sierte Detekteien die Chance, die gestohlenen Geräte
wiederzuerhalten. Der Versicherer sollte prüfen, ob
ein Regressverfahren gegen den Planer des Siche­
rungskonzepts und gegen die Wartungsfirma der Ein­
bruchmeldeanlage Aussicht auf Erfolg verspricht.
Unser Experte:
Eckhard Schäper ist Brandschutz­
ingenieur und Experte für Einbruch/
Diebstahl im Bereich Global Clients/
North America bei Munich Re.
eschaeper@munichre.com
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
37
Spread Ladder Swaps
Klagewelle bleibt bisher aus
Am 22. März 2011 hat der Bundesgerichtshof ein aufsehenerregendes Urteil
zu „Spread Ladder Swaps“ gesprochen. Die Auswirkungen auf die Banken- und
­Versicherungsbranche lassen sich derzeit noch nicht detailliert abschätzen.
Bei der Anlageberatung ist die Bank verpflichtet,
die Risikobereitschaft des Kunden zu erfragen.
38
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Spread ladder swaps
von Dr. Henriette Heine
Bank zu Schadenersatz verurteilt
„Spread Ladder Swap“-Geschäfte, bei denen auf die
unterschiedliche Entwicklung von kurz- und lang­
fristigen Zinsen gewettet wird, wurden besonders
zwischen 2004 und 2006 häufig abgeschlossen. Die
Kunden, zumeist mittelständische Unternehmen und
Kommunen, haben damit oft hohe Verluste erlitten
(siehe auch Kasten Seite 40).
Am 22. März 2011 verurteilte der BGH die beklagte
Bank zu Schadenersatz in Höhe von 540.000 Euro
(Aktenzeichen XI ZR 33/10). Dabei ließen es die Richter offen, ob das „Spread Ladder Swap“-Geschäft –
wie von der Klägerin vorgetragen – gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstieß,
nach § 138 BGB sittenwidrig oder wegen arglistiger
Täuschung (§ 123 BGB) anfechtbar war. Das Urteil
geht vielmehr von einer fehlerhaften Anlageberatung
aus. Folgende Aspekte stellt der BGH in seiner
Urteilsbegründung heraus:
Im Frühjahr dieses Jahres hatte nun der Bundesgerichtshof (BGH) in folgendem Fall zu urteilen: Eine
Bank und ein mittelständisches Unternehmen schlossen im Februar 2005 einen „Spread Ladder Swap“Vertrag. Bei den vorangegangenen Beratungen war
neben dem Geschäftsführer des Mittelständlers auch
die Prokuristin, eine Diplom-Volkswirtin, dabei. Bank
und Unternehmen einigten sich auf ein Vertragskonstrukt, nach dem die Bank aus einem Bezugsbetrag
von zwei Millionen Euro für die Laufzeit von fünf Jahren halbjährlich Zahlungen in Höhe eines festen Zinssatzes von drei Prozent pro Jahr zu erbringen hatte.
Der Kunde musste demgegenüber im ersten Jahr
Zinszahlungen in Höhe von 1,5 Prozent pro Jahr leis­
ten; anschließend richteten sich seine Zahlungen
nach einem variablen Zinssatz, der von der Entwicklung der Differenz zwischen kurz- und langfristigen
Zinsen abhing. Eine einseitige Vertragsbeendigung
ohne Vorliegen eines wichtigen Grunds war für beide
Parteien erstmals nach drei Jahren gegen eine Ausgleichszahlung in Höhe des aktuellen Marktwerts
möglich. Bei der Beratung wies die Bank darauf hin,
dass das Verlustrisiko „theoretisch unbegrenzt“ sein
könne. Der Klägerin wurde allerdings nicht mitgeteilt,
dass der Vertrag zu Beginn einen von der Bank
bewusst eingerechneten negativen Marktwert von
rund 80.000 Euro aufwies (vier Prozent der Bezugssumme). Die Bank hatte ihre Risiken durch dieses
Geschäft unmittelbar über Hedge-Geschäfte an
Dritte abgegeben. Das mittelständische Unternehmen hatte schon zuvor mit einer anderen Bank zwei
Swap-Geschäfte getätigt. Bereits im Herbst 2005
zeichneten sich Verluste für das Unternehmen ab, da
die Zinsdifferenz, die für die Berechnung der Zahlungen relevant war, stetig abnahm.
–Eine Bank muss bei der Anlageberatung die Risikobereitschaft des Kunden erfragen. Ausnahmen
können lediglich langjährige Geschäftsbeziehungen
oder das bisherige Anlageverhalten des Kunden
sein. Berufliche Qualifikationen, wie hier bei der
Diplom-Volkswirtin, lassen keine Rückschlüsse auf
eventuelle Vorkenntnisse oder die Risikobereitschaft zu.
–Ein „Spread Ladder Swap“-Geschäft ist ein hochkomplexer Vertrag. Die Bank muss daher sicherstellen, dass der Anleger in Bezug auf das Risiko des
Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnisund Wissensstand hat wie sie.
–Bei einem „Spread Ladder Swap“-Geschäft muss
die Bank den Kunden über den negativen Marktwert
zu Beginn der Vertragslaufzeit aufklären. Nur so
kann dem Interessenkonflikt der Bank entgegen­
gewirkt werden.
–Eine Bank, die eigene Anlageprodukte vertreibt,
muss grundsätzlich nicht darüber aufklären, dass
sie einen Gewinn erzielen möchte. Ausnahmen
bestehen jedoch, wenn besondere Umstände hin­
zukommen. Das war hier der Fall: Denn bei diesem
„Spread Ladder Swap“-Geschäft gestaltete die
Bank die Risikostruktur bewusst zulasten des
Anlegers.
Im Oktober 2006 focht die Firma den Vertrag mit der
Bank wegen arglistiger Täuschung an. Das Geschäft
wurde gegen Zahlung eines Ausgleichsbetrags in
Höhe des aktuellen negativen Marktwerts von
566.850 Euro aufgelöst. Mit der Klage vor dem BGH
machte das Unternehmen die we­gen fehlerhafter
Anlageberatung erlittenen Verluste geltend. Der
Ge­schäftsführer des Unternehmens äußerte bei der
mündlichen Verhandlung, die Vertragskonstruktion
des „Spread Ladder Swaps“ nicht verstanden zu
haben.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
39
spread Ladder swaps
Durch das BGH-Urteil geraten in
erster Linie Policen der Betriebshaftpflicht- sowie D & O-Versicherung
der Banken in den Fokus. Wichtig ist,
dass jeder Einzelfall individuell
bewertet werden muss.
Swap-Geschäfte
Swap-Geschäfte zählen zu den Derivaten, also zu den
Finanzinstrumenten, deren Preise sich nach den Kursschwankungen beziehungsweise Preiserwartungen
anderer Investments (zum Beispiel Aktien, Anleihen,
Rohstoffen oder Zinssätzen) richten. Bei einem Swap
werden schwer kalkulierbare Zins- oder Währungs­
risiken gegen fest vereinbarte Verpflichtungen
getauscht. So kann etwa ein Kredit mit langer Laufzeit und hohem Zinssatz in Kredite mit kurzer Laufzeit und niedrigem Zins umgeändert werden. Bei
Swap-Geschäften liegt immer ein konnexes Grundgeschäft – in der Regel ein Kreditgeschäft – vor.
„Spread Ladder Swap“-Geschäfte
Bei einem „Spread Ladder Swap“-Geschäft hingegen
fehlt der Bezug zu einem Grundgeschäft. Bank und
Kunde schließen zusätzlich eine Wette darauf ab, wie
sich der Abstand zwischen kurz- und langfristigem
Zinsniveau entwickelt. Zu Beginn einigen sich die
Vertragspartner auf einen Nominalwert des
Geschäfts. Die Bank zahlt einen festen Zins über die
gesamte Laufzeit. Der Kunde hingegen zahlt einen
nach einer bestimmten Formel der Bank berechneten
Zins; nur im ersten Jahr gilt auch für ihn ein fest vereinbarter Zins. Die Zinsen der Folgejahre hängen
davon ab, wie sich die Differenz zwischen lang- und
kurzfristigem Zinssatz entwickelt. Nur wenn der langfristige Zinssatz dauerhaft höher liegt als der kurz­
fristige, haben die Kunden eine Gewinnchance.
40
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Bei einer flachen Zinskurve, das heißt, der lang­fristige
Zinssatz entspricht dem kurzfristigen, oder einer
inversen Zinskurve, der langfristige Zinssatz fällt
unter den kurzfristigen, kommt es zu zum Teil erheblichen Verlusten bei den Bankkunden. Ein „Spread
Ladder Swap“-Geschäft trägt spekulative Züge.
Wie verbreitet sind „Spread Ladder Swap“Geschäfte?
„Spread Ladder Swap“-Geschäfte wurden speziell in
den Jahren 2004 bis 2006 von verschiedenen Großbanken vornehmlich an mittelständische Unternehmen sowie Kommunen und deren Eigenbetriebe verkauft. Verlässliche Angaben zur Anzahl der Verträge
existieren nicht. Presseberichte gehen davon aus,
dass rund 200 Kommunen und 500 Unternehmen
solche Verträge abgeschlossen haben. In vielen Fällen
erlitten die Anleger zum Teil massive Verluste: Allein
für den kommunalen Sektor sollen sie sich auf bis zu
einer Milliarde Euro summieren.
Mittlerweile ist eine Vielzahl von Klagen gegen die
beratenden Banken anhängig. Die Unterinstanzen
haben jedoch die Mehrzahl der Klagen abgewiesen.
Beim BGH sind noch weitere sieben Klagen an­­
hängig.
spread Ladder swaps
„Spread Ladder Swap“-Geschäfte werden
unattraktiver
Unzweifelhaft wird das Urteil die Attraktivität von
„Spread Ladder Swap“-Geschäften für die Banken
mindern, da sie im Vertrieb zukünftig die vom BGH
vorgegebenen Beratungsstandards beachten müssen. Ob das Urteil nun als Einfallstor für weitere
Klagen dient – neben der hier beklagten Bank haben
auch zahlreiche andere Institute diese Geschäfte vertrieben –, ist zurzeit noch schwer einzuschätzen. Zwar
weisen einige Kanzleien auf ihren Homepages auf die
gestiegenen Erfolgsaussichten für Klagen im Zusammenhang mit verlustreichen „Spread Ladder Swap“Geschäften hin. Auch wurden seit der Urteilsverkündung bereits einige Klagen anhängig gemacht; dabei
handelt es sich aber in erster Linie um Kom­munen,
die zum Teil Verluste in Millionenhöhe erlitten haben.
Auf der anderen Seite entscheiden sich geschädigte
Kommunen wegen geringer Erfolgsaussichten auch
bewusst gegen eine Klage. Dies ist nachvollziehbar,
denn das BGH-Urteil betrifft einen Einzelfall, der
gerade nicht als Präzedenzfall für alle derartigen
Geschäfte dienen kann. Dennoch ist eine gewisse
Signalwirkung zu erwarten, da besonders mittelständische Unternehmen und Kommunen eine nicht unerhebliche Anzahl solcher Geschäfte abgeschlossen
haben. Letztlich wird bei jedem einzelnen geschädigten Unternehmen und jeder einzelnen geschädig­
ten Kommune zu prüfen sein, ob die Bank ihre Beratungspflicht verletzt hat und ob dadurch zusätzlich
die Anlageentscheidung des Kunden beeinflusst
wurde. Nicht jeder Verlust durch ein missglücktes
Anlagegeschäft kann auf die Banken abgewälzt werden. Eine Klagewelle erscheint nach jetzigem Kenntnisstand daher unwahrscheinlich.
Kein Serienschaden zu erwarten
Durch das BGH-Urteil geraten in erster Linie Policen
der Betriebshaftpflicht- sowie D & O-Versicherung der
Banken in den Fokus. Wichtig ist, dass jeder Einzelfall
individuell bewertet werden muss – insbesondere
was die spezifischen Beratungsanforderungen
gegenüber dem Kunden anbelangt.
Bei der Vielzahl der abgeschlossen „Spread Ladder
Swap“-Verträge drängt sich die Frage auf, ob ein
Serienschaden vorliegt. Der BGH verfolgt bereits seit
Jahren eine einheitliche Rechtsprechung. Demnach
schuldet der Anlagevermittler „jedem einzelnen
Anlageinteressenten eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung und dabei richtige
und vollständige Informationen über die Umstände,
die für den jeweiligen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Jede Schlechterfüllung einzelner
selbstständiger Beratungsverhältnisse begründet
einen Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den
Versicherungsnehmer zur Folge haben kann, für die
die Beklagte gem. § 1 AVB jeweils Deckungsschutz
zugesagt hat, gleichviel ob die Pflichtverletzungen
auf derselben Fehlvorstellung über den Beratungsumfang beruhen und Beteiligungen an demselben
Anlageobjekt betreffen. Das lässt die einzelnen Verstöße nicht zu einem Dauerverstoß werden, für den
trotz mehrerer Geschädigter Versicherungsschutz
nur einmal bedingungsgemäß zu gewähren ist“
(BGH, Urteil vom 17.9.2003 – IV ZR 19/03). Diese
Rechtsprechung lässt es unwahrscheinlich erscheinen, dass eine Vielzahl von fehlerhaften „Spread
Ladder Swaps“ zu einem Serienschaden zusammen­
gefasst wird.
Eine Betroffenheit von D & O-Policen kann nicht völlig
ausgeschlossen werden, wenn es Anhaltspunkte
dafür gibt, dass die Banken das Vertriebssystem für
die „Spread Ladder Swaps“ bewusst unvorteilhaft für
die Kunden konstruiert haben. Der BGH hat zumindest für den hier entschiedenen Einzelfall darauf hingewiesen, dass die „Risikostruktur bewusst zu Lasten
des Kunden“ gestaltet war.
Allerdings müssen sowohl im Bereich der Betriebshaftpflicht- als auch der D & O-Versicherung Risikoausschlüsse geprüft werden. Die zitierte Formulierung des BGH lässt an die Anwendbarkeit des
Ausschlusses „Vorsatz/wissentliche Pflichtver­
letzung“ denken. Auch der Ausschluss „Investment­
banking“ könnte greifen.
Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren
die Anforderungen an die Beratungsqualität und den
Umfang der Aufklärungspflichten für die Banken
immer weiter präzisiert und verschärft. Unterläuft
einem Anlageberater eine Beratungspflichtver­
letzung, so ist dies zunächst ein klassischer Fall der
Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung. Dies gilt
auch für eine fehlerhafte Beratung bei einem „Spread
Ladder Swap“-Geschäft.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
41
spread Ladder swaps
Mögliche Auswirkungen des BGH-Urteils auf die
Versicherungsbranche:
Haftungssituation
Banken
– Beratungsfehler
– Ggf. von Anbeginn planvolles
Vorgehen der Banken
– Fehlende Aufklärung: Jedes Geschäft
beginnt für den Kunden mit einem
Negativwert.
– Fehlende Ausrichtung der Beratung
an den Interessen des Anlegers;
Interessenkonflikt
Kommunen
– Mögliche Rückabwicklung der Verträge
– Aufgrund der Einschätzung der „Spread
Ladder Swaps“ als eine Art spekulative
Wette spricht wegen des gesetzlichen
Spekulationsverbots viel für eine
Nichtigkeit der Verträge von Anbeginn.
Eine Rückabwicklung der Geschäfte
wäre die Folge.
Deckungssituation
D&O
Deckungssituation
Betriebshaftpflicht
– Möglicherweise D&O-Police
betroffen
– Betriebshaftpflichtpolice
betroffen aufgrund des
Beratungsfehlers
– Aufgrund des planvollen
Vor­gehens der Bank steht
hier eine wissentliche
Pflicht­verletzung im Raum
– Möglicher Ausschluss:
Investmentbanking
– Eine Inanspruchnahme der
D&O- bzw. Eigenschaden­
police erscheint sehr
unwahrscheinlich.
– Eigenschaden, daher keine
Betroffenheit
– Eine Inanspruchnahme der
D&O-Police der Unternehmen
erscheint sehr unwahr­
scheinlich.
– Eigenschaden, daher keine
Betroffenheit
– In diesem Fall erscheint eine Inanspruch­­
nahme der Kämmerer bzw. Geschäftsführer der kommunalen Eigenbetriebe
sehr unwahrscheinlich, da mit der Rückabwicklung auch die Verluste ausge­
glichen würden.
– Zusatzkosten wären Schadenersatz­
positionen gegenüber der Bank.
Unternehmen
– Da die Unternehmen keinem Speku­
lations­verbot wie die Kommunen
unterliegen, läge keine Nichtigkeit der
Verträge vor.
– Ein Beratungsfehler durch die Bank
bliebe jedoch bestehen, sodass das
Urteil des BGH Signalwirkung für die
Geltendmachung von Schadenersatz­
ansprüchen von erlittenen Verlusten im
Rahmen von „Spread Laddder Swap“Geschäften entfalten könnte.
42
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
spread Ladder swaps
Eine Inanspruchnahme der Betriebshaftpflicht- bzw.
D&O-Versicherung der Kommunen und Unternehmen
erscheint eher unwahrscheinlich. Die Entscheidungsträger der Kommunen und Unternehmen sagten zwar
oft aus, dass sie bei Abschluss des Vertrags nicht
­verstanden hatten, wie ein „Spread Ladder Swap“
funk­tioniert. Dies könnte ein möglicher Ansatzpunkt
für eine Haftung sein. Zudem hat der BGH in seinem
Urteil solche Geschäfte als „eine Art spekulative
Wette“ bezeichnet. Dies könnte für die Kommunen
problematisch sein, da sie einem gesetzlichen Spekulationsverbot unterliegen. Bislang ist aber noch kein
Fall bekannt, in dem Kommunen gegen ihre Entscheidungsträger vorgegangen sind. Auch im hier entschiedenen Fall hatte der Geschäftsführer angegeben, das dem Vertrag zugrunde liegende Modell nicht
verstanden zu haben. Der BGH sieht in diesem Verhalten allerdings kein Mitverschulden, was zumindest
eine Anspruchskürzung zur Folge gehabt hätte. Vielmehr sei dieses Verhalten „gerade Ausdruck dieses
besonderen Vertrauensverhältnisses, das den Anleger
dazu bringt, sich in erster Linie an der Empfehlung
seines Beraters zu orientieren, und ihn davon abhält,
weitere Nachfragen zu stellen oder Nachforschungen
anzu­stellen“.
Fazit
Das Urteil vom 22. März 2011 überrascht nicht, denn
es fügt sich ein in die bisherige etablierte Linie der am
Anlegerschutz orientierten Rechtsprechun­g des
BGH.
Bislang hat sich noch keine Klagewelle entwickelt,
wie sie von den Vertretern der Beklagten im Prozess
mit dem Hinweis auf eine drohende „zweite Finanzkrise“ vorhergesagt wurde. Lediglich vereinzelt haben
Kommunen und Unternehmen explizit wegen des
BGH-Urteils Klage gegen Banken erhoben. Für die
Versicherungsbranche lassen sich bislang keine größeren Belastungen aus dem Geschäftsmodell der
„Spread Ladder Swaps“ erkennen. Voraussichtlich
wird sich dies auch künftig nicht grundlegend ändern.
Unsere Expertin:
Dr. Henriette Heine ist bei
Munich Re als Schadenjuristin
für Haftpflicht und D&O im
Bereich Deutschland tätig.
hheine@munichre.com
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
43
engineering
Blitzschlag in Leuchtreklame
Ein Hochhaus wird nach einem Brand zum Sanierungsfall.
Verzögertes Schadenmanagement treibt die Kosten zusätzlich
in die Höhe.
von Tobias Gassner und Markus Braun
Während eines schweren Sommergewitters im Juni
2009 schlug ein Blitz in eine an einer Hochhauswand
angebrachte Werbetafel ein. Kurze Zeit später standen
große Teile des 19-stöckigen Hochhauses in Flammen. 150 Feuerwehrleute und 37 Löschfahrzeuge
brauchten Stunden, um das Feuer zu löschen.
Unklar ist, ob der Blitzeinschlag direkt das Feuer in
der Leuchtreklame verursachte oder ob er durch Über­­
spannung einen Kurzschluss auslöste, der wiede­­rum
das Feuer entfachte. Die Werbetafel erschwerte die
Löschung des Feuers obendrein – nur über zusätzlich
angeforderte Drehleitern konnte der in 50 Meter
Höhe liegende Brandherd bekämpft werden. Nach
dieser halbstündigen Verzögerung hatte sich der
Brand bereits weitgehend ungehindert ausgebreitet.
Das Feuer fraß sich über die Außenverkleidung des
Gebäudes auf die gesamte Höhe des Gebäudes in der
Südwestecke. Obwohl der Brand weit oben im
14. Stock ausbrach, zog er nach unten weiter bis ins
Erdgeschoss. Aufgrund starker Winde aus südwestlicher Richtung entzündeten sich zusätzlich auch die
Paneele an der Nordostecke des Gebäudes, sodass
das Hochhaus an zwei gegenüberliegenden Ecken
über die gesamte Höhe in Flammen stand. Das Feuer
drang auf vielen Stockwerken in das Gebäude ein,
verursachte direkte und indirekte Feuer- und Hitzeschäden und hinterließ das komplette Hochhaus in
unbenutzbarem Zustand.
Das 72 Meter hohe und 19 Stockwerke umfassende
Hochhaus wurde in der für derartige Gebäude
typischen Stahlrahmenbauweise mit Betonzwischendecken ausgeführt. Die beim Bau unter anderem für
die Außenverkleidung verwendeten Aluminuimpaneele bestanden aus einem etwa zwei bis drei Millimeter dicken Kunstoffkern und waren auf beiden
Seiten von einer einen Mil­li­meter starken Aluminiumdeckschicht umgeben. Diese Sand­wichpaneele reichten an zwei gegenüberliegenden Ecken des Gebäu-
44
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
Aus optischen Gründen wurde die
Außen­fassade des Hochhauses mit Glas
und Aluminiumpaneelen verkleidet.
EnginEEring
Glasfassade
Paneele
1
des über die gesamte Höhe. Der in der Mitte liegende
Kunststoffkern hätte gemäß den Baubestimmungen
schwer entflammbar sein müssen.
Wandverkleidung entsprach nicht den
Anforderungen
Bemerkenswert an dem Schaden ist, dass die als
schwer entflammbar deklarierten Paneele doch
brennbar waren, sowie die hohe Geschwindigkeit, mit
der sich das Feuer ausbreitete. Die brandtechnische
Untersuchung offenbarte, dass die verwendeten
Außenpaneele möglicherweise nicht der geforderten
Baustoffklasse entsprachen. Der Plastikkern innerhalb der beiden Aluminiumdeckschichten brannte
nach seiner Entzündung durch eine externe Quelle
sogar noch selbstständig weiter, verflüssigte sich und
tropfte herunter. Dies ist eine mögliche Erklärung
dafür, wie sich das Feuer auch nach unten ausbreiten
konnte. Das Gutachten stufte die verbauten Sandwichpaneele entsprechend der EU-Brandschutznorm
in die Baustoffklasse E ein. Die ursprünglich vorgesehene Brandhemmung der Paneele war somit vermutlich nicht im spezifizierten Umfang gegeben.
1
1
3
Schnelles Handeln hätte den Schaden gemindert
Diskussionen über den Umfang der Entschädigung
zwischen dem Gebäudeeigentümer als Versicherungsnehmer und dem Versicherer verzögerten die
Sanierung des leer stehenden Hochhauses um
Monate. Das Gebäude wurde vernachlässigt, in allen
Räumen siedelten sich Schimmel und Pilze an, die
entfernt werden mussten. Zudem musste die leer
stehende Immobilie sehr aufwendig ausgetrocknet
sowie den ganzen Winter über geheizt werden, um
Kondensation und erneuten Schimmelbefall zu
vermeiden. Dass eine sofortige Brandsanierung hingegen die Schäden verringert hätte, zeigt das Beispiel
eines Hochhausmieters.
2
1. Vertikale Brandausbreitung nach oben
und unten durch brennend abtropfende
Fassadenverkleidung.
2. Brandausbreitung über das Zwischengeschoss auf die gegenüberliegende
Gebäudeseite.
3. Aufgrund der entflammbaren Fassadenverkleidung vertikale Brandausbreitung auf der
Gebäudeecke, die dem ursprünglichen Brandherd gegenüberliegt.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
45
engineering
Unmittelbar nach dem Feuer beauftragte er ein auf
Brandsanierung spezialisiertes Unternehmen damit,
das Firmeneigentum, wie elektronisches Equipment
und Geschäftsunterlagen, aus den Büroräumen zu
entfernen und wiederher­zustellen. Die schnelle Reaktion des Mieters wurde belohnt, da nahezu alle Daten
wiederhergestellt werden konnten.
Fazit
Ein unwahrscheinlich erscheinendes Szenario und
die Verkettung verschiedener Umstände führten zu
einem großen Gebäudeschaden. Die besonderen
Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Bränden
bei Hochhäusern sind bekannt und wurden vielfach
diskutiert (vgl. hierzu auch die „Schadenspiegel“Ausgaben 2/2006 und 2/2002).
Ein besonderer Aspekt dieses Schadens ist die unvermutete Brandlast der verbauten Sandwichpaneele,
durch die sich das Feuer weit ausbreiten konnte. Um
dies zu vermeiden, sollte bei Großprojekten nicht nur
auf die Auswahl entsprechend klassifizierter Baustoffe geachtet, sondern deren Verwendung stich­
probenartig überprüft werden.
Ein bereits eingetretener Schaden kann durch das
schnelle, aktive und vereinte Schadenmanagement
von Versicherungsnehmer, Versicherer und Rück­
versicherer begrenzt werden. Mithilfe spezialisierter
Unternehmen lassen sich Werte wiederherstellen,
Ausfallzeiten verringern und Kosten reduzieren.
Unverzügliche Schadenminderungsmaßnahmen
liegen im gemeinsamen Interesse aller Beteiligten
und sind in vielen Fällen auch im Versicherungs­
vertrag vereinbart.
UnserE Experten:
Tobias Gassner ist gelernter
Speditionskaufmann und hat
Maschinenbau und Betriebswirtschaftslehre studiert. Seit 2010
arbeitet er für Munich Re im
Bereich Property Claims.
tgassner@munichre.com
Markus Braun ist Brandschutz­
ingenieur. Als Underwrtiter
Property Fakultativ bei Munich Re
ist er zuständig für den Bereich
Süd-Ost Europa.
mbraun@munichre.com
46
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
KOLUMNE
Volkswirtschaft durch die Risikobrille
Solide, aber effizient!
Dr. Michael Menhart, Head of Economic Research von Munich Re
mmenhart@munichre.com
Versicherer sammeln Milliarden an
Prämien ein – und legen das Geld
dann meist sehr konservativ an.
Sollten sie nicht mehr Risiken
eingehen, um höhere Renditen zu
erzielen, die Versicherungsprämien
der Kunden zu senken und die
Wirtschaft durch Investitionen zu
fördern?
Ist das nicht ein ziemlich langweiliges Geschäftsmodell? Wir Versicherer erhalten von unseren Kunden Prämien, legen diese an und zahlen im
Schadenfall. Bei der Kapitalanlage
sind wir meist sehr konservativ. Aber
gerade da spielt doch die Musik,
könnte man argumentieren. Man
muss ja nicht gleich zum Zocker
werden. Dennoch: Würde nicht die
gesamte Volkswirtschaft profitieren,
wenn die Versicherer mehr in „produktives Kapital“ investieren, auch
wenn sie damit ein wenig mehr
Risiko eingehen?
dies entspricht etwa 50 Prozent der
Wirtschaftsleistung der ­EU-Länder.
Versicherer haben daher eine volkswirtschaftliche, aber auch eine
gesellschaft­liche Verpflichtung, verantwortungsvoll mit ihren Kapital­
anlagen umzugehen.
Was heißt dies in der Praxis? Die
origi­näre volkswirtschaftliche Funktion der Versicherungsindustrie liegt
in der Übernahme von Risiken. Ihr
wesentlicher Wachstumsbeitrag
besteht in der Absicherung von Vermögen und Einkommen, was risikoreiche unternehmerische Aktivitäten
überhaupt erst ermöglicht. Zudem
übernimmt die Assekuranz beispielsweise einen Teil der volkswirtschaftlichen Schäden bei Naturkatastrophen.
In regelmäßigen Abständen und je
nach Wirtschaftslage sieht sich die
Versicherungsindustrie mit dieser
Frage konfrontiert. Geht es an den
Börsen für jeden deutlich sichtbar
bergab, werden die Versicherungsunternehmen für ihre konservative
Strategie gelobt. Anders ist es in
Zeiten der Börsengewinne oder der
Unsicherheit. Dann wird häufig
gefragt: Welchen Beitrag zum
Aufschwung leisten eigentlich die
­Versicherer?
Um diese zentrale Funktion erfüllen
zu können, muss sie auch ihr
Geschäftsmodell auf die Passivseite
der Bilanz ausrichten, die ihre
Risiken widerspiegelt, also auf die
Sicherung der Verbindlichkeiten
gegenüber ihren Kunden. Die Kapitalanlagen müssen nach diesen Verpflichtungen ausgerichtet werden
und sind ebenso wie die versicherungstechnische Seite mit Risikokapital zu hinterlegen. Eine risikofreudigere Anlagepolitik, etwa um höhere
Renditen zu erzielen oder um – vermeintlich – das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, ist ökonomisch
nicht effizient:
Zweifellos sind sie wichtige institutionelle Investoren, ihre Bedeutung hat
in den vergangenen 15 Jahren eher
noch zugenommen. Seit 1995 steigt
das Anlagevolumen europäischer
Versicherer um durchschnittlich
mehr als sieben Prozent pro Jahr auf
derzeit mehr als sechs Billionen Euro;
Zum einen wäre es nicht im Interesse
des Unternehmens selbst. Da Versicherer auf der Passivseite der Bilanz
bereits erhebliche Risiken gemäß
ihres Geschäftsmodells eingehen,
würde zusätzliches Risiko auf der
Aktivseite mehr Risikokapital erfordern – aus risikoökonomischer Sicht
wäre also auch bei höherer Rendite
nichts gewonnen.
Zum anderen läge eine solche Strategie nicht im Sinne der Shareholder,
denn mit einer riskanteren Anlagestrategie würde sich das Risikoprofil
in Richtung eines höheren RenditeRisiko-Niveaus verschieben. Ein
Aktionär investiert jedoch in der
Regel nicht deswegen in Versicherungswerte, um (weitere) Kapitalmarktrisiken im Portfolio zu haben.
Aber würden nicht die Kunden profitieren, etwa weil aufgrund höherer
Renditen die Prämien gesenkt werden könnten? Nein. Und auch hier ist
wieder die risikoökonomische Per­
spektive entscheidend, denn die
höheren Kapitalerträge müsste sich
der Versicherer mit zusätzlichem
Risikokapital „erkaufen“.
Die Versicherungsindustrie leistet
also bereits einen elementaren Beitrag zum Wirtschaftswachstum,
indem sie ihre originäre Funktion
erfüllt, die Investitionen und damit
Wachstum erst ermöglicht. Sich
über die Absicherung ihrer Verbindlichkeiten hinaus bei der Kapitalanlage substanziell zu exponieren, ist
volkswirtschaftlich nicht sinnvoll. Die
Versicherer sollten sich auf ihre ori­
ginäre volkswirtschaftliche Funktion
konzentrieren – zum Wohle aller.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
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Großschadenliste 2010–2011
Ölleck in Marshall, USA
Flugzeugabsturz UPS, Dubai
Erdbeben Christchurch, Neuseeland
Von einer beschädigten Pipeline flossen am
26. Juli 2010 hunderttausend Liter Rohöl in
einen Fluss im Süden von Michigan.
Ein Flugzeug vom Typ B747-400 stürzte am
3. September 2010 kurze Zeit nach dem
Start in einen Militärstützpunkt.
Ein Erdbeben der Stärke 7,1 erschütterte am
4. September 2010 die Stadt Christchurch.
Die Behörden erklärten den Ausnahme­
zustand. Es gab keine Todesfälle.
Erdbeben Christchurch, Neuseeland
Erdbeben Japan
Capszising of Jupiter Flotel
Die Stadt Christchurch wurde am
22. Februar 2011 von einem Erdbeben der
Stärke 6,3 erschüttert. Große Teile der
Stadt wurden verwüstet und Hunderte
von Menschen ­verschüttet.
Die Aufräumarbeiten für das verheerende
Erdbeben in Japan am 11. März 2011 dauern
voraussichtlich noch Jahre an.
Die zur Beherbergung von Arbeitern genutzte
Halbtaucher-Plattform sank am 12. April 2011
aufgrund von Wassereinbruch. Die Crew
konnte evakuiert werden.
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MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
grossschäden
Explosion San Bruno PG&E, USA
Feuer IKEA Netanya, Israel
Am 10. Oktober 2010 explodierte eine Erdgas-Pipeline von PG&E und richtete erheblichen Sachschaden an. Darüber hinaus gab
es zahlreiche Verletzte und mindestens
acht Todesopfer.
Ein Brand zerstörte am 5. Februar 2011 die
Ikea-Filiale in Netanya, Israel. Das Feuer
zerstörte das Gebäude sowie sämtliche
Waren, die sich in dem Gebäude befanden.
Telesat Canada – Telstar 14R
Explosion auf Marinestützpunkt, Zypern
Kurz nach dem Start am 20. Mai 2011 konnte
einer der beiden Solargeneratoren des Telekommunikationssatelliten Telstar 14R nicht
vollständig ausgeklappt werden. Infolge der
nun fehlenden elektrischen Leistung sowie
höheren Treibstoffbedarfs und somit kürzerer
Lebenszeit kann nur noch die Hälfte des
geplanten Sendebetriebs durchgeführt
werden.
Am 11. Juli 2011 explodierten auf einem Mari­
ne­­stützpunkt im Süden Zyperns 98 Container
voller beschlagnahmter Waffen, Schießpulver
und TNT. Die Folge waren schwere Schäden
an einem Kraftwerk und einer Entsalzungs­
anlage sowie kleinere Schäden an einem
Zement­werk. Zusätzlich gab es Schäden an
benachbarten Ortschaften, Gewerbebauten
sowie Autos auf einer nahe gelegenen Autobahn.
MUNICH RE Schadenspiegel 2/2011
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