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DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN Dokumentnummer: letzte Aktualisierung: 11429 21.12.2005 InsO §§ 105, 103, 106; BGB §§ 309 Nr. 8, 434, 634, Teilbarkeit des Bauträgervertrages in der Insolvenz des Bauträgers; Änderungsvereinbarungen oder "insolvenzrechtliche Rangvereinbarung" im Insolvenzeröffnungsverfahren mit eine m schwachen Insolvenzverwalter I. Sachverhalt Über das Vermögen einer Bauträgergesellschaft wurde die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Das Verfahren ist noch nicht eröffnet. Es wurde allerdings bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Auch wurde angeordnet, dass Verfügungen der Bauträgergesellschaft nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters möglich sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist bestrebt, in Absprache mit der Globalgläubigerin das Bauvorhaben zu Ende zu führen. Er ist jedoch hierzu nur bereit, wenn die Käufer mit der Bauträgergesellschaft unter seiner Zustimmung gleichlautende Anpassungsvereinbarungen zu den Bauträgerkaufverträgen schließen. Darin sollen die Käufer ihr Einverständnis dazu erklären, etwa bestehende Gewährleistungsansprüche für bereits erstellte Gewerke sowie etwaige Schadensersatzansprüche insbesondere aus der verspäteten Gesamtsfertigstellung des Objekts lediglich zur Tabelle anzumelden. Die Käufer sollen also diesbezüglich so gestellt werden, wie wenn sie einfache Insolvenzgläubiger wären. II. Frage 1. Ist der Bauträgervertrag teilbar im Sinne des § 105 InsO, so dass die Erwerber hinsichtlich ihrer Mängelrechte für bereits erbrachte Bauleistungen nur wie einfache Insolvenzgläubiger zu behandeln sind, auch wenn der Insolvenzverwalter des Bauträgers Erfüllung wählt? 2. Wie sind Vereinbarungen mit dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter zu würdigen, insbesondere, wenn es alsdann zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt? III. Zur Rechtslage 1. Teilbarkeit des Bauträgervertrages nach § 105 InsO Die Frage, ob der Bauträgervertrag teilbar ist i. S. d. § 105 InsO, ist umstritten. Die Rechtsprechung und die wohl herrschende Ansicht gehen davon aus, dass jedenfalls Werkverträge und damit wohl auch Bauträgerverträge grundsätzlich teilbar sind. Entscheidend kommt es nur darauf an, ob sich die vor und nach Insolvenzeröffnung erbrachten Leistungen feststellen und bewerten lassen. Deutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon 09 31/3 55 76-0 • Telefax 09 31/3 55 76-2 25 email: dnoti@dnoti.de • internet: http://www.dnoti.de user/mr/pool/11429.doc Seite 2 Dies soll bei Werkverträgen über Bauleistungen nach den gleichen Regeln wie bei einer Kündigung aus wichtigem Grund möglich sein (BGH 150, 353; DNotZ 2002, 648 = NJW 2002, 2783; BGHZ 129, 336, 343 = NJW 1995, 1966; s. dazu Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, DAI-Tagungsskript 2005, 226 m. w. N.). Anderer Ansicht ist namentlich Kesseler (RNotZ 2004, 176 ff.; ders. ZIP 2005, 2046 (ähnlich Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 3. Aufl. 2005, Rn. 1331)). Seiner Ansicht nach wird beim Bauvertrag ein Erfolg insgesamt und nicht nur die einzelnen Leistungen geschuldet. Eine Aufteilung in einzelne Leistungen vor und nach der Insolvenz sei daher unzulässig. Die Rechtsprechung hat die Frage der Teilbarkeit für den Bauträgervertrag noch nicht entschie den. Allerdings nimmt sie Teilbarkeit bei Werkverträgen über Bauleistungen in ständiger Rechtsprechung an. Deshalb ist wohl davon aus zugehen, dass eine solche Teilbarkeit von der Rechtsprechung auch für Bauträgerverträge angenommen wird. 2. Teilbarkeit und Gewährleistungsansprüche Die Frage der Teilbarkeit nach § 105 InsO spielt namentlich dann eine Rolle, wenn es nach tatsächlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bauträgers zur Ausübung des Insolvenzverwalterwahlrechts nach § 103 InsO kommt und der Insolvenzverwalter Erfüllung wählt. Umstritten ist hier, ob der Insolvenzverwalter bei dieser Erfüllungswahl nicht nur die noch ausstehenden Leistungen für die Fertigstellung des Bauobjekts zu erbringen hat, sondern darüber hinaus auch sämtliche Gewährleistungsansprüche der Vertragspartner des Bauträgers erfüllen muss. Hintergrund dieser Diskussion ist die grundsätzliche Überlegung, dass beim Werkvertrag ein Erfolg geschuldet wird und nur eine mangelfreie Erbringung der geschuldeten Leistung Erfüllungswirkung hat. Während die wohl herrschende Ansicht davon ausgeht, dass bei der Erfüllungswahl neben der vollständigen Fertigstellung auch Mängel der bisherigen Bauausführung beseitigt werden müssen, soll nach einer Ansicht der Vertragspartner für die Mängelbeseitigung durch den Insolvenzverwalter (erneut) die Gegenleistung an die Masse erbringen. Kesseler (ZIP 2005, 2046, 2048 f.) steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass eine solche zusätzliche Leistungspflicht des Vertragspartners unannehmbar sei. Soweit der Insolvenzverwalter Erfüllung wähle, liege es deshalb in seinem Risikobereich, auch etwaige Gewährleistungsansprüche erfüllen zu müssen und zwar ohne dass er hierfür eine zusätzliche Gegenleistung erhält. Nach a. A. liegt es demgegenüber in der Konsequenz des weiten Teilbarkeitsbegriffs, auch bezüglich einer Schlecht- oder Nichtleistung danach zu differenzieren, ob die Schlecht- oder Nichtleistung vor oder nach Insolvenzeröffnung geschehen ist. Wähle der Insolvenzverwalter Erfüllung, so bedeute dies nur mangelfreie Erfüllung der vom Insolvenzverwalter noch zu erbringenden Leistungen, nicht aber gleichzeitig auch die Beseitigung von Mängeln der schon vor Insolvenzeröffnung vom Gemeinschuldner erbrachten Leistungen (Huber, ZInsO 2005, 449, 452). 3. Abänderungsvereinbarung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Die vorstehenden Ausführungen betreffen allein den Fall, dass es tatsächlich zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt und der Insolvenzverwalter dann im Rahmen des § 103 InsO sein Wahlrecht bezüglich des noch nicht vollständig erfüllten Bauträgervertrages ausübt. Im vorliegenden Fall ist das Insolvenzverfahrens jedoch noch nicht eröffnet. Es wurde Seite 3 lediglich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und im Insolvenzeröffnungsverfahren ein so genannter schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt eingesetzt. Ein solcher schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter hat keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die künftige Insolvenzmasse des Gemeinschuldners. Von daher ist ein solcher vorläufiger Insolvenzverwalter auch nicht berechtigt, Verträge mit Wirkung für und gegen den Gemeinschuldner abzuschließen oder etwa bereits bestehende Verträge abzuändern. Die Rechtsmacht liegt hier allein und ausschließlich in der Person des Gemeinschuldners selbst. Auch aus dem angeordneten Zustimmungsvorbehalt ergibt sich insoweit nichts anderes. Dieser Zustimmungsvorbehalt trifft nur Verfügungen des Gemeinschuldners und erstreckt sich damit von vornherein nicht auf irgendwelche vertraglichen Abreden des Gemeinschuldners und seiner Vertragspartner. Zu besorgen ist letztlich, dass auch dann, wenn man dem vorläufigen Insolvenzverwalter eine solche Rechtsmacht zubilligen würde, entsprechende Vereinbarungen mit Wirkung für und gegen den Gemeinschuldner im Insolvenzeröffnungsverfahren abzuschließen, der vorläufige Insolvenzverwalter das Insolvenzverwalterwahlrecht nach § 103 InsO im alsdann eröffneten Insolvenzverfahren nicht beseitigen oder aufheben kann. Etwaige Änderungsvereinbarungen, die die Vertragspartner des Gemeinschuldners mit diesem unter ausdrücklicher Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters treffen, führen also nicht dazu, dass die sich daraus ergebenden Ansprüche der Vertragspartner des Gemeinschuldners „insolvenzfest“ werden. Soweit die Voraussetzungen des § 103 InsO gegeben sind, unterliegen derartige Ansprüc he weiterhin dem Insolvenzverwalterwahlrecht. Ebenso unterliegen diese Änderungsvereinbarungen einer etwaigen Insolvenzverwalteranfechtung nach §§ 129 ff. InsO (Heidelberger Kommentar zur InsO/Kreft, 3. Aufl. 2002, § 129 Rn. 30; Kirchhof, ZInsO 2002, 297 ff.; MünchKomm- InsO/Kirchhof, § 129 Rn. 44 ff.). In einer neuen Entscheidung hat der BGH diese Auffassung bestätigt, wonach Rechtshandlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters im Grundsatz anfechtbar sind. Gleichzeitig hat er aber auch entschieden, dass im Einzelfall eine Anfechtung unter besonderen Vertrauensschutzgesichtspunkten nach § 242 BGB unzulässig sein kann (BGH DNotIReport 2005, 34 = NJW 2005, 1118; ebenso BAG NJW 2005, 1389). Danach ist eine Handlung des Schuldners, der der vorläufige Insolvenzverwalter zugestimmt hat, vom späteren Insolvenzverwalter nicht mehr anfechtbar, wenn der Leistungsempfänger auf die Rechtsbeständigkeit des Verhaltens des vorläufigen Verwalters vertraut hat und dieses Vertrauen schutzwürdig ist. Stimmt der vorläufige Verwalter neuen Verträgen des Schuldners vorbehaltlos zu, begründet dies grundsätzlich einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand. Behält sich dagegen der vorläufige Verwalter bei seiner Zustimmung die spätere Anfechtung und Rückforderung vor, hat er keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, der die spätere Anfechtung ausschließt. Stimmt der vorläufige Verwalter einer Erfüllungshandlung des Schuldner zu, die nicht im Zusammenhang mit einem neuen Vertragsschluss steht, wenn also beispielsweise ausschließlich Altforderungen befriedigt werden, so ist das Vertrauen des Gläubigers in der Regel ebenfalls nicht schutzwürdig (BGH DNotI-Report 2005, 34 = NJW 2005, 1118). Unabhängig von der Frage einer etwaigen Insolvenzverwalteranfechtung nach eröffnetem Insolvenzverfahren besteht für die Vertragspartner des Gemeinschuldners das entscheidende Problem, dass trotz einer solchen Änderungsvereinbarung ihre etwaigen Ansprüche auf Errichtung des Bauwerks im Falle der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach wie vor „einfache“ Insolvenzforderungen bleiben. Insbesondere werden also diese Forderungen allein aufgrund der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht zu bevorzugt zu Seite 4 befriedigenden Masseverbindlichkeiten. Masseverbindlichkeiten darf der vorläufige Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht begründen, es sei denn, der vorläufige Insolvenzverwalter wurde hierzu ausdrücklich vom Insolvenzgericht ermächtigt (BGH ZIP 2002, 1625, 1629; BGH ZIP 2003, 810, 811; AG Hamburg NZI 2003, 153; s. dazu auch Reul/Heckschen/Wienberg, Insolvenzrecht in der Kautelarpraxis, S. 97 f.). 4. Gewährleistungsansprüche in der Insolvenz des Bauträgers Die vom vorläufigen Insolvenzverwalter gewünschte Änderungsvereinbarung zielt nach unserer Auffassung augenscheinlich auf die von Marotzke erstmals in der Literatur vorgeschlagene „insolvenzrechtliche Rangvereinbarung“ ab (ZInsO 2002, 501; s. dazu Reul/Heckschen/Wienberg, 247 f.). Bislang hat sich diese Gestaltungsvariante – soweit ersichtlich – noch nicht durchsetzen können (Krauß, Rn. 1339). Geht man davon aus, dass der Insolvenzverwalter bei Erfüllungswahl auch etwaige Gewährleistungsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig befriedigen muss, um letztlich seine werkvertraglichen Pflichten vo llständig zu erfüllen, ist eine solche insolvenzrechtliche Rangvereinbarung im Hinblick auf das Klauselverbot bei neu hergestellten Sachen nach § 309 Nr. 8b BGB problematisch. Eine solche insolvenzrechtliche Rangvereinbarung stellt stellt ihrer Wirkung nach letztlich eine Einschränkung der Gewährleistungsansprüche dar. Im Verbrauchervertrag ist eine solche Einschränkung der Gewährleistungsansprüche bei neu hergestellten Sachen aber unzulässig. Auch ist es so, dass bei Vertragsabschluss mit einem Insolve nzverwalter keinerlei Sondervorschriften gelten. Vielmehr sind vom Insolvenzverwalter die allgemeinen Vorschriften und damit insbesondere auch die Klauselverbote der §§ 305 ff. BGB zu beachten. Geht man demgegenüber davon aus, dass die Erfüllungswahl dem Insolvenzverwalter nicht gleichzeitig auch dazu zwingt, etwaige Gewährleistungsansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu befriedigen, bedarf es einer solchen zusätzlichen Vereinbarung nicht. Diese Gewährleistungsansprüche sind vo n vornherein nur einfache Insolvenzforderungen.