Antik und lebendig

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Antik und lebendig
Conrad Steinmann
Arianna Savall
Luiz Alves da Silva
Giovanni Cantarini
Massimo Cialfi
Melpomen
Altgriechische Musik
neu erforscht und interpretiert
Antik und lebendig
Einführung
Musik aus der griechischen Klassik
des 5. und 6. Jhs. v. u. Z.
Erstmals überhaupt wird durch intensive
Forschung und Rekonstruktion der Versuch
gemacht, die Musik des klassischen Griechenland
neu aufleben zu lassen. Mittels Instrumenten
und deren genuiner Spieltechniken sowie mit
Hilfe der altgriechischen Sprache wird der
musikalische Alltag des antiken Griechenland
wieder hörbar, wenn gleich die ursprüngliche
Musik dieser Zeit für ewig verklungen ist.
Auf dem Weg zum Klang dient als weitere wichtige
Quelle die Sprache der griechischen Lyrik, deren
Eigenheiten mit Akzenten und rhythmischer Bestimmtheit Rückschlüsse auf die Ausformung
der Musik zulassen. Diese Elemente werden
beim Neufinden der Musik in Einklang gebracht
mit der Tonordnung der jeweils verwendeten
Instrumente. Obschon die schliesslich erklingende
Musik von Conrad Steinmann neu imaginiert ist,
so orientieren sich ihre Elemente so nahe wie nur
irgend möglich an den historischen Gegebenheiten.
Seit beinahe 20 Jahren arbeiten der Musiker und
Musikarchäologe Conrad Steinmann und der
Instrumentenbauer Paul J. Reichlin gemeinsam
an der Rekonstruktion von Musikinstrumenten
und Musik der klassischen griechischen Antike.
Das akribische Studium von originalen antiken
Instrumenten in den Museen von London,
Paestum, Kopenhagen, Athen, Korinth, Brauron,
Polygyros und Thessaloniki bilden einerseits die
Grundlage für die rekonstruierten Instrumente
wie auch wesentlich das Auswerten des umfangreichen Bildmaterials von Vasenmalereien aus der
Zeit um 500 v. u. Z.
Der Bárbitos ist ein Saiteninstrument, auf dem sich Sänger
und Sängerinnen bei geselligen Anlässen selbst begleiteten.
Sieben lange Saiten, weit geschwungene Arme und ein
Schildkrötenpanzer als Schallkörper zeichnen seine Bauweise aus.
Die hier verwendeten Instrumente sind auf Grund vorhandener
Fragmente im Museum von Paestum/Italien und auf der Basis von
attischen Abbildungen um 500 v.u.Z. hergestellt. Originalgetreu
sind Materialien und Herstellungsweise.
Liebe und Wein
Programm Melpomen
Musik für ein Athener Symposion
von 450 v. u. Z.
Die Wahl der Texte zu den zwei Themenkreisen
Liebe und Wein ist der Situation eines Athener
Symposions nachempfunden, eines geselligen
Trinkgelages freier Athener Bürger.
Ausgewählte Lyrik der Sängerin Sáppho und ihres
Kollegen Alkaíos – beide von der Insel Lesbos sowie des Anakréon und des Bakchylídes spüren
zunächst der elementaren Kraft der beginnenden
Liebe nach, um sich daraufhin den Freuden des
Weingenusses zuzuwenden. Nach dieser doppelten
Feier des Lebens tauchen die folgenden Lieder
in die Schattenseiten der Liebe mit all ihrer
verwirrenden und zerstörenden Kraft ein. Erstaunt
mag man sein, dass sich die menschlichen
Empfindungen auch nach 2500 Jahren in kaum
einer Weise verändert haben.
Verwirrung ganz anderer Art schildert hingegen
das Gedicht des Archilochos über die historisch
verbürgte Sonnenfinsternis vom 8. April 648
v. u. Z.Das Erlebnis der Nacht mitten am Tag
Der Aulós ist das griechische Blasinstrument schlechthin.
Obschon in verschiedenen Grössen, Stimmungen und
Materialien hergestellt, wurde er stets doppelt geblasen.
Die Spieltechnik folgt heute noch gebräuchlichen Doppel­
instrumenten des Mittelmeerraums (z.B. ägyptischem Arghoul)
mit Zirkuläratmung und Fingerartikulation. Die hier gespielten
Instrumente sind exakte Kopien von erhaltenen Auloí in den
Museen von London (BM), Paestum/Süditalien sowie aus dem
ägyptischen Museum zu Berlin.
wird als bedrohende Wahrnehmensstörung in
poetische Bilder und musikalisch beinahe in
eine Zweistimmigkeit übersetzt. Die Hymne an
den Schlaf als Herrscher über alles Lebendige
bringt schliesslich das Symposion zu einem
versöhnlichen Ende.
Umrahmt und ergänzt sind diese Monodien von
instrumentalen Stücken, denen eine Vielfalt von
Formen und Farben gerecht zu werden versucht.
Bárbitos, Auloí, Seístron und Krótala von Paul J.
Reichlin rekonstruiert. Die Musik zum Programm
ist neu imaginiert von Conrad Steinmann zu Lyrik
von Sappho, Alkaios und Anakreon
Das Ensemble Melpomen
Arianna Savall
Sopran und Bárbitos
Luiz Alves da Silva Altus
Massimo Cialfi Rhómbos, Týmpanon, Krótala und Sálpinx
Conrad Steinmann Aulós, Seístron,
Leitung und Musik
Sieg und Enttäuschung
Programm Olympionikais
Olympionikais, Musik zu Oden des
Pindaros 520 bis 438 v. u. Z.
Das Programm «für die Olympiasieger» stellt
eine musikalische Siegesfeier für athletische
Helden des frühen 5. Jhs. v. u. Z. dar, wie sie
sich am Hofe des Hieron II. von Syrakus hätte
abspielen können.
Der Protagonist ist Hierons Freund, der aristo­
kratische Sänger und Erzähler Pindaros selber, der
sich zur Kithára begleitet. Fragend und kommentierend steht ihm ein Chor von hohen und tiefen
Männerstimmen zur Seite, der überraschend
auchdie Brücke zur Gegenwart, zu heutigen Olym­
pi­schen Spielen, schlägt. Die berühmte Wettkampf­
szene zu Ehren des Patroklos aus Homers Ilias
– eine der raren echten Sportreportagen aus der
Antike – ergänzt Pindars meist philosophische und
mythologische Gedanken. Die «Kantate» endet
schliesslich mit einem Trostlied für alle diejenigen,
die es nicht zu Siegesehren gebracht haben, d.h.
für beinahe alle Teilnehmer an den verschiedenen
antiken Spielen.
Durchsetzt sind die «Olympionikais» von in­stru­
men­talen Tänzen, die von Aulós und vielfältigen
Rhythmusinstrumenten dargereicht werden.
einerseits der originalgetreuen Bekleidung der
Musiker und der Maskierung des Chores folgt, aber
auch Akrobaten und Jongleure, wie sie gelegentlich
auf Vasen der Zeit abgebildet sind, einbezieht.
Bárbitos, Kithára, Auloí, Seístron und Krótala von
Paul J. Reichlin rekonstruiert. Die Musik ist neu
imaginiert von Conrad Steinmann.
Das Ensemble Melpomen
Arianna Savall
Giovanni Cantarini Massimo Cialfi Conrad Steinmann Chor:
Luiz Alves da Silva Beat Mattmüller
Andreas Schmidt Robert Koller Marcos Padotzke
Andreas Schmidt Neben der konzertanten Aufführung gibt es auch
eine szenische Version der Olympionikais, die
Die Krótala sind paarweise gespielte Handklappern
unterschiedlicher Grösse. Sie finden Verwendung
bei Tänzen, oft in Begleitung eines Aulós.
Sie erzeugen einen harten, trockenen Ton,
den spanischen Kastagnetten vergleichbar.
Sopran (Muse) und Bárbitos
Tenor (Pindar) und Kithára
Sálpinx, Týmpanon,
Krótala, Kýmbala
Aulós, Seístron, Leitung und Musik
(solo)
(Altus)
(solo)
(Baryton)
Lebensfreude und Verdruss
Programm Sappho
Sappho und ihre Zeit
Musik aus dem 6. Jh. v. u. Z.
Das Programm geht einerseits den Spuren der
legendären Sängerin Sappho aus Lesbos nach,
entwirft aber auch ein stimmungsmässiges Ge­
mälde des griechischen 6. Jhs. v. u. Z. insgesamt.
Persönlichkeiten mit ihrem unterschiedlichen
«Ich» werden greifbar: Hier ein zwischen Extase
und Verzweiflung schwankende Théognis oder
ein lebensmüder Mímnermos, da der staats­
männische Sólon mit seinen noch stets aktuellen
Gedanken, dort ein Anakréon mit seiner Lebens­
lust und über allen eine Sáppho, die uns mit ihren
intimsten Gefühlen berührt. Begleitet sind diese
Schattierungen menschlicher Vielfalt durch die
aphroditischen Hymnen der selben Zeit, epische
Dichtungen im Stile des Homer.
zu Lyrik von Sáppho, Alkaíos, Anakréon, Sólon,
Théognis und Mimnermos sowie zu homerischen
Aphroditehymnen
Das Ensemble Melpomen
Arianna Savall
Giovanni Cantarini Massimo Cialfi Conrad Steinmann
Eine mediterrane Frauenstimme, ein Sänger und
mit grösster Sorgfalt rekonstruierte Instrumente
der Zeit geben diesen Farben und Rhythmen ihren
faszinierenden Klang.
Bárbitos, Kithára, Krótala und Auloí von Paul J.
Reichlin rekonstruiert; Kýmbala von Markus Uhl.
Die Musik ist neu imaginiert von Conrad Steinmann
Die Kithára, wiederum 7-saitig, ist das Begleitinstrument der
professionellen Sänger. Ein grosser, ausgehöhlter Resonanzkörper
und ein reich bemaltes und verziertes Äusseres zeigen sie
als Luxusinstrument. Die hier gespielte Kithára folgt Abbildungen
attischer Keramik um 500 v.u.Z., die das Instrument von allen Seiten
zeigen. Die Spielweise gleicht derjenigen des Bárbitos, wobei die
rechte Hand ein Plektron bedient,
während die andere die Saiten dämpft oder auch zupft.
Gesang und Bárbitos
Gesang und Kithára
Sálpinx, Týmpanon und
Kýmbala
Aulós, Kýmbala, Seístron, Leitung und Musik
International und preisgekrönt
Ensemble Melpomen
Musikalisches Neuland
Unter der Leitung von Conrad Steinmann widmet
sich das Ensemble Melpomen der musikalischen
Darstellung der griechischen Klassik.
Je nach Projekt setzt sich das Ensemble unter­
schiedlich zusammen. Für das gleichnamige
Programm «Melpomen» sind es eine Sopranistin,
die sich auf dem Saiteninstrument Bárbitos
begleitet, ein Sänger, ein Perkussionist und ein
Aulet, ein Spieler des stets doppelt geblasenen
Aulós. Es kann auch einen Sänger mit seiner
Kithára – einen Kitharoden –, einen Auleten und
einen Chor umfassen wie bei den «Olympionikais»,
den Siegesgesängen des Pindaros, die erstmals
im Anschluss an die Olympischen Spiele 2004
in Athen vorgestellt wurden. Die Mitglieder
des Ensembles stammen aus dem Umfeld des
renommierten Basler Instituts für Alte Musik,
der Schola Cantorum Basiliensis, die mit einem
langjährigen Forschungsauftrag an Steinmann/
Reichlin zum Thema der griechischen Instrumente
die Grundlage für die verschiedenen Programme
geschaffen hat.
Die mit einem «diapason d’or» ausgezeichnete
CD «Melpomen, Musik zu einem Athener
Symposion von 450 v. u. Z.» (Harmonia Mundi/
Schola Cantorum Basiliensis) ist eine erste
klingende Dokumentation.
Conrad Steinmann
Neben seiner Tätigkeit als
Dozent für Blockflöte an der
Schola Cantorum Basliensis,
ist Conrad Steinmann schon
seit Jahren als Musikarchäo­
loge und Aulós-Spieler auf
dem Gebiet der klassischen
Antike tätig. Mit historischem Bewusstsein und
der Intuition eines ausübenden Musikers fügt
er seine Erkenntnisse zu Instrumentarium und
Literatur Griechenlands zu bisher ungehörten
Formen antiken Musikgutes. Ein Stipendium der
griechischen Stavros Niarchos Foundation belohnt
und unterstützt dieses einzigartige Vorgehen.
Als Blockflötist bereist er mit Gruppen wie
dem «ensemble 415», «London Baroque»
oder «diferencias» die ganze Welt. Sein
Engagement für Neue Musik weitet ihm zudem
den Horizont. Zahlreiche ihm zugeeignete
Kompositionen sind inzwischen «Klassiker» des
einschlägigen Repertoires. CDs folgen seinen
musikalischen Erkundungen, zuletzt zu Vivaldis
Blockflötenkonzerten «Giorno e Notte».
Arianna Savall
Als Sängerin und Harfenistin
mediterraner Prägung ist
Arianna Savall prädestiniert,
griechische Lyrikerinnen
wie Sappho im Klang wieder
aufleben zu lassen. Wie diese
begleitet sie sich beim Singen
selber auf Saiteninstrumenten der klassisch
griechischen Zeit, hier dem Bárbitos.
Als Mitglied renommierter Ensembles wie
«Hesperion XXI» oder «Ricercare Consort» ist sie
weltweit tätig und auf unzähligen CDs präsent.
Daneben widmet sie sich der Komposition eigener
Musik («Bella Terra»).
auf einer eigens rekonstruierten Kithára. Er ist
Mitglied verschiedener renommierter VokalEnsembles wie «La Venexiana» mit Musik von
Monteverdi oder dem Ensemble «Gilles Binchois»
unter Dominique Vellard.
Luiz Alves da Silva
Massimo Cialfi
Geboren in Brasilien, widmet
Luiz Alves da Silva sich seit
seinen Gesangs-Studien
an der Schola Cantorum
Basiliensis in Basel vor
allem der Erforschung und
Wiederaufführung der Musik
des kolonialen Brasilien und Portugals. Er führt
diese Musik mit seinem von ihm gegründeten
und in Zürich ansässigen «Ensemble Turicum»
auf. Zahlreiche CDs dokumentieren dieses
Engagement, das er ergänzt durch musikologische
Studien in Lissabon.
Geboren und wohnhaft in
Mailand, ist Massimo Cialfi
nach Studien der historischen
Posaune in Den Haag und in
Basel an der Schola Cantorum
Basiliensis europaweit in
verschiedenen Ensembles
tätig. Daneben interessiert sich Massimo Cialfi
besonders für alte italienische und arabische
Perkussionsinstrumente und deren Techniken.
Dies macht ihn zu einem gern gesehenen Gast in
zahlreichen Konzerten. Im Ensemble Melpomen
spielt er neben der trompetenartigen Sálpinx
die Rhythmusinstrumente Rhómbos, Týmpanon,
Krótala und Kýmbala.
Giovanni Cantarini
Geboren in Rimini, beginnt
Giovanni Cantarini sich
schon vor dem Abschluss
seiner Studien in klassischer
Philologie an der Universität
Bologna mit historischem
Gesang zu beschäftigen.
Vertiefte Gesangs-Studien an der Basler
Schola Cantorum und sein fundierter Zugang
zur griechischen Antike machen ihn zu einem
prädestinierten Sänger auf dem Gebiet der
epischen und lyrischen Musik des archaischen
und klassischen Griechenlands. Im Sinne der
Kitharoden begleitet sich Giovanni Cantarini selber
Impressum
Text: Conrad Steinmann
Bilder: Margrit Müller, Paul J. Reichlin,
Antikenmuseum Basel
Gestaltung: Claudia Wehrli, Winterthur
Druck: Mattenbach AG, Winterthur
Auflage: 300 Exemplare, 2007
Kontakt: Conrad Steinmann
Rychenbergstrasse 56
CH-8400 Winterthur
++41 52 213 94 44
conrad.steinmann@gmx.ch