Erfolgreiche Personalsuche oder: die Macht eines Symbols
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Erfolgreiche Personalsuche oder: die Macht eines Symbols
ServiceToday Erfolgreiche Personalsuche oder: die Macht eines Symbols Immer wieder hört man, dass in Deutschland Fachkräftemangel herrscht, vor allem im technischen Bereich. Trotz der jüngsten Wirtschaftskrise zeichnen sich bereits Engpässe in einzelnen Industriesparten ab. McKinsey hat in einer Studie Arbeitsangebot und -nachfrage in Deutschland analysiert und für 2020 einen Fachkräftemangel von 2 Millionen Personen errechnet. Auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung warnt vor den gravierenden Auswirkungen des Mangels an geeigneten Arbeitskräften. Bis zum Jahr 2025 könnte es einen Rückgang des gesamten Erwerbspersonenpotenzials um 6,5 Millionen geben. Dieser Mangel ist laut den Studien vor allem dem demografischen Wandel geschuldet, da in manchen Berufen mittlerweile zu viele Mitarbeiter in Rente gehen und nicht genügend junge Mitarbeiter nachkommen. Die Unternehmen in Deutschland befinden sich deshalb in einem Wettbewerb um Talente, da es immer schwieriger wird, gut ausgebildete Fachkräfte und erfolgreiche Absolventen einstellen zu können. Diese wissen natürlich um ihren Wert und wählen entWelche Auswirkungen ein Prüfsiegel – wie das des TÜV-SÜD – in Stellenanzeigen auf das Bewerberverhalten haben kann, hat Prof. Dr. Ottmar Braun untersucht. Seite 26 SERVICE TODAY 2/12 sprechend die für sie attraktivsten Arbeitgeber aus. Die Attraktivität eines Arbeitgebers für zukünftige Mitarbeiter lässt sich jedoch nicht nur an der Entlohnung bemessen, sondern auch an Faktoren wie guten Karriereund Weiterentwicklungsmöglichkeiten oder einem interessanten Arbeitsfeld. Auch eine optimale Work-Life-Balance, Teamgeist und eine gute Kommunikationsbasis mit Kollegen und Vorgesetzten sind wichtig. Über all das wüsste ein Bewerber gerne Bescheid, bevor er sich bei einem Unternehmen bewirbt oder einen Arbeitsvertrag unterschreibt. So kann auch sichergestellt werden, dass der Bewerber zum Unternehmen passt, dort zufrieden ist und auch längerfristig motiviert arbeiten wird. Über welche Informationen verfügt beispielsweise ein Hochschulabsolvent im Vorfeld einer Bewerbung? Stellenangebote klingen oft sehr ähnlich und beim Vorstellungsgespräch erfährt ein Bewerber meist nur etwas über die Organisationsstruktur oder über die Arbeitszeitenregelung bei einem Unternehmen. Viele Arbeitgeber erzählen lediglich von den positiven Seiten der Beschäftigung bei ihrem Unternehmen, und das ist auch den Bewerbern bekannt. Deshalb werden die Informationen aus einem Vorstellungsgespräch oft eher vorsichtig behandelt. Glaubwürdiger in den Augen eines Bewerbers ist die Meinung der Mitarbeiter, welche bereits in einem Unternehmen arbeiten. Diese ist jedoch schwer einzuholen, sofern man keinen Mitarbeiter eines Unternehmens persönlich kennt. Selbst wenn man einen oder zwei Mitarbeiter fragen kann, muss man befürchten, dass deren Meinung recht subjektiv ist. Werden dagegen alle Mitarbeiter oder zumindest eine repräsentative Stichprobe befragt, erfährt der Bewerber zuverlässig, wie es tatsächlich um das Arbeitsklima, die Kommunikation mit Vorgesetzten, Karrieremöglichkeiten oder die Work-Life-Balance in einem Unternehmen bestellt ist. Universität Koblenz-Landau) (2009) in Kooperation mit dem TÜV-Süd entwickelt. Der FEMAZU fragt die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Management, den Arbeitsbedingungen und dem Aufgabenfeld, dem Ausmaß an Freiheit und Verantwortungsmöglichkeiten, den Möglichkeiten der Entwicklung und weiteren Dimensionen ab. Erfüllt ein Unternehmen alle Kriterien eines guten Arbeitgebers, kann es vom TÜV-SÜD zertifiziert werden. Das Siegel „TÜV-geprüfte Mitarbeiterzufriedenheit“ kann aber nicht nur ein Argument für die Zusage bei einem Unternehmen sein, wenn ein Bewerber sich zwischen Jobangeboten mehrerer Unternehmen entscheiden kann. Es soll auch potentielle Bewerber überzeugen, sich über- Daher kommt die Idee, dass Unternehmen die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter mit wissenschaftlich fundierten Methoden ermitteln lassen können. Dazu wird eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt, in welcher die oben genannten Faktoren, welche die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber bedingen, erhoben werden. Lautet das Ergebnis einer Mitarbeiterbefragung, dass die Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber zufrieden sind, ist das oft ein entscheidendes Argument für einen Bewerber, sich bei einem Unternehmen zu bewerben, der Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu folgen und eventuell auch einen Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Außerdem kann es dazu beitragen, die aktuellen Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Denn auch sofern das Ergebnis der Mitarbeiterbefragung nur mäßig gut ist, können Maßnahmen in den betroffenen Bereichen ergriffen werden, um die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen. Auf diese Weise kann man verhindern, dass Arbeitskräfte das Unternehmen verlassen, da die Sicherung vorhandener Personalressourcen ebenso wichtig ist wie die Rekrutierung neuer Mitarbeiter. haupt bei einem Unternehmen zu bewerben. Große Unternehmen sind vielen Menschen bekannt und haben deshalb oft mehr Bewerber, aus denen sie auswählen können. Kleine und mittelständische Unternehmen und deren Produkte sind jedoch Absolventen oder Fachkräften, die sich nach einem Arbeitsplatz umsehen, oft unbekannt und werden deshalb bei der Bewerbung vernachlässigt. Insbesondere Akademiker zieht es in Konzerne, da sie dort bessere Karriere- und Verdienstchancen erwarten. Deshalb muss man laut einer Studie von Ernst und Young (2011) in der Kandidatenkommunikation und Positionierung als attraktiver Mittelständler mit Punkten wie Mitarbeiterbeteiligung, persönlicher Nähe, spannenden Innovationsprojekten und Entwicklungsmöglichkeiten Bewerber auf sich aufmerksam machen. Die beglaubigte Zufriedenheit der Mitarbeiter kann ein entscheidender Anreiz sein, sich die Stellenanzeige eines unbekannten Unternehmens noch einmal genauer anzusehen und sich dort tatsächlich auch zu bewerben. Ein Fragebogen zur Erfassung der Mitarbeiterzufriedenheit (FEMAZU) wurde vom Zweitautor (Prof. Dr. Ottmar Braun von der Info eitere Informationen zu W Mitarbeiterbefragungen und zur Zertifizierung der Mitarbeiterzufriedenheit durch den TÜV-Süd erhalten Service Today-Leser bei Prof. Dr. Ottmar L. Braun: niversität Koblenz-Landau U Campus Landau Fortstraße 7 76829 Landau Tel: 06341 . 280-31262 E-Mail: braun@uni-landau.de Internet: www.ifo-landau.de Zur Überprüfung der Wirksamkeit dieser Möglichkeit, potentielle Mitarbeiter auf ein Unternehmen aufmerksam zu machen und zu einer Bewerbung zu überzeugen, wurde eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt. Dafür wurde die Stellenanzei- SERVICE TODAY 2/12 Seite 27 Service Science ServiceToday ServiceToday ge eines fiktiven, im Bereich Lichtsysteme und Elektronik tätigen mittelständischen Automobilzulieferers erstellt. Diese sollte vor allem Absolventen und Young Professionals ansprechen. Nach einer Studie von Ernst & Young (2008) zu den Zielen von Studenten in Deutschland sind einige der wichtigsten Anforderungen von Studenten an ihren zukünftigen Arbeitgeber neben Kollegialität und Jobsicherheit die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Weiterbildungsmöglichkeiten im Unternehmen und das Gehalt. In der Anzeige wurden darum unter anderem ein attraktives Vergütungspaket, karrierebegleitende Personalentwicklung, ein gutes Arbeitsklima sowie flexible Arbeitszeiten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung geboten. Die Anzeige war recht allgemein gehalten, es wurden Absolventen und Fachkräfte aus allen technischen Bereichen gesucht. Was das geforderte Bewerberprofil betraf, waren die wichtigsten Kriterien Eigeninitiative, hohe Einsatzbereitschaft, Teamgeist und soziale Kompetenz. „ „Genauso wie andere Personalmarketingmaßnahmen kann auch die Zertifizierung der Mitarbeiterzufriedenheit ein wichtiger Faktor sein, der darüber entscheidet, wie viele leistungsstarke Mitarbeiter ein Unternehmen akquirieren kann und wie zukunftsfähig es sein wird.“ Prof. Dr. Ottmar L. Braun Arbeitsbereich Psychologie des Arbeits- und Sozialverhaltens Universität Koblenz-Landau INFO: Katja Dlouhy & Prof. Dr. Ottmar Braun, Text Michael Braun, Fotos redaktion@kvd.de Seite 28 SERVICE TODAY 2/12 Um festzustellen, welche Auswirkungen das Siegel „TÜV-geprüfte Mitarbeiterzufriedenheit“ auf die Bewerbungsabsicht hat, blieb eine Hälfte der Anzeigen ohne Siegel, während die andere Hälfte mit dem Siegel und einem kurzen Begleittext versehen wurde. Der Begleittext lautete: „Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung vom TÜV-SÜD geprüft und zertifiziert: Unsere Mitarbeiter/innen sind mit uns und ihrem Arbeitsplatz zufrieden!“. Danach wurde eine Anzeige, entweder mit oder ohne Siegel, randomisiert 65 Studierenden verschiedener technischer Studiengänge des Karlsruher Instituts für Technologie vorgelegt. Diese sollten ihre Zustimmung zu der Aussage: „Ich würde mich bei diesem Unternehmen bewerben.“ zum Ausdruck bringen. Dieser Aussage stimmte weniger als die Hälfte (46 Prozent) der Befragten zu, denen die Anzei- ge ohne Siegel vorlag. Die Befragten, denen die Anzeige mit dem Siegel „TÜV-geprüfte Mitarbeiterzufriedenheit“ vorgelegt wurde, schätzten das Unternehmen dagegen deutlich positiver ein. Der Aussage „Ich würde mich bei diesem Unternehmen bewerben“ stimmten hier 75 Prozent der Befragten zu. Diese Untersuchung zeigte, dass es hinsichtlich der Bewertung des Unternehmens signifikante Unterschiede (p<.05) zwischen den beiden Bedingungen gab. Die Anzeige mit dem Siegel „TÜV-geprüfte Mitarbeiterzufriedenheit“ erschien einer großen Mehrheit der Befragten attraktiver und verstärkte deren Absicht, sich bei einem unbekannten Unternehmen zu bewerben. In der Stellenanzeige bot das Unternehmen seinen Arbeitnehmern eine karrierebegleitende Personalentwicklung, flexible Arbeitszeiten und Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Dies wurde als glaubwürdiger wahrgenommen, wenn das Siegel in der Stellenanzeige enthalten war. War das Siegel nicht Teil der Anzeige, bewerteten die Befragten das Unternehmen als weniger attraktiven Arbeitgeber. Die Absicht, sich bei dem Unternehmen zu bewerben, war bei deutlich weniger Befragten vorhanden. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass die geprüfte Mitarbeiterzufriedenheit großen Einfluss bei der Entscheidung eines Bewerbers für ein Unternehmen haben kann. Genauso wie andere Personalmarketingmaßnahmen kann auch die Zertifizierung der Mitarbeiterzufriedenheit ein wichtiger Faktor sein, der darüber entscheidet, wie viele leistungsstarke Mitarbeiter ein Unternehmen akquirieren kann und wie zukunftsfähig es sein wird. Literatur: Brücker, Herbert. (2010). Zuwanderungsbedarf und politische Optionen für die Reform des Zuwanderungsrechts. Hintergrundpapier des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Nürnberg. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. (2009). Studenten in Deutschland 2009. Was sie bewegt. Wohin sie wollen. Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. (2011). Talent Management im Mittelstand –mit innovativen Strategien gegen den Fachkräftemangel. McKinsey & Company. (2010). Studie Wettbewerbsfaktor Fachkräfte: Strategien für Deutschlands Unternehmen. Anmerkung zu den Literaturangaben: Die Studien von Ernst&Young sowie McKinsey&Company stehen auf den jeweiligen Websites als pdf-Dateien zum kostenlosen Download bereit.