Scheidung und Wiederheirat - Chrischona Gemeinde Affoltern am
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Scheidung und Wiederheirat - Chrischona Gemeinde Affoltern am
CHRISCHONA-GEMEINDE AFFOLTERN AM ALBIS Evangelische Freikirche alte Obfelderstrasse 24 8910 Affoltern am Albis Tel. 01/761 62 31/761 61 25 Zum Thema: Ehe, Scheidung und Wiederheirat 1 Inhalt: Ä Einleitung -3– Ä Die Ehe - Schöpfungsordnung - Einehe - Eheordnung - die Ehe, ein Treuebund -3– -3– -4-4- -3– Ä Die Ehescheidung - Notordnung des Gesetzes - Ehescheidung im Alten Testament - Ehescheidung im Judentum - Ehescheidung bei Jesus und Paulus - Ausnahmen im Scheidungsverbot - -5– Ä Ehebruch und Unzucht - Ehebruch im Alten Testament - Ehebruch im Neuen Testament - Das radikale Nein zum Ehebruch - Unzucht im Alten Testament - Unzucht im Neuen Testament - Unzucht heute 5 5 5 6 7 - -7– -7-8-8– -8-9-9- Ä Schuld, Vergebung und Neubeginn - Schuld und Unschuld - Manchmal ist Trennung geboten - Vergebung - Vergebung und Gemeindezucht -9– -9 -9 - 10 - 11 Ä Wiederheirat von Geschiedenen - Wiederheirat im Judentum - Wiederheirat im Neuen Testament - Wiederversöhnung statt Wiederheirat - Heirat von Geschiedenen – unmöglich? - Wiederheirat und Vergebung - Voraussetzungen zur Wiederheirat - - 11 – - Ä Seelsorgerliche Begleitung von Geschiedenen - Klima für Geschiedene in der Gemeinde - Abklärungen für eine Wiederheirat - Mut und Takt zur Seelsorge Ä Anhang: 3 Fragen zum Überdenken 11 12 12 12 13 13 - - 13 – - 13 - 13 - 14 - - 15 - 2 Einleitung Komplexität Massgebend ist die Heilige Schrift als Ganzes! Keine Pauschallösungen Das Thema „Scheidung und Wiederheirat“ ist komplex. Es lässt sich nicht mit ein paar Regeln beantworten. Wir stellen fest, dass Bibel davon ausgeht, dass die Ehe unauflöslich ist. Mose kennt aber so etwas wie ein Scheidungsrecht1. Sowohl Jesus wie auch Paulus räumen Ausnahmen2 ein, die eine Ehescheidung rechtfertigen. Als die Ehebrecherin zu Jesus geführt wird, bestätigt er das Urteil des mosaischen Gesetzes, weigert sich aber gleichzeitig, die fehlbare Frau zu verurteilen und gibt eine neue Chance. In den folgenden Ausführungen versuchen wir, das Thema biblisch zu beleuchten. Wir suchen Antworten auf Fragen und halten uns an den Grundsatz: „Der Inhalt des Glaubens und das Tun des Willens Gottes sind nur aus der Heiligen Schrift als Ganzes zu erkennen. Einzelne Gottesworte, herausgelöst aus der Einheit des Alten und Neuen Testamentes, führen zu der Schrift widersprechenden Sonderbzw. Irrlehren. Der Lebensstil eines Menschen, der sich vor Gott verantwortlich weiss, gründet sich nicht auf einzelne der Schrift entnommenen Worte, sondern auf die Gottesworte in ihrem Gesamtzusammenhang.“3 Wir können und wollen in dieser komplexen Materie keine Pauschallösungen finden. Es sind jedesmal einzigartige Persönlichkeiten, spezielle Ehekonstellationen, Ehebiographien und eine grosse Menge an Problemen, Daten, Fakten die schlussendlich zu einer Scheidung führen. Viele wichtige Fakten sind selbst Nahestehenden, einige sogar den Betroffenen selbst unbekannt. Die Ehe Schöpfunsordnung Gott schuf die Menschen als geschlechtliche Wesen: 1.Mose 1,27: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Die Zweigeschlechtlichkeit gehört unmittelbar zur Erschaffung des Menschen. „Der Mensch war von Anfang an geschaffen als ein geschlechtliches Paar. “ (C.F. Keil). Der Mann war zunächst im Paradiesgarten allein. Um die Einsamkeit des Mannes zu beenden, schafft Gott ihm eine „Hilfe“. Das in der Ursprache stehende Wort heisst nicht „Gehilfin“, sondern „das dem Mann fehlende Seitenstück“. Die jüdische Schriftauslegung (Talmud) stellt fest: „Gott hat die Frau nicht aus des Mannes Kopf geschaffen, dass er ihr befehle, noch aus seinen Füssen, dass sie seine Sklavin sei, vielmehr aus seiner Seite, dass sie seinem Herzen nahe sei.“ Nach der Schöpfung der Frau führt Gott selbst die Frau dem Mann zu. Gott handelt wie ein Brautführer. Gott führt/fügt die beiden zusammen, auch wenn der Mann die Frau als das ihm fehlende Seitenstück erkennt und sich „aneignet“. Jede Ehe hat ihren Ursprung in Gottes Schöpfer- und Stifterwillen. Gott stiftet nicht nur die Ehe als solche, sondern er stiftet bis zum heutigen Tag jede einzelne Ehe. Einehe Gott stiftete für Mann und Frau die Einehe. Einen ersten Hinweis auf die Einehe finden wir in der Schöpfungsgeschichte: Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und sie werden zu einem Fleisch werden. Es ist nicht von mehreren Frauen die Rede, sondern von einer einzigen. „Jedes Liebäugeln eines Ehepartners mit einem dritten wirkt deshalb ehezerstörend“.4 1.Mose 2,24 1 2. Mose 24,1-4 Matthäus 19,9; 1. Korinther 7,15 3 Hansjörg und Rosmarie Bräumer in „Scheidung und Wiederheirat“ 4 Bräumer, a.a.O. 2 3 Mt 19,5 Jesus stellt fest, dass eine Ehe aus zwei Menschen besteht: ... und es werden die zwei ein Fleisch sein, „In der Ehe hat Gott zwei bestimmte Menschen zueinander geführt, und zwar in einer Ausschliesslichkeit des Sich-Gehörens, die die Ansprüche Dritter rigoros verwehrt.“5 Eheordnung Eigener Hausstand Der Frau anhangen Ein Fleisch sein Eph 5,31-32 Gott fügt zusammen Die Ehe – ein Treuebund Der Schöpfer hat die Ehe geordnet: • Ein Mann verlässt Vater und Mutter „Der Mann soll einen eigenen Hausstand gründen, er zieht weg von zu Hause, bezieht ein anderes Haus und sorgt für getrennte Haushaltungen. Mann und Frau gehören enger zusammen als Eltern und ihre Kinder. Durch die Gemeinschaft von Mann und Frau wird sogar die engste Bindung zwischen Eltern und Kindern gesprengt“6. Im AT (Altes Testament) musste übrigens dasselbe Gebot für die Frau nicht speziell formuliert werden, weil sie ohnehin in die Sippe des Mannes eingegliedert wurde. • Der Mann hängt seiner Frau an: Das gleiche hebräische Wort „anhangen“ wird als Hauptwort für „Lötung“ verwendet, (Jes. 41,7). Im Griechischen bedeutet das vergleichbare Wort (Matth. 19,5) „zusammenleimen, verbinden, haften an“. Das Angeleimt-werden an einen Menschen geschieht überall, wo zwei Menschen ein Fleisch werden. Paulus wählt dieses Wort in 1. Kor. 6,16 auch für den Gang zur Dirne. • Mann und Frau werden ein Fleisch sein: Der Begriff „Fleisch“ bedeutete zur Zeit Jesu soviel wie „Mensch“. „Die Einung der Geschlechter bedeutet Ein-Mensch-werden.“7. „Geschlechtlichkeit ist deshalb mehr als nur ein Trieb zur Begattung. Sie umfasst den ganzen Menschen in seiner leiblichen Totalität. Sie ist das Verlangen, durch einen Menschen des andern Geschlechts in allen Lebensbezügen so ergänzt zu werden, dass eine höhere Einheit zustande kommt.“8. Das ‚Ein-Fleisch-werden‘ ist die neue Ganzheit des Menschen in der Ehe. Würde die Ehe auf Sexualität reduziert, so reduzierte sich der Partner zum Sexualobjekt und die Ganzheit zerbricht. Nur da, wo die Sexualität weder über- noch unterschätzt wird, kann die unauflösliche Gemeinschaft von Dauer sein. Das ‚Ein-Fleisch-Werden‘ ist schon im AT das Bild zwischen Gott (Ehemann) und Israel (Ehefrau). Im NT dient das Bild der Ehe für die Beziehung von Jesus zu der Gemeinde: »Deswegen wird ein Mensch Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die zwei werden ein Fleisch sein.« Dieses Geheimnis ist groß, ich aber deute es auf Christus und die Gemeinde. • ... was Gott zusammengefügt hat ... Der Eheschluss ist nicht nur die Angelegenheit von zwei Menschen. Gott selber verbindet die Eheleute zu einer untrennbaren Einheit. Gott fügt zusammen, wörtl. Gott spannt sie zusammen ins Joch. Menschen können in einem freien Entschluss die Ehe eingehen, im Eheschluss aber werden sie von Gott zusammengefügt. Zerbrechen sie diese Verbindung, zerstören sie das Werk Gottes. „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ „Der Mensch kann trennen, was er selbst verbunden hat; was Gott zusammengefügt hat, steht über menschlicher Macht.“9. Beachte: - Die Ehe ist nicht die private Übereinkunft zweier Menschen. - Die Ehe ist nicht ein glücklicher oder unglücklicher Zufall. - Die Ehe ist ein unwiderruflicher Treuebund! 5 M. Seitz Bräumer, a.a.O. 7 Julius Schniewind 8 O.A. Piper 9 Romano Guardini 6 4 - Die Ehe – ein Stück Paradies Die Ehe ist Beispiel für den Bund Gottes mit den Menschen. (vgl. Hosea 1: Jeremia 9,1; Jeremia 3,1-2; Hesekiel 16; 23; Jesaja 49,14; 54,4 ff; 60,15). Liebe und Treue liegen der Ehe und dem Bund Gottes genau gleich zugrunde. „Erst in der Treue ist menschliche wie göttliche Liebe wirkliche Liebe.“ (vgl. Maleachi 2,14). Sogar nach dem Sündenfall hat Gott dem Menschen die Ehe mit auf seinen Weg ‚in die Welt hinaus‘ gegeben. Die vertriebenen Menschen durften mit der Ehe ‚ein Stücklein Paradies‘ mitnehmen. Die Ehescheidung Notordnung des Gesetzes Die Ehe ist die Ordnung des Schöpfers – die Ehescheidung die Notordnung des Gesetzes. Hartherzigkeit Nachdem Jesus in einem Gespräch mit den Pharisäern in unzweideutiger Weise von der Unauflöslichkeit der Ehe gesprochen hatte, kam es zur folgenden Diskussion zwischen Jesus und den Fragestellern: Sie sagen zu ihm: Warum hat denn Mose geboten, einen Scheidebrief zu geben und zu entlassen? Er spricht zu ihnen: Mose hat wegen eurer Herzenshärtigkeit euch gestattet, eure Frauen zu entlassen; von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. „Das Herz des Menschen wurde durch den Einbruch der Sünde hart. Die Geschichte der Scheidung ist eine Geschichte der Sünde.“10. Die Wurzel der Ehescheidung ist die Hartherzigkeit des Menschen, es ist ‚die menschliche Überheblichkeit, die sich ihre Massstäbe selbst setzt.‘11. Im Blick auf die Ehe zweier Menschen besteht die Hartherzigkeit darin, dass ein oder beide Herzen sich die vergebende Liebe verweigern. Mt 19,7-8 Ordnung in der Unordnung Scheidung im AT 5.Mose 24,1-4 Ehescheidung im Judentum Scheidungsgründe Um die Macht der Sünde nicht ausufern zu lassen, erlaubte Gott Notordnungen. Notordnung bedeutet so etwas wie „Ordnung in der Unordnung“ 12. Die Notordnung des Mose: Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet und es geschieht, daß sie keine Gunst in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat und er ihr einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen hat, und sie ist aus seinem Haus gezogen und ist hingegangen und <die Frau> eines anderen Mannes geworden, <wenn dann> auch der andere Mann sie gehaßt und ihr einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen hat oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat, <dann> kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wieder nehmen, daß sie seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist. Denn ein Greuel ist das vor dem HERRN. Und du sollst das Land, das der HERR, dein Gott, dir als Erbteil gibt, nicht zur Sünde verführen. Auch Frauen konnten eine Ehe scheiden, wie das Beispiel aus der Zeit der Richter zeigt, vgl. Richter 19,1-2; dieses Beispiel zeigt aber auch, dass der Mann sich wieder mit ihr versöhnen konnte. Heute kann der Scheidebrief selbst im orthodoxen Judentum sowohl vom Mann als auch von der Frau geschrieben werden. Er muss mit dem Datum, den Namen des Mannes und der Frau versehen sein und die Unterschrift des Entlassenen tragen. Der Scheidebrief enthält die ausdrückliche Erklärung des Mannes, dass seine Frau hiermit frei ist und jedermann zu einer neuen Eheschliessung zur Verfügung steht. Ausserdem trägt ein solcher Scheidebrief die Unterschrift zweier Zeugen. Zur Zeit Jesu konnte jeder Mann seiner Frau einen Scheidebrief ausstellen, wenn er etwas „Schandbares“ an ihr entdeckt hatte, (5. Mose 24,1). Schandbar wurde von den 10 G. Henning H.J. Thilo 12 E. Wilkens 11 5 Von der Notordnung zum Scheidungsrecht Jesus und die Ehescheidung NT-Stellen zur Ehescheidung jüdischen Bibelauslegern (Rabbiner) verschieden interpretiert: - Rabbi Schammai (V 15 v. Chr.) = Scheidungsgrund ist allein Ehebruch. - Rabbi Hillel (V 10 n. Chr.) = Scheidungsgründe sind bereits Ungehorsam der Frau dem Mann gegenüber, Verstoss gegen gute Sitten; z.B. mit aufgelöstem Haar das Haus verlassen oder die Suppe anbrennen lassen. - Rabbi Akiba (V 135 n. Chr.) = „ein Mann kann sich von seiner Frau scheiden, wenn er einer schöneren Frau begegnet, die ihm besser gefällt als seine.“ Aus dem - wegen der Hartherzigkeit erlaubten - Scheidebrief machten einige Rabbiner zur Zeit Jesu ein „Verstossungsrecht“. Sie machten damit die Frau schon damals zum Wegwerf-Partner. Heute ist die Ehe - vor dem Gesetz - kein unwiderruflicher Treuebund mehr. Er ist zum Vertrag auf Widerruf geworden, die vorbehaltlose Gemeinschaft ist zur Gemeinschaft unter Vorbehalt, die verlässliche Partnerschaft zur unverlässlichen (Test- und Angst-)Ehe geworden 13. Ein Schweizer Jurist legte dar, dass der Ehevertrag ein ‚unsittlicher‘ Vertrag sei, weil grundsätzlich ein Vertrag nur auf eine definierte und nicht auf Lebenszeit abgeschlossen werden dürfe. Die Notordnung wegen Hartherzigkeit wurde zum Recht umfunktioniert, jederzeit den Treuebund der Ehe auflösen zu können. Jesus wendet sich scharf und bestimmt gegen die Ehescheidung und weist nachdrücklich darauf hin, dass die atl. Möglichkeit, seine Ehefrau zu verstossen, keine Ordnung des Schöpfers war. Jesu Ziel ist es, die Menschen zur Ordnung des Schöpfers zurückzuführen. Wir stellen fest, dass die Ehescheidung in der Bibel direkt durch eng verwandte Themen (z.B. Ehebruch allgemein; Jesu Stellungnahme zu Ehebruch etc.) angesprochen wird. Jesus spricht in vier verschiedenen Situationen – Paulus im ersten Korintherbrief14 von der Ehe und der Ehescheidung. Mt 5,32 Jesus in der Bergpredigt Mt 19,9 Jesus im Streitgespräch mit den Pharisäern: Mk 10,11-12 Jesus bei der Belehrung der Jünger nach einem Streitgespräch mit den Pharisäern: Lk 16,18 Jesus im Zusammenhang einer Zurechtweisung der Pharisäer: 1.Kor 7,10-13+15 Paulus zu den Korinthern: 13 14 H.G. Pöhlmann 1. Korinther 7,10-16 Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei, macht, daß mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch. Ich sage euch aber, daß, wer immer seine Frau entläßt, außer wegen Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch und er spricht zu ihnen: Wer seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch gegen sie. Und wenn sie ihren Mann entläßt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch. Jeder, der seine Frau entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und jeder, der die von einem Mann Entlassene heiratet, begeht Ehebruch. Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß eine Frau sich nicht vom Mann scheiden lassen soll - wenn sie aber doch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann - und daß ein Mann seine Frau nicht entlasse. Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr: Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie willigt ein, bei ihm zu wohnen, so entlasse er sie nicht. Und eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat, und der willigt ein, bei ihr zu wohnen, entlasse den Mann nicht ... 15 Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch berufen. 6 Ausnahmen in Jesu Scheidungsverbot Das Neue Testament kennt für die Scheidung zwei Ausnahmefälle. Jesus nennt den Ausnahmefall Unzucht, Paulus den Ausnahmefall Religionsverschiedenheit. Ausnahmefall Unzucht Mt 5,32 Ausnahme Unzucht Mt.19,9 : Ich aber sage euch: Jeder, der seine Frau entlassen wird, außer aufgrund von Hurerei , macht, daß mit ihr Ehebruch begangen wird; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch. Ich sage euch aber, daß, wer immer seine Frau entläßt, außer wegen Hurerei, und eine andere heiratet, Ehebruch begeht; und wer eine Entlassene heiratet, begeht Ehebruch. - Diese beiden Worte Jesu sind zwar unterschiedlich formuliert, der Sinn bleibt aber derselbe. Jesu Ausnahmegrund zu einer Scheidung ist nicht Ehebruch, sondern Unzucht. Ehebruch und Unzucht sind in der Ursprache „deutlich verschiedene Handlungen“ 15. Ausnahme Religionsverschiedenheit Unglaube ist nicht a priori Grund zur Scheidung 1.Kor 7,13-14 Das Gebot steht über der Ausnahme! Ausnahme Religionsverschiedenheit Paulus betont zuerst das Gebot: Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß eine Frau sich nicht vom Mann scheiden lassen soll! (1.Kor 7,10). Im Anschluss an den bestimmten Fall einer geschiedenen Frau in Korinth geht Paulus auf die Scheidung bei Religionsverschiedenheit ein. Paulus schätzt auch eine Ehe zwischen einem Christen und einem Heiden sehr hoch ein. In einer solchen Ehe ist die Gemeinschaft mit Christus stärker als die nichtchristliche Welt. Deshalb soll der christliche Teil die Ehe mit dem heidnischen aufrecht erhalten, solange dieser damit einverstanden ist: Eine Frau, die einen ungläubigen Mann hat, und der willigt ein, bei ihr zu wohnen, entlasse den Mann nicht. Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt, und die ungläubige Frau ist durch den Bruder geheiligt; sonst wären ja eure Kinder unrein, nun aber sind sie heilig. Eine solche Ehe darf nur dann geschieden werden, wenn dies der heidnische Teil verlangt und darauf besteht. Paulus erklärt dann den christlichen Teil für frei: 1.Kor 7,15: Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch berufen. Diese Ehescheidungsklauseln dürfen nie zur Rechtfertigung für das Verlassen des Ehepartners aus Willkür angeführt werden: „Wo die Scheidung auf Grund einer Ausnahmeregelung erfolgt, wird nur Sünde geordnet, das Gebot aber bleibt in Kraft.“16. Ehebruch und Unzucht Ehebruch ist: 2. Mose 20,14 Ehebruch im AT 5. Mose 22,22-27 3.Mose 20,10 15 16 Bo Reicke M. Seitz „Die Ehe als engste, dauerhafte Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau wird in der Bibel streng geschützt. Das 6. Der Zehn Gebote verbietet den Ehebruch klipp und klar: Du sollst nicht ehebrechen. „Im AT ist Ehebruch die aussereheliche Geschlechtsgemeinschaft eines Mannes mit einer Frau, die mit einem andern verlobt oder verheiratet ist. Nach dem AT sollten Ehebrecher mit dem Tod bestraft werden: Wenn ein Mann mit einer Frau Ehebruch treibt, wenn ein Mann Ehebruch treibt mit der Frau seines Nächsten, müssen der Ehebrecher und die Ehebrecherin getötet werden. In der Praxis wurde Ehebruch nur dann bestraft, wenn ein geschlechtlicher Verkehr mit 7 einer anderen Frau bzw. der Verlobten eines anderen Mannes nachgewiesen werden konnte. Ehebruch im NT Ehebruch im Herzen Mt 5,27-28 Das radikale Nein zum Ehebruch Matthäus 5,28-30 Unzucht ist: Unzucht im AT Jesus vertieft das Eheverständnis. Wo im AT Mann und Frau noch nicht mit demselben Massstab gemessen werden, stellt Jesus Mann und Frau auf dieselbe Stufe. Und Jesus erkennt Ehebruch nicht nur, wenn geschlechtlicher Verkehr mit einem fremden Partner vollzogen wird, der Tatbestand des Ehebruchs kann auch allein im Herzen, im Gefühlsleben erfüllt werden. Ehebruch im Herzen besteht im Begehren eines andern Partners.: Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch, daß jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, schon Ehebruch mit ihr begangen hat in seinem Herzen. Jesus fasst hier zwei (der zehn) Gebote zusammen: • „Du sollst nicht ehebrechen!“ • „Du sollst nicht begehren die Frau deines Nächsten!“ Jesus verbietet nicht das Bewundern eines Menschen, sondern den Blick, der sich mit dem Begehren koppelt. „Die begehrliche Absicht entscheidet.“1 7 . Von Martin Luther ist das Wort überliefert: „Du darfst jede Frau ansehen und dich an ihr freuen, nur nicht wie deine eigene Frau.“ Jesus widerspricht in der Bergpredigt auch nicht der damaligen rabbinischen Auffassung, „das Ansehen einer schönen Frau kann in den Lobpreis des Schöpfers einmünden.“18. Der begehrliche Blick hingegen entspricht nach Jesu Urteil der Tat. Ein solcher Tatbestand kann durch Zeugen nicht nachgewiesen werden, weil kein Mensch in das Herz eines anderen schauen kann. „Ehebruch ist die die Treue verleugnende Begierde.“19. Wie geht Mann/Frau gegen den Ehebruch im Herzen vor? Im Wort vom Ehebruch im Herzen fordert Jesus nicht die Bestrafung des Ehebrechers durch ein Gericht wie bei des Auslegung des Gebotes „Du sollst nicht töten!“ sondern ein radikales Nein des versuchten Menschen zu seiner Begierde. Als Massnahme gegen den Ehebruch im Herzen befiehlt Jesus: Ich aber sage euch, daß jeder, der eine Frau ansieht, sie zu begehren, schon Ehebruch mit ihr begangen hat in seinem Herzen. Wenn aber dein rechtes Auge dir Anlaß zur Sünde gibt, so reiß es aus und wirf es von dir! Denn es ist dir besser, daß eins deiner Glieder umkommt und nicht dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Und wenn deine rechte Hand dir Anlaß zur Sünde gibt, so hau sie ab und wirf sie von dir! Denn es ist dir besser, daß eins deiner Glieder umkommt und nicht dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. Jesus ruft hier nicht zur realen Selbstverstümmelung auf, denn auch einäugig oder einhändig wäre der Versuchte zum Begehren und zum Ehebruch fähig. Es geht um das radikale Nein zum Ehebruch und um die Wertschätzung des Treuebundes der Ehe. Widerstand gegen den Ehebruch soll ein Widerstand „bis aufs Blut“ sein. Bewusst fortgesetzter und gewollter Ehebruch wird zur Unzucht. Typisch für Unzucht ist: es besteht keine Bereitschaft, den Ehebruch aufzugeben. Das Wort Unzucht bedeutet: - hebr. ? ? ? zavah: eig. Sich anheften, anhängen; im tägl. Sprachgebrauch wurde es verwendet für: - Huren, Prostitution treiben; Thamar 1. Mose 38,15+24; Rahab in Jericho Jos.2,1; Spr. 7,10-23; - Abgötterei treiben, wenn Israel Gott weg und andern Göttern nachläuft bricht es die 17 W. Schrage Bräumer a.a.O. 19 F. Hauck 20 Kohlhammer, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament 18 21 Nach Bräumer a.a.O. 8 - Unzucht im NT Unzucht heute „Ehe mit Gott“; Jes. 1,21; Jer. 2,20; 3, 6-9; 5,7-8; Hes. 16 + 23; der Prophet Hosea hat Huren mit Bedeutg. Götzendienst als Generalthema für sein Buch Vergewaltigung; Dina und Sichem 1. Mose 34,31; Verführung, z.B. die Stadt Ninive, Nahum 3,4; Spr. 7,10-23 Kinderopfer; 3. Mose 20,5 resp. 1-5; Jes. 57,3-5 „wütend sein“ = Unzucht treiben; in Richter. 19,2 von der Nebenfrau eines Leviten. Spiritismus und Wahrsagerei wird übertragen als Unzucht bezeichnet; 3. Mose 20,6 Blutschande, Heiraten in verbotenen Verwandtschaftsgraden; Inzest, Homosexualität, Geschlechtsverkehr mit Tieren wird unter dem Kapitel „Unzucht“ abgehandelt; 3. Mose 20,11-21 griech. porneia)kommt von „verkaufen“ und meint in erster Linie der Verkehr mit der gekauften Sklavin, resp. käuflichen Dirne. - Homosexuelle Unzucht und sehr ausschweifendes Leben - kultische Unzucht, Prostitution in Verbindung mit Götzendienst, Korinth war berühmt durch seine 1‘000 Tempelhuren. - In der griechischen Lebensanschauung war Geschlechtsverkehr nötig und berechtigt wie Essen und Trinken. Der Gang zur Dirne war zwar verpönt, aber laut Plato im Geheimen erlaubt, wenn er nicht Anlass zu Ärgernis gab „Das Neue Testament ist gekennzeichnet durch die unbedingte Ablehnung jedes ausserehelichen oder widernatürlichen Geschlechtsverkehrs. ... Der Christ ist ein Tempel des Heiligen Geistes (1. Kor. 6,19) und hat darum kein beliebiges Verfügungsrecht über sich selbst.“ .20 Unzucht hat heute weitgehend dieselbe Bedeutung wie in biblischen Zeiten. Manche atl. Praktiken, die unter das Thema Unzucht fallen, sind heute durch andere Missbräuche ersetzt worden. Folgende Verhaltensweisen könnten heute als Unzucht bezeichnet werden 21: - seelische und körperliche Grausamkeit. - Prostitution, Homosexualität, Geschlechtsverkehr mit Tieren (Sodomie) - fortgesetzter oder mit häufig wechselnden Partnern praktizierter Ehebruch. - Nichtachtung der Würde des Ehepartners, d.h. psychische und physische Verletzung von Liebesentzug bis Gewaltanwendung. - Kindsmisshandlung, resp. Gewalt in der Familie von Übergesetzlichkeit bis Alkoholismus. - Dreiecksbeziehungen, ohne die Bereitschaft zu deren Abbruch. - Schuld, Vergebung und Neubeginn Schuld und Unschuld Bitterkeit als Grund zur Scheidung Manchmal ist Trennung geboten Bei einer Trennung oder Scheidung ist vielfach über Schuld und Unschuld gestritten. Man teilt ein in schuldig und unschuldig Geschiedene und versucht das Mass der Schuld der Beteiligten zu ermitteln. Das ist in der Regel der Auslöser von Schlammschlachten einerseits und dem Reinwaschen von Westen andrerseits. Ehepartner werden immer wieder aneinander schuldig. Keiner ist ‚unschuldig verheiratet‘. So gut es nicht ‚unschuldig Verheiratete‘ gibt, gibt es keine unschuldig Geschiedene. Oft besteht der Grund zur Scheidung nicht in der Schuld, sondern in der Bitterkeit, die dem andern die Vergebung verweigert. Wer sich beim Thema Ehescheidung auf Schuld oder Unschuld fixiert, versucht die Vergangenheit zu durchleuchten. Bei der Ehebrecherin analysiert Jesus nicht die Vergangenheit, sondern schenkt Vergebung und macht der Frau damit den Weg frei in eine neue Zukunft. Wir anerkennen aber, dass in manchen Fällen wegen sündigem Verhalten zu einer Trennung geraten werden muss, insbesondere bei: » Gewalt, resp. Misshandlung des Ehepartner oder der Kinder » Missbrauch irgendwelcher Art » Suchtverhalten » Perversionen 9 » Vergebung Jesus und die Ehebrecherin Joh 8,3-11 Jesus und die Sünderin Lk 7,36-39 + 47-48 + 50 Unzucht, d.h. gewolltes Fremdgehen ohne Bereitschaft zur Umkehr, uam. Schlüsselstellen zum Thema Vergebung finden wir in den Begegnungen Jesu mit der Ehebrecherin und mit der Sünderin: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau, die beim Ehebruch ergriffen worden war, und stellen sie in die Mitte und sagen zu ihm: Lehrer, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. In dem Gesetz aber hat uns Mose geboten, solche zu steinigen. Du nun, was sagst du? Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, damit sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie. Und wieder bückte er sich nieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber <dies> hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, angefangen von den Älteren; und er wurde allein gelassen mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und sprach zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr! Wie beurteilt Jesus die Beteiligten: » Jesus und die Ankläger Jesus spricht die Ankläger öffentlich auf ihre eigene Sünde an: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie! Sünde bedeutet im NT: - Eine Einzeltat - Die Wesensart des Menschen - Die Sünde als persönliche Macht Hier meint Jesus mit „Sünde“ die Einzeltat des Ehebruchs, ob faktisch oder im Herzen. Die Ankläger sehen sich entlarvt und verschwinden einer nach dem andern. Jesus aber dementiert mit keinem Wort das Urteil Moses, er anerkennt damit das Urteil zur Steinigung von Ehebrechern. » Jesus und die Ehebrecherin Jesus macht der Ehebrecherin klar, dass ihre Schuld nicht zusammen mit den Anklägern verschwunden ist. Der Grundsatz: „Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter.“ gilt hier nicht. Wir erkennen an folgenden Tatsachen, dass die Frau Busse tut: - Sie stand im Anklagekreis und bleibt dort stehen. - Sie anerkennt damit ihre Schuld und wartet auf das Urteil. - Sie klagt keinen eventuellen Verführer an und rechtfertigt sich nicht mit der „Situation“. - Sie klagt nicht den Mann an, der mit ihr die Ehe gebrochen hat und ebenfalls gesteinigt werden sollte. Zu dieser bussfertigen Frau sagt Jesus: Auch ich verurteile dich nicht. Jesus hatte die Vollmacht, diese Frau frei zu sprechen. Jesus spricht die Frau nicht deshalb frei, weil die Römer genau in jener Zeit (30 n.Chr.) den Juden verboten, Menschen hinzurichten. Jesus spricht der bussfertigen Ehebrecherin Vergebung zu und fordert sie auf zu einem neuen Leben: Geh hin und sündige von jetzt an nicht mehr! Jesus und die Sünderin im Haus des Pharisäers Simon Es bat ihn aber einer der Pharisäer, daß er mit ihm essen möge; und er ging in das Haus des Pharisäers und legte sich zu Tisch. Und siehe, <da war> eine Frau in der Stadt, die eine Sünderin war; und als sie erfahren hatte, daß er in dem Haus des Pharisäers zu Tisch lag, brachte sie eine Alabasterflasche mit Salböl, trat von hinten an seine Füße heran, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen, und trocknete sie mit den Haaren ihres Hauptes. <Dann> küßte sie seine Füße und salbte sie mit dem Salböl. Als aber der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so würde er erkennen, wer und was für eine Frau <das ist>, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. Deswegen sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. Er aber sprach zu ihr: Deine Sünden sind vergeben. 10 Er sprach aber zu der Frau: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden! Jesus fordert auch hier die Sünderin, offenbar eine stadtbekannte Dirne, zu einem neuen Leben auf: Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden! Der Glaube der Frau wurde sichtbar in ihrer Umkehr. Ihr Glaube begann mit den Tränen der Reue und mündete ein in die Anerkennung Jesu als Herrn über ihr Leben. „Letzteres bewies sie durch das Küssen der Füsse Jesu. Der Fusskuss ist der „Huldigungskuss“22. Wer will verurteilen? Wer darf sich das Recht anmassen, über die Schuld von Ehegatten zu richten, deren Ehe zerstört und geschieden ist. Jesus sagt es den verurteilenden Schriftgelehrten klar: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie!.“ Vergebung und Gemeindezucht Vergebung und Gemeindezucht Selbst das abgestufte Verfahren der Gemeindezucht gilt nur für unbussfertige Sünder. Jesus fordert für Organe, die Gemeindezucht zu üben haben, volle Vergebungsbereitschaft. Es ist bemerkenswert, dass er seine Jünger vor der Lehre über Gemeindezucht das Gleichnis vom verlorenen Schaf lehrt. Damit setzt er für die Gemeindezucht wichtige Vorzeichen: Mt 18,14-17 So ist es nicht der Wille eures Vaters, der in den Himmeln ist, daß eines dieser Kleinen verloren gehe. Wenn aber dein Bruder sündigt, so geh hin, überführe ihn zwischen dir und ihm allein! Wenn er auf dich hört, so hast du deinen Bruder gewonnen. Wenn er aber nicht hört, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit aus zweier oder dreier Zeugen Mund jede Sache bestätigt werde! Wenn er aber nicht auf sie hören wird, so sage es der Gemeinde; wenn er aber auch auf die Gemeinde nicht hören wird, so sei er dir wie der Heide und der Zöllner! Bei der Gemeindezucht geht es um das Gewinnen und die Versöhnung eines Bruders und nicht um das „Ausmisten des Stalles“ bis zur klinischen Reinheit. Gott setzt alles daran, dass kein „Verirrter“ verloren geht. Wichtig! Die Sündenvergebung, die Jesus durch seinen Tod erkämpft hat, gilt für alle Sünden, sie umfasst Sünden der Gedanken und des Begehrens genau gleich, wie die zur Tat gewordene Schuld. Für die Vergebung gibt es keine Ausnahmeklausel. Die Wiederheirat von Geschiedenen Achtung! Wiederheirat im Judentum 5.Mose 24,1-4 22 23 Wenn wir von der Wiederheirat von Geschieden reden, wollen und dürfen wir den Ehebund nicht zum Vertrag auf Zeit degradieren. Die Wiederheirat Geschiedener war im AT die logische Folge der von Mose angeordneten Scheidepraxis. Sie ist wie die Scheidung eine Notordnung. Der Scheidebrief23 gab den geschiedenen Ehepartner zu Ehe frei, so dass er jederzeit wieder heiraten konnte. Hatte im AT ein Ehepartner Ehebruch begangen, wurde der Fehlbare gesteinigt. In diesem Fall wurde die Ehe durch den Tod geschieden und der überlebende Partner war frei zu einer neuen Ehe. In bestimmten Fällen verbietet das AT die Wiederheirat, resp. die Rückkehr zum früheren Partner, eine Aussöhnung mit ihm ist unmöglich: Wenn ein Mann eine Frau nimmt und sie heiratet und es geschieht, daß sie keine Gunst in seinen Augen findet, weil er etwas Anstößiges an ihr gefunden hat und er ihr einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus entlassen hat, und sie ist aus seinem Haus gezogen und ist hingegangen und <die Frau> eines anderen Mannes geworden, <wenn dann> auch der andere Mann sie gehaßt und ihr einen Scheidebrief geschrieben, ihn in ihre Hand gegeben und sie aus seinem Haus F. Hahn Text eines jüdischen Scheidebriefes: „Und jetzt verstosse ich dich ..., Tochter des ..., und welchen Namen du sonst haben magst ..., so dass du frei und dein selbst mächtig bist zu gehen, um dich zu verheiraten an jeden beliebigen Mann, und niemand soll es dir wehren von diesem Tag an bis in Ewigkeit. Siehe, du bist erlaubt jedermann, und dies soll dir meinerseits sein das Schriftstück der Verstossung und das Dokument der Scheidung und der Brief der Entlassung nach dem Gesetz Moses und Israel.“ 11 entlassen hat oder wenn der andere Mann stirbt, der sie sich zur Frau genommen hat, <dann> kann ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wieder nehmen, daß sie seine Frau sei, nachdem sie unrein gemacht worden ist. Wiederheirat im NT 1.Kor 7,10-11 Römer 7,2-3 Im gesamten NT findet sich kein Text, der ausdrücklich die Wiederheirat Geschiedener erlauben würde. Im Vorgrund steht die Wiederversöhnung und bis dahin der Verzicht auf die Ehe: Den Verheirateten aber gebiete nicht ich, sondern der Herr, daß eine Frau sich nicht vom Mann scheiden lassen soll - wenn sie aber doch geschieden ist, so bleibe sie unverheiratet oder versöhne sich mit dem Mann - und daß ein Mann seine Frau nicht entlasse. Erst der Tod eines geschiedenen Ehepartners wäre demnach die Möglichkeit zu einer Wiederheirat: Denn die verheiratete Frau ist durchs Gesetz an den Mann gebunden, solange er lebt; wenn aber der Mann gestorben ist, so ist sie losgemacht von dem Gesetz des Mannes. So wird sie nun, während der Mann lebt, eine Ehebrecherin genannt, wenn sie eines anderen Mannes wird; wenn aber der Mann gestorben ist, ist sie frei vom Gesetz, so daß sie keine Ehebrecherin ist, wenn sie eines anderen Mannes wird. Wiederversöhnung statt Wiederheirat Versöhnung statt Wiederheirat! Bei einer Trennung oder Scheidung gibt es eine vordringliche Aufgabe: alles daran setzen, dass sich Mann und Frau miteinander versöhnen. Um den Weg zur Versöhnung offen zu halten, gibt das NT Geschiedenen vielfach den Rat, nicht wieder zu heiraten. Ist eine Heirat von Geschiedenen unmöglich? Ist eine Trauung von Geschiedenen absolut unmöglich? Es gibt einige Stellen, welche die Möglichkeit einer Wiederheirat offen lassen. Die Worte Jesu an die Ehebrecherin und an die „grosse“ Sünderin: - Jesu Schlusswort an die Ehebrecherin wird von manchen bibeltreuen Auslegern so gedeutet, dass das „Gehe hin und sündige von an nicht mehr!“ einen Neuanfang in einer neuen Ehe beinhaltet. - Jesu Schlusswort an die „grosse“ Sünderin „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh hin in Frieden!“ wird ebenfalls so ausgelegt, dass die Vergebung einen vollständigen Neuanfang in einer neuen Ehe bedeutet. - Paulus spricht davon, dass bei einer Scheidung wegen Religionsverschiedenheit der geschiedene gläubige Ehepartner „nicht gebunden“ ist und dass Gott uns zum Frieden berufen hat: 1.Kor 7,15 Wenn aber der Ungläubige sich scheidet, so scheide er sich. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht gebunden; zum Frieden hat uns Gott doch berufen. H. Hartfeld24 sagt dazu: Der Satz „Der Bruder oder die Schwester ist in solchen <Fällen> nicht <sklavisch> gebunden“ kann beides bedeuten: 1. Der Christ ist nicht sklavisch gebunden an eine solche Ehe 2. Der Christ ist nicht sklavisch gebunden an den ungläubigen Ehepartner. Ist er aber nicht sklavisch gebunden, dann würde das bedeuten: er ist frei. Gründliche Abklärung Bevor überhaupt an eine Wiederheirat in irgend einer Weise gedacht werden darf, muss gründlich abgeklärt sein, ob eine Versöhnung mit dem geschiedenen Partner absolut unmöglich ist. „Ein Seelsorger, der sich nach langem Ringen für die Trauung von Geschiedenen entschliesst, kann sich bei seiner Entscheidung wohl auf das AT, aber sicher auf kein Wort des NT berufen, in dem ausdrücklich eine Wiedertrauung erlaubt ist.“25. Wer Geschiedene traut, „tut er es nicht im Namen irgend eines Rechtes oder eines erfüllten Gesetzes, sondern im Namen der Vergebung durch das Kreuz Jesu Christi, die 24 Hermann Hartfeld: „Arbeitspapier für alle Mitarbeiter der FEG Zürich Helvetiaplatz“ Bräumer a.a.O. 26 Th. Bovet 25 12 Wiederheirat und auch die Sünde der Scheidung reinwaschen kann.“26. Vergebung Die Vergebung allerdings gilt uneingeschränkt für alle Sünden und umfasst die Verfehlungen in Gedanken, im Begehren wie auch in der Tat! (vgl. den Abs chnitt Vergebung und Neuanfang) Jesus verhängt über die Ehebrecherin keinerlei Sanktionen, er sagt ihr „lediglich“: „Geh hin und sündige von nun an nicht mehr!“ Joh. 8,11. Voraussetzungen Ein Neuanfang hat zwei Voraussetzungen: zur Wiederheirat 1. Reue, Bekenntnis der Schuld und Empfang der Vergebung. 2. Die mit der Umkehr gebotene Wiedergutmachung, (zuerst die Aussöhnung). Wenn Aussöhnung nicht mehr möglich ist, kann der Weg zu einer Wiederheirat als frei betrachtet werden. Vergebung und Neuanfang darf niemand verweigert werden. Wenn jemand umgekehrt ist und Busse getan hat und wenn die Aussöhnung mit dem geschiedenen Partner unmöglich, kann auch der Weg zur Wiederheirat in Betracht gezogen werden. Seelsorgerliche Begleitung von Geschiedenen Verletzungsgefahr in unserer Gemeinde? Klima für Geschiedene in der Gemeinde! Abklärungen für eine Wiederheirat 27 Geschiedene werden in unseren Gemeinden durch unbedachtes oder böses Reden und Verhalten immer wieder verletzt. Sie dürfen mit ihren Verletzungen nicht allein gelassen werden. Oft sind sie nach ihren schmerzhaften Erfahrungen verunsichert, orientierungslos und schämen sich wegen des Scheiterns ihrer Ehe. Sie fühlen sich als Versager und ziehen sich von der Gemeinde oder Kleingruppe zurück. Geschiedene brauchen weder Schützenhilfe noch Verurteilung. Sie brauchen eine Gemeinde, die sie vorbehaltlos aufnimmt und seelsorgerliche Begleitung. Das gute Klima in einer Gemeinde schafft Voraussetzungen, dass Betroffene über ihre Anliegen und Problemen reden können. In einer Gemeinde soll ein solches Klima geschaffen werden, dass Geschiedene ohne Angst über eine Wiederheirat laut nachdenken können. Fragen zum Klima in der Gemeinde: - Finden Geschiedene in unserer Gemeinde Aufnahme? - Gehen Geschiedene gerne bei uns ein und aus? - Können Geschiedene über ihre Probleme sprechen, ohne dass sie verurteilt oder in falscher Weise unterstützt werden? Daniela Hilbrecht-Schudel27, eine Betroffene, die zusammen mit ihren vier Kindern durch ihren Mann (Alkoholiker) nach 13 Jahren Ehe zwischen Hoffen und Enttäuschung von einem Moment auf den andern auf die Strasse gestellt und verstossen wurde, erlebte ihre christlichen Geschwister so: Wir erleben viel Unterstützung und Hilfe von Freunden, DANKE! Doch in christlichen Kreisen hat man es manchmal schwer als Geschiedene. Unausgesprochen spürt man oft den leisen Vorwurf, dass man es nicht geschafft hat, verheiratet zu bleiben. Scheidung darf es doch unter Christen nicht geben! Entweder hat man zu wenig für die Ehe gebetet, man hat nicht genug vergeben oder erst zu spät! Sätze wie “Es braucht immer zwei, dass eine Ehe auseinander geht!“ beantworte ich immer mit dem Gegensatz „Es braucht aber auch zwei, dass eine Ehe funktioniert!“. Viel gut gemeinter Trost verletzte mich mehr, als dass es mir gut tat. Menschen in ihrem Schmerz auszuhalten und die Tiefen mit ihnen durchzugehen, das können leider viele nicht. Seelsorgerliche Abklärungen für eine Wiederheirat: Eine Wiederheirat soll mit Betroffenen besprochen werden, bevor „die Würfel“ gefallen sind. Folgendes muss in der Seelsorge geklärt werden: • Sind die Erfahrungen der früheren Ehe und die Scheidung mit einem Seelsorger gründlich „verarbeitet“ und die Verletzungen geheilt? Daniela Hilbrecht-Schudel hat am 6./7. September 2003 im „Fenster zum Sonntag“ auf SF DRS von ihrem Erleben berichtet. 13 • • • • Mut und Takt zur Seelsorge Ist das Vergangene vergeben und „regiert der Friede Gottes d as Herz des Geschiedenen.“ (Phil. 4,7) Treibt nicht Groll und Bitterkeit im Verborgenen Wurzeln? Ist volle Bereitschaft zur Aussöhnung mit dem Expartner vorhanden. Wurde mit dem früheren Partner geklärt, wie er sich zu einer Aussöhnung stellt? Ist die Beziehung zum früheren Partner, wo immer möglich, bereinigt, damit Frieden über der vergangenen Beziehung ruht? Der Seelsorger braucht für diese Aufgabe ein besonderes Mass an Mut und Takt. • Mut um die schmerzliche Vergangenheit anzusprechen • Mut um nicht blind die Meinung und Wünsche von Menschen zu bestätigen. • Mut um Botschafter der Versöhnung und nicht der Verdammung zu sein • Takt um eine schmerzliche Vergangenheit anzusprechen. 14 Anhang: 3 Fragen zum Überdenken! Gilt Vergebung für Gläubige und Ungläubige genau gleich? Gilt Vergebung in gleicher Weise für Gläubige wie für Ungläubige? Mt 11,20-24 Dann fing er an, die Städte zu schelten, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen waren, weil sie nicht Buße getan hatten: Wehe dir, Chorazin! Wehe dir, Betsaida! Denn wenn in Tyrus und Sidon die Wunderwerke geschehen wären, die unter euch geschehen sind, längst hätten sie in Sack und Asche Buße getan. Doch ich sage euch: Tyrus und Sidon wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als euch. Und du, Kapernaum, <meinst du,> du werdest etwa bis zum Himmel erhöht werden? Bis zum Hades wirst du hinabgestoßen werden; denn wenn in Sodom die Wunderwerke geschehen wären, die in dir geschehen sind, es wäre geblieben bis auf den heutigen Tag. Doch ich sage euch: Dem Sodomer Land wird es erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als dir. Ist Unzucht besser als die „anständige“ Scheidung? Ist Geschlechtsverkehr vor der Ehe besser als eine Scheidung? Wir stellen fest, dass wir bei der Frage von Scheidung und Wiederheirat gern verschiedene Ellen anlegen. Oft wird eine ‚Scheidung vor der Bekehrung‘ ignoriert und eine Wiederheirat mit der Bemerkung „das war ja vor der Bekehrung“ legitimiert. Jesus hat die Sündenvergebung für Gläubige und Ungläubige nicht gesondert behandelt, wenn er auch betont, dass der Glaubende mit Erkenntnis grössere Verantwortung trägt als jemand ohne Erkenntnis: Ist Unzucht besser als eine Scheidung ohne sexuelle Vergehen? Einem Geschiedenen ohne Vorwurf der Unzucht wird die Wiederheirat verwehrt, während der bussfertige Unzüchtige sich wieder verheiraten darf, weil ihm die Versöhnung mit dem Expartner nach 5. Mose 24.1-4 verboten ist? Mögliche Folgen sind: - Der Geschiedene bereut, dass er nicht Unzucht begangen hat - Der Geschiedene versucht seinem Expartner Unzucht nachzuweisen – was unweigerlich zu Schlammschlachten und Verdächtigungen führen muss. - Der Geschiedene entwickelt „Kreativität“ in der Auslegung des Begriffs Unzucht. Ist Geschlechtsverkehr vor der Ehe besser als eine Scheidung? Wenn jemand unverheiratet Geschlechtsverkehr mit wechselnden Partnern hatte oder Ehebruch beging, wird – nach seiner Umkehr - gilt eine Heirat als erlaubt, während Geschiedene die Folgen ihrer Schuld bis zum Lebensende tragen müssen. Mögliche Folgen für Geschiedene sind: Zusammenleben ohne Trauschein wird der Heirat vorgezogen, weil weniger weitreichende Folgen zu befürchten sind. Der Tod des Expartners wird zur verlockenden Perspektive. Für Paulus gibt es keine intime Beziehung ohne Folgen. Den Korinthern macht Paulus unmissverständlich klar: 1.Kor 6,15-16 Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Soll ich denn die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Hure machen? Das sei ferne! Oder wißt ihr nicht, daß, wer der Hure anhängt, ein Leib <mit ihr> ist? »Denn es werden«, heißt es, »die zwei ein Fleisch sein«. Wer vor der Ehe sexuelle Beziehungen pflegte, kann genau gleich nur aus der Vergebung durch Jesus heiraten wie jene, deren Ehe geschieden wurde. Für die Vergebung gibt es keine Ausnahmeklausel! Affoltern a.A., 14.09.03 Der Aeltestenrat 15 Scheidung und Wiederheirat in der Praxis z.B. Daniela Hilbrecht-Schudel, 3078 Richigen Bericht aus er lebt 3/03, vineyard be Kann aus Elend Gutes wachsen? Rs Auch als Christen kennen wir Zeiten von Schmerz, Elend und Zerbruch. Daniela gibt uns mit diesem Bericht Einblick in ihr persönliches Ringen mit einer zerbrochenen ehe und den Herausforderungen einer allein erziehenden Mutter. Ihr Fazit: Gott steht zu uns, er ist da, auch wenn wir ihn nicht erleben oder spüren, auch inmitten von Wut und Zweifeln – und er schafft Wachstum „im Lande unseres Elends“. Juni 2000 „Ich lege mein Leben in deine Hände, du gibst mir neue Hoffnung, einen Grund zum Leben! Und alles, was ich habe soll dir gehören; denn du kümmerst dich um mich und schenkst mir einen Neuanfang“. Diese Worte aus dem Musical WWJD 2000 sprechen mich zutiefst an. Nach dreizehn Jahren hat sich mein geliebter Ehemann von mir und unsern vier Kindern getrennt. Meine grosse und erste Liebe. Nun stehe ich da, mit blutendem Herzen, ohne Wohnung und weiss nicht weiter. Jegliche Lebensträume sind zerschlagen, mein ganzes Lebenshaus zusammengefallen. Ein neuer Grund zu leben? Daran glauben, dass aus diesem Scherbenhaufen wieder etwas Neues entstehen kann? In meinem tiefen Schmerz unvorstellbar für mich. Trotzdem tröstet mich die Aussage, dass Gott sich um uns kümmert und einen Neuanfang geben kann! Dazu ist nur er fähig. Und er ist der Einzige, woran ich mich momentan festhalten kann. März 2003 Ich darf zurückschauen auf drei sehr intensive Jahre, in denen so viel an inneren Prozessen geschehen ist. Heute kann ich sagen: Ja, Gott hat sich um uns gekümmert und uns neue Lebensfreude gegeben. Trotz allem! Persönliches Erleben. Anfangs war ich unfähig, irgendeine Beratung oder Therapie aufzusuchen. Mein Herz blutete stark, und es tat so unendlich weh, verstossen und abgewiesen zu werden von einem Menschen, den man zutiefst liebt. Ich nahm mir bewusst diese Zeit, weinte unzählige Tränen und liess es bluten. Erst nach einigen Monaten stellte ich mich in einer Gesprächstherapie all den Fragen über mein persönliches Versagen. Ich wollte auch MEINEN Teil in allem erkennen und nicht meinen Mann für alles verantwortlich machen. Es gab auch Zeiten unsäglicher Wut und Anklage gegen meinen Mann, der mich zur Alleinerziehenden gemacht hat, ob ich wollte oder nicht. Dann aber auch die tiefe Sehnsucht, von Armen umfangen und geliebt zu werden, und immer wieder diese Selbstzweifel und Gefühle der Minderwertigkeit. Wenn ich liebenswert wäre, dann wäre ich jetzt nicht alleine und verstossen, oder? Die Kinder Wie oft sass ich da mit weinenden Kindern in den Armen und selber auch voller Tränen, Heimweh und Sehnen nach ihrem Papi! Dazu kamen all die Fragen, wie sich dieses Erleben auf ihre Entwicklung auswirken wird, welches Gottesbild sie haben werden, da immer wieder betont wird, wie sehr dieses mit dem eigenen Vaterbild zusammenhängt. Jedes Kind reagierte anders, teils massiv, teils sehr im Verborgenen. Der Besuch einer Gruppe für Scheidungskinder und eine Familientherapie brachte viel Hilfe und Entspannung, und ich bin stolz auf meine Kinder, dass sie sich diesem Prozess aussetzten, denn oft brachte er auch neuen Schmerz mit sich. Auch da sind Wut, Aggressionen, sich verschliessen, um nicht wieder neu verletzt zu werden, Minderwertigkeit , Manko, Heimweh und Trauer immer wieder ein Thema. Alleine zu sein in der Erziehung der Kinder und im Alltag ist eine meine grössten Herausforderungen. Mitmenschen Wir erleben viel Unterstützung und Hilfe von Freunden, DANKE! Doch in christlichen Kreisen hat man es manchmal schwer als Geschiedene. Unausgesprochen spürt man oft den leisen Vorwurf, dass man es nicht geschafft hat, verheiratet zu bleiben. Scheidung darf es doch unter Christen nicht geben! Entweder hat man zu wenig für die Ehe gebetet, man hat nicht genug vergeben oder erst zu spät! Sätze wie“Es braucht immer zwei, dass eine Ehe 16 auseinander geht!“ beantworte ich immer mit dem Gegensatz „Es braucht aber auch zwei, dass eine Ehe funktioniert!“. Viel gut gemeinter Trost verletzte mich mehr, als dass es mir gut tat. Menschen in ihrem Schmerz auszuhalten und die Tiefen mit ihnen durchzugehen, das können leider viele nicht. Beziehung zu Gott Trotz viel Unterstützung von Menschen ist es ein einsamer Weg. Da bleibt nur Gott, der die verborgenen Stunden voller Tränen versteht und fähig ist, mich zu trösten. Doch auch meine Gottesbeziehung kam auf den Prüfstand. Warum lässt er das alles zu? Wozu habe ich immer wieder vertraut und gebetet, um nun zu merken, dass es anscheinend nichts genützt hat? Zerbruch, Schmerz, Loslassen ... Wo bleibt da seine Liebe? Habe ich dies alles verdient, nachdem ich Gott seit Jahren treu war? Es war ein langer und schmerzlicher Weg, meine vielen falschen Gottesbilder zu erkennen und Heilung darin zu erleben. Gott antwortete nicht sofort, sondern erst nachdem ich keine Worte der Anklage mehr übrig hatte. Diese Zeit des Ausharrens war eine der schlimmsten Zeiten für mich. Nun ist er daran, mir zu zeigen, wie er wirklich ist. Ich weiss, dass ich Jesus brauche, um mein Leben zu bewältigen; denn ohne ihn schaffe ich es nicht. Nach der Gefängniszeit nannte Josef einen seiner beiden Söhne Ephraim, was bedeutet: Gott hat mich wachsen lassen im Lande meines Elends. Etwas davon habe ich schon erlebt und ich wünsche mir, dass dies noch mehr meine Worte werden. Daniela Hilbrecht-Schudel (38), Mutter von vier Kindern im Alter zwischen 14 und 7 Jahren. Daniela Hilbrecht-Schudel war 1983/84 während eines Jahres in der Jugi der Stadtmission Locarno, wir hatten nachher bis Juni 03 keinen Kontakt mehr mit ihr. In einem Mail vom 21.06.2003, berichtete Daniela Hilbrecht-Schudel in einem persönlichen Mail weitere Details zu ihrer Ehe und Scheidung. ein christ ist ein mensch, der die zeit gott anbefiehlt und der das, was die zeit bringt, in die treue seines gottes stellt. Lieber Paul! ... der oben erwähnte satz hat mich die letzte zeit sehr begleitet. mein leben wurde auch einer veränderung unterworfen, mit der ich nie, nie gerechnet habe. vor drei jahren hat sich mein gelieber mann von mir und unseren vier kindern getrennt. dies war sehr, sehr schwer für mich, da er meine grosse liebe war und ich schon jahre kämpfte, um unsere ehe zu retten. mein mann hat an unserem hochzeitstag im 1987 nach einer zeit der abstinenz das erste glas wein getrunken und damit waren die weichen gestellt, wie es weitergeht (alkohol war bis dahin kein thema, da ich es nicht wusste.....). es folgten sehr schwere jahre, mal ging es besser, mal sehr schlecht. entzugskuren folgten auf gute zeiten und umgekehrt. all dies zu verkraften hat sehr viel energie gefordert, zumal noch vier kinder da waren, die in rascher folge zur welt kamen. doch alles hat mich nur näher zu m einem gott gebracht. zu wem denn sonst als zu ihm hätte ich mich flüchten sollen?? vor drei jahren dann stellte mich mein mann auf die strasse - im wahrsten sinn des wortes. da stand ich nun, zusammen mit meinen kindern und wusste nicht weiter. es war ein sehr schmerzlicher weg für mich, mich damit abzufinden, dass meine ganze liebe verstossen und abgelehnt wurde. dies ist wohl etwas vom schmerzlichsten für einen ehepartner, wenn er merkt, dass der andere die liebe nicht mehr annimmt und zurückstösst. meine aufgefangenen tränen bei gott füllen sicher manchen krug.... in einem intensiven prozess stellte ich mich all den fragen, vorwürfen und schmerzen, denn es war mir wichtig, die schuld am scheitern unserer ehe nicht einfach meinem mann zu geben, da er trank, sondern meinen teil auch zu erkennen. dieser enorme druck, auch gerade das begleiten der kinder durch diesen schmerz, hat mich aber letztendlich nur noch mehr in die hand gottes gedrückt. mit den kindern besuchte ich eine familientherapie, und dies war sehr gut. am schlimmsten für mich war, nach all dem persönlichen schmerz auch meine beziehung zu gott auf dem prüfstand zu erleben. hatte ich all das verdient, nachdem ich meinem gott all die jahre die treue hielt, betete, vertraute und er meine zuflucht war und immer noch ist, je länger je mehr? dieser prozess war für mich viel schlimmer als die loslösung von meinem mann, da ich mit so vielen falschen gottesbildern 17 konfrontiert wurde, die tief in mir drin waren und nun endlich hochkommen konnten. ich erschrak sehr darüber, was da in mir hochkam an anklage, rebellion, frömmigkeit und ja, falschen gottesbildern. doch ich bin so froh, liess ich diese bilder zu und stellte ich mich ihnen, und nun erlebe ich , wie gott selber daran ist, mir zu zeigen, wie er ist und nicht, wie ich meine, dass er ist. in off.3 rät uns gott verschiedene dinge an, ich möchte nur eines erwähnen. er sagt dort, ich solle augensalbe bei ihm holen, damit ich meine augen salbe und sie sehend werden. wenn gott mir das schon anratet bin ich ja blöd, wenn ich nicht darum bitte! wie sehr wünsche ich mir, dass meine augen aufgehn und ich in erster linie erkennen und sehen kann, wie gott ist, wirklich ist, losgelöst von dem, was ich durch predigten gehört oder durch meine lebensgeschichte erlebt habe! und genau dies erlebe ich nun stück für stück, und es ist einfach überwältigend! vor drei wochen nun war die scheidungsverhandlung, die sehr friedlich und entspannt verlief. dies ist ein wunder gottes, denn noch vor einem jahr wäre dies unmöglich gewesen, da mein exmann auch eine psychische krankheit hat und man nie weiss, wie es ihm geht und wie sie sich äussert. momentan herrscht ein guter kontakt zu ihm, obwohl die kindern nur selten für zwei drei stunden bei ihm sein können, weil er mehr nicht schafft. ja, die kinder mussten viel lernen und loslassen und schmerz ertragen, ich bin stolz auf sie, dass sie dies geschafft haben! dadurch liegt die ganze erziehungsarbeit und verantwortung auf meinen schultern, und da die kids immer bei mir sind und nicht wie andere kinder jedes 2.wochenende beim andern elternteil weilen, bin ich schon oft sehr gefordert. dieses alleinsein mit den kindern ist wohl eine meiner grössten heruasforderungen für mich, drückt mich aber einmal mehr in die hand meines gottes, da ich weiss, dass ich es ohne ihn nicht schaffe und ihn brauche. wieder ein lernfeld mehr für mich! gott erweist sich aber als treu und vertrauenswürdig und als zuflucht und hilfe! aufgrund meiner situation wurde ich von meinem gemeindeleiter angefragt, eine gruppe für getrenntlebende-frisch geschiedene zu starten, nie hätte ich mir dies "selber genommen", doch nach einer zeit des überlegens habe ich zugesagt. seit ein paar wochen treffen wir uns nun alle drei wochen und nach einem input zu verschiedenen themen (selbstwert, lücken, wüstenzeiten um nur einige zu nennen) im gespräch miteinander einen weg zu suchen in diesem prozess. ich staune einfach, was gott macht und, für mich immer wieder ein wunder und kaum zu glauben, dass gott mich braucht für diese leute. all die jahre habe ich auch in der insel auf der onkologie (leukämieabteilung) gearbeitet, 14 jahre lang. vor bald zwei jahren durfte ich aber künden und arbeite nun bei clive wilder-smith auf einer forschungsabteilung, wo wir medikamentenstudien durchführen. ich bin vollumfänglich vom sozamt unterstützt (ausser der rente, die den kindern zusteht, alimente kann mein exmann nicht bezahlen, da er arbeitsunfähig ist und mit seiner sucht zu kämpfen hat), muss aber meinen fuss in der berufswelt behalten, da vielleicht die zeit kommt, wo ich wieder mehrprozentig arbeiten muss, sobald die kinder grösser sind ausser ich heirate mal einen millionär ruben ist 14, luca 13, rahel 11 und seraja 7. heute kann ich sagen, dass es mir gut geht und ich mich neu des lebens freuen kann. gott sei dank! dies nun ein kleiner einblick in mein leben........danke fürs zuhören! ich wünsche dir und marianna ein erholsames wochenende und auf wiedermailen! mit lieben grüssen daniela ps. ah ja, am 6.od 7. september wird die fenster zum sonntag sendung ausgestrahlt, bei der ich mitwirke (auch etwas, das ich mir nie selber genommen hätte...!!) Anmerkung P. Stricker: Was Daniela Hilbrecht-Schudel erlebt hat, mag ein Extremfall sein, aber auch in solchen Fällen muss unser Papier hieb-, stichfest und anwendbar sein! 18