Das Geheime Consilium von Sachsen-Weimar

Transcription

Das Geheime Consilium von Sachsen-Weimar
DAS GEHEIME CONSILIUM
VON SACHSEN-WEIMAR-EISENACH
IN GOETHES ERSTEM WEIMARER
JAHRZEHNT 1776–1786
REGESTAUSGABE
.
ERSTER HALBBAND 1776–1780
VOLKER WAHL (HG.)
Herzogtum Sachsen-Weimar
und Eisenach 1764–1807
Allstedt
Heiligenstadt
Sondershausen
Querfurt
Frankenhausen
Fürstentum Weimar
Oldisleben
Jenaische Landesportion
Un
st r
ut
Hennebergische Landesportion
Senioratsamt Oldisleben
Mühlhausen
Werr
a
Fürstentum Eisenach
Saa
Un
Eßleben (zu Amt Hardisleben,
unter kursächsischer Landeshoheit)
st r
Hardisleben
Tennstedt
ut
le
Naumburg
Orte anteilig beim Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach
Großrudestedt
Residenzstadt bzw. Regierungssitz
Creuzburg
Amtssitz
Kreisstadt des Thüringer
bzw. Neustädter Kreises
(Kurfürstentum Sachsen)
sonstige Orte
Niederroßla
Dornburg
Weimar
Erfurt
Eisenach
Gerstungen
Kapellendorf
Gotha
Bürgel
Jena
Berka
Tiefenort
Blankenhain
Arnstadt
Il m
Remda
Schmalkalden
Neustadt
an der Orla
Rudolstadt
Ilmenau
Saalfeld
Kaltennordheim
Saale
Schleiz
Meiningen
r
We
Schleusingen
ra
Ostheim
Karte: Frank Boblenz, 2007
Hildburghausen
0
10
20
30
40 km
VERÖFFENTLICHUNGEN
AUS THÜRINGISCHEN STAATSARCHIVEN
13
VERÖFFENTLICHUNG
DES THÜRINGISCHEN HAUPTSTAATSARCHIVS WEIMAR
Das Geheime Consilium
von Sachsen-Weimar-Eisenach
in Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt
1776–1786
Regestausgabe
Erster Halbband
1776–1780
Herausgegeben von
Volker Wahl
Bearbeitet von
Uwe Jens Wandel und Volker Wahl
2014
BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Verantwortliche Bearbeiter:
Volker Wahl (2008–2013), Uwe Jens Wandel (2002–2008)
Bearbeiter:
Helma Dahl, Rudolf Diezel, Willy Flach, Paul Goeths,
Wolfgang Huschke, Herbert Rühlmann (1947–1949)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.
Umschlagabbildung:
Erster Halbband: Vorderansicht des Roten Schlosses, Ausschnitt aus einer Zeichnung
von 1929. (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Thüringisches Finanzministerium,
Bauzeichnungen Nr. 3611)
Zweiter Halbband: Ordre des Herzogs Carl August an Oberst von Lasberg
vom 24. November 1783, Konzept mit den Signaturen des Herzogs und der Geheimen Räte
von Fritsch, Schnauß und Goethe (Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, B 2754)
Karten im Vor- und Nachsatz:
Vorsatz: Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach 1764–1807 (Entwurf Frank Boblenz)
Nachsatz: Sachsen-Weimar; Das Fürstenthum Weimar/Das Fürstenthum Eisenach.
Aus: Franz Johann Joseph von Reilly, Schauplatz der fünf Theile der Welt. Wien 1791.
(Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Historische Karten Nr. 18 und 19)
© 2014 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar
Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com
Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist unzulässig.
Korrektorat: Kornelia Trinkaus, Meerbusch
Satz: Verlagsservice Baier, Auerstedt
Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln
Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier
ISBN 978-3-412-22334-2
I N HALT
Erster Halbband
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einführung
7
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
Zur Überlieferung und zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
Kalendarium zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 . . . . . . . . .
86
Abbildungen
Regesten zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 . . . . . . . . . . . 127
1776
1777
1778
1779
1780
Regesten
Regesten
Regesten
Regesten
Regesten
1–
1214 –
3352 –
5289 –
7088 –
1213
3351
5288
7087
9220
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127
202
320
435
532
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. 651
. 758
. 877
. 996
. 1127
. 1273
Zweiter Halbband
1781
1782
1783
1784
1785
1786
Anhang
Regesten 9221 – 11182
Regesten 11183 – 13136
Regesten 13137 – 15163
Regesten 15164 – 17255
Regesten 17256 – 19553
Regesten 19554 – 20379
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. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1328
Die Hoftafeln von Herzog Carl August
mit Mitgliedern des Geheimen Consiliums 1776–1786
Die Reisen von Herzog Carl August 1776 bis 1786
. . . . . . . . . . . . . . 1328
. . . . . . . . . . . . . . . . 1336
Goethes amtliche Tätigkeit und seine Reisen 1776 bis 1786 . . . . . . . . . . . . 1341
Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1347
Register der in den Regesten enthaltenen Orte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1357
EINFÜHRUNG
Über die Entstehungsgeschichte des Geheimen Consiliums, seine Stellung in der Landesadministration des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach sowie dessen Aufgaben
und Geschäftsverfahren, über die Arbeitsweise des Geheimen Ratskollegiums selbst und
die Tätigkeit der Geheimen Kanzlei wie auch deren Personalverhältnisse hat erstmals eingehend Willy Flach im Zusammenhang mit der von ihm begründeten Edition „Goethes
Amtliche Schriften“ unterrichtet. Nach sorgfältiger Forschungstätigkeit auf der festen
Grundlage des sicheren Überblicks über das gesamte vorhandene Quellenmaterial zu dieser Materie im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar hat der bedeutende Thüringer
Archivar, Landeshistoriker und Goetheforscher in der Einleitung zum Schriftenband über
Goethes Tätigkeit im Geheimen Consilium 1776 – 1786 (1950) und in der gesondert veröffentlichten Studie „Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte“ (1952) die neuen und
grundlegenden Erkenntnisse zusammengefasst, die noch heute unser Wissen über das Regierungshandeln im ersten Jahrzehnt von Carl Augusts Staatsleitung und Goethes amtlicher Tätigkeit in der Landesadministration von Sachsen-Weimar-Eisenach bestimmen.
Seine Feststellungen reichen indessen nur bis 1786, da dieser erste Band lediglich Goethes
Tätigkeit im Geheimen Consilium in dessen frühen Weimarer Jahren vor der Italienreise
erfasst hat. Die weitere Entwicklung dieser Landeszentralbehörde – wiederum unter dem
Gesichtspunkt von dessen Zugehörigkeit zum Geheimen Consilium nach der Rückkehr
aus Italien 1788, wenn auch nicht mehr in der aktiven Rolle als Teilnehmer an den Sessionen, sondern außerhalb der Geheimen Ratsstube – ist von Helma Dahl im zweiten Band
dieser Edition behandelt und aufgehellt worden (1968). Zuvor hatte Ulrich Hess in seiner
überschauenden behördengeschichtlichen Untersuchung über die oberste Regierungssphäre in den ernestinischen Staaten Thüringens einen Gesamtüberblick über Organisation, Geschäftsgang und Personalgeschichte in Sachsen-Weimar-Eisenach in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts vorgelegt (1962). Für die heutige Erkenntnis über die verwaltungsmäßigen Gegebenheiten des damaligen weimarischen Staates, in denen die Tätigkeit
des Geheimen Consiliums eingebettet war, dient auch die vertiefte biografische Untersuchung von Karl-Heinz Hahn über Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch (1953), den leitenden Beamten in der Landesadministration in dieser Zeit. Auch in den Text- und Kommentarbänden zur Edition „Johann Wolfgang Goethe Amtliche Schriften“ von Reinhard Kluge
und Irmtraut und Gerhard Schmid (1998/99 und 2011) finden sich erläuternde Ausführungen zum Geschäftsverfahren des Geheimen Consiliums in Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt und zu den weiteren Verwaltungsbehörden in Sachsen-Weimar-Eisenach. Die hier
folgende Darstellung zur Organisation und Arbeitsweise des beratenden Organs des Herzogs Carl August für seine Regierungstätigkeit konzentriert sich als Einführung für die
Regestausgabe zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 auf die speziellen behördlichen Verhältnisse eines Territorialstaates im aufgeklärten Absolutismus, die auch
weiterhin Gegenstand institutionengeschichtlicher Forschungen sind und bleiben werden.
Die allgemeine Geschichte des Herzogtums und späteren Großherzogtums Sachsen-Weimar
und Eisenach unter Carl August ist den älteren und neueren Überblicksdarstellungen von
Fritz Hartung (1923), Hans Tümmler (1984) und Marcus Ventzke (2004) zu entnehmen.
14
Geheimes Consilium 1776–1786
Entstehung und Entwicklung des Geheimen Consiliums
in Sachsen-Weimar-Eisenach seit 1756
Das Geheime Consilium für das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach in der Residenzstadt Weimar, die zentrale Regierungsbehörde eines zweigeteilten Territorialstaates in
Thüringen, war 1775 beim Antritt der Regentschaft von Herzog Carl August (1757–1828)
noch eine verhältnismäßig junge Einrichtung.1 Entstanden war sie erst nach dem Ableben
des Herzogs Ernst August von Sachsen-Weimar und Eisenach (1688–1748), als anstelle
von dessen noch unmündigem Sohn Ernst August Constantin (1737–1758) eine obervormundschaftliche Regierung über die Fürstentümer Weimar und Eisenach die Geschicke
des Landes mit seinen beiden eigenständigen Behördenorganisationen in den Residenzen
Weimar und Eisenach übernahm. In dieser Zeit, als die Landesverwesung zunächst für
eine kurze Zeit von Herzog Friedrich III. von Sachsen-Gotha-Altenburg (1699–1772) und
dann von dem geschlechtsältesten Mitglied der ernestinischen Fürstenhäuser in Thüringen,
Herzog Franz Josias von Sachsen-Coburg-Saalfeld (1697–1764), wahrgenommen wurde,
war die Bindung der die Obervormundschaft ausübenden Regenten an die in ihren Ländern schon früher entstandenen Geheimen Ratskollegien – in Gotha 1651 und in Coburg
1732/35 – vorbildgebend für das Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach. So bereitete
die für die Obermundschaft neu geschaffene zentrale Instanz in Gestalt eines Geheimen
Obervormundschaftskollegiums in Weimar, das in den Formen eines Geheimen Rates fungierte, den Boden für die weitere Entwicklung vor. Tatsächlich ausgebildet wurde das Geheime Consilium hier aber erst 1756, nachdem Herzog Ernst August Constantin volljährig geworden war und die Regierung übernommen hatte.
Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, dass die thüringische Staatengeschichte in
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch den Aufstieg des Herzogshauses SachsenWeimar und Eisenach gekennzeichnet ist, wobei diese Jahrzehnte mit der Herzogin Anna
Amalia (1739–1807) seit 1758 als Nachfolgerin ihres früh verstorbenen Gatten Ernst August Constantin – wenn auch nur als Obervormünderin ihres unmündigen Sohnes Carl
August und als Landesregentin in einer fast siebzehn Jahre währenden vormundschaftlichen Regierung – und mit dem 1775 zur Regierung gekommenen Herzog Carl August
(1757–1828) sowie mit den in ihren Diensten stehenden bürgerlichen Intellektuellen
Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Johann Gottfried Herder in
engste Beziehung gebracht werden.2 Es ist die Zeit des aufgeklärten Absolutismus, jener
von den Ideen der Aufklärung beeinflussten Regierungspraxis des Absolutismus in der
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die auch in anderen deutschen Territorialstaaten ausgeübt wurde. In Thüringen kam allerdings Weimar keinesfalls die Vorreiterrolle zu. In
Sachsen-Coburg-Meiningen seit 1763 unter Herzogin Charlotte Amalie (1730–1801) und
1
2
Die Darstellung der Behördenentwicklung folgt weitgehend Willy Flach, Goethes Amtliche Schriften. Band
1: Die Schriften der Jahre 1776–1786. Weimar 1950, S. VII-CIV (Einleitung); ders., Goetheforschung und
Verwaltungsgeschichte. Goethe im Geheimen Consilium 1776–1786. Weimar 1952 sowie Ulrich Heß, Geheimer Rat und Kabinett in den ernestinischen Staaten Thüringens. Organisation, Geschäftsgang und
Personengeschichte der obersten Regierungssphäre im Zeitalter des Absolutismus. Weimar 1962.
Vgl. Ulrich Heß, Geheimer Rat (wie Anm. 1), S. 168.
Einführung
15
in Sachsen-Gotha-Altenburg seit 1772 unter Herzog Ernst II. (1745–1804) war das Streben
nach Überwindung der alten Verhältnisse früher, konsequenter und dauerhafter ausgeprägt. Und doch ging „unverkennbar von Weimar die Stoßkraft aus, die in eine neue Zeit
führte“, wie Ulrich Heß in seiner grundlegenden Studie über die oberste Regierungssphäre in den ernestinischen Staaten Thüringens in der frühen Neuzeit betont hat. „Der thüringische Führungsanspruch Weimars im 19. Jahrhundert hatte seine geistigen und materiellen Grundlagen bereits in diesen Jahrzehnten.“3
Die vielgliedrige Behördenorganisation in beiden Landesteilen des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach wurde an der Spitze in der Personalunion des Regenten für die
Regierungshoheit zusammengeführt, dem seit 1756/59 das Geheime Consilium als ein ausgeprägtes Beratungsorgan des Herzogs diente. Diese zentrale Instanz stand über den in
Weimar und Eisenach eigenständig domizilierenden Landesverwaltungen mit den üblichen
drei großen nach dem Kollegialitätsprinzip arbeitenden Fachkollegien, zu der die für die
Verwaltung und das Justizwesen zuständige Regierung, die für Finanz- und Wirtschaftsfragen zuständige Kammer und das für geistliche und Schulangelegenheiten zuständige
Konsistorium als Oberbehörden gehörten. Noch das ganze 18. Jahrhundert hindurch galt
für deren Tätigkeit die Kanzleiordnung vom 26. Februar 1642.4 Die Einrichtung eines den
Fachkollegien übergeordneten und zum Landesherrn in besonders enger Beziehung stehenden Geheimen Ratskollegiums war indessen jüngeren Datums.
Bereits vor der Volljährigkeitserklärung und der Regierungsübernahme durch Herzog
Ernst August Constantin am 29. Dezember 1755 hatte festgestanden, dass dieser nach Gothaer Vorbild ein Geheimes Consilium einrichten würde. Das beruhte auch auf seiner im
Geiste des aufgeklärten Absolutismus geführten Erziehung durch den Grafen Heinrich
von Bünau (1697–1762), der seit 1750 Staathalter im Fürstentum Eisenach und dort Präsident aller Landeskollegien gewesen war. Diesen umfassend gebildeten und in Verwaltungsfragen erfahrenen Beamten berief der nunmehrige Landesherr an diesem Tag zu seinem
„Premier-Ministre und Statthalter der beiden Fürstentümer Weimar und Eisenach“5 und
übertrug ihm zugleich das Direktorium des Geheimen Consiliums, dessen erste Session am
31. Januar 1756 in Weimar stattfand.6 Dieses Datum gilt als Beginn der neuen obersten
Landesbehörde, deren Gründungsvorgang aber erst nach der Ausfertigung der Ernennungsdekrete für die anderen Geheimen Räte und deren Vereidigung am 14. Mai 1756 sowie für den Geheimen Referendar und das Kanzleipersonal (Sekretäre, Akzessisten, Registratoren, Kanzlisten und Botenmeister) mit deren Vereidigung am 17. Mai 1756
abgeschlossen war.7 Schon in dieser neuen Zentralinstanz waren drei Beamte vertreten, die
auch später ab 1775 unter Herzog Carl August im Geheimen Consilium und in der Geheimen Kanzlei einen bevorzugten Platz einnahmen. Der bisher als Mitglied in der Regierung
3
4
5
6
7
Ebd., S. 169.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 31.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 667 h1. Vgl. Ulrich Heß, Geheimer
Rat (wie Anm. 1), S. 179.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 34; Ulrich Heß, Geheimer Rat
(wie Anm. 1), S. 179.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 34.
16
Geheimes Consilium 1776–1786
zu Eisenach unter Bünau tätig gewesene Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch (1731–1814)
übernahm die Stelle des Geheimen Referendars, die ihn in eine Mittlerstellung zwischen
dem Geheimen Consilium und der Geheimen Kanzlei brachte. An die Spitze der Geheimen Kanzlei, der Schreibstube des Geheimen Ratskollegiums, wurde als Geheimer Sekretär Christian Friedrich Schnauß (1722–1797) gestellt, der schon zuvor in Eisenach in der
Regierungskanzlei diese Stellung innehatte. Ebenfalls aus der Eisenacher Regierungskanzlei kam mit Johann Christoph Schmidt (1727–1807) ein weiterer Geheimer Sekretär für die
neue Weimarer Kanzlei. Vor allem Schnauß sorgte für die Kontinuität bei den sich durch
die tägliche Praxis entwickelnden Geschäftsformen und der zielführenden Tätigkeit der
Geheimen Kanzlei zu Weimar.
Noch war allerdings die Arbeitsweise des Geheimen Consiliums in Sachsen-WeimarEisenach, wie wir sie später unter Herzog Carl August für die Jahre zwischen 1776 und
1786 kennen und wofür die hier vorgelegte Regestausgabe Zeugnis ablegt, nicht auf dieser
Höhe. Der Vater, der schwächliche Herzog Ernst August Constantin, der zudem früh verstarb, ist nicht mit dem kraftvollen Sohn Carl August, der seine Regierung ebenfalls mit
18 Jahren antrat und im Geheimen Consilium von Anfang an bestimmend auftrat, zu vergleichen. Hinzu kommt die damals überragende Stellung des Premierministers Bünau, der
nach seiner Berufung nach Weimar ab 1756 eigentlich die Politik bestimmte und als dominierender Beamter in den Regierungsgeschäften den jungen Landesherrn in den Schatten
stellte. Nunmehr wurden alle Fragen der Staatsverwaltung und der Außenpolitik in den
beiden Fürstentümern Weimar und Eisenach von einer obersten anleitenden Behörde, dem
Geheimen Ratskollegium, behandelt. Deren Sitzungen unter dem stetigen Vorsitz Bünaus
fanden wöchentlich mehrfach statt, an denen der Herzog allerdings nicht ständig teilnahm,
was vielleicht auch seinem schwankenden Gesundheitszustand geschuldet war. Die auf die
Resolution ergangenen Konzepte wurden von dem Geheimen Referendar oder vom Geheimen Sekretär entworfen und von den Mitgliedern des Geheimen Consiliums revidiert
und signiert. Anders als später wurden die Ausfertigungen der Reskripte zwar vom Herzog unterzeichnet, vielfach freilich bloß mit seiner Paraphe, sie tragen aber alle die
„Kontrasignatur“ Bünaus als Gegenzeichnung. Für die beherrschende Stellung Bünaus
spricht auch, dass seit Frühjahr 1758 die Auftragsreskripte des Herzogs nur noch von dem
Premierminister mit dem auch künftig verwendeten Auftragsvermerk „Ad Mandatum
Serenissimi Speciale“ unterschrieben sind. Auch dafür ist wohl die sich verschlechternde
Konstitution des Herzogs verantwortlich, der am 28. Mai 1758 verstarb, was der behördlichen Entwicklung in der obersten Zentralsphäre der sachsen-weimar-eisenachischen
Landesadministration eine neue Richtung gab.
Unter der nunmehr angetretenen Obervormundschaft der in jungen Jahren verwitweten Herzogin Anna Amalia, einer geborenen Prinzessin von Braunschweig-Wolfenbüttel,
über den erstgeborenen Erbprinzen Carl August wurden die Staatsgeschäfte in Weimar
neu geordnet. Nachdem zunächst die Verantwortung von Premierminister Bünau unangetastet geblieben war, wurde mit ihrer Übernahme der Obervormundschaft und Landesregentschaft am 9. Juli 1759 dessen bisherige Ministerherrschaft in Sachsen-Weimar-Eisenach beseitigt. Er wurde am 4. September 1759 aus dem Landesdienst entlassen. Bereits in
seinem Testament vom 21. Februar 1758 hatte Herzog Ernst August Constantin seiner Gemahlin die persönliche Teilnahme an den Sitzungen des Geheimen Consiliums empfohlen.
Einführung
17
Ihr Berater, der von ihrem Vater nach Weimar geschickte braunschweigische Vizekanzler
Georg Septimus Andreas von Praun, riet ihr ebenfalls dazu und legte ihr ans Herz, die sich
in Braunschweig-Wolfenbüttel bewährt habende Regierungsweise auch in Sachsen-Weimar-Eisenach einzuführen. Dazu gehörten die ständige Teilnahme an den Sessionen, in denen unter ihrer Leitung die Resolutionen ergehen sollten, sowie die Revision und Signierung der Konzepte und die Unterschriftsleistung bei den Ausfertigungen.8 Die Herzogin
folgte willig diesem Ratschlag und teilte am 8. September 1759 dem nunmehr dienstältesten Mitglied des Geheimen Consiliums, Carl Ernst von Rehdiger, mit, sie habe sich vorgenommen, „alles mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören“, ein hehres
Ziel, das sie allerdings nicht in dieser Konsequenz durchhielt. In der Praxis des Regierungshandelns hieß das nämlich, ständig das Geheime Consilium zu besuchen, die Konzepte zu revidieren und zu signieren sowie die Ausfertigungen selbst zu unterschreiben.
Außerhalb der Sessionen wolle sie von den Geheimen Räten mündlichen und schriftlichen
Vortrag willig annehmen, einen jeden aufmerksam anhören, ihrer Ratschläge sich bedienen
und sie bei den Beschlüssen berücksichtigen.9
Auf dieser Grundlage wurde fortan unter Anna Amalia die Regierungsweise des aufgeklärten Absolutismus praktiziert, wobei das von dem braunschweigischen Berater von
Praun entworfene „künftige Regulativ“ vom 21/22. Juli 1759 10 zur Grundlage für den richtungsweisenden Erlass vom 8. September 1759 11 geworden war. In ihm sind für SachsenWeimar-Eisenach erstmals die Grundsätze für dieses Regierungshandeln formuliert worden, die auch für die Geschäftspraxis des Geheimen Rates und sein Verhältnis zum
regierenden Monarchen unter Herzog Carl August bis 1815, als das Staatsministerium an
dessen Stelle trat, gültig geblieben sind. Nachdem Graf Heinrich von Bünau 1756 das Geheime Consilium nach Gothaer Vorbild zur Zentrale des Staatswesens gemacht hatte, war
es nunmehr Georg Septimus Andreas von Praun, der nach dem Braunschweiger Beispiel
den Landesregenten – in unserem Fall die Landesregentin Anna Amalia – in den Mittelpunkt der Regierungstätigkeit gestellt sehen wollte. Einen Vorsitzenden aus dem Kreis der
Geheimen Räte mit besonderem Prädikat sollte es künftig nicht mehr geben. In den
Vordergrund trat deren beratende Funktion für den regierenden Fürsten. Auch die bei
Gründung des Geheimen Consiliums unter Bünau hergestellte personelle Verbindung von
Geheimratsstellen mit dem Präsidium der großen Fachkollegien sollte gelöst werden. Die
Mitglieder des Geheimen Consiliums sollten neben ihrer beratenden und beschließenden
Tätigkeit für die Landeszentralbehörde höchstens noch den Vorsitz in besonderen Kommissionen einnehmen.
Seit dem Erlass Anna Amalias vom 7. September 1759 war es geltender Brauch für die
Geschäftspraxis des Geheimen Consiliums und sein Verhältnis zur Landesregentin, dass
die Herzogin sich für die Tätigkeit der Landeszentralbehörde engagierte und sie überwachte: idealerweise mit der Beteiligung an der Eröffnung der Eingänge, mit der Teilnah18
19
10
11
Ulrich Heß, Geheimer Rat (wie Anm. 1), S. 184 und insbesondere Anm. 60.
Ebd., S. 184-185; dort wörtliches Zitat aus Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 672; Vorschläge und Entwurf des Regulativs [21./22. Juli 1759] von Praun im Weimarer Archiv,
Fürstenhaus A 192525, Bl. 8-9 und 18-20.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Fürstenhaus A 192525, Bl. 18-20.
Ebd., Weimarer Archiv, Behörden B 672.
18
Geheimes Consilium 1776–1786
me an den Sessionen, mit der eigenhändigen Unterschrift aller Expeditionen, mit der wochenweisen Überwachung der im Geheimen Consilium geleisteten Arbeit durch ihr vorzulegende Registranden- und Protokollauszüge der Geheimen Kanzlei. Diese besondere
Form der Rechenschaftslegung und Kontrolle war notwendig, da in den Sessionen nicht
alle Geschäfte abschließend erledigt wurden. Seitdem weisen die Konzepte des Geheimen
Consiliums über den Revisionssiglen der Geheimen Räte die Signatur der Landesregentin
auf. Die Ausfertigungen sind von ihr unterschrieben, eine Kontrasignatur gibt es nicht
mehr. Auftragsreskripte des Geheimen Consiliums bei Abwesenheit der Landesregentin
enthalten den schon unter ihrem verstorbenen Gatten eingeführten Auftragsvermerk „Ad
Mandatum Serenissimi Speciale“ und werden von allen Mitgliedern nebeneinander unterzeichnet. Der Geschäftsgang des Geheimen Consiliums verfestigte sich im Laufe der Zeit.
In der Stellung und Form, in die diese oberste Regierungsinstanz seit 1759 unter Anna
Amalia gebracht und während ihrer vormundschaftlichen Regierung beibehalten worden
ist, hat sie ihr 1775 mündig gewordener Sohn Carl August bei seinem Regierungsantritt
übernommen und mit neuen Akzenten weitergeführt.
Noch bevor aber Herzog Carl August an seinem 18. Geburtstag am 3. September 1775
in die Regierungsverantwortung eintrat, war er am 14. Oktober 1774 in das Geheime Consilium eingeführt worden. Seine Mutter hatte ursprünglich erwogen, dem jungen Erbprinzen bereits nach dem 17. Geburtstag – also noch vor dem üblichen Volljährigkeitstermin,
der bei männlichen Personen bei 20 Jahren lag, – die Regentschaft zu übertragen, weil sie
des Arbeitslebens, welches sie seit nunmehr 14 Jahren zu führen gezwungen war, „müde“
sei.12 Am 9. Dezember 1773 erbat sie deswegen den Ratschlag des von ihr 1762 berufenen
Geheimen Rates Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch, dem sie offenbarte: „daß ich nichts
sehnlicher wünsche als mich von der Regentschaft und der Vormundschaft zu befreien“.13
Dieser entgegnete ihr am 22. Dezember 1773 klug und abwägend, diesen Schritt jetzt noch
nicht zu vollziehen, auch unter Hinweis auf die letztwillige Verfügung ihres verstorbenen
Gatten, der für den ältesten Sohn Carl August „mit dem erreichten Alter von 18 Jahren“
den Zeitpunkt für das Einholen der Zustimmung des Kaiserlichen Hofes in Wien für die
„venia aetatis“ bestimmt hatte.14 Fritsch hielt es für einen erst Siebzehnjährigen nicht für
ratsam, „direkt von der Schulbank auf den Thron zu steigen“, dazu gehöre mehr als das
Dozieren der Lehrer über öffentliches Recht; es gehöre vor allem „Kenntniß der Welt und
der Geschäfte dazu, um sich mit den letztern abgeben und der erstern ohne Gefahr entge-
12
13
14
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch. Weimar
1874, S. 59. – Diese auf Archivquellen beruhende Schrift war lange wegen der darin abgedruckten Korrespondenzen grundlegend für die Darstellung des Übergangs der Regentschaft von Anna Amalia auf ihren
Sohn und auch für die Berufungsgeschichte von Goethe geworden, weil der Verfasser seinerzeit auf ein im
Familienarchiv von Fritsch in Goddula aufbewahrtes Konvolut aus der Fritsch-Korrespondenz mit der
Herzogin und ihrem Sohn zurückgreifen konnte und diesen Briefwechsel in großer Vollständigkeit veröffentlicht hat. Diese von Fritsch selbst formierte Akte befindet sich heute als Erwerbung aus Privatbesitz im
Jahr 2000 im Nachlass von Jakob Friedrich von Fritsch im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar unter der
Signatur GSA 20/82, so dass aus diesem Schriftwechsel erstmals wieder nach der originalen Überlieferung
zitiert werden kann.
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm.
12), S. 60.
Ebd., S. 67.
Einführung
19
gen treten zu können.“15 Aus diesen Erwägungen heraus ist dann die Bildungsreise der
Prinzen Carl August und Constantin mit ihren Erziehern Görtz und Knebel sowie dem
Stallmeister von Stein entstanden, nachdem sich Anna Amalia bisher gegen eine Reise ihrer unmündigen Söhne in fremde Länder ausgesprochen hatte. Am 8. Dezember 1774 trat
diese Gesellschaft eine Reise nach Paris mit zahlreichen Begegnungen in der bürgerlichen
Gesellschaft und einem Empfang am französischen Hof in Versailles an, von der sie erst im
Juni 1775 zurückkehrte.
Das Jahr 1774 hatte allerdings mit einer Ehrenbezeugung für den jungen Erbprinzen
begonnen, die sein Selbstwertgefühl als künftiger Landesherr beträchtlich gehoben hatte.
Die „Salana“, die ernestinische Gesamtuniversität zu Jena, hatte ihm am 18. Januar 1774
die „Würde eines Rectoris magnificentissimi“ übertragen16, die zuletzt seit 1749 sein verstorbener Vater, Herzog Ernst August Constantin, innegehabt hatte.17 In diesem Jahr begann der künftige Landesherr nunmehr „die wichtigste seiner Studien“, wie Fritsch betonte, „die Lehrzeit der großen Kunst zu regieren“.18 Als dienstältestes Mitglied im Geheimen
Ratskollegium hatte er der Herzogin empfohlen, den Erbprinzen rechtzeitig in das „Geheime Conseil einzuführen“, wo er noch unter ihren Augen „den ganzen Umfang seiner
Pflichten gegen seine Oberen, seines Gleichen und seiner Unterthanen überblicken wird,
aber zugleich auch den ganzen Umfang der Verpflichtungen die er Ew. D.[urchlaucht] dafür schuldet, daß Sie solange und so ausgezeichnet seine Stelle ausgefüllt“ haben.19 Um
dem jungen Erbprinzen die Bedeutung des Geheimen Ratskollegiums eindringlich vorzustellen, hielt der erste Beamte des Landes bei dessen Einführung am 14. Oktober 177420 eine Ansprache an den künftigen Dienstherrn, in der er u. a. ausführte: „Denn hier, g.[nädigster] F.[ürst] u.[nd] H.[err], ich kan[n] es ohne eitele Ruhmbegierde behaupten, hier wird
Ihnen eigentlich der beste, der practischste, der Ihro großen Bestimmung angemeßenste
Unterricht gegeben werden – hier, wo Ihro vor Höchstdieselben interessantesten Angelegenheiten mit der ungeschminktesten Wahrheit, nicht nach speculativischen, öfters nur solange, als es nicht auf die Anwendung ankömmt, das ihrige leistenden Principiis, sondern
in ihrer wahren Lage, nach richtigen, sich auf Erfahrung stützenden Grundsätzen, mit ei-
15
16
17
18
19
20
Ebd., S. 69.
Alfred Bergmann, Carl August-Bibliographie. Jena 1933, S. 133-134. – Siehe auch Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Neue Folge 4 (1875), S. 678-679. Es handelt sich um Aufzeichnungen des Geheimen Rates
Christian Friedrich Schnauß, die bis in dessen Todesjahr 1797 reichen.
Als Rector magnificentissimus wurde Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach bereits am
4. November 1749 noch als Erbprinz in die Universitätsmatrikel (Band 7, Bl. 77) eingetragen. Vgl. Die
Matrikel der Universität Jena, Band III 1723 bis 1764. München 1992, S. XXXVII (Einleitung von Heinz
Wießner).
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm.
12), S. 70.
Ebd., S. 71.
Dieses korrekte Datum nach dem Fourierbuch 1774. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hofmarschallamt Nr. 2523, S. 279 zum 14. Oktober 1774: „Heute haben Durchl. Erbprinz zum ersten mahl im Geheimen Conseil wie künfftig mit geseßen […].“ Bei Willy Flach (1950, S. LXXXIX; 1952, S. 93) und nach
ihm bei Hahn (1953, S. 145) falsch erschlossenes Datum 26. Oktober 1774. Das noch vorhandene Redemanuskript von Fritsch enthält keine Datumsangabe; jetzt Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Rittergut Seerhausen Nr. 19.
20
Geheimes Consilium 1776–1786
ner auf den Zusammenhang des Ganzen sorgfältig genommenen Rücksicht, werden vorgetragen werden, – hier wo Ew. H.[ochfürstliche] D.[urchlaucht] den ganzen Umfang Ihrer
Gerechtsamen u.[nd] Ihrer Pflichten übersehen lernen, wo Sie mit dem, was künftig Ihr angenehmstes u.[nd] zugleich Ihr wichtigstes Geschäft seyn soll, näher bekannt werden –
hier, wo Sie von der von dem Allerhöchsten Ihnen verliehenen Macht im Belohnen, im
Strafen, in Ausübung der Gerechtigkeit den rechten Gebrauch machen – wo Sie endlich
lernen werden, wie süß u.[nd] zugleich wie schwer es sey, ein Regent, d.[as] i.[st] ein Vater
Ihres Volkes zu seyn.“21
Bei der im Jahr darauf erfolgten Inthronisierung von Carl August als Landesherr im
Herzogtum Sachsen-Weimar und Eisenach an seinem 18. Geburtstag am 3. September
1775 behielt der Geheime Rat Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch als der bisher am längsten in dieser Position dienende Beamte die seit 1772 eingenommene Spitzenposition in dieser Landeszentralbehörde, obwohl es wenig später zu einer schwerwiegenden Konfliktsituation mit dem jungen Regenten kam. In diesem Zusammenhang äußerte sich Carl
August auch zur Arbeitsweise des Geheimen Consiliums, über die er andere Vorstellungen
hatte. Entgegen den bisherigen Gepflogenheiten wollte er nunmehr die Spitzen der Fachkollegien, insbesondere die Präsidenten der Regierung und der Kammer, durch Teilnahme
an den Sessionen direkt in das Beratungsgeschäft einbeziehen.22 Es sollten dadurch die Beurteilung und Entscheidung über die in deren Ressort fallenden Sachen in diesem Gremium erleichtert und die Arbeit der Geheimen Räte lebensnäher gestaltet werden. Ursprünglich hatte der Herzog daran gedacht, Fritsch auf die seit Frühjahr 1775 verwaiste
Stelle an der Spitze der Regierung unter Beibehaltung der Stellung im Geheimen Consilium zu setzen.23 Fritsch indessen bat am 9. Dezember 1775 darum, aus dem Kollegium der
Geheimen Räte entlassen zu werden und ihm lediglich das leitende Amt in der Regierung
zu übertragen.24 In einer längeren Unterredung Mitte Februar 1776 eröffnete ihm Carl August seine bereits zuvor angesprochenen Intentionen zur personellen Neuausrichtung im
Geheimen Consilium, die allerdings von der Beibehaltung der Spitzenstellung Fritschs in
diesem Gremium ausgingen. Außerdem machte er ihn erstmals mit der Idee der Ergänzung
des Geheimen Ratskollegiums durch zwei weitere Mitglieder – darunter die Berufung des
seit 7. November 1775 in Weimar weilenden Dr. Goethe als Geheimer Assistenzrat – sowie
mit der geplanten Neuregelung der Besetzung an der Spitze der Regierung und der Kammer bekannt. 25 Fritsch widerriet ihm unter Anführung von beachtenswerten Gründen,
21
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23
24
25
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 93-94. Der Text der Rede wurde später von Karl-Heinz Hahn in seiner Fritsch-Monographie (1953) komplett veröffentlicht, S. 146. Der
hier zitierte Textauszug nach dem Original „Vortrag bey Ser[enissi]mi Caroli Augusti erstem Eintritt in das
Geh.[eime] Consilium. [14. Oktober] 17[74]. Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Rittergut Seerhausen Nr. 19.
Carl August an Fritsch, 23. April und 10. Mai 1776, in Goethe- und Schiller-Archiv Weimar GSA 20/82, Bl.
6-7, 16-17. Druck in Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister
von Fritsch (wie Anm. 12), hier bes. S. 149, 162-163.
Das Folgende nach Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister
von Fritsch (wie Anm. 12), S. 143-184, wo alle relevanten Korrespondenzen abgedruckt sind, die heute in
einer Akte im Goethe- und Schiller-Archiv Weimar im Nachlass Jakob Friedrich von Fritsch unter der
Signatur GSA 20/82 aufbewahrt werden.
Fritsch an Carl August, 9. Dezember 1775, GSA 20/82, Bl. 2-4; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 143-144.
Niederschrift von Fritsch in GSA 20/82, Bl. 5; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 144-146.
Einführung
21
unter denen auch die dadurch erfolgende Zurücksetzung von verdienten und im Dienstalter vorangehenden Beamten sowie die fehlende Verwaltungserfahrung der jüngeren und
mit dem Herzog befreundeten Favoriten für die Neubesetzung eine wichtige Rolle spielten. Es ging um den 27-jährigen Frankfurter Advokaten Johann Wolfgang Goethe und um
den auch nur zwei Jahre älteren Weimarer Kammerjunker Johann August Alexander von
Kalb.
Die Pläne des 18 Jahre jungen Landesherrn für Veränderungen im Geheimen Consilium, in der Regierung und in der Kammer aber standen fest und änderten sich lediglich infolge der Absage des zweiten für das Geheime Ratskollegium vorgesehenen neuen Mitgliedes26, wodurch eine angedachte Erhöhung auf vier Mitglieder zunächst unterblieb. Die
sich nunmehr manifestierende neue personelle Konstellation nach Antritt der Regierung
von Herzog Carl August wird in dessen Handschreiben vom 23. April 1776 an Fritsch
deutlich.27 Darin bat der junge Regent diesen um die Beibehaltung der ersten Stelle im Geheimen Consilium und kündigte an, den dort seit 1766 mitarbeitenden Geheimen Rat
Achatius Ludwig Carl Schmid abzuziehen und ihn zum Präsidenten der Regierung mit
dem neuen Titel Kanzler zu ernennen.28 Auch die Stelle des Kammerpräsidenten sollte neu
besetzt werden, indem in die Position des ausscheidenden Carl Alexander von Kalb, der
seit 1761 diese Stelle innehatte und im 65. Lebensjahr stand, dessen Sohn, der Kammerherr
Johann August Alexander von Kalb, treten sollte.29 Keinesfalls ging Carl August davon ab,
auf den bereits seit 7. November 1775 in Weimar lebenden Goethe zu verzichten, den
Fritsch als unerfahrenen Neuling ablehnte. Der Herzog hatte jedoch den festen Willen,
den Advokaten und Dichter in die Landesadministration einzubeziehen und diesen noch
fester an sich zu binden. Er sollte zunächst in das Geheime Consilium, nunmehr sogar mit
dem Titel Geheimer Legationsrat, berufen werden, um dort den dritten und letzten Platz
einzunehmen. Der sich um dieses Vorhaben Carl Augusts zuspitzende Konflikt mit Jakob
Friedrich Freiherr von Fritsch wurde allerdings im Laufe des Monats Mai 1776 gelöst, wobei auch die Herzoginmutter als Vermittlerin auftrat und Fritsch den Rat seines langjährigen Kollegen Schnauß aus dem Geheimen Consilium einholte.30 Er gab schließlich seine
26
27
28
29
30
Der kurmainzische Rat Johann Heinrich Tabor (1728-1802), der Carl August von dem Erfurter Statthalter
Carl Theodor von Dalberg empfohlen worden war.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hausarchiv, A XIX Nr. 38, Bl. 9-10. Mit diesem undatierten
Handschreiben, das als eigenhändiges Konzept von Carl August in seinem Nachlass überliefert ist und eine
eigenhändige Korrektur von Goethe aufweist, hat Willy Flach die Edition der amtlichen Schriften Goethes
aus dem Geheimen Consilium begonnen; Goethes Amtliche Schriften I, S. 3-4. Die Ausfertigung (mit Präsentationsvermerk von Fritsch vom 23. April 1776) in der Akte GSA 20/82, Bl. 6-7; Druck bei BeaulieuMarconnay, S. 148-150.
Das erfolgte am 11. Juni 1776, in der Session, in der auch Goethe berufen wurde. Die Konzepte für die Dekrete und Reskripte im Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190
II.
Ebd. Der Nachfolger entsprach indessen nicht den in ihn gesetzten Erwartungen. Die Entlassung des jungen von Kalb wurde in der Session des Geheimen Consiliums am 7. Juni 1782 verfügt; siehe Regest Nr.
12096.
Zu dem Schriftwechsel zwischen Carl August und Anna Amalia mit Fritsch in dieser Zeit siehe Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia, Carl August und der Minister von Fritsch (wie Anm. 12),
S. 159-184. Zur Originalüberlieferung siehe oben Anm. 12 und 23.
22
Geheimes Consilium 1776–1786
ablehnende Haltung auf und blieb in seiner bisherigen Position als dienstältestes Mitglied
in diesem Beratungsorgan des jungen Herzogs. Mit ihm gehörte weiterhin Christian Friedrich Schnauß dem Geheimen Ratskollegium an, dem ab 25. Juni 1776 noch Johann Wolfgang Goethe beitrat. Vom kurmainzischen Statthalter in Erfurt, Carl Theodor von Dalberg, der dem jungen Herzog freundlich gesonnen war, stammt das 1783 ausgesprochene
Urteil: „… daß unser Herzog, den wahrhaft eine edle große Fürstenseele belebt, Männer
um sich hat, die würdig sind, durch Einsicht, Edelmut und Rechtschaffenheit einer
beträchtlichen Anzahl Menschen mit vorzustehen.“31 Es galt den Geheimen Räten Jakob
Friedrich Freiherr von Fritsch, Christian Friedrich Schnauß und Johann Wolfgang Goethe.
Nach diesen personellen Konstellationen müssen uns vor allem die von dem jungen
und selbst in der Regierungstätigkeit ungeübten Landesherrn vorgesehenen Veränderungen in der Arbeitsweise des Geheimen Consiliums beschäftigen, auch wenn sie in dieser
strukturierten Form nicht zum Tragen kamen. Sie zeigen aber Carl Augusts unbedingten
Willen, anders als seine Mutter, nicht seinen Beratern in diesem Gremium die Arbeit zu
überlassen und die Geschicke seiner Regierung selbst in die Hand zu nehmen. „Noch eine
Veränderung halte ich [vor] nöthig, in der Art die Geschäfte zu behandeln“, hatte Carl August am 23. April 1776 an Fritsch geschrieben, „wenn es erforderlich, will ich einen Tag
mehr in der Woche zur Session des Geheimden Conseils außsetzen, u.[nd] die Geschäfte
auf folgende Art in die drey Sessionstägen eintheilen: nehmlich an den einen würde der
G.[eheimde] Rath [Achatius Ludwig Carl ] Schmidt [richtig: Schmid] im Geheimden
Conseil erscheinen u.[nd] alle Justiz u.[nd] Criminal Sachen in Vohrtrag bringen; am andern würde in Gegenwart des Herren [Johann August Alexander] von Kalb alle Cammer
Geschäfte abgethan, u.[nd] am dritten, alle übrigen Geschäfte besorgt. Dieses sind die
haub[t]sächlichsten Veränderungen, die ich vor nöthig halte.“32 Und im herzoglichen
Handschreiben vom 10. Mai 1776 erläuterte er angesichts der in der Antwort von Fritschs
erkannten Abneigung gegen eine solche veränderte Art der Behandlung der Geschäfte33
den Unterschied zwischen dem „Referieren“ der Leiter der unterstellten Kollegialbehörden
und dem abschließenden „Resolvieren“ der Geheimen Ratsmitglieder: „Das Vortragen der
Sachen, ist dünkt mir eine sehr Mechanische, u.[nd] leichte Arbeit; aber die Beurtheilung
derselben, u.[nd] die Entscheidung der Sachen, dieses halte ich für die edelste Beschäftigung eines Ministers, nicht das Referiren.“34
31
Carl Theodor Dalberg an Goethe, 30. Dezember 1783. Zitiert nach Alfred Bergmann, Die Redeckersche
Angelegenheit. In: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde Neue Folge
Band 32 (1936), S. 151.
32 Carl August an Fritsch, 23. April 1776, GSA 20/82, Bl. 6-7; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 148-150,
Druck nach dem Konzept (im Nachlass von Carl August) in Goethes Amtliche Schriften I, S. 3-4. Hier zitiert nach dem Handschreiben (als Ausfertigung) in GSA 20/82, Bl. 6.
33 Fritsch an Carl August, 24. April 1776, GSA 20/82, Bl. 8-11; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 152-159.
34 Carl August an Fritsch, 10. Mai 1776, GSA 20/82, Bl. 13-15, hier Bl. 14; Druck bei Beaulieu-Marconnay,
S. 159-163. – Das ist bisher einseitig interpretiert worden, als ob Carl August „in jugendlicher Verkennung
der Zusammenhänge“ seine Bewertung des Vortragens als „eine sehr mechanische und leichte Arbeit“ auf
das Referieren der Geheimen Räte bezogen hätte, die dadurch diskriminiert worden wären. Vgl. Willy
Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 37.
Einführung
23
Zu einer solchen ressortmäßigen Abarbeitung der in die Entscheidung des Herzogs gestellten und an das Geheime Consilium herangetragenen Geschäftsvorfälle ist es dann
allerdings nicht gekommen. Carl August hat es schließlich – angesichts des von Fritsch
ausgehenden Widerstandes in seiner Antwort vom 24. April 1776 an den Herzog und eines
damit verbundenen Entlassungsgesuchs35 – dabei belassen, die Stellung und Form, in die
das Geheime Consilium durch Anna Amalia gebracht worden war, nicht anzutasten und es
wie bisher weiterzuführen. Und doch hat er – anders als seine Mutter – intensiver und
gründlicher, nicht zuletzt diskursiver den Ablauf des beratenden Geschäfts in den Sessionen und die inhaltliche Bewältigung der zur Entscheidung gestellten Geschäftsvorfälle bestimmt. Der Geheime Rat Schnauß überliefert in seinen Erinnerungen für die Regierungstätigkeit Anna Amalias, dass vor der „Haupt Session“, die in den Gemächern der Herzogin
stattfand, von den Mitgliedern des Geheimen Consiliums in der eigentlichen Geheimen
Ratsstube eine „praeparatorische Session“ abgehalten wurde.36 Diese Arbeitsweise lässt
den Schluss zu, dass unter Anna Amalia die Hauptarbeit in der vorbereitenden Sitzung
durch die Geheimen Räte selbst geleistet wurde und die von ihr geleitete Hauptsession lediglich noch dem abschließenden „Resolvieren“ diente. Insofern wäre sie gar nicht tiefer in
die einzelnen Vorgänge eingedrungen und hätte lediglich den von den Geheimen Räten
vorbereitete Beschluss übernommen und mitgetragen. Darüber sind sich auch neuere Forschungen über deren Rolle als Landesregentin einig: „In der Regel vertraute Anna Amalia
den Mitgliedern des Geheimen Consiliums die Alltagsgeschäfte an und folgte ihren Vorschlägen.“37
Eine solche Zweiteilung ist für die nachfolgende Regierungstätigkeit von Carl August
bis 1787/88 nicht zu beobachten. Sein nicht durchgesetzter Vorschlag der ressortmäßigen
Besorgung der Geschäfte unter Einbeziehung der Leiter der beiden großen Fachkollegien
Regierung und Kammer und der Erhöhung der Zahl der Sessionstage ist ein Gegenentwurf
zur bisherigen Regierungstätigkeit, wie sie von seiner Mutter ausgeübt wurde, unter der
ohne Zweifel Jakob Friedrich von Fritsch – wie sein Lehrer Bünau – bestimmend und dominierend in der Aufgabenerledigung des Geheimen Consiliums geworden war und sich
in dieser Stellung auch sehr bewusst gefiel. Erst 1788 – aber unter ganz anderen Voraussetzungen und Zwängen – ist der Herzog bei der Neuausrichtung der Arbeitsweise des Geheimen Consiliums auf das Verfahren der „praeparatorischen Session“, wie es sich unter
der Vormundschaftsregierung seiner Mutter schließlich eingespielt hatte, zurückgekommen. Aber das gehört zu der veränderten Entwicklung, die nach dem ersten Jahrzehnt in
der Regierungstätigkeit Carl Augusts festzustellen ist und diese Einführung beschließt.
35
36
37
Fritsch an Carl August, 24. April 1776, GSA 20/82, Bl. 8-11; Druck bei Beaulieu-Marconnay, S. 152-159.
Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 676-677.
Joachim Berger, Höfische Musenpflege als weiblicher Rückzugsraum? Herzogin Anna Amalia von Weimar
zwischen Regentinnenpflichten und musischen Neigungen. In: Hofkultur und aufklärerische Reformen in
Thüringen. Die Bedeutung des Hofes im späten 18. Jahrhundert. Herausgegeben von Marcus Ventzke.
Köln, Weimar, Wien 2002, S. 59-60.
24
Geheimes Consilium 1776–1786
Indessen kam es 1776 zu dem von dem mündig gewordenen Carl August vorgesehenen
Revirement in den höchsten Staatsämtern des Herzogtums, wobei er sich bei der Berufung
von Goethe sehr sicher in seiner Einschätzung war: „Göthe aber ist rechtschaffen, von einem außerordentl.[ich] guten u.[nd] fühlbaren Hertzen; nicht alleine ich sondern einsichtsvolle Männer, wünschen mir Glück diesen Mann zu besitzen. Sein Kopf, u.[nd] Genie ist bekan[n]t. […] Einem Mann von Genie, nicht an dem Ort gebrauchen, wo er seine
außerordentl.[ichen] Talente nicht38 gebrauchen kann[n], heißt denselben mißbrauchen,
ich hoffe Sie sind von dieser Wahrheit so wie ich überzeugt.“39 Dessen Berufung in das Geheime Consilium wurde am 11. Juni 1776 vollzogen. In der am gleichen Tag beschlossenen
Übertragung der Leitung der Kammer an den noch nicht dreißigjährigen und Herzog Carl
August ebenfalls nahestehenden Kammerherrn Johann August Alexander von Kalb, für
die nach der Auffassung von Fritsch besser geeignete Beamte zur Verfügung stehen würden, tat der Regent indessen einen Fehlgriff, wie sich später herausstellen sollte. In der Bewertung von dessen Fähigkeiten hatte sich Fritsch nicht geirrt.
In dem Jahrzehnt von 1776 bis 1786, in dem der jung zur Regierung gekommene neue
Regent Carl August nunmehr die Geschicke seines Landes bestimmte und Goethe an seiner Seite im Geheimen Consilium beratend tätig wurde, blieben die administrativen Verhältnisse im Wesentlichen konstant.40 Zum besseren Verständnis für die Benutzung der Regesten zur Tätigkeit des Geheimen Consiliums soll hier eine Übersicht über die
verwaltungsmäßige Gliederung des Landes sowie den Umfang und die Spezifik der in den
Regesten vorkommenden Verwaltungseinrichtungen gegeben werden.41
38
39
40
41
Im Druck bei Beaulieu-Marconnay steht hiernach sic!, da die Verneinung an dieser Stelle nicht sinnvoll erscheint, was dem Herausgeber bereits aufgefallen ist. Die Autopsie im Goethe- und Schiller-Archiv bestätigte allerdings diese Wortwahl von Carl August, wo man eher ein positiv ausgedrücktes „recht“ anstelle
von „nicht“ vermuten würde. Das Handschreiben enthält an anderer Stelle Korrekturen und Unterstreichungen und ist offenbar in einer erregten Verfassung des jungen Herzogs ohne vorheriges Konzept, anders
als das Handschreiben vom 23. April 1776, niedergeschrieben worden.
Carl August an Fritsch, 10. Mai 1776, GSA 20/82, Bl. 13-15, hier Bl. 13; Druck bei Beaulieu-Marconnay,
S. 159-163.
Vgl. Ulrich Heß, Geschichte der Behördenorganisation der thüringischen Staaten und des Landes Thüringen von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Jahr 1952. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe Band 1) Jena, Stuttgart 1993, S. 29-35.
Die hier wiedergegebene Übersicht orientiert sich an Willy Flachs Zusammenstellung zum Behördenaufbau
des Landes 1776 bei Goethes Eintritt in das Geheime Consilium in der Einleitung zur Edition Goethes
Amtliche Schriften I (wie Anm. 1), S. XCII-XCIV; auch in Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte
(wie Anm. 1), S. 96-98.
Einführung
25
Behördenorganisation des Herzogtums Sachsen-Weimar und Eisenach 1776
I
Landständische Vertretungen
Landschaftsdeputation des Fürstentums Weimar mit Landschaftsexpedition,
Landschaftsdeputation der Jenaischen Landesportion,
Landschaftsdeputation des Fürstentums Eisenach mit Landschaftsexpedition.
II Verwaltungsbehörden
1. Gemeinsame Einrichtungen für beide Fürstentümer
Geheimes Consilium in Weimar mit Geheimer Kanzlei und Geheimen Archiv
Auswärtige Gesandtschaften und diplomatische Vertreter (Residenten bzw. Agenten):
beim Reichstag zu Regensburg,
beim Kaiserlichen Hof zu Wien,
bei der Kreisversammlung in Nürnberg,
beim Reichskammergericht in Wetzlar,
in Frankfurt am Main,
in Augsburg,
in Haag [Den Haag/Niederlande],
in Dresden,
in Leipzig,
in Florenz.
Gemeinschaftliches Hofgericht zu Jena
Gesamtuniversität zu Jena
2. Fürstentum Weimar mit der Jenaischen Landesportion
Zentrale Landesbehörden in Weimar:
Landesregierung,
Kammer,
Oberkonsistorium.
Landständische Steuerverwaltung:
Landschaftskassedirektorium in Weimar,
Landschaftskassedirektorium in Jena.
Nachgeordnete Behörden:
Unter der Landesregierung und der Kammer
Ämter (Justiz- und Rechnungsämter) Weimar mit Oberweimar und Kromsdorf, Kappellendorf mit Heusdorf, Berka [an der Ilm], Ilmenau, Roßla [in
Niederroßla], Dornburg, Bürgel, Hardisleben, Jena, Allstedt, ferner zahlreiche Patrimonialgerichte;
Obergeleitsamt Erfurt,
Geleitseinnahme Weimar,
Einnahme bei der Ilmflöße in Weimar,
Floßkasse in Jena,
Herrschaftliches Bauwesen,
26
Geheimes Consilium 1776–1786
Stadtpflaster- und Wegebau [später Wegebaudirektion],
Schloßbrauwesen,
Postämter Weimar, Jena und Ilmenau.
Unter dem Oberkonsistorium
Geistliches Hofministerium in Weimar,
Geistliches Stadtministerium in Weimar,
Konsistorium in Jena,
Geistliches Ministerium in Jena,
Adjunkturen, Superintendenturen bzw. Inspektionen Mellingen, Neumark,
Oßmannstedt, Berka, Niederoßla, Oberweimar, Stadtsulza, Hardisleben, Buttelstedt Buttstädt, Dornburg, Sulzbach, Flurstedt, Bürgel, Apolda, Heusdorf,
Magdala, Ilmenau, Jena, Remda, Allstedt.
Unter dem Landschaftskassedirektorium Weimar
Steuereinnehmer für die Ämter Weimar, Hardisleben, Vogtei Brembach, Roßla, Vogtei Gebstedt, Dornburg, Kappellendorf, Heusdorf, Bürgel, Berka,
Ilmenau und für die Städte Weimar, Buttstädt, Bürgel, Berka, Rastenberg,
Buttelstedt, Neumark, Magdala, Apolda, Sulza, Tannroda, Dornburg,
Acciseinnehmer für die genannten Städte.
Unter dem Landschaftskassedirektorium Jena
Steuereinnehmer für die Ämter und Städte Jena, Allstedt, Remda und für die
Stadt Lobeda.
Kommissionen:
für das Land
Brandassekurationsdeputation,
Generalpolizeidirektion.
für die Stadt Weimar
Polizeikommission,
Armenkommission,
Waisenhauskommission.
für die Stadt Jena
Oberaufsicht,
Polizeikommission,
Almosenkommission,
Waisenhauskommission,
Gotteskastenkommission.
3. Fürstentum Eisenach
Zentrale Landesbehörden in Eisenach:
Landesregierung,
Kammer,
Oberkonsistorium.
Einführung
27
Landständische Steuerverwaltung:
Obersteuer- und Kassedirektorium in Eisenach.
Nachgeordnete Behörden:
Unter der Landesregierung und der Kammer
Ämter Eisenach, Gericht Marksuhl, Creuzburg, Gerstungen mit Hausbreitenbach, Tiefenort, Kaltennordheim, Lichtenberg [in Ostheim vor der Rhön],
Großrudestedt, ferner zahlreiche Patrimonialgerichte;
Geleitseinnahme in Eisenach,
Geleitseinnahme in Creuzburg,
Salzwerk Wilhelmsglücksbrunn.
Unter dem Oberkonsistorium
Geistliches Hof- und Stadtministerium in Eisenach,
Inspektionen Eisenach, Creuzburg, Gerstungen, Tiefenort, Kaltennordheim,
Ostheim, Großrudestedt.
Unter dem Obersteuer- und Kassedirektorium
Steuereinnehmer für die Ämter Eisenach, Marksuhl, Lichtenberg, Tiefenort,
Kaltennordheim, Creuzburg, Großrudestedt und für die Städte Eisenach und
Creuzburg.
Kommissionen:
für das Land
Brandassekurationsdeputation.
für die Stadt Eisenach
Armen-, Zucht- und Waisenhauskommission,
Polizeikommission.
III Hofbehörden und Einrichtungen des Hofes
Hofmarschallamt in Weimar.
Hofkapelle.
Bibliothek, Münz- und Medaillenkabinett in Weimar.
Gewehrkammer.
Kunstkammer.
Hofgärtnerei.
Marstall in Weimar.
Jägerei im Fürstentum Weimar mit Forstdepartements Weimar, Allstedt, Ilmenau.
Jägerei im Fürstentum Eisenach mit Forstdepartements Eisenach, Zillbach.
IV Militäreinrichtungen
Kriegskollegium in Weimar.
Truppen: Garde du Corps, Husarenkorps, Infanteriekorps, Garnison in Jena, Artillerie, Weimarisches Landregiment, Eisenachisches Landregiment, Eisenachische Stadtkompagnie, Jenaisches Landbataillon.
28
Geheimes Consilium 1776–1786
Unter der Oberleitung des Geheimen Ratskollegiums, des beratenden Organs des Landesherrn, dem zunächst drei, seit 1784 vier Geheime Räte angehörten, arbeiteten also die
großen Landeskollegien – wie bisher Regierung, Kammer und Oberkonsistorium – in beiden Landesteilen Weimar und Eisenach, daneben in der Hauptresidenz Weimar das Hofmarschallamt als Hofbehörde. Als selbstständige Verwaltungseinheiten hatten sich schon
zuvor die Generalpolizeidirektion und auch die Kriegskommission, im Hof- und Adresskalender von 1777 noch als „Kriegs-Collegium“ bezeichnet42, in Weimar entwickelt, deren
Leitung in den Händen eines Geheimen Rates lag. Während die Generalpolizeidirektion in
diesem Zeitraum durchgehend von Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch geführt wurde,
gab er endgültig 1779 auf Anordnung des Herzogs die Führung der Kriegskommission an
Goethe ab, nachdem zwischenzeitlich der Geheime Regierungsrat Friedrich Günther von
Kaufberg zum Präsidenten berufen worden war.43 Daneben kam nunmehr eine Entwicklung auf, in der Teilgebiete aus dem Aufgabenbereich der oberen Landesbehörden aus diesen herausgelöst und besonderen Direktionen oder Kommissionen zugewiesen wurden,
deren Besonderheit es war, als Immediatbehörden nur dem Herzog und somit auch dem
Geheimen Consilium unmittelbar verantwortlich zu sein.44 Sie wurden zur Lösung neuer
Verwaltungsaufgaben geschaffen und weisen die Besonderheit auf, dass sie von Herzog
Carl August vorzugsweise Goethe zwecks selbstständiger Bearbeitung, für die er nur ihm
unmittelbar verantwortlich war, übertragen wurden.
Aus dem bisher in Zuständigkeit der Kammer gelegenen Aufgabenbereich des Wegeund Wasserbaus wurde Goethe 1779 die Wegebaudirektion als neue Einrichtung übertragen. Im Jahr darauf wurde er zudem für die aus dem Geschäftsbereich der Kammer herausgelöste Direktion über alle Bergwerksangelegenheiten verantwortlich gemacht, die Goethe
dadurch an die Spitze der bereits 1777 geschaffenen Ilmenauer Bergwerkskommission
stellte. 1782 kam für ihn die Übertragung der Oberaufsicht über die Kammer zu Weimar
nach der Entlassung des bisherigen Kammerpräsidenten Johann August Alexander von
Kalb hinzu, der sich für das Kammerdirektorium letztendlich als unfähig erwiesen hatte.
Die Tatsache, dass sich dieser bei Antritt seines Amtes 1776 anders als sein Vater zuvor
kaum um die Wegebaudirektion kümmerte und deren wichtigste Geschäfte dem untergebenen Ingenieur Jean Antoine Joseph de Castrop überlassen hatte, führte schon nach zwei
Monaten dazu, Letzterem die alleinige Aufsicht über den Straßenbau zu geben45, bis
schließlich Goethe am 19. Januar 1779 die Direktion des Landstraßenbaus und am 23. Februar 1779 auch die des Stadtpflasterbauwesens, mithin die künftige Wegebaudirektion,
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Hochfürstl. S. Weimar- und Eisenachischer Hof- und Adress-Calender auf das Jahr 1777, S. 92.
Am 11. Juli 1776 (Regest Nr. 157); im Hof- und Adresskalender von 1777, S. 92; 1777 verstorben, so dass
Fritsch erneut dieses Amt übernahm. Fritsch steht deshalb wieder 1779 im Hof- und Adresskalender.
Dazu noch immer grundlegend Karl-Heinz Hahns Untersuchung „Die Stellung der Kommissionen in der
Behördenorganisation des 18. Jahrhunderts und ihre archivalische Überlieferung“ Wissenschaftliche Hausarbeit für die Staatsprüfung für den wissenschaftlichen Archivdienst 1951 (geschrieben am Institut für
Archivwissenschaft Potsdam, ungedruckt).
Vgl. Joseph A. von Bradish, Goethes Beamtenlaufbahn. New York 1937, S. 55-56; auch Hans Bürgin, Der
Minister Goethe vor der römischen Reise. Seine Tätigkeit in der Wegebau- und Kriegskommission. Weimar
1933, S. 29.
Einführung
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übertragen bekam.46 Und auch dessen Übernahme der Direktion über alle Bergwerksangelegenheiten am 18. April 1780 ist eine Maßnahme, mit der der Herzog auf den Rückzug des
Kammerpräsidenten von Kalb aus dem Vorsitz der Kommission für die Bergwerksangelegenheiten am 8. April 1780 reagierte.47 Diese Ilmenauer Bergwerkskommission war aus
einem am 18. Februar 1777 erteilten Spezialauftrag an den für Bergwerksangelegenheiten
zuständigen Kammerpräsidenten und an Goethe als Geheimen Ratsmitglied entstanden,
der am 14. November 1777 auf sämtliche Bergwerksangelegenheiten ausgedehnt und mit
personeller Verstärkung in eine förmliche Kommission übergeleitet wurde. Schließlich war
es 1784 die Einrichtung einer Steuerkommission für das Amt Ilmenau, die zur Neuordnung
des Steuerwesens im Amt Ilmenau unter Goethes Leitung geschaffen wurde.
Daneben existierten zeitweilige Kommissionen zur Bearbeitung eines Spezialfalls, die
nach Auftragserledigung „zessierten“. Es begann mit der in der Session am 6. Juli 1776 eingesetzten Spezialkommission zur Regulierung des neuen Hof- und Stallkassenetats, die am
28. November 1776 ihren Abschlussbericht vorlegte.48 Gerade diese frühe Kommissionsaufgabe, in der Goethe neben dem neu ernannten Kammerpräsidenten Johann August Alexander von Kalb mit weiteren wichtigen Hof- und Regierungsbeamten wegen der Neuregelung der Finanzverhältnisse Verantwortung trug, hatte zu Beginn seiner Amtstätigkeit
einen besonderen Stellenwert und führte in besonderer Weise in die Landesadministration
ein.49 Andere kommissarische Aufträge bzw. Tätigkeiten der Geheimen Räte zwecks Beaufsichtigung bestehender künstlerischer oder wissenschaftlicher Einrichtungen in Form
eines Kommissoriums – so leitete Schnauß kommissarisch die Bibliotheksangelegenheiten
(Bibliothek, Münz- und Medaillenkabinett) in Weimar, Goethe war bereits frühzeitig mit
den Finanzangelegenheiten der in Weimar auftretenden Theatertruppe betraut und führte
de facto die Oberaufsicht über das Freie Zeicheninstitut und die naturwissenschaftlichen
Sammlungen – mündeten nach der Übertragung von weiteren oberaufsichtlichen Aufgaben und Zuständigkeiten weitaus später in die institutionelle Form der Oberaufsicht über
die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar und Jena ein. Von Johann Gottfried Herder stammt die nicht von Sarkasmus freie Beschreibung über Goethes
multilateralen Einsatz in dieser Zeit: „Er ist also jetzt Wirklicher geheimer Rath, Kammerpräsident, Präsident des Kriegscollegii, Aufseher des Bauwesens bis zum Wegbau hinunter,
Director des Bergwerks, dabei auch directeur des plaisirs, Hofpoet, Verfaßer von schönen
Festivitäten, Hofopern, Ballets, Redoutenaufzügen, Inscriptionen, Kunstwerken etc., Direktor der Zeichenakademie, in der er den Winter über Vorlesungen über die Osteologie
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Joseph A. von Bradish, Goethes Beamtenlaufbahn (wie Anm. 45), S. 203, 212.
Volker Wahl, Die Ilmenauer Bergwerkskommission als Immediatkommission in der Behördenorganisation
von Sachsen-Weimar-Eisenach (1777 bis 1814). Goetheforschung als Verwaltungsgeschichte. In: Zeitschrift
des Vereins für Thüringische Geschichte, Band 53 (1999), S. 190-191.
Siehe Goethes Amtliche Schriften I, S. 5-15, 18-19.
In seinem Tagebuch finden sich Einträge zum 13. Juli 1776 „Früh Eröffn.[ung] der Commission“, zum 26.
September 1776 „Session der Commission nach Tisch“, zum 7. Oktober 1776 „Commissarische Session“
und auch zum 23. Oktober 1776 „Comm.[issarische] Sess.[ion]“, die alle diese Spezialkommission betreffen
und sich nicht auf die Sessionen des Geheimen Consiliums beziehen. Johann Wolfgang Goethe Tagebücher
Band I,1, S. 21, 26-28.
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Geheimes Consilium 1776–1786
gehalten, selbst überall der erste Akteur, Tänzer, kurz das fac totum des Weimarschen u. so
Gott will, bald der maior domus sämmtlicher Ernestinischen Häuser, bei denen er zur
Anbetung umherzieht.“50
Bevor auf die Organisation und Arbeitsweise des Geheimen Consiliums zwischen 1776
und 1786 näher eingegangen wird, soll hier die Örtlichkeit der Geheimen Ratsstube in
Weimar vorgestellt werden, die nach neueren Forschungen für die Zeit von Carl August
dauerhaft im Roten Schloss zu lokalisieren ist.51 Hier begegneten sich der Herzog und seine Geheimen Räten zwei- bis dreimal in der Woche, um in den „ordinairen“ Sessionen des
Geheimen Consiliums die auf der Tagesordnung stehenden Geschäftsvorfälle vorzutragen,
über sie zu beraten und über den Fortgang oder den Abschluss zu entscheiden. Flach nennt
bereits 1950 dieses fürstliche Gebäude als Versammlungsort, ohne jedoch diese Örtlichkeit
näher zu begründen und zu bestimmen: „Im Roten Schloß also fanden während Goethes
Mitarbeit im Geheimen Consilium die Sessionen statt.“52 Er irrte allerdings, als er behauptete, dass die Geschäftsräume des Consiliums und der Kanzlei, die früher im Residenzschloss gewesen waren, erst nach dem Schlossbrand von 1774 dorthin verlegt worden wären. Bereits 1743 waren im Westflügel des Roten Schlosses53 Diensträume für einen nach
dem im Jahre 1741 erfolgten Anfall des Fürstentums Eisenach mit der Jenaer Landesportion an die Weimarer Herzogslinie eingerichteten Geheimen Rat als außenpolitische Kollegialbehörde geschaffen worden. Dafür wurden „zur Haltung derer Geheimde RathsSessionen, Expedirung derer Resolutionen und Repositur der Acten drey aneianander
seyende Zimmer in dem Fürstl. Wittums-Hauße“ ausgewählt.54
Auch wenn dieses 1743 im Roten Schloss etablierte besondere Geheime Ratskollegium
nur kurze Zeit tätig war, ist davon auszugehen, dass die dort eingerichteten drei Behördenräume mit der Ratsstube, der Kanzlei und der Aktenrepositur nicht wieder aufgegeben,
sondern auch weiterhin genutzt wurden, auch und gerade in der Zeit danach, als zwischen
1755 und 1759 Heinrich Graf Bünau im Roten Schloss wohnte und als Premierminister
dem 1756 neu eingerichteten Geheimen Consilium unter Herzog Ernst August Constantin vorstand. Für die nachfolgende Zeit, als die verwitwete Herzogin Anna Amalia im Residenzschloss, der Wilhelmsburg, residierte und dem Geheimen Consilium vorsaß, unterhielt sie in ihrer Nähe ein besonderes Sessionszimmer, wie uns Christian Friedrich
Schnauß in seinen im letzten Lebensjahr 1797 aufgezeichneten Erinnerungen mitzuteilen
weiß.55 Neben dem „ordentlichen Zimmer bei der geheimen Canzlei“ im Roten Schloss,
wo die „praeparatorische“ Session der Geheimen Räte zwecks Vorbereitung auf die or-
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Herder an Johann Georg Hamann, 11. Juli 1782. Johann Gottfried Herder Briefe. Bearbeitet von Wilhelm
Dobbek und Günter Arnold. Vierter Band. Weimar 1979, S. 226.
Volker Wahl, Die Geheime Ratsstube im Roten Schloss zu Weimar. In: Weimar-Jena : Die große Stadt 6/1
(2013), S. 6-21.
Goethes Amtliche Schriften I, S. XLVIII.
Dieses hinter dem Markt und schräg gegenüber vom Residenzschloss gelegene Gebäude war 1574 für die
Witwe des Herzogs Johann Wilhelm von Sachsen-Weimar errichteten worden. Vgl. Kulturdenkmale in
Thüringen, Band 4.1. Stadt Weimar. Bearbeitet von Rainer Müller unter Mitwirkung von Bernd Mende und
Alf Rößner. Altenburg 2009, S. 316-317.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 667d, Bl. 3.
Vgl. Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie
Anm. 16), S. 649-702.
Einführung
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dentlich Session mit der Herzogin stattfand56, gab es das fürstliche Sessionszimmer der
Herzogin in der Wilhelmsburg, wo er am 22. September 1772 „in der Haupt Session […]
in Höchster Gegenwart Serenissimae Regentis“ als Geheimer Assistenzrat verpflichtet
wurde. „Nachdem die Pflicht abgelegt war, wurde mir der Stuhl neben des Herrn Geheimen Raths von Fritsch Stuhl [angewiesen], linker Hand der Tafel, an welcher oben quer
vor Serenissima saßen. Es ist dieses Sessions Zimmer das erste der sogenannten Churfürstlichen Gemächer auf der Gallerie, ist mit seidenen Tapeten, Historien Stücke darstellend,
ausgeschlagen und in demselben ein silberner Tisch, Spiegel, guéridons [Beistelltische] und
eine große Tafel befindlich.“57
Für die Regierungszeit Anna Amalias von 1759 bis 1774/75 sind diese Verfahrensweise
und die hier genannten Örtlichkeiten für die Tätigkeit des Geheimen Consiliums üblich
gewesen. Im Roten Schloss befand sich die Geheime Kanzlei mit der Repositur und der
Geheimen Ratsstube, in der die „praeparatorischen Sessionen“ der Geheimen Räte als Vorbereitung auf die „Haupt Session“ in der Wilhelmsburg abgehalten wurden. Dass zu dieser Zeit die Beschlussfassungen im Sessionszimmer der Herzogin stattfanden, zeigt auch
das übliche Verfahren, die ausgehenden Weisungen (Reskripte, Dekrete, Ordres) mit Angabe des Ortes und des Zeitpunktes der Resolution auszufertigen. In dieser Zeit ergingen
die Verfügungen der Herzogin „Weimar zur Wilhelmsburg“58, wie sie nach dem Schlossbrand vom 6. Mai 1774, als die kurfürstlichen Gemächer zerstört waren, nunmehr von ihrem Ausweichquartier im Schloss Belvedere – mit ausdrücklicher Nennung dieses Ausstellungsortes in den Ausfertigungen der Weisungen – ausgingen, wohin die Geheimen Räte in
den Sommermonaten 1774 zur Hauptsession kommen mussten.59 In den überlieferten Akten über die Behebung der durch den Schlossbrand entstandenen Raumnot60 für die fürstliche Familie und die Hof- und Regierungsbehörden ist keine Rede davon, dass das Geheime Consilium wegen des Brandunglücks neue Räume benötigen würde. Bei der Suche
nach anderen Räumlichkeiten für das ärger betroffene Hofmarschallamt, das zwischenzeitlich mit der herzoglichen Familie in Belvedere untergekommen war, wurden bisherige
Beamtenwohnungen in den benachbarten Schlössern, dem Gelben und dem Roten Schloss,
dafür in Betracht gezogen, dabei auch im Roten Schloss „das über den Fürstl. Geheimden
Conseil von dem Herrn Hofkammer-Rath [Hieronymus Dietrich] Berendis bis anhero innen gehabte Logis“.61 Gemeint sind dessen Wohnräume im Dachgeschoss des Roten
Schlosses, die sich somit über der im zweiten Stockwerk gelegenen Geheimen Ratsstube
und der Geheimen Kanzlei mit dem Archiv befanden. Das Hofmarschallamt wurde indes-
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Ebd., S. 676.
Ebd.
Als Beispiel mag das Dekret für Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch vom 22. März 1774 dienen, mit dem
ihm das Direktorium des Kammerkollegiums in Eisenach übertragen wurde. Ausfertigung im Sächsischen
Staatsarchiv Leipzig, Rittergut Seerhausen Nr. 11, Bl. 30-31.
Demzufolge tragen die von ihr in dieser Zeit erlassenen Verfügungen als Ausstellungsort „Belvedere“. Als
Beispiele mögen die beiden Reskripte zur Übernahme des Landschaftshauses vom 13. Juni 1774 an die Kammer und das Kassedirektorium dienen. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Bausachen B 8903, Bl. 64-66.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Bausachen B 8903 („Geheime Canzley Acta,
was wegen des Brandes des hiesigen F.[ürstlichen] Residenz-Schlosses ergangen betr. 1774“).
Ebd., Bl. 89.
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Geheimes Consilium 1776–1786
sen „in demjenigen Theile des gelben Schlosses, welchen die verwittibte Legations-Räthin
Kotzebue bißhero inne gehabt“, untergebracht.62
Da aber der Hof ein standesgemäßes neues Domizil in der Residenzstadt Weimar benötigte, übernahm Herzogin Anna Amalia mit ihren noch unmündigen Prinzen nach der
Rückkehr aus Belvedere am 28. September 1774 die seit 1769 im Bau befindliche neue Versammlungsstätte der weimarischen Landstände, die inzwischen für die fürstlichen Wohnbedürfnisse umgebaut worden war. Das „Landschaftshaus“ mutierte damit zum „Fürstenhaus“ und wurde für 28 Jahre zum Hauptschauplatz der gesellschaftlichen Ereignisse in
der ersten Hälfte der Regierungszeit Carl Augusts, bis 1803 das wiederaufgebaute Residenzschloss erneut bezogen werden konnte. Die veränderte Wohnsituation für die fürstliche Familie seit dem Schlossbrand von 1774 – sie erweiterte sich im Jahr darauf durch die
Heirat von Carl August und spaltete sich damit auch auf – hat seitdem offenbar keinen
Raum für ein besonders repräsentatives fürstliches Sessionszimmer hergegeben. Die verwitwete Herzogin Anna Amalia hat noch bis zum Regierungsantritt ihres Sohnes die Regierungsgeschäfte als Vormünderin und Landesregentin geführt und bezog am 6. Oktober
1775 eine neue Unterkunft im künftigen „Wittumspalais“63, das als Stadtpalais für den Geheimen Rat Jakob Friedrich von Fritsch 1767 bis 1769 erbaut worden war und nun als ihr
„Witthums-Sitz“ ebenfalls zu einem Schauplatz kultureller Ereignisse wurde, der als „Musenhof“ in die Literatur einging. Der regierende Herzog Carl August traf nach seiner in
Karlsruhe vollzogenen Vermählung mit der Prinzessin Luise von Hessen-Darmstadt am
17. Oktober 1775 wieder in Weimar ein.64
Die zuvor erfolgte Übertragung der Landesherrschaft an seinem 18. Geburtstag am
3. September 1775 hatte im neuen Audienzzimmer der bisherigen Landesregentin Anna
Amalia im Landschaftshaus, dem neuen Fürstenhaus, stattgefunden. Christian Friedrich
Schnauß hat dazu in seinen Erinnerungen festgehalten: „[…] da dann der bisherigen Herzogin Regentin Hochfürstliche Durchlaucht in dem Sessions-Zimmer des Geheimen Consilii die membra desselben und die Chefs derer Collegiorum auch Hof-Ämter vorfordern
lassen und nach einer kurzen Rede die Regierung, welche Höchstdieselben bei 16 Jahre mit
großem Ruhm geführet, an Ihren Herrn Sohn übergaben und abtraten, worauf der Herzog
solche nach abgestatteter rührender Danksagung annahmen […].“ 65 Das Fourierbuch
dokumentiert das dazu aufgestellte Reglement für die Volljährigkeitserklärung des Erbprinzen und nennt die Herren „Ministres und Chefs“, die bei der Übergabe der Regierung
im Audienzzimmer zugegen waren, was „in verschloßenen Thüren geschah“: der Obermarschall Friedrich Hartmann von Witzleben, vom bisherigen Geheimen Consilium der
Geheime Rat Jakob Friedrich von Fritsch, sowie die Geheimen Assistenzräte Achatius
Ludwig Carl Schmid und Christian Friedrich Schnauß, der Kammerpräsident Carl Alexander von Kalb, der Oberforstmeister August Wilhelm Ferdinand von Staff, der Land-
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Ebd., Bl. 83.
Fourierbuch 1775. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hofmarschallamt Nr. 2524, S. 228.
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie
Anm. 16), S. 681. Siehe auch Fourierbuch 1775 (wie Anm. 63), S. 233.
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie
Anm. 16), S. 680-681.
Einführung
33
schaftskassedirektor Johann Siegmund von Oppel, vom Militär die Obristen Johann
Maximilian Albrecht von Lasberg und Christian Friedrich von Raschau, der Oberkonsistorialpräsident Carl Friedrich Ernst Freiherr von Lyncker und der Geheime Rat Friedrich
Günther von Kaufberg.66 Die Aussage von Schnauß, dass die feierliche Übertragung der
Regierung auf Carl August im „Sessions-Zimmer des Geheimen Consilii“ stattgefunden
habe, das im Fourierbuch als das Audienzzimmer der Herzogin ausgewiesen wird, lässt
den Schluss zu, dass diese auch nach dem Bezug des Landschaftshauses wie schon bisher
die beschließenden Hauptsessionen in ihrer unmittelbaren Nähe – vom Mai bis September
1774 im Schloss Belvedere, daran anschließend, aber wiederum unterbrochen durch den
folgenden Sommeraufenthalt des Hofes in Belvedere, bis zur Regierungsübergabe im September 1775 im nunmehrigen Fürstenhaus – ausrichtete, während die Geheimen Räte
weiterhin ihre präparatorischen Sessionen in der Geheimen Ratsstube im Roten Schloss in
der Nachbarschaft der Geheimen Kanzlei abhielten.
Nachdem am 3. September 1775 die Regierungsübergabe stattgefunden hatte, verlagerte sich die Tätigkeit des Geheimen Consiliums unter Herzog Carl August allerdings
komplett in das Rote Schloss, wo sich im zweiten Stockwerk des Westflügels mit dem
Blick zum Markt das behördliche Raumensemble der Geheimen Ratsstube mit Kanzlei
und Archiv (Repositur) befand. Erst nach dem Abschluss der Wiederaufbauarbeiten und
dem 1803 erfolgten Einzug der fürstlichen Familie stand die Verlagerung der bisherigen
Geheimen Ratsstube in das Residenzschloss bevor. Das neue Geschäftslokal der Geheimen
Kanzlei mit Sessions-, Expeditions- und Kanzleiräumen befand sich seitdem in der zweiten Etage des Ostflügels und schloss sich an der Hofseite unmittelbar an die Wohnräume
Carl Augusts an.
66
Fourierbuch 1775 (wie Anm. 63), S. 189.
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Geheimes Consilium 1776–1786
Organisation und Arbeitsweise des Geheimen Consiliums und der Geheimen Kanzlei
unter Herzog Carl August 1776 bis 1786
Die seit dem absoluten Ministerregiment des Grafen Bünau und der Kanzleipraxis seiner
aus Eisenach mitgebrachten Beamten entwickelte Arbeitsweise im neuen Geheimen Consilium in Weimar war nach dem kurzen Intermezzo unter Ernst August Constantin auch
während der Regentschaft Anna Amalias in ihren Grundzügen fortgesetzt worden. Das
Fehlen einer verbindlichen Geschäftsordnung ist auch für die hier behandelte Zeit der Regierungstätigkeit von Herzog Carl August zu konstatieren. Willy Flach hat seine Erkenntnisse über Funktion und Tätigkeit des Geheimen Ratskollegiums und der Geheimen
Kanzlei deshalb vor allem aus dem Befund des überlieferten schriftlichen Niederschlags
der Arbeit dieser Institutionen gewonnen.67 Dabei wurde von ihm festgestellt, dass „bei
dem bereits sehr umfangreich und differenziert gewordenen Regierungsgeschäft“68 keinesfalls alle Verwaltungsaufgaben des Staates im Geheimen Consilium behandelt und entschieden wurden. Bei dieser Landeszentralbehörde liefen allerdings alle diejenigen Angelegenheiten zusammen, die an den Herzog direkt herangetragen wurden bzw. seiner
unmittelbaren Entscheidung vorbehalten waren, wobei er sich im Geheimen Consilium
von seinen Geheimen Räten in der Entscheidungsfindung beraten ließ. Es ist dies das eigentliche Geschäft dieses Kollegiums in den „drei Stufen des Referierens, des Votierens
und des Resolvierens“69 in mündlicher Verhandlung in der Geheimen Ratsstube. Vortrag,
Stellungnahme dazu und Beschlussfassung waren die immer wiederkehrenden Abläufe eines solchen Beratungsgeschäftes im Dienste des Landesherrn. Bei dieser „collegialiter“
ausgeübten Tätigkeit kam es also weniger auf die Arbeit des einzelnen Beamten als vielmehr auf die Zusammenarbeit unter ihnen und mit dem Herzog an. Das setzte sich dann in
der nachgelagerten Phase der Revision der Konzepte für ausgehende landesherrliche Weisungen fort, in der die Geheimen Räte mit ihrer Signatur, der Revisionssigle, die Resolution aus der Sitzung bestätigten. In den Amtseiden wurden die mit Sitz und Stimme in das
Geheime Consilium berufenen Geheimen Räte, Assistenzräte und Legationsräte darauf
verpflichtet, bei ihren Ratschlüssen und Voten das Interesse des Herzogs und des Landes
im Auge zu haben und ihre Ratschläge und Stimmen jederzeit freimütig und unparteiisch
ohne Furcht und Nebenabsichten abzulegen.
Das Geheime Consilium war in dieser Funktion kein ausführendes Organ der Landesadministration. Es übte seine beratende und beschließende Tätigkeit auf der Grundlage
von eingehenden Berichten der Fachkollegien des Landes oder von auswärtigen Korrespondenzen und Eingaben, die an den Herzog gerichtet waren, aus. Auf dem Wege der
Schriftlichkeit gelangten die Ergebnisse der Beratungen und Entscheidungen als landes-
67
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69
Die nachfolgend dargebotenen Erläuterungen zur Arbeitsweise des Geheimen Ratskollegiums und der spezifischen Aufgaben der Geheimen Kanzlei folgen weitgehend den Forschungsergebnissen von Willy Flach
und lassen ihn selbst ausführlich zu Wort kommen, wo ein bloßes Referieren seiner kompakten Darstellung
in der Einleitung der Edition „Goethes Amtliche Schriften“ durch den Herausgeber zur Erklärung und Verdeutlichung der Problematik nicht ausgereicht hätte. Die Zitation bezieht sich auf die erneute Veröffentlichung von 1952; Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1).
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 47.
Ebd., S. 52.
Einführung
35
herrliche Befehle zur Ausführung an die dafür zuständige Verwaltungsbehörde oder als
Meinungsäußerung bzw. als Antwort nach außerhalb des Landes. Nur in besonderen Fällen wurden bestimmte Angelegenheiten durch einen Geheimen Rat in Form eines Privatschreibens erledigt. Die Einrichtung, in der sich diese Beratungstätigkeit abspielte, waren
die regelmäßig stattfindenden ordentlichen (ordinairen) Sessionen, zu denen die Geheimen
Ratsmitglieder wöchentlich mindestens einmal, bisweilen auch zwei- oder dreimal zusammenkamen. Sie begannen um 10 Uhr und waren nach Zahl und Umfang der zu behandelnden Gegenstände von verschieden langer Dauer. An einzelnen Tagen waren die Geheimen Räte oder auch nur einer von ihnen – Goethe war eine solche bevorzugte Ausnahme
– zur Mittagstafel des Hofes im Fürstenhaus geladen. Neben den ordentlichen Sitzungen
wurden bei besonders dringenden Anlässen zusätzlich außerordentliche (extraordinaire)
Sessionen einberufen.70 Diese Zahl ist aber begrenzt gewesen. In Einzelfällen, wobei Zeit
und Anlass sehr verschieden sind, wurden in den Geschäftsbereich des Geheimen Consiliums fallende und vordringlich zu behandelnde Vorgänge zwischen den Sessionstagen oder
an einem Wochenende auch durch Umläufe erledigt, indem der Entwurf (Konzept) für eine Weisung (Reskript, Dekret oder Ordre), verfasst von einem Geheimen Rat oder vom
Geheimen Referendar, durch Kanzleipersonal in die Wohnungen der Geheimen Räte zur
Begutachtung und Signierung gebracht und nach der Reinschrift dem Herzog zum Vollzug
der Ausfertigung durch seine Unterschriftsleistung vorgelegt wurde. Auch diese Form der
Erledigung von Geschäftsvorfällen wird in der Regestausgabe nachgewiesen.
Das Geheime Ratskollegium kam auch dann zusammen, wenn der Herzog durch Reisen und andere Abhaltungen nicht an einer oder mehreren Sessionen teilnahm. Das war in
größerem Maße der Fall, als Carl August und Goethe im Herbst 1779 zu einer längeren
Reise in die Schweiz aufbrachen, von der sie erst im Frühjahr 1780 zurückkehrten. Für solche Situationen gab es das schon zuvor von Herzogin Anna Amalia praktizierte Verfahren71, von den resolvierenden Geheimen Räten Auftragsreskripte ausfertigen zu lassen, die
dann mit der Formel „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ und ihrer Unterschriftsleistung
nebeneinander abschlossen. Auch Herzog Carl August hatte nach Antritt seiner Regierung, allerdings erst mehr als ein Jahr später, in verschiedenen Reskripten an die Landesbehörden deren Gültigkeit als landesherrlicher Wille bestätigt und seine Beamten in der
Landesadministration zur Beachtung angewiesen. Aber nicht alle Geschäftsvorfälle konnten die Geheimen Räte selbst erledigen, da es natürlich auch solche gab, in denen allein der
Herzog entscheiden konnte und musste. Christian Friedrich Schnauß überliefert uns in
seinen „Erinnerungen“ eine Situation aus dem Jahr 1785, als er im Sommer dieses Jahres,
während der Herzog erstmals mit seiner Gemahlin für längere Zeit zu einem Kuraufenthalt in Aachen, Spa und Pyrmont weilte, der Geheime Rat von Fritsch wie gewöhnlich seinen Urlaub auf den Familiengütern in Seerhausen (bei Riesa) und Goddula (bei Merseburg) verbrachte und Goethe schon nicht mehr regelmäßig an den Sessionen teilnahm,
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Siehe dazu das in der Regestausgabe enthaltene Kalendarium, das diese Sessionen im Unterschied zu dem
von Flach veröffentlichten Sessionskalender ausdrücklich nachweist.
Dazu liegen Reskripte von Anna Amalia vom 7. Mai 1765 und 3. Mai 1771 vor. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Eisenacher Archiv, Dienersachen Nr. 262, Bl. 13 und 17; B 1181, Bl. 1.
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Geheimes Consilium 1776–1786
allein mit Johann Christoph Schmidt in der Geheimen Ratsstube zu entscheiden hatte: „Im
Geheimen-Raths Collegio war Niemand weiter vorhanden als ich, und der Herr geheime
Assistenz Rath Schmidt, welche die Sesssions forthielten und ad mandatum Serenissimi expedirten, außer was sehr wichtig oder Gnaden-Sachen waren, die zum Theil ad Serenissimum eingeschickt oder bis zur Zurückkunft ausgesetzt wurden.“72
Die Anweisung zur Ausfertigung von Auftragsreskripten durch die Geheimen Räte
selbst wurde allerdings nicht sofort nach der Regierungsübernahme von Carl August praktiziert. Bevor der Herzog im Herbst 1775 zu seiner Hochzeit nach Karlsruhe aufbrach,
hatte er seine Mutter gebeten, in der Zeit seiner Abwesenheit „denen Sessionen unsers Geheimden Consilii mit beyzuwohnen und bey selbigen Unsere Stelle zu vertreten, auch die,
wegen der vorkommenden Angelegenheiten, in Unserm Nahmen zu erlaßende Expeditiones, in Vollmacht von Uns, zu unterschreiben und zu vollziehen.“73 Wir wissen nicht, ob
es in der Anfangszeit seiner Regierung noch mangelndes Vertrauen des jungen Regenten in
seine Geheimen Räte war, sich so zu verhalten. Es kann auch noch einmal ein besonderes
Zeichen an seine Mutter gewesen sein, die sich nach der vollzogenen Eheschließung des
Sohnes endgültig aus dem Fürstenhaus verabschiedete und noch vor dessen Rückkehr ihr
„Wittumspalais“ bezog und damit endgültig der Last des Regierens ledig war. Danach hat
Herzog Carl August regelmäßig den Sessionen des Geheimen Consiliums beigewohnt.
Erst ein Jahr später, bevor er im Dezember 1776 eine größere Reise nach Leipzig, Wörlitz
und Dessau – übrigens zusammen mit Goethe – antrat, sah er sich gezwungen, wie bereits
unter der Regentschaft seiner Mutter praktiziert, die Form des Auftragsreskripts einzuführen. Am 29. November 1776 ließ er deshalb eine Generalinstruktion an die Behörden in
Weimar und Eisenach sowie an die Militärbefehlshaber ergehen, wie künftig bei seiner Abwesenheit zu verfahren wäre: „Da sich der Fall verschiedentlich ereignet, daß Wir auf einer
Reise oder sonst von unserer Residenz abwesend sind; dabey aber Unsere Intention ist,
daß die Geschäfte keinen Aufenthalt leiden sollen; Alß haben Wir die Entschließung gefaßt, daß ins künftige bey solchen Gelgenheiten die bey Unserm Geheimden Consilio vorfallende nöthige Expeditionen inzwischen ad mandatum nostrum speciale ausgefertiget
werden sollen.“ Er wies die unterstellten Verwaltungen an, solche eingehenden Auftragsreskripte der Geheimen Räte „ebenso, als wenn solche von Uns selbst unterschrieben worden, in allen Stücken gehörig befolgen, auch mittler Zeit [= mittlerweile] mit Erstattung
der erforderten Berichte und mit denen sonst nöthigen Ausfertigungen fortfahren.“74
Die Sessionen fanden in den bereits vorgestellten Geschäftsräumen des Geheimen Consiliums im Roten Schloss statt, zu denen neben der Geheimen Ratsstube die Kanzlei und
die Repositur für die Aufbewahrung der Geheimen Kanzleiakten und der beigezogenen
Akten anderer Behörden gehörten. In dem Zeitraum von Goethes Einführung in das Ge-
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74
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie
Anm. 16), S. 688-689.
Reskript Carl Augusts an die Regierung zu Weimar vom 15. September 1775. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 1181, Bl. 3.
Siehe Regest Nr. 1078; hier zitiert nach der Ausfertigung an die Regierung zu Weimar. Thüringisches
Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 1181, Bl. 5; das Konzept B 676, Bl. 2. Ein Beispiel
für ein solches Auftragsreskript, „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ von Fritsch, Schnauß und Goethe
unterschrieben, vom 17. Dezember 1777 im Abbildungsteil der Regestausgabe, Abbildung 21.
Einführung
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heime Consilium im Juni 1776 bis zu dessen Aufbruch nach Italien im Juli 1786 gab es drei
außergewöhnlicher Situationen, in denen das Geheime Consilium nicht geschlossen am
gewöhnlichen Versammlungsort des Geheimen Consiliums in der Residenzstadt Weimar
tagte. Am ungewöhnlichsten ist die Lage im Juli/August 1776, als der Herzog die erste
Initiative für die Wiederingangsetzung des Ilmenauer Kupferschieferbergbaus startete und
mit einer ausgewählten Hofgesellschaft in Ilmenau weilte, wohin der sächsische Bergsachverständige Friedrich Wilhelm von Trebra aus Marienberg zwecks Untersuchung der Bedingungen dafür gebeten worden war.75 Hier weilte vom 18. Juli bis 14. August 1776 als
Reisebegleiter des Landesherrn auch der erst einen Monat zuvor in das Geheime Consilium aufgenommene Legationsrat Goethe und in den ersten drei Tagen auch Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch.76 Bisher sind die in diesem Zeitraum ergangenen Resolutionen in
den nachgewiesenen sieben Sessionen (sechs ordinairen und einer extraordinairen Session)
so behandelt worden, als ob der Herzog und alle Geheimen Ratsmitglieder in der Geheimen Ratsstube im Roten Schloss anwesend gewesen wären und resolviert hätten. Tatsächlich haben aber nur die Geheimen Räte von Fritsch und Schnauß die Sessionen vom 22. Juli
bis 13. August 1776 bestritten und vorderhand resolviert. Danach wurden die Konzepte
mittels Boten zum Signieren durch den Herzog und Goethe nach Ilmenau gebracht, und
auch die Reinschriften wurden auf dem gleichen Weg zu Carl August nach Ilmenau befördert, damit sie der Herzog durch seine Unterschrift vollziehen konnte, bevor sie von der
Geheimen Kanzlei in Weimar an die Empfänger expediert wurden. Darüber unterrichtet
ein Brief von Goethe aus Stützerbach bei Ilmenau an den Geheimen Rat von Fritsch in
Weimar vom 3. August 1776: „Aus dem geliebten Stüzzerbach schick ich Ihnen bester
Herr Geheimder Rath die unterschriebnen und vollzognen Papiere zurück, fahren Sie fort
mir das nötige zuzufertigen, und ich will meine Expedition ambulante bestmöglichst besorgen. Ich hab einen freundlich herzlichen Grus von Ihro Durchlaucht an Sie; wann wir
zurückkommen ist ungewiss […] Unser College Schnaus wird auch von Ihro Durchlaucht
gegrüsst und mich empfehlen Sie ihm vielmals. Seyn Ihro Excellenz so gütig bey künftigen
Sendungen sich des ledernen Sacks mit dem Riemen des bequemeren Transports wegen zu
bedienen.“77 Und auf der Anschriftenseite war von Goethe vermerkt: „An des Herrn Geheimderath v. Fritsch Excellz. durch Husar mit einer ledernen Brieftasche nach Weimar.“
Jakob Friedrich Freiherr von Fritsch erhielt Goethes Brief am folgenden Tag ausgehändigt,
wie sein Präsentationsvermerk bezeugt.78
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77
78
Zum Gesamtvorgang siehe Volker Wahl, Die Ilmenauer Bergwerkskommission als Immediatkommission in
der Behördenorganisation von Sachsen-Weimar-Eisenach (wie Anm. 47) sowie die Dokumentation zur
Ausstellung Goethes Amtstätigkeit für den Ilmenauer Bergbau. Bearbeitet von Claudia Fiala, Jens Riederer
und Volker Wahl. Ilmenau 1998.
Fritsch war in Ilmenau anwesend und gehörte mit zu den Unterzeichnern der ersten Subskriptionsliste vom
20. Juli 1776 für künftige Berganteile (Kuxen) am Ilmenauer Bergbau nach dessen Wiederaufnahme. Der
Subskriptionsaufruf mit der Liste der Subskribenten vom 20. Juli 1776 im Thüringischen Hauptstaatsarchiv
Weimar, Sammlung Historische Schriften und Drucke F 193, Bl. 59-61. Siehe dazu Volker Wahl, Die Ilmenauer Bergwerkskommission als Immediatkommission in der Behördenorganisation von Sachsen-WeimarEisenach (wie Anm. 47), S. 160.
Goethes Werke WA IV, 3, S. 92.
Ebd., S. 287.
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Geheimes Consilium 1776–1786
Das spätere Verfahren des Auftragsreskripts, indem die bei Abwesenheit des Herzogs
resolvierenden Geheimen Räte selbst „Ad Mandatum Serenissimi Speciale“ unterschrieben, war – wie zuvor geschildert – hier noch nicht in Gang gesetzt worden. Es blieb eine
Ausnahmesituation, dass dem abwesenden Herzog – und einem seiner Geheimen Räte –
Konzepte und Reinschriften zur Signierung bzw. Vollziehung hinterhergeschickt wurden,
wobei Goethe als Vermittler zum Herzog auftrat. Andererseits sind hier zwei andere Situationen ausdrücklich zu erwähnen, in denen das Geheime Consilium selbst auswärts tagte,
als Carl August mit seinen Geheimen Ratsmitgliedern zum Ausschusstag der Eisenachischen Landstände (September 1777) sowie mit seiner Familie, seinen wichtigsten Beamten
und weiteren Mitgliedern der Hofgesellschaft zum „Hoflager“ und Landesausschusstag in
Eisenach (Juni/Juli 1784) weilte. So wurden im Laufe des Monats September 1777 drei ordentliche (13., 18. und 30. September) und zwei außerordentliche Sessionen (8. und 22.
September) in Eisenach abgehalten, der Ausschusstag selbst fand am 8. September 1778
statt. Während des „Hoflagers in Eisenach“ im Sommer 1784 trafen sich der Herzog und
seine Geheimen Räte mehrfach zu solchen Sitzungen, in neun ordinairen (8., 11., 15., 18.,
22., 25. und 30. Juni, 5. und 6. Juli) und in zwei extraordinairen Sessionen (7. und 10. Juni).
Den gewöhnlichen Ablauf der Sessionen im Roten Schloss hat Willy Flach in notwendiger Klarheit dargestellt, so dass an dieser Stelle ein größerer Auszug darüber unterrichten soll: „Die Tagesordnungen dieser Sessionen waren zunächst durch die vom Herzog
oder aus dem Consilium heraus angeregten Gegenstände – die sogenannten Sachen ohne
Vorgang oder die ex officio-Angelegenheiten – , im wesentlichen aber durch die zur Verhandlung kommenden Eingänge bestimmt. Diese beim Herzog selbst oder bei der Kanzlei
eingelaufenen, im letzteren Falle vom Vorsitzenden des Consiliums Fritsch erbrochenen,
von ihm oder einem Beauftragten mit Präsentationsvermerk versehenen, in der Kanzlei
von den Sekretären in die uns nicht erhaltene Eingangsregistrande eingetragenen, dann an
einen der Geheimen Räte als Referenten ausgeteilten Schreiben wurden von diesem unter
Heranziehung der Vorakten in häuslicher Arbeit präpariert und in der Sitzung zum mündlichen Vortrag gebracht. Die eingegangenen Schreiben waren verschiedener Art. Im Bereich der Beziehungen des Landes nach außen liefen Fürstenschreiben, Kommunikationsschreiben auswärtiger Behörden, Berichte und Relationen der von Sachsen-Weimar bei
den Reichseinrichtungen, beim Kaiserlichen Hof in Wien, beim Reichstag, beim Reichskammergericht und beim Fränkischen Reichskreis unterhaltenen Gesandten und Agenten
ein. Die unmittelbaren Beziehungen des Landesherrn zu den Untertanen veranlaßten eine
Zahl von Supplikationsschreiben, von Bittgesuchen, die von Einzelpersonen eingereicht
wurden. Die Hauptmasse des Einlaufs bildeten aber die der inneren Landesverwaltung
entstammenden Berichte oder Promemorien der höheren Landesbehörden, die direkt mit
dem Herzog und dem Consilium verkehren durften: die Regierungen, die Kammern und
die Konsistorien in Weimar und Eisenach, die Landschaftskassedirektorien, das Hofmarschallamt, die Universität und das Hofgericht in Jena und die selbständigen Kommissionen
wie Kriegskommission, Generalpolizeidirektion, Brand-Assekurations-Deputation u. ä.;
diesen Berichten entsprachen im Bereich des Militärs die Rapporte der Befehlshaber. Der
Inhalt dieser verschiedenartigen Eingänge bildete also den Gegenstand des Vortrags der
Mitglieder des Consiliums. […] Dem Vortrag des Referenten folgte in den Sessionen als
Einführung
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zweite Stufe des beratenden Geschäftes das Votieren, die Meinungsäußerung jedes einzelnen der anwesenden Räte zu dem vorgetragenen Gegenstand und dem vom Referenten am
Schluß seines Vortrags abgegebenen Vorschlag für die Entscheidung und Erledigung der
Sache. Diese Stellungnahme konnte naturgemäß außerordentlich verschieden sein, zweifelnd oder bestätigend, ergänzend oder berichtigend, ablehnend oder zustimmend, und es
mag bei dem Meinungsaustausch mehr als einmal zur Erhitzung der Gemüter, zur ‚dummen Luft‘79 im Consilium gekommen sein. Auf alle Fälle aber diente die Ablegung der
Voten dem Zweck, aus den so für die Lösung der aufgeworfenen Frage gewiesenen Möglichkeiten die beste herauszufinden. So leitete das Votieren der Räte dann von selbst zur
dritten Stufe der Beratung in der Session über, zum Resolvieren oder Beschließen des Falles, und das Endergebnis war die Resolution, der die Sache entscheidende und ihre geschäftsmäßige Erledigung anordnende Beschluß, der nach dem in Kollegialbehörden der
Zeit üblichen Brauch, wie er für Weimar durch die oben genannten Ordnungen und Instruktionen von 1642 bis 1758 bestätigt wird, ein Mehrheitsbeschluß der Räte sein sollte,
der in der Tat aber wohl immer, wenn der Herzog anwesend war, in letzter Linie von seiner Entscheidung abhing.“80
Auf diese Weise war die Tätigkeit des Geheimen Ratskollegiums nahezu unbeschränkt,
weil hier nicht nur die großen Fragen der Politik verhandelt und entschieden wurden.
Beraten und zur Entscheidung gebracht wurden auch in mannigfacher Art die in die Tausende gehenden kleinen Anliegen des Landes und seiner Bewohner. Der kollegialische
Charakter des Geheimen Consiliums bedingte die vielseitige Beteiligung eines jeden Mitgliedes am gesamten Geschäftsumfang. In ihrer Gesamtheit trugen sie die Verantwortung
gegenüber dem Landesherrn. „Kampfabstimmungen“ mit dem Herzog sind insofern ausgeschlossen gewesen. Helma Dahl hat durchaus richtig erkannt: „Solange der Herzog
selbst an der Arbeit des Conseils teilnahm, hatte die Stimme eines votierenden Ministers
das Gewicht, das Carl August ihr gab. Bei seiner Abwesenheit aber wog jede nur ein Drittel bzw. ein Viertel.“81 Noch etwas ist in diesem Zusammenhang klarzustellen. Auch wenn
Rechts- und Gerichtswesen ein Arbeitsgebiet des Geheimen Consiliums war, ist die Spitze
der Landesadministration als Gerichtsbehörde für Einzelfälle niemals tätig gewesen. Der
Landesherr hat allerdings den Rat der Mitglieder des Geheimen Consiliums eingeholt,
wenn er gefordert wurde, die von einem Schöppenstuhl als Spruchkollegium ergangenen
Todesurteile in Strafrechtsfällen zu bestätigen oder als Gnadenerweis abzuändern, wobei
die Resolution allein bei ihm lag. Doch das Geheime Consilium war kein „Justiz- oder
Rechts-Collegium“, wie die Regierung, in deren Kompetenz „Fragen, die aus dem peinlichen Recht entschieden werden müssen“, und andere rechtliche Gutachten gehörten.
Darauf wies der Geheime Rat Christian Friedrich Schnauß in seinem Votum vom 26. Oktober 1783 hin, nachdem die Mitglieder des Geheimen Consiliums in einer besonderen
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81
In seinem Tagebuch notierte Goethe zum 1. Februar 1779: „Conseil. Dumme Luft drinne. Fataler Humor
von Fr.[itsch] [Herzog] zu viel gesprochen.“ Johann Wolfgang Goethe Tagebücher Band I,1, S. 74. Siehe
dazu die Erläuterungen von Willy Flach, Goethe im Februar 1779. Ein Beitrag zur Chronik von Goethes
Leben. In: Festschrift für Leopold Magon zum 70. Geburtstag am 4. April 1957. Berlin 1958, S. 182-183.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 52-55.
Helma Dahl, Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften II,1, S. 46.
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Geheimes Consilium 1776–1786
Situation von Herzog Carl August angehalten worden waren, schriftlich zur Frage der Abschaffung der Todesstrafe bei Kindsmord Stellung zu nehmen.82
Über die Sessionen dieses Kollegiums wurden generell keine Protokolle geführt. Die
gelegentlich vorkommenden „Extractus Protocolli“ waren eine spezielle Form der aus
dem Geheimen Consilium übermittelten Weisungen des Herzogs oder des Consiliums im
unpersönlichen Stil an landesherrliche Behörden und sind nicht als Auszug aus einer fiktiven Sitzungsniederschrift zu verstehen.83 Andererseits wurden natürlich auch bei bestimmten einzelnen Handlungen oder Verfahren, insbesondere auch bei Beratungen von
rechtlicher und politischer Bedeutung, von den Geheimen Sekretären Protokolle angefertigt84, aber nie von einer ordentlichen Session in ihrem gesamten Ablauf, bei dem die Zahl
der erledigten Geschäftsvorfälle leicht das halbe Hundert erreichen konnte. An die Stelle
der unterlassenen Protokollierung trat die Führung von Resolutionsregistranden durch
den Geheimen Referendar und bei seiner Verhinderung durch den Geheimen Sekretär, die
aber für die Zeit von 1776 bis 1786 nicht durchgehend überliefert sind.85 In ihnen ist „in
knappster, aber verständlicher Form die aus dem Geschäft des Votierens, das sie allerdings
in keiner Weise erkennen lassen, herausgewachsene Resolution“ festgehalten, so dass sie
den Charakter von Geheimen Rats-Protokollen erhalten haben.86 Aber das hier festgehaltene Ergebnis des „Resolvierens“ lässt nicht den Anteil des einzelnen Geheimen Ratsmitgliedes erkennen. Die Anzahl ihrer schriftlich überlieferten Voten und von anderen gutachtlichen Äußerungen, aus denen Auffassungen und Entscheidungsgründe in einzelnen
Fragen zu erkennen sind, bleiben indessen verschwindend gering. An solchen Zahlen sind
die Tätigkeit des Geheimen Consiliums und der Anteil eines jeden Mitglieds mit Sicherheit
nicht zu messen.87
Im Allgemeinen erfolgte das „Votieren“ und „Resolvieren“ nach dem mündlichen Vortrag in der Session, so dass die beratende Tätigkeit in erheblichem Umfang in den Sitzungen geleistet wurde. Die Hauptaufgabe der Mitglieder des Geheimen Consiliums bestand
zunächst in der Beratung des Herzogs im Rahmen der Erörterung der zu entscheidenden
Geschäftsvorfälle. Dass sich daran die Besorgung weiterer Geschäfte – sei es mittels Privat-
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83
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87
Das Votum in Goethes Amtliche Schriften I, S. 247-251. Zum Gesamtvorgang siehe Volker Wahl, „Das Kind
in meinem Leib“. Sittlichkeitsdelikte und Kindsmord in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August. Weimar 2004, S. 102-106.
Beispiele: Abbildung 15a-b der Regestausgabe.
Beispiele in Goethes Amtliche Schriften I; bei Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte
(wie Anm. 1), S. 102 werden 20 genannt, die dort ediert sind. Siehe zum Beispiel das Protokoll der Beratung
zwecks Vorbereitung der Konferenz mit Sachsen-Meiningen wegen der Zillbacher Holzabgabesache innerhalb der Session des Geheimen Consiliums am 12. Januar 1781 (Regest Nr. 9265; Abdruck in Goethes Amtliche Schriften I, S. 130-131). Auch das ausführliche Protokoll aus der Session am 9. Februar 1779 zur
Frage der Zulassung oder Ablehnung preußischer Truppenwerbungen im Land (Regest Nr. 5496; Abdruck
in Goethes Amtliche Schriften I, S. 52-56) ist nur ein Tagesordnungspunkt dieser Sitzung.
Zur Überlieferung siehe unten das Kapitel Zur Überlieferung und zur Edition.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 57.
Das Beispiel von Goethe liefert dafür einen schlagenden Beweis. Willy Flachs Edition seiner Amtlichen
Schriften hat aus dem Gesamtkorpus der Überlieferung zum Geheimen Consilium insgesamt 51 schriftlich
fixierte Voten von ihm zwischen 1777 und 1786 herausgefiltert, die überwiegend neben denen seiner Kollegen stehen. Die jetzt feststehende Gesamtzahl von 14 741 Tagesordnungspunkte, die Goethe in 527 Sessionen zwischen 1776 und 1785 mitberaten hat, zeigt das überdeutlich.
Einführung
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schreiben oder weiterer Handlungen (gründliche Erörterung, Untersuchung an Ort und
Stelle, Verhandlung mit anderen Personen) – außerhalb der Geheimen Ratsstube anschloss,
war nicht ungewöhnlich. Kommissarische Spezialaufträge hatten oft schriftliche Berichterstattung zur Folge, so dass solche Berichte in Form eines „Promemorias“88 wiederum
Gegenstand der Beratung im Geheimen Consilium sein konnten. Willy Flach hat geurteilt,
dass ihrem Wesen nach „diese kommissionsweise erledigten Geschäfte auch nur Ausfluß
der beratenden Funktion des Geheimen Consiliums und seiner Mitglieder“ waren.89 Auf
jeden Fall ist ein solcher begrenzter Auftrag in der Form einer Spezialkommission von den
ständigen behördenmäßig organisierten Immediatkommissionen deutlich zu unterscheiden.90
Auch über den weiteren Ablauf bei der Erledigung der Geschäfte, die das Geheime
Consilium passiert hatten, lassen wir erneut Willy Flach zu Wort kommen: „Wenn die im
Geheimen Consilium durch mündliche Verhandlung, durch Referat und Votum festgestellte Resolution nicht etwa von vornherein zu dem Ergebnis führte, daß die Angelegenheit als erledigt zu betrachten und der Vorgang daher ad acta zu nehmen oder beizulegen
sei, und wenn nicht etwa das Consilium dabei sich für unzuständig erklärte und die ohne
weitere schriftliche Formalitäten vorzunehmende Abgabe des Eingangs an die zuständige
Kollegialbehörde zur weiteren Erledigung durch diese verfügte, wenn vielmehr in der bei
weitem überwiegenden Mehrzahl der Fälle eine sachlich entscheidende und geschäftsmäßig richtunggebende Resolution gefaßt wurde, so bedurfte diese nun, um nach außen bekannt und wirksam zu werden, der schriftlichen Formulierung. An dieser Stelle setzt neben der Tätigkeit des Consiliums und seiner Geheimen Räte die Mitwirkung der
Geheimen Kanzlei ein, denn deren Aufgabe war die Erledigung der schriftlichen Arbeiten
von der Herstellung der Konzepte bis zur vollzogenen Reinschrift. Zum Verständnis der
Tätigkeit des Geheimen Consiliums und der Mitarbeit Goethes, insbesondere für eine zutreffende und kritische Beurteilung und Bewertung seiner in diesem Rahmen entstandenen
amtlichen Schriften, ist die Kenntnis der Kanzleigeschäfte, der verschiedenen Arten und
des Werdegangs der schriftlichen Verlautbarungen dieses Kollegiums von gleicher Bedeutung wie die der mündlichen Geschäfte in den Sessionen.“91
Auf die Formen, in denen die schriftliche Kommunikation des Geheimen Consiliums
erfolgte, muss hier kurz eingegangen werden, weil die historischen Bezeichnungen dieser
„Aktenstilformen“ in den Regesten verwendet werden. Dabei ist zu betonen, dass „in der
Regel alle Schreiben in einer Fassung aus der Kanzlei heraus[gingen], die sie als unmittelbare und persönliche Schreiben des Herzogs vorstellte. Wie alle beratende Arbeit im Consilium dem Ziel diente, die aus sachlicher Erörterung und fachlichem Wissen der Gehei-
88
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91
Beispiel im Abbildungsteil Goethes Promemoria vom 4. März 1784 zu dem ihm erteilten Spezialauftrag der
Erwerbung der Bibliothek des Göttinger Professors Christian Wilhelm Büttner, Abbildung 22.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 58.
Die früheste Spezialkommission ist die 1776 eingesetzte „Commission zu Regulirung der neuen Hof- und
Stall-Cassen-Etats“ (Goethes Amtliche Schriften I, S. 9), aber auch das Herauswachsen der späteren Ilmenauer Bergwerkskommission aus einem Spezialauftrag zwecks Verhandlung über die Ablösung der alten
Ansprüche an das Bergwerk in Ilmenau in der Sitzung des Geheimen Consiliums am 18. Februar 177
(Regest Nr. 1577) an Goethe und den Kammerpräsidenten von Kalb gehört als Beispiel dazu.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 58.
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Geheimes Consilium 1776–1786
men Räte entspringende Resolution als ein Erzeugnis landesfürstlicher Weisheit und landesherrlicher Gnade erscheinen zu lassen, so mußte die Tätigkeit der Geheimen Kanzlei
bei allem Schreibwerk darauf eingestellt sein, den Herzog als Träger alles staatlichen Lebens und jeden einzelnen Fall als Ausfluß seiner monarchischen Hoheit darzustellen.“92
Da alle Landesbehörden dem Geheimen Consilium nachgeordnet waren, sind die an sie
gerichteten „Kanzleischreiben“ in verwaltungsmäßigen, jurisdiktionellen und außenpolitischen Angelegenheiten ihrem Charakter nach Verfügungen und Befehle, die in der Kanzleisprache als „Reskripte“ bezeichnet wurden. Im Verkehr mit den Offizieren in den Militärformationen wurden die herzoglichen Befehlsschreiben als „Ordres“ gekennzeichnet.
Die an Einzelpersonen gerichteten Schreiben, mit denen landesherrliche Gnadenakte, Bestallungen und Beförderungen ausgesprochen wurden, führten als Beurkundung einer solchen Entschließung die Bezeichnung „Dekrete“. Die vom Geheimen Consilium geführte
Korrespondenz des Herzogs mit Personen seines Standes erfolgte in Form von fürstlichen
„Handschreiben“, denen die Privatschreiben der Geheimen Räte für die „per privatas“ zu
erledigenden Fälle entsprachen. Mit ranggleichen Behörden anderer Staaten verkehrte das
Geheime Consilium in der Form von „Kommunikationsschreiben“. Auf die Form und Bedeutung der „Extractus Protocolli“ als Befehl an eine im Verwaltungsdienst stehende Person ist bereits eingegangen worden. In diese im Schriftverkehr des Geheimen Consiliums
üblichen Aktenstilformen waren die in den Sessionen ergangenen Resolutionen in der
nachfolgenden Kanzleiarbeit umzusetzen.
Die in den Sitzungen des Geheimen Ratskollegiums mit dem Herzog und bei dessen
Verhinderung nur von den Mitgliedern gefassten Entschließungen mussten nun an die
Konzipienten in der Geheimen Kanzlei weitergegeben werden. Die Resolutionen wurden
im Verlauf der Session vom Geheimen Referendar in Form von kurzen Anweisungen für
die schriftliche Erledigung in die von ihm geführte Resolutionsregistrande eingetragen.
Auf dieser Grundlage konnte danach das dafür zuständige Kanzleipersonal wirksam werden. Neben der mündlich erfolgten Anweisung der Konzipienten war die Möglichkeit gegeben, dass ihm die vom Referenten für den Vortrag und das Votum entstandenen Aufzeichnungen als Grundlage für den Entwurf einer Verfügung dienten. An der Anfertigung
der Konzepte in der Geheimen Kanzlei waren – falls diese Aufgabe nicht in besonders gelagerten Fällen von den Geheimen Räten selbst übernommen wurde – neben dem Geheimen
Referendar alle Sekretäre beteiligt. Die Hauptlast lag allerdings bei dem Geheimen Referendar und dem Geheimen Sekretär, die an der Session teilgenommen hatten und somit
über die Einzelheiten der Vorgänge und die Beweggründe für die Entscheidung und Beschlussfassung genau unterrichtet waren. Die Mitwirkung der Geheimen Räte erstreckte
sich auf die ihnen vertrauten besonders wichtigen Vorgänge, in denen sie sich eingearbeitet
hatten und zuvor referierend aufgetreten waren, die außerdem eine umsichtige Formulierung verlangten, was freilich auch bei der Revision der vom Kanzleipersonal ausgegangenen Konzepte noch möglich wurde. Die Hauptarbeit erfolgte allerdings zeitnah und
hatte in der Niederschrift eines Konzeptes lediglich die erste Stufe der kanzleimäßigen Behandlung und Erledigung des betreffenden Geschäftsvorfalles genommen. Unabhängig
92
Ebd., S. 59.
Einführung
43
davon, ob noch am gleichen Nachmittag nach der immer vormittags stattfinden Session
oder bei einer umfangreicheren Tagesordnung die Arbeit der Konzipienten an den folgenden Tagen fortgesetzt wurde, und von dem weiteren Geschäftsgang bis zur Versendung des
Schriftstückes an den Adressaten war dessen Datierung im Konzept. Entscheidend war bereits hier und in der nach ihm angefertigten Reinschrift in jedem Falle das Datum der Session, in der die Resolution gefasst worden war, welches als Ausfertigungsdatum übernommen wurde.
Für den Ablauf und die weitere Behandlung der so entstandenen Konzepte bedienen
wir uns wieder der von Willy Flach verfassten gründlichen Erläuterungen über die Tätigkeit der Geheimen Kanzlei für den Weg, den ein solches Schriftstück bis hin zur Expedierung weiter nahm. „Das angefertigte Konzept bedurfte in jedem Falle, damit die Übereinstimmung mit der Resolution gewährleistet war, der Revision durch die Geheimen Räte,
und da das Geheime Consilium eine Kollegialbehörde war, so erfolgte auch diese Revision
in kollegialischer Form, d. h. durch sämtliche Mitglieder des Consiliums, jedoch nicht in
den Sessionen, sondern durch Umlauf in den Häusern der Räte. Dabei wurde zweifellos,
wie der Aktenbefund zeigt, die rangmäßige Reihenfolge von unten nach oben beobachtet,
so daß das Konzept zuerst Goethe, dann Schnauß und endlich Fritsch vorgelegt wurde.
Die revidierende Überprüfung hat dabei in vielen Fällen Korrekturen der Konzepte durch
die Räte veranlaßt, die von sehr verschiedenem Umfang und sehr verschiedener Bedeutung
waren und deren Skala von kleinen stilistischen Verbesserungen hinreicht bis zu ganz wesentlichen Zusätzen und Umgestaltungen, gelegentlich sogar bis zur völligen Verwerfung
und Neufassung. Meist hat, wie der handschriftliche Befund ausweist, nur einer der Räte
Korrekturen vorgenommen, und dies wird in der Regel der Referent der Sache, der sich
besonders eingehend mit ihr befaßt hatte und der daher die Formulierung des Konzeptes
am besten beurteilen konnte, gewesen sein. Aber oft sind auch mehrere Räte an den Korrekturen beteiligt. In jedem Falle aber revidierte jedes Mitglied des Consiliums die Konzepte aller der Fälle, an deren Beratung und Entscheidung es in den Sessionen oder außerhalb mitgewirkt hatte. Die erfolgte Revision wurde durch Signum in Form eines
monogrammatischen Namenszuges, einer Sigle, am linken Rande des Konzeptes bestätigt.
Mit der Revision des Konzeptes war die Beteiligung der Geheimen Räte an der Geschäftsbehandlung der einzelnen Angelegenheiten in der Regel endgültig abgeschlossen.“93
Ohne Mitwirkung der Geheimen Räte ging sodann das weitere Kanzleiverfahren zur
nunmehrigen Vollendung der schriftlichen Fassung der Beschlüsse des Geheimen Consiliums vor sich von der Herstellung der Reinschrift – das Geschäft des Mundierens – bis hin
zur Expedierung der durch den Herzog mit seiner Unterschrift vollzogenen Ausfertigung.
Die Umsetzung der revidierten und signierten Konzepte in die Reinschrift erfolgte unter
Aufsicht des Geheimen Sekretärs durch die dafür zuständigen Kanzlisten. Sie erhielten von
ihm die Entwürfe, in denen der bestätigte Wortlaut und die nur abgekürzt und angedeutet
umschriebenen Formeln, Titularien und Kuralien in die vorgeschriebene und konventionelle Form gebracht werden mussten. Die kollationierten, d. h. die mit der Textvorlage verglichenen, Reinschriften wurden zusammen mit den zugehörigen Konzepten in kurzen
93
Ebd., S. 65-66.
44
Geheimes Consilium 1776–1786
Abständen dem Herzog vorgelegt. Er signierte einerseits das Konzept über der Säule mit
den Signaturen (Revisionssiglen) der Geheimen Räte und unterschrieb andererseits die zu
expedierende Ausfertigung. Sein Signum auf dem Konzept war wichtig, weil dieses zu den
Akten genommen wurde und dort die erreichte Erledigung des Vorganges dokumentierte.
Nach vollzogener Unterschrift durch den Landesherrn oder nach der Unterschriftsleistung der Geheimen Räte bei Auftragsreskripten, die bei dessen Abwesenheit „ad mandatum Serenissimi speciale“ ausgefertigt worden waren, wurden die Ausfertigungen an die
Empfänger durch Boten mittels persönlicher Zustellung oder durch die Post befördert.
Zu den Nachweisen für die Erledigung in der Geheimen Kanzlei lesen wir bei Willy
Flach: „Alle diese Geschäfte überwachte der Geheime Sekretär im einzelnen genau durch
eigenhändige Vermerke auf den Konzepten und durch besondere Registranden. Auf die
Konzepte, auf denen der Name des Reinschreibers durch dessen Anfangsbuchstaben in der
linken oberen Ecke angedeutet wurde, setzte er nach vollzogener Unterschrift des Mundums durch den Herzog dessen Namenszug an das Ende und notierte in die linke untere
Ecke das Datum und die Art der Beförderung der Ausfertigung. Außerdem führte er eigenhändig je eine besondere Registrande über die Ausfertigungen und über die kurzerhand an andere Behörden abgegebenen Eingänge, die auch zu Goethes Zeit noch die gleiche Form hatten, in der sie bei Gründung der Geheimen Kanzlei 1756 eingerichtet worden
waren.94 Gerade aus den Notizen des Geheimen Sekretärs auf den Konzepten und aus seinen Registranden, aus denen sich Art und Zeit des Weges der Expeditionen des Geheimen
Consiliums von der Resolution in der Session über die Vollziehung der Reinschrift bis zum
tatsächlichen Auslauf deutlich erkennen läßt, bestätigt sich die gute Meinung, die man im
Consilium selbst vom Funktionieren des Geschäftsganges hatte und die Johann Christoph
Schmidt, dem Goethe dabei durchaus beipflichtete, 1785 so aussprach: ‚Mir ist keine einzige Kanzlei bekannt, bei welcher die Sachen schneller gingen als bei der unsrigen.‘ […]“95
Die Frage der Vereinfachung von Stil und Form der in der Geheimen Kanzlei gefertigten amtlichen Schriftstücke – eine „Veränderung der Form unserer Canzley Expeditionen“, wie es Goethe ausdrückte96 – beschäftigte im November 1785 die Mitglieder des Geheimen Consiliums, wozu der Geheime Rat Christian Friedrich Schnauß auf Veranlassung
des Herzogs nach dessen „geäußerten Intention und gegebenen Vorschrift“ Vorschläge
ausgearbeitet hatte, die den anderen Geheimen Ratsmitgliedern „zu weiterer Überlegung
und Beurtheilung“ zugleitet wurden. Schnauß wusste selbst nicht, ob dieser Auftrag durch
Beschwerden und Entschuldigungen der Landeskollegien und ihrer Kanzleien, „daß der
Arbeit zu viel wäre und die Leute nicht damit fertig werden könnten“, ausgelöst wurde
und ließ es offen, „ob dieser Vorgang etwas helfen werde oder könne“. Johann Christoph
Schmidt und Goethe reichten dazu schriftliche Voten ein.97 In diesem Zusammenhang bewertete Schmidt, der durch seine vorherige Tätigkeit als Geheimer Referendar mit allen
94
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96
97
Zu den Registrandenformen und -überlieferungen siehe unten das Kapitel Zur Überlieferung und zur Edition.
Willy Flach, Goetheforschung und Verwaltungsgeschichte (wie Anm. 1), S. 67.
Goethes Amtliche Schriften I, S. 420.
Ebd., S. 412-421. Abdruck der Voten aus Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 683, Bl. 1-10.
Einführung
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„Observanzen“ der Kanzleitätigkeit vertraut war, auch die „Geschwindigkeit der Geheimden-Canzley-Expeditionen“ in Weimar und hatte gar nichts daran auszusetzen, „denn mir
ist keine einzige Canzley bekannt, bey welcher die Sachen schneller giengen als bey der
unsrigen. Zu leugnen ist aber nicht, daß manche einzelne Expeditionen um ein gutes Theil
kürzer gefaßt werden könnten, ob ich gleich glaube, daß eben diese Abkürzung den Concipienten mehr aufhalten und ihm mehr Mühe machen würde, als wenn es erlaubt bliebe,
in dem alten ausgetretenen Wege fortzuschlendern.“ Sein Urteil lautete dann auch: „Jede
dieser Formen hat ihr Eigenes und Characteristisches, das sich auf eine allgemeine Observanz und auf die Verhältniße deßen, der die Befehle giebt, und deßen, der sie empfängt,
gründet. Ich sollte glauben, daß diese Form, und was sie eigentlich characterisirt, beybehalten werden müße.“ Goethe, der ebenfalls pflichtgemäß sein Votum erstattete, trat den
„gründlichen Bemerckungen“ seines Kollegen bei, denn: „Keine Zeit Ersparnis wird gemacht wie vorliegende Vota [von Schnauß und Schmidt] anzeigen.“ Und er wies noch auf
einen entscheidenden Umstand hin: „Eine Canzley hat mit keinen Materialien zu thun und
wer nur Formen zu beobachten und bearbeiten hat, dem ist ein wenig Pedantismus nothwendig. […] Ja sollte das Von Gottes Gnaden nur als Übung der Canzlisten in Fracktur
und Canzleyschrifft beybehalten werden, so hätte es eine Absicht, und ein groser Herr ist
dem Anstande etwas schuldig. Er entscheidet so offt über Schicksale der Menschen, er nehme ihnen nicht durch eilige Expeditionen den Glauben an Gesetztheit der Rathschläge.
Ordnung kann ohne eine proportionirte Geschwindigkeit nicht bestehen, Eile ist eine
Feindin der Ordnung so gut als Zögern.“ Auf diese Weise wurden offenbar die aufgekommenen Gedanken zu Veränderungen im „Canzley Styl“98 beim Herzog verscheucht.
Schließlich muss noch ein Blick auf das Kanzleipersonal – höhere, mittlere und untere
Beamten – in diesem Jahrzehnt geworfen werden99, von dem wir bisher nur den Geheimen
Referendar Johann Christoph Schmidt erwähnt haben, weil er 1785 in das Geheime Consilium berufen wurde. Er hatte 1755 als Sekretär in der Regierungskanzlei in Eisenach begonnen, war aber bereits im Jahr darauf in die neu geschaffene Geheime Kanzlei in Weimar
übergewechselt und nahm hier die Stelle des Geheimen Sekretärs ein, als Jakob Friedrich
von Fritsch Geheimer Referendar war. Seit 1766 übte er als Verbindungsmann zwischen
dem Geheimen Consilium und der Geheimen Kanzlei das Amt eines Geheimen Referendars aus. Als er, um Goethe von der Pflichtteilnahme an den Sessionen und sonstigen Routinearbeiten zu entlasten, selbst in das Geheime Ratskollegium aufgenommen wurde, folgte ihm 1785 der bisherige Geheime Sekretär Johann Ludwig Schnauß in diese Position
nach. Dieser war beim Regierungsantritt Carl Augusts dirigierender Leiter der Geheimen
Kanzlei, neben dem es mit Carl Kirmß und Johannes Schmidt zwei weitere Geheime Sekretäre gab. Zusammen bildeten diese drei Sekretäre die Gruppe der wirklichen, d. h. der
expedierenden, Geheimen Sekretäre. Ihnen standen mit Johann Friedrich Schwabhäußer
98
99
Nur diese von der Hand eines Registrators stammende Bezeichnung enthält der Umschlag, in denen die Voten abgelegt und später dem Geheimen Haupt- und Staatsarchiv, dem heutigen Thüringischen Hauptstaatsarchiv, übergeben wurden. Die Voten selbst tragen keine Bearbeitungsvermerke. Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Behörden B 683.
Vgl. die detaillierten Angaben in Willy Flachs Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften (wie Anm. 1);
Wolfgang Huschke, Die Beamtenschaft der weimarischen Zentralbehörden beim Eintritt Goethes in den
weimarischen Staatsdienst (1776). In: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven. Berlin 1953, S. 190-218.
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Geheimes Consilium 1776–1786
und Johann Wilhelm Machts zwei Kanzleisekretäre zur Seite, die sich über die weiteren
Geheimen Kanzlisten bzw. Registratoren (Jakob Bernhardt Burckhardt, Christian Friedrich Wilhelm Roth, Johann Andreas Mittelsdorff) und die Kanzleidiener bzw. -boten
(Johann Heinrich Witzel, Simon Heinrich Burkhart) erhoben. Zu erwähnen ist auch das
leitende Personal des außerhalb der Geheimen Kanzlei als eigenständige Einrichtung existierenden Geheimen Archivs, Jakob Heinrich Neuberger (bis 1778), Johann Ludwig
Eckardt (bis 1783), danach Christian Gottlob Voigt, dem weitere Archivsekretäre und Akzessisten (Martin Schamelius, Johann Christian Meyer) unterstanden.
Zur Entwicklung nach 1786
Für Goethe bedeutete die im September 1786 angetretene Reise nach Italien eine Zäsur in
seinen amtlichen Verhältnissen in Sachsen-Weimar-Eisenach100, obwohl er formell weiter
dem Geheimen Consilium angehörte und auch nach seiner Rückkehr 1788 außerhalb der
Geheimen Ratsstube für den Dienst in der Staatsspitze zur Verfügung stand, sei es durch
sein amtliches Votum oder durch die Erledigung spezieller Aufträge des Herzogs. Für die
Zurückgebliebenen im Geheimen Consilium ging die Arbeit wie gewohnt weiter. Erst
1787 setzte Herzog Carl August selbst eine Zäsur in der Tätigkeit dieses Gremiums, als
sich bei ihm politisch bedingte Erwägungen und Aktivitäten gegenüber der persönlichen
Teilnahme am Regierungshandeln in den Vordergrund schoben, weil er von dem neuen
preußischen König Friedrich Wilhelm II. zu einer ebenso heiklen wie wichtigen diplomatischen Mission – die Absicherung der Mainzer Koadjutorwahlen für Karl Theodor Freiherr von Dalberg – bestimmt worden war. Wenig später kam zu der politischen Betriebsamkeit Carl Augusts noch der Eintritt in den preußischen Militärdienst hinzu. Carl
Ludwig von Knebel, der ehemalige Prinzenerzieher und Freund, hatte sich im Dezember
1786 ihm gegenüber in ernster Sorge für das Land wegen der wiederholten langen Abwesenheit Carl Augusts gezeigt.101 In den „Erinnerungen“ von Christian Friedrich Schnauß
heißt es zum Jahr 1787: „Den 30. September kamen Serenissimus von Berlin zurück und
brachten das Patent als Königl.[ich] Preuß.[ischer] General Major und Obrister des vormals von Rohrischen Cuirassier Regiments, das in Aschersleben und dasiger Gegend liegt,
mit, worüber aber keine große Freude war.“102
Seine Teilnahme am preußischen Feldzug in Holland vom 7. Oktober 1787 bis 14. Februar 1788 hat Herzog Carl August schließlich veranlasst, nähere Anweisungen über den
Fortgang der Geschäfte in der Landesadministration während einer längeren Abwesenheit
zu publizieren. Das Geheime Consilium hatte nach Goethes Abreise am 24. Juli 1786 noch
ein Jahr lang nach der seit dem Regierungsantritt Carl Augusts üblichen Geschäftsordnung
gearbeitet: Bei Anwesenheit des Herzogs in Weimar wurden die zu entscheidenden Ge-
100
101
102
Vgl. Volker Wahl, Goethes Italienreise als Zäsur in seinen amtlichen Verhältnissen in Weimar. In: „... endlich
in dieser Hauptstadt der Welt angelangt!“ Goethe in Rom. Publikation zur Eröffnung der Casa di Goethe
in Rom, Band 1: Essays. Mainz 1997, S. 60-71, 202.
Siehe den Brief Knebels an Herzog Carl August vom 14. Dezember 1786. Politischer Briefwechsel des Herzogs und Großherzogs Carl August von Weimar I, S. 266-267.
Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie
Anm. 16), S. 691.
Einführung
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schäftsvorfälle in regelmäßig stattfindenden Sessionen mit ihm zusammen behandelt; in
Fällen der Abwesenheit erledigten die Geheimen Räte die meisten Geschäfte unmittelbar
ad mandatum Serenissimi speciale, während die wichtigsten Angelegenheiten bis zu seiner
Rückkehr ausgesetzt blieben. Das konnte bei dauerhaft längerer Abwesenheit des Landesherrn nicht mehr durchgehalten werden. Am 3. Oktober 1787 erließ er für solche Fälle ein
gedrucktes „Patent“ an seine „Unterthanen der beyden Fürstenthümer Weimar und Eisenach nebst der Jenaischen Landes-Portion“, das im ganzen Land durch öffentlichen Anschlag verbreitet wurde und die Verfahren regelte, wie Beschwerden, Gesuche und „Supplicate“ (Bittschriften) an ihn und die zuständigen Behörden gelangen sollten. Das
Geheime Consilium erhielt eine spezielle Instruktion, nach der dieses seine Tätigkeit künftig einrichten sollte.103 Das Geheime Ratskollegium sollte die „currenten Geschäffte“ wie
bisher besorgen und „ad Mandatum“ unterschrieben expedieren. Über wichtige Vorfälle
aber sollte ihm ein gemeinsamer schriftlicher Vortrag zugeschickt werden, auf den dann
seine Resolution ohne Zeitverlust erfolgen würde.
Aber auch nach Carl Augusts Rückkehr aus Holland im Frühjahr 1788 war er nicht
mehr gewillt, seine Regierungsgeschäfte in der alten Art – durch Teilnahme an allen Sitzung des Geheimen Consiliums – wieder aufzunehmen. Noch vor seinem Eintreffen in
Weimar schickte der Herzog am 4. Februar 1788 aus Darmstadt mittels Handschreiben
eine Instruktion an den Geheimen Rat von Fritsch über die endgültige Neuordnung des
Geschäftsganges nach seiner Rückkehr.104 Dabei kehrte er mit der Einführung von „präparatorischen Sessionen“ zu der alten Methode seiner Mutter aus der Zeit ihrer Vormundschaftsregierung zurück. „Der Versuch den ich machte, in der kurzen Zwischen Zeit ehe
ich nach Holland reiste, die Geschäfte meines Geheimen Raths mit mehrerer Zeit Oeconomie zu behandeln, hat mich belehrt, daß es der rechte Weg war, den ich einschlug. Da sich
meine Geschäfte täglich häufen und meine Zeit, so zu sagen, sich verkürzt; so habe
ich mich entschlossen, die versuchte Methode fortzusetzen, und zwar auf folgende Weise:
Am ersten Montag nach meiner Ankunft versammeln sich die Geheimen Räthe auf der
Canzlei ohne mich, halten eine praeparatorische Session wie zu Zeiten der Vormundschaft,
und dann tragen mir vor und empfangen von mir die Resolutionen […].“105 Der Vortrag
der Geheimen Räte im Kabinett des Herzogs sollte danach einzeln und über die ganze
Woche verteilt erfolgen.
Das war eine neue Zeit, nicht zu vergleichen mit dem ersten Regierungsjahrzehnt des
mündig gewordenen Herzogs, als dieser noch ständig „collegialiter“ in der Geheimen
Ratsstube mit seinen Beratern die Stufen des Referierens, des Votierens und des Resolvierens durchschritt, als ihn Goethe zwischendurch genau und zuverlässig über alle wichtigen
Vorgänge unterrichtete, als Carl August sich noch Zeit für das Regieren nahm, die er ange-
103
104
105
Vgl. Helma Dahl, Einleitung zu Goethes Amtliche Schriften II,1, S. 58-63. Patent und Instruktion vom
3. Oktober 1787 in Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190 II,
Bl. 102-110. Siehe dazu auch Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter des achtzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 691-692.
Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Hausarchiv, Nachlass Carl August A XIX 38, Bl. 109-110.
Abschrift in Weimarer Archiv, Dienersachen B 25190 II, Bl. 119-120.
Zitiert nach Weimarer Archiv, Dienersachen A 25190 II, Bl.119.
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Geheimes Consilium 1776–1786
sichts seiner gestiegenen Interessen und Bedeutung über sein Land hinaus nun nicht mehr
erübrigen konnte oder wollte. Insofern sind die in dieser Regestausgabe zur Tätigkeit des
Geheimen Consiliums 1776 bis 1786 enthaltenen historischen Informationen zum Regierungshandeln in einem aufgeklärten Staat einmalig im Umfang und in der Breite der Dokumentation. Die mit der Regestausgabe gebotene Möglichkeit, für einen Zeitraum von
zehn Jahren die Regierungstätigkeit in Sachsen-Weimar-Eisenach unter Carl August im
Hinblick auf die Erledigung von Einzelfällen oder die fortdauernde Beschäftigung mit den
zu lösenden Fragen zu überblicken und zu erfassen, ist gegeben, lässt sich aber mit intensivem Lesen nicht allein einlösen. Die Komplexität des Regierungshandelns von Carl August unter Einbeziehung des Geheimen Ratskollegiums und aller seiner Mitglieder sowie
die Zusammenarbeit mit den nachgeordneten Ober- und Unterbehörden, nicht zuletzt
auch die Verhandlungen mit ausländischen Regierungs- und Behördenvertretern und
die Kommunikation mit den diplomatischen Vertretern bei den Reichsbehörden ist in der
Tiefe allerdings nur durch die gewissenhafte kritische Auswertung der überlieferten archivalischen Quellen zu begreifen und zu verstehen.106
106
In beispielhafter Weise ist das von Willy Flach in seiner 1954 publizierten Untersuchung „Goethes Mitwirkung beim Zillbacher Holzprozeß“ vorgenommen worden, in der die sich über mehrere Jahre seit 1780
hinziehenden Verhandlungen zwischen Sachsen-Weimar-Eisenach und Sachsen-Meiningen verfolgt und
bewertet werden. Alle Schritte bei der Lösung eines schwierigen Problems sind – sofern sie Gegenstand der
Beratung und Beschlussfassung des Geheimen Consiliums waren – in der Regestausgabe dokumentiert.
Zusammenschau und Durchdringung der komplizierten Materie sind enthalten bei Willy Flach, Goethes
Mitwirkung beim Zillbacher Holzprozeß. Ein Stück aus Goethes amtlicher Tätigkeit. In: Goethe. Neue
Folge des Jahrbuchs der Goethe-Gesellschaft 16 (1954), S. 57-110. Erneut abgedruckt in: Willy Flach. Beiträge zum Archivwesen, zur thüringischen Landesgeschichte und zur Goetheforschung. Hrsg. von Volker
Wahl. Weimar 2003, S. 285-307. Willy Flachs Untersuchung endet mit der Session am 9. Dezember 1785, als
die Rezesse zur Aufbewahrung an das Archiv abgegeben wurden (Regest Nr. 19351). Aber auch noch im
Jahr darauf werden damit im Zusammenhang stehende offene Fragen in den Sessionen des Geheimen Consiliums erörtert und entschieden (zuletzt Regest Nr. 19984). Cristian Friedrich Schnauß teilt in seinen Erinnerungen mit, dass der Herzog ihm am 20. März 1786 zu sich rufen ließ und einen von der Kammer in
Eisenach bezahlten Brillantring „zur Erkenntlichkeit vor die in der Zillbacher Sache gehabte außerordentliche Arbeit und Bemühung“ schenkte. Carl Freiherr von Beaulieu-Marconnay, Ein Weimarischer Beamter
des achtzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 16), S. 690. – Ein Beispiel älterer Forschung ist die im Rahmen des
„Carl August-Werks“ vorgenommene Untersuchung und Edition von Alfred Bergmann, Die Redeckersche Angelegenheit. (wie Anm. 31), S. 100-152. Der Vorgang von 1783 aus dem Geschäftsbereich des Geheimen Consiliums, der den Herzog und dessen Mitglieder in dieser Zeit beschäftigte und zahlreiche Aktenschriftstücke in Form von Aufträgen des Herzogs an das Geheime Consilium sowie von Entwürfen,
Voten und Berichten der Geheimen Räte hinterlassen hat, ist in der Regestausgabe allerdings nicht weiter
berücksichtigt worden, da die Beilegung der Angelegenheit nicht Verhandlungsgegenstand in den Sessionen
des Geheimen Consiliums war. Goethes Amtliche Schriften I S. 243-244 Nr. 145 und S. 260-280 Nr. 153
A-D sowie in Johann Wolfgang Goethe Amtliche Schriften (Frankfurter Ausgabe, Band 26), S. 178-200
Nr. 91-109.
In dieser Edition werden annähernd 20 500 Geschäftsvorfälle aus Politik und
Verwaltung, die zwischen 1776 und 1786 in 761 Sessionen des Geheimen
Consiliums von Sachsen-Weimar-Eisenach verhandelt wurden, in Regestform
dokumentiert. Als Mitglied dieses Geheimen Ratskollegiums, des Beratungsorgans von Herzog Carl August für dessen Staatsleitung, hat Johann Wolfgang Goethe an etwa zwei
Dritteln der in diesem Zeitraum abgehaltenen Sitzungen referierend, resolvierend und signierend
teilgenommen. Nachdem in den bisher edierten Amt lichen Schriften aus dem Geheimen Consilium
lediglich 204 Vorgänge aufbereitet wurden, kann nunmehr das wahre Ausmaß seiner Amtstätigkeit
für die Landesadministration im ersten Weimarer Jahrzehnt – alles was durch seinen Kopf hindurchgegangen und wozu er Mitverantwortung übernahm – betrachtet und nachvollzogen werden. Diese
Regestausgabe dient aber nicht nur der Goetheforschung, sondern ist zugleich ein umfassendes
Kompendium von Quellen für landes- und lokalgeschichtliche Forschungen über das Territorium
zwischen Werra und Ilm in den Anfangsjahren der Weimarer Klassik.
Volker Wahl war von 1990 bis 2008 Direktor des Thüringischen Hauptstaatsarchivs Weimar.
I SBN 3- 412- 22334- 4
ISBN 978-3-412-22334-2 | W W W.BOEHL AU-V ERL AG.COM