Das HVBE-Dossier 1
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Das HVBE-Dossier 1
HVBE März 2006 Heimverband Bern VaHS - Bern INSOS-Bern Tradition und Verbindlichkeit Unter Tradition verstehen wir im Allgemeinen den Vorgang, etwas so zu tun, wie es die Menschen vorhergehender Generationen getan haben. Inwiefern kann eine Tradition Verbindlichkeit beanspruchen? Und wie kann eine Tradition bewahrt werden? Kurt Schori erläutert diese im Zusammenhang mit Traditionen zentralen Fragen und präsentiert interessante Erkenntnisse. PD Dr. Kurt Schori ist Theologe und Religionswissenschafter. Er lehrt und lebt in Bern. Rudolf Bultmann, ein berühmter Theologe des letzten Jahrhunderts, bestimmte Tradition als weitergegebene Erinnerung an die Vergangenheit. Im Allgemeinen werden wir dazu neigen, unter Tradition den Vorgang zu verstehen, etwas so zu tun, wie es unsere Väter oder Mütter getan haben, und sich an das zu halten, was sie gelehrt haben. Zum Wesen der Tradition gehört der Wunsch nach historischer Kontinuität, das Wissen, dass wir ohne die Erfahrungen und Erkenntnisse vorhergehender Generationen nicht sein könnten und die Einsicht, dass wir die Geschichte der Menschheit nicht von vorne beginnen können. Wenn eine Tradition diskussionswürdig wird, dann deshalb, weil uns entweder ihre Berechtigung fragwürdig geworden ist, oder weil wir sie im Gegenteil zu wenig beachtet sehen. Ihre Verbindlichkeit lässt nach, sie wird uns oder anderen fragwürdig. Eine Tradition, die nicht in Frage gestellt ist, löst keine Diskussionen aus, sie erscheint niemandem fragwürdig, wird oftmals kaum bemerkt. Sie organisiert das Zusammenleben, setzt Akzente und wird befolgt, manchmal ohne dass den teilnehmenden Menschen bewusst wird, dass sie in einer Tradition stehen. Wir feiern Geburtstage, und niemand stört sich daran; wir bearbeiten Materialien, weil «man es so macht», wir fällen Urteile, weil wir nicht anders können. In diesem Sinne könnte man auch davon sprechen, dass Tradition praktisch identisch ist mit der Kultur, in der wir leben. Wir gehören einer bestimmten Kultur an, und im Rahmen dieser Kultur haben wir gelernt, wie «zu leben ist»: wir essen mit Messer und Gabel, wir grüssen uns mit einem Händedruck, wir feiern unsere Geburtstage und andere Jahreszeitenfeiern wie Weihnachten oder Ostern, wir bearbeiten Stein oder Eisen auf diese oder jene Weise. Das alles ist Tradition. Wenn Traditionen zur Diskussion stehen, dann meistens im Hinblick auf die Frage ihrer Verbindlichkeit. Inwiefern kommt einer Tradition oder bestimmten traditionellen Formen, Verhaltensweisen oder Texten Verbindlichkeit zu? Inwiefern kann eine Tradi- Editorial Alter Wein in neuen Schläuchen? Diese Metapher ist wohlbekannt und begegnet uns in diesem Heft im Artikel von Kurt W. Meier. Bleiben wir doch kurz dabei: Mit der zweiten Ausgabe des HVBE Dossiers überreichen wir Ihnen quasi einen neuen Schlauch. Sein Inhalt ist – wie man heute in der Fachsprache der Winzer sagt – eine Assemblage. Also ein Mix von neueren und auch älteren Provenienzen. Mit dem Motto «Tradition und Verbindlichkeit – Werte wahren durch Veränderung?!» greift die Dossier-Redaktion, zusammen mit den Autorinnen und Autoren der Beiträge dieser Nummer, ein spannendes und immer wieder hoch aktuelles Thema auf. Dr. theol. Kurt Schori hat zum Thema «Tradition» eine wissenschaftliche Abhandlung geschrieben und diese für uns der Dimension eines Leitartikels angepasst. Dafür danken wir ihm herzlich. Im Gegensatz zum HVBE-Info, welches die Aufgabe eines aktuellen News-Letters zu erfüllen hat, darf das HVBE-Dossier weit mehr. Da es thematisch nicht unter Zeitdruck steht, soll und kann es «entschleunigend» wirken. Es werden darin Themen aufgegriffen, die latent präsent sind. Sorgfältig recherchierte Beiträge sowie ausge- leuchtete und aufgedeckte Hintergründe gestatten tiefgründigeres Informieren. Der Heimverband Bern HVBE freut sich, Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, das zweite Dossier in seinem neuen Kleid zu überreichen und wünscht Ihnen damit viel Vergnügen und eine interessante Lektüre. Johannes Schwarz, Geschäftsführer HVBE tion so etwas beanspruchen? Und mit welchen Gründen kann auf der anderen Seite ihre Verbindlichkeit in Frage gestellt werden? Und für wen kann diese Verbindlichkeit in Frage gestellt werden? Zugespitzter noch stellt sich dieselbe Frage in allen pädagogischen Kontexten. Denn hier entscheiden oft Erwachsene über die Kindern zugemuteten oder zur Verfügung gestellten Traditionen. Es gibt dabei immer wieder Situationen, in welchen bestimmte Traditionen in Misskredit geraten – so etwa die Tradition der Körperstrafe oder überhaupt des Strafens; es gibt aber ebenso auch immer wieder Situationen, in welchen auf eine bestimmte Tradition zurückgegriffen wird, die lange Zeit nicht in Mode war – etwa auf die Tradition der Reformpädagogik. Und es gibt insbesondere auch immer wieder den Streit um Traditionen, um ihre Fragwürdigkeit, um ihren Wert und um die jeweiligen Begründungen für das eine oder andere. In den allermeisten Fällen oder Situationen aber besteht die Tätigkeit des Pädagogen/der Pädagogin doch darin, die Kinder mit bestimmten Traditionen vertraut «Im Herbst (05) wird bei uns darüber abgestimmt, ob alle Geschäfte in den grösseren Bahnhöfen und in den Flughäfen am Sonntag geöffnet sein dürfen und Arbeit somit am Tag des Herrn zulässig ist. Eine ökumenische Arbeitsgruppe diskutiert, ob der Sonntag offizieller Ruhetag bleiben soll» (Ref. Presse 15 / 15. April 2005, S. 5) – so berichtete in diesem Zusammenhang die Reformierte Presse. Mit grösster Selbstverständlichkeit begründen viele Interessenvertreter die Ablehnung der zusätzlichen Ladenöffnungen am Sonntag mit dem Hinweis auf die Bibel und meinen damit, dass dort die Sonntagsruhe geboten sei. Gemeint sind ebenfalls die 10 Gebote. Aber die 10 Gebote, auf die man sich in diesem Falle beruft, sind nicht diejenigen, die wir im 2. und 5. Buch Mose finden, sondern allenfalls die 10 Gebote in Luthers Katechismus. Dort ist nämlich allgemein von der Heiligung des Feiertags die Rede – und so auch des Sonntags. In der Bibel aber ist von der Sabbatruhe die Rede und nicht von der Sonntagsruhe – und das ist in mehrerer Hinsicht nicht dasselbe. sich für die meisten Christen und Christinnen dann das Feiertagsgebot mit der Pflicht zum Besuch des Sonntagsgottesdienstes verknüpft hat – und es kann ebenso nicht wundern, dass in Umfragen gerade dieses der 10 Gebote als das am wenigsten zeitgemässe benannt wird – wegen des sonntäglichen Kirchgangs und nicht wegen der «Sabbatruhe». Vom Streit um Tradition Beispiel: Sonntag «Eine der unumstrittensten Traditionen und zugleich eine, die unser alltägliches Leben massgeblich und tiefgreifend bestimmt, ist der Sonntag zusammen mit dem Rhythmus unserer Woche. Woher stammt diese Tradition? Welche Verbindlichkeit kommt ihr zu? Um welchen Wertestreit geht es dabei? In drei Evangelien wird die Szene erzählt, in welcher Jesus mit seinen Jüngern am Sabbat Ähren liest. Er wird daraufhin von jüdischen Gelehrten angegriffen, weil er sich nicht an die Tradition halte. Die jüdischen Gelehrten können sich dabei auf eine gewichtige Tradition berufen, nämlich auf die 10 Gebote, in welchen steht, dass der Sabbat geheiligt werden solle und dass an diesem Tag alle Arbeit ruhen solle. Darüber setzt sich Jesus mit seinen Jüngern hinweg. Eine ganze theologische Tradition hat aufgrund dieser und ähnlicher Szenen Jesus als einen grossen Traditions- und Kultkritiker verstanden, ohne zu beachten, dass Jesus für die Begründung seines Verhaltens ebenfalls das Alte Testament zitiert. Bei der Frage nach dem Bezug auf eine Tradition geht es offenbar auch um Genauigkeit, eine Einsicht, die es nicht immer leicht hat, sich Geltung zu verschaffen. Das Beispiel steht für vieles: Man beruft sich auf die Bibel, aber man meint dann nicht das, was in der Bibel steht, sondern etwas, das sich daran anlehnt und was daraus in der kirchlichen Tradition geworden oder gemacht worden ist. Manchmal ist es auch nur das, wovon man gerne hätte, dass es in der Bibel stünde. In Luthers kleinem Katechismus lautet das Gebot folgendermassen: Du sollst den Feiertag heiligen … Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten, sondern dieselbigen heilig halten, gerne hören und lernen. Hier hat das Gebot der Sabbatruhe eine interessante Wendung genommen. Unter dem von Luther gegebenen Vorzeichen kann es nicht wundern, dass Im biblischen Sabbatgebot ist vom Gottesdienst oder von einer Begehung des Gottesdienstes nicht die Rede, auch nicht von Gebeten, Predigten, Opfern, Synagogenbesuchen oder Ähnlichem. Inhalt und Ziel des biblischen Gebotes sind die Unterbrechung der Arbeit und die gemeinsame Ruhe. Zwischen Bibel und Katechismus sind also mehrere Verschiebungen geschehen. Es kann also nicht einmal davon die Rede sein, dass die zehn Gebote von Christen und Christinnen für verbindlich gehalten werden. Wenn wir uns um Traditionen und um ihre Gültigkeit streiten, dann steht in Wirklichkeit immer das zur Diskussion, was wir für ein gutes, gelungenes und sinnvolles Leben halten – und zwar im Zusammenhang einer konkreten Frage, einer Situation, einer politischen oder historischen/wissenschaftlichen Debatte. Hinter den Interessengruppen zur Verlängerung (bzw. Ablehnung der Verlängerung) der Ladenöffnungszeiten stehen unterschiedliche Konzepte eines gelungenen Lebens. Deshalb ist die Debatte um Traditionen die nie endende Fortführung der Debatte um das, was wir mit unserem Leben, das ein Leben in Gemeinschaft ist, wollen, und worin wir es für uns und andere in Erfüllung gehen sehen. Die politische Debatte ist eine religiöse Debatte, ebenso wie die religiöse eine politische Debatte ist. HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 2 zu machen, und sie setzen sich mit Vehemenz für die von ihnen bevorzugten oder favorisierten Traditionen ein. Wie verbindlich sind also Traditionen? Das Bewahren von Tradition Neben der Frage nach der Verbindlichkeit gibt es noch eine andere zentrale Frage im Zusammenhang mit Traditionen: die Frage danach, wie eine Tradition bewahrt werden kann. Das Problem, das durch die Frage nach der Bewahrung einer Tradition entsteht, ist vielleicht sogar noch grösser als das Problem, das durch die Frage nach der Verbindlichkeit entsteht. Traditionen sind uns in Formen überliefert. Das gilt für Texte ebenso wie für Rituale und ganz einfache Formen des Verhaltens, die unser Zusammenleben regeln. Jedoch bedeutet die Kopie dieser Formen nicht die Erhaltung und Bewahrung einer Tradition. Wenn wir ein zweites Mal dasselbe zu einer bestimmten (An)Gelegenheit sagen, dann ist es in Wirklichkeit nicht mehr dasselbe wie beim ersten Mal, ja oftmals wird es durch die neue Situation in sein Gegenteil verkehrt. Wenn wir eine Feier, die wir beim ersten Mal als treffend und hilfreich erlebten, ein zweites Mal durchführen, dann wird sie unter Umständen schal und fade. Wir kennen diesen Effekt von unserem Gefühl, dass traditionelle Formen leer werden können, dass sie zu Hülsen verkommen, die wir einfach durchführen, aber die uns nichts mehr bedeuten – eine Erscheinung, mit welcher die Kirchen zu kämpfen haben. Der Grund für diese Erscheinung ist der, dass die Kopie keine Garantie für das Bewahren einer Tradition ist. Historische Kontinuität kann nicht durch das Festhalten an Formen gewährleistet werden; Kopie und Wiederholung sind nicht dazu geeignet, Traditionen zu bewahren. Viele Rituale werden in unterschiedlichen Konfessionen und Religionen gleich oder ähnlich durchgeführt, und ihre Bedeutung kann höchst verschieden sein. Überhaupt keine äusserlichen Formen können Kontinuität herstellen; sie bieten keine Gewähr dafür, dass Einsichten und Erfahrungen wirklich erhalten bleiben. Darum besteht eine wichtige Frage darin, worin die Identität einer Tradition besteht und wie sie kontrolliert werden kann. Woran können wir so etwas überhaupt messen? In vielen Fällen ist deshalb der Wunsch nach Veränderung ein Wunsch nach Kontinuität. Die Tatsache, dass uns eine Form suspekt geworden ist, bedeutet noch keinen Traditionsabbruch – er bedeutet oftmals den Wunsch nach Wiederherstellung historischer Kontinuität. Das Unbehagen einer Tradition gegenüber signalisiert eine Differenz zwischen unserem Verständnis von menschlicher Existenz und der Form und Wirkung dieser Tradition. Diese Zuspitzung zeigt uns auch, welches eigentlich der Akt der Tradierung ist: er besteht im aktuellen Entscheid für das, was wir durch unser Verhalten, Reden oder Behaupten zur Geltung bringen möchten. Tradition steht niemals im Gegensatz zur eigenen Stellungnahme, sondern wird durch diese fortgesetzt. Und der Streit um Traditionen wird geführt und entschieden durch unsere aktuelle Suche, unsere Diskussionen und unseren Kampf um Werte und Verhaltensweisen. Zu sagen, dass uns das Überlieferte nicht interessiere, käme auf dasselbe heraus, als würden wir sagen, dass uns das Leben, die Erfahrungen und die Einsichten der uns vor- angegangenen Generationen nicht interessieren würden – dies obwohl nur ihre Erfahrungen, ihre Sorge und ihre Suche für uns dazu geführt hat, dass wir selber Menschen geworden sind. Die Frage der Tradition ist: Was gilt es zu erhalten? was preiszugeben? was zu modifizieren? Eine Entscheidung in dieser Frage enthält immer eine Stellungnahme für das, was man erhalten will – und gegen das, was man preisgeben will. Ob wir sagen: «Unsere Väter haben es so getan und darum tun wir es jetzt auch so», oder ob wir im Gegenteil sagen: «Unsere Väter haben es so getan, darum tun wir es jetzt anders» – ist für das Problem der Tradition unerheblich. In beiden Fällen haben wir es mit einer Entscheidung zu tun. Wir können daraus folgern: Das Kriterium der Tradition ist nicht das Beibehalten einer Folklore, sondern – um es formal zu bezeichnen – das Gute, das wir erkennen müssen und für welches wir uns zu entscheiden haben. Darum schreibt Paulus in 1. Thess 5,21: Alles aber prüfet, das Gute behaltet. Dieser Prüfungsvorgang ist die Überlieferung. Der Akt des Tradierens vollzieht sich im Entscheiden. Inhalt Editorial: Alter Wein in neuen Schläuchen? Tradition und Verbindlichkeit Vom Streit um Tradition Beispiel: Sonntag Tradition Herbstausflug Wie neu ist Neues? Zwischenruf: Traditionen – Werte wahren durch Veränderung 1 1 2 4 6 7 Verbindlichkeit von Werten im Veränderungsprozess 8 Von Tradition, Veränderung und Wertebasis im Tabor 9 Werte vertreten in Zeiten der Veränderung 10 Tradition und Verbindlichkeit. Werte wahren durch Veränderung?! 11 HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 3 Tradition Herbstausflug Die Kontinuität einer Tradition wird nicht allein durch die Wiederholung von Ritualen gewährleistet. Es braucht eine Reflexion, welche die früheren Einsichten für die aktuelle Zeit auslegt und bedeutsam macht. Reflexionen zur Tradition des Herbstausflugs von Charlotte Gruner. Charlotte Gruner hat Heilpädagogik, Pädagogik und Psychologie an den Universitäten Fribourg und Bern studiert. Sie leitet das Zentrum für Entwicklungsförderung und pädiatrische Neurorehabilitation Z.E.N. der Stiftung Wildermeth in Biel. Seit 1977 werden alle Herbstausflüge mehr oder weniger ausführlich dokumentiert. Eine Tradition organisiert das Zusammenleben und setzt Akzente, schreibt Kurt Schori. Das trifft auf den Herbstausflug zu: Er ermöglicht, nebst anderen Anlässen wie z.B. der Herbsttagung oder dem neu ins Leben gerufene Dienstags-Apéro-Gespräch, dass die Mitglieder des Heimverbands Bern zusammentreffen können. Und er setzt einen Akzent im Jahresverlauf, jeweils an einem Donnerstagnachmittag im Herbst. Die Tradition des Herbstausflugs gibt es seit vielen Jahren. Dadurch entspricht sie dem Wunsch nach Kontinuität. Horneggli im Saanenland, Feriendorf Twannberg, Moléson im Greyerzerland, Kirche Amsoldingen, Kulturmühle Lützelflüh und Gotthelf, Schloss Burgdorf und Pestalozzi, Kunstmuseum Bern, Murtensee, Klosterkirche St. Urban, Schloss Thun, Pilgerweg Schwarzenburg-Heitenried, Windkraftwerk Mont Crosin … Das ist nur eine kleine Auswahl der Ausflugsziele, und die Liste im Ordner der Geschäftsstelle bestätigt es: Der Herbstausflug ist eine langjährige Tradition des Heimverbands Bern bzw. des Verbands bernischer Heimleiter, wie der Verband früher hiess. Ins Leben gerufen wurde diese Tradition im Jahre 1948, im Gründungsjahr des Verbands. Beim Heimverband Bern hat die Tradition des Herbstausflugs bisher noch nie zur Diskussion gestanden. Das Dossier bietet die Gelegenheit, sie jetzt einmal zu begutachten. Es geht mir dabei nicht um die Frage, ob der Herbstausflug noch seine Berechtigung hat, sondern um eine Überprüfung im Sinne von Kurt Schori: Ich stelle die Frage, ob wir die Einsichten und Haltungen, wie sie ursprünglich in die Tradition des Herbstausfluges hineingetragen wurden, heute noch als Wahrheit, als gut erkennen können und uns bewusst dafür entscheiden wollen. Es waren mehrere Einsichten, die vor vielen Jahren zur Einführung eines Herbstausfluges führten: $ Ein regelmässig stattfindender Anlass schafft die Möglichkeit für das gesellige Beisammensein aller Leiterinnen und Leiter im Kanton Bern. $ Die Geselligkeit (Natur erleben, Gespräche führen, gemeinsam essen und trinken) wird ergänzt und bereichert durch ein oder mehrere kulturelle Angebote. $ Der Anlass führt Leiterinnen und Leiter aus verschiedenen Heimkategorien (Altersheime, Kinder- und Jugendheime, später Erwachseneninstitutionen) sowie aus allen Regionen des Kantons zusammen. $ Die pensionierten Leiterinnen und Leiter – die so genannten Veteranen – dürfen an diesem geselligen Beisammensein teilhaben. Wie haben sich diese Einsichten in der Tradition des Herbstausflugs im Verlaufe der Zeit niedergeschlagen? Meine Analyse der Herbstausflüge von 1977 bis 2004 ergibt folgendes Bild: HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 4 Seit 1977 fand jedes Jahr ein Herbstausflug statt, jeweils am Donnerstag, bis 1979 Anfang September und ab 1980 Ende August. Mit einer Ausnahme (1977) begann der Ausflug jeweils zu Beginn des Nachmittags und dauerte bis in den Abend hinein. Ein Apéro und ein gemeinsames Nachtessen bildeten den Abschluss, zweimal wurde zudem noch zum Tanz aufgespielt. Die Ausflugsorte verteilen sich auf alle Regionen des Kantons Bern. Am häufigsten führte der Herbstausflug in die Region Bern sowie Richtung Thun und Emmental, doch es wurden auch immer wieder Orte in den so genannten Randregionen auserwählt. Bei den kulturellen Angeboten steht die Besichtigung der Schlösser im Kanton Bern an erster Stelle. In Augenschein genommen wurden auch Kirchen, Museen und Kulturstätten aus früherer Zeit (Kulturmühle Lützelflüh, Jakobsweg u.a.). Meistens wurde, passend zum Kulturobjekt, ein Vortrag angeboten. Einmal stand ein Theaterstück (Der Raubritter von Koppigen) und einmal ein Film (Pestalozzis Berg) auf dem Programm. Musikalisch wurde Klassik, Tanzmusik und Berner Chansons (Troubadours) angeboten. Kultur als Angebot wurde auch im weiteren Sinne verstanden. Dreimal war der Herbstausflug mit dem Besuch eines industriellen Betriebes verbunden (Camille Bloch, Windkraftwerk Mt. Crosin, Tabakindustrie in Lurtigen), und mehrmals besuchten die Teilnehmenden eine kantonale Institution aus ihren Reihen. dersetzung fokussierte fast durchwegs auf die Vergangenheit, selten auf die Gegenwart oder die Zukunft. Ich gehe mit Kurt Schori einig: Die Kopie der Form garantiert nicht, dass frühere Einsichten und Wahrheiten bewahrt werden. Die Wiederholung von Ritualen kann die gewünschte Kontinuität nicht leisten. Es braucht eine Reflexion, welche die früheren Einsichten für die aktuelle Zeit auslegt und bedeutsam macht. Meine Reflexion zur Tradition des Herbstausflugs lautet: Die Tatsache, dass die Mitglieder des Heimverbandes Bern einmal pro Jahr das gesellige Zusammensein pflegen, finde ich sehr wertvoll. Das finden andere offenbar auch, sonst hätte diese Tradition nicht seit Jahren Bestand. Die Gestaltung unseres Herbstausflugs ist aus meiner Sicht jedoch erneuerungsbedürftig. Die bisherige Form hat den Reichtum an Ideen zu wenig berücksichtigt und ist dadurch im Laufe der Zeit einseitig geworden. Geselligkeit kann in so vielen Variationen gepflegt werden! Der Zug zum Beispiel ist ein wunderbares Fortbewegungsmittel, denn da lässt es sich vortrefflich palavern oder einen Jass klopfen. Auch gemeinsame Wanderungen bieten eine ideale Möglichkeit, mit Kolleginnen und Kollegen vertieft ins Gespräch zu kommen. Zur Abwechslung eignen sich Aktivitäten, die uns in Bewegung bringen: Velofahren, Nordisch Walking, Schneeschuhwandern, Volleyball spielen und anderes mehr. Dabei kann es durchaus verschiedene Angebote für verschiedene Bedürfnisse geben. Das kulturelle Angebot setzt neue Akzente mit A capella, einer Artistentruppe oder mit einem aktuellen Film («Rhythm is it!»). Und ein Déjeuner sur l’herbe, ein Buffet canadien oder ein Apéro riche sind attraktive Alternativen zum Nachtessen im Restaurant. Seitdem die Tradition des Herbstausfluges ins Leben gerufen worden ist, hat sich einiges verändert: Durch den Wandel in der Heimlandschaft gehören dem Verband heute eine grosse Anzahl unterschiedlichster Institutionen an. Eine variantenreiche Tradition ist die beste Grundlage, damit möglichst viele Mitglieder die Gelegenheit zum geselligen Beisammensein wahrnehmen. Die Frage der Tradition ist: Was gilt es zu erhalten? was zu modifizieren? was preiszugeben? Ich schlage vor: Setzen wir unsere Tradition fort, indem wir Antworten auf diese Fragen suchen – z.B. mittels einer Umfrage – , das Gute behalten und uns mutig für Neues entscheiden. Das wichtigste Fortbewegungsmittel beim Herbstausflug: der Car! Ein einziges Mal brachte der Zug die Reisenden zu ihrem Ausflugsziel (ganztägiger Ausflug ins Saanenland mit Wanderung auf das Horneggli). Ab und zu wurde die Reise mit einer Schifffahrt oder Spaziergängen aufgelockert. Die Zusammenfassung meiner Analyse: Die Tradition des Herbstausflugs hat ihre Form zumindest seit 1977 bewahrt. Zeitpunkt und Ablauf sind über all die Jahre gleich geblieben. Die Ausflugsziele und die damit verbundenen kulturellen Angebote sind auf den ersten Blick vielfältig. Beim genauen Hinsehen lassen jedoch auch sie eine gleich bleibende Tradition erkennen: Es sind vor allem historische Kulturstätten, welche gewürdigt wurden. Die kulturelle AuseinanHVBE-Dossier / März 2006 / Seite 5 Wie neu ist Neues? Wollen wir die Last einer 40-jährigen Pionierphase mitschleppen? Oder konsolidieren wir nun, was schon lange hätte konsolidiert werden müssen? Wandel baut nicht Neues aus Neuem – er modelliert Altbekanntes und gestaltet eine neue Erscheinungsform. Kurt W. Meier, Leiter der Behindertenwerke Oberemmental in Langnau und Präsident INSOS Schweiz meint: Erneuerung und Anpassung hat wohl die längste Tradition aller Traditionen. Die einzige Konstante ist der Wandel! Ist Neues wirklich neu? Die Autobahnen durch die Alpen sind neu. Verkehrswege über die Alpen als Mittel für militärische und wirtschaftliche Zwecke haben Tradition. Das Meiste, was ich kreiere, gestalte, auf- und ausbaue, anpasse, anders ordne und organisiere, ist nicht neu, basiert auf überliefertem Wissen. Nur lege ich mir selten Rechenschaft darüber ab. Ich verbinde den Begriff der Tradition gerne mit Folklore, Festhalten an Althergebrachtem, mit Widerstand gegen Neues und gegen Veränderung. Verbinde ich nicht mit Tradition Werturteile wie verstaubt, altmodisch, eingemottet, passiv, in Form von Folklore mit unterhaltsam, lustig, nett, farbig und gut für den Ochsensaal? Dabei hat die stete Erneuerung und Anpassung wohl die längste Tradition aller Traditionen. Die einzige Konstante ist der Wandel! Und dieser Wandel baut nicht Neues aus Neuem, Wandel modelliert Altbekanntes, gestaltet die Erscheinungsform etwas anders. Alter Wein in neuen Schläuchen eben. jage ich? Wie komme ich zu meiner Fellkleidung? Wie baue ich mir ein Haus und wie mache ich mir ein Feuer ohne dieses Wegwerffeuerzeug? Die zivilisatorische und kulturelle Menschheitsentwicklung ist kaum linear verlaufen; sicher aber nicht von unten nach oben, gleichsam Sprosse um Sprosse auf angestellter Leiter. Unsere Probleme sind relativ Die Kantonalisierung (NFA) überträgt die Finanzierung der Behinderteninstitutionen vom Bund an die Kantone. Das bedeutet für uns – einem kleinen und unbedeutenden Teil unserer Gesellschaft – eine ziemlich grosse Umgestaltung, verbunden mit erheblichen Unsicherheiten. Wir müssen unsere Verbände organisatorisch den föderalistischen Strukturen anpassen. Wir wollen darauf hinwirken, dass möglichst nicht 26 Finanzierungsmodelle aus dem Boden schiessen. Wir wollen verhindern, dass ein hoher Qualitätsstandard in der Begleitung und Förderung von Menschen mit geistiger und körperlicher Behinderung abbröckelt und ausgedünnt wird. Wir wollen auch nicht stagnieren, unsere Aufgabe weiter entwickeln können. Und da ist noch die reale Gefahr, die vom Neoliberalismus aus- geht: Für das wirtschaftliche Fortkommen dieser Nation ist unser Aufwand nicht nötig, ist unsere Aufgabe kaum mehr Wert als ein verbales Feigenblatt. Für uns hat unsere Aufgabe eine andere Bedeutung: Sie ist Teil unserer sozialen Wohlfahrt und wichtig für den sozialen und geistigen Frieden, für die Menschlichkeit und Fürsorglichkeit, auf die wir Schweizer uns etwas einbilden. Den Dachboden aufräumen Nach dieser langen Vorbereitung komme ich zum Kern meiner Fragen: In den letzten 40 Jahren hat sich in der Finanzierung der Institutionen eine bewährte Tradition herausgebildet. Was ist davon gut, brauchbar und es wert, bewahrt zu werden? Wir haben aber auch eine vierzigjährige Pionierphase durchlaufen, die längst einer Konsolidierung bedürfte, die zu unerklärbaren, unlogischen und ungerechten Ungleichheiten geführt hat. Wollen wir das auch konservieren? Die Forderung ist einfach: Trennen wir Wo bleibt die Wertschätzung? Wenn ich verstehen will, woher die Missachtung des Altbekannten rührt, dann frage ich, wie ich mich in der Gegenwart sehe und beurteile: Tue ich nicht so, als wäre ich der Erste und Einzige, der auf dem Kamm der Welle reiten kann? Meine ich nicht verwegen, ich sei mit meinen Zeitgenossen der gegenwärtige End- und Höhepunkt der menschlichen Entwicklung, die vor zwei Millionen Jahren ihren Anfang genommen hat mit Ahnen, die sich noch gegenseitig lausen mochten und die mit primitivsten Werkzeugen ihr Dasein bewältigten? Nachgedacht und eingefühlt: Würde ich, die Zeit bereisend, bei diesen Vorfahren stranden: Vermöchte ich mit ihnen mitzuhalten? Wie HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 6 die Spreu vom Weizen! Oder: Die Guten (Regeln) ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! Nicht das Was, sondern das Wie macht es uns schwer. Unsere Köpfe sind nicht frei. Wir sind verhaftet in der Tradition, haben oft weder Kraft noch Geduld, offene Fragen stehen zu lassen und vertrauensvoll abzuwarten, dass die Antwort später sich zeigen wird. Mut zur Entrümpelung Je mehr Interessierte jedoch bei einer solchen Entrümpelung mitwirken, desto weniger Ware wird schliesslich entsorgt, selbst wenn keine Messies dabei sind. Unsere «Ware» ist nicht materieller Natur. Wir müssen uns entscheiden. Unsere Köpfe sind nicht frei. Die Projektgruppe arbeitet. Wollen wir nackt starten? Wollen wir die Last einer 40-jährigen Pionierphase mitschleppen? Oder konsolidieren wir nun, was schon lange hätte konsolidiert werden müssen? Wie oben erwähnt: Wandel baut nicht Neues aus Neuem – er modelliert Altbekanntes und gestaltet eine neue Erscheinungsform. Das braucht Teamarbeit, nicht Rezepteschreiber und Besserwisser. Beispiel: Kosten des Leistungsangebotes der Institution Ein grosser Mangel des bisherigen Systems war der fehlende Bezugsrahmen. Das schaffte für die Institutionen einen grossen Handlungsfreiraum, aber auch Unsicherheit, weil z.B. willkürlichen Sparübungen nicht wirklich Paroli geboten werden konnte. Da liegt so ein riesiger Haufen an nicht beweisbaren Argumentationen, Erklärungen, Begründungen für den Subventionsbedarf bezüglich der Kosten des Leistungsangebotes der Institution. Oder viel kürzer und einleuchtender: Bisherige Leistungsverträge wogen quasi den Mist, den der Esel ausschied, und schlossen daraus auf die Menge Futter, die ihm zu verabreichen war. Keiner fragte, ob und welche Leistung der Esel wirklich erbrachte oder ob er nicht bloss in Trägheit Fett ansetzte. Fazit Meine Schlussfolgerung entlehne ich der kreativen Idee von Johannes Schwarz: Wir brauchen Moderatoren, die sich nicht im Gespinst unserer Bräuche, Gewohnheiten und Überlieferungen verfangen haben, die uns vielmehr mit unbequemen Fragen konfrontieren und uns ermutigen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Dafür werfen wir nicht alles weg und gehen nackt, aber wir brauchen auch nicht den ganzen angesammelten Krempel mitzuschleppen! Oder? Kurt W. Meier, Präsident INSOS CH Zwischenruf Traditionen – Werte wahren durch Veränderung «Frech und keck soll der ‹Zwischenruf› sein», bittet der Redaktor. Und doch geht es um ein ernsthaftes Thema. Was sage ich denn bloss? Zu Traditionen? Über Werte? Von Veränderung? Was mache ich denn nur? Als erstes tue ich, was man in solchen Situationen immer tut: man googelt. «Googeln» ist ein neues Verb. Eine Veränderung der Sprache sozusagen. Sprache verändert sich. Das Schöpfen von Wörtern hat in der deutschen Sprache Tradition. Und ebenso hat es Tradition, dass Sprachtraditionalisten den sinkenden Wert der Sprache ja gar den Untergang der deutschen Kultur beklagen. Mein liebster Sprachwandel – Sprachwandel ist fast so schlimm wie Wertewandel – ist der Bedeutungswandel des ungeliebten geliebten Wörtchens «geil». Im Mittelalter bedeutet «geil» schlicht «fröhlich». Später hat man in der Botanik den Begriff «vergeilen» verwendet. Bohnenkeime vergeilen, wenn sie im Dunkeln gehalten werden. Fröhlich suchen sie das Licht und werden lang und dünn. Nicht nur die Berner Buben erinnern an die vergeilten Bohnenkeime im Biologieunterricht, wenn alles an ihnen zu lang und zu dünn wird. Eines Tages begannen die grossmauligen Jungs das kleine Wörtchen zu lieben. Denn plötzlich zeigte es grosse Wirkung. Fröhlich provozierten die Buben damit ganz in der Tradition der Jugend. Sogleich diagnostizierte die alte Generation den Wertezerfall der Jugend – bis die Eltern schliesslich klein bei gaben, und das Wort selbst in den Mund nahmen. Erst zögerlich, verschämt und nur wenn kein Jugendlicher es hören konnte. Dann immer häufiger und immer lieber. Heute brauchen es alle. «Geil» ist eben geil. So hat das liebe ungeliebte Wort heute wieder die alte Bedeutung. Munter bezeichnet es alles, was wir schön und gut finden. Lustvoll drückt es unser Fröhlichsein aus. Werte wahren durch Veränderung? Dies gilt wenigstens für die Bedeutung des kurzen Wortes mit scharfer Würze. Naomi Jones, Germanistin und Assistentin OdA Soziales Bern HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 7 Verbindlichkeit von Werten im Veränderungsprozess Heike Meyer Egli, Univ. Dipl. Behindertenpädagogin, zeigt an einem Beispiel aus dem Bereich Kinder und Erwachsene mit schweren Mehrfachbehinderungen auf, wie aus der Verteidigungshaltung für Bestehendes handlungsleitende Visionen entstehen können. Die Rahmenbedingungen unserer Arbeit verändern sich. Die Zunahme der Anzahl von Kindern und Erwachsenen mit schweren Mehrfachbehinderungen, die Platzierungsprobleme von Menschen mit Behinderungen und herausforderndem Verhalten, die bevorstehende Umsetzung des NFA und Sparmassnahmen, um nur einige Faktoren zu nennen, fordern uns heraus. Auf den ersten Blick mögen uns diese Einflüsse bedrohen und entsprechend eine Verteidigungshaltung für Bestehendes auslösen. Doch wir wären nicht gut beraten in dieser Position zu verharren oder uns auf das Reagieren auf Einflüsse von Aussen festzulegen. Wenn es in diesem Kontext darum gehen soll, Werte durch Veränderung zu wahren, so heisst das Gebot der Stunde in vielfacher Hinsicht, selbst aktiv zu werden, institutionsübergreifend zu denken und Synergien zu nutzen, wie es so schön neudeutsch heisst. Ebenso wichtig scheint es aber im Rahmen von Fachdiskussionen zu klären, von welchen Werthaltungen wir ausgehen wollen und welche Richtung die bevorstehenden Veränderungsprozesse haben sollen, auf welche Zukunft wir uns also zubewegen wollen. Kleinere Institutionen, die insbesondere Menschen mit Autismus oder auch geistigen Behinderungen betreuen, die zeitweise herausforderndes Verhalten zeigen, stehen in besonderer Weise im Brennpunkt der beschriebenen Prozesse. Vertreterinnen und Vertreter aus diesem Kreis, erweitert um Fachexperten, Verbandsvertretern und einem Moderator, haben sich angesichts dessen zu einer Arbeitsgruppe zusammengefunden, die sich zum Ziel gesetzt hat, gewissermassen handlungsleitende Visionen zu entwickeln. Die bisher diskutierten Themen haben sich aus den aktuellen Problemen und Herausforderungen abgleitet: 1. Ist eine spezialisierte Versorgung des oben benannten Personenkreises zukünftig sinnvoll oder sollte eine systematische Durchmischung von Menschen mit leichten, mittleren und schweren Behinderungsformen angestrebt werden? 2. Wenn man von der spezialisierten Betreuung abrückt, wie sichert man dann den unverzichtbaren Erhalt und die Weiterentwicklung von speziellem Knowhow? Welchen Beitrag könnte in diesem Zusammenhang ein Kompetenzzentrum leisten? Erscheint diesbezüglich die Erarbeitung von pädagogisch bzw. agogisch orientierten Qualitätsstandards nicht unverzichtbar? 3. Wie kann man die Vernetzung im Zusammenhang mit Krisenprävention und -intervention verbessern? 4. Welche Modelle der Veränderung von Trägerschaftsstrukturen sind denkbar und sinnvoll? Die bisherige Zusammenarbeit war spannend, ergebnisreich und von viel Bereitschaft zu Veränderungen gekennzeichnet, die der individuellen Weiterentwicklung von Menschen mit Behinderungen dienen. Wir wollen die Arbeit im 2006 in einer grösseren Runde fortsetzen und laden interessierte Institutionsleitungen und Trägerschaften daher zur Mitarbeit ein. Kontaktadresse: Nathaliestiftung Beratungsstelle Autismus und Geistige Behinderung Worbstrasse 316 3073 Gümligen Telefon 031 958 16 49 beratungsstelle@nathaliestiftung.ch Stichwort: Diskussionsplattform HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 8 Von Tradition, Veränderung und Wertebasis im Tabor Die Kinderheimat Tabor in Aeschi wird dieses Jahr 85 Jahre alt. Zu den Grundpfeilern des Arbeitsverständnisses gehört die christliche Ausrichtung. Wie geht das Tabor mit christlichen Traditionen um, in einem gesellschaftlichen Umfeld, wo die Wertebasis sich immer säkularer und individueller gestaltet? «Traditionen sind wie Laternen in der Nacht, die den Weg erhellen – nur Betrunkene halten sich daran fest!» (Unbekannt). Dieses etwas provokative Zitat macht deutlich, welche Bedeutung eigentlich Traditionen, auch christliche Traditionen, haben. Niemand würde die Berechtigung und die Sinnhaftigkeit einer Strassenlaterne in der Nacht bestreiten. Allerdings stellt sich die Frage, wie ich die Tradition bewerte. Gibt die Tradition mir letztendlich wirklich Halt oder ist sie nur Wegweiser, nur Markierung auf einem Weg zu einem Ziel? – Traditionen sind nur Hinweise, keine Inhalte. Hier sind wir als Institutionen herausgefordert. Welche Inhalte vermitteln wir den Jugendlichen und woher nehmen wir die Grundlage dazu? – Wir kommen nicht darum herum, in unseren Leitbildern und Konzepten wieder vermehrt die grundlegenden Fragen miteinander zu behandeln. Dies tun wir bereits in einem Vorstellungsgespräch, was sich klar bewährt hat und die Zusammenarbeit erleichtert. Je klarer und eindeutiger diese Basis gestaltet werden kann, umso einfacher werden auch die Handlungsschritte in der Praxis ausfallen und den Kindern und Jugendlichen als echte Hilfe nützen. Es ist bekannt, dass jede Kopie, die wiederum kopiert wird, an Qualität verliert, bis zur Unkenntlichkeit. Dies darf bei der Weitergabe von Wertmassstäben nicht passieren. Deshalb sind wir als erstes als Persönlichkeit gefragt. Altbekannt ist die pädagogische Weisheit, dass echte Veränderung nur über Einsicht geschieht. Einsicht geschieht aber erst, wenn eine Ansicht vorhanden ist. Wir sollen den Kindern als Ansichtsexemplare dienen. Sie sollen etwas sehen, anfassen, erleben, spüren, überprüfen und bewerten dürfen (und damit auch eine andere Meinung einnehmen können). Dabei denke ich nicht, sie sollten bei uns Perfektionismus sehen. Nein, vielmehr Echtheit oder eben das Vorbild. Ich meine damit, dass ich nur dann von Liebe als Wert sprechen darf, wenn diese Liebe beim Kind und Jugendlichen auch dann durch mich sichtbar wird, wenn nichts Liebenswertes mehr im Vordergrund steht und das Verhalten des Kindes wenig oder keinen Anlass zur Liebe gibt. Es nützt nichts, wenn ich Versöhnung als Ritual (oder traditionelle Handlung) mit den Kindern einübe, selber aber nicht den Mut aufbringe mein Fehlverhalten beim Kind oder Mitarbeiter selber zu entschulden. Ich für meinen Teil kann diese Werte nur deshalb leben, weil ich vom Schöpfer Jesus Christus, vom Baumeister des Lebens selber, als Original geschaffen wurde. Wir brauchen Originale und keine Kopien. Deshalb können, dürfen, ja müssen Traditionen immer wieder überprüft und neu beurteilt werden. Was nicht heisst, dass sie immer auch verändert werden müssen – aber deren Bedeutung erscheint in einer anderen Gewichtung. Urs Klingelhöfer, Heimleiter Tabor, Aeschi b. Spiez Wir brauchen Originale und keine Kopien! HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 9 Werte vertreten in Zeiten der Veränderung Interview mit Magdalena FrickerRoidt, Sozialpädagogin. Sie leitet mit Ueli Fricker-Roidt, Heilpädagoge und Sonderschullehrer, gemeinsam und partnerschaftlich die Friederika-Stiftung, Ausbildungsstätte für Beruf und Wohnen in Walkringen. Die Fragen stellte Redaktorin Charlotte Gruner Kurt Schori plädiert in seinem Artikel dafür, unsere Tradition zu überprüfen, das Gute darin zu erkennen und uns dafür zu entscheiden. Was löst das bei dir aus? M.F.: Im Mai 2006 wird die Friederika-Stiftung 100 Jahre alt. Durch die Auseinandersetzung mit der hundertjährigen Geschichte ist mir bewusst geworden, dass unzählige Traditionen die Friederika-Stiftung geprägt haben und prägen. Viele Menschen haben mitgetragen, mitgestaltet, entwickelt, verändert und Entscheide getroffen. In diesem Sinne hat mich der Artikel sehr angesprochen. Traditionen überprüfen, ständig im Prozess bleiben, dabei aber genügend Strukturen zur Orientierung geben – das ist ein enormer Balanceakt. Wenn Verbindlichkeiten nachlassen oder Veränderungen unbewusst geschehen, erinnert mich das an ein Mobile: Die Gewichte haben sich verschoben, es hängt schief und beginnt sich zu verwickeln. Da wird es nötig zusammenzusitzen und den Wunsch nach Veränderung zu klären. Ist ein gemeinsamer Prozess in wertschätzender Auseinandersetzung möglich und können wir eine verbindliche Haltung erarbeiten ohne zu viele Regelungen, stärkt dies die vertrauensvolle Zusammenarbeit für den gemeinsamen Auftrag. Das erlebe ich dann als das «Gute». Beschreibe eine Tradition aus deiner Institution: Wie organisiert sie das Zusammenleben? Welche Akzente setzt sie? M.F.: Ich habe die Mitarbeitenden gefragt, was sie als Tradition empfinden. Sie haben übereinstimmend geantwortet: Unsere Art, wie wir miteinander umgehen. Ich möchte diese «Art von Umgang» an einigen Beispielen beschreiben: Am Montagmorgen treffen sich alle Mitarbeitenden und alle Jugendlichen zum Wochenanfang. Wir grüssen einander, geben uns die Hand und erleben die erste Stunde der Woche gemeinsam mit Musik und Singen. Die Tradition der Begrüssung mit der Hand setzt sich jeden Tag fort. An der Wochensitzung nehmen die Leitung und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teil. Wir wollen weniger Traktanden mit «Delegierten» besprechen, sondern die Mitarbeitenden an der Themenbearbeitung beteiligen. Im Berufsbereich ist es Tradition, dass der Arbeitstag der Lernenden mit einer gemeinsamen Tagesplanung beginnt und auch gemeinsam abgeschlossen wird. Eine Besonderheit ist der Wohnschulnachmittag: Am Donnerstagnachmittag arbeiten die Lernenden nicht an ihrem Arbeitsplatz, sondern befassen sich, gemeinsam mit den SozialpädagogInnen ihrer Wohngruppe, mit Fragen und Problemen aus dem Alltag und der Freizeit. Welche Einsichten und Wahrheiten – das Gute – sollen mit diesen Traditionen bewahrt und überliefert werden? M.F. : Ausgangspunkt ist mein Menschenbild, das vom Humanismus geprägt ist: Mir ist wichtig, dass wir uns selber und andere bewusst wahrnehmen, dass alle, Jugendliche und Mitarbeitende, eine Stimme haben, mit der sie sich ausdrücken können bzw. sich auszudrücken wagen, weil sie sich akzeptiert fühlen. Individualität und Gemeinschaft sind ebenbürtige, sich ergänzende Werte. Wegleitend für Beziehungen in der Lerngemeinschaft sind Wertschätzung, Respekt, Sorgfalt, Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit. Der Wochenanfang, die Wochensitzung, die Begrüssung mit der Hand – alle diese Traditionen bieten in besonderem Mass die Möglichkeit, unsere Werte und Haltungen zum Ausdruck zu bringen und zu leben: Wenn wir uns die Hand geben, gibt uns dies Gelegenheit, unser Gegenüber wahrzunehmen. Beim Wochenanfang wird vielstimmig gesungen, dafür braucht es die Teilnahme aller, jede Stimme ist wichtig. Der «Einblick» zu Beginn der Wochensitzung bietet Raum, sich auszudrücken, gehört zu werden und Anteil zu nehmen. Der so gemeinsam erarbeitete Boden stärkt das gegenseitige Vertrauen und ist letztlich die Basis für Entwicklung und Wachstum, damit wir unseren Auftrag erfüllen können. HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 10 Seit wann bestehen diese Traditionen? M.F.: Diese Traditionen gibt es eigentlich schon lange. Mit unserer Leitungsübernahme im Jahre 1995 haben wir begonnen, diese Traditionen, das heisst die humanistische Werthaltung im Umgang miteinander, bewusst zu pflegen. Wir erwarten von den Mitarbeitenden, dass sie sich mit Themenzentrierter Interaktion auseinandersetzen (z.B. Besuch eines TZI-Methodenkurses oder des zweijährigen Projektes TZI und Berufsfeld), damit wir gemeinsam an unserer Umgangskultur arbeiten können. Wir haben diese nicht neu ins Leben gerufen, sie hat aber durch uns ein professionelles Gepräge bekommen. Wurde die Form der Traditionen in den vergangenen zehn Jahren überprüft? Gab es Veränderungen? M.F.: Es hat immer wieder Anlass gegeben, die Formen zu überprüfen. Unsere Organisationsentwicklung und das prozessorientierte Qualitätsmanagement, das in unserem Betrieb angewendet wird, haben uns herausgefordert zu benennen, wofür wir uns einsetzen wollen. Weil sich Mitarbeitende und Jugendliche getrauen, ihre Meinung zu äussern, kommt der Anlass zur Überprüfung vor allem von innen, von den Menschen, die in der Friederika-Stiftung leben und arbeiten. Die Form der Traditionen ist bisher kaum verändert worden. Es sind einfache Grundformen, die viel Platz für Kreativität lassen. Manchmal sind wir allzu kreativ gewesen und haben einen zu grossen Aufwand betrieben, der das eigentliche Ziel fast verdeckte. Dann ist es nötig geworden, zu vereinfachen und auf das Wesentliche zurückzukommen. Tradition und Verbindlichkeit. Werte wahren durch Veränderung?! Interview mit Richard Weber, Lehrer und Musiktherapeut. Er leitet seit 1993 zusammen mit Catherine Pellaton die Heilpädagogische Tagesschule in Biel. Die Fragen stellte Redaktorin Charlotte Gruner Kurt Schori plädiert in seinem Artikel dafür, unsere Tradition zu überprüfen, das Gute darin zu erkennen und uns dafür zu entscheiden. Was löst das bei dir aus? R.W.: Zuerst hat mich seine Aussage angesprochen, dass Tradition eigentlich identisch ist mit der Kultur, in der wir leben. Ich habe mich gefragt, womit der Begriff «Tradition» gefüllt werden kann, damit er sich von der Kultur abhebt. Für mich ist Tradition die bewusst gelebte und reflektierte Kultur. Wenn Kultur das ganze Leben umfasst, verstehe ich die Traditionen als kulturelle Elemente, die uns auffallen und die wir dann auch als Traditionen definieren. Ein zweiter Punkt ist ein Gedanke, der mir beim Lesen spontan in den Sinn gekommen ist: Ich meine, dass die Wurzeln für unseren Umgang mit Traditionen in der Jugendzeit liegen. In dieser Zeit definieren wir unsere eigene Identität vor allem dadurch, dass wir uns per se gegen die Traditionen wehren, die von aussen – von Eltern, Lehrkräften, und Behörden – an uns herangetragen werden. In diesem Sinne tragen wir, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, diese Auseinandersetzung bereits in uns. Ich schliesse mich der Empfehlung im Artikel an, Traditionen zu überprüfen: Was ist uns wertvoll? Was wollen wir aus unserer Geschichte mitnehmen? Dabei ist es wichtig, eine Balance zu finden zwischen Erneuerung und Kontinuität von Traditionen. Ich komme zurück auf die Unterscheidung zwischen Tradition und Kultur: Wenn wir täglich alles überprüfen, können wir nicht mehr leben und arbeiten. Veränderungen sind deshalb nur punktuell möglich. Am besten ist es, wenn das Hinterfragen von Traditionen aus dem gelebten Alltag heraus entsteht. Beschreibe eine Tradition aus deiner Institution: Wie organisiert sie das Zusammenleben? Welche Akzente setzt sie? R.W.: Die Heilpädagogische Tagesschule Biel pflegt seit vielen Jahren die Tradition, dass alle Schülerinnen und Schüler, alle Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleitung den Morgen jeweils gemeinsam beginnen. Wir nennen diese Tradition «Morgefüür» und «Morgefiir». Jeden Morgen treffen wir uns um 8.30 Uhr beim Feuer in der Mitte des Hauses, singen Lieder und tauschen Informationen aus. Es ist eine Mischung zwischen Besinnung auf den Tagesanfang und organisatorischen Elementen. Nachher begehen wir im Saal gemeinsam die Morgenfeier. Sie besteht aus einem Kulturprogramm, das von Lehrkräften, auch gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern, geplant und durchgeführt wird. Zum Kulturprogramm (ca. 20 Min.) gehören verschiedene Elemente: Eingangsmusik, Rhythmus/Lied (ein Tanz oder ein Lied wird eingeführt), Präsentation eines Musikstükkes, Sprachteil (Gedicht, Geschichte u.a.), Bewegung (Eurythmie) und der Schlusskreis. Mit dieser Tradition geben wir unserer Überzeugung Ausdruck, dass nebst fachspezifischer Förderung durch die einzelnen Lehrkräfte auch das Gemeinschaftliche HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 11 wichtig ist: die ganze Schulgemeinschaft macht sich gemeinsam auf den Weg, vergleichbar mit einem Schiff, welches jeden Morgen in den Ozean startet. Das Bewusstsein der Gemeinschaft ist fundamental, für die Kinder wie für die Erwachsenen. Nicht nur die einzelnen Lehrkräfte, auch die Gemeinschaft als ganzes wirkt, schult und erzieht. Welche Einsichten und Wahrheiten – das Gute – sollen mit diesen Traditionen bewahrt und überliefert werden? R.W. : Durch den gemeinsamen Tagesbeginn können wir uns jeden Morgen als Gemeinschaft begegnen und wahrnehmen. Die Form, der Ablauf des Rituals bzw. der beiden Rituale, bleibt sich gleich. Abwechslung bringen die Inhalte, die Lieder und die kulturellen Darbietungen. Der täglich wiederkehrende Rhythmus ist wichtig: Er bringt Stabilität in den Tagesablauf und bietet insbesondere den jüngeren Kindern Sicherheit, um sich in unserer grossen Gemeinschaft zurecht zu finden. Das Feuer ist ein Urelement. Mit diesem archaischen Symbol sollen alle, Kinder und Erwachsene, angesprochen werden. Feuer ist lebendig, zugleich wirkt es beruhigend, wenn wir im Kreis sitzen und ins Feuer schauen. Die verschiedenen Elemente des Kulturprogramms stehen für die Pflege einer kulturellen Vielfalt in unserer Schule. Wir üben bewusst die Kultur des Zuhörens. Ebenso legen wir Wert darauf, dass sich alle an der Gestaltung des Kulturprogramms beteiligen. Ein wiederkehrender Rhythmus findet sich auch beim Kulturprogramm: Die kulturellen Darbietungen werden jeweils für die Dauer einer Woche geplant. An den einzelnen Wochentagen können sie wiederholt bzw. vertieft werden. Seit wann besteht diese Tradition? R.W.: Die Tradition gibt es seit 1963. Damals hat sich die Heilpädagogische Tagesschule noch in einem Privathaus befunden. 1975 hat sie ihr neues Gebäude, die heutige Schule, welche über einen Raum mit einer Feuerstelle in der Mitte verfügt, bezogen. Infolge dieser neuen Möglichkeit ist der erste Teil der Tradition, das Morgefüür entstanden. Wurde die Tradition in den vergangenen 20 Jahren überprüft? Gab es Veränderungen? R.W.: Seit 1975 hat sich die Form der Tradition nicht mehr verändert. Eine Verände- rung hat es jedoch bei der Beurteilung der kulturellen Darbietungen gegeben. Früher galt das «ungeschriebene» Gesetz, dass musikalische Darbietungen sich auf klassische Musik beschränken sollen. Das ist heute nicht mehr so. Neu ist auch der Grundsatz, dass man die dargebotene Musik diskutieren darf. Diese Möglichkeit wird genutzt, wobei die Rückmeldungen weniger den Musikstil als viel mehr die Art der Präsentation betreffen (Dauer, Lautstärke u.a.). Die Verantwortung für das Kulturprogramm während einer Woche wird auf einer Liste festgehalten, auf der sich alle Lehrkräfte freiwillig eintragen. Das Prinzip der «Freiwilligkeit» ist sehr wichtig für uns. Es braucht aber hin und wieder Anstösse von Seiten der Schulleitung, damit die Verteilung funktioniert. Ich möchte diesen Freiraum bewahren, denn nur so kann sich die Kreativität entfalten. Wenn die Gestaltung des Kulturprogramms verordnet werden muss, dann ist die Tradition der Morgenfeier für mich in Frage gestellt. Veränderungen im Zusammenhang mit unserer Tradition des Morgenfeuers und der Morgenfeier gehören zum Alltag. Es sind aber die Inhalte, die kulturellen Darbietungen, die sich verändern, nicht der Ablauf, die Form. Das ist aus meiner Sicht der Grund, weshalb die Tradition als Ganzes immer noch und immer wieder für gut befunden und von allen getragen wird. Beim Nachdenken über unsere Tradition ist mir ein wichtiger Grundsatz bewusst geworden: Traditionen helfen uns, das Leben rückblickend zu verstehen und vorwärts schauend zu gestalten. Impressum Herausgeber, Bestelladresse: Heimverband Bern HVBE, Geschäftsstelle Melchenbühlweg 8, 3000 Bern 31, 031 939 15 30, info@heimverbandbern.ch, www.heimverbandbern.ch, Redaktion: Charlotte Grunder, Johannes Schwarz, Lektorat: Cornelia Schwarzenbach, Naomi Jones Layoutkonzept: Atelier Eichenberger, Biglen, Satz und Druck: Druckerei Schläfli AG, Roggwil Bilder: PixelQuelle.de HVBE-Dossier / März 2006 / Seite 12